Zwangsarbeit in Plauen im Vogtland: Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Zivilarbeiter, Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge im Zweiten Weltkrieg [1 ed.] 9783412517434, 9783412517410

154 72 4MB

German Pages [505] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Zwangsarbeit in Plauen im Vogtland: Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Zivilarbeiter, Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge im Zweiten Weltkrieg [1 ed.]
 9783412517434, 9783412517410

Citation preview

Katherine Lukat

Zwangsarbeit in Plauen im Vogtland Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Zivilarbeiter, Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge im Zweiten Weltkrieg

Katherine Lukat

ZWANGSARBEIT IN PL AUEN IM VOGTL AND Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Zivilarbeiter, Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge im Zweiten Weltkrieg

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung von Vogtland 89 – Regionale Zeitgeschichte erleben und vermitteln

Das vorliegende Werk ist im Rahmen einer Promotion an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg 2017 entstanden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen  : Abzeichen für polnische Zwangsarbeiter. Stadtarchiv Wiesbaden, Foto-Nr. 004251; Zwangsarbeiter des Stadtbauamtes Plauen, Stadtarchiv Plauen. Korrektorat  : Rainer Landvogt, Hanau Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51743-4

Inhalt

1 Einleitung . . . . . . . . . 1.1 Forschungsstand . . . . . . 1.2 Untersuchungsaufbau . . . 1.3 Ziel und Fragestellungen.. 1.4 Quellenlage.. . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

.    7 .   16 .    27 .   33 .   35

2 Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg . . . . . 2.1 Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 . . . 2.2 Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3.1 3.2 3.3

Das ›System des Ausländereinsatzes‹.. . . . . . . . . . . Der ›Ausländereinsatz‹ vor dem Zweiten Weltkrieg . . . . . Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende. . Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen.. . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

  44   46   86

.    97 .   98 .   103 .   120

4 Zwangsarbeit in Plauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die VOMAG und ihre ausländischen Zivilarbeiter – Rekrutierung, Arbeit und Unterbringung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter in der Plauener Textilindustrie – Arbeitsrecht und Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Zivile ausländische Arbeitskräfte bei Tegewe und Gapla – Lohn, Arbeitszeit und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Private Haushalte und ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹ . . . . . . . 4.1.5 Ausländer in der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern – Das Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ für Ostarbeiter . . . . . . . . . 4.2.1 Gesundheitliche Risiken des ›Arbeitseinsatzes‹ – Hygiene, Kleidung, Arbeitsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Arbeitsunfähigkeit durch Erkrankung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Arbeitsunfähigkeit durch Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern . . . . . . . . 4.3.1 Die Untersuchungshaftanstalt in Plauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Das Straflager ›Sachsenhof‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Der Einsatz von Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

  142   153   169   206 218 238   246

  255   262   279   299   317   330   347   357

6 | 

Inhalt

4.4.1 Kriegsgefangene und die Reichsbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Land- und forstwirtschaftliche Einsatzgebiete . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Kriegsgefangene in der Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Der Einsatz von KZ-Häftlingen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Zwei KZ-Außenlager für Osram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Betriebsverlagerung der VOMAG und Arbeitskräfte aus dem KZ. . 4.5.3 Dr. Th. Horn und der Einsatz von KZ-Häftlingen . . . . . . . . . . 4.6 Das deutsche Aufsichtspersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

  365 368 378   387   392   401   408   411

  5 Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit in Plauen . . . . . . . . . . . . . .   419   6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   425   7 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   431   8 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

478

  9 Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   480 10 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   494 11 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   496 12 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   500 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   502

1 Einleitung

In Einzelfällen gelangt das Thema Ausländerbeschäftigung während des Zweiten Weltkrieges in der Großen Kreisstadt Plauen bis heute auf die politische Agenda. Eines der umfangreichsten Projekte war die Datensammlung des Kreisarchivs Vogtland 2004. Das Archiv ermittelte im Zuge der Erstellung einer Datenbank aller im Kreis Plauen befindlichen ausländischen Arbeitskräfte im Zweiten Weltkrieg die Zahl von 5.2301 Personen, die in allen Bereichen der Plauener Wirtschaft eingesetzt waren. Die aus der Datensammlung hervorgegangene Tabelle2 ist eine statistische Auflistung, die zwar wichtige biographische Daten der Betroffenen, wie Lebensdaten, Herkunftsland und -ort sowie Sterbeursache, zur Verfügung stellt, die Alltagswelt der ausländischen Arbeitskräfte jedoch kaum erahnen lässt. Mehr Einblick in die alltäglichen Herausforderungen für ausländische Arbeitskräfte während des Zweiten Weltkrieges gewähren Versuche der Nachfahren früherer Zwangsarbeiter, die Schicksale ihrer Verwandten nachzuvollziehen und Plauen mit den ihnen bekannten Erlebnissen ihrer Angehörigen in der Stadt schlaglichtartig zu konfrontieren. So wurde beispielsweise 2014 für den französischen Zwangsarbeiter Joseph Santerre eine Gedenktafel an der Mauer des ehemaligen Gefängnisses am Schlossberg angebracht. Santerres Geschichte wurde in mehreren Publikationen3 und Projekten thematisiert, die sein Großneffe Laurent Guillet initiiert hatte. 2016 begann die Stadt Plauen im Zusammenhang mit dem Schicksal des Franzosen, die Geschehnisse im Straflager ›Sachsenhof‹, das wohl als Arbeitserziehungslager (AEL) gedient hatte, aufzuarbeiten. Zusammen mit Schülerinnen und Schülern des Plauener Diesterweg-Gymnasiums pflanzten der Oberbürgermeister der Stadt Plauen und Laurent Guillet sowie Jean-Christophe Tailpied, Direktor des Institut français Leipzig, im Rahmen des europäischen Friedensprojektes einen Friedensbaum zum Gedenken an Joseph Santerre und die Insassen des Straflagers.4 Eine ausführliche Darstellung des Alltags im Straflager ›Sachsenhof‹ blieb jedoch aus. Besonderes Interesse wecken die Schicksale der KZ-Häftlinge, die in Plauen an mehreren Standorten schwerster Arbeit unter widrigsten Bedingungen nachgehen mussten. Wieder sind es die Schülerinnen und Schüler des Diesterweg-Gymnasiums, die die Frage nach ihren Schicksalen im Rahmen des Pegasus-Projektes des Landes 1 Anzahl der in der Auswertungstabelle zu Fremd- und Zwangsarbeitern ermittelten Personen. Vgl. StadtA Plauen, Auswertungstabelle zu Fremd- und Zwangsarbeitern. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. Guillet, Laurent (2014)  : Le plus long jeu de piste historique du monde. Il s’appelait Joseph, Limerzel. 4 Vgl. Läster, Nadine  : Ein Friedensbaum in Plauen. In  : Plauener Stadtnachrichten, 02.05.2016, https:// www.plauen.de/de/rathaus/presse-mitteilungen/archiv_sn/2016/nachrichten/friedensbaum.php 13.07.2016.

8 | 

Einleitung

Sachsen stellten.5 Ziel des Landesprojektes ist es, die Geschichte, die hinter einem Denkmal steht, zu beleuchten. Die Schülerinnen und Schüler wählten das Grabmal auf dem Friedhof in Leubnitz, das an die Opfer des Faschismus erinnert.6 Zahlreiche weitere Versuche, an Orten der Erinnerung Gedenktafeln oder zumindest Hinweise auf die Funktion der Stätten im Zweiten Weltkrieg anzubringen, scheiterten bislang. Lediglich Stolpersteine erinnern an damals in Plauen wohnende Verfolgte des NaziRegimes.7 Diese Studie betritt mit der Diskussion der gruppenübergreifenden Lebens- und Arbeitsumstände ausländischer Arbeitskräfte Neuland. Sie soll einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung leisten und die Stadtgeschichte im Zweiten Weltkrieg aufarbeiten. Die Untersuchung wird die soeben vorgestellten Projekte zur Erinnerung an Einzelschicksale in einen Gesamtkontext einordnen. Die ausländischen Arbeitskräfte stellten auf dem Höhepunkt der Rüstungsproduktion im Juli 1944 knapp 26  Prozent aller Beschäftigten in Deutschland.8 Insgesamt befanden sich zwischen 1939 und 1945 ca. 13,5 Millionen Ausländer im Großdeutschen Reich, die zur Arbeit herangezogen wurden.9 Ein ›Ausländereinsatz‹ in dieser Größenordnung legt nahe, dass jede Branche im gesamten Reichsgebiet auf diesen Arbeitskräftepool zurückgriff. Ohne ihn wäre der Krieg wahrscheinlich weitaus früher zu Ende gewesen, da das Reich nicht in der Lage war, aus eigenen Ressourcen Rüstungsproduktion, Energieversorgung und Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen.10 Dass Zwangsarbeit ein ausgesprochen wichtiger Faktor in der deutschen Kriegswirtschaft war, wurde erst spät Teil des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bewusstseins in Deutschland, wie noch zu diskutieren ist. Wie einleitend bereits angedeutet, setzten sich die ausländischen Arbeitskräfte aus verschiedenen Gruppen zusammen. Zu ihnen zählten zivile Arbeitskräfte ebenso wie Kriegsgefangene, die Häftlinge der Konzentrationslager (KZ) und der Justiz. Konzentrationslager waren Einrichtungen zur Inhaftierung einer Vielzahl gesellschaftlicher Gruppierungen ohne Gerichtsurteil und auf unbestimmte Zeit. Sie dienten der   5 Vgl. Staatsministerium für Kultus des Landes Sachsen (2017)  : PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale. http://www.schule.sachsen.de/pegasus/index.htm 25.09.2017.   6 Vgl. Körner, Gerhard (1981)  : Mahn- und Gedenkstätten des antifaschistischen Widerstandskampfes in den Kreisen Plauen-Oelsnitz-Klingenthal, Plauen, S. 31. Im Folgenden zitiert als Körner (1981)  : Mahnund Gedenkstätten.   7 Stadt Plauen (2013)  : Orte der Mahnung und des Gedenkens. https://www.plauen.de/de/rathaus/wis senswertes/stadtgeschichte/juedische-geschichte/orte_der_mahnung.php 17.06.2016.   8 Vgl. Spoerer, Mark (2001)  : Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939–1945, Stuttgart/München, S. 9. Im Folgenden zitiert als Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit.   9 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 223. 10 Vgl. Wildt, Michael (2012)  : Vorwort. In  : Hockert, Franziska  : Zwangsarbeit bei der Auto Union. Eine Fallstudie der Werke Audi und Horch in Zwickau, Hamburg, S.  7. Im Folgenden zitiert als Wildt (2012)  : Vorwort.

Einleitung 

| 9

Ausschaltung politisch Oppositioneller, ebenso wurden rassistisch wie sozial Verfolgte eingewiesen. Als zentrales Instrument der nationalsozialistischen Herrschaft forderten sie Tausende Menschenleben durch Brutalität und Willkür.11 Mitte 1944 befanden sich 500.000, im Januar 1945 rund 700.000 Häftlinge in den Lagern.12 Dagegen war der Höchststand der in Deutschland befindlichen zivilen ausländischen Arbeitskräfte mit ca. 5,3 Millionen bereits im Spätsommer 1944 erreicht.13 Anders als die Kriegsgefangenen  – ihre Zahl belief sich 1944 auf den Höchststand von rund 1,9  Millionen14 – und die KZ-Häftlinge waren ausländische Zivilarbeiter in allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens eingesetzt. Denn die Voraussetzungen für ihren Einsatz waren weitaus einfacher zu erfüllen als bei den anderen Gruppen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich jede öffentliche Einrichtung und jedes deutsche Unternehmen für die Zeit des Dritten Reiches der Frage nach der Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften stellen muss. Zwangsarbeit war in den Jahren des Zweiten Weltkrieges zum Massenphänomen geworden.15 Bevor die Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter genauer betrachtet werden können, ist es notwendig, weitere zentrale Begriffe zu klären. Im Folgenden soll der Begriffsdefinition von Zwangsarbeit gefolgt werden, wie sie Mark Spoerer vorschlägt. Der Zwangscharakter der Arbeit entsteht nämlich dann, wenn »der oder die Arbeitende nicht die Möglichkeit hatte, das Arbeitsverhältnis auf absehbare Zeit zu beenden, also etwa im Rahmen der üblichen gesetzlichen Kündigungsfristen oder spätestens nach Ablauf der ursprünglichen Vertragsdauer.«16 Dieses Verständnis ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den die Vielzahl von Arbeitsverhältnissen, in denen sich Ausländer während des Krieges in Deutschland befanden, gebracht werden kann. Der dem Begriff Zwangsarbeit bereits inhärente Zwang zur Arbeit bezieht sich also

11 Vgl. Wenge, Nicola (2006)  : Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. http://www. bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ravensbrueck/60677/das-system-der-nationalsozialistischenkonzentrationslager  ?p=all 17.06.2016. 12 Vgl. Schulte, Jan Erik (2000)  : Das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt – Zentrale der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen. In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 85. Im Folgenden zitiert als Schulte (2000)  : Das SS-WVHA. Bei den Zahlen handelt es sich um Stichtagszählungen/Mittelwerte. 13 Vgl. Herbert, Ulrich (1998)  : Statistische Tabellen zur Zwangsarbeit im »Dritten Reich«. In  : Barwig, Klaus  ; Saathoff, Günter  ; Weyde, Nicole (Hg.)  : Entschädigung für NS-Zwangsarbeit. Rechtliche, historische und politische Aspekte, Baden-Baden, S. 339. Tabellarische Übersicht zu den Werten von Herbert siehe auch  : Eichholtz, Dietrich (2000)  : Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft (unter besonderer Berücksichtigung der Rüstungsindustrie). In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 37. Im Folgenden zitiert als Eichholtz (2000)  : Zwangsarbeit. 14 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 9. 15 Vgl. Kanther, Michael (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg 1940–1945. Duisburger Forschungen, Bd. 49, Duisburg, S. 1. Im Folgenden zitiert als Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg. 16 Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 11–13.

10 | 

Einleitung

auf die fehlende Möglichkeit zur Lösung des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitsaufnahme konnte demnach durchaus freiwillig erfolgen.17 Die Definition Spoerers ist sachdienlich für die Untersuchung der Zwangsarbeit in Plauen, denn sie ermöglicht es, ausländische Zivilarbeiter, die zeitgenössisch als Fremdarbeiter bezeichnet wurden, zum Untersuchungsgegenstand zu machen. Bei den Fremdarbeitern handelte es sich um ausländische Arbeitskräfte, die sich im Status von Zivilisten befanden.18 Der Terminus meint Arbeitskräfte aus besetzten, verbündeten oder neutralen Staaten, die zunächst auf freiwilliger Basis zur Arbeit ins Dritte Reich gekommen waren.19 Hier ist eine zeitliche Komponente enthalten, denn die Bedingungen, unter denen Fremdarbeiter ihre Anstellung beenden konnten, änderten sich erst langsam und dann endgültig bis März 1944. Sie verloren mit der Urlaubssperre für Arbeitskräfte aus nichtverbündeten Staaten ihre letzten Freiheiten und zählten von da an bis Kriegsende zu den Zwangsarbeitern.20 Zuvor war ihnen die Rückkehr in die Heimat noch möglich gewesen. Die Prozesse, die dazu führten, dass einst freiwillig ins Deutsche Reich gekommene Arbeitskräfte Zwangsarbeit unterlagen, werden in Kapitel 3 detaillierter dargelegt. Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch, dass die diskutierte rudimentäre ­Definition von Zwangsarbeit im Verlauf des Krieges auch auf Arbeitsverhältnisse Deutscher zutreffen konnte. Für deutsche Arbeitskräfte kann ebenfalls eine Unauflöslichkeit ihrer Arbeitsverträge festgestellt werden.21 Trotzdem zählen die deutschen Arbeitskräfte nicht zu den Zwangsarbeitern, wenn sie nicht einer der weiter unten definierten Gruppen angehörten. Zwangsarbeit umfasst schließlich weitere Elemente, die in der folgenden erweiterten Definition dargelegt werden. Für die Politik der Nationalsozia­ listen gegenüber deutschen Arbeitskräften ist an dieser Stelle eine gewisse Ambivalenz festzuhalten. Einerseits erfuhren sie Ausbeutung und Unterdrückung – so wurde der Arbeitsort behördlich bestimmt22 und die Arbeitszeit im Verlaufe des Krieges 17 Vgl. ebd., S. 13. 18 Vgl. ebd., S. 18. 19 Vgl. Bundesarchiv (2010)  : Freiwillige Zwangsarbeit  ? Die Expansion nach Westen. http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/auslaendisch/freiwillige/index.html 16.12.2015. 20 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 167. 21 Die staatliche Kontrolle des Arbeitseinsatzes deutscher Arbeitskräfte wurde durch die Einführung des Arbeitsbuches und der Dienstverpflichtungen manifestiert. Die Dienstverpflichtung führte dazu, dass sowohl Arbeitsplatz und Tätigkeit als auch Dauer der Anstellung staatlicher Lenkung unterworfen waren. Vgl. dazu Thamer, Hans-Ullrich (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz. Bundeszentrale für politische Bidung, http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozi alismus/39551/wirtschaft-und-gesellschaft?p=all 18.12.2017. Im Folgenden zitiert als Thamer (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz. 22 Für deutsche Arbeitskräfte ist festzustellen, dass sie im Zuständigkeitsbereich des Rüstungskommandos Chemnitz ihren Arbeitsplatz nicht frei wählen konnten. Besonders um Facharbeiter kämpften Betriebe und NS-Behörden. So wurden bspw. Arbeitskräfte aus Chemnitz und Umgebung zur Arbeitskräftebedarfsdeckung zur Vogtländischen Maschinenfabrik AG nach Plauen versetzt. Vgl. dazu Wochenbericht

Einleitung 

| 11

in gewissen Industriezweigen über die 60-Stunden-Woche hinaus23 ausgeweitet. Andererseits sollten die ›Betriebsgemeinschaft‹24 sowie Volksgemeinschaftsparolen ein neues Selbstverständnis schaffen. Breite Kreise der Arbeiterschaft erfuhren bereits vor Kriegsbeginn eine soziale und ökonomische Besserstellung durch Lohnsteigerungen und die regelmäßige Ausweitung betrieblicher Sozialleistungen als tragende Säulen der Arbeits- und Sozialpolitik im Nationalsozialismus.25 Die Bemühungen des Staates dienten jedoch weniger der Stärkung der Arbeiterschaft, sondern ausschließich dem Ziel, durch eine Neu- und Durchorganisation der Betriebe die Mobilisierung der Arbeiter und Arbeiterinnen für die expandierende Kriegswirtschaft zu erreichen.26 Nicht vergessen werden darf in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse der Deutschen also, dass sich hinter der betrieblichen Arbeits- und Sozialpolitik im Dritten Reich die Absicht verbarg, die Leistungsfähigkeit der Belegschaft zugunsten der Aufrüstung kontinuierlich auszubeuten. Es kann hier von einem Zwang zur Spitzenleistung in der Rüstungsindustrie gesprochen werden.27 Mit diesen Überlegungen treten deutsche Frauen in den Fokus der Untersuchung, denn gerade für sie konnte in früheren Studien bereits festgestellt werden, dass sie keineswegs immer freiwillig in der Rüstungsindustrie arbeiteten28 und deutlich häufiger als Männer den Repressionen des NS-Systems am Arbeitsplatz zum Opfer fielen.29 Beispielhaft für die Umstände, denen deutsche Arvom 10.–15.01.1944, Anlage 3. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen vom 12.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 66–67. Mit der Einführung des Arbeitsbuches 1935 wurde die freie Wahl des Arbeitsplatzes eingeschränkt und unter staatliche Kontrolle gestellt. Vgl. dazu Thamer (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz. 23 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeitszeit zur Erledigung des ›Jäger-Programmes‹. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 42 Rückseite. 24 Unter Betriebsgemeinschaft ist die Neuorganisation der Betriebe nach dem Führerprinzip zu verstehen. An der Spitze stand der Betriebsführer, ihm untergeordnet und verpflichtet war die Gefolgschaft. Da die Nationalsozialisten mit der Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 die Mitbestimmung der Arbeiterschaft beendet hatten, versuchten sie diese in Form von Vertrauensräten innerhalb der Betriebsgemeinschaften neu aufleben zu lassen. Die Vertrauensräte kamen allerdings nie zum Einsatz und wurden durch Vertrauensmänner und schließlich Treuhänder ersetzt. Unter ihrer Mitwirkung sollten Ehrengerichte in Streitfällen die Harmonie in der Betriebsgemeinschaft wiederherstellen. Vgl. dazu Thamer (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz. 25 Vgl. Schneider, Michael (1999)  : Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn, S. 1090. 26 Vgl. ebd., S. 495 und Wagner-Kyora, Georg (2005)  : »Menschenführung« in Rüstungsunternehmen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. In  : Echternkamp, Jörg (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 9  : Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Zweiter Halbband  : Ausbeutung, Deutungen, Ausgrenzungen, München, S.  421. Im Folgenden zitiert als Wagner-Kyora (2005)  : »Men­schenführung«. 27 Vgl. Wagner-Kyora (2005)  : »Menschenführung«, S. 419–420. 28 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 13. 29 Vgl. Wagner-Kyora (2005)  : »Menschenführung«, S. 443.

12 | 

Einleitung

beitskräfte, im Besonderen Frauen, ausgesetzt sein konnten, wird deshalb in Kapitel 4.6 die Arbeitswelt der Aufseherinnen in den Konzentrationslagern betrachtet. Der Fokus auf die weiblichen Arbeitskräfte ist mit der nationalsozialistischen Frauenpolitik zu begründen. Zuerst sollten sie aus dem Arbeitsleben herausgenommen werden, dann wurden ledige Frauen vornehmlich aus den Arbeiter- und Angestelltenkreisen in die Rüstungsindustrie dienstverpflichtet.30 Da der Schwerpunkt der Studie bei der Untersuchung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte gesetzt ist, wird die Arbeitswelt der Deutschen nur als Exkurs behandelt. Bevor die Gruppen zu unterscheiden sind, die vergleichbare Arbeits- und Lebens­ umstände im Dritten Reich unter dem Eindruck von Zwangsarbeit vorfanden, sind noch weitere Feststellungen zum Terminus zu machen. So war für den in der Sprache des Nationalsozialismus so genannten ›Reichseinsatz‹ die alltägliche Diskriminierung der meisten ausländischen Arbeitskräfte charakteristisch. Zutage trat die Diskriminierung unter anderem in der Unterbringung und Versorgung in Lagern. Für die Mehrzahl der Ausländer ist eine deutlich schlechtere Lebensmittelversorgung festzustellen als für deutsche Arbeitskräfte. Außerdem waren sie oft allgemein schlechteren Existenzbedingungen ausgesetzt. Grund dafür war ein dem Nationalsozialismus innewohnendes sozialpolitisches Verständnis. Analog zur Aufklärung und der klassischen Liberalismus-Idee zählte der einzelne Bürger im NS-System nicht. Seine Bedeutung erlangte er erst als ›Volksgenosse‹ in der Herrenrasse-Ideologie, was dem Nationalsozialismus breite Zustimmung in der Bevölkerung sicherte. Bestätigt wird diese Form der Weltanschauung durch die Tatsache, dass die Minderheiten unter den ausländischen Arbeitskräften, die beinahe perfekt Deutsch sprachen, ähnliche Alltagsbedingungen vorfanden wie ihre deutschen Kollegen, außer sie gehörten einer besonders diskriminierten Gruppe an. Weiterhin fanden diejenigen, die sich entsprechend artikulieren konnten, bei Konflikten am Arbeitsplatz in Behörden und Institutionen leichter Gehör als diejenigen ohne entsprechende Sprachkenntnisse.31 Sie waren »von den lokalen institutionellen und informellen Kommunikationsnetzen ausgeschlossen. Die meisten Ausländer befanden sich mithin isoliert in einem fremden, meist feindlichen Land.«32 Der Rechtsweg blieb ihnen verwehrt, Unterstützung war rar. Da Diskriminierung das zweite wichtige Faktum war, das die ausländischen Arbeitskräfte in der Zwangsarbeit von deutschen Arbeitnehmern unterschied, soll auch hier noch einmal der erweiterten Definition von Mark Spoerer gefolgt werden. Erstes Kriterium für Zwangsarbeit ist »die rechtlich institutionalisierte Unauflöslichkeit des Arbeitsverhältnisses für eine nicht absehbare Zeitdauer«33 und zweites Kriterium sind »die geringen Chancen, nennenswerten Einfluss auf die Umstände des Arbeitseinsat30 Vgl. Thamer (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz. 31 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 13–14. 32 Ebd., S. 15. 33 Ebd.

Einleitung 

| 13

zes zu nehmen«34. Ein drittes Merkmal der Zwangsarbeit ist die mit ihr verbundene hohe Sterblichkeit. Das Überleben stand in Zusammenhang mit der Versorgung und der Belastung durch die Arbeit und variierte je nach Stärke der Diskriminierung.35 Nach den vorgenannten Kriterien sind nun vier Kategorien zu unterscheiden  : Die erste zu untersuchende Einheit stellen die freiwilligen ausländischen Zivilarbeiter dar. Sie konnten Deutschland während des Krieges spätestens nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages, der zwischen sechs und zwölf Monaten dauerte, verlassen. Diese relative Bewegungsfreiheit gab ihnen die Möglichkeit, durch Abwanderungsdrohung Einfluss auf ihre Existenzbedingungen zu nehmen. Außerdem waren die Zivilarbeiter in der vorteilhaften Situation, eine Vertretung ihres Herkunftslandes in Berlin vorzufinden. An diese konnten sie sich bei Beschwerden wenden.36 Während der Expansion nach Westen 1940 traf die nationalsozialistische Regierung Abmachungen mit den besetzten Ländern, dass deren Staatsbürger nicht in der Rüstungsindustrie eingesetzt und zum Arbeitseinsatz im Reich gezwungen würden.37 Diese Vereinbarungen wurden nur kurze Zeit später gebrochen. Ähnlich verfuhr man bereits ab 1939 mit Arbeitern aus Bulgarien, Kroatien, Spanien, Jugoslawien, Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Dänemark, weiteren Staaten West- und Südosteuropas sowie Arbeitskräften aus Italien (bis 194338). Auch mit diesen Staaten hatte Hitler-Deutschland Abkommen zum Arbeitskräfteaustausch geschlossen, an deren Richtlinien sich das Deutsche Reich im Verlaufe des Krieges nicht mehr gebunden fühlte.39 Angemerkt sei, dass sich für die beschriebenen Personengruppen bei Zeitgenossen oder in der älteren Literatur zumeist der Begriff Fremdarbeiter findet.40 Neben diesem Terminus begegnet man auch oft der Bezeichnung Westarbeiter, die hier zu erläutern ist. Als Westarbeiter wurden die zivilen Arbeitskräfte aus den besetzten Staaten Frankreich, Belgien und Niederlande bezeichnet.41 Die Gefahr für Mitglieder der ersten Gruppe, in die zweite und letztlich auch in jede andere degradiert zu werden, war ausgesprochen hoch. Sobald die Arbeitsverträge der Zivilarbeiter, die freiwillig geschlossen waren, zwangsweise verlängert wurden, zählten sie zur zweiten Kategorie, den »Zwangsarbeiter[n] mit etwas Einfluss auf ihre 34 Ebd. 35 Vgl. ebd., S. 16. 36 Vgl. ebd. 37 Vgl. Bundesarchiv (2010)  : Freiwillige Zwangsarbeit  ? Die Expansion nach Westen. http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/auslaendisch/freiwillige/index.html 16.12.2015. 38 Durch den Sturz Mussolinis und die Unterzeichnung des Waffenstillstandes Italiens mit den Alliierten im Juli 1943 brach das Deutsche Reich mit dem bis dato verbündeten Italien. Daraufhin besetzte die Wehrmacht den Norden und die Mitte des Landes. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 82. 39 Vgl. ebd., S. 16. Vgl. auch Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 12. Vgl. außerdem Herbert, Ulrich (1999)  : Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn, S. 65. Im Folgenden zitiert als Herbert (1999)  : Fremdarbeiter. 40 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 18. 41 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 114.

14 | 

Einleitung

Existenzbedingungen und normaler oder nur geringfügig erhöhter Sterblichkeit«42. Neben Zivilarbeitern aus den besetzten Gebieten außerhalb der Sowjetunion und Polens, sofern sie keine Freiwilligen waren, sind außerdem Kriegsgefangene aus verschiedenen Staaten zu dieser Gruppe zu rechnen. Sie stammten vor allem aus Frankreich, Großbritannien, Belgien und Jugoslawien. Eine wesentliche Eigenschaft der zweiten Gruppe war, dass diese Zwangsarbeiter einer Dienstverpflichtung unterlagen, egal, ob sie freiwillig oder unter Zwang nach Deutschland gekommen waren.43 Bei der dritten Gruppe handelte es sich um »Zwangsarbeiter ohne nennenswerten Einfluss auf ihre Existenzbedingungen und mit deutlich überdurchschnittlicher Sterblichkeit.«44 Zu ihr zählten italienische und polnisch-nichtjüdische Kriegsgefangene sowie polnische und sowjetische Zivilarbeiter. Die sowjetischen Zivilarbeiter firmierten auch unter dem zeitgenössischen Terminus ›Ostarbeiter‹. Darunter »sind diejenigen Arbeits­ kräfte nichtdeutscher Volkszugehörigkeit [zu verstehen], die im Reichskommissariat Ukraine, im Generalkommissariat Weißruthenien oder in Gebieten, die östlich an diese Gebiete und an die früheren Freistaaten Lettland und Estland angrenzen, erfaßt und nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht in das Deutsche Reich einschließlich des Protektorats Böhmen und Mähren gebracht und hier eingesetzt [wurden].«45 Als letzte Einheit sind die »Zwangsarbeiter ohne jeglichen Einfluss auf ihre Existenz­bedingungen und mit extrem hoher Sterblichkeit«46 zu nennen. Dazu zählten ­sowjetische und polnisch-jüdische Kriegsgefangene, ›Arbeitsjuden‹ aus Ghettos und Zwangsarbeiterlagern sowie Häftlinge in Arbeits- und Konzentrationslagern.47 Zu berücksichtigen sind hier auch die Häftlinge der Justiz. Zur Kategorie der Häftlinge konnten schließlich auch Deutsche zählen, die als solche Zwangsarbeit leisten mussten. Bei der Definition der Zwangsarbeitergruppen lässt sich festhalten, dass die Übergänge fließend sind. Bereits angeführt wurde das Beispiel der Arbeitskräfte etwa aus Belgien und Frankreich, die vom Status des ›Fremdarbeiters‹ in den des Zwangsarbeiters wechselten, weil sie durch politische Veränderungen plötzlich einer Dienstverpflichtung unterlagen. Ebenso konnten freiwillig ins Reich gekommene ausländische Arbeitskräfte bei unter Strafe gestellten Vergehen in die vierte Gruppe der Häftlinge gelangen. Das Dritte Reich verfügte über ein übermäßig ausgeprägtes Strafsystem, bei dem es den Nationalsozialisten nicht um die Sühne für begangene Straftaten, sondern um 42 Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 16. 43 Vgl. ebd., S. 16–17. 44 Ebd., S. 17. 45 Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl. I, Nr. 71, 02.07.1942, S. 419. 46 Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 17. 47 Vgl. ebd.

Einleitung 

| 15

prophylaktische Abschreckung ging.48 Ein Bestandteil dieses Systems waren die Straflager. Sie dienten in Unternehmen der »Ahndung leichterer Vergehen [und] wurden […] an Ort und Stelle auf Veranlassung der Staatspolizeistellen […] errichtet.«49 Nach dieser Definition gehörten sie zu den Arbeitserziehungslagern. Darunter sind Einrichtungen zu verstehen, die ›Arbeitsunlust‹ und ›Ungehorsam‹ ahnden sollten.50 In die AEL konnten auch Deutsche, Österreicher und ›Volksdeutsche‹ eingewiesen werden. Ihnen drohte ebenfalls ein Dasein als Häftling mit Zwang zur Arbeit. Umgekehrt war es möglich, dass Kriegsgefangene durch freiwillige oder erzwungene Statusumwandlung zum ausländischen Zivilarbeiter wurden.51 Wo Freiwilligkeit aufhörte und Zwang begann, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Schwer zu bestimmen ist im Nachgang auch, ab wann Arbeitsbedingungen und Lebensumstände entwürdigend waren.52 Um die Komplexität des ›Ausländereinsatzes‹ und der nationalsozialistischen Weltanschauung zu verdeutlichen, wurde die vorangestellte Definition und Gruppeneinteilung gewählt. Ihre Kriterien sind zwar nicht trennscharf, jedoch nützlich. Um die Vielzahl der Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte in Plauen zwischen 1939 und 1945 darstellen zu können, werden die von Spoerer vorgeschlagenen Gruppen berücksichtigt und damit das Material geprüft. Für die Gliederung der Untersuchung sollen die zeitgenössischen formalen Rechtsstatuten ›ausländische Zivilarbeiter‹, ›Kriegsgefangene‹ und ›Häftlinge‹ verwendet werden. Sie erleichtern die Arbeit mit zeitgenössischem Schriftgut und wurden von den NS-Behörden einheitlich verwendet. Weitere mögliche Begrifflichkeiten wirken zu umständlich oder schließen etwa deutsche Zwangsarbeiter aus. Auf nationalsozialistisches Vokabular wird insoweit verzichtet, als die Begriffe nicht spezielle Phäno­ mene beschreiben. Der ›Reichseinsatz‹ ist beispielsweise die zeitgenössische Bezeichnung für das ›System des Ausländereinsatzes‹ und soll verwendet werden. Der Begriff ›Fremdarbeiter‹ wird in der Untersuchung benutzt, wenn es die verwendeten Akten vorgeben. Ansonsten wird auf die allgemeinere Bezeichnung ›ausländische Zivilarbeiter‹ zurückgegriffen. Der Terminus Zwangsarbeiter ist hingegen ein Ergebnis der historischen Forschung, das die Gesamtumstände, in denen sich die Betroffenen be48 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 90. 49 International Tracing Service des Comité International de la Croix-Rouge (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis der Konzentrationslager und deren Außenkommandos sowie anderer Haftstätten unter dem Reichsführer-SS in Deutschland und deutsch besetzten Gebieten (1933–1945), Bad Arolsen, Einführung, S. 39. Im Folgenden zitiert als ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis. 50 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, Einführung, S. 35. 51 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 18. 52 Vgl. Spoerer, Mark (2002)  : Zwangsarbeit im Dritten Reich und Entschädigung. Verlauf und Ergebnisse einer wissenschaftlichen und politischen Diskussion. In  : Sächsisches Staatsarchiv Leipzig (Hg.)  : Fremdund Zwangsarbeit in Sachsen 1939–1945. Beiträge eines Kolloquiums in Chemnitz am 16. April 2002, Halle/Saale, Dresden, S. 90. Im Folgenden zitiert als Spoerer (2002)  : Entschädigung.

16 | 

Einleitung

fanden, würdigt.53 Er kann für alle definierten Gruppen verwendet werden. Der besseren Lesbarkeit wegen wird darauf verzichtet, für bestimmte Begriffe (unter anderem Zwangsarbeiter, Ostarbeiter) die männliche und weibliche Form zu verwenden. Gemeint sind selbstverständlich stets beide Geschlechter, wenn zuvor nichts anderes definiert wird. 1.1 Forschungsstand Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkrieges wurde in der deutschen Nachkriegsgesellschaft jahrzehntelang tabuisiert und nur selten diskutiert, obwohl sie massenhaft zwischen 1939 und 1945 auftrat54. Staat und Industrie mussten sich bereits 1946 in den Nürnberger Prozessen ihrer Verantwortung stellen. So wurden zum Beispiel Hermann Göring stellvertretend für den Staat55 und Führungskräfte des KruppKonzerns56 wegen der Verantwortung der Industrie für den Einsatz von Zwangsarbeitern vor Gericht gestellt. Das Internationale Militärtribunal (IMT), gebildet von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, Großbritannien, USA, Sowjetunion und Frankreich, klagte Führungspersönlichkeiten aus dem Dritten Reich an, um staatlicher Willkür und ungehemmtem militärischem Expansionsdrang Grenzen zu setzen. Das Tribunal und seine Nachfolgeprozesse dienten bereits der Geschichtsbewältigung mit juristischen Mitteln. Obwohl in den Prozessen die Beschäftigung von Zwangsarbeitern bzw. Zwangsarbeit als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«57 behandelt und verurteilt wurde, schaffte es das Phänomen nicht über die Grenzen der Gerichtssäle hinaus in das kollektive Bewusstsein.58 Laut Ulrich Herbert war die Öffentlichkeit zu sehr mit der Diskussion der Schrecken in den Konzentrationslagern beschäftigt.59 Der Arbeitseinsatz verkam zur Begleiterscheinung des Krieges.60 So blieben die Schicksale der ausländischen Arbeitskräfte bis in die 1960er Jahre in Deutschland ungehört. Im Ausland war man dagegen schon früh für dieses Thema sensibilisiert. Bereits in direkter Folge der Kapitulation des Dritten Reiches erstellte John Fried61 im Auftrag des International Labour Office eine Studie zum Arbeitseins53 Vgl. Interview mit Ulrich Herbert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 04.07.2005. http://www. faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/interview-wer-sprach-vom-fremdarbeiter-1255581.html 17.07.2016. 54 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 2. 55 Vgl. Weinke, Annette (2006)  : Die Nürnberger Prozesse, München, S. 22, 29–30, 35, 91 und 99–100. Im Folgenden zitiert als Weinke (2006)  : Nürnberger Prozesse. 56 Vgl. Weinke (2006)  : Nürnberger Prozesse, S. 29 und 89–90. 57 Wildt (2012)  : Vorwort, S. 17. 58 Vgl. ebd. 59 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 13 60 Vgl. Wildt (2012)  : Vorwort, S. 17. 61 Vgl. Fried, John E. (1945)  : The Exploitation of Foreign Labor by Germany, Montreal.

Forschungsstand |

atz von Ausländern in Deutschland. Das Interesse der Organisation am Arbeitseinsatz erklärt sich aus ihrer Geschichte. Entstanden war das International Labour Office als ständiges Sekretariat der International Labour Organization (ILO)62 direkt nach dem Ersten Weltkrieg 1919. Die ILO wurde 1946 zur ersten Sonderorganisation der Vereinten Nationen. »Sie ist [seither] verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung internationaler Arbeits- und Sozialstandards. […] Zentrale Forderung der ILO ist es, menschenwürdige Arbeit für alle zu schaffen.«63 Besonders das Letztgenannte dürfte als Grund für den Auftrag Frieds zur Erforschung der Zwangsarbeit gelten können. Bemerkenswert ist zudem, dass die ILO die erste internationale Organisation war, die der Bundesrepublik Deutschland 1951 die Wiederaufnahme anbot und ihr so den Weg zurück in die Völkergemeinschaft ebnete.64 Opfergruppenspezifische Forschung betrieb als Erste die polnische Geschichtsschreibung. Sie beschäftigte sich Anfang der 1950er Jahre mit der Lage der polnischen Arbeiterschaft im Reichsgebiet und auf den annektierten polnischen Gebieten. Władysław Rusiński veröffentlichte 1949 und 1955 zwei Bände seiner Monographie, die sich auf Akten des NS-Regimes sowie Zeitzeugenaussagen polnischer Arbeiter stützten.65 1967 folgte die Veröffentlichung des Amerikaners Edward L. Homze  ; ein Überblick über die Gesamtheit der Zwangsarbeit im Dritten Reich.66 Seine Schlussfolgerungen waren vorsichtig formuliert und an einigen Stellen sogar eher fragwürdig. So vermutete er beispielsweise, dass der Grund für den Widerstand der Ostarbeiter gegen die Rückführung nach Russland darin gelegen habe, dass die Ausländer die Ansicht der Deutschen teilten, der ›Ausländereinsatz‹ wäre nur ein wirtschaftliches Hilfsmittel gewesen, um den Krieg zu gewinnen.67 Die Gefahren, denen die Ostarbeiter bei der Rückkehr in ihre Heimat ausgesetzt waren, sah Homze nicht. Dagegen hatte er bereits erkannt, dass der durch die Nürnberger Prozesse manifestierte Vorwurf der Sklavenarbeit nicht in Gänze auf den Reichseinsatz zutraf. Homze differenzierte zwischen den Bedingungen, denen ausländische Arbeitskräfte innerhalb der Konzentrationslager ausgesetzt waren, und denen außerhalb der Konzentrationslager.68 Nach der Studie Edward Homzes zeigte sich erneut die polnische Geschichtsschreibung ausgesprochen interessiert an der Aufarbeitung der NS-Besatzungspolitik und in ih62 Vgl. International Labour Organization  : International Labour Office. http://www.ilo.org/global/aboutthe-ilo/who-we-are/international-labour-office/lang--en/index.htm 26.08.2016. 63 Internationale Arbeitsorganisation ILO-Berlin  : Die ILO und Deutschland. https://www.ilo.org/berlin/ ILO-und-Deutschland/lang--de/index.htm 23.11.2019. 64 Vgl. ebd. 65 Vgl. Rusiński, Władysław (1949/1955)  : Położenie robotników polskich w czasie wojny 1939–1945 [Die Situation der polnischen Arbeiter in der Zeit des Krieges 1939–1945], 2 Bde., Posen. 66 Vgl. Homze, Edward L. (1967)  : Foreign Labor in Nazi Germany, Princeton. Im Folgenden zitiert als Homze (1967)  : Foreign Labor. 67 Vgl. ebd., S. 298. 68 Vgl. ebd.

17

18 | 

Einleitung

rem Rahmen an der Thematik Zwangsarbeit. Wissenschaftliche Monographien zu polnischen Arbeitern im Dritten Reich erschienen ab 1969 in großer Zahl.69 Die ersten Deutschen, die sich des Themas Zwangsarbeit annahmen, waren die Historiker in der DDR. Sie stellten Ende der 1960er Jahre respektable Forschungsergebnisse auf, überinterpretierten dabei allerdings die kapitalistische Ausbeutung.70 Neu war das Verständnis von Zwangsarbeit als politisch-moralisches Problem innerhalb der DDR-Forschung.71 So sprach beispielsweise Eva Seeber davon, dass »durch Maßnahmen, wie die Einführung der zentralen Registrierung aller Ausländer, des Kennzeichnungszwangs für Polen sowie die Unterstellung aller ›Fremdarbeiter‹ unter die Verfügungsgewalt der SS, […] die Ausländer in eine besondere Kategorie von Arbeitern verwandelt [wurden], die eher als Unfreie denn als Lohnarbeiter zu bezeichnen sind.«72 Die Ausformung der Zwangsarbeit interpretierte Seeber aus einer marxistisch-leninistischen Ideologie heraus und verstand sie als »extreme Ausbeutung von Arbeitern in einem imperialistischen System.«73 Der Terminus des ausbeuterischen Kapitalismus war in der DDR-Forschung ein immer wiederkehrendes Bild. Den Wirtschaftsunternehmen attestierte Seeber in ihrer Studie eine Mitschuld, denn diese unternahmen breit aufgestellte Anwerbungen ohne die Beteiligung staatlicher Stellen in den besetzten Gebieten.74 Seeber hatte damit als Erste die Schuld-Frage formuliert. Ihrem Vorbild folgte Hans Pfahlmann75 als erster westdeutscher Historiker 1968 mit eher zurückhaltenden Urteilen zu den Ursachen der Zwangsarbeit. Seine Studie erregte trotzdem öffentliches Aufsehen, denn auch er diskutierte die bereits während der Nürnberger Prozesse aufgeworfene Frage nach der Mitschuld von Unternehmen.76 69 Vgl. bspw. Bartosz, Julian (1969)  : Ludzie ze znakiem P [Menschen mit dem Zeichen P], Warschau. Szurgacz, Herbert (1971)  : Przymusowe zatrudnienie Polaków przez hitlerowkiego okupanta w latach 1939–1945 [Zwangsbeschäftigung von Polen durch die nationalsozialistischen Besatzer in den Jahren 1939–1945], Warschau. Łuczak, Czesław (1974)  : Polscy robotnicy przymusowi w Trzeciej Rzeszy podczas II wojny światowej [Polnische Zwangsarbeiter im Dritten Reich während des Zweiten Weltkrieges], Posen. Madajczk, Czesław (1988)  : Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939–1945, Köln. 70 Vgl. Spoerer (2002)  : Entschädigung, S. 90. 71 Vgl. Wildt (2012)  : Vorwort, S. 25. 72 Seeber, Eva (1964)  : Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft. Die Deportation und Ausbeutung polnischer Bürger unter besonderer Berücksichtigung der Lage der Arbeiter aus dem sogenannten Generalgouvernement (1939–1945), Berlin, S. 42. Im Folgenden zitiert als Seeber (1964)  : Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft. 73 Schiller, Thomas (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«. Lagerzeitungen für Fremdarbeiter im Zweiten Weltkrieg  : Entstehung, Funktion, Rezeption und Bibliographie, Hamburg, S. 3. Im Folgenden zitiert als Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«. 74 Seeber (1964)  : Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft, S. 50. 75 Vgl. Pfahlmann, Hans (1968)  : Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft. 1939–1945, Darmstadt. Im Folgenden zitiert als Pfahlmann (1968)  : Fremdarbeiter und Kriegsgefangene. 76 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 90.

Forschungsstand |

Als »Hauptphänomen der Kriegszeit«77 nahm man die Beschäftigung von Fremdund Zwangsarbeitern erst nach Erscheinen des Monumentalwerks »Fremdarbeiter« von Ulrich Herbert78 1985 wahr. Herbert rückte in seiner Untersuchung, die 1999 eine zweite Auflage erfuhr, den Fokus auf die Entscheidungsprozesse, die hinter dem Ausländereinsatz standen. Brisanz erhielt die Studie durch die erneute Betonung der Mitwirkung breiter Kreise der Privatwirtschaft. Herbert widerlegte den bis dahin kursierenden Mythos des ›spezifisch nationalsozialistischen Unrechtscharakters‹. Die ausländischen Arbeitskräfte waren nicht nur aus rein wirtschaftlichen Gründen und staatlich gesteuert in der Kriegswirtschaft herangezogen worden, sondern auch auf Wunsch und Initiative der Unternehmen selbst.79 Eine intensive öffentliche Diskussion ließ aber bis in die 1990er Jahre auf sich warten. Umfangreiche Literatur zum Schicksal der Häftlinge in Konzentrationslagern entstand ebenfalls erst in den 1990er Jahren, obwohl die Schrecken der KZ schon 1946 für Aufsehen in der Öffentlichkeit gesorgt hatten.80 Während Fried, Pfahlmann und Herbert diese am stärksten diskriminierte Gruppe lediglich am Rande erwähnten, widmete sich Falk Pingel81 1978 erstmals den Konzentrationslagern und ihren Insassen. Aus der eben skizzierten wissenschaftlichen Diskussion ging ab der zweiten Hälfte der 90er Jahre die Frage nach der Mitwirkung einzelner Unternehmen am Zwangsarbeitsprogramm des Nationalsozialismus hervor. Hauptthema der Unternehmensgeschichtsschreibung war der Profit, den die Betriebe aus ihrer Beteiligung am ›Ausländereinsatz‹ erwirtschafteten.82 Vor allem Großfirmen begannen, ihre Verbindungen zum ›Reichseinsatz‹ aufzuarbeiten. Zwischen 1998 und 2001 steigerte sich das öffentliche Interesse an der Problematik Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg nochmals. Zahlreiche Unternehmensstudien wurden in den Folgejahren veröffentlicht, die sich mit dem Thema auseinandersetzten. Zu nennen sind die Untersuchungen zur Schwerindustrie, beispielsweise für IG Farben83, Krupp84, Bosch85, den Flick-Kon77 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 2. 78 Vgl. Herbert, Ulrich (1999)  : Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn. 79 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 91. 80 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 13. 81 Vgl. Pingel, Falk (1978)  : Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im Konzentrationslager, Hamburg. 82 Vgl. Dornheim, Andreas (2015)  : Sachs. Mobilität und Motorisierung  : Eine Unternehmensgeschichte. Hamburg, S. 9. Im Folgenden zitiert als Dornheim (2015)  : Sachs. 83 Bspw. Jeffreys, Diarmuid (2011)  : Weltkonzern und Kriegskartell. Das zerstörerische Werk der IG Farben, München. 84 Vgl. entsprechende Kapitel bei Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, Kap.VII 1 und bei Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, Kap. 3, S. 101–117. 85 Vgl. Bähr, Johannes  ; Erker, Paul (2013)  : Bosch. Geschichte eines Weltunternehmens, München.

19

20 | 

Einleitung

zern86 und der Quandt-Dynastie87. Unternehmensstudien erschienen außerdem in der Automobilbranche, so zu BMW88, Volkswagen89, Daimler-Benz90 und der Auto Union91. Letztgenannte ist im Speziellen für die Bearbeitung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen von Bedeutung, da die Übernahme des größten lokalen Arbeitgebers, der Vogtländischen Maschinenfabrik AG (VOMAG), durch die Auto Union zwischen 1939 und 1945 mehrmals angestrebt wurde.92 Untersuchungen finden sich auch zur Ausländerbeschäftigung bei den Zulieferern der Automobilindustrie, so beispielsweise für die heute noch auf ihrem angestammten Industriegelände produzierende Firma Fichtel & Sachs93 in Schweinfurt. Zu nennen ist hier ebenfalls die Firma Bosch94, deren Geschichte 2013 aufgearbeitet wurde. Grund für das große öffentliche Interesse am ›Reichseinsatz‹ zur Jahrtausendwende war die Entschädigungsdebatte um die Zwangsarbeiter, die die neuerliche Frage nach der Verantwortung der Industrie und der Höhe der zu zahlenden Gelder aufwarf.95 Eine umfangreiche Recherche wurde von deutschen Behörden und Historikern durchgeführt, die zum einen bestimmen sollte, ob und in welcher Höhe noch lebende Betroffene Anspruch auf eine Wiedergutmachung hatten. Zum anderen entsprang der Diskussion um das Thema Zwangsarbeit ein Drang zur Selbstaufklärung, wie es Michael Kanther darlegt.96 Bis 2003, vermehrt aber auch darüber hinaus, sind deshalb viele Regional- und Lokalstudien entstanden, die sich mit den großen Industriestädten und politischen wie kulturellen Zentren Deutschlands beschäftigen. Untersuchungen

86 Vgl. Frei, Norbert  ; Ahrens, Ralf  ; Osterloh, Jörg  ; Schanetzky, Tim (2011)  : Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht, München. 87 Vgl. Scholtyseck, Joachim (2011)  : Aufstieg der Quandts. Eine deutsche Unternehmerdynastie, München. 88 Vgl. Werner, Constanze (2006)  : Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW, München. 89 Vgl. Mommsen, Hans  ; Grieger, Manfred (1996)  : Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf. 90 Vgl. Hopmann, Barbara  ; Spoerer, Mark  ; Weitz, Birgit  ; Brüninghaus, Beate (1994)  : Zwangsarbeit bei Daimler-Benz. In  : Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 78, Stuttgart. 91 Vgl. Kukowski, Martin  ; Boch, Rudolf (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart (im Folgenden zitiert als Kukowski  ; Boch [2014]  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union) sowie Hockert, Franziska (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union. Eine Fallstudie der Werke Audi und Horch in Zwickau, Hamburg. Im Folgenden zitiert als Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union. 92 Vgl. Kukowski  ; Boch (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union, S. 50. 93 Vgl. Dornheim (2015)  : Sachs. 94 Vgl. Bähr, Johannes  ; Erker, Paul (2013)  : Bosch. Geschichte eines Weltunternehmens, München. 95 Vgl. Spoerer (2002)  : Entschädigung, S. 94. Vgl. außerdem die Unterlagen der Zentralen Stelle Ludwigsburg zur Beschäftigung von KZ-Häftlingen in den Industrie-Werken, der Baumwollspinnerei und der VOMAG. Signaturen  : ZStL Plauen lV 410 AR 3216_66 (B) Band 1–3, ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66 Band 1-2 und ZSL Mehltheuer 410 (F) AR 3039_66. 96 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 3.

Forschungsstand |

sind unter anderem zu Berlin97, Duisburg98, Essen99, Bonn100, dem Ruhrgebiet101, einzelnen Regionen102 und Bundesländern103 angestellt worden. Doch nicht nur die bedeutenden Städte und Regionen sind Teil der oft als dunkler Abschnitt der Geschichte bezeichneten Jahre des Dritten Reiches und deren noch dunklerer Seite der Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Auch Klein- und Mittelstädte ließen in den 1940er Jahren Zehntausende Zwangsarbeiter für sich arbeiten. Dass Zwangsarbeit nicht nur auf Großstädte wie Berlin beschränkt war, sondern Massenphänomen, hat die Forschung bereits mit Studien belegt.104 Besondere Beachtung fanden die Ortschaften, die über Einrichtungen des nationalsozialistischen Terrorapparats, beispielsweise ein KZ, verfügten. In den Studien wurden allerdings weniger die Vorgänge in den Städten im Kontext des Ausländereinsatzes betrachtet, sondern ausschließlich die Umstände in den Anlagen des NS-Terrors.105 Zu den Städten fernab der Ballungszentren gehört auch Plauen im Vogtland. Der heute im Status einer großen Mittelstadt106 stehende Ort ist mittlerweile nur noch für die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hergestellte Spitze bekannt. Noch vor 100 Jahren stand die Stadt dagegen für die hervorragende Qualität von Textilien. Als Innovationszentrum der Spitzen-, Stickerei- und Kunst 97 Vgl. Meyer, Winfried (Hg.) (2001)  : Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg. Formen, Funktion, Rezeption, Potsdam.  98 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg.  99 Vgl. entsprechende Kapitel bei Ulrich Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, Kap. VII 1. 100 Vgl. Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert W.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.) (2006)  : »Schlagen gut ein und leisten Befriedigendes«. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Bonn 1940–1945, Bonn, und Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.) (2010)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und Kontext neuerer Untersuchungen, Essen. 101 Im Speziellen zum Ruhrbergbau vgl. Seidel, Hans-Christoph (2010)  : Der Ruhrbergbau im Zweiten Weltkrieg. Zechen – Bergarbeiter – Zwangsarbeiter, Essen. 102 Vgl. bspw. May, Herbert (Hg.) (2008)  : Zwangsarbeit im ländlichen Franken 1939–1945. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Bad Windsheim. 103 Vgl. hier Studie zu Sachsen  : Sächsisches Staatsarchiv Leipzig (Hg.)  : Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939–1945. Beiträge eines Kolloquiums in Chemnitz am 16. April 2002, Halle/Saale, Dresden. 104 Vgl. bspw. Schaible, Sylvia (2001)  : »Zweckentsprechende, mit Stacheldraht versehene Umzäunung«. In  : Geschichte quer, Bd. 9, S. 29–31. Für kleinere Städte vgl. zum Beispiel Brüchert, Hedwig (2011)  : Ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Osthofen während des Zweiten Weltkrieges, Worms. 105 Vgl. bspw. Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Flossenbürg. Das Konzentrationslager und seine Außenlager, München. Außerdem auch Kogon, Eugen (2003)  : Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München. 106 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2013)  : Laufende Stadtbeobachtung – Raumabgrenzungen, https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Stadtentwicklung/StadtentwicklungDeutschland/ staedte-gemeinden/staedte-gemeinden-node.html 23.11.2019. Den Status Große Mittelstadt erhalten alle Orte mit mehr als 50.000 und weniger als 100.000 Einwohnern.

21

22 | 

Einleitung

seideproduktion handelte Plauen weltweit mit seinen Erzeugnissen.107 Trotz Strukturkrise existierte die Textilindustrie mit ihren Zulieferern auch zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in größerem Umfang.108 Die Hauptarbeitgeber waren VOMAG, Sächsische Zellwolle AG und die Vogtländischen Metallwerke GmbH (VOMETALL), eine Tochterfirma der VOMAG.109 Während die VOMAG in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Herstellung von Nutzfahrzeugen immer mehr an Bedeutung gewann, fiel der textile Sektor den landesweiten Stilllegungen zum Opfer. Damit wurden Personal und Räumlichkeiten frei, die die Rüstungsindustrie dringend benötigte. Zuerst unterstützten Arbeitskräfte aus der Textilindustrie kriegswichtige Betriebe, später erfolgte die Betriebsverlagerung in ehemalige Textilbetriebe.110 Um die Kriegsproduktion vor Luftangriffen zu schützen, gingen die Unternehmen im Verlauf des Krieges dazu über, sie in fernab vom Kriegsgeschehen liegende Städte auszulagern. Als neue Standorte waren Textilfabriken besonders beliebt.111 So hatte Osram die Produktionsstätten der Industrie-Werke AG Plauen und der Plauener Baumwollspinnerei in Anspruch genommen.112 Der Flugzeuggeräte-Hersteller Dr. Th. Horn transferierte seinen Betrieb teilweise ebenfalls von Leipzig nach Plauen.113 Jedoch entstand dadurch ein Zweigwerk, sodass es sich nicht um eine Betriebsverlagerung handelte. Auch die Firma Friedrich Weber & Co., Berlin114, das Erla-Maschinenwerk Leipzig115, die Junkers Flugzeug- und Motoren-

107 Vgl. Schramm, Manuel (2001)  : Konsum und regionale Identität. Die Regionalisierung von Konsumgütern im Spannungsfeld von Nationalisierung und Globalisierung, Stuttgart, S. 212. Im Folgenden zitiert als Schramm (2001)  : Konsum. 108 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Ursachen und Gründe. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 12. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe. 109 Vgl. Laser, Rudolf (1995)  : 1944/45. Plauen  : Eine Stadt wird zerstört, Plauen, S. 31–32. Im Folgenden zitiert als Laser (1995)  : Plauen. 110 Vgl. Liste der für Umsetzungen vorgesehenen Betriebe in der Rüstungsinspektion IVa vom 24.03.1944. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 201–202. 111 Vgl. Dornheim (2015)  : Sachs, S. 421–422. 112 Vgl. Genehmigung der Betriebsverlagerung der Firma Osram, Berlin, in die Industriewerke Plauen, erteilt vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, Rüstungslieferungsamt – RLA/BVF – 769/44g am 10.07.1944. In  : StAC, Best. 31292 Osram, Nr. 275, nicht foliiert. 113 Vgl. Fritz, Ulrich (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn). In  : Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Flossenbürg. Das Konzentrationslager und seine Außenlager, München, S. 227–228. Im Folgenden zitiert als Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn). 114 Vgl. Abrechnung der Miete für die von der Firma Weber in Anspruch genommenen Räume in der Tüll- & Gardinen-Weberei Plauen vom 01.02.–31.08.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 115 Vgl. Schreiben des Gewerbeaufsichtsamtes Plauen i. V. an Erla Maschinenwerk GmbH. vom 04.10.1944 betr. PAN GmbH., Plauen/Vgtl. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert.

Forschungsstand |

werke AG116 sowie der Fremdsprachen(dienst)-Verlag117 flohen im Laufe des Krieges mit Teilen ihrer Produktion nach Plauen. Ebenso versetzten die Siemens-SchuckertWerke ihre Betriebsstätten ab 1943 nach Plauen118 und ins benachbarte Oelsnitz. In Oelsnitz zogen sie sogar in die Räumlichkeiten der VOMAG119. Die VOMAG selbst verlagerte ihre Feinstbohrwerkfertigung nach Oettingen120 und Mühlhausen121. Nicht ganz eindeutig ist die Situation der Heinkel- und Messerschmitt-Werke. Für beide kann eine Produktion in Plauen nachgewiesen werden.122 Hinweise auf Betriebsverlagerungen während des Krieges gibt es aber nur für das Plauener Umland. So verlagerte Heinkel, Rostock, beispielsweise nach Adorf in die Adoros Teppichwerke.123 Aufgrund ihrer kriegswichtigen Produktionen ist in den Verlagerungsbetrieben von einer Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte auszugehen. Nach dem Umzug ins Vogtland bedienten sich zwei Unternehmen, Horn ebenso wie Osram, der Häftlinge des KZ Flossenbürg für ihre Produktionen, weshalb in Plauen mehrere Außenlager entstanden.124 Sie machen die Stadt im Vogtland zu einem interessanten Untersuchungsfeld, genauso wie die zivilen Zwangsarbeiter, deren Zahl sich durch die Betriebsverlagerungen deutlich vergrößert haben muss. Hinzu kommen die Kriegsgefangenen, die im Auftrag der Reichsbahn125 sowie in der Landwirtschaft126 116 Vgl. Anschreiben der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG zur Übersendung der Arbeitspapiere der in die Gardinenfabrik Plauen versetzten Mitarbeiter. In  : StAC, Best. 31288, Nr. 339, nicht foliiert. 117 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 137. 118 Vgl. Verlagerungen, Siemens-Schuckert-Werke, Plauen. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 250, Fol. 73 sowie Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 251, Fol. 31 und 63. 119 Vgl. Verlagerungen im Maschinenbau vom 25.01.1945. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 1404a, Fol. 1659. 120 Vgl. ebd., Fol. 1705. 121 Vgl. ebd., Fol. 1739. 122 Der Fertigungsstandort der Heinkel- und Messerschmitt-Werke in Plauen wurde durch die Schädlingsbekämpfungsstelle betreut und in deren Werbungsschreiben an die Heeresstandortverwaltung, Fliegerhorstkommandantur, Wirtschaftskammer, die Rüstungsbetriebe, das Staatliche Gesundheitsamt und das Städtische Gesundheitsamt vom 08.02.1944 betr. Beschaffung von Arbeitskräften, als Referenz aufgeführt. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. 123 Vgl. Übersicht zur Verlagerung der Heinkel-Werke, Rostock zwischen Januar und März 1943. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 26. 124 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99 des Ministère de la Reconstruction, Direction Générale des Dommages aux Personnes. Première Direction  : Recherches, Documentation, Décès. Service »Camps« vom 06.07.1952, S. 8. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6, nicht foliiert. Im Folgenden zitiert als Abschlussbericht Nr. 99. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 125 Vgl. Mitteilung des Vorstandes des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 12.01.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager in Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. 126 Vgl. Mitteilung des Landrates, IV, R. Ernährung, an die Leitung des sowjetischen Kriegsgefangenen-

23

24 | 

Einleitung

eingesetzt wurden. Bislang wurden die Bedingungen für die Häftlinge in den Plauener KZ-Außenlagern nur einzeln erforscht. Die erste Analyse zum Einsatz von KZ-Häftlingen durch den Osram-Konzern entstand 1978 durch Laurenz Demps.127 Plauen wurde in dem Artikel nur marginal behandelt. 1979 diskutierte Hans Brenner unter Bezugnahme auf den Artikel von Demps die Vorgänge in Plauen.128 2007 nahmen sich Rolf Schmolling und Ulrich Fritz in einem groß angelegten Projekt, das die KZGedenkstätte Flossenbürg durchführte, der drei Außenlager von Osram und Horn in Plauen129 an. Einen Sonderfall bildete bei der Beschäftigung von KZ-Häftlingen die VOMAG. 2012 wurde auch deren Außenlager von Pascal Cziborra untersucht.130 Obwohl es nicht auf dem Stadtgebiet lag, sondern im 10 Kilometer entfernten Mehltheuer, soll es in Kapitel 4.5 der Studie berücksichtigt werden, da die VOMAG ein Unternehmen mit Firmensitz in Plauen war. Während sich die historische Forschung bereits umfassender mit den Umständen des Einsatzes von KZ-Häftlingen zur Arbeit im Zweiten Weltkrieg beschäftigt hat, existiert für zivile Arbeitskräfte lediglich eine Studie zu Einzelaspekten der Lebensumstände in Plauen. So veröffentlichte Werner Hernla 2001 eine Untersuchung zur Situation im Rückkehrersammellager für ausländische Zivilarbeiter ›Holzmühle‹ auf dem Gelände der gleichnamigen Brauerei und Ausflugsgaststätte in Kauschwitz.131 Ein Rückkehrersammellager diente, wie die Bezeichnung bereits nahelegt, der Konzentrierung von ausländischen Zivilarbeitern, die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit in ihre Heimat zurückgeführt werden sollten.132 Die häufigsten Gründe waren Krankheit und Schwangerschaft.133 Um die Kosten für die Pflege und Versorgung der Arbeitsunfähigen zu minimieren, entschieden sich die nationalsozialistischen Behörden 1942, arbeitsunfähige Zivilarbeiter in Sammeltransporten in ihre Heimat zurückzulagers in Kleingera vom 02.04.1943 über die Lagerverpflegungssätze. In  : StAC, Best. 30048, Nr. 7028, nicht foliiert. 127 Vgl. Demps, Laurenz (1978)  : Die Ausbeutung von KZ-Häftlingen durch den Osram-Konzern 1944/45. In  : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Hft. 5, S.  416–437. Im Folgenden zitiert als Demps (1978)  : Die Ausbeutung von KZ-Häftlingen. 128 Vgl. Brenner, Hans (1979)  : Zur Frage der Ausbeutung von KZ-Häftlingen durch den Osram-Konzern 1944/1945. In  : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 27. Jg., Hft. 10, S.  952–963. Im Folgenden zitiert als Brenner (1979)  : Zur Frage der Ausbeutung von KZ-Häftlingen. 129 Vgl. Schmolling, Rolf (2007)  : Plauen (Baumwollspinnerei und Industriewerke AG. In  : Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Flossenbürg. Das Konzentrationslager und seine Außenlager, München, S.  223–225. Im Folgenden zitiert als Schmolling (2007)  : Plauen. Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227–228. 130 Vgl. Cziborra, Pascal (2012)  : KZ Mehltheuer. Lippenstift statt Lebensmittel, Bielefeld. Im Folgenden zitiert als Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer. 131 Vgl. Hernla, Werner (2001)  : Die »Holzmühle« im Syratal  – ein Idyll  ? In  : Das Vogtland-Jahrbuch. Durch Land und Zeit. Ein Streifzug durch Geschichte und Gegenwart der vogtländischen Region, 18. Jg., S. 123–126. Im Folgenden zitiert als Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«. 132 Vgl. ebd., S. 124. 133 Vgl. ebd., S. 124–125.

Forschungsstand |

schicken. Rückgeführt wurden ausschließlich Ostarbeiter, die in kleinen Gruppen mit der Reichsbahn in ihre Heimat verbracht werden sollten.134 Doch schon im Dezember 1942 entstanden logistische Schwierigkeiten bei der Rückführung mit der Reichsbahn, da nicht genügend Züge zur Verfügung standen.135 Hinzu kam, dass die rückführenden Fahrten durch die Verlagerung der Front im Osten immer stärker abnahmen136, weshalb sich die Rückkehrersammellager zu Stätten des Elends entwickelten, in denen die Kranken häufiger ihr Ende als den Weg nach Hause fanden.137 Die Geschehnisse im Lager ›Holzmühle‹ werden in Kapitel 4.2 beleuchtet. Weitere Hinweise auf die Lebensumstände eines anderen Teils der ausländischen Zivilarbeiter in Plauen gibt Thomas Schiller in seiner Studie zum Fremdsprachenverlag. Über diesen Verlag erarbeitete und vertrieb das nationalsozialistische Regime die sogenannten Lagerzeitungen. Eigens für die propagandistische Beeinflussung ausländischer Arbeitskräfte im Sinne des Nationalsozialismus hatte sich ein Pressezweig entwickelt, der wöchentlich Dutzende Titel in verschiedenen Sprachen veröffentlichte.138 Für die Erarbeitung der Periodika stellte der Verlag Muttersprachler an. Die hier eingesetzten Ausländer spiegelten allerdings nicht das Gros der Zivilarbeiter wider, denn sie waren hoch bezahlt und besaßen diverse Privilegien, beispielsweise Privatunterkünfte.139 Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen werden in Kapitel 4.1 dargestellt. Auch zur Beschäftigung von Ostarbeiterinnen in deutschen Haushalten existieren bereits überregionale Untersuchungen. Im Zweiten Weltkrieg bekam die Unterstützung deutscher Familien durch sogenannte ›Gehilfinnen‹ bei der Haushaltsführung immer größere Bedeutung. Zum einen ging die Zahl der Dienstmädchen bereits vor dem Krieg unter anderem aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten in Industrie und Landwirtschaft zurück.140 Zum anderen stieg die Zahl der Haushalte, die einer Haushaltshilfe bedurften, denn Frauen mussten kriegsbedingt die bislang von Männern besetzten Arbeitsplätze übernehmen.141 Erschwerend kam hinzu, dass kinderreiche Familien als Arbeitgeber bei Hausmädchen nicht beliebt waren. Generell konnten sich 134 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte zur Kenntnis betreffs Ostarbeiter, hier Rückführung. Eingegangen im Staatlichen Gesundheitsamt Plauen-Land am 26.08.1942. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. 135 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 136 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 230. 137 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 125. 138 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 3. 139 Vgl. ebd., S. 138–139. 140 Vgl. Winkler, Ulrike (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«  – Zwangsarbeit in deutschen Haushalten. In  : dies. (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 150. Im Folgenden zitiert als Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«. 141 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 153.

25

26 | 

Einleitung

also lediglich finanziell bessergestellte Familien mit einer geringen Kinderzahl eine Arbeitskraft für den Haushalt leisten.142 Die Lösung für dieses Dilemma lag für das NSRegime in der Beschaffung sogenannter »hauswirtschaftlicher Ostarbeiterinnen«143. Der entsprechende Erlass erging am 8. September 1942 und initiierte die »Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen«144. Doch ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹ waren bereits vor September 1942 ins Reich gekommen. Mit dem Erlass legitimierte der ›Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz‹ lediglich Bestrebungen, die schon zuvor unter Angehörigen der Wehrmacht bestanden. Man war dazu übergegangen, sich vom Feldzug aus der Sowjetunion Dienstmädchen mitzubringen.145 Was »der kinderreichen Mutter sowie der aufs höchste in Anspruch genommenen deutschen Bauersfrau eine fühlbare Entlastung«146 bringen sollte, war bis zu seiner Legalisierung der Wehrmacht vorbehalten. Aber auch nachdem die Anwerbung und Verteilung der Ostarbeiterinnen von den Arbeitsämtern organisiert wurde, war es nur einem reglementierten Personenkreis möglich, die Dienste der ausländischen Gehilfen in Anspruch zu nehmen. Gefordert war politische Zuverlässigkeit.147 Die Lebensumstände für ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹ werden in Kapitel 4.1.4 betrachtet. Im Gegensatz zur Situation der Zivilarbeiter und KZ-Häftlinge wurden bislang keinerlei Aspekte des Einsatzes von Kriegsgefangenen in Plauen untersucht. Der reichsweite Einsatz dagegen ist auch für sie gut belegt.148 Eine ausführliche Betrachtung des Einsatzes von Kriegsgefangenen in und um Plauen erfolgt in Kapitel 4.4. Im Folgenden sollen also die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller in Plauener Betrieben und öffentlichen Einrichtungen beschäftigten Ausländergruppen herausgearbeitet und diese vergleichend gegenübergestellt werden.

142 Vgl. ebd., S. 150. 143 Ebd., S. 149 und vgl. zum ideologischen Dilemma ebd., S. 153. 144 Vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 411–415. 145 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 154. 146 Allgemeine Grundsätze des GBA. Das Programm, herausgegeben am Geburtstag des Führers 1942. In  : Didier, Friedrich (1944)  : Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten. Bd. I, Berlin, S. 32. Im Folgenden zitiert als Handbuch des GBA, Bd. I. 147 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 155. 148 Vgl. Bischof, Günter  ; Karner, Stefan  ; Stelzl-Marx, Barbara (Hg.) (2005)  : Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges. Gefangennahme – Lagerleben – Rückkehr, München, Wien.

Untersuchungsaufbau |

1.2 Untersuchungsaufbau Der gesamte ›Reichseinsatz‹ bezog Personen aus über 20 Ländern ein, die zumeist unfreiwillig nach Deutschland gekommen waren.149 Demzufolge waren die ausländischen Arbeitskräfte im Dritten Reich keine homogene Einheit, die gleiche Lebensbedingungen annehmen musste. Vielmehr setzte sie sich aus insgesamt drei für Plauen nachweisbaren Gruppen zusammen. Neben den KZ-Häftlingen werden Kriegsgefangene und zivile Arbeitskräfte zu betrachten sein. Nachdem ein kurzer Blick auf die Ausrichtung der Stadt Plauen vom Kaiserreich bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges geworfen wurde, ist es notwendig, die Entwicklung des Systems des Ausländereinsatzes zu untersuchen. Für die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Studie zu Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg wird der Anfangspunkt um 1850 gewählt, weil die Revolution 1848 den Ausgangspunkt für die Industrialisierung bildete und gleichzeitig ausgehend von der ›sozialen Frage‹ die Politisierung der Handwerker einsetzte.150 Schlaglichtartig gilt es zu untersuchen, ob und, wenn ja, warum nationalsozialistisches Gedankengut früh Einzug in Plauen hielt. Während der Abriss zur Stadtgeschichte die Grundsteine für die Ausformung des Reichseinsatzes in Plauen offenlegt, bildet die Betrachtung des Ausländereinsatzes im Deutschen Reich die Makroebene der Untersuchung. Von den Reichsbehörden gingen die gesetzgebenden Impulse aus, die dem Arbeitseinsatz seine Rahmenbedingungen gaben. Im nächsten Schritt soll Zwangsarbeit in Sachsen betrachtet werden. Hier differenzieren sich bereits die ersten thematischen Schwerpunkte heraus, die auf spezifisch sächsische Umstände gründen. So beschäftigte die sächsische Landesregierung besonders die Krise in der Textilindustrie.151 Als Hochburg des textilen Wirtschaftssektors war Plauen einer der Adressaten krisenbewältigender Bestimmungen. Nach der Beschreibung der Makroebene muss die Mikroebene in Plauen im Vogtland untersucht werden. Für alle zu betrachtenden Elemente des Ausländereinsatzes bestehen bereits Studien, die die Gegebenheiten auf Reichsebene betrachten. Ihre Ergebnisse werden für Plauen überprüft und ihre Ausformung vor Ort mithilfe von Fallbeispielen untersucht. Entsprechend der vorgestellten Gliederung anhand der zeitgenössisch verwendeten Rechtsstatuten sollen zuerst die zivilen Arbeitskräfte betrachtet werden. Wie die Begriffserklärung bereits zeigte, konnten die zivilen Arbeitskräfte sowohl den Fremd- als auch den Zwangsarbeitern angehören. Die Umstände, denen die Gruppe der Zivilarbeiter ausgesetzt war, sind für Plauen nicht lückenlos nachzu149 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 11. 150 Vgl. Moritz, Horst (2007)  : Zwischen Tradition und Wandel. Das Handwerk in der Industrialisierung (1850–1914). Ein Literaturbericht. In  : Braune, Gudrun  ; Fauser, Peter (Hg.)  : Handwerk, Hausgewerbe, Industrie. Beiträge zur historischen Arbeitswelt in Thüringen. Thüringer Hefte für Volkskunde, Bd. 14, Erfurt, S. 12. Im Folgenden zitiert als Moritz (2007)  : Zwischen Tradition und Wandel. 151 Vgl. Eingabe der IHK Plauen an das Reichswirtschafts- und Reichsfinanzministerium 1934. In  : BArch Berlin, Best. R 2 Reichsfinanzministerium, Nr. 16170, Fol. 16–19.

27

28 | 

Einleitung

zeichnen. Deshalb erscheint es sinnvoll, zuerst die Informationssplitter zu den Firmen, die zivile Ausländer beschäftigten, und den Lagern, in denen die zivilen Ausländer in Plauen untergebracht waren, zu sammeln und zu einem Bild zusammenzufügen. Westarbeiter sind hier als Untergruppe zu berücksichtigen, ebenso wie Ostarbeiter. Festzustellen ist für die Gruppe der ausländischen Zivilarbeiter, dass besonders viele Personen aus unterschiedlichen Nationen im Betriebslager ›Weißer Stein‹152 untergebracht waren. Das Lager am Leuchtsmühlenweg erstreckte sich oberhalb der im Zweiten Weltkrieg neu errichteten Panzermontagehalle entlang der Straßberger Straße im nordwestlichen Teil des Betriebsgeländes der VOMAG.153 Das Unternehmen nutzte hier vier große und eine kleine Baracke, um die ausländischen Arbeitskräfte unterzubringen.154 Außerdem entstand ein zweiter Barackenbau am östlichen Ende des Betriebsgeländes elsterlinksseitig. Gegenüber der Motorenmontage und der Hauptverwaltung waren ebenfalls drei große und eine kleine Baracke errichtet worden, die in direkter Nachbarschaft zu einem großen Splitterschutzgraben situiert waren.155 Auch hier ist eine Nutzung der Baracken zur Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte wahrscheinlich.156 Im Zusammenhang mit dem Lager ›Weißer Stein‹ soll die VOMAG in ihrer Funktion als Rüstungsbetrieb157 untersucht und ihr Umgang mit den ausländischen Arbeitskräften dargelegt werden. Dazu scheint ein kurzer Abriss der Firmengeschichte unter Rückbezug auf die wirtschaftliche Entwicklung des Deutschen Reiches in Kapitel 2.2.3 angebracht. Für die Produktion von Stickmaschinen 152 Vgl. Mitteilung des Oberbürgermeisters der Kreisstadt Plauen  – Polizeipräsidium  – an das Amtsgericht Plauen betreffs der Nachforschung über Bürger der vereinten Nationen, eingegangen am 17.01.1946. Angehängt sind Listen von Staatsangehörigen verschiedener Nationen, die in Plauen im Zweiten Weltkrieg beschäftigt waren. In  : StAC, Best. 30131, Nr. 2255, nicht foliiert. 153 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Politprojekt  : Historische Erkundung VOMAG Plauen. Weiterführung der Historischen Erkundung des ehemaligen VOMAG-Geländes in Plauen, Ditzingen, S. 37. Im Folgenden zitiert als Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG Plauen. 154 Vgl. ebd., S.  29 sowie zur Lage der Baracken Anlage 2  : Lageplan ehemaliges VOMAG-Gelände 1941–1943 und Anlage 16  : Bericht Multitemporale Luftbildauswertung zum Gelände der ehemaligen VOMAG Plauen, S. 10. Dass Ausländer im ›Weißen Stein‹ untergebracht waren, zeigt der Hauptmeldebogen von Lucien Carpentier, 2.2.2.1 / 71728158/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 155 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG Plauen, Anlage 16, S. 11. 156 Das zweite Barackenlager könnte die Trennung der ausländischen Arbeiter nach Nationen ermöglicht haben. Die Details sind im entsprechenden Kapitel zu diskutieren. Fotoaufnahmen des VOMAGGeländes weisen außerdem darauf hin, dass das Lager ›Weißer Stein‹ am Leuchtsmühlenweg zu den größten in Plauen zählte. Vgl. dazu Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG Plauen, Anlage 6  : Fotodokumentation ehemaliges VOMAG-Werk und nach den Bombardements 1945, Aufnahme 407/47, Ausländer-Baracken ›Weißer Stein‹. Vgl. außerdem ebd., Anhang 16, S. 10–11. 157 Vgl. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 9 (Rückseite). Als Teil der Panzerfertigung ist VOMAG Rüstungsbetrieb. Vgl. BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 68. Ihre Tochterfirma VOMETALL ist Teil der Luftwaffenfertigung.

Untersuchungsaufbau |

gegründet158, verlagerte sich die Firma in der Krise auf den Nutzfahrzeugbau159 und schließlich auf die Panzermontage160. Vermutlich war die VOMAG das Unternehmen, das 1943 mit 2.059 Ausländern die meisten Zwangsarbeiter beschäftigte.161 Der Fahrzeug- und Maschinenbau war schließlich diejenige Industrie, deren Produktion dazu führte, dass Plauen im Kriegsverlauf in die Waffen-, Munitions- und Gerätefertigung integriert wurde. Die Arbeitskräftelenkungsbehörden nahmen somit ortsansässige Rüstungsunternehmen stärker in den Blick.162 Da Plauen seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt vor Kriegsbeginn in der Textilindustrie setzte, scheint es sinnvoll, dem Wirtschaftszweig entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken, denn auch seine Unternehmen bedienten sich ausländischer Arbeitskräfte. In Kapitel 4.1.2 wird die Beschäftigung ziviler Ausländer in der Textilindustrie, im Speziellen in der Zellwolle, untersucht. Anders als beispielsweise die Gardinenfabrik Plauen AG (Gapla) war die Sächsische Zellwolle AG kein alteingesessenes Plauener Textilunternehmen, sondern kurz vor dem Krieg von den Nationalsozialisten angesiedelt worden. Die Errichtung der Zellwolle war eigentlich für Chemnitz geplant, erfolgte 1938 aber in Plauen.163 Interessant macht das Unternehmen, dass es 1943 zusätzlich zu seiner eigenen Produktion das Deutsche Forschungsinstitut für Textilindustrie164 beheimatete. Ein Ausländereinsatz ist in beiden Einrichtungen nachweisbar.165 Als Vertreterinnen der Textilindustrie, deren Betrieb im Zuge des Zweiten 158 Vgl. Erhardt, Willy (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze. Vom Schicksalsweg der vogtländischen Stickereiindustrie, Plauen, S. 59. Im Folgenden zitiert als Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze. 159 Vgl. ebd., S. 155–156. 160 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944, Anlage 3. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen vom 12.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 68. 161 Vgl. ebd., Fol. 67. 162 Vgl. Schumann, Silke (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz. Zu den quantitativen Dimensionen des nationalsozialistischen Zwangsarbeitereinsatzes. In  : Sächsisches Staatsministerium des Innern (Hg.)  : Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939–1945. Beiträge eines Kolloquiums in Chemnitz am 16. April 2002, Halle/Saale, S. 56. Im Folgenden zitiert als Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz. 163 Gegründet wurde die Sächsische Zellwolle AG 1935 ursprünglich in Chemnitz. Das Kapital für den Werksaufbau wurde allerdings erst 1938 beschlossen, und zwar für Plauen. Die Gesellschaft hatte ihren Sitz ins Vogtland verlegt. Vgl. Zusatzvertrag zwischen der Deutschen Revisions- und TreuhandAktiengesellschaft, Berlin und der Sächsischen Zellwolle Aktiengesellschaft, Plauen über die Vergabe von Darlehen am 27.07.1938. In  : BArch Berlin, Best. R 2 Reichsfinanzministerium, Nr. 1589, Fol. 95. 164 Vgl. Festlegung der Ausweichplanung von Engpassfertigung in Sachsen zwischen der Rüstungsinspektion IVa und der Gauwirtschaftskammer Sachsen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. R 20-4 Rüstungsinspektion IVa (Dresden) und IVb (Reichenberg), Nr. 17, Fol. 39. Hier wurde durch die Rüstungsinspektion die Verlagerung des Deutschen Forschungsinstitutes für Textilindustrie unter anderem in die Zellwolle-Versuchsspinnerei AG nach Plauen festgelegt. 165 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 17, 2.1.4.1 / 70955124/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

29

30 | 

Einleitung

Weltkrieges eingestellt und deren Produktionsanlagen von anderen Firmen genutzt wurden, werden in der dritten Fallstudie die Gapla und die Tüll- und Gardinenweberei Plauen (Tegewe) untersucht. Für die Unternehmen existieren Überlieferungen, die verschiedene Aspekte der Arbeits- und Lebensbedingungen ausländischer Zivilarbeiter beleuchten. Beispielhaft werden anhand der Ausländerbeschäftigung in Gapla und Tegewe die Punkte Arbeitszeit, Lohn und Ernährung betrachtet. Da für kein Plauener Unternehmen eine vollständige Überlieferung der Firmenbzw. Personalunterlagen erhalten ist, wird bei der Untersuchung der Arbeits- und Lebensbedingungen für ausländische Arbeitskräfte auf quantitative Erhebungen weitestgehend verzichtet. Der Schwerpunkt der Studie soll darauf liegen, die Bedingungen beispielhaft für einzelne Gruppen in Plauen darzustellen. Sofern vorhanden, wird natürlich Bezug auf die Belegungsstärke einzelner Ausländerlager genommen. Einen Anhaltspunkt zur statistischen Entwicklung des sogenannten Ausländereinsatzes gibt das Periodikum ›Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich‹ bzw. ›Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich‹. Seine Erhebungen werden in die Untersuchung einbezogen. Einen für das Reich einzigartigen Fall der Ausländerbeschäftigung stellte diejenige im Fremdsprachenverlag dar. Der Verlag war der einzige seiner Art und im Zuge einer Betriebsverlagerung von Berlin nach Plauen gezogen. Die hier eingesetzten Ausländer wurden nicht als solche, sondern als Kollaborateure geführt166, was einen besonderen politischen Status vermuten lässt. Es ist davon auszugehen, dass sie von den anderen Gruppen abweichende Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfanden. Da hierzu bereits eine Studie von Thomas Schiller existiert, soll auf die besonderen Umstände für Ausländer im Fremdsprachenverlag nur kurz Bezug genommen werden. Der Fremdsprachenverlag soll als Form der Ausländerbeschäftigung mit den besten Lebens- und Arbeitsbedingungen zum Vergleich für die zu beschreibenden Lebensumstände anderer Ausländergruppen herangezogen werden. Stellvertretend für die Untergruppe der Ostarbeiter sollen die Bedingungen für die ausländischen Hausgehilfinnen untersucht werden. Ostarbeiterinnen wurden unter anderem im Haushalt von Regierungsrat Helmut Göschel, dem Bäckermeister Kurt Joram, Major Kurt Heß und Herbert Thomsen, der bei der Wehrmacht diente, beschäftigt.167 Wie Frauke Thomsen, die Tochter Herbert Thomsens, berichtete, wurde sie von Katja  – eigentlich Praskowja Lasarewa  – aufgezogen.168 Der Fall Praskowja Lasarewa soll beispielhaft für die »hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen« in Plauen untersucht und mit anderen verglichen werden.

166 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 138. 167 Vgl. Aufstellung Ausländische Hausgehilfinnen vom 04.07.1944 übersandt vom Arbeitsamt Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt im Landratsamt Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt, Nr. 954, nicht foliiert. 168 Vgl. Interview mit Frauke Thomsen vom 23.12.2013, siehe Anhang 3.

Untersuchungsaufbau |

Die Lebensumstände der Ostarbeiter werden ein weiteres Mal bei der Untersuchung der Umstände im Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ diskutiert. Hier wird auch auf die Versorgung der Untergruppe im Falle einer Arbeitsunfähigkeit einzugehen sein. Ein wichtiges Moment, das das Leben der ausländischen Arbeitskräfte prägte, war neben den gesetzlichen Bestimmungen das durch die Nationalsozialisten entwickelte System drakonischer Strafen. Es sollte präventiv gegen Fehlverhalten wirken.169 So konnte ein vermindertes Arbeitstempo oder die Verweigerung der Arbeit zur drastischen Verschlechterung der Lebensumstände führen. Wie die Behörden vorgingen, wenn eine zivile ausländische Arbeitskraft die von ihnen aufgestellten Regeln brach, wird anhand zweier Beispiele untersucht  : Ein Phänomen, das in Plauen nachweislich nur Westarbeiter betraf, war die Existenz des Lagers ›Sachsenhof‹. Es befand sich in der Morgenbergstraße 43 und wurde als Straflager170 bezeichnet. Als solches wäre es zu den AEL zu rechnen. Der Terminus Arbeitserziehungslager war allerdings den Zeitgenossen oft nicht bekannt, weshalb in der direkten Nachkriegszeit verschiedene Lagertypen als Straf- oder Zwangsarbeitslager bezeichnet wurden.171 Welchen Zweck das Lager ›Sachsenhof‹ erfüllte, soll überprüft werden. Zu klären ist, ob es sich tatsächlich um ein Arbeitserziehungslager gehandelt haben kann. Ein zweiter Punkt, der im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Strafsystem für Plauen zu berücksichtigen ist, ist die Untersuchungshaft im Gefängnis der Stadt. Häftlingskolonnen, die sich aus dieser Einrichtung formten, wurden beispielsweise beim Winterdienst eingesetzt.172 Eine Inhaftierung konnte hier sowohl West- und Ostarbeiter als auch Deutsche treffen. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen gilt es zu bestimmen. Als zweite Personengruppe sollen die Kriegsgefangenen untersucht werden. Ihr Einsatz ist bei der Reichsbahn173 sowie in der Forst- und Landwirtschaft174 in Plauen aktenkundig. Aber auch private Unternehmen bedienten sich ihrer Arbeitskraft. So

169 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 90. 170 Vgl. Verzeichnis der Lager mit ehemaligen italienischen Militärinternierten und deren zahlenmäßiger Umfang, eingegangen bei der Deutschen Arbeitsfront, Kreisverwaltung Plauen, Abt. Gesundheit und Volksschutz, Melanchthonstr. 1  – Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. außerdem Abschlussbericht Nr. 99. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 171 Vgl. ITS (1968)  : Vorläufiges Verzeichnis, Einführung, S. 35. 172 Vgl. Mitteilung der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 04.03.1942 über die Entweichung und Wiederergreifung der Gefangenen Danel und Zaberniak. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, nicht foliiert. 173 Für das Kriegsgefangenenlager Mehltheuer vgl. StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360. Vgl. außerdem Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954. 174 Vgl. StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert und Mitteilung des Landrates, IV, R. Ernährung, an die Leitung des sowjetischen Kriegsgefangenenlagers in Kleingera vom 02.04.1943 über die Lagerverpflegungssätze. In  : StAC, Best. 30048, Nr. 7028, nicht foliiert.

31

32 | 

Einleitung

sind zum Beispiel für die VOMAG Kriegsgefangene nachweisbar.175 Das Kapitel soll einen Überblick über die von den Kriegsgefangenen ausgeführten Arbeiten, ihren Lohn und ihre Verpflegung geben. Die dritte Gruppe bilden die KZ-Häftlinge, die in den Firmen Osram, Horn und VOMAG zur Arbeit gezwungen wurden. Untergebracht waren sie in eigens für sie errichteten Lagern, die dem KZ Flossenbürg zugeordnet waren. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen sollen untersucht werden. Wie bereits dargelegt, existieren schon Forschungen auf diesem Gebiet. Diese sollen durch die Sichtung von Zeitzeugeninterviews und zusätzlichen Akten ergänzt werden. Die Firma Dr. Th. Horn ist nicht nur als Betreiberin eines der KZ-Außenlager, sondern auch unter einem weiteren Aspekt interessant. 1945 plante das Unternehmen eine Untertageverlagerung seiner Produktionsstätten.176 Diese Maßnahme diente neben der Betriebsverlagerung in Orte fernab der großen Wirtschaftszentren ebenfalls der Sicherung von Produktionsmitteln vor alliierten Bombardements.177 Den Alltag der Zwangsarbeiter bestimmte neben dem oben Genannten die Interaktion mit deutschem Personal maßgeblich. Untersucht werden soll deshalb, wie sich Aufseherinnen in den Lagern von Osram und der VOMAG sowie der Werkschutz, der für die Überwachung der ausländischen Zivilarbeiter zuständig war, positionierten. Die Umstände, die zum Einsatz der deutschen Frau als Aufseherin in den Außenlagern geführt haben, sind symptomatisch für die Politik des NS-Regimes. Die Einsatzgebiete brachten die deutschen Frauen und Männer oft in Ausnahmesituationen.178 Nachdem die Praxis des Ausländereinsatzes von der nationalen bis zu ihrer Ausformung auf lokaler Ebene nachvollzogen wurde, soll abschließend ein Exkurs in die Nachkriegszeit erfolgen. Thematisiert werden die Probleme der Displaced Persons in der unmittelbaren Nachkriegszeit und die Formen der Erinnerung an Zwangsarbeit in der DDR. Die Wiedergutmachungsdebatte und die Vergangenheitspolitik179 schließen sich in einem Exkurs an. Warum sie in Plauen kaum Bedeutung erlangten, wird zu begründen sein. 175 Vgl. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen am 12.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 67. Weiterführende Angaben zu den Kriegsgefangenen der VOMAG vgl. StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 133–170. 176 Vgl. BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 3310. 177 Vgl. Kukowski  ; Boch (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union, S. 208. 178 Vgl. Tzani, Fotini (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit. SS-Aufseherinnen im KZAlltag, Bielefeld, S. 26–29. Im Folgenden zitiert als Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit. 179 Vgl. zusammenfassend zu den Debatten um Zwangsarbeit Goschler, Constantin (2012)  : Die Auseinandersetzung um Anerkennung und Entschädigung der Zwangsarbeiter. In  : Knigge, Volkhard (Hg.)  : Zwangsarbeit  : Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Begleitband zur Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Essen, S. 234–245.

Ziel und Fragestellungen |

Anhand der gewählten Struktur ist die Untersuchung in die Alltagsgeschichte einzuordnen. Sie stellt das Verhältnis von Mensch und Arbeit unter Zwang dar, zeichnet die Herausbildung spezifischer Lebensverhältnisse nach und untersucht die diese Bereiche regulierende Politik.180 Entstanden in den 1980ern, »zielt die Alltagsgeschichte auf eine Rekonstruktion der Wahrnehmungsweisen der Menschen«181 ab. Sie verwendet hermeneutische Methoden, wie die historisch-kritische, die in der Studie herangezogen wird. Mithilfe einer kritischen Quellenanalyse182 sollen die Strukturen des Ausländereinsatzes von der Makro- bis zur Mikroebene nachvollzogen werden. Weiterer Bestandteil der Alltagsgeschichte ist die »Kategorie der Erfahrung«183. Die Theorie bedient sich der Deutungsweise erlebter Ereignisse durch Zeitzeugen und definiert so ihren Unterbereich, die Oral History. Hier werden durch Befragungen Quellen geschaffen, die auf den »Alltag des kleinen Mannes«184 abzielen. Für die Untersuchung scheint dies sinnvoll. 2013 wurden zu diesem Zweck sechs Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geführt, die ihre Kindheit und Jugend in Plauen während des Zweiten Weltkrieges bewusst erlebt haben. Des Weiteren werden Aussagen ehemaliger KZ-Häftlinge herangezogen, die unter anderem aus den Beständen des Archivs der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg stammen. Eine quellenkritische Betrachtung erfolgt unter 1.4. 1.3 Ziel und Fragestellungen Ziel der Studie ist es, für die heterogene Gruppe der ausländischen Arbeitskräfte ein umfassendes Bild der in Plauen vorherrschenden Lebensbedingungen zu zeichnen. Dabei wird die zentrale Frage verfolgt  : Wie wirkten sich die nationalen Bestimmungen auf den Ausländereinsatz in Plauen während des Zweiten Weltkrieges aus  ? Umgekehrt wird die Frage nach der Handlungsfreiheit lokaler Autoritäten gestellt. Merkmale der NS-Politik sind kurzfristige Lösungsversuche für politische, wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Probleme und Improvisation, die zu einer Fülle involvierter Institutionen und einem Wirrwarr aus Bestimmungen führte.185 Welchen Erlassen folgten die Plauener Behörden und Unternehmen im Umgang mit den Zwangsarbeitern letztendlich  ? Die forschungsleitenden Fragen werden folglich jeweils in politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Punkte untergliedert. Die drei Untersuchungs180 Vgl. Jordan, Stefan (2013)  : Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft. Paderborn, S. 154. Im Folgenden zitiert als Jordan (2013)  : Theorien und Methoden. 181 Ebd., S. 158. 182 Vgl. Borowsky, Peter  ; Vogel, Barbara  ; Wunder, Heide (1989)  : Einführung in die Geschichtswissenschaft I. Grundprobleme, Arbeitsorganisation, Hilfsmittel, Opladen, S. 157–159. 183 Jordan (2013)  : Theorien und Methoden, S. 159. 184 Ebd., S. 163. 185 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 21.

33

34 | 

Einleitung

profile sind für den ›Reichseinsatz‹ der unterschiedlichen Arbeitskräfte zugrunde zu legen. In dieser Untersuchung – einer Lokalstudie – zur Zwangsarbeit in Plauen gilt es, gemeinsame Sachverhalte aufzudecken, die die Gruppen vergleichbar machen. Zu klären ist für ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, aus welchem Teil Europas sie stammten, zu welcher gesellschaftlichen Schicht sie gehörten, wie sie ins Deutsche Reich gelangten, in welchen Bereichen sie eingesetzt wurden, wie sie untergebracht waren und schließlich wie ihre Versorgung aussah. Auch die Entlohnung für die geleistete Arbeit und das System der angewandten Strafen ist zu untersuchen. Speziell für die zivilen ausländischen Arbeitskräfte ist festzustellen, wie sich die Umstände im Arbeitserziehungslager gestalteten. Weiterhin soll die Frage beantwortet werden, was mit zivilen Ausländern im Falle von Arbeitsunfähigkeit geschah. Im Besonderen für die Kriegsgefangenen ist der Unterschied im Einsatz derjenigen aus Westund derjenigen aus Osteuropa darzustellen. Für die KZ-Häftlinge soll vergleichend zu den Verfahrensweisen des Werkschutzes die Frage nach dem Verhältnis zu den deutschen Aufseherinnen beantwortet werden. Den nationalsozialistischen Ängsten entsprechend, dass ausländische Arbeitskräfte die deutsche Gesellschaft auf verschiedenste Arten gefährden (könnten)186, ist zu überlegen, ob die Lebensbedingungen in Plauen aufgrund einer stark nationalsozialistischen Prägung des Bürgertums – wie sie für Plauen noch zu zeigen sein wird – schlechter waren als in anderen Städten. Waren nationalsozialistisch eingestellte Vorgesetzte Garanten für schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, weil sie sich in der ihnen vom Regime zugedachten Rolle als »Vorarbeiter Europas«187 verstanden  ? Weiterhin ist zu untersuchen, ob lediglich Ausländer der Zwangsarbeit unterlagen. Zur Beantwortung sollen das Untersuchungsgefängnis und die Arbeitsbedingungen der Aufseherinnen in den vier KZ-Außenlagern sowie die des Werkschutzes untersucht werden. Im letzten Kapitel ist die Nachwirkung der Zwangsarbeit auf die deutsche Gesellschaft unter den Gesichtspunkten der Wiedergutmachungsdebatte und der Vergangenheitsbewältigung zu betrachten. Welche Bestrebungen gab es speziell in Plauen  ? Die Zwangsarbeiterforschung ist ein interdisziplinäres Feld, dessen zahlreiche Facetten die Untersuchung zu Plauen beeinflussen. Eine sozialwissenschaftliche Analyse nach Mark Spoerer bestimmt die Merkmale der zu betrachtenden Zwangsarbeitergruppen. Die Bestimmung der Quantität des Ausländereinsatzes in Plauen ist ebenso von Bedeutung für dessen Ausformung wie die Erarbeitung der gesetzlichen Grundlagen und die Feststellung der Lebensumstände mithilfe von Fallstudien. Darüber hinaus finden unternehmens- sowie militärhistorische Elemente Eingang. Die Studie soll auf diesem Wege detailliertes Wissen über Zwangsarbeit in Plauen während des Zweiten Weltkrieges generieren und die Lebensumstände der Ausländer identifizie186 Vgl. ebd., S. 11. 187 Ebd., S. 21.

Quellenlage |

ren sowie beschreiben. Sie zeigt gleichzeitig Forschungslücken auf und hilft, diese zu schließen. Indem Einzelschicksale dargestellt, verglichen und die ihnen zugrunde liegenden Umstände verallgemeinert werden, soll die Untersuchung dazu beitragen, das Massenphänomen Zwangsarbeit für Plauen greifbar zu machen. Gleichzeitig soll sie für das Thema sensibilisieren. Mit der Identifizierung der Ausformung des ›Reichseinsatzes‹ in Plauen soll dem Vergessen entgegengewirkt werden. 1.4 Quellenlage Um sich die Lebensumstände der ausländischen Arbeitskräfte umfassend zu vergegenwärtigen, erscheint es sinnvoll, chronologisch und von der obersten zur untersten Entscheidungsebene vorzugehen. Für die Darstellung der Gegebenheiten in Plauen zwischen 1850 und 1945 kann sich die Untersuchung auf Studien von Gerd Naumann, Curt Röder und Rudolf Laser stützen. Mit seinem Werk »Plauen« beleuchtete Curt Röder als Herausgeber zusammen mit Gerd Naumann 1995 die Entwicklung der westsächsischen Stadt im Dritten Reich.188 Die Autoren zielen, ebenso wie Rudolf Laser189, vor allem auf die politische und wirtschaftliche Problematik ab. 1998 beschäftigte sich Curt Röder mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und seinen Folgen für Plauen.190 Im Anschluss folgt die Betrachtung des Systems des Ausländereinsatzes. Hier scheint es angebracht, zuerst die Entscheidungsprozesse auf staatlicher Ebene in Augenschein zu nehmen. Aufgrund der häufigen Bearbeitung ist der Großteil der Dokumente sehr gut erschlossen. Ein in der historischen Forschung konsensuales Bild des Ausländereinsatzes liegt vor, das anhand der einschlägigen Literatur kurz wiedergegeben werden soll. Zuvörderst sind auf staatlicher Ebene die Entscheidungen des Reichsarbeitsministeriums (RAM) zu berücksichtigen.191 Das RAM war im Dritten Reich die Stelle, die die Rekrutierung und die Zuweisung der ausländischen Arbeiterkontingente überwachte.192 Die Arbeitsämter vor Ort fungierten als lokale Distributoren.193 Hier erscheint das erste Problem der Untersuchung. Die Verfahrensweisen 188 189 190 191

Vgl. Röder, Curt (1995)  : Plauen i. V. 1933–1945, Plauen. Vgl. Laser (1995)  : Plauen. Vgl. Röder, Curt (1998)  : Plauen 1945 … und die schweren Nachkriegsjahre, Plauen. Wichtige Entscheidungen zum Ausländereinsatz sind im Reicharbeitsblatt und Reichsgesetzblatt veröffentlicht. 192 Vgl. Kotowski, Albert S. (2010)  : Die Rekrutierung der Zwangsarbeiter im besetzten Polen. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 24. Im Folgenden zitiert als Kotowski (2010)  : Die Rekrutierung der Zwangsarbeiter im besetzten Polen. 193 Vgl. ebd., S. 24.

35

36 | 

Einleitung

des Arbeitsamtes Plauen können nur bruchstückhaft nachvollzogen werden, da das Gebäude infolge der amerikanischen und britischen Luftangriffe ausbrannte. Sollten die Unterlagen dabei noch nicht zerstört worden sein, fielen sie sicherlich den zahlreichen Aktenvernichtungen kurz vor oder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zum Opfer.194 Ein Teil der verloren gegangenen Informationen kann aus den Dokumenten des Gesundheitsamtes Plauen-Land wiedergewonnen werden.195 Weiterhin werden auf nationaler Ebene die Akten zur Politik des Wirtschaftsministeriums, des Innen-, des Rüstungs- sowie des Außenministeriums, der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz, des Reichstreuhänders der Arbeit, der Arbeitgeber und im Besonderen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) berücksichtigt.196 Als letzter Punkt sind an dieser Stelle noch die Dokumente der Polizei, der Schutzstaffel (SS) und des Sicherheitsdienstes zu nennen. Gesichtet wurden namentlich die Unterlagen des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes, Amt D (WVHA)197, da diese Behörde das ­während des Krieges ausufernde System der KZ-Außenlager verwaltete.198 Der lokalen Polizei199 und dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD)200 fiel die Überwachung der Ausländer bzw. der Stimmung in der deutschen Bevölkerung gegenüber den Ausländern zu.201 Aus den Unterlagen der lokalen Geheimen Staatspolizei (Gestapo), die bei Delikten ausländischer Arbeitskräfte eingriff202, lassen sich Einzelschicksale herausarbeiten, die Aufschluss über Herkunft, Unterbringung und Gesundheitszustand der Ausländer in der Untersuchungshaft zulassen.203 Wirtschaftlich relevante Veränderungen im Reich und auf Landesebene können anhand der Überlieferung der 194 Vgl. Spoerer, Mark (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich. Eine Statistik vom 30. September 1944 nach Arbeitsamtsbezirken. In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 49. Jg., Hft. 4, S. 667. Im Folgenden zitiert als Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter. 195 Vgl. StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954. 196 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 18. Die wichtigsten Verordnungen sind im Reichsgesetzblatt veröffentlicht. 197 Vgl. BArch Berlin, Best. NS 3 SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt Nr. 425–427, Befehle und Anordnungen. Auch hier gibt es aufgrund umfassender Studien ein einheitliches Bild der vom SS-WVHA betriebenen Politik in der historischen Forschung, die kurz wiedergegeben wird. Im Besonderen wurde der Bestand NS 4/FL zum Konzentrationslager Flossenbürg berücksichtigt. 198 Vgl. Schröder, Joachim (2010)  : Stadtverwaltung und NS-Zwangsarbeit. Das Beispiel Düsseldorf. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 118. Im Folgenden zitiert als Schröder (2010)  : Stadtverwaltung und Zwangsarbeit. 199 Vgl. StAC, Best. 30071 Gestapo Plauen/Zwickau. 200 Dazu wurde hauptsächlich gesichtet  : Boberach, Heinz (1984)  : Meldungen aus dem Reich  : 1938–1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Herrsching. Im Folgenden zitiert als Boberach (1984)  : Meldungen aus dem Reich. 201 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 82. 202 Vgl. ebd., S. 95. 203 Gesichtet wurde im Speziellen StAC, Best. 30071 Gestapo Zwickau/Plauen, Nr. 34, 36, 121, 167, 180,

Quellenlage |

Industrie- und Handelskammer (IHK) Chemnitz im Staatsarchiv Chemnitz verfolgt werden. Welche Bestimmungen letztlich vor Ort zum Tragen kamen, wurde in den Beständen der Amtshauptmannschaft Plauen zur IHK Plauen recherchiert.204 Für die Bestimmungen im Umgang mit und Einsatz von Kriegsgefangenen werden die Akten der Wehrmacht herangezogen.205 Schwieriger gestaltete sich die weiterführende Recherche auf lokaler Ebene. Für die ausländischen Zivilarbeiter wurde bislang lediglich eine Statistik erstellt. Das Landratsamt des Vogtlandkreises führte in Zusammenarbeit mit dem Kreisarchiv Vogtland 2004 ein Projekt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) durch, in dem alle in Plauen befindlichen Fremd- und Zwangsarbeiter erfasst wurden. Endprodukt ist eine Tabelle, die 5.230 Ausländer zählt. Sie basiert auf den Daten einer Umfrage des Landrates zu Plauen 1946, den Meldebögen für Zwangsarbeiter206, den Meldungen der einzelnen Betriebe207, Einzeldokumenten aus Gemeindebeständen und den Einwohnermeldebüchern208. Die Angaben beziehen sich allerdings nur auf 1945 und sind nicht auf die Vorjahre übertragbar. Als Statistik gibt die Ausarbeitung zwar einen ersten Überblick über die Art der Unterbringung der Zivilarbeiter und die Art ihrer Beschäftigung, Hinweise auf konkrete Lebensbedingungen lassen sich jedoch nicht generieren. Zudem ist von Doppelzählungen auszugehen, wie eine Stichprobe zeigte. Die Zwangsarbeiter waren gelegentlich doppelt oder häufiger in unterschiedlichen Schreibweisen ihrer Namen verzeichnet. Dies trifft sowohl auf die Meldebögen als auch auf die Einwohnermeldebücher zu.209 Eine weitaus höhere Zahl vermittelte die statistische Aufstellung in ›Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich‹  – einer Publikation des ›Beauftragten für den Vierjahresplan‹ und des ›Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz‹  – in seiner letzten Ausgabe. Sie vermerkte insgesamt 12.873 »ausländische Arbeiter und Angestellte einschließlich Ostarbeiter«210 für den Arbeitsamtsbezirk Plauen und liegt damit weit über den Ermittlungen des Kreisarchivs Vogtland. Berücksichtigt werden muss bei der zeitgenössischen Aufstellung des ›Arbeitseinsatzes‹, dass es sich um eine Stichtagszählung, in diesem Fall vom 30. September 1944, handelte, die lediglich die untere Grenze aller 187, 223, 975, 1075, 1086, 1397, 1642, 1869, 1877, 1878, 1903, 2960, 2966, 2008, 2111, 7510, 9064, 9608, 12040, 12578, 13260, 13706, 16028, 16030, 16052, 1872, 15968. 204 Vgl. StAC, Best. 30874, Nr. 80, 426 und 430 sowie Best. 30048, Nr. 2270. 205 Vgl. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 1–20. 206 Vgl. KrA Plauen, Zwangsarbeiter-Kartons 1–11, Blätter fortlaufend nummeriert. 207 Vgl. KrA Plauen, Sign. 114, Blätter fortlaufend nummeriert. 208 Vgl. KrA Plauen, Einwohnermeldebücher. 209 Vgl. StadtA Plauen, Auswertungstabelle zu Fremd- und Zwangsarbeitern, KrA Plauen, Zwangsarbeiter-Kartons und Einwohnermeldebücher. Vgl. außerdem Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter, S. 667. 210 Vgl. Der Beauftrage für den Vierjahresplan/Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 26. Im Folgenden zitiert als GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich.

37

38 | 

Einleitung

sich im Verlaufe des Krieges im Arbeitsamtsbezirk Plauen befindenden ausländischen Zivilarbeiter beschreibt.211 Des Weiteren wurden die Unterlagen der Abteilung für Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes Plauen in der Studie herangezogen. Diese Sammlung enthält Arbeiten des Lehrlings Friedrich Müller, der 1942 seine Ausbildung im Arbeitsamt Plauen absolvierte. Sie gibt unter anderem Aufschluss über diverse Dienstbesprechungen und enthält statistische Erhebungen. Zur Rekonstruktion verloren gegangener Überlieferungen, wie der des Gesundheitsamtes Plauen-Stadt, dienen die Unterlagen des Gesundheitsamtes Plauen-Land212. Sie enthalten wichtige Hinweise zur gesundheitlichen Situation der ausländischen Arbeitskräfte, denn die Gesundheitsämter waren für die »[…] seuchenpolizeiliche Überwachung aller Lager ausländischer Arbeitskräfte […]«213 verantwortlich. Ein weiterer großer Informationspool steht in Plauen nicht mehr zur Verfügung. Nach Angaben des Stadtarchivs214 entfiel auf die VOMAG mit über 2.000 ausländischen Arbeitskräften der größte Teil der zivilen Ausländer. Das Verwaltungsgebäude ist allerdings einem Luftangriff zum Opfer gefallen und damit gingen auch die Personalunterlagen verloren. Hier können die Dokumentationen des Gesundheitsamtes ein weiteres Mal einen Teil der Informationslücke schließen. Zum allgemeinen Geschäftsverkehr der VOMAG wurden die entsprechenden Bestände im Bundesarchiv Berlin215 und im Staatsarchiv Chemnitz216 gesichtet. Weiterhin geben die Kriegstagebücher des Rüstungskommandos (RüKo) Chemnitz217 Aufschluss über die Ausländerbeschäftigung im Regierungsbezirk Chemnitz, in der Stadt Plauen und der VOMAG. Da die Plauener Firma zu den Rüstungsbetrieben zählte218, finden sich in den Kriegstagebüchern, die im Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv Freiburg i. Br., 211 Vgl. Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter, S. 671. 212 StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954. 213 Mitteilung des Sächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit, des Sächsischen Ministers des Innern, des Präsidenten des Landesarbeitsamtes, DAF Gauwaltung Sachsen, Hauptabteilung Arbeitseinsatz, Gaubeauftragter für Lagerbetreuung an die Leiter der Gesundheitsämter, der Gewerbeaufsichtsämter und der Arbeitsämter sowie die Kreisabteilungsleiter für Arbeitseinsatz bei der Deutschen Arbeitsfront vom 14.02.1942. Betreff  : Prüfung der hygienischen Verhältnisse von neu einzurichtenden Arbeitslagern von Betrieben. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Im Folgenden zitiert als Mitteilung der sächsischen Minister an die Gesundheitsämter et al. vom 14.02.1942. 214 StadtA Plauen, Auswertungstabelle zu Fremd- und Zwangsarbeitern. 215 Vgl. BArch Berlin, 8119F Deutsche Bank, Nr. 2.956. 216 Vgl. StAC, Best. 31024 Vogtländische Maschinenfabrik AG (VOMAG), Plauen/V., Nr. 10 und Nr. 15. 217 Vgl. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 1–20. 218 Vgl. Metallanforderungsschein für Wehrmachtsaufträge für die VOMAG im Bedarfsmonat Dezember 1939. Ausgestellt am 13.12.1939. In  : StAC, Best. 31024 Vogtländische Maschinenfabrik AG (VOMAG), Plauen/V., Nr. 10, nicht foliiert.

Quellenlage |

verwahrt werden, Schilderungen zur Entwicklung des Unternehmens und des Ausländereinsatzes zwischen 1939 und 1945. Einzubeziehen wären außerdem die Unterlagen der Krankenkasse AOK, denn auch die zivilen ausländischen Arbeitskräfte unterlagen einer Sozialversicherungspflicht219. Leider sind die Akten der Allgemeinen Ortskrankenkasse Plauen nicht überliefert. Die Dokumente des Gesundheitsamtes sowie die ›Namensliste für verstorbene Angehörige der UdSSR und der Vereinten Nationen, die in der Kriegsperiode 1939–1945 umgekommen und auf deutschem Territorium begraben sind, Land Sachsen, Kreis Plauen, Ort Kauschwitz, Rückkehrerlager Holzmühle‹220 wurden für die Untersuchung der Vorgänge im Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ eingesehen. Sie geben über die Studie von Werner Hernla hinausgehende und ergänzende Hinweise zu den Lebensbedingungen vor Ort. Gut belegt ist die Situation der Ostarbeiter bei der Tüll- und Gardinenweberei AG Plauen (Tegewe)221. Das Unternehmen stellte allerdings nur Verwaltung und Betriebsstätten für die Firma Friedrich Weber aus Berlin, in deren Produktion die Ausländer eingesetzt waren. Erhalten sind unter anderem Lohnunterlagen von 1942 bis 1944222, die Aufschluss über Verdienst und Abgaben geben. Weiterhin ermöglicht der Bestand ›Sächsische Betreffe aus dem Ministère des Affaires sociales, de la Santé publique et de L’Environnement (Belgisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Umwelt, Brüssel)‹ im Staatsarchiv Chemnitz223 die Untersuchung eines Arbeitserziehungslagers. Am Fall des zur Firma Arnold Ritter gehörenden Straflagers ›Sachsenhof‹ können die Lebensumstände dargestellt werden. Gesichtet wurden in Chemnitz außerdem die Bestände zur Gardinenfabrik Plauen224. Der Bestand ›Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt‹ enthält Informationen zur Baumwollspinnerei 219 Vgl. Anordnung Nr. 4 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über die Anwerbung, Betreuung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Vom 07.05.1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 83. 220 Namensliste für verstorbene Angehörige der UdSSR und der Vereinten Nationen, die in der Kriegsperiode 1939–1945 umgekommen und auf deutschem Territorium begraben sind, Land Sachsen, Kreis Plauen, Ort Kauschwitz, Rückkehrerlager Holzmühle, 2.1.4.2 / 70993445/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993446/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993447/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993448/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993449/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993450/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993451/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993452/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993453/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993454/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993455/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993456/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993457/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993459/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 221 Vgl. StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, 339, 882, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, 876, 878. 222 Vgl. StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876 und 878. 223 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 224 Vgl. StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, 339, 882, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, 876, 878.

39

40 | 

Einleitung

Plauen225, der Bestand ›Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger‹ zu Osram226 sowie der Bestand ›Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA), Hauptniederlassung Chemnitz, Plauen und Zwickau‹227 zur Tüllfabrik Mehltheuer. Hinweise zu einzelnen Lagern und Unterkünften ausländischer Arbeitskräfte finden sich im Bestand des Gesundheitsamts Plauen-Land im Staatsarchiv Chemnitz. Ein weiterer Punkt, der bei der Untersuchung der Lebensumstände von zivilen Arbeitskräften zu berücksichtigen ist, ist der Umgang der deutschen Behörden mit straffällig gewordenen Ausländern. Dazu bieten sich die Bestände des Zuchthauses Zwickau und des Untersuchungsgefängnisses Plauen228 an. Für die zu behandelnde Gruppe der Kriegsgefangenen sind die Informationen aus dem Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv Freiburg i. Br., heranzuziehen. Ausgewertet wurden im Speziellen die Kriegstagebücher des Rüstungskommandos Chemnitz229, in denen allgemeine Verhaltensweisen im Umgang mit Kriegsgefangenen festgehalten wurden. Für die Bedingungen des Kriegsgefangeneneinsatzes in Plauen wurden die Unterlagen zur VOMAG aus dem Stadtarchiv Plauen und diejenigen zur Land- und Forstwirtschaft aus dem Staatsarchiv Chemnitz230 gesichtet. Gut belegbar sind die Umstände, die sich den Häftlingen in den Außenlagern des KZ Flossenbürg boten. Umfassende Bestände sind im Bundesarchiv Berlin und im Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg sowie im Landesarchiv Berlin zugänglich. Ausgewertet wurden Bestände aus dem Landesarchiv Berlin – im Speziellen der Bestand ›Osram‹231  – und aus dem Bundesarchiv Berlin  – hier im Besonderen die Bestände zum ›Konzentrationslager Flossenbürg‹232. Hinzu kommen die Bestände ›Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt‹, ›Industriewerke AG, Plauen‹ und ›Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium‹ aus dem Staatsarchiv Chemnitz.233 Ausführliche Informationen zum Außenlager der ­VOMAG sind 225 Vgl. StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340. 226 Vgl. StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, 37, 241, 248, 275. 227 Vgl. StAC, Best. 31453 Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA), Hauptniederlassung Chemnitz, Plauen und Zwickau, Nr. 323. 228 Vgl. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 36, 121, 167, 180, 187, 223, 975, 1075, 1086, 1397, 1642, 1869, 1872, 1877, 1878, 1903, 1960, 1966, 2008, 2111, 7510, 9064, 9608, 12040, 12578, 13260, 15968, 16052, 16028, 16030 und Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 6, 9, 29, 30, 78. 229 Vgl. BArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 1–20. 230 Vgl. StadtA Plauen, Best. A 84 Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360 und 7028, Best. 30084 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954 sowie StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66. 231 Vgl. LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, 490 und 691. 232 Vgl. Best. NS 4-FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,1, Nr. 348,2, Nr. 391 sowie Nr. 393,2. 233 Vgl. StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, 37, 241, 248, 275 und Abschlussbericht Nr. 99. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6.

Quellenlage |

im Bestand des Konzentrationslagers Flossenbürg im Bundesarchiv Berlin234 enthalten. Die Bestände zum KZ Flossenbürg im Bundesarchiv Berlin geben weiter­ hin A ­ uskunft über die Umstände, die die Häftlinge bei Th. Horn vorfanden. Weitere Hinweise enthält erneut der Bestand ›Sächsische Betreffe aus dem Belgischen ­Ministerium‹ im Staatsarchiv Chemnitz‹235. Für alle drei Außenlager des KZ Flossenbürg liegen im Archiv der Gedenkstätte weitere Informationen vor. Diese stammen von der Z ­ entralen Stelle Ludwigsburg236, aus dem Nationalarchiv in Washington237, aus dem Bundesarchiv Berlin238, dem Institut für Nationales Gedenken Polen – Kommission zur Erforschung von Nazi-Verbrechen239, aus dem Stadtarchiv Plauen240 und dem Centre des Recherches et d’Études Historiques de la Seconde Guerre Mondiale, Ministère des Affaires Sociales de la Santé Publique et de l’Environnement, Bruxelles (CEGESOMA)241, sowie aus Recherchen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte242. Eine weitere Informationsquelle für die Untersuchung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte stellt der Internationale Suchdienst des Roten Kreuzes in Bad Arolsen (International Tracing Service, ITS) zur Verfügung. So verzeichnet er für Plauen den Einsatz der 8. SS-Eisenbahnbaubrigade.243 Zu diesem Umstand konnte lediglich eine Zeitzeugenaussage ausfindig gemacht werden.244 Die Sammlung des ITS verfügt weiterhin über eine Auflistung aller zivilen ausländischen Arbeitskräfte in Plauen, in der Arbeitgeber und Beruf vermerkt sind.245 Für alle Personengruppen sowie die zu betrachtenden historischen Entwicklungen und Vorgänge können Zeitungen aufschlussreich sein. Sie werden als Substitutions234 Vgl. BArch Berlin, Best. NS 4/FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,1, Nr. 348,2, Nr. 391 und Nr. 393,2. 235 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 236 Vgl. ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66, Band 1 und 2. ZSL Plauen IV 410 AR 3216_66 (b), Band 1, Band 2 und Band 3. ZSL Mehltheuer 410 (F) AR 3039_66. 237 Vgl. AGFl, Nummernbuchauszug der Industriewerke Plauen. AGFl, Nummernbuchauszug von Dr. Th. Horn. 238 Vgl. BArch Berlin, Best. NS 4/FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 354,2, NS 4/FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 393,2 und 428. 239 Vgl. Sammlung Celina Wojnarowicz  : S.40.362 Häftlingsnamenliste Baumwollspinnerei Plauen. 240 Vgl. Sammlung Celina Wojnarowicz  : AGFl, S.40.364/1–2 und S.40.389 Plauener Baumwollspinnerei an die Betreuungsstelle für die Opfer des Faschismus der Stadt Plauen. 241 Vgl. AGFl, Best. A 18/469 und 14/368 CEGES. 242 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. S.40.25 und S.40.26 Sammlung Celina Wojnarowicz. Erinnerungsbericht von Gerhard Hoffmann an Herbert Mosheim vom 22.10.1945. In  : AGFl, Best. S.40.236, Sammlung Gerhard Hoffmann. 243 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. 255. 244 Vgl. Zeugenaussage von Nikolai Wajlor zur SS-Baubrigade 8, Sachsenhausen, 1.1.0.7 / 87767705/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 245 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten zivilen Ausländer, Ordner 45c, 45d und 45f, 2.1.4.1. / ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

41

42 | 

Einleitung

quellen herangezogen und geben Auskunft über die gesellschaftliche Stimmung in Plauen vor 1933. Außerdem wurden sie als Distributor für neue rechtliche Regelungen und Verhaltenskodizes instrumentalisiert. Wegen der auftretenden Überlieferungslücken werden trotz aller als kritisch zu bewertenden Gegebenheiten  – wie der langen Zeit, die das Erzählte zurückliegt, und der Tatsache, dass es sich ausschließlich um Kindheitserinnerungen handelt  – Zeitzeugeninterviews herangezogen. Die zwischen 2013 und 2014 interviewten Plauenerinnen und Plauener berichteten über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg ebenso wie über die Interaktion zwischen Deutschen und ausländischen Arbeitskräften und über die Eindrücke, die von den Unterkünften der Zwangsarbeiter geblieben sind. Die Interviews wurden halboffen narrativ lebensgeschichtlich geführt. Die möglichst offen gewählte Eingangsfrage sollte die Interviewpartner dazu ermutigen, ihre Lebensgeschichte zu erzählen, ihre Erfahrungen darzustellen und diese nach eigenen Relevanzkriterien zu bewerten. Am Ende bestand die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen, die zu weiteren Erzählungen animieren sollten und nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten waren.246 Die Fragen variierten je nach Interviewpartner leicht und sind den Transkriptionen im Anhang beigegeben, sofern sie für die Untersuchung relevant sind. Des Weiteren werden in der Studie Aussagen ehemaliger KZ-Häftlinge herangezogen, die durch die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg aufgenommen wurden. Für alle Zeitzeugeninterviews ist kritisch anzuführen, dass sie stets subjektiv gefärbte Nacherzählungen der eigenen Erfahrungen sind.247 Auch die Protokolle der Zentralen Stelle Ludwigsburg sind aufgrund ihrer Kürze nur auf die Extremsituation beschränkt und sagen nichts über den Alltag der Häftlinge aus.248 Trotzdem sind die Aussagen von Zeitzeugen als sich der Wirklichkeit annähernde Abbildungen empirisches Material, das Rückschlüsse auf die Alltagsbedingungen für den untersuchten Zeitraum zulässt,249 und zum Teil einziges Zeugnis des Ausländereinsatzes in Plauen. Da die Stadt im Vogtland trotz ihrer hauptsächlich textilen Produktionsanlagen mehr als 10.000 ausländische Arbeitskräfte in der Hochphase des Reichseinsatzes 1944 beheimatete, legt dies die Existenz unterschiedlichster Lebens- und Arbeitsbedingungen nahe. Um die Bandbreite der Umstände zu erfassen, sollen die Verhältnisse in einzelnen Unternehmen und Lagern dargestellt werden. Die beinahe vollständige 246 Vgl. Leh, Almut (2013)  : Interviews in 27 Ländern. Die Entstehung einer Sammlung. In  : Apostolopoulos, Nicolas  ; Pagenstecher, Cord (Hg.)  : Erinnern an Zwangsarbeit. Zeitzeugen-Interviews in der digitalen Welt, Berlin, S. 105. 247 Vgl. Schreiber, Waltraud (2009)  : Zeitzeugengespräche führen und auswerten. In  : Schreiber, Waltraud  ; Árkossy, Katalin (Hg.)  : Zeitzeugengespräche führen und auswerten. Historische Kompetenz schulen, Neuried, S. 22. 248 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 24. 249 Vgl. Niethammer, Lutz (1980)  : Einführung. In  : Niethammer, Lutz (Hg.)  : Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der »Oral History«, Frankfurt a. M., S. 10.

Quellenlage |

Zerstörung Plauens durch den Luftangriff der Alliierten vom 10. April 1945 und die Besetzung der Stadt durch amerikanische Truppen am 16. April250 setzen den Endpunkt für die Studie. Ein Blick auf die Erinnerungskultur und die Entschädigungsdebatten rundet das Thema ab.

250 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Daten zur Geschichte der NSDAP in der Stadt Plauen. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 105. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Daten.

43

2 Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg Im Folgenden sollen die Strukturen in der Stadt Plauen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges dargestellt werden, um einen Erklärungsansatz für die Radikalisierung der Plauener Gesellschaft zu formulieren und die politischen, gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Umstände zu beschreiben, mit denen die ausländischen Arbeitskräfte kurz nach Kriegsbeginn konfrontiert waren. Als Zeichen der Radikalisierung der Plauener Gesellschaft kann der Wahlerfolg der Nationalsozialisten mit 56,3 Prozent der in Plauen abgegebenen Stimmen bei der Reichstagswahl im März 19331 gewertet werden. Als Gründe für die anhaltenden Krisen und die daraus folgende Radikalisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts können die nur wenig ausgeprägte Industrialisierung und die damit einhergehende Manifestierung der Hausindustrie in der Textilproduktion angenommen werden. Die daraus resultierende Unzufriedenheit bildete schon früh den Nährboden für nationalsozialistisches Gedankengut, wie zu zeigen sein wird. Plauen war um 1900 ein Zentrum der Stoffherstellung und -verarbeitung in Deutschland. Der Grundstein für die Entwicklung zur heute noch gängigen Bezeichnung ›Spitzenstadt‹ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gelegt. Das deutschsprachige Gebiet und besonders das Königreich Sachsen verfügten um 1850 über ein florierendes Textilgewerbe. Zwar war es nicht so weit ausgeprägt wie in England oder Frankreich, dennoch nahm es einen nicht als gering einzuschätzenden Einfluss auf die Entwicklung der Städte.2 Im Königreich Sachsen gehörte die Textilindustrie neben dem Steinkohlenbergbau, dem Maschinen- und dem Eisenbahnbau zu den Motoren der Industrialisierung.3 Besonders das Vogtland mit seiner größten Stadt Plauen zählte zu den Zentren der Baumwollverarbeitung.4 Plauens geographische Lage begünstigte die Ansiedlung textiler Produktion. Wie für die meisten Mittelgebirgsregionen typisch, verfügte der Ort über günstige klimatische Bedingungen zum Flachsanbau und Weideflächen für die Haltung von Schafen.5 An der Weißen Elster gelegen, be-

1 Ergebnisse der Reichstagswahl 1933 aus der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 56 (mit 74.302 gültigen Stimmen höchste bis dato aufgezeichnete Wahlbeteiligung). 2 Vgl. Kiesewetter, Hubert (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens. Ein regional-vergleichendes Erklärungsmodell, Stuttgart, S. 388. Im Folgenden zitiert als Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens. 3 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 147. 4 Vgl. ebd., S. 350. 5 Vgl. ebd., S. 245.

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg 

| 45

vorzugten Spinnereien und Webereien die Stadt, um den Wasserlauf für den Antrieb ihrer Gerätschaften zu nutzen.6 Die Textilproduktion ersetzte Mitte des 19.  Jahrhunderts die durch Missernten 1845/46 und die wirtschaftlichen Verhältnisse in die Krise geratene Landwirtschaft. Sie sog die Schar an arbeitslosen landwirtschaftlichen Kräften in Sachsen und somit auch im Vogtland auf.7 Als wirtschaftliche Grundform entwickelte sich in dieser Zeit das Verlagssystem. Die aufwendige Arbeit des Verspinnens und Webens wurde ausschließlich von Hauswebern aus ländlichen Gebieten besorgt, bei denen die gesamte Familie bei der Textilherstellung mitarbeitete.8 Sie standen in vollständiger Abhängigkeit vom Verleger, sofern sie ihre Produkte nicht selbstständig vermarkten konnten. Er vermittelte ihnen Aufträge und verkaufte ihre Produkte.9 Das Verlags­ system wurde durch das Faktorenwesen ergänzt. Als Faktoren bezeichnete man die ›Zwischenmeister‹ in der Hausindustrie, die, ähnlich wie die Verleger, von Gewerbetreibenden Aufträge annahmen und sie an Heimarbeiter weitergaben.10 Die Hausindustrie selbst war eine sich im 19. Jahrhundert entwickelnde Gewerbeform, die von einer spezifischen sozialen Gruppe ausgeführt wurde. Die Gruppe lässt sich zwischen Arbeiterfamilie und Bauern- oder Landarbeiterfamilie einordnen. Typisch für die Hausindustrie war eine vorwiegend ländliche Lebensform. Zumeist besaßen die Familien ein Stück Land und arbeiteten in ihrer gewohnten heimischen Umgebung als Handwerker oder Heimarbeiter.11 Ist das Heimarbeitersystem in einem Gewerbe permanent präsent, lässt sich davon ausgehen, dass es noch nicht profitabler erschien, die traditionellen Produktionsmethoden zugunsten der industriellen Massenherstellung aufzugeben. Zur Manifestierung des Heimarbeitersystems in der Textilindustrie trug die leichte Verfügbarkeit von Arbeitskräften bei. Auf deutschsprachigem Gebiet ließ sich die Ausbreitung der Heimarbeit vor allem in armen und waldreichen Gebieten feststellen. Eine Konzentration ist in eher unfruchtbaren Gebirgslandschaften wie dem Vogtland nachweisbar.12 Die britische Konkurrenz erschwerte dem deutschen Gewerbe im 19. Jahrhundert den Absatz, denn ihre Textilherstellung war bereits durch maschinelle Fertigung revolu  6 Vgl. ebd., S. 362.   7 Vgl. ebd., S. 148.   8 Vgl. ebd., S. 373.   9 Vgl. Finn, Wolfgang (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz. Zur Entwicklung der Zündholzindustrie in Neustadt/Rennsteig im 19. Jahrhundert. In  : Braune, Gudrun  ; Fauser, Peter (Hg.)  : Handwerk, Hausgewerbe, Industrie. Beiträge zur historischen Arbeitswelt in Thüringen. Thüringer Hefte für Volkskunde, Bd. 14, Erfurt, S.  53. Im Folgenden zitiert als Finn (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz. 10 Vgl. Papendieck, Axel Joachim (2010)  : Praktische Organisation. Wie wird die Arbeit richtig geteilt  ? Berlin, S. 157. 11 Vgl. Finn (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz, S. 53. 12 Vgl. ebd., S. 53–54.

46 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

tioniert.13 Aufgrund der Rückständigkeit und damit fehlenden Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland veränderte sich die Textilindustrie in Plauen sowie in ganz Westsachsen und orientierte sich weg vom Weben. Es entstand die Baumwoll- und Seidenverarbeitung. Mit der Produktion von Stickereien und Spitze gewann Westsachsen zunehmend an Bedeutung. Die voranschreitende Industrialisierung führte zur Ergänzung des Textilgewerbes durch Zulieferindustrien wie den Maschinenbau. Eine Vorreiterrolle übernahm hier die Region um Chemnitz.14 Während der Maschinenbau im Zuge der Industrialisierung eine Fabrikarbeiterschaft hervorbrachte, verharrte die textile Produktion weiter im Heimarbeitersystem. Der Gruppe der Heimarbeiter gelang die Teilhabe am Fortschritt innerhalb der industriellen Gesellschaftsform deshalb erst spät.15 Dass die Ausrichtung der Stadt Plauen auf traditionelle Produktionsformen für die Ausbildung eines starken politisch rechten Lagers verantwortlich war, soll im Folgenden aufgedeckt werden. In Kapitel 2.1 werden die Mechanismen analysiert, die zur Radikalisierung vor 1933 führten. Die Untersuchung der Stadtentwicklung setzt mit einem Exkurs zu den Verhältnissen Mitte des 19. Jahrhunderts ein, denn die Deutsche Revolution 1848/49 hatte tiefgreifende Veränderungen im Verhältnis zwischen Handwerk und Industrie eingeläutet. Die von den Umbrüchen angestoßenen Liberalisierungen vor allem in der Industrie ließen in Sachsen jedoch auf sich warten. Erst 1861 kam es zur Umsetzung eines Gewerbegesetzes, das die Gewerbefreiheit statuierte.16 Die Hochphase der Spitzen- und Stickereiproduktion fiel in die Zeit des Kaiserreichs, während die Jahre der Weimarer Republik beinah ausschließlich durch Krisen geprägt waren. Unter 2.2 ist dann festzustellen, welche Veränderungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unter dem Einfluss des Nationalsozialismus auftraten. In diesem Klima entstanden die Grundzüge des Ausländereinsatzes in Plauen. 2.1 Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 Mit seinen 63.985 Einwohnern17 steht Plauen im Vogtland heute im Status einer Großen Kreisstadt, die über kulturelle Einrichtungen sowie breit gefächerte wirtschaftliche Strukturen verfügt. Betrachtet man die Entwicklung der Einwohnerzahlen in

13 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 143. 14 Vgl. ebd., S. 389–392. 15 Vgl. Finn (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz, S. 53. 16 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 148 und 162. 17 Vgl. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2013)  : Bevölkerung des Freistaates Sachsen jeweils am Monatsende ausgewählter Berichtsmonate nach Gemeinden. Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Zensusdaten vom 9. Mai 2011. http://www.statistik.sachsen.de/download/010_GB-Bev/ Bev_Z_Gemeinde_akt.pdf 27.11.2013.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

den vergangenen zehn Jahren, lässt sich feststellen, dass die Stadt schrumpft18 und um ihre wirtschaftliche wie kulturelle Vielfalt kämpfen muss.19 Seine kulturellen Einrichtungen und die großstädtisch anmutenden Straßenzüge mit Jugendstilvillen erhielt Plauen zu Beginn des 20.  Jahrhunderts. Die Textilindustrie war es maßgeblich, die dazu führte, dass Plauen um die Jahrhundertwende die Wandlung vom Weberstädtchen zur Großstadt mit über 100.000 Einwohnern vollzog.20 Der Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert beflügelte die Spitzen-, Stickerei- und Kunstseideproduktion in der Stadt. Das florierende Gewerbe zog Arbeiter aus dem Umland an, sodass die Wohnbevölkerung explosionsartig anstieg. Plauener Spitze wurde zur Marke und international exportiert. Neben Innovationen bei der Fertigung der Stoffe hatte sich Plauen auch im Bereich der Herstellung von Stickmaschinen einen Namen gemacht.21 Der Erste Weltkrieg und die Konzentration auf die krisenanfällige Textilindustrie führten jedoch dazu, dass Plauen in eine wirtschaftliche Schieflage geriet. Die folgenden Versuche, neue Industriezweige anzusiedeln, scheiterten.22 Die Großstadt war am Vorabend des Ersten Weltkrieges in eine Strukturkrise geraten, die sich in der Folge des Krieges verschärfte und im »Stickerelend«23 kulminierte.24 Plauen wies 1933 die höchste Erwerbslosenquote aller deutschen Großstädte auf.25 Gerd Naumann sieht darin eine der Hauptursachen für die in der Zwischenkriegszeit für Plauen festzustellende politische Radikalisierung.26 Zeichen dieser Radikalisierung waren die frühzeitige Bildung eines »organisierten Hitlerklientels«27 und die damit im Zusammenhang stehenden Wahl-

18 Vgl. https://www.plauen.de/de/rathaus/wissenswertes/zahlen-fakten/Einwohner.php 09.09.2015. 19 Vgl. ver.di, Fachgruppe Darstellende Kunst  : Theater Plauen-Zwickau  : Zukunft statt Kahlschlag  ! http:// darstellende-kunst.verdi.de/themen/nachrichten/++co++eb24a478-7fcc-11e4-9586-525400248a66 26.08.2015 und vgl. Online-Redaktion des Vogtland-Anzeigers (2014)  : Neoplan bleibt erhalten, doch Bus-Bau ist Geschichte. https://www.vogtland-anzeiger.de/vogtland/neoplan-bleibt-erhalten-doch-busbau-ist-geschichte-artikel10386088 23.11.2019. 20 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S.  8–9. Plauen wurde auch 1929 noch als Großstadt geführt. Vgl. Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1931)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen, S. 17. 21 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 9. 22 Vgl. ebd., S. 12. 23 Glier, Erich (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie seit 1914. Niedergang und Existenzkampf einer deutschen Mode- und Exportindustrie, Plauen, S. 212. Im Folgenden zitiert als Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie. 24 Vgl. Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen 1914–1923, S. 238. 25 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen im Ringen um ein Stück vom kleiner werdenden Kuchen. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 19. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen. 26 Vgl. Naumann (1995)  : Krise und politische Radikalisierung. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933– 1945, Plauen, S. 21. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Krise und politische Radikalisierung. 27 Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 8.

47

48 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

erfolge der NSDAP bzw. des ›Völkisch-sozialen Blocks‹. Plauen brachte NS-Prominenz hervor, die landesweit politische Karrieren anstrebte.28 Noch heute erhaltenes Zeugnis des Aufstiegs der Plauener Spitzen- und Tüllproduktion um die Wende zum 20.  Jahrhundert ist der Beiname ›Spitzenstadt‹29. Namensgeber ist die feine Tüllspitze, die produziert wurde.30 Die Epoche des Historis­ mus (1851 bis ca. 190031) war durch ein Schmuckbedürfnis geprägt, das sich an der Mode der Gründerzeit und der Renaissance orientierte.32 Die Beliebtheit floraler, geschwungener Linien und Ornamente setzte sich im Jugendstil fort33 und führte zu einem Aufschwung der Spitzen- und Stickereiindustrie.34 Bereits in den 50er Jahren des 19.  Jahrhunderts fertigte man in Plauen Textilien. Den größten Berufszweig in der Stadt bildeten Weber und Arbeitskräfte der Textilbranche.35 Die in der ›Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern‹ erschienene Statistik zur Verteilung der Handwerksberufe auf einzelne Industriezweige in der Mitte des 19.  Jahrhunderts verzeichnet unter den Handwerkern Weber, Schneider und Schuhmacher als die häufigsten Berufe. Das Weberhandwerk stellt mit 1.846 Beschäftigten im Jahr 1856 die Mehrheit, gefolgt von 234 Schneidermeistern, -gesellen und -lehrlingen und 216 Schuhmachermeistern, -gesellen und -lehrlingen. In summa umfassten die Plauener Handwerke eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 2.850 Personen.36 Der Anteil der Weber entsprach rund 65 Prozent. Insgesamt waren 83 Prozent der Handwerker von der Textilbranche abhängig. Die Produktionsformen, die in Plauen Mitte des 19. Jahrhunderts dominant waren, lassen sich aus der Volkszählung vom 3. Dezember 1861 ermitteln. In der Erhebung wurden die in der Stadt vertretenen Berufe ebenso aufgenommen wie die Gesamt28 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : »Eine Hochburg des Nationalsozialismus, die an der Spitze aller Großstädte marschiert«. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 7–8, S. 7. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus. 29 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 8. 30 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 215. 31 Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 57–58. 32 Vgl. Nipperdey, Thomas (1993)  : Deutsche Geschichte 1866–1918. Arbeitswelt und Bürgertum, Bd. 1, München, S. 733. Im Folgenden zitiert als Nipperdey (1993)  : Deutsche Geschichte. 33 Vgl. Nipperdey (1993)  : Deutsche Geschichte, S. 734. 34 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 8. 35 Eine Aufstellung der Berufe der aus Plauen rekrutierten Soldaten ergibt folgende Übersicht für die Jahre 1852, 1853 und 1854  : 15,4 Prozent der Soldaten entstammen der Fabrikindustrie, 14,8 Prozent der Hausindustrie, 7,7 Prozent der Land- und Forstwirtschaft und 7,2 Prozent den Lokalhandwerken. Es dominieren Fabrik- und Hausindustrie deutlich vor den Handwerken. Vgl. Engel, Ernst (1856)  : Die physische Beschaffenheit der militärpflichtigen Bevölkerung im Königreich Sachsen. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 2. Jg., Hft. 7 vom 07.08.1856, S. 114–115. 36 Vgl. Weinlig (1860)  : Zur Statistik der Handwerke in Sachsen. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 6. Jg., Hft. 9 und 10, S. 112.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

bevölkerungszahl. Für Plauen verzeichnete das ›Statistische Bureau‹ im Fabrik- und Manufakturgewerbe 3.807 Selbstständige und 3.545 Angehörige. Nimmt man alle Gewerbe zusammen, ergibt sich für das Jahr 1861 ein Gesamtbild von 8.108 Selbstständigen und 8.058 Angehörigen.37 Somit entfiel nicht einmal auf jeden Selbstständigen ein Angehöriger, was schlussfolgern lässt, dass 1861 ausschließlich in kleinen Einheiten produziert wurde. Vermutlich handelte es sich dabei um Hausgewerbe. Geht man noch einmal zur Statistik aus dem Jahr 1856 zurück, fällt auf, dass das Verhältnis der Zahl der Meister zu der der Gesellen 1,17 betrug. Das Gewerbe ist nach Hubert Kiesewetter überbesetzt. Es herrschte ein Überangebot an Arbeitskräften, was Voraussetzung für die Verlagerung der Produktion vom Handwerk im Heim in die Fabriken war.38 Mit Fortgang der Industrialisierung änderte sich schließlich das Beschäftigungsverhältnis in der deutschen Wirtschaft. Waren vorher Handwerker, Gesellen, Lehrlinge und Gehilfen statistisch erfasst worden, wurde um 1890 der Begriff ›Arbeiter‹ verwendet. Die Erhebung aller Arbeiter in der Gewerbeinspektion Plauen für das Jahr 1890 ergab 36.492 Kräfte in 1.312 Anlagen.39 Bringt man nun die Summe der Arbeitskräfte mit der Zahl der Anlagen zusammen, lässt sich feststellen, dass die Stadt über keine Großunternehmen, wie sie in der Industrialisierung andernorts entstanden waren40, verfügte. Im Schnitt konnte eine Anlage in Plauen 27,8 Mitarbeiter fassen. Auszugehen ist somit von einer Vielzahl kleiner bis kleinster Betriebe41, die vermutlich weiterhin im Hausgewerbe produzierten. Dafür spricht auch die Reichsstatistik, die selbst 1933 Hausgewerbe und Heimarbeit als Hauptbeschäftigungsformen in der sächsischen Textilindustrie unter besonderer Berücksichtigung der Wirkerei und Stickerei sowie bei der Herstellung von Gardinen aufführte. Plauen und Sachsen stellten

37 Vgl. Weinlig (1863)  : Die Bevölkerung des Königreichs Sachsen nach ihrer Beschäftigung und ihrem Erwerbe. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 9. Jg., Hft. 5 und 6, S. 86–87. 38 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 386. 39 Vgl. Lommatzsch, Georg (1901)  : Die Ergebnisse der Arbeiterzählung im Königreiche Sachsen in den Jahren 1883–1900. In  : Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus, 47. Jg., Hft. 3 und 4, S. 120. 40 In der Industrialisierung erfolgte eine Vergrößerung der Unternehmen hin zur Massenproduktion. Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 362. 41 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (2019)  : KMU-Definition des IfM Bonn. https://www. ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-des-ifm-bonn/ 23.11.2019. Unterscheidung zwischen Kleinstunternehmen, Kleinen Unternehmen, Mittleren Unternehmen und Großunternehmen siehe auch Kocka, Jürgen  ; Siegrist, Hannes (1979)  : Die hundert größten deutschen Industrieunternehmen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Expansion, Diversifikation und Integration im internationalen Vergleich. In  : Horn, Norbert  ; Kocka, Jürgen (Hg.)  : Recht und Entwicklung der Großunternehmen im 19. und 20. Jahrhundert. Wirtschafts-, sozial- und rechtshistorische Untersuchungen zur Industrialisierung in Deutschland, Frankreich, England und den USA. Göttingen, S. 83.

49

50 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

damit eine Ausnahme dar, denn in den anderen Landesteilen war das Hausgewerbe deutlich zurückgegangen.42 Der Erste, der 1880 den neuartigen Stoff Spitze in Plauen produzierte, war Theodor Bickel. Zwar kann nicht mehr festgestellt werden, ob er als Erfinder der Tüllspitze gelten kann, aber er und seine Firma F. A. Mannen nutzten den Stoff zusammen mit anderen Textilfabrikanten erstmals kommerziell.43 Parallel zur Entstehung der Spitzen- und Textilfabrikation in Plauen drängte auch die Schweiz 1881 mit Luft- und Ätzspitze auf den Markt.44 Erich Glier geht davon aus, dass der Konkurrenzdruck durch die Schweizer Textilindustrie die Erweiterung der Produktpalette in Plauen ebenso wie die Suche nach neuen Produktionstechniken stimulierte. Mit der Entwicklung einer Technik, die es ermöglichte, Tüll frei ohne Unterlage zu besticken, hängte Plauen den Mitbewerber Schweiz auf dem internationalen Markt ab und erlangte die weltweite Führung bei der Herstellung von Spitze und der Gestaltung von Spitzenmustern.45 Der mit der kommerziellen Herstellung der Spitze 1880 einsetzende Boom führte zwischen 1890 und 1912 zu starkem Wachstum und zur Expansion der Textilindustrie. Manuel Schramm weist die Konjunktur für diese Jahre in seiner Studie anhand des Exportaufkommens Plauener Spitze in die USA nach. Bei den verwendeten Zahlen bezieht er sich auf Schätzungen von Rüdiger Flämig46, Willy Erhardt47 und Erich Glier48. Nachdem 1887 ein amerikanisches Konsulat in Plauen entstanden war, stiegen die Exportzahlen in die USA rasant an. Den Höchststand erreichten die Exporte 1912. Im Folgejahr halbierte sich der Wert schlagartig. Grund dafür war ein Wechsel in der Mode. Hinzu kamen anschließend der Beginn des Ersten Weltkrieges und damit verbundene Versorgungsengpässe. Die niedrigen Exportzahlen setzten sich nach dem Krieg fort, obwohl man in Plauen nun mit höherer Qualität produzierte. Einzig 1922 konnte die Textilindustrie ihr Hauptprodukt Spitze noch einmal in großer Zahl exportieren. Die Werte von 1912 wurden aber nicht mehr erreicht.49 Trotz mehrerer Versuche, mit neuen Mustern dem geänderten Modegeschmack zu folgen, war der 42 Vgl. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1935)  : Sachsen als Textil-Standort. Hoher Anteil der Gardinen- und Spitzen-Fabrikation. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 152, vom 03.07.1935. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 108, Blatt 1. 43 Vgl. Bein, Louis (1884)  : Die Industrie des sächsischen Voigtlandes, Bd. 2, Leipzig, S. 417. 44 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 52. 45 Vgl. Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 74. 46 Vgl. Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Leipzig, Bd. 3, Dok. 11 und 22. Im Folgenden zitiert als Flämig (1994)  : Kunst- und Fachschule für Textilindustrie. 47 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 110. 48 Vgl. Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 193–196. 49 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 212.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

Absatz nicht mehr anzukurbeln. Negativ wirkte zudem der Rohstoffmangel der unmittelbaren Nachkriegszeit.50 In den zwei Jahrzehnten relativer Stabilität vor 1912 verfügte Plauen über gute Verdienstmöglichkeiten, sodass Landflucht einsetzte. Existenzgründungen in Form kleiner Hauswebereien erfolgten51, indem sich die Weber aus dem Plauener Umland eigene Produktionsstätten in ihrem Heim einrichteten.52 Vorteile zogen daraus zum einen die ansässigen Webstuhlhersteller, die so ihren Absatz erhöhen konnten. Zum anderen waren die Hausweber auf Fabrikanten oder Verleger angewiesen, von denen sie Garn und Muster kauften und bei denen sie ihre gefertigten Produkte absetzten.53 Dies hatte zur Folge, dass die Hausweberei als Produktionsform üblich wurde.54 Zwischen 1890 und 1912 wechselten aufgrund der guten Verdienstmöglichkeiten außerdem viele Arbeitskräfte aus anderen Industriezweigen in die Stickerei- und Spitzenbranche. Sie bildeten unter anderem die Lohnweber bzw. Lohnsticker, die bei einem Unternehmer an mechanischen Webstühlen im Auftrag webten.55 Zur Festigung der Hausweberei trug auch die Mode bei. 1911/12 waren vor allem Wäschestickereien beliebt, die ausschließlich mit Handmaschinen hergestellt werden konnten. Dies gab kleinen Hausstickereien einen Vorteil gegenüber automatisierten Produktionen.56 Die Plauener Textilherstellung hatte damit eine Nische gefunden, die die Standortnachteile ausglich. Die Ansiedlung an der Weißen Elster war zwar kostengünstig und durch die Verfügbarkeit von Wasserkraft zuerst von Vorteil, doch hemmte die Lage die Mechanisierung und die Vergrößerung der Unternehmen hin zur Massenproduktion. Im Vogtland fehlte es am Einsatz von Dampfmaschinen, der Zufuhr von Rohbaumwolle, an Kapital sowie Möglichkeiten zum Absatz der Produkte.57 Plauen konnte lediglich wettbewerbsfähig bleiben, weil die Herstellung von handgefertigten Stoffen arbeitsintensiv war und die Hauswebereien billige Arbeitskräfte stellten, die nach Stück bezahlt wurden.58 Der Blick auf die Berufs- und Betriebszählung vom 12. Juni 1907 bestätigt den ersten Teil der gemachten Aussagen. Die Betrachtung ergibt, dass 23.172 von insgesamt 54.368 Erwerbstätigen hauptberuflich in der Textilindustrie beschäftigt waren. Zu den Hauptberuflichen kamen weitere 16.837 ›helfende Angehörige ohne Hauptberuf‹.

50 Vgl. ebd., S. 216–217. 51 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 9. 52 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 373. 53 Vgl. ebd. 54 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 9. 55 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 373. 56 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 42. 57 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 362–363. 58 Vgl. ebd., S. 376.

51

52 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Als berufszugehörig sind damit 40.009 von insgesamt 108.576 Erwerbstätigen in der Plauener Textilfertigung festzustellen. Dies entspricht einem Anteil von 37 Prozent. Die Textilindustrie war 1907 Hauptarbeitgeber in Plauen. Ihr folgten das Handelsgewerbe und das Bauwesen. Beide Zweige erreichten mit 8.112 Arbeitskräften gemeinsam jedoch nicht einmal die Hälfte der Personen, die die Textilindustrie beschäftigte. Es ist davon auszugehen, dass der florierende textile Sektor alle anderen Gewerbe in Plauen bedingte. Festzustellen bleibt, dass die Berufsgruppe der Metallverarbeitung nur einen marginalen Anteil an der Gesamtwirtschaft hatte. Auf sie entfielen lediglich 612 männliche und 38 weibliche Erwerbstätige im Hauptberuf. 1.309 Angehörige ohne Hauptberuf waren hinzuzuzählen, ebenso wie 22 Nebenberufliche.59 Im Vergleich zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich die Plauener Gewerbe ausdifferenziert. Zwar war der Anteil der Textilproduktion an der Gesamtwirtschaft gesunken, jedoch lässt sich eine Kontinuität in der Verteilung der Berufsgruppen im Vergleich zu 1856 feststellen.60 Den Eindruck bestätigt ebenfalls die Arbeiter- und Betriebszählung der Handelskammer Plauen vom 1. Mai 1911. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Textilindustrie kurz vor ihrer größten Ausdehnung. In 1.118 Betrieben waren 20.228 Personen beschäftigt. Auf den textilen Sektor entfielen 67 Prozent aller Beschäftigten. 1912 wuchs die Zahl der textil produzierenden Unternehmen noch auf 1.174 an. Gleiches gilt für die Anzahl der Beschäftigten, sie umfasste 21.654 Personen. Im Folgejahr ist dann ein erster Rückgang festzustellen. 1.170 Betriebe beschäftigten noch 20.055 Arbeitskräfte und damit 64 Prozent der Berufstätigen.61 In der Statistik folgt mit deutlichem Abstand die Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate. 1911 beschäftigten hier 44 Betriebe 3.584 Arbeitskräfte. Im Folgejahr waren es 45 Unternehmen mit 4.202 Angestellten. 1913 sank die Zahl der Arbeitnehmer auf 3.956 bei 43 Betrieben. Damit entfielen auf das mittlerweile zweitgrößte Gewerbe in Plauen rund 13 Prozent aller Arbeitnehmer. An dritter Stelle folgt das Baugewerbe, das nur knapp 6 Prozent aller Arbeitskräfte beschäftigte.62 Anhand der Statistik der Handelskammer Plauen wird deutlich, wie sich die Größe der Betriebe entwickelte. Während in der Textilindustrie im Durchschnitt 18 Arbeiter auf ein Unternehmen entfielen, war im Maschinenbau von deutlich größeren Einheiten auszugehen. Hier kamen auf eine Produktionsstätte im Schnitt 93 Arbeitskräfte.63 Die Durchschnittswerte wurden für das Jahr 1912 ermittelt, da hier beide Industrie59 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1912)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1908, 1909 und 1910, Plauen, S. 74. 60 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1912)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1908, 1909 und 1910, Plauen, S. 74–75. 61 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 53. 62 Vgl. ebd. 63 Vgl. ebd.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

zweige ihre größte Ausdehnung aufwiesen. Damit bestätigt sich auch die Annahme, dass die Textilindustrie vor allem von Klein- und Kleinstunternehmen geprägt war. Der Maschinenbau zog die Arbeitskräfte dagegen in die Fabriken. Hier konnte eine Arbeiterschaft entstehen. Erwähnt sei noch, dass es auch in der Textilindustrie zur Gründung von Fabriken kam. Sie beschäftigten beispielsweise Weber in der mechanischen Weberei.64 Diese hat es in Plauen sicherlich auch gegeben, sie sollen hier aber nicht weiter behandelt werden. Ein weiterer Faktor, der bei der vorangegangenen statistischen Untersuchung aufgefallen ist und diskutiert werden soll, ist der Umstand, dass die Textilindustrie deutlich mehr weibliche als männliche Arbeitskräfte beschäftigte. Beinahe doppelt so viel Frauen wie Männer waren in diesem Wirtschaftszweig tätig. 1907 standen 14.588 weibliche Personen 8.584 männlichen gegenüber. Damit waren 63  Prozent der Erwerbstätigen in der Textilindustrie weiblich. Zusammen mit dem Bekleidungsgewerbe und den ›häuslichen Diensten nebst Lohnarbeit wechselnder Art‹ bildete die Textilindustrie damit eine Ausnahme.65 In allen anderen Gewerben war die Zahl der Männer dominant. 1911 betrug das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Arbeitskräften im Maschinenbau 22  :1.66 Frauen erhielten traditionell geringere Löhne als Männer67, weshalb die Produktionskosten in der Textilindustrie als niedrig anzunehmen sind. Dies dürfte zur Konkurrenzfähigkeit der Plauener Textilien auf dem internationalen Markt beigetragen haben. Eine Ausnahme stellte die Textilindustrie auch bei der Beschäftigung von Kindern dar. Während in Wirtschaftszweigen, die im Zuge der Industrialisierung ihre Produktion aus den Handwerksstuben in die Fabriken verlegten, wenig bis keine Beteiligung von Kindern am Herstellungsprozess festzustellen ist, wiesen die Gewerbe, die vermutlich noch in Heimarbeit produzierten, einen Anteil an beschäftigten Kindern auf. Traditionell in Heimarbeit produzierende Gewerbe waren die Spielzeugindustrie – hier ausschließlich die Herstellung von Blech- und Holzspielzeug –, die Herstellung von hölzernen Haushaltswaren, die Korbflechterei, die Produktion von Puppenmöbeln sowie Zulieferungen für die Konfektionsindustrie. In Heimarbeit wurden beispielsweise Knöpfe, Bänder und Posamenten gefertigt.68 Deshalb verwundert es nicht, dass die Plauener Textilindustrie, die Papierindustrie, die Industrie der Nahrungs- und Genussmittel, das Reinigungsgewerbe, das Polygraphische Gewerbe, das Künstlerische Gewerbe und das Beherbergungs- und Erquickungsgewerbe eine Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren um 1  Prozent aufwiesen. Da das Bekleidungsgewerbe als 64 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 373. 65 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1912)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1908, 1909 und 1910, Plauen, S. 74–75. 66 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 53. 67 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 372. 68 Vgl. Finn (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz, S. 53.

53

54 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

typische Gewerbeform, die in Heimarbeit produzierte, 1913 sogar 3 Prozent Kinder unter seinen Beschäftigten feststellen lässt69, ist von einem direkten Zusammenhang zwischen Heimarbeitssystem und der Beschäftigung von Kindern auszugehen. Kinder wurden ähnlich wie Frauen deutlich niedriger entlohnt als Männer, was niedrige Produktionskosten in den genannten Gewerben vermuten lässt. Frauen- und Kinderarbeit war aber auch Zeichen der industriellen Revolution. Es kam während der Industrialisierung zu einer Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, sodass alle Familienmitglieder gezwungen waren, in ein Arbeitsverhältnis einzutreten und durch ihre Arbeitskraft bzw. den erwirtschafteten Lohn das Auskommen der Familie zu sichern.70 Gleichzeitig war die Mitarbeit aller Familienangehörigen gewachsener Usus in den Handwerksstuben. Mit Voranschreiten der Industrialisierung stieg das Pro-Kopf-Einkommen, sodass die finanzielle Absicherung der Familien durch weniger Anstellungen möglich war. Kinderarbeit wäre nun überflüssig gewesen.71 Dies lässt sich für Plauen in der Zeit seiner wirtschaftlich größten Ausdehnung jedoch nicht feststellen und spricht ebenfalls für eine rückschrittliche wirtschaftliche Entwicklung. Auffällig ist für Plauen, dass Kinder unter 14 Jahren 1912 sogar in der Metallverarbeitung Beschäftigung fanden. Unter 298 Arbeitern waren vier Kinder verzeichnet.72 Eine mögliche Erklärung ist, dass in der Phase, in der die Plauener Wirtschaft ihre höchste Aktivität verzeichnete, die Textilindustrie eine Vielzahl an Arbeitskräften band. Für das Jahr 1913 sind dann erste Krisenerscheinungen festzustellen. Die Zahl der Beschäftigten sank um 1.20073 und die Exporte fielen im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte74. Die Zahl der Betriebe war dagegen noch einmal leicht gestiegen.75 Bei sinkendem Absatz mussten sich die Unternehmen offensichtlich verschlanken, um ihre Produktionskosten zu senken. Die gestiegene Zahl an Betrieben lässt vermuten, dass die Zeitgenossen lediglich von einer kurzen Konjunkturflaute ausgingen. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges offenbarte sich die Krise, die sich 1912/13 anbahnte. Innerhalb eines Jahres verringerte sich die Anzahl der Unternehmen um rund 200.76 69 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 53. 70 Vgl. Dietz, Wolfgang  ; Schaaf, Michael  ; Sonnabend, Holger et al. (2003)  : Art. Soziale Frage. In  : Der Brockhaus  : Geschichte. Personen, Daten, Hintergründe, Mannheim, S. 823–824. Im Folgenden zitiert als Brockhaus (2003)  : Art. Soziale Frage. 71 Vgl. Brockhaus (2003)  : Art. Soziale Frage, S. 823–824. 72 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 53. 73 Vgl. ebd. 74 Vgl. Flämig (1994)  : Kunst- und Fachschule für Textilindustrie, Bd. 3, Dok. 22. 75 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 53. 76 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1928)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1914 bis 1923. Bd. 1, Plauen, S. 118.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

Für die Plauener wie die gesamte sächsische Textilindustrie muss für die Jahre 1850 bis 1914 festgestellt werden, dass sie eine lange Vorlaufzeit bis zur endgültigen Ausformung der Industrialisierung mit all ihren Folgen benötigten. Im Vergleich zu England griff der technische Fortschritt erst 50 Jahre später, nämlich Mitte des 19. Jahrhunderts.77 Die Textilindustrie erholte sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nicht, was zu einer lang anhaltenden Strukturkrise führte.78 Neben Rohstoffknappheit brachten Restriktionen und weitere Umstände der Nachkriegszeit Probleme für die Textilindustrie mit sich. Zum einen erhielten die meisten Betriebe keinen Ausgleich für ihre Stilllegung während des Krieges. Das Kapital fehlte, um ihre Produktion wieder anlaufen zu lassen. Zum anderen verbot der Versailler Vertrag die Begleichung der Schulden ausländischer Abnehmer bei deutschen Gläubigern.79 Hinzu kam, dass die internationale Konkurrenz gewachsen war. Einerseits überschwemmten Stickereien aus der Schweiz den deutschen Markt.80 Andererseits waren aus Importeuren Plauener Spitze nach dem Krieg selbst Produzenten geworden. Besonders die Staaten, die eigene Stickwaren durch Einfuhrrestriktionen gegenüber ausländischen Produkten schützten, verfügten über einen besseren Zugriff auf den Markt als die deutsche Textilindustrie. Letztlich waren es aber auch die Bedingungen vor Ort, die dazu führten, dass die Plauener Textilindustrie im internationalen Wettbewerb das Nachsehen hatte. Den Weg aus der Krise suchte die Spitzen- und Stickereiindustrie, indem sie auf die Erzeugung von Wäschestickereien sowie die Weiterverarbeitung von Spitzen und Stickereien zu Konfektionsware setzte81, jedoch handelte es sich dabei um kein gefragtes Exportgut mehr. Infolge der Strukturkrise des Textilgewerbes platzte nach dem Ersten Weltkrieg die Blase, die durch das Aufkommen der Hausweberei entstanden war. Viele Lohnstickmaschinenbesitzer verloren Aufträge und veräußerten ihre oft veralteten Geräte, um eine letzte Einnahmequelle zu nutzen. Doch der Gewinn aus den Verkäufen fiel in den 1920er Jahren der Inflation zum Opfer.82 Um die Tragweite der Situation zu illustrieren, verweist Glier auf eine Untersuchung der Industrie- und Handelskammer Plauen, die feststellte, dass bis 1929 60  Prozent des Maschinenbestandes abgebaut worden war.83 Mit den frei gewordenen Kapazitäten warb die Stadt um die Ansiedlung neuer Industrien. Zur Förderung des Aufbaus neuer Produktionsstätten schufen die Behörden günstigste Bedingungen, die allerdings nur von der Kabelfabrikation durch Siemens & Schuckert84, der Zündwarenherstellung und der Sauerstofferzeu77 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 373. 78 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 12. 79 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 13. 80 Vgl. ebd., S. 14–15. 81 Vgl. Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 236. 82 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 16. 83 Vgl. Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 200. 84 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 161.

55

56 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

gung wahrgenommen wurden.85 Die wenigen neuen Zweige änderten nichts an der monokulturellen Wirtschaftsstruktur der Stadt.86 Auch der mittlerweile zweite wirtschaftlich bedeutende Zweig neben der Textilindustrie, der Maschinenbau, der im Schatten der Spitzenproduktion herangewachsen war, war von der Krise der Textilindustrie betroffen. Zu den größten Arbeitgebern gehörte hier die Vogtländische Maschinenfabrik AG (VOMAG).87 Für die P ­ lauener Wirtschaft vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik nahm die VOMAG eine äußerst wichtige Rolle ein. Sie war der Motor der Konjunktur und versorgte die Tex­tilindustrie mit immer neuen Stickmaschinen.88 Als sich vor Beginn des Ersten Weltkrieges die Krise im Textilgewerbe andeutete, war es die Maschinenfabrik, die versuchte, mit modernisierten Verfahren zur Stoffherstellung und -bearbeitung eine Strukturkrise abzuwenden. Dies gelang nicht89, aber der Betrieb hatte mit veränderter Produktion auf die neuen Wirtschaftsverhältnisse reagiert. Die Aufträge, die durch die neu angelaufenen Kraftwagen-, Motoren- und Druckmaschinenproduktionen90 der VOMAG akquiriert wurden, konnten den Wegfall der Nachfrage aus der Textilbranche nicht kompensieren. Mit Einsetzen der Weltwirtschaftskrise 1929  – am 24. Oktober vollzog sich in New York der Börsencrash am ›Schwar­zen Donnerstag‹91 – kippte die Situation der Plauener Industrie, sodass auch die Zulieferer von der Krise betroffen waren.92 Neben den Problemen auf dem Finanzmarkt war vor allem der Rückzug englischer Kaufkraft für Plauen mit großen Verlusten verbunden. Großbritannien gehörte mittlerweile zu den Hauptabnehmern von Plauener Erzeugnissen. Mit der Währungskrise 1931 brachen auch die letzten stabilen Plauener Firmen ein.93 Die VOMAG meldete 1932 Konkurs an und setzte eine Unmenge an Erwerbslosen in ein durch die Arbeitslosigkeit der Lohnsticker geschwächtes soziales Umfeld frei.94 Um den Zusammenbruch des Unternehmens zu verhindern, wirkte die Stadtverwaltung beim Neuaufbau 1932 mit und sorgte für Kredite der Großbanken.95 85 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 20. 86 Vgl. Karlsch, Rainer  ; Schäfer, Michael (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens im Industriezeitalter, Leipzig, S. 195. Im Folgenden zitiert als Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens. 87 Vgl. Laser (1995)  : Plauen, S. 31–32. 88 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 19. 89 Vgl. ebd., S. 16. 90 Suhr, Christian (1997)  : Die Entwicklung der Vogtlandischen Maschinenfabrik AG Plauen zum Großunternehmen und ihre verschiedenen Produktionszweige. In  : Verein zur Förderung des Plauener Spitzenmuseums e.V. (Hg.)  : Mitteilungen des Vereins zur Förderung des Plauener Spitzenmuseums e.V. Jahresschrift fur das Jahr 1997, Plauen, S. 21. 91 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 173. 92 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 19. 93 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 181. 94 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 19. 95 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 69.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieses wirtschaftlichen Debakels sollen nachfolgend betrachtet werden. Wie die Wirtschaft brachte die Dominanz der Textilindustrie auch die Gesellschaft zwischen 1880 und 1933 in eine Strukturkrise. Die rein auf die Herstellung und Verarbeitung von Stoffen ausgerichteten Berufsgruppen bildeten eine homogene Gesellschaft, die die Erwerbslosen während der Strukturkrise des textilen Sektors nicht auffangen konnte. Daraus erwuchs ein sich radikalisierendes Stimmungsbild, das im Wahlergebnis zur Stadtverordnetenversammlung 1924 zum Ausdruck kam. Plauen unterstützte die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) ­bereitwillig.96 Die nationalsozialistische Partei, die sich zum ersten Mal zur Wahl stellte, konnte 16,7  Prozent der Wähler von sich überzeugen. Die stärkste Partei erhielt lediglich 27 Prozent aller Stimmen. Die demokratischen Parteien hatte die NSDAP, die damals wegen ihres Verbotes unter ›Völkisch-sozialer Block‹ firmierte97, schon abgehängt.98 Der große Erfolg des ›Völkisch-sozialen Blocks‹ 1924 in Plauen hing von folgenden Faktoren ab. Wie bereits gezeigt werden konnte, waren für Plauen vor allem Klein- und Kleinstbetriebe typisch. Diese Entwicklung hatte sich trotz der Stadtgröße von 126.411 Einwohnern99 1912 manifestiert. Die Stadt bildete demnach nicht die typischen Strukturen einer industrialisierten Großstadt aus. Eine Fabrikarbeiterschaft formierte sich nicht in dem Maße wie in anderen Großstädten.100 Stattdessen dominierten Lohnsticker und Hausweber das Bevölkerungsbild. Dies macht die Tatsache deutlich, dass die Handelskammer Plauen zusammen mit dem Vorstand des Fabrikantenvereins der sächsischen Stickerei- und Spitzenindustrie bei der Reichsregierung 1911 wegen der Abänderung der die »Krankenversicherung der Hausgewerbetreibenden regelnden  96 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 42–43.  97 Vgl. Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus, S. 7  98 SPD und KPD kamen auf 14,6 Prozent bzw. 13,7 Prozent. Vgl. die Ergebnisse der Stadtverordnetenwahl 1924 in Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 42.  99 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 35. 100 Die Großstadtbildung war Zeichen der Industrialisierung, ebenso wie die Entstehung des Proletariats. Vgl. dazu  : Brockhaus (2003)  : Art. Soziale Frage, S. 823–824. Plauen verfügte über deutlich kleinere Unternehmen als Chemnitz, weshalb davon auszugehen ist, dass die Industrialisierung die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen aus dem 19.  Jahrhundert nicht umfassend veränderte. In Chemnitz sind für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg große Fabrikanlagen prägend für das Stadtbild. Die Citybildung war 1913 weit vorangeschritten. Von 320.000 Einwohnern waren am 01.05.1914 rund 73.000 als ›Arbeiter‹ registriert. Zusammen mit ihren Familien stellten die Fabrikarbeiter über die Hälfte der Einwohner der Stadt Chemnitz. Vgl. Schaller, Karlheinz (2003)  : »Radikalisierung aus Verzweiflung«. Geschichte der Chemnitzer Arbeiterschaft vom Ersten Weltkrieg bis zur Inflation (1914 bis 1923), Bielefeld, S. 9.

57

58 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung«101 mündlich und schriftlich intervenierte. Mehrere Besprechungen mit Regierungsvertretern führten dazu, dass man sich der Probleme bei der Durchführung der Krankenversicherung für Lohnmaschinensticker annahm.102 Die Stadt Plauen ergriff mehrmals die Initiative, die Versicherung der Lohnsticker neu und besser zu regeln, was den Schluss zulässt, dass es sich bei dieser Bevölkerungsgruppe um eine mit großer Bedeutung in der Stadt handelte. Letztlich konnte die Handelskammer Plauen mit dem Fabrikantenverein der sächsischen Stickerei- und Spitzenindustrie eine Eingabe an den Bundesrat formulieren.103 Betrachtet man die Plauener Gesellschaftsstruktur zu Beginn des 20. Jahrhunderts, fallen kleinbürgerliche Gefüge auf. »Das Kleinbürgertum [lässt sich] als soziale Formation […] über seine Existenzkriterien als Handwerker und Ladenbesitzer, später auch als Angestelltenklasse [definieren.]«104 Es setzt sich demnach in seinem Kern aus kleinen Händlern oder Ladenbesitzern und Handwerksmeistern zusammen. Der dafür typische breit ausgebildete untere Mittelstand105, in Plauen in Form von Lohnstickern, Hauswebern und kleinen Kaufleuten, war prägend. Familie, Lokalismus und Eigentum sind die Leitkategorien der kleinbürgerlichen Kultur.106 Die dominierende Erfahrungswelt ist der Kleinbetrieb  ; hier besteht noch die Einheit zwischen Haushalt und Produktion.107 Merkmal des Kleinbürgerlichen ist demnach das in Plauen dominante Hausgewerbe. Um die Jahrhundertwende setzte sich die für 1856 festgestellte Vielzahl an Gewerbsgehilfen mit den zahlreichen helfenden Angehörigen fort. Sie verrichteten Hilfstätigkeiten und hatten keinen Hauptberuf. Ihre Arbeit könnte man als profan bezeichnen.108 Weiterhin fehlten dem produzierenden Gewerbe in der Textilindustrie durch die Ausbildung des Verlagswesens internationale Verbindungen. Weber und Sticker gaben den Vertrieb ihrer Waren ins Ausland an Verleger ab. Sie selbst bedienten sich nur lokaler Kontakte, die für Qualität standen. Damit erwuchs der Lokalismus als Gegengewicht zu den Maßstabsvergrößerungen des großen Kapitals. Man baute besonders im 19. Jahrhundert die örtlichen Märkte aus und setzte auf Ortsidentität.109 Außerdem traten die Sticker und Weber durch das Verlagswesen in ein vom Verleger dominiertes Abhängigkeitsverhältnis. Die Handwerker übernahmen »Rohstoff101 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 43. 102 Vgl. ebd. 103 Vgl. ebd. 104 Schilling, Heinz (2003)  : Kleinbürger. Mentalität und Lebensstil, Frankfurt a. M., S. 8. Im Folgenden zitiert als Schilling (2003)  : Kleinbürger. 105 Vgl. Beitrag zu Kleinbürger im Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/Kleinbuerger 27.07.2016. 106 Vgl. Schilling (2003)  : Kleinbürger, S. 27. 107 Vgl. ebd., S. 29. 108 Vgl. Abels, Heinz (2009)  : Einführung in die Soziologie. Band 2  : Die Individuen in ihrer Gesellschaft, Wiesbaden, S. 310. Im Folgenden zitiert als Abels (2009)  : Einführung in die Soziologie, Bd. 2. 109 Vgl. Schilling (2003)  : Kleinbürger, S. 32.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

beschaffung, Kapitalaufbringung, Verkaufs- und Absatzorganisation«110 nicht selbst. Es kam zu keiner Ausbildung von weltläufigen Denk- und Lebensweisen, wie sie für die Industrialisierung bzw. für Großstädte typisch waren. Das Lohnarbeitsverhältnis zwischen Handwerker und Verleger wurde auch nicht vom Fabrikbetrieb umrahmt.111 Insgesamt lässt sich im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert eine Wendung des Kleinbürgertums »vom liberalen Fortschrittslager zur staatlichen Ordnungsfront«112 feststellen, die eine Orientierung zur politischen Rechten nach sich zog. Die neue Orientierung versteht Heinz Schilling als »Reflex auf individuelle und kollektive Existenzerfahrungen.«113 Zeichen dafür war die politische Formierung von Handwerkern und Händlern in Deutschland Ende des 19.  Jahrhunderts mit der Forderung an den Staat, protektionistisch zu handeln.114 Diese These lässt vermuten, dass Plauen nach dem Ersten Weltkrieg eine starke Rechte ausbildete, weil seine Gesellschaft kleinbürgerlich geprägt war. Grundsätzlich gilt aber, dass ein stark ausgeprägtes Kleinbürgertum nicht zwangsläufig zur Unterstützung des Faschismus führen musste.115 Die Kohärenz zwischen kleinbürgerlichen Prinzipien und nationalsozialistischen Ideen soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Es ist lediglich festzustellen, dass das verbindende Moment zwischen Nationalsozialismus und Kleinbürgertum die Betonung der Heimat war.116 Das schnelle Erstarken der NSDAP am Ende der 1920er Jahre lässt sich neben der vermuteten Unterstützung der Partei aus dem bürgerlichen Mittelstand zudem mit der Weltwirtschaftskrise erklären. Ab 1930 wuchs die Hinwendung zur nationalsozialistischen Bewegung in Sachsen sprunghaft an. Die Wahlergebnisse lagen im Land weit über dem Reichsdurchschnitt und die NSDAP stieg damit nicht nur lokal in Plauen zur populärsten Partei auf, die quer durch die Gesellschaft Stimmen auf sich vereinen konnte.117 Zur Unterstützung der gemachten Aussagen ist ein genauerer Blick auf die Bevölkerungsstruktur Plauens zu werfen. Dezidierte Aussagen können anhand der Entwicklung der Einwohnerzahl zwischen 1850 und 1939 formuliert werden.

110 111 112 113 114 115 116 117

Kiesewetter (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens, S. 377. Vgl. Abels (2009)  : Einführung in die Soziologie, Bd. 2, S. 310. Schilling (2003)  : Kleinbürger, S. 29. Ebd., S. 29. Vgl. ebd., S. 36. Vgl. ebd., S. 37. Vgl. ebd., S. 39. Vgl. Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 197.

59

60 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Tabelle 1: Entwicklung der Einwohnerzahlen 1852 bis 1939 Jahr

Gebiet118

1852119

Stadt Plauen

1856

Einwohner 13.058

Plauen

13.812

1861121

Stadt Plauen

16.166

1871122

Plauen

23.355

1875123

Plauen

28.756

1880124

Stadt Plauen

35.078

1885125

Stadt Plauen

42.849

1890126

Stadt Plauen

47.007

1895127

Stadt Plauen

55.191

1896

128

Stadt Plauen

57.274

1897

129

Stadt Plauen

59.406

1898130

Stadt Plauen

60.680

1899131

Stadt Plauen

67.302

120

118 Die Angaben in den Periodika, auf welches Gebiet sich die Einwohnerzahlen beziehen, sind nicht eindeutig. Sie wurden in die statistische Übersicht aufgenommen, da sie vermutlich unterschiedliche Flächen bezeichnen. Die Darstellung der genauen Zusammensetzung der betrachteten Areale ist für den Überblick zur Entwicklung der Bevölkerungszahl jedoch nicht notwendig. 119 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1901)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1899 und 1900, Plauen, S. 17. 120 Engel, Ernst (1856)  : Die Zahl der Gebäude, Familien-Haushaltungen und Bewohner in den Städten und Landgemeinden der neuen Gerichts-Amtsbezirke des Königreichs Sachsen. Nach der Zählung vom 3. December 1855. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 2. Jg., Hft. 11 und 12, S. 196. 121 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1901)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1899 und 1900, Plauen, S. 17. 122 Böhmert, Victor (1876)  : Stadt und Land im Königreiche Sachsen 1834 bis 1875. In  : Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus, 12. Jg., 1876, Hft. 3 und 4, S. 300. 123 Ebd. 124 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1901)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1899 und 1900, Plauen, S. 17. 125 Statistisches Bureau des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern (1887)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1887, Dresden, S. 81. 126 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1901)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1899 und 1900, Plauen, S. 17. 127 Ebd. 128 Ebd. 129 Ebd. 130 Ebd., S. 18. 131 Ebd.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 | Jahr

Gebiet118

Einwohner

1900

132

Plauen

1900

133

108.327

Stadt Plauen (mit Vororten)

73.130

1901134

Stadt Plauen (mit Vororten)

76.493

1903

135

Stadt Plauen (mit Vororten Reusa, Kleinfriesen, Sorga, Tauschwitz)

95.937

1904136

Stadt Plauen (mit Vororten Reusa, Kleinfriesen, Sorga, Tauschwitz)

102.316

1905137

Kreisstadt Plauen

105.381

1906138

Stadt Plauen

1906

139

Kreisstadt

107.923

1907140

Kreisstadt

112.198

1908141

Stadt Plauen

112.021

1909142

Stadt Plauen

113.396

1910143

Stadt Plauen

121.272

1911144

Stadt Plauen

123.663

1912145

Stadt Plauen

126.411

1913146

Stadt Plauen

123.225

1916147

Stadt Plauen

121.272

94.933

132 Statistisches Bureau des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern (1901)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1901, Dresden, S. 1. 133 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1904)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1901 und 1902, Plauen, S. 35. 134 Ebd.. 135 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1906)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1903 und 1904, Plauen, S. 43. 136 Ebd. 137 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1909)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1905, 1906 und 1907, Plauen, S. 56. 138 Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1910)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1911, Dresden, S. 15. 139 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1909)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1905, 1906 und 1907, Plauen, S. 56. 140 Ebd. 141 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1912)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1908, 1909 und 1910, Plauen, S. 35. 142 Ebd. 143 Ebd. Für Oktober 1910 sind 119.521 Einwohner angegeben. Die oben angegebene Zahl stammt von Dezember 1910. Innerhalb von zwei Monaten wuchs die Stadt um fast 2.000 Personen. 144 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 35. 145 Ebd. 146 Ebd. 147 Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1917)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich

61

62 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Jahr 1919

Gebiet118

Einwohner

Stadt Plauen

104.918

149

Stadt Plauen

111.368

01.07.1926150

Stadt Plauen

112.016

01.07.1927

151

Stadt Plauen

112.751

01.07.1928152

Stadt Plauen

112.884

01.07.1929153

Stadt Plauen

112.980

01.07.1930154

Stadt Plauen

113.900

01.07.1931

155

Stadt Plauen

114.181

01.07.1932156

Stadt Plauen

114.666

01.07.1933157

Stadt Plauen

114.831

01.07.1934158

Stadt Plauen

113.471

01.07.1935

159

Stadt Plauen

112.640

01.07.1936160

Stadt Plauen

111.282

148

01.07.1925

Sachsen 1916/1917, Dresden, S. 9. 148 Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1923)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1921/1923, Dresden, S. 16. 149 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1925. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 3. 150 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1926. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 9. 151 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1927. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 18. 152 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1928. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 28. 153 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1929. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 38. 154 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1930. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 46. 155 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1931. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 54. 156 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1932. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 66. 157 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1933. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 74. 158 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1934. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 83. 159 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1935. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 92. 160 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1936. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 101.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 | Jahr

Gebiet118

Einwohner

01.07.1937

161

Stadt Plauen

01.07.1938

162

Stadt Plauen

110.376

Stadt Plauen

111.480

1939163

110.477

Als Weberstädtchen mit Tuchmacherei beheimatete Plauen 1850 nur 12.334 Personen.164 Tabelle 1 zeigt, dass die Bevölkerungszahl bis 1899 schnell anwuchs und um die Jahrhundertwende förmlich explodierte. Zwischen 1857 und 1900 verzehnfachten sich die Einwohner und erreichten laut dem ›Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen‹ 1912 ihren Höchststand mit 126.411. Die Gründe für das starke Bevölkerungswachstum und die Höhe der Zuzüge lagen in der wirtschaftlichen Entwicklung Plauens. Zum einen waren sie typisch für die Zeit der Industrialisierung, denn Landflucht führte zur Großstadtbildung.165 Zum anderen boomte die Textilindustrie bis 1912 und zog Arbeitskräfte aus dem Umland an.166 Durch den Ersten Weltkrieg sank die Bevölkerung auf unter 100.000, in der Weimarer Republik stellte sich wieder Vorkriegsniveau ein. Gerd Naumann spricht der Stadt vor dem Ersten Weltkrieg sogar die Position der »viertbedeutendsten Stadt in Sachsen«167 zu. Dies lässt sich anhand der Angaben im ›Statistischen Jahrbuch‹ nachweisen.168 Weiteres Zeichen für die Stellung Plauens in Sachsen aufgrund von Größe und Bevölkerungszuwachs war die Zuerkennung einer »exemten Stellung«169 wie Dresden, Leipzig und Chemnitz sowie die damit verbundene Ausgliederung aus dem amtshauptmannschaftlichen Bezirk Plauen 1905.170 Trotz wirtschaftlicher Probleme wuchs Plauen bis zum Ende der Weimarer Republik weiter. Das ›Statistische Jahrbuch‹ verzeichnete für das Jahr 1929 111.000 Einwohner.171 Zu einer 161 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1937. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 110. 162 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1938. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 119. 163 Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Mittlere Bevölkerungsziffer 1939. In  : StadtA Plauen, Best. PL 123, nicht foliiert. 164 Vgl. Falk, Rudolf (1941)  : Plauen, Kr. Plauen. In  : Keyser, Erich (Hg.)  : Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte, Bd. 2, S. 187. 165 Vgl. Dietz, Wolfgang  ; Schaaf, Michael  ; Sonnabend, Holger et al. (2003)  : Art. Industrielle Revolution. In  : Der Brockhaus  : Geschichte. Personen, Daten, Hintergründe, Mannheim, S. 390. 166 Vgl. Naumann (1995)  : Ursachen und Gründe, S. 9. 167 Ebd., S. 8–9. 168 Vgl. Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1917)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1916/1917, Dresden, S. 9. Plauen nach Dresden, Leipzig, Chemnitz viertgrößte Stadt in Sachsen. 169 Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1909)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1905, 1906 und 1907, Plauen, S. 209. 170 Vgl. ebd. 171 Vgl. Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1931)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1930, S. 13.

63

64 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Entspannung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der Nachkriegszeit dürfte diese Entwicklung schwerlich beigetragen haben. Mit Einsetzen der Konjunkturkrise am Vorabend des Ersten Weltkrieges war die wirtschaftliche Blütezeit Plauens beendet.172 Aus der Absatzflaute in der Textilbranche erwuchs durch Krieg und Nachkriegszeit eine lang anhaltende Strukturkrise.173 Zeichen dafür war die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in der Weimarer Republik. Tabelle 2: Arbeitslosenzahlen 1919 bis 1926174 Datum

Arbeitslosenzahl

1919

32.618

1920

31.275

1921

26.607

1922

18.977

1923

28.476

1924

28.077

1925

27.252

1926 (bis 31.10.1926)

36.116

Infolge der ausbleibenden Aufträge, aber auch infolge der Modernisierungsversuche nach Ende des Ersten Weltkrieges verloren viele Lohnsticker ihre Beschäftigung. Sie stellten den größten Teil der Arbeitslosen ab 1919. Hand- und Schiffchenwebstühle wurden durch effizientere Automatenstickmaschinen ersetzt. Dies hatte zur Folge, dass 1923 aus der Textilindustrie 13.500 Kräfte in Kurzarbeit gingen175 und 9.609 ihre Anstellung in Gänze verloren176. Das waren 33,7 Prozent aller Erwerbslosen des Jahres.177 In Plauen erhielten somit 55 Prozent der Bevölkerung – zu den Teilzeitkräften und Erwerbslosen kamen weitere finanziell schwache Gruppen wie Rentner – Hilfe von der öffentlichen Hand.178 Dies markiert den Beginn des »Stickerelend[s]«.179 Nach einer kurzen Entspannung in den Folgejahren wuchs die Bedürftigkeit 1926 noch einmal stark an, sodass 30 Prozent der Plauener Bevölkerung ihren Lebensunter172 Vgl. Flämig (1994)  : Kunst- und Fachschule für Textilindustrie, Bd. 3, Dok. 22. 173 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 212. 174 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 482. Die Angaben können Mehrfachzählungen enthalten. 175 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 16. 176 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 482. 177 Vgl. ebd. 178 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 16. 179 Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie., S. 212.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

halt nicht mehr selbst finanzieren konnten.180 Aus den Angaben des Zeitgenossen Horst Schuster181 errechnet sich eine Arbeitslosenquote von 23 Prozent. Die wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkrieges sowie die Inflation in der Weimarer Republik senkten den allgemeinen Lebensstandard weiter.182 Die öffentlichen Mittel reichten nicht aus, um die Grundversorgung zu sichern. Mit der Erwerbslosigkeit kam deshalb die Armut.183 Die Situation verschärfte, dass die Lohnsticker, die um die Jahrhundertwende nach Plauen gekommen waren, ein Alter erreicht hatten, in dem sie eine geminderte Arbeitsleistung aufwiesen.184 Deshalb unterschied sich die Situation derjenigen, die noch Aufträge zu bearbeiten hatten, wenig von der derjenigen, die bereits im kommunalen Versorgungsnetz aufgefangen wurden. Aufgrund von gesunkener Nachfrage wegen der zuvor genannten Faktoren nahmen Sticker und auch Angestellte aus an die Textilindustrie angrenzenden Sektoren hohe Lohneinbußen hin, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Glier spricht vom Untergraben der Tarifsätze bei den Angestellten. Die Gewerbetreibenden, so schätzt er, zogen nur marginalen Gewinn aus ihrer Arbeit. Glier vermutet, dass die Ausgaben die Einnahmen sogar überstiegen. Letzte Zuflucht war auch hier die Erwerbslosenversicherung oder die kommunale Armenfürsorge.185 Tabelle 3: Arbeitslosenzahlen 1930 bis 1933186 Datum

Arbeitslose

31.12.1930

18.495

31.01.1931

20.016

30.06.1931

16.821

31.12.1931

22.368

31.01.1932

24.706

30.06.1932

25.530

31.12.1932

27.394

31.01.1933

27.951

30.06.1933

24.120

180 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 17. 181 Vgl. Schuster, Horst (1937)  : Plauen als Standort der Spitzenindustrie, Plauen, S. 141. Im Folgenden zitiert als Schuster (1937)  : Plauen als Standort der Spitzenindustrie. 182 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 17. 183 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1928)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1914 bis 1923. Bd. 2, Plauen, S. 238. 184 Vgl. Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 17. 185 Vgl. Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 216–225. 186 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 65.

65

66 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Nach einem kurzen wirtschaftlichen Aufschwung in den Jahren 1928/29187 fielen die Auftragszahlen nach dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise erneut. Weniger Aufträge führten zu Personalabbau, sodass 18.495 Personen in einer Stadt mit rund 114.000 Einwohnern188 1930 ohne Anstellung waren. Die Arbeitslosigkeit stieg nach kurzer Besserung im zweiten Quartal 1931 weiter, bis sie 1933 eine Quote von knapp 46  Prozent189 erreichte. Analog zur steigenden Arbeitslosigkeit ist ein drastischer Rückgang der Zahl der Betriebe und ihrer Beschäftigten für die Zeit während des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik festzustellen. Wie anhand der Wahlergebnisse zu zeigen sein wird, war die hohe Arbeitslosigkeit 1932/33 ein weiterer Faktor, der den Aufstieg der NSDAP begünstigte. Tabelle 4: Zahl der Betriebe und Beschäftigten 1911 bis 1913190, 1914 bis 1923191, 1924 bis 1928192, 1929 und 1930193 sowie 1934194 Jahr

Betriebe

Beschäftigte

1911

2.277

30.101

187 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 173. 188 Vgl. Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1925. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 56. 189 Berechnung nach den Angaben von Schuster (1937)  : Plauen als Standort der Spitzenindustrie, S. 141. 190 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 53. 191 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1928)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1914 bis 1923. Bd. 1, Plauen, S. 118. 192 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 108–109. 193 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (o.J.)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1929 und 1930, Plauen, S. 31–32. Von der Gesamtzahl waren 1929 5.742 Männer und 10.511 Frauen in der Textilindustrie sowie 4.163 Heim- und Hausarbeiter beschäftigt. Auf den Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau entfielen 3.906 Männer und 156 Frauen. Von der Gesamtzahl waren 1930 5.270 Männer und 9.782 Frauen sowie 3.426 Heim- und Hausarbeiter in der Textilindustrie beschäftigt. Auf den Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau entfielen 2.970 Männer und 106 Frauen. 194 Vgl. Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen (Hg.)  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1934. In  : StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Fol. 88. Von den 9.806 Betrieben entfielen 5.623 mit 26.763 Beschäftigten auf Industrie und Handwerk, 4.165 mit 13.396 Beschäftigten auf Handel und Verkehr. 8.160 Erwerbspersonen waren selbstständig (einschl. Beamte und Angestellte in leitender Position), 2.237 mithelfende Familienangehörige, 3.248 Beamte, 12.013 Angestellte (darunter 3.581 erwerbslos). Es gab 33.444 Arbeiter einschließlich Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende (darunter erwerbslos 16.506), 2.137 Hausangestellte (darunter erwerbslos 394). In Land- und Forstwirtschaft waren 1.226 Personen beschäftigt (davon 356 erwerbslos), in Industrie und Handwerk 60.860 (davon 15.946 erwerbslos), in Handel und Verkehr 24.516 (davon 3.016 erwerbslos), im öffentlichen Dienst und privaten Dienstleistungen 11.522 (davon 748 erwerbslos). Häusliche Dienste verrichteten 2.307 (davon 421 erwerbslos).

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 | Jahr

Betriebe

Beschäftigte

1912

2.349

32.747

1913

2.385

31.515

1914

2.186

26.221

1915

1.348

13.625

1916

1.102

12.585

1917

955

15.503

1918

867

15.893

1919

1.162

14.912

1920

1.392

22.396

1921

1.198

19.503

1922

1.458

28.604

1923

1.437

27.032

1925

1.782

36.675

1926

1.766

29.523

1927

1.930

38.085

1928

2.080

36.862

1929

2.253

38.271

1930

2.280

34.175

1934

9.806

40.193

Die Entwicklung der Betriebszahlen, ausgehend von ihrem Höhepunkt 1911 bis 1913, wurde bereits diskutiert und ist für die Betrachtung des Betriebssterbens nur bedingt von Belang. Deutlich wird aus den Angaben in Tabelle 4 noch einmal, dass für Plauen im Jahr 1913 zwar eine höhere Zahl an Betrieben festzustellen ist, die Zahl der Arbeitskräfte allerdings bereits rückläufig war. 1912 kamen im Schnitt 14 Arbeitskräfte auf ein Unternehmen, 1913 noch 13. Beim Einsetzen des Ersten Weltkrieges beheimatete die Spitzenstadt 2.186 Betriebe, die 26.221 Personen beschäftigten. Auf einen Betrieb kamen durchschnittlich zwölf Arbeitskräfte. Die Unternehmen hatten sich bereits ausgedünnt. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges halbierten sich beide Angaben und die Zahl der Betriebe sank bis Kriegsende sogar unter die Tausendermarke. In der Weimarer Republik erholte sich die Wirtschaft bedingt. Der Stand von 1913/14 konnte nicht mehr erreicht werden, zumindest was die Anzahl der Betriebe betrifft. Festzustellen ist, dass in den 1920er Jahren zwar weniger Firmen in Plauen ansässig waren, sie aber deutlich mehr Arbeiter beschäftigten als noch um 1912. Nun kamen auf einen Betrieb im Schnitt 20 Beschäftigte. Vermutet werden kann, dass dies auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass wegen der gewachsenen Konkurrenz auf dem internationalen Markt größere Unternehmen bessere Überlebenschancen besaßen.

67

68 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Sie verfügten über die notwendigen finanziellen Mittel, sich neue, größere Maschinen anzuschaffen, um die Umstellung auf die maschinelle Produktion von Textilien durchführen zu können, während kleine Hauswebereien weder Platz noch Personal oder finanzielle Mittel für die Bewirtschaftung besaßen. Anscheinend hatte man den Wert industrieller Massenherstellung von Textilien erkannt, sodass die in Heimarbeit produzierenden Weber bereit waren, ihre traditionellen Produktionsmethoden aufzugeben.195 Dies könnte ein Grund für die hohe Zahl an Konkursverfahren sein, die in den 1920er Jahren festzustellen ist. Trotz der in Tabelle 4 abzulesenden insgesamt stabilen Zahl der Betriebe meldeten 90 Plauener Unternehmen 1926 Konkurs an.196 Vermutlich handelte es sich dabei um kleine und Kleinstbetriebe aus der Textilherstellung. Der Stand der Beschäftigten sinkt zwischen 1925 und 1926 um rund 7.000 Personen. Neben der finanziellen Belastung haben die Konkursverfahren einen weiteren negativen Effekt auf die Plauener Gesellschaft. Für die Bevölkerung bedeutete die Entwicklung ständige Angst um den Arbeitsplatz und Identitätsverlust.197 Ab 1929 veränderte sich die Situation. Wachstum zeichnete sich ab. Bereits ein Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten waren mehr als drei Mal so viele Firmen in der Stadt Plauen angesiedelt wie 1930, die fortan über 40.000 Personen beschäftigten. Dass auch das kulturelle und bildungspolitische Leben der Stadt stark vom Textilgewerbe geprägt war, soll beispielhaft an der Entwicklung der Kunstschule für Textilindustrie gezeigt werden. Plauener Spitze war auch hier identitätsstiftend. 1877 entstand die Kunstschule als Kunstgewerbliche Fachzeichenschule198, um Arbeitskräfte für das Textilgewerbe auszubilden.199 Gegründet und erbaut wurde die Kunstschule auf Initiative der Industrie und dann unter staatliche Aufsicht gestellt.200 In ihrem Lehrprogramm fanden sich Ausbildungsmöglichkeiten zum Musterzeichner, Sti195 Wolfgang Finn erläutert den Wechsel von Heimarbeit hin zur Produktion in Fabriken anhand der Zündholzherstellung. Vgl. Finn (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz, S. 53. 196 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 129. 197 Vgl. Kukowski  ; Boch (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union, S. 13. Einem Unternehmen weisen Kukowski und Boch eine identitätsstiftende Wirkung für eine Stadt oder Region zu, wenn es über längere Zeit wirtschaftliche Erfolge einfahren und einen hohen Grad an Bekanntheit erlangen kann. 198 Vgl. Grimm, Otto (1931)  : Vier Jahrzehnte Industrieschule in Plauen. Gedanken und Erinnerungen eines alten Mitarbeiters. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 238 vom 11.10.1931, S.  6. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 70, Blatt 2. 199 Vgl. Forkel, Albert (o.J.)  : Aufgaben der Kunstschule für Textilindustrie zu Plauen als Höhere Fachschule für textiles Kunstgewerbe und der Vogtländischen Stickerfachschule zu Plauen als einfache Fachschule. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 56, Blatt 1. 200 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 77–78.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

ckereimaschinentechniker, zur Fachkraft für Dekorationsmalerei und Bildhauerei201. Besonderen Wert legte die Schule auf die Ausbildung sowie die Beschäftigung von Frauen und Mädchen in der Textilindustrie.202 Der Öffentlichkeit zugänglich waren die kunstgewerbliche und textiltechnische Bibliothek mit Fachliteratur und das hauseigene Museum. Ziel des Museums war die Sammlung von Mustervorbildern, Volkskunst und gegenwärtig beliebten Textilien. Es sollte das weltweite Spektrum der Textilbranche widerspiegeln.203 Mit der Gründung von Außenstellen in wichtigen Zentren der Textilbranche im Vogtland machte sich die Kunstschule schließlich selbst zum Wirtschaftsfaktor. Um die Verbindung zwischen Theorie und Praxis halten zu können, betrieb jede Lehrkraft ein eigenes Atelier.204 In der Krise nach dem Ersten Weltkrieg rückte die Kunstschule unter Vorsitz von Prof. Albert Hempel näher an die Industrie, die ihrerseits die Kunstschule als Ideenpool nutze. Den Weg aus der Krise suchten die Verantwortlichen der Kunstschule mit der Entwicklung neuer, modebestimmender Muster, die in Zusammenarbeit mit den Fabrikanten entstanden und zu höherem Absatz führen sollten.205 Gemeinsam unternahm man den Versuch, eigene Formen und damit eine eigene Identität zu entwickeln.206 Eine der identitätsstiftenden Ideen, die ihre Anfänge um 1900 genommen hatte, war die ›Phantasiespitze‹, die eine Plauener Eigenart darstellte.207 Mit den Schlagwörtern »Natur, Phantasie, Technik«208 wollten Kunstschule und Textilindustrie weg vom Nachahmen historischer, oft auswärtiger Muster und hin zum deutschen Geist in der Plauener Spitze.209 201 Vgl. Forkel, Albert (1914)  : Verfassung, Schulgesetz und Hausordnung der Königl. Sächs. Kunstschule für Textilindustrie zu Plauen. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 57, Blatt 3. 202 Vgl. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1910)  : Die Frauenabteilung der Kgl. Kunstschule. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 296 vom 22.12.1910, S. 18. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 50, Blatt 2. 203 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 81. 204 Vgl. ebd., S. 82. 205 Vgl. ebd., S. 177. 206 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 216–217. 207 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 89. 208 Appelt, W. (1931)  : Einblick in die Arbeit der Kunstschule. In  : Plauener Sonntags-Anzeiger, Nr. 2698 vom 27.09.1931. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 66, Blatt 2. 209 Vgl. Grimm, Otto (1931)  : Kunst und Wissenschaft. Ausstellung von Arbeiten aus den Klassen und Werkstätten der Staatlichen Kunstschule für Textilindustrie. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 24.09.1931. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 66, Blatt 3. Vgl. außerdem Schütte, Marie (1920)  : Die Spitzenkünstlergruppe Plauen i. V. und die neue Maschinenspitze. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staat-

69

70 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Zudem hoffte man, mit innovativen, außergewöhnlichen Mustern verloren gegangene Märkte wiederzuerobern. Die ersten Reformvorschläge gingen von der 1914 gegründeten ›Vereinigung zur Hebung der Spitzenindustrie‹ aus. Ihr gehörten 30 Plauener Gewerbetreibende und Kunstschullehrer an, die nach dem Ersten Weltkrieg die ›Zellenspitze‹ entwickelten.210 1920 formierte sich die ›Spitzenkünstlergruppe Plauen‹ mit ähnlichen Absichten. Plauener Spitze sollte regionaltypische Muster enthalten und erneut zur weltweit bekannten Marke werden. Trotz aller Bemühungen blieb der dauerhafte Erfolg der Projekte aus.211 1933 erreichte schließlich auch der Nationalsozialismus die Kunstschule. Der amtierende Rektor, Karl Hanusch, wurde abgesetzt, weil er ›artfremden‹212 Einflüssen nachgegeben habe. Er hatte Zeichnungen und Gemälde von Künstlern erworben, deren Arbeiten vom Nationalsozialismus geächtet wurden.213 Die weitere Entwicklung der Kunstschule folgte den Vorstellungen der Nationalsozialisten. Bereits vor 1933 hatte man sich auf ein deutsches Aussehen der Werkstücke berufen.214 Diese Bestrebungen wurden ab 1933 noch verstärkt, als unter der Leitung von Magda Goebbels das ›Deutsche Modeamt‹ gegründet wurde, dem auch die Kunstschule in Plauen unterstand. Sein Hauptanliegen war es, Bekleidung einzudeutschen und zu arischem Kunsthandwerk zu machen.215 Die gesellschaftlichen Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklungen der Zeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Machtübernahme der Nationalsozialisten schildert Erich Glier anschaulich. Er gibt an, dass es im Zuge der hohen Arbeitslosigkeit und der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten bereits in den Jahren 1923/24 zu Unruhen kam. In der Nähe der Stadt Plauen seien die Felder von Hungernden geplündert worden.216 An anderer Stelle verweist Glier auf die »Hetzreden eines Hölz[, die in der Plauener Bevölkerung] auf fruchtbaren Boden [fielen.]«217 Hier liche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 3, Dokumentation 31, Blatt 1. 210 Vgl. Hempel, Albert (1919/1920)  : Die neue Plauener »Zellenspitze«. In  : Sächsische Industrie, Nr. 16, S. 63–64. 211 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 216–217. 212 Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1933)  : Die Kunstschule im Spiegel völkischer Kritik. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie PlauenVogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 100, S. 78–82. 213 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 217–218. 214 Vgl. Schütte, Marie (1920)  : Die Spitzenkünstlergruppe Plauen i. V. und die neue Maschinenspitze. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 3, Dokumentation 31, Blatt 1. 215 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 218. 216 Vgl. Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 212. 217 Ebd.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

nimmt er Bezug auf Max Hölz, einen Kommunisten aus Falkenstein. Als Mitglied der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und später der radikalen KAPD (Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands) wirkte Hölz zwischen 1918 und 1921 im Vogtland, wo er »das Besitzbürgertum [terrorisierte], […] die Fabrikanten mit Abgaben [belegte] und […] das Geld an die hungernde Bevölkerung [verteilte].«218 Das sagt die ›Neue Deutsche Biographie‹ zumindest über die Anfangszeit seines Wirkens. Während des Kapp-Putsches 1920 radikalisierte sich Hölz’ Engagement zunehmend. Nachdem er zum Zwecke der Umverteilung Banken überfallen ließ, wurde er festgenommen und wegen eines vermeintlich begangenen Mordes verurteilt. 1928 erfolgte seine Freilassung nach Wiederaufnahme des Verfahrens, nach der er ins Exil in die Sowjetunion floh.219 Wie angespannt die gesellschaftliche Situation in Plauen zwischen 1924 und 1928 war, beschreibt auch der Verwaltungsbericht der Stadt. Besonders die Industriearbeiterschaft, wie sie vor allem in der VOMAG existierte, setzte ihren Unmut öffentlichkeitswirksam in Szene. Angemerkt sei, dass sich die Industriearbeiterschaft und mit ihr die Arbeiterbewegung in Plauen allerdings bei Weitem nicht in den Ausmaßen wie in anderen sächsischen Städten entwickelte.220 Für 1924 verzeichnete die Stadt elf Streiks und zwei Aussperrungen, die 105 Betriebe betrafen. 1925 waren es noch acht Streiks und zwei Aussperrungen bei 48 Betrieben. Die Mittel des Arbeitskampfes nutzten 1.608 Streikende, 103 Arbeiter wurden daraufhin ausgesperrt. 1926 streikten 500 Metallarbeiter vier Tage am Stück. Im Folgejahr wurden zwei Betriebe bestreikt. Der Höhepunkt des Arbeitskampfes lag im Jahr 1928. Hier waren 3.000 Arbeitnehmer aus der Metallindustrie aktiv.221 Die Beschäftigten der VOMAG traten 1929 sogar in einen 40-tägigen Streik. Die Forderungen, denen die Arbeitnehmer mit den Streiks Nach-

218 Weber, Hermann (1972)  : »Max Hölz«. In  : Neue Deutsche Biographie, Bd. 9, 1972, S. 339 [Onlinefassung]  ; http://www.deutsche-biographie.de/ppn118552031.html 18.09.2015. 219 Vgl. ebd. 220 Vgl. Voigt, Karsten (2009)  : Kampfbünde der Arbeiterbewegung. Das Reichsbanner Schwarz-RotGold und der Rote Frontkämpferbund in Sachsen 1924–1933. Köln, Weimar, Wien, S. 102, 106, 447. Die Arbeiterbewegungen der Städte Zwickau und Plauen waren in der Zwischenkriegszeit eng miteinander verwoben. Zwickau war besonders von republikfeindlichen Kräften geprägt, während Plauen 1923 in den Nationalsozialisten eine beachtliche politische Kraft hatte. Aus diesen beiden Gründen gingen die SPD-Mitglieder der westsächsischen Städte zusammen und gründeten im Juni 1924 das regionale Reichsbanner als Abwehrformation gegen republikfeindliche Käfte. Entgegen der westsächsischen Entwicklung erfuhren das Reichsbanner und die SPD in Chemnitz starke Unterstützung. Die Wege von Plauen und Zwickau trennten sich 1930/31. Nach den Septemberwahlen erhielten das Zwickauer Reichsbanner und die SPD bis Februar 1931 neuen Zulauf. Zwar war dieser nicht so groß wie in anderen sächsischen Städten wie bspw. Chemnitz, doch Plauen war an dieser Entwicklung nicht beteiligt. 221 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 489.

71

72 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

druck verliehen, wurden von den Arbeitgebern allerdings nicht umgesetzt.222 Willy Erhardt fasst in seiner Abhandlung zu den 1920er Jahren die öffentliche Stimmung wie folgt zusammen. Er beschreibt Plauen als »den politischen Hexenkessel jener Zeit«223, der von Demonstrationen, Ausschreitungen und Plünderungen geprägt war.224 Wie umfangreich die Unruhen waren, verdeutlicht der Hinweis, dass »man [ihrer] sogar mit militärischem Einsatz Herr zu werden suchte[.]«225 Die Brisanz der gesellschaftlichen Umbrüche der 1920er Jahre verdeutlichen am besten die Wahlergebnisse. Mithilfe der Stimmenverteilung bei den Wahlen zwischen 1920 und 1933 kann eine frühe und umfassende Radikalisierung der Plauener Gesellschaft aufgezeigt werden. Im Detail betrachtet wurden die Stimmenanteile der Sozialdemokraten, der Kommunisten und der Nationalsozialisten. Als Repräsentant der politischen Mitte wurden die Wahlergebnisse der ›Sozialdemokratischen Partei Deutschlands‹ (SPD) untersucht. Die Partei trat in unveränderter Form im gesamten Untersuchungszeitraum auf. Als Vertreter des linken Flügels wurde die ›Kommunistische Partei Deutschlands‹ ausgewählt, weil sie ebenfalls als konstante Kraft zwischen 1920 und 1933 verzeichnet ist. Repräsentant des politisch rechten Lagers soll die ›Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei‹ sein. Gegründet wurde die Partei, deren Vorsitz 1921 Adolf Hitler übernahm226, 1919 als ›Deutsche Arbeiterpartei‹ (DAP). 1920 änderte sie ihren Namen in ›Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei‹ und wuchs in der Folgezeit am rechten Rand der deutschen Gesellschaft.227 DAP und NSDAP gehörten »in das breite Umfeld konservativ-deutschnationaler und paramilitärischer Organisationen, in das Geflecht völkischer Verlage, Zeitschriften, Gesellschaften und Zirkel, das die Herausbildung frühfaschistischer Gruppen und Parteien außerordentlich begünstigte«228. Drei Jahre nach ihrer Entstehung wurde die Gruppierung aufgrund ihrer Beteiligung am Münchner Putschversuch vom 9. November 1923 mit einem allgemeinen Verbot belegt. In der Folge trat die NSDAP als ›Völkisch-sozialer Block‹ auf. Die Bezeichnung führte sie bis 1924229, weshalb in die Untersuchung der Wahlergebnisse in Plauen die Stimmanteile des ›Völkisch-sozialen Blocks‹ aufgenommen wurden. Die Daten wurden aus den Angaben in den ›Verwaltungsberichten der Kreisstadt‹, dem ›Statistischen Jahrbuch für Sachsen‹ und der ›Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes‹ erhoben. Für den Fall, dass die Abstimmungsergebnisse nicht 222 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (o.J.)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1929 und 1930, Plauen, S. 25. 223 Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 160. 224 Vgl. ebd., S. 160–161. 225 Ebd., S. 161. 226 Vgl. Pätzold, Kurt  ; Weißbecker, Manfred (2002)  : Geschichte der NSDAP. 1920–1945, Köln, S. 61. Im Folgenden zitiert als Pätzold  ; Weißbecker (2002)  : Geschichte der NSDAP. 227 Vgl. ebd., S. 11–14. 228 Ebd., S. 14. 229 Vgl. Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus, S. 7.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

recherchierbar waren, wurde auf den nächstgrößeren Kreis, die Kreishauptmannschaft Zwickau, oder auf den Wahlkreis Chemnitz-Zwickau, zurückgegriffen. Auch für sie sind Radikalisierungstendenzen nachweisbar. Außerdem zeigt der Vergleich zwischen Plauen und anderen sächsischen Wahlkreisen, ob die frühe und starke Radikalisierung Plauens ein Einzelfall oder Zeichen der Zeit war. Tabelle 5: Wahlergebnisse 1920

Datum

Art der Wahl

Wahlkreis

Stimmen für Sozial­ demokraten in Prozent

Rechts außen230 in Prozent

Links außen (Kommunis­ tische Partei) in Prozent

6. Juni 1920231

Reichstag

Stadt Plauen

  8,7

k.A.

  3,7

14. November 1920232

Landtag

Stadt Plauen

14,2

k.A.

11,5

Festzustellen ist, dass sich die politischen Tendenzen in den Städten Chemnitz, Zwickau und Plauen ähnlich entwickelten. Dies hat seine Ursache darin, dass es sich um einen durchaus homogenen Wirtschaftsraum handelte. In der Region ChemnitzZwickau, und in Plauen in besonders hohem Maße, verfügte die Textilbranche über einen bedeutenden Anteil an der Gesamtindustrie.233 Chemnitz und Zwickau waren ebenfalls Zentren der Stoffherstellung und -verarbeitung. Außerdem waren die Städte durch eine einseitige Branchenstruktur geprägt.234 Deshalb hat auch sie die Krise in der Textilindustrie ähnlich schwer getroffen. Die Industrien in Chemnitz und Zwickau unterschieden sich jedoch dahingehend von der Plauens, dass sie erfolgreich 230 Aufgenommen wurden die Wahlergebnisse für die DAP als Vorgängerin der NSDAP. 231 Vgl. Zeichart, Emil (1921)  : Die Wahlen vom 19. Januar und 2. Februar 1919 und vom 6. Juni und 14. November 1920. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1920 und 1921, Jg. 66 und 67, S. 333–335 (Artikel S. 328–442). 232 Vgl. ebd. 233 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 481–482. Sachsen stand unter deutschen Ländern in Bezug auf die Textilindustrie an erster Stelle (von 100 Arbeitern waren 1924 in Sachsen 28,9 in der Textilindustrie beschäftigt  ; im Reich 12,7, in Württemberg 18,9), Plauen unter sächsischen Städten an erster Stelle bei der Textilindustrie im Jahr 1924 (431 Betriebe in der Textilindustrie ansässig mit 13.601 Arbeitskräften  ; im gesamten Reich 15.913 Betriebe mit 920.560 Arbeitern in der Textilindustrie  ; in Sachsen 5.898 Betriebe mit 284.494 Arbeitern und damit rund ein Drittel der gesamten deutschen Textilindustrie in Sachsen im Jahr 1924). 234 Vgl. ebd. Chemnitz beheimatete bei dreifacher Größe von Plauen 1924 401 Textilbetriebe und stand prozentual zur Einwohnerzahl hinter Plauen (112.816 Einwohner für 1924 zugrunde gelegt). Vgl. außerdem Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 195.

73

74 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Zweige des Maschinenbaus und der Schwerindustrie, wie die Eisenverhüttung, hatten ansiedeln können235, die die Krise im textilen Sektor abfederten. Alle Wahlergebnisse lagen in absoluten Zahlen vor. Um eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Wahlkreisen herstellen zu können, und der Übersichtlichkeit wegen, wurden die Stimmenanteile in Prozent berechnet und tabellarisch dargestellt (s. Tabelle 5). Will man nun die politische Stimmung in der Stadt Plauen nach Ende des Ersten Weltkrieges erörtern, empfiehlt sich die Betrachtung der Wahlergebnisse der Reichstagswahl vom 6. Juni 1920. Für die drei zu untersuchenden Parteien ist festzustellen, dass die Sozialdemokraten nur 8,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten, die KPD erreichte sogar nur 3,7 Prozent, während die Nationalsozialisten noch nicht verzeichnet waren. Die größte Unterstützung aus der Stadt erhielt die sozialistisch orientierte ›Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland‹ (USPD)236 mit 38,5 Prozent.237 Ähnliche Stimmenverteilungen wies auch die Landtagswahl im November des gleichen Jahres auf. Gewinner der Wahl in Plauen waren die ›Deutsche Volkspartei‹ (DVP) mit 23,3 Prozent und die ›Deutschnationale Volkspartei‹ (DNVP) mit 21,3 Prozent. SPD und KPD konnten die Ergebnisse vom Juni mit 14 bzw. 11 Prozent leicht verbessern. Hier lassen sich die Tendenzen des Plauener Wahlverhaltens erkennen. Über ein Drittel der abgegebenen Stimmen vereinigte die oppositionelle USPD auf sich238. Für viele Arbeiter »unter den hungernden, verbitterten, kriegsmüden Massen [war] die USPD zur Partei der Hoffnung geworden.«239 Sie war aus einer Abspaltung der SPD, oder auch Mehrheitssozialdemokratie (MSPD), wie sich die Partei nun nannte, entstanden. Diese Abspaltung entstand infolge einer tiefgreifenden Veränderung in der Sozialdemokratischen Partei. Die SPD hatte schon vor der Novemberrevolution 1918/19 ihre Position als Traditionspartei der Arbeiterbewegung verloren und einen neuen politischen Standpunkt eingenommen. Der daraus folgende Austritt des linken Flügels strukturierte die Partei so um, dass sie nun nicht mehr das gesamte linke Spektrum umfasste, sondern mehr in die politische Mitte rückte. 1918 waren die Sozialdemokraten trotz des Ausscheidens der USPD noch Teil der Reichs235 Vgl. Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 195 und Grosche, Günter (1965)  : Die Stadt Zwickau in Sachsen. Wirtschaftliche Entwicklung und städtisches Wachstum in Vergangenheit und Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Struktur und Standortdynamik der Industrie, Potsdam, S. 50–58. 236 Die SPD spaltete sich infolge von Uneinigkeiten bei der Gewährung des Kriegskredites für die Reichsregierung 1916/17. Am 06./07.04.1917 wurde in Gotha die USPD gegründet. Vgl. Potthoff, Heinrich (1991)  : Die Sozialdemokratie von den Anfängen bis 1945. In  : ders.; Miller, Susanne (Hg.)  : Kleine Geschichte der SPD. Darstellung und Dokumentation 1948–1990, Bonn, S.  76–77. Im Folgenden zitiert als Potthoff (1991)  : Die Sozialdemokratie von den Anfängen bis 1945. 237 Vgl. Zeichart, Emil (1921)  : Die Wahlen vom 19. Januar und 2. Februar 1919 und vom 6. Juni und 14. November 1920. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1920 und 1921, Jg. 66 und 67, S. 333–335. 238 Vgl. Potthoff (1991)  : Die Sozialdemokratie von den Anfängen bis 1945, S. 77–78. 239 Ebd., S. 78.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

regierung. Begründet werden kann der Wahlerfolg damit, dass die Arbeiterschaft ihre Partei trotz der neuen politischen Heimat weiterhin unterstützte.240 Bei der Wahl im November 1920 sprachen sich dann über 20 Prozent der Plauener Bevölkerung für nationale Bestrebungen der DNVP aus. Beim Blick auf das gesamtdeutsche Ergebnis überrascht die Stimmenverteilung in Plauen. Das Reich hatte unter dem Eindruck des Kapp-Putsches schon im Juni 1920 einen Ruck nach rechts erfahren. Stärkste Partei war jedoch die MSPD mit 21,6 Prozent. Die USPD erreichte lediglich 18 Prozent und die KPD nur 2 Prozent.241 In Plauen waren beide deutlich stärker aufgestellt.

Stimmen für die radikale Rechte (1924 Völkischsozialer Block242, danach NSDAP) in Prozent

Stimmen für die radikale Linke (KPD) in Prozent

Landtagswahl

32,3

k.A.

11,2

13. Januar 1924244

Stadt Plauen

Gemeindewahl

k.A.

k.A.

16,4

13. Januar 1924245

Stadt Plauen

Stadtverordnetenwahl

14,6

16,7

13,7

4. Mai 1924246

ChemnitzZwickau

Reichstagswahl

27,2

7,7

19,8

Art

Stadt Plauen

Wahlkreis

5. November 1922243

Wahljahr

Stimmen für die Sozial­ demokratische Partei in Prozent

Tabelle 6: Ergebnisse der Reichstags-, Landtags- und Kommunalwahlen von 1922 bis 1933

240 Vgl. ebd., S. 78–81. 241 Vgl. ebd., S. 111. 242 Sächsisches Statistisches Landesamt (1927)   : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1924/1926, Dresden, S. 457. 243 Vgl. Zeichart, Emil (1924)  : Das Volksbegehren auf Auflösung des Landtages im Juni 1922 und die Neuwahlen vom 5. November 1922 nebst einer Untersuchung über die Wirkung des Frauenwahlrechts. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1923, Jg. 69, S. 182 (Artikel S. 180–185). 244 Vgl. Zeichart, Emil (1926)  : Die Gemeindewahlen vom 13. Januar 1924. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1924 und 1925, Jg. 70 und 71, S. 38–39 (Artikel S. 33–48). Die Ergebnisse sind nur bedingt nach Parteien aufgeschlüsselt. Alle bürgerlichen Parteien wurden zusammengefasst. 245 Ergebnisse der Stadtverordnetenwahl 1924 vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S.  42. Stärkste Partei mit 27,3 Prozent ›Wirtschaftliche Vereinigung aller Berufe‹. 246 Wahlergebnisse der Reichstagswahlen 1924 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1927)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1924/1926, Dresden, S. 456–457.

75

Stimmen für die radikale Rechte (1924 Völkischsozialer Block242, danach NSDAP) in Prozent

Stimmen für die radikale Linke (KPD) in Prozent

7. Dezember 1924247

ChemnitzZwickau

Reichstagswahl

32,7

4,2

14,8

1924248

Kreishauptmannschaft Zwickau

Gemeindewahl

23,3

k.A.

19,1

1926249

Kreishauptmannschaft Zwickau

Gemeindewahlen

28,0

2,3

16,5

14. November 1926250

Stadt Plauen

Stadtverordnetenversammlung

19,7 (12 von 61 Sitzen)

7,5 (5 von 61 Sitzen)

19,7 (12 von 61 Sitzen)

31. Oktober 1926251

ChemnitzZwickau

Landtagswahlen

29,6

2,9

18,2

20. Mai 1928252

ChemnitzZwickau

Reichstagswahlen

33,5

4,4

16,2

20. Mai 1928253

Stadt Plauen

Reichstagswahlen

24,2

13,0

17,1

12. Mai 1929254

Amt Plauen

Landtagswahl

31,2

15,2

8,3

12. Mai 1929

Stadt Plauen

Landtagswahl

20,4

18,0

16,3

Wahljahr

Wahlkreis

Stimmen für die Sozial­ demokratische Partei in Prozent

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Art

76 | 

255

247 Wahlergebnisse der Reichstagswahlen 1924 vgl. ebd. 248 Wahlergebnisse der Gemeindewahlen 1924 vgl. ebd., S. 458. 249 Wahlergebnisse der Gemeindewahlen 1926 vgl. ebd., S. 459. 250 Ergebnisse der Stadtverordnetenwahl 1926 vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S.  44–46. Stärkste Partei ›Wirtschaftliche Vereinigung aller Berufe‹ mit 28,9 Prozent und 18 Sitzen. 251 Wahlergebnisse der Landtagswahl 1926 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1930)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1929, Dresden, S. 305. 252 Ergebnisse der Reichstagswahl 1928 vgl. ebd. 253 Ergebnisse nach Verwaltungsbezirken der Reichstagswahl 1928 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1928)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1927/1928, Dresden, S. 400–401. 254 Ergebnisse der Landtagswahl 1929 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1930)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1929, Dresden, S. 305. 255 Ergebnisse Landtagswahl in der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1930)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1929 und 1930, Plauen, S. 21.

Stimmen für die radikale Rechte (1924 Völkischsozialer Block242, danach NSDAP) in Prozent

Stimmen für die radikale Linke (KPD) in Prozent 14,8 (9 von 60 Sitzen)

Landtagswahl

19,2

35,6

16,9

ChemnitzZwickau

Reichstagswahl

28,3

23,8

18,5

14. September 1930259

Stadt Plauen

Reichstagswahl

18,4

33,4

23,6

31. Juli 1932260

ChemnitzZwickau

Reichstagswahl

22,4

47,0

19,6

6. November 1932261

ChemnitzZwickau

Reichstagswahlen

22,3

43,4

21,4

6. November 1932262

Stadt Plauen

Reichstagswahl

15,9

49,8

21,2

13. November 1932263

Stadt Plauen

Stadtverordnetenwahl

12,4

43,5

23,0

5. März 1933264

ChemnitzZwickau

Reichstagswahlen

21,3

50,0

19,0

5. März 1933265

Stadt Plauen

Reichstagswahl

15,3

56,3

18,7

Art

18,5 (12 von 60 Sitzen)

Wahlkreis

20,5 (13 von 60 Sitzen)

Wahljahr

Stimmen für die Sozial­ demokratische Partei in Prozent

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

17. November 1929256

Stadt Plauen

Stadtverordnetenversammlung

22. Juni 1930257

Stadt Plauen

14. September 1930258

256 Ergebnisse Stadtverordnetenwahl 1929 in der Stadt Plauen vgl. ebd., S. 5. 257 Ergebnisse Landtagswahl 1930 in der Stadt Plauen vgl. ebd., S. 22. 258 Ergebnisse der Reichstagswahlen 1930, 1932 und 1933 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1935)  : Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 1931/1934, Dresden, S. 430–431. 259 Ergebnisse Reichstagswahl 1930 in der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1930)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1929 und 1930, Plauen, S. 20. 260 Ergebnisse der Reichstagswahlen 1930, 1932 und 1933 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1935)  : Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 1931/1934, Dresden, S. 430–431. 261 Ebd. 262 Ergebnisse der Reichstagswahl 1932 aus der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 54. 263 Ergebnisse der Stadtverordnetenwahl 1932 vgl. ebd., S. 38. 264 Ergebnisse der Reichstagswahlen 1930, 1932 und 1933 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1935)  : Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 1931/1934, Dresden, S. 430–431. 265 Ergebnisse der Reichstagswahl 1933 aus der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen

77

78 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Während die KPD bei der Landtagswahl 1922 im Vergleich zu 1920 konstant bei 11 Prozent blieb, waren die Gewinner der Wahl in Plauen die Sozialdemokraten. Für sie sprachen sich 32,3 Prozent der Wähler aus.266 Diese Orientierung zur politischen Mitte fiel mit der kurzzeitigen wirtschaftlichen Erholung der Stadt Plauen zusammen. 1922 verzeichnete die Industrie ein Konjunkturhoch, weil das Hauptprodukt Spitze wieder in großer Menge abgesetzt werden konnte.267 Der gestiegene Absatz schuf jedoch nur eine kurzfristige Atempause. In der folgenden Wahlperiode traten die Nationalsozialisten erstmals an. Während sie bei der Gemeindewahl in Plauen im Januar 1924 noch nicht verzeichnet sind268, wurden bei der Stadtverordnetenwahl am gleichen Tag 10.110 Stimmen für den Völkisch-sozialen Block abgegeben. Damit erreichte der Block rund 300 Stimmen mehr als die Sozialdemokraten und 800 mehr als die KPD. Mit 16,7 Prozent kann die Wahl als Meilenstein der Geschichte der NSDAP in Plauen gelten. Der Völkisch-soziale Block avancierte bereits zur zweitstärksten Kraft in der Stadt. Vor ihm platzierte sich nur noch die ›Wirtschaftliche Vereinigung aller Berufe‹ mit 27,3 Prozent.269 Obwohl der Völkisch-soziale Block keine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung errang, erlangte der neue politische Akteur große Einflussmöglichkeiten, denn das Gremium bestand aus so vielen unterschiedlichen Gruppierungen, dass es nicht möglich war, beschlussfähige Koalitionen zu bilden.270 Vergleichend sei noch angeführt, dass die Nationalsozialisten bei der gleichen Wahl nur 7,7 Prozent der Stimmen im Kreis Chemnitz-Zwickau erreichen konnten.271 Vergleicht man die Ergebnisse der beiden Abstimmungen aus dem Jahr 1924 mit denen der anderen sächsischen Wahlkreise, wird deutlich, dass die Region Chemnitz-Zwickau zu den größten Unterstützern der neuen politischen Strömung gehörte. Zwar entschieden sich Anfang 1924 prozentual ein wenig mehr Menschen im Raum Leipzig für den Völkisch-sozialen Block272, Ende des Jahres stand die Gruppierung,

(1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S.  56. (Höchste Wahlbeteiligung in Plauen mit 74.302 gültigen Stimmen.) 266 Vgl. Zeichart, Emil (1924)  : Das Volksbegehren auf Auflösung des Landtages im Juni 1922 und die Neuwahlen vom 5. November 1922 nebst einer Untersuchung über die Wirkung des Frauenwahlrechts. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1923, Jg. 69, S. 182. 267 Vgl. Schramm (2001)  : Konsum, S. 212. 268 Vgl. Zeichart, Emil (1926)  : Die Gemeindewahlen vom 13. Januar 1924. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1924 und 1925, Jg. 70 und 71, S. 38–39. 269 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 42. 270 Vgl. ebd. 271 Vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1927)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1924/1926, Dresden, S. 456–457. 272 Vgl. ebd., S. 457.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

jetzt unter dem Namen ›National-sozialistische Freiheitspartei‹273, aber unter 2  Prozent in Leipzig, Bautzen und Dresden, während sie in Chemnitz-Zwickau über das Doppelte erreichte.274 Noch deutlicher trat die Tendenz bei der Sitzverteilung in den Gemeinderäten der Kreishauptmannschaft Zwickau 1926 hervor, zu der auch Plauen gehörte.275 In den Gemeinderäten besetzten die Nationalsozialisten 33 Sitze, während es in den Gemeinden Bautzens und Leipzigs gerade einmal ein Sitz, in Dresden und Chemnitz nur acht Sitze waren.276 Stärkste Kraft war die Sozialdemokratische Partei. 1924 erreichte sie 27,2 und 32,7 Prozent im Wahlkreis Chemnitz-Zwickau.277 1926 vereinigte sie in den Gemeinden der Kreishauptmannschaft Zwickau 28 Prozent der Stimmen auf sich.278 Dass zur gleichen Zeit neben nationalistischen Strömungen auch politische Gruppierungen links außen erstarkten, zeigen die Wahlergebnisse der Kommunistischen Partei. Bei den Reichstagswahlen im Mai 1924 erreichte sie 19,8, im Dezember des gleichen Jahres 14,8 Prozent im Wahlkreis Zwickau-Chemnitz.279 1924 besetzte sie in den Gemeinden der Kreishauptmannschaft Zwickau 388 Sitze, 1926 noch 306.280 In Bautzen, Dresden und Leipzig vereinigte die KPD nur knapp die Hälfte der Stimmen auf sich.281 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im Wahlkreis Zwickau und insbesondere in Plauen die NSDAP im Schatten der bisher dominanten Parteien erstarkte. Nach einer kurzen politischen Entspannung 1926 trat die politische Wende in Plauen besonders deutlich hervor. Das Bild der Stimmenverteilung im Wahlkreis Chemnitz-Zwickau blieb auch bei der Landtagswahl 1926 konstant. Führende Kraft waren die Sozialdemokraten mit 29,6  Prozent. Die KPD erzielte 18,2  Prozent, während die Nationalsozialisten auf 2,9 Prozent zurückfielen. Trotzdem war der Wahlkreis damit stärkster Unterstützer der NSDAP in Sachsen.282 Einen Einbruch erlebten die Nationalsozialisten auch bei der Wahl zur Plauener Stadtverordnetenversammlung im November 1926. Im Gegensatz zu 1924 entschieden sich nur noch 7,5 Prozent für die NSDAP. SPD und KPD legten zu. Beide erzielten 19,7  Prozent und besetzten damit jeweils zwölf der 61 Sitze in 273 Ebd. 274 Vgl. ebd. 275 Vgl. Gewerbeaufsicht des Reichsarbeitsministeriums (1922)  : Jahresbericht der sächsischen GewerbeAufsichtsbeamten für 1921 nebst Jahresbericht des Bergamtes und der Berginspektionen, Dresden, S. 325. 276 Vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1927)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1924/1926, Dresden, S. 459. 277 Vgl. ebd., S. 456–457. 278 Vgl. ebd., S. 459. 279 Vgl. ebd., S. 456–457. 280 Vgl. ebd., S. 458–459. 281 Vgl. ebd. 282 Vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1930)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1929, Dresden, S, 305.

79

80 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

der Stadtverordnetenversammlung.283 Trotzdem blieben Wahlkreis und Stadt größte Unterstützer der NSDAP in Sachsen, wie die Ergebnisse der Reichstagswahl 1928 verdeutlichen. 24,2  Prozent der Plauener wählten sozialdemokratisch, 17,1  Prozent die KPD und 13 Prozent die NSDAP, die somit zu den gefestigten Parteien aufschloss. Dies stellte den höchsten Stimmenanteil für die Nationalsozialisten in ganz Sachsen dar.284 Im Wahlkreis Chemnitz-Zwickau erhielten die Nationalsozialisten bei der gleichen Wahl 4,4 Prozent der Stimmen und waren damit ebenfalls stärker repräsentiert als in den anderen sächsischen Wahlkreisen.285 Erstaunlich ist, dass KPD und NSDAP in Plauen mehr Stimmen auf sich vereinten als die politische Mitte, was auf ein explosives politisches Klima in der Stadt schließen lässt. Ab 1929 musste die KPD ihre Position als starke Kraft aufgeben. Die Wahlergebnisse der NSDAP hängten die der KPD ab. Bereits bei der Landtagswahl im Mai 1926 zeichnete sich diese Entwicklung ab. Die Nationalsozialisten erhielten 18 Prozent, die KPD nur 16,3 Prozent der abgegebenen Stimmen.286 Dies bestätigte sich auch bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Ende 1929. Die NSDAP stellte das Ergebnis der Landtagswahl ein, während die KPD auf 14,8 Prozent abrutschte.287 Die Landtagswahl im Juni 1930 festigte den politischen Einfluss der Nationalsozialisten. Über ein Drittel (35,6 Prozent) der abgegebenen Stimmen vereinten sie auf sich. Die SPD fiel unter 20 Prozent, die KPD erreichte 16,9 Prozent.288 Dass Plauen damit durchaus eine Vorreiterrolle zuzusprechen ist, machen die Ergebnisse der Reichstagswahl 1930 deutlich. Die Stadt verzeichnete 33,4 Prozent der Stimmen für die NSDAP. KPD und SPD standen bei 23,6 und 18,4 Prozent.289 Im Kreis Chemnitz-Zwickau erhielt die NSDAP lediglich 23,8 Prozent der Stimmen.290 Dieser Trend setzte sich 1932 und 1933 fort. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 unterstützten 49,8 Prozent der Wähler in Plauen die NSDAP. Die SPD sank weiter auf 15,9 Prozent, die KPD erreichte 21  Prozent.291 Dieser außerordentliche Erfolg der NSDAP ging mit dem 283 Vgl. Ergebnisse der Stadtverordnetenwahl 1926 vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 44–46. 284 Vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1928)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1927/1928, Dresden, S. 400–401. 285 Vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1930)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1929, Dresden, S, 305. 286 Vgl. Ergebnisse Landtagswahl in der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1930)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1929 und 1930, Plauen, S. 21. 287 Vgl. Ergebnisse Stadtverordnetenwahl 1929 in der Stadt Plauen vgl. ebd., S. 5. 288 Vgl. Ergebnisse Landtagswahl 1930 in der Stadt Plauen vgl. ebd., S. 22. 289 Vgl. Ergebnisse Reichstagswahl 1930 in der Stadt Plauen vgl. ebd., S. 20. 290 Vgl. Ergebnisse der Reichstagswahlen 1930, 1932 und 1933 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1935)  : Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 1931/1934, Dresden, S. 430–431. 291 Vgl. Ergebnisse der Reichstagswahl 1932 aus der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 54.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

Konkurs der VOMAG und einem exponentiellen Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Plauen einher.292 Dabei hatte das Unternehmen als besonders anpassungsfähig gegolten  ; es überlebte die Weltwirtschaftskrise, die sich noch bis ins Jahr 1936 fortsetzte, jedoch nicht.293 Bei der Reichstagswahl 1933 erreichte die NSDAP gar 56,3 Prozent der Stimmen in der Stadt Plauen. Interessanterweise wuchs der Zuspruch zur Kommunistischen Partei ebenfalls stetig, aber in geringerem Maße, während die Sozialdemokraten zugunsten der NSDAP verloren.294 Für die Wahlen der Jahre 1930 bis 1933 lässt sich feststellen, dass sich der Kreis Chemnitz-Zwickau mit Abstand als größter Unterstützer der NSDAP in Sachsen hervortat.295 Die Stadt Plauen lag bei den Wahlergebnissen der NSDAP stets über dem Prozentsatz des Wahlkreises. Die Nationalsozialisten waren ab 1924 fester Bestandteil der Stadtverordnetenversammlung und stellten 1932 mit 43,5 Prozent die stärkste Kraft.296 Zusammenfassend kann für die Untersuchung der Wahlergebnisse zwischen 1920 und 1933 festgestellt werden, dass es in der Stadt Plauen bis 1929 eine stärkere Tendenz nach links als nach rechts gab. Diese Erscheinung geht mit der Aussage Gliers einher, dass »[die] Hetzreden eines Hölz […] auf fruchtbaren Boden [fielen]. Das Stickereielend in der Plauener […] Gegend nährte den Brand, den er entfachte«.297 Schon Erich Glier sah den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik und führte die Radikalisierung hin zur KPD auf die Probleme in der Textilindustrie zurück. Ab 1929 stieg die Unterstützung der Nationalsozialisten sprunghaft an. Die Wahlergebnisse überholten die der anderen Parteien bis hin zur relativen Mehrheit 1933. Seit der ersten Wahlteilnahme der Nationalsozialisten entfielen die numerisch höchsten Stimmenanteile innerhalb Sachsens auf die Stadt Plauen bzw. den Wahlkreis Chemnitz-Zwickau. Einerseits erhielten Kommunisten wie Max Hölz in Plauen und dem Vogtland Zuspruch, andererseits schien sich die Stadt schon früh zur Stütze des NS-Systems zu entwickeln. Dafür spricht, dass die NSDAP viele ihrer politisch wie gesellschaftlich engagierten Untergruppen in Plauen kurz nach der Parteigründung formierte. Die Ortsgruppe entstand am 31. Mai 1922, die örtliche Sturmabteilung (SA) fand sich im November des gleichen Jahres zusammen und Anfang 1923 bildete 292 Naumann (1995)  : Hürden und Grenzen, S. 18–19. 293 Vgl. Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 193. 294 Vgl. Ergebnisse der Reichstagswahl 1933 aus der Stadt Plauen vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 56. Übersicht siehe Tabelle 6. 295 Vgl. Ergebnisse der Reichstagswahlen 1930, 1932 und 1933 vgl. Sächsisches Statistisches Landesamt (1935)  : Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 1931/1934, Dresden, S. 430–431. 296 Vgl. Ergebnisse der Stadtverordnetenwahl 1932 vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 38. 297 Glier (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie, S. 221.

81

82 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

sich die Frauengruppe der Partei.298 Auch die Jugend sollte in das System des Nationalsozialismus integriert werden, weshalb sich 1923 eine Vorform der ›Hitlerjugend‹ (HJ) in Plauen gründete. Der sogenannte ›Jungsturm‹ bezeichnete sich in der Verbotszeit der NSDAP als ›Wandersportverein Vogtland‹, benannte sich dann in ›Großdeutsche Jugendbewegung‹ um und erhielt auf dem Parteitag in Weimar 1926 seinen endgültigen Namen ›Hitlerjugend‹. Die Stadt Plauen verstand sich deshalb selbst als Geburtsstätte der HJ.299 Ergänzend ist anzuführen, dass die Gründung der Plauener NSDAP-Ortsgruppe 1922 nicht die erste war. Schon im Jahr 1920 formten sich erste Ortsgruppen außerhalb Münchens als ›Keimzelle‹ der nationalsozialistischen Organisation. Die Gründung der Plauener Ortsgruppe entsprach der Bestrebung, über die bayerischen Landesgrenzen hinaus zu expandieren.300 Die größte Stadt im Vogtland brachte in der Folge einen beträchtlichen Teil an NS-Prominenz hervor, die die sächsische Politik bestimmte. Zuvörderst sei Martin Mutschmann genannt, der als Spitzenfabrikant der Firma Mutschmann & Eisentraut 1933 zum Gauleiter Sachsens aufstieg.301 Mit ihm an der Spitze war Plauen 1924 und 1933 Sitz der NSDAP-Gauleitung.302 Mutschmann hatte außerdem seinen Vertrauten, den Plauener Spitzen- und Wäschefabrikanten Georg Lenk, in die Position des Wirtschaftsministers gebracht.303 Auch HJ-Reichsführer Kurt Gruber war gebürtiger Plauener, ebenso wie der älteste SA-Brigadeführer Arthur Heß.304 Kurt Gruber wurde neben seiner Funktion in der Jugendorganisation bei der Wahl zur Neubildung des Sächsischen Landtags am 5. März 1933 in den Landtag berufen.305 Dass das Wetteifern der Nationalsozialisten und der Kommunisten in der Plauener Bevölkerung zu intensiven Spannungen führte, macht ein Beitrag aus dem ›Vogtländischen Anzeiger und Tageblatt‹ deutlich. Der nicht benannte Autor schildert die Vorgänge bei der Gründungsversammlung der NSDAP-Ortsgruppe am 21. Mai 1922. Er bemüht sich um Neutralität, Sympathien für die nationalsozialistische Gruppierung lassen sich jedoch erkennen. So weist bereits die Wahl der Überschrift »Widerliche Auftritte anläßlich einer Gründungsversammlung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei«306 auf einen wenig objetiven Beitrag hin. Der Autor verurteilt 298 Vgl. Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus, S. 7. 299 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 89. 300 Vgl. Pätzold  ; Weißbecker (2002)  : Geschichte der NSDAP, S. 54–57. 301 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 185. 302 Vgl. Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus, S. 7. 303 Vgl. Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 198. 304 Vgl. Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus, S. 7. 305 Vgl. Verwaltung der Stadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 58. 306 Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1922)  : Widerliche Auftritte anläßlich einer Gründungsversammlung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 122 vom 27.05.1922.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

die »ungebetene[n] Gäste – und zwar Arbeiter aus einer hießigen [sic  !] Maschinenfabrik […]«307  – für ihr Verhalten gegenüber den Nationalsozialisten. Bei der Schilderung der Vorgänge wird die Position des Autors schließlich deutlich, wenn er zum Beispiel schreibt, dass es zum einen »bedauerlicherweise […] zu Auftritten [kam], die keineswegs geeignet sind, die vorhandenen Gegensätze auszugleichen.«308 Zum anderen stellt er heraus, dass die Anwesenheit nicht durch Postkarte eingeladener Gäste unangebracht war.309 Seinen Artikel schließt der Redakteur mit der Feststellung, dass die Rede des Nationalsozialisten aus Zwickau immer wieder durch Zwischenrufe und Beleidigungen gestört wurde, bis sich die Emotionen in einem Handgemenge entluden. So »stürzten sich die politischen Gegner auf den Redner, schlugen unbarmherzig auf ihn ein, und rissen ihm die Kleider vom Leibe. Wer dem Angegriffenen zu Hilfe eilen wollte, wurde ebenfalls mißhandelt.«310 Der Beitrag aus dem ›Vogtländischen Anzeiger und Tageblatt‹ verdeutlicht die Stimmungslage in Plauen. In der Bevölkerung trafen kommunistische Kräfte aus der Arbeiterschaft offen auf nationalsozialistische, was zu gewalttätigen Konfrontationen führte. Die gewachsene kämpferische Militanz in den nach dem Ersten Weltkrieg ausgetragenen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen war aber nicht nur ein lokales, sondern ein reichsweites Phänomen. Klassische humanistische Werte aus der bürgerlichen Gesellschaft waren abhandengekommen.311 Dass Plauener Periodika das nationalsozialistische Treiben aber auch mit Argwohn betrachteten, zeigt ein Beitrag zum gleichen Vorfall aus der sozialdemokratischen ›Volkszeitung für das Vogtland‹. Hier macht der nicht benannte Autor seinen Standpunkt ebenfalls und weitaus drastischer im Titel deutlich, indem er von »Knüppel-Kunze holt sich eine Abreibung in Plauen«312 berichtet. Bevor er zur kurzen Schilderung der Vorgänge kommt, diskutiert der Verfasser den Habitus der Nationalsozialisten und dessen Wirkung. Antisemitismus und Ariertum verurteilt er und zeichnet das Bild einer fehlgeleiteten Gruppierung, die Idealen entgegenstrebt, denen der Autor nicht folgen kann. Nach dem Abriss über die Lebens- und Denkweise der Nationalsozialisten und der Schilderung der Vorgänge am 21. Mai 1922 kommt der Autor zu dem Schluss, dass die »derartig gemeine Handlungsweise des Redners […] ihresgleichen sucht […]«313. Der junge Nationalsozialist habe seinen »ganzen Stoff wohl ausschließlich aus dem ›Hammer‹ und dem ›Völkischen Beobachter‹, den 307 Ebd. 308 Ebd. 309 Vgl. ebd. 310 Ebd. 311 Vgl. Pätzold  ; Weißbecker (2002)  : Geschichte der NSDAP, S. 18. 312 Volkszeitung für das Vogtland (1922)  : Knüppel-Kunze holt sich eine Abreibung in Plauen. In  : Volkszeitung für das Vogtland vom 22.05.1922. Abgedruckt in  : Naumann, Gerd (1995)  : Krise und politische Radikalisierung. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 27. 313 Ebd.

83

84 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

schlimmsten deutschen Antisemitenschwarten, zusammengeholt.«314 Zwar bemühten sich die ›Volkszeitung‹ und ihr Redakteur im diskutierten Beitrag keineswegs um eine neutrale Berichterstattung und verwendeten eine sehr drastische Sprache, doch hatten sie bereits 1922 die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus erkannt und versuchten auf diese Weise, darauf aufmerksam zu machen. Während die sozialdemokratische ›Volkszeitung‹ die Gefährlichkeit der National­ sozialisten bereits seit 1922 anprangerte – Verfasser des offensiv gegen rechts argumen­ tierenden Artikels könnte der Schriftleiter der ›Volkszeitung‹, Eugen Fritsch, sein315 –, entstand ein vergleichbares NS-Periodikum erst 1925. Alfons Hitzler publizierte bis 1927 in den ›Völkischen Nachrichten‹. Seinem Vorbild folgten weitere Wochenzeitungen.316 Wie stark sich die politische Stimmung im Plauen der 1930er Jahre aufgeheizt hatte, soll abschließend anhand von zwei Beispielen für Gewalteskalation mit Todesfolge gezeigt werden. Im Zuge der Wirtschaftskrise hatten sich in Plauen paramilitärische Formationen verschiedenster politischer Couleur gebildet. Es lassen sich drei Lager feststellen. Zum einen stellte sich die NSDAP gegen das System der Weimarer Republik und richtete sich gleichzeitig gegen ihre politischen Gegner, die unter dem Begriff ›Marxisten‹ zusammengefasst wurden. Zum anderen hatte sich die deutsche Arbeiterbewegung tief gespalten. Die KPD kämpfte für ein Deutschland stalinistischer Prägung, während sich die SPD als Verteidigerin der Weimarer Republik verstand. Die Sozialdemokraten hatten die KPD und die NSDAP als gleich große Gefahren für das System erkannt.317 1930 wurden im Strudel der Gewalt die beiden KPD-Mitglieder Martin Groh und Kurt Hummel von dem SS-Mann Georg Spengler erschossen. Dies war kein Zufall, denn die NSDAP hatte mit ihren halbmilitärischen Unterorganisationen für eine gewaltbereite Stimmung gesorgt.318 Am 10. Juli trafen neuerlich Gruppierungen beider Seiten bei Thiergarten, in der Nähe von Plauen, zufällig aufeinander. Im Gemenge wurde Willy Thoß von Kugeln der SS getroffen und tödlich verwundet. Dieser Fall ist besonders interessant, da die Beerdigung von Willy Thoß erster und einziger Anlass zur Zusammenarbeit zwischen SPD, KPD und den Gewerkschaften war.319

314 Ebd. 315 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Plauen 1933–1945. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 47. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Plauen 1933–1945. 316 Vgl. Naumann (1995)  : Krise und politische Radikalisierung, S. 33. 317 Vgl. Naumann, Gerd (2008)  : Die näheren Umstände des Todes der Plauener Arbeiter Kurt Hummel und Martin Groh im Jahre 1930. In  : Verein für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde (Hg.)  : Mitteilungen des Vereins für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde, Jg. 14, Plauen, S. 42. 318 Vgl. ebd., S. 43. 319 Vgl. Naumann (1995)  : Krise und politische Radikalisierung, S. 37–38.

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbrüche vor 1933 |

Abschließend sei noch kurz auf die Entwicklung der Gewerkschaften in Plauen eingegangen. Für die Jahre 1912 und 1913 waren in Plauen 32 Verbände verzeichnet, die in einer Gewerkschaft organisiert waren und zum Gewerkschaftskartell zählten.320 Seinen höchsten Stand erreichte das Gewerkschaftskartell mit 14.179 Mitgliedern im Jahre 1912. Fester Sitz der Gewerkschaften war das sogenannte ›Gewerkschaftshaus Schillergarten‹.321 Hier befand sich unter anderem die Vertretung der Lohnsticker sowie der Verband Sächsisch-Thüringischer Stickmaschinen e.V.322 Während Erstere im Zuge der ab 1933 vollzogenen Gleichschaltung von der ›Deutschen Arbeitsfront‹ (DAF) übernommen wurde, wurde der Verein aufgelöst.323 Ebenso erging es den anderen im ›Schillergarten‹ beheimateten Vereinigungen. Unmittelbar nach der Bestätigungswahl am 5. März 1933 besetzten Gruppierungen der SA, der SS und des ›Freiwilligen Arbeitsdienstes‹ das Gewerkschaftshaus. Es kam zu Festnahmen aus den Reihen der Gewerkschafter324 und gleichzeitig zur Enthebung führender Beamter der Stadtverwaltung. Widerstand wurde nur vereinzelt geleistet. Als Zeichen der Treue hatte man Adolf Hitler bereits am 1. März 1933 die Ehrenbürgerwürde verliehen.325 Plauen fügte sich damit problemlos in das nationalsozialistische System ein. Auf gesamtdeutschem Gebiet gingen die freien Gewerkschaften nach ihrer Auflösung am 10. Mai 1933 in der als Ersatzorganisation fungierenden DAF auf.326 Da320 Vgl. Gewerkschaftskartell Plauen (1913)  : Die Gewerkschaftsbewegung in Plauen im Vogtland im Jahre 1912. Jahresberichte des Gewerkschaftskartells, des Arbeitersekretariats, des Bildungsausschusses, des Jugendausschusses, des Wirtschaftsausschusses für das Gewerkschaftshaus, der Bürgerrechtskommission und Berichte der Gewerkschaften, Plauen, Einlageblatt. 321 Vgl. ebd., S. 1. 322 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 193. 323 Vgl. ebd. 324 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 7. 325 Vgl. Naumann (1995)  : Hochburg des Nationalsozialismus, S. 8. 326 Vgl. Neumann, Franz (1977)  : Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus, Köln, Frankfurt a. M., erste Neuausgabe, S. 479. Im Folgenden zitiert als Neumann (1977)  : Behemoth. Da das staatstheoretische Werk schon 1942 entstanden ist und in einer zweiten Auflage 1944 erweitert wurde, ist es notwendig, zu begründen, warum Neumann in der vorliegenden Arbeit mit dem Herausgabedatum 1977 herangezogen wird. Franz Neumanns ›Behemoth‹ ist die erste Gesamtdarstellung HitlerDeutschlands, die ein deutscher, von den Nationalsozialisten verfolgter und emigrierter Flüchtling in den USA verfasste. Sie diente den amerikanischen Behörden zeitweise als Handbuch für die Kriegsführung gegen die Achsenmächte. Vgl. dazu erweiterte Neuausgabe, 2018, S. IX–XV. Die verwendete 1977 entstandene erste Neuausgabe ist die Übersetzung des Hauptwerks ins Deutsche und enthält ein Nachwort mit Erläuterung des Inhalts. Gert Schäfer macht darin deutlich, dass Neumann der Erste war, der eine umfassende, wenn nicht sogar die umfassendste Analyse des Nationalsozialismus vornahm. Die in ›Behemoth‹ diskutierten Grundfragen der Faschismusinterpretation und die von Neumann beobachteten gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen werden in nachfolgenden staatstheoretischen Studien zum Nationalsozialismus immer wieder aufgegriffen. Seine Brisanz erhält ›Behemoth‹, da Neumann als Zeitgenosse und in der Entscheidungsphase des Krieges den Versuch unternimmt, mit

85

86 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

bei handelte es sich um eine »Zwangsgemeinschaft der Unternehmer und abhängig Beschäftigten«327. Als Element des nationalsozialistischen Staates, das Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg genommen hat, sei ihre Entwicklung kurz skizziert. Die Nationalsozialisten beabsichtigten mithilfe der DAF, den deutschen Arbeiter in den neuen Staat zu integrieren und so den Konkurrenzverbänden Aufgabe und Legitimation zu entziehen. Die finanziellen Mittel waren den Gewerkschaften bei ihrer Auflösung abgenommen und am 12. Mai 1933 der DAF zur Verfügung gestellt worden.328 Verrechtlicht wurde die DAF 1934 mit dem ›Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit‹329 und noch im gleichen Jahr der NSDAP angeschlossen. Den Vorsitz übernahm der Reichsleiter der Partei, Robert Ley. Die DAF war wie die NSDAP nach dem ›Führerprinzip‹ durchstrukturiert und verfügte über annähernd 25 Millionen Mitglieder.330 2.2 Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich Wie in Kapitel 2.1 gezeigt wurde, war Plauen in der Weimarer Republik widerstreitenden politischen Strömungen ausgesetzt. Die wirtschaftliche Krise hatte zu tiefgreifenden und andauernden Veränderungen in der Gesellschaft geführt. Arbeits- und Perspektivlosigkeit erhöhten die Unterstützung von radikalen Gruppierungen. Als Sieger ging in Plauen wie im Reich die NSDAP hervor. Adolf Hitler wurde infolge der Reichstagswahl am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.331 Mit dem Aufstieg zur zweitstärksten Fraktion in der Plauener Stadtverordnetenversammlung nach der Wahl am 13. Januar 1933 hatte die NSDAP auch die Dominanz im aus der Versammlung gebildeten Präsidium sowie die Präsidentschaft erlangt.332 Geschuldet war diese Tatsache den Mehrheitsverhältnissen unter den Stadtverordneten. In dieser Situation unternahm der Stadtverordnetenvorsteher der NSDAP, Hans Glauning, den erfolgreichen Versuch, mit einer selbstbewussten Rede den übrigen Parteien seine Politik zu oktroyieren. Wie der Verwaltungsbericht der Stadt belegt, sollten alle Beschlüsse »[…] von der neuen politischen Weltanschauung, von der seelischen Grundhaltung des Charakters, wie sie

327 328 329 330 331 332

seinem Werk die Voraussetzungen für den Aufbau eines demokratischen und sozialistischen Deutschlands nach dem Ende des Weltkrieges zu klären. Vgl. dazu Nachwort von Gert Schäfer, S. 665–668. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 11. Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 479. Vgl. Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit. Vom 20. Januar 1934. In  : RGBl. I, Nr. 7, 23.01.1934, S. 45–56. Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 479–480. Vgl. Pätzold  ; Weißbecker (2002)  : Geschichte der NSDAP, S. 248. Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 38–39.

Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich |

der Nationalsozialismus […] verlangt[,]«333 getragen sein. In der Folge war die Plauener Verwaltung vollkommen lahmgelegt. Eingebrachte Anträge konnten aufgrund des Mehrheitsprinzips weder beschlossen noch abgelehnt werden. Die Lähmung der Verwaltung und die Bekämpfung der politischen Gegner trieben die Nationalsozialisten am 1. März 1933 weiter voran. Auf der durch Vorsteher Glauning einberufenen außerordentlichen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung sorgte die NSDAP wegen »beunruhigender Nachrichten«334 dafür, dass die Abgeordneten der KPD von der Polizei auf Waffen durchsucht wurden. Außerdem verwies der Präsident den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Eugen Fritsch, sowie den der KPD, Richard Mildenstrey, des Saals. Auch ein Mitglied des Stadtrates aus den Reihen der KPD musste sich der Polizeigewalt beugen und wurde in Gewahrsam genommen.335 Damit hatte Glauning die Machtverhältnisse in Rat und Versammlung so weit korrigiert, dass Anträgen der NSDAP stattgegeben und die Funktionsweise der demokratisch gewählten Stadtverordnetenversammlung außer Kraft gesetzt wurde.336 Bestätigt wurde die NSDAP als stärkste politische Kraft bei der Wahl am 5. März. Hier erreichten die Nationalsozialisten mit 56,3 Prozent der abgegebenen Stimmen die absolute Mehrheit.337 Die NSDAP nutzte das neue Machtverhältnis, um ihr unangenehme Verwaltungsmitarbeiter aus ihren öffentlichen Ämtern zu entfernen. Auf Gegenwehr stießen die Nationalsozialisten dabei kaum, beeindruckten sie doch durch die Stärke der aufgelaufenen SA und SS sowie der Truppen des ›Freiwilligen Arbeitsdienstes‹. Diese besetzten das Rathaus und die Räume der ›Volkszeitung‹.338 Zu den Betroffenen zählten unter anderem Kanzleivorstand der Hauptverwaltung Arno Hanoldt, Polizeidirektor Goehle und Oberbürgermeister Dr. Schlotte. Sie wurden am 8. März 1933 ihrer Ämter enthoben.339 Die diskutierten Einzelfälle sollen stellvertretend für alle an diesem Tag abgesetzten sozialdemokratischen, kommunistischen oder anderweitig politisch orientierten Beamten der Stadt Plauen stehen. Die gesetzliche Legitimation für das Vorgehen schufen die Nationalsozialisten zuvörderst durch den Beschluss der Gleichschaltung am 31. März 1933340. Auf dieser Grundlage wurden die Stadtverordnetenversammlung und der Stadtrat anhand der Stimmenverteilung der Reichstagswahl, aber ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der letzten Kommunalwahl, neu gebildet. Die KPD wurde von Beginn an ausgeschlos-

333 Ebd., S. 3. 334 Ebd. 335 Ebd. 336 Vgl. ebd., S. 3–4. 337 Vgl. ebd., S. 56 (41.819 der 74.302 Stimmen an die NSDAP). 338 Vgl. ebd., S. 7. 339 Vgl. ebd., S. 6. 340 Vgl. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933. In  : RGBl. I, Nr. 29, 02.04.1933, S. 153–154.

87

88 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

sen.341 Somit besetzte die NSDAP fortan acht von 13 Sitzen im Stadtrat342 und 32 der 45 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung343. Weitere Beamte und Angestellte wurden auf Grundlage des am 7. April 1933 erlassenen ›Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‹344 ihrer Positionen enthoben. Dieses Gesetz erlaubte es, zum einen Beamte zu entlassen, wenn sie nichtarischer Abstammung waren, zum anderen Personen zu entlassen, die »[…] ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung […]«345 waren. Nach einer Aufstellung von Naumann verloren auf Grundlage dieses Gesetzes 19 Beamte, 14 Angestellte und 111 Arbeiter der Stadtverwaltung Plauen ihre Anstellung, die umgehend durch nationalsozialistisches Personal ersetzt wurden.346 Prominentestes Beispiel ist der Posten des Oberbürgermeisters der Stadt. Dr. Max Schlotte wurde im Zuge der ersten Absetzungen direkt nach der Bestätigungswahl von Nationalsozialisten gezwungen, sein Amt niederzulegen. Kommissarisch wurde Baurat Eugen Wörner eingesetzt, der am 24. März 1933 auf Antrag der NSDAP von Rat und Stadtverordnetenversammlung als Oberbürgermeister bestätigt wurde.347 Weitere Konkurrenz beseitigte die Verordnung des Sächsischen Innenministeriums vom 23. Juni 1933. Sie verbot den in der Stadtverordnetenversammlung tätigen Mitgliedern der SPD die Ausübung ihres durch Wahl verliehenen Mandates und die Parteimitgliedschaft.348 Alle weiteren Abgeordneten, die nicht der NSDAP angehörten, verließen ihre Sitze in der Stadtversammlung daraufhin unter dem Anschein der Freiwilligkeit.349 Damit war in Plauen im Juni 1933 ein Ziel der Gleichschaltung, das Einparteisystem350, bereits erreicht.351 Von den Maßnahmen zur Gleichschaltung war nicht nur das Rathaus, sondern auch der bildungskulturelle Bereich betroffen. So besetzten die Nationalsozialisten auch die Leitung der Kunstschule für Textilindustrie neu und tauschten Lehrkräfte aus. 341 Vgl. ebd. 342 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 34. 343 Vgl. ebd., S. 40. 344 Vgl. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vom 7. April 1933. In  : RGBl. I, Nr. 34, 07.04.1933, S. 175–177. 345 Vgl. ebd., S. 175. 346 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 50 sowie Naumann (1995)  : Plauen 1933–1945, S. 48. 347 Vgl. ebd., S. 27–28. 348 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 35. 349 Vgl. Naumann (1995)  : Plauen 1933–1945, S. 47. 350 Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 83. 351 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen, S. 35.

Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich |

Direktor Karl Hanusch musste zusammen mit drei Lehrenden seine Aufgaben niederlegen.352 Das Ministerium gab als Grund für die »Entfernung aus dem Amte«353 das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums an.354 Die Entlassungen innerhalb der Stadtverwaltung und der Kunstschule seien beispielhaft für die Umgestaltung der öffentlichen Einrichtungen im Zuge der ›Machtergreifung‹ angeführt. Unter ›Machtergreifung‹ ist die Übernahme der Staatsgewalt durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 zu verstehen.355 Ihr folgte auf dem Weg zur vollständigen Abschaffung der Demokratie der ›Erlaß des Reichskanzlers zum Vollzug des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches vom 1. August 1934‹.356 Durch ihn wurden die Ämter Reichspräsident und Reichskanzler zusammengelegt, mit dem Ziel, das ›Führerprinzip‹ durchzusetzen.357 An der Spitze des Deutschen Reichs stand fortan der autoritäre ›Führer‹ Adolf Hitler, der »das verbindende Glied zwischen Staat, Partei und Volk«358 bildete. Jede Organisation im Staat und der Staat selbst waren von oben nach unten aufgebaut. Die besondere Betonung der Führung sollte den Unterschied zwischen dem nationalsozialistischen Regime und einer absolutistischen Herrschaft unterstreichen.359 Einzig die Legislative verblieb bei Reichstag, Reichsvolk durch Volksentscheid und Reichsregierung. Da die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers vereint waren, ging auf Hitler die Möglichkeit über, Notverordnungen zu erlassen. Die sogenannten ›Führererlasse‹ fußten auf diesem Recht und waren das geeignete Mittel der Rechtssetzung für den Führer, seinem Willen Ausdruck zu verleihen. Mit Kriegsbeginn nahm die Zahl solcher Erlasse zu, was eine Diskrepanz zwischen der realen Herrschaftsausübung und dem geltenden Staatsrecht entstehen ließ.360 Das Instrument wurde zum zentralen Bestandteil des Staatswesens, das die Nationalsozialisten auf permanenter Ausnahmegesetzgebung errichtet hatten.361 352 Vgl. Schreiben des Wirtschaftsministeriums an das Finanzministerium vom 13. Juni 1933, Betreff W 8  : 2 300. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 80, Blatt 1. 353 Ebd. 354 Vgl. ebd. 355 Vgl. Moll, Martin (1997)  : »Führer-Erlasse« 1939–1945. Edition sämtlicher überlieferter, nicht im Reichgesetzblatt abgedruckter, von Hitler während des Zweiten Weltkrieges erteilter Direktiven aus den Bereichen Staat, Partei, Wirtschaft, Besatzungspolitik und Militärverwaltung, Stuttgart, S. 10. Im Folgenden zitiert als Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«. 356 Vgl. Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs. Vom 1. August 1934. In  : RGBl. I, Nr. 89, 02.08.1934, S. 747 und Erlaß des Reichskanzlers zum Vollzug des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1. August 1934. Vom 2. August 1934. In  : RGBL. I, Nr. 91, 02.08.1934, S. 751. 357 Vgl. Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, S. 17. 358 Neumann (1977)  : Behemoth, S. 114. 359 Vgl. ebd. 360 Vgl. Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, S. 18. 361 Vgl. Hubert, Peter (1992)  : Uniformierter Reichstag. Die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933–1945, Düsseldorf, S. 61.

89

90 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

Nicht nur im Inneren veränderte sich die Stadt Plauen zwischen 1933 und 1939, auch ihr äußeres Erscheinungsbild nahm neue Züge an. Neben Wohnungsbauprojekten, die durch die Angehörigen des ›Freiwilligen Arbeitsdienstes‹ ab Anfang 1933 umgesetzt wurden, hatte die Stadtverwaltung auch andere bauliche Neuerungen vorgesehen. 1933 entstanden zur Behebung der herrschenden Wohnungsnot zahlreiche Stadtrandsiedlungen. Durch Beigabe eines kleinen Gartens zu jedem Wohnhaus sollten die Bewohner zur Selbstversorgung angeregt werden.362 Rund um den Stadtkern wurden 1934 sogenannte Schlicht- und Volkswohnungen für kinderreiche Familien errichtet, die sich durch eine besonders günstige Miete auszeichneten.363 Ergänzend zu den Stadtrandsiedlungen wurde zwischen dem 23. Oktober 1933 und dem 17. September 1934 die Waldschule Reusa errichtet.364 Geplant waren außerdem mehrere Repräsentativbauten, die allerdings wegen des Finanzausgleichs im August 1938 nicht umgesetzt werden konnten. Mittel mussten zum Zweck der Aufrüstung von Städten und Gemeinden an das Reich abgeführt werden.365 Einziges Großbauprojekt war das 1937 fertiggestellte Stadion, das insgesamt 4.200 Zuschauern Platz bot.366 Teil des Stadionbaus war auch das Gelände, das als Maifeld bezeichnet wurde. Namensgeber waren die Aufmärsche zum ›Tag der nationalen Arbeit‹ am 1. Mai.367 Hier kam es 1938 zu Störungen bei den Maifeierlichkeiten durch »halbwüchsige Burschen […], die mit einheitlichen Sport- (Ballon-) Mützen ausgestattet waren und sich undiszipliniert überall auf dem Aufmarschplatz herumtrieben.«368 Die Anwesenheit der jungen Männer wurde in der nationalsozialistischen Propaganda in Anlehnung an die ›Kampfzeit‹, in der immer wieder »vaterländische Feiern«369 durch konkurrierende politische Gruppierungen gestört oder ausspioniert wurden, dargestellt. Unter ›Kampfzeit‹ sind die Jahre 1918 bis 1933 zu verstehen, in denen der Nationalsozialismus um den Aufstieg zur führenden politischen Kraft rang.370 Der Hinweis im Monatsbericht des Oberbürgermeisters an das Amt für Kommunalpolitik, dass die jungen Männer blaue Kappen trugen und sich undiszipliniert auf dem Maifeld herumtrieben, lässt vermuten, dass es sich dabei um Vertreter der Arbeiterschaft handelte. Blau wurde bereits 1848/49 im Zuge der französischen Februarrevolution und der deutschen Revolution auf deut362 Vgl. Naumann (1995)  : Plauen 1933–1945, S. 53. 363 Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Die Wirtschaft Plauens zwischen 1933 und 1939. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S.  77. Im Folgenden zitiert als Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens. 364 Vgl. Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 77. 365 Vgl. ebd., S. 76. 366 Vgl. StadtA Plauen, Best. Bericht Bau- und Wohnungswesen, Fol. 71. Zitiert nach Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 78. 367 Vgl. Monatsberichte an das Amt für Kommunalpolitik. In  : StadtA Plauen, Best. VA 481 Ü 3/81 Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Oberbürgermeister, Nr. 481, Fol. 19. 368 Ebd. 369 Ebd. 370 Vgl. Schmitz-Berning, Cornelia (1998)  : Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin, S. 347–348.

Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich |

schem Gebiet in Anlehnung an die zeitgenössische Kleidung von Handwerkern und Arbeitern getragen. Die Ballonmütze könnte in Anlehnung an die Schirmmütze als Zeichen des Proletariats stehen.371 Der Oberbürgermeister merkte außerdem an, dass »Burschen« in der ›Kampfzeit‹ als »Horchposten« oder »Störenfriede« eingesetzt wurden.372 Die Schilderung kann als Indiz dafür gelten, dass es in Plauen 1938 noch eine aktive Arbeiterschaft gab, die sich offen gegen den Nationalsozialismus stellte. Die weitreichendsten gesellschaftlichen Umformungen folgten in Plauen aufgrund des dem Nationalsozialismus innewohnenden Antisemitismus. Ende 1938 verlor das Stadtbild dadurch seine Synagoge.373 Vorangestellt sei die Überlegung, dass Antisemitismus und Rassismus jedoch keine spezifisch nationalsozialistischen Phänomene waren. Von der NS-Herrschaft wurden sie aber offen ausgelebt und vor allem verrecht­ licht. Die Ursprünge des Rassismus und Antisemitismus liegen noch vor der Zeit des Kaiserreichs. Die Konsolidierung Deutschlands ging nicht wie in Großbritannien oder Frankreich mit der Entwicklung einer nationalen Idee einher. Volkssouveränität und damit Demokratie als Teil der politischen Nationalitätstheorie wurden vielmehr durch eine biologische Rassentheorie ersetzt. Diese Vorstellung hatte die Annahme zur Folge, dass die deutsche Nation allen anderen überlegen war. Setzte ein Staat auf Expansion, stellte er für sich rassische oder biologische Merkmale in den Vordergrund, die ihn von den Eroberten unterschieden  ; ihn überlegen machten. Diese Ansicht ließ sich nicht nur für das Deutsche Reich feststellen, sondern war Zeichen der expansiven Politik eines jeden Staates.374 Da die Militärmächte die Welt schon vor Entstehung des Kaiserreichs unter sich aufgeteilt hatten, blieb dem Deutschen Reich nur eine Expansion zulasten seiner Nachbarn. Dabei handelte es sich allerdings bereits um Staaten mit gefestigten politischen Strukturen. Neu am deutschen Imperialismus ab 1933 war, dass die Rassentheorie genutzt wurde, um einen ganzen Staat zu totalisieren und einen Krieg auszulösen.375 Neben den Rassismus trat der Antisemitismus. Auch dieser lässt sich im deutschsprachigen Raum historisch weit zurückverfolgen.376 Er wurde im Dritten Reich aber erstmals zum Bestandteil offizieller Politik. Dabei bezog man sich im Wesentlichen 371 Vgl. Zander-Seidel, Jutta (1998)  : »Er trug – denkt euch – ’ne rote Feder  !« Vestimentäre Gesinnungszeichen der Revolution von 1848/49. In  : Doosry, Yasmin  ; Schoch, Rainer (Hg.)  : 1848 – Das Europa der Bilder. Bd. 2  : Doosry, Yasmin  ; Schoch, Rainer  : Michels März  : Germanisches Nationalmuseum, 08.10.1998–10.01.1999. Nürnberg, S. 36–37. 372 Vgl. Monatsberichte an das Amt für Kommunalpolitik. In  : StadtA Plauen, Best. VA 481 Ü 3/81 Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Oberbürgermeister, Nr. 481, Fol. 19. 373 Vgl. Monatsbericht des Oberbürgermeisters an das Amt für Kommunalpolitik vom 13.12.1938. In  : StadtA Plauen, Best. VA 481 Ü 3/81 Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Nr. 481, Fol. 22. 374 Vgl. für Vorhergehendes Neumann (1977)  : Behemoth, S. 136–137. 375 Vgl. ebd., S. 137–138. 376 Vgl. Kißener, Michael (2005)  : Das Dritte Reich, Darmstadt, S. 40. Im Folgenden zitiert als Kißener (2005)  : Das Dritte Reich.

91

92 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

auf drei Hauptthesen. Diese gingen davon aus, dass alle Juden in einer Weltverschwörung das ›Ariertum‹ zu vernichten suchten. Unter ›Ariertum‹ sind die ›nordischen‹, überlegenen Menschen zu verstehen. Neu am Antisemitismus der Nationalsozialisten war, dass die Ausrottung der Juden Ziel der Bewegung war.377 Unter dem Aspekt der Erhaltung der ›arischen Rasse‹ wurden Eheschließungen für alle Deutschen gesetzlich geregelt. Eine Ehe durfte nur nach ärztlicher und ›rassenhygienischer‹ Untersuchung beider Partner geschlossen werden, so legte es das ›Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz)‹378 vom 18. Oktober 1935 fest. In den Bestimmungen kamen Sozialdarwinismus und Antisemitismus zum Ausdruck. Bereits am 15. September des gleichen Jahres wurden eheliche Verbindungen zwischen Juden und »Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes«379 verboten. Ab Oktober war eine Eheschließung zusätzlich vom Auftreten von Erbkrankheiten oder geistigen Beeinträchtigungen bei den Partnern oder deren Familien abhängig. Kamen diese vor, war die Eheschließung untersagt380 und die Betroffenen mussten mit Zwangssterilisation rechnen.381 Bereits im Sommer 1933 hatte die nationalsozialistische Regierung ihre ›rassenhygienische‹ Gesetzgebung auf den Weg gebracht.382 Die Gesetze wurden 1935 und 1936 überarbeitet.383 Wie im gesamten Reich mussten sich auch in Plauen Paare, die eine Eheschließung beabsichtigten, bei der Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege vorstellen, die ebenso für die Erbbestandsaufnahme zuständig war. Eingegliedert ins G ­ esundheitsamt, setzte die Stelle ›G.A.V.  – Rassenpflegesachen‹384 die Bestimmungen aus dem ›Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‹385 um. In einer Vielzahl medizinischer Einrichtungen wurden Untersuchungen auf das Vorliegen von Erbkrankheiten vorgenommen, wenn im Vorhinein Auffälligkeiten bei Patienten auftraten. Dabei konzentrierte man sich ab 1935 zunächst auf Pflege- und Erziehungsheime. Es erfolgten aber

377 Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 146–147. 378 Vgl. Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz). Vom 18. Oktober 1935. In  : RGBl. I, Nr. 114, 19.10.1935, S. 1246. 379 Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. Vom 15. September 1935. In  : RGBl. I, Nr. 100, 16.09.1935, S. 1146–1147. 380 Vgl. Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz). Vom 18. Oktober 1935. In  : RGBl. I, Nr. 114, 19.10.1935, S. 1246. 381 Vgl. ebd. 382 Vgl. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933. In  : RGBl. I, Nr. 86, 25.07.1933, S. 529–531. 383 Vgl. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 26. Juni 1935. In  : RGBl. I, Nr. 65, 27.06.1935, S. 773. Sowie Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 4. Februar 1936. In  : RGBl. I, Nr. 16, 26.02.1936, S. 119. 384 Vgl. Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 83. 385 Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933. In  : RGBl. I, Nr. 86, 25.07.1933, S. 529–531.

Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich |

auch entsprechende Meldungen nach Schuluntersuchungen.386 Stand die Dia­gnose Erbkrankheit fest, wurde die oder der Betroffene durch die Leiter der »Kranken-, Heilund Pflegeanstalten oder einer Strafanstalt«387 an das Gesundheitsamt gemeldet. Die Verdachtsmeldungen gingen an den Amtsarzt und dieser oder sein Stellvertreter formulierten dann die Anzeige für die Aufnahme eines Verfahrens beim Amtsgericht Plauen, Abteilung Erbgesundheitsgericht.388 Die Sterilisation konnte laut Gesetz zwar nur durch die Betroffene oder den Betroffenen sowie deren Vormund im Falle von Geschäftsunfähigkeit beantragt werden389, über die Durchführung des Eingriffs entschied letztlich aber das Erbgesundheitsgericht.390 Im Zuge des Verfahrens wurden Familienunterlagen der Betroffenen begutachtet, ebenso wie die Personen selbst. Ab 1937 legte man »Sippentafeln und Hauptkarten«391 zu allen als ›erbkrank‹ oder anderweitig belasteten Personen an.392 Schließlich konnte auch Alkoholismus zur ›Unfruchtbarmachung‹ führen.393 Vorgenommen wurden die Eingriffe entweder im Stadtkrankenhaus oder in der privaten Frauenklinik von Frauenarzt Dr. med. Theodor Brandeß.394 Gerd Naumann ermittelte in seiner Untersuchung, dass die Abteilung für Erb- und Rassenpflege innerhalb des ersten Jahres ihrer Existenz bereits 2.600 Aktenstücke über Plauener Bürger, die angeblich unter Erbkrankheiten litten, gesammelt hatte. Hinzu kamen 10.000 Karten innerhalb der beiden Gesundheitskarteien und 200 Sippentafeln. Erfasst waren damit bereits 40.000 bis 60.000 Personen.395 Zwischen 1935 und 1945 wurden 863 Zwangssterilisationen in Plauen durchgeführt.396 Juden waren durch die antisemitische Gesetzgebung der Nationalsozialisten bereits ab 1933 systematisch entrechtet, enteignet und schließlich aus dem Deutschen Reich deportiert worden.397 Die schrittweise Verdrängung der Juden aus Wirtschaft und Ge386 Vgl. Fischer, Cornelia  ; Fischer, Thomas (1991)  : Die Entwicklung der psychiatrischen Betreuungspraxis in Plauen unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1933–1945, Leipzig, S. 54. Im Folgenden zitiert als Fischer  ; Fischer (1991)  : Die Entwicklung der psychiatrischen Betreuungspraxis in Plauen. 387 Vgl. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933. In  : RGBl. I, Nr. 86, 25.07.1933, S. 529. 388 Vgl. Fischer  ; Fischer (1991)  : Die Entwicklung der psychiatrischen Betreuungspraxis in Plauen, S. 51– 53 und 72. 389 Vgl. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933. In  : RGBl. I, Nr. 86, 25.07.1933, S. 529. 390 Vgl. StadtA Plauen, Bericht Abt. für Erb- und Rassenpflege im Gesundheitsamt, ohne Sign., zitiert nach Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 83. 391 Dass., zitiert nach ebd. 392 Vgl. ebd. 393 Vgl. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933. In  : RGBl. I, Nr. 86, 25.07.1933, S. 529. 394 Vgl. Fischer  ; Fischer (1991)  : Die Entwicklung der psychiatrischen Betreuungspraxis in Plauen, S. 83. 395 Vgl. Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 83. 396 Vgl. Fischer  ; Fischer (1991)  : Die Entwicklung der psychiatrischen Betreuungspraxis in Plauen, S. 77–78. 397 Vgl. bspw. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vom 7. April 1933. In  : RGBl. I, Nr. 34, 07.04.1933, S. 175–177. Reichsbürgergesetz. Vom 15. September 1935. In  : RGBl. I, Nr. 100,

93

94 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

sellschaft firmierte unter dem Begriff ›Arisierung‹.398 Einer der öffentlichkeitswirksamen Höhepunkte des Vorgehens gegen Juden, der gleichzeitig zeigte, wie entschlossen die Nationalsozialisten auf ihr Ziel hinarbeiteten, die deutschen Städte ›judenfrei‹ zu machen, war die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In seinem Monatsbericht vom 12. Dezember erfasste Oberbürgermeister Eugen Wörner die Geschehnisse wie folgt  : Zuerst berichtete er vom Mord am Diplomaten und Botschaftssekretär Ernst Eduard vom Rath am 7. November 1938 in Paris und der Wahrnehmung der Tat in der Bevölkerung Plauens. Die Einwohner seien angesichts eines solchen Verbrechens »in berechtigte Empörung versetzt«399, zumal es sich beim Attentäter um einen »unreifen Judenlümmel«400 handele. Im Anschluss an seine Ausführungen über den Mordanschlag berichtete Wörner dem Kreisamt für Kommunalpolitik von dem am 10. November morgens in der Plauener Synagoge ausgebrochenen Brand, der auf seinen Herd beschränkt werden konnte. Die jüdische Gemeinde sei infolge des Brandes auch im Dezember noch damit beschäftigt, die Gebäudetrümmer zu beseitigen.401 Dazu wurde sie per Gesetz vom 12. November 1938 verpflichtet.402 Ein Zusammenhang zwischen den Schüssen auf vom Rath und dem Brand der Synagoge in Plauen wird im Bericht des Oberbürgermeisters deutlich. Im gesamten Reich hatten die Nationalsozialisten ebendieses Attentat auf vom Rath zum Anlass genommen, Synagogen, Gebetsstuben, Versammlungsräume, jüdische Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zu zerstören.403 Die Novemberpogrome forderten 91 Todesopfer, 30.000 Juden wurden in KZ verschleppt.404 Die Novemberpogrome, im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten ›Reichskristallnacht‹ genannt, waren, wie das gesamte Jahr 1938, der Übergang von der Diskriminierung deutscher Juden hin zur offenen Gewalt gegen sie, die im ›Holocaust‹ oder der ›Schoah‹ gipfelte.405 Unter ›Ho16.09.1935, S. 1146, sowie Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. Vom 15. September 1935. In  : RGBl. I, Nr. 100, 16.09.1935, S. 1146–1147. Außerdem Reichsflaggengesetz. Vom 15. September 1935. In RGBl. I, Nr. 100, 16.09.1935, S. 1145. Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben. Vom 12. November 1938. In  : RGBl. I, Nr. 189, 14.11.1938, S. 1580 – Pflicht zum Tragen des Judensterns ab 19.09.1941. 398 Vgl. Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Das nationalsozialistische Deutschland und die Juden 1933–1939. 1938 – »Das schicksalhafte Jahr«, http://www.yadvashem.org/yv/de/ holocaust/about/01/crucial_year.asp 15.08.2016. 399 Monatsbericht des Oberbürgermeisters an das Amt für Kommunalpolitik vom 13.12.1938. In  : StadtA Plauen, Best. VA 481 Ü 3/81 Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Nr. 481, Fol. 22. 400 Ebd. 401 Vgl. ebd. 402 Vgl. Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben. Vom 12. November 1938. In  : RGBl. I, Nr. 189, 14.11.1938, S. 1581. 403 Vgl. Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 85. 404 Vgl. Eintrag zu »Novemberpogromnacht« in Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Lexikon des Holocaust, http://www.yadvashem.org/yv/de/holocaust/lexicon.asp 18.08.2016. 405 Vgl. Benz, Wolfgang (2002)  : Art. Novemberpogrome. In  : ders. (Hg.)  : Lexikon des Holocaust, München, S. 162–163.

Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Dritten Reich |

locaust‹ bzw. ›Schoah‹ ist die Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg zu verstehen.406 Der Begriff prägte sich erst in den 1970er Jahren aus, zeitgenössisch sprach man von der »Lösung der Judenfrage«407. Zeichen für die Radikalisierung in der Politik gegenüber Juden 1938 war neben den öffentlichen Ausschreitungen der Novemberpogrome auch die erste Massendeportation. Juden polnischer Staatsangehörigkeit wurden aus dem Deutschen Reich in ein karges polnisches Gebiet nahe der deutschen Grenze abgeschoben und auf engstem Raum zusammengepfercht.408 In Plauen mussten nach dem Mord in Paris verschiedene jüdische Geschäfte polizeilich geschlossen werden, so berichtete Eugen Wörner. Angeblich geschah dies zum Schutz der Inhaber vor der aufgebrachten Bevölkerung.409 Die Schließungen waren allerdings Teil der Pogrome und führten im nächsten Schritt zur Enteignung der Eigentümer. Erst am 12. November 1938 erschien eine Anordnung, die die Schließungen legitimierte. Juden wurde es ab 1. Januar 1939 untersagt, Einzelhandelskaufstellen, Versandgeschäfte, Bestellkontore und selbstständige Handwerksbetriebe weiterzuführen.410 1937 zählte die jüdische Gemeinde aufgrund von Vertreibung, Deportation oder Flucht noch 304 Mitglieder von ehemals 836 im Jahr 1929. Nach den Pogromen sank ihre Zahl auf 98.411 Zur Zeit des Nationalsozialismus waren Pogrome Teil der reichsweiten Politik und von der deutschen Regierung inszeniert.412 Mit Einsetzen des Zweiten Weltkrieges weitete sich diese Politik auf ganz Europa aus. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Nationalsozialisten mit der Machtübernahme die Führungsebenen in der Stadt Plauen austauschten und mit eigenem Personal besetzten. Es folgte der Versuch, sich städtebaulich zu verwirklichen. Dem waren aufgrund der finanziellen Situation der Stadtkasse allerdings Grenzen gesetzt. In der Hauptsache entstanden Zweckbauten, die durch die Erschließung neuer Siedlungsräume notwendig waren. Gleichzeitig hinterließ der Antisemitismus tiefe Spu406 Vgl. Eintrag zu »Holocaust« in Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Lexikon des Holocaust, http://www.yadvashem.org/yv/de/holocaust/lexicon.asp 15.08.2016. 407 Kißener (2005)  : Das Dritte Reich, S. 36. 408 Vgl. Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Das nationalsozialistische Deutschland und die Juden 1933–1939. 1938 – »Das schicksalhafte Jahr«, http://www.yadvashem.org/yv/de/ holocaust/about/01/crucial_ year.asp 15.08.2016. 409 Vgl. Monatsbericht des Oberbürgermeisters an das Amt für Kommunalpolitik vom 13.12.1938. In  : StadtA Plauen, Best. VA 481 Ü 3/81 Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Nr. 481, Fol. 22. 410 Vgl. Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben. Vom 12. November 1938. In  : RGBl. I, Nr. 189, 14.11.1938, S. 1580. 411 Vgl. Angaben bei Schmidt, Hannes (1988)  : Zur Geschichte der Israelischen Religionsgemeinde Plauen i. V., Plauen, S. 53. 412 Vgl. Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Das nationalsozialistische Deutschland und die Juden 1933–1939. 1938 – »Das schicksalhafte Jahr«. http://www.yadvashem.org/yv/de/ holocaust/about/01/crucial_year.asp 15.08.2016.

95

96 | 

Die Entwicklung der Stadt Plauen vor dem Zweiten Weltkrieg

ren in der Stadt. Als Ersatz für den Klassenkampf diente er gemeinsam mit dem Rassismus als integrierendes Moment. Die jüdische Gemeinde wurde als Sündenbock für Ressentiments und Unannehmlichkeiten der vemeintlichen arischen ›Herrenrasse‹ herangezogen.413 In den Schilderungen des Plauener Oberbürgermeisters lässt sich erkennen, dass dieses Vorgehen breiten Konsens in Plauen erlangt hatte, vor allem angesichts einer sich nur langsam erholenden Wirtschaft. Die Stadt fügte sich in die reichsweite Politik ein. Die Verfolgung der Juden und politisch Andersdenkenden erhielt breite Zustimmung und wurde von allen Gesellschaftsschichten mitgetragen. Trotz der geschilderten Maßnahmen zur Gleichschaltung, Totalisierung und Zentralisierung sowie der Überwachung aller Bereiche öffentlichen Lebens lassen sich für die Stadt Plauen 1938 wenige gegenläufige Tendenzen erkennen. Sozialdemokratische und kommunistische Ansichten bestanden in der marginal ausgebildeten Arbeiterschaft fort, waren jedoch kaum wahrnehmbar.

413 Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 163.

3 Das ›System des Ausländereinsatzes‹

In den Kapiteln zuvor konnte herausgearbeitet werden, dass Plauen ein besonderes politisches Klima aufwies. Starke Tendenzen hin zum Nationalsozialismus in der Weimarer Republik wurden durch Arbeitskampf und Präsenz der KPD unterbrochen. Die Radikalisierung ließ sich anhand der wirtschaftlichen Krise der alles dominierenden Textilindustrie erklären. Identitätsverlust, die Entstehung der Hausindustrie, fehlende Ausbildung einer durch die Industrialisierung geprägten Gesellschaft und die Verarmung breiter Kreise führten zur Unterstützung extremer politischer Lager. Mit der Machtergreifung 1933 war die erhoffte Lösung der vorherrschenden Probleme jedoch nicht eingetreten. Arbeitslosigkeit wurde lediglich durch Notstandsmaßnahmen gesenkt, die Wirtschaft blieb auf die Textilindustrie fixiert. Rüstungsproduktionen kamen nur in marginalem Umfang nach Plauen. Erst im Zweiten Weltkrieg machten sich Großunternehmen die ›exemte‹ Lage Plauens weit weg von Frontverlauf und Luftangriffen zunutze. Mit den Betriebsverlagerungen kam eine Vielzahl ausländischer Arbeitskräfte in die Stadt. Der Einsatz von Zwangsarbeitern gehörte im Dritten Reich zu den Hauptmerkmalen der Kriegswirtschaft.1 An dieser Stelle ist es notwendig, die Regeln herauszuarbeiten, denen ihr Einsatz folgte, bevor die Ausgestaltung der Ausländerbeschäftigung in Plauen untersucht werden kann. Trotz seines späteren Umfangs ist festzuhalten, dass das System der Beschäftigung von Zwangsarbeitern zu Beginn des Zweiten Weltkrieges keinem festgelegten Plan folgte.2 Obwohl man bereits im Ersten Weltkrieg einschlägige Erfahrungen mit Zwangsarbeitern gesammelt und als »erfolglose[n] Probelauf«3 bewertet hatte, blieben die Grundzüge des Zwangsarbeitersystems unverändert. Anstatt die Effektivität des ›Ausländereinsatzes‹ durch Verbesserungen bei Anwerbung und Arbeitsbedingungen zu erhöhen, knüpfte der NS-Staat an zwei Kontinuitätslinien an. Der ›Ausländereinsatz‹ trug der fortwährenden Abneigung des Deutschen Reiches gegenüber Arbeitern aus dem Osten ebenso Rechnung wie dem Automatismus der Behörden, Zwangsarbeit zu totalisieren. Wären tatsächlich die Voraussetzungen geschaffen worden, ausländische Arbeitskräfte in Massen sowie total einzusetzen, wäre eine effiziente Zwangsarbeit alternativ zum freien Arbeitsmarkt möglich gewesen.4 Im Bestreben, diese Wirtschaftlichkeit zu erreichen, befand sich das System in ständigem Fluss und 1 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 219. 2 Vgl. Grieger, Manfred (2010)  : Industrie und NS-Zwangsarbeitssystem. Eine Zwischenbilanz. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 89. Im Folgenden zitiert als Grieger (2010)  : Eine Zwischenbilanz. 3 Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 40. 4 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 34 und 40.

98 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

entwickelte seine Strukturen nach den Bedürfnissen der jeweils aktuellen Kriegslage. Zwischen 1939 und 1945 formte sich so ein wackeliges, durch konkurrierende Kräfte beeinflusstes und auf Kompromissen aufgebautes Gebilde aus. Die Erfahrungen mit Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg sollen hier nur kurz erläutert werden. Ebenso wie zur Entwicklung des ›Ausländereinsatzes‹ im Dritten Reich wurden dazu bereits umfassende Studien von Ulrich Herbert5 und Mark Spoerer6 vorgelegt. Darzustellen sind lediglich die Eckpunkte ihrer Untersuchungen, da sie als Fundament der Betrachtung der Entwicklungen in Plauen dienen. 3.1 Der ›Ausländereinsatz‹ vor dem Zweiten Weltkrieg Das Phänomen Zwangsarbeit war das Resultat verschiedener Traditionen, Institutionen und Doktrinen. Es vereinte die Saisonarbeit polnischer Erntehelfer im Osten des Deutschen Reiches und Methoden der regulären Arbeitsverwaltung im NS-Staat. Mit der Arbeitskraft als Kriegsbeute kam ein neuer Aspekt der Kriegsführung hinzu, der 1929 erstmals international diskutiert wurde.7 Die meisten Elemente des ›Ausländereinsatzes‹ gingen auf den Ersten Weltkrieg bzw. das Kaiserreich zurück. Der Arbeitsmarkt verfügte bis 1914 über zwei Strukturkomponenten. Es existierte ein Lohngefälle zwischen dem Westen und Osten des Reiches, ebenso wie eines zwischen Stadt und Land. Daraus ergab sich eine Arbeitskräftewanderung, die vor allem die Personaldecke in der ostdeutschen Landwirtschaft ausdünnte. Trotz der personellen Defizite waren die Arbeitgeber jedoch nicht bereit, die vom Markt geforderten Lohnerhöhungen zu zahlen. Der Staat unterstützte die Landwirte in ihrem Vorgehen, indem er Schutzzölle erhob und die Grenzen für Saisonarbeiter öffnete. Kennzeichen der ausländischen Arbeitskräfte, die unter anderem aus Polen, Russland und Österreich-Ungarn stammten, war, dass ihre Lohn- und Sozialstandards geringer als die der deutschen Arbeitnehmer waren. Die Ausländer unterlagen bereits vielfältigen Diskriminierungen, die teils rechtlich verankert waren, teils zum Umgang im Arbeitsalltag gehörten. Die Saisonarbeiter empfanden ihre Anstellung schon jetzt als ausbeuterisch und behielten sich die Möglichkeit vor, den Arbeitsplatz zu wechseln. Unter Berücksichtigung der in der Einleitung gegebenen Definition von Zwangsarbeit waren die Saisonarbeiter des Kaiserreichs dieser nicht unterworfen. Die somit manifestierten Grundsätze der Saisonarbeit waren für die Zwischenkriegszeit wegweisend. Trotz alltäglicher Diskri5 Ulrich Herbert legt in »Fremdarbeiter. Politik und Praxis des ›Ausländer-Einsatzes‹ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches« in den Kapiteln 2 und 3 ausführlich dar, wie sich der »Ausländereinsatz« im Deutschen Reich bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges entwickelte. Deshalb wird auf eine nochmalige umfassende Schilderung verzichtet. 6 Auch Mark Spoerer betrachtet im ersten Kapitel von »Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz« die Entwicklung des »Ausländereinsatzes« eingehend. 7 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 11–13.

Der ›Ausländereinsatz‹ vor dem Zweiten Weltkrieg |

minierung und verschärfter Maßnahmen im Arbeitskonfliktfall wuchs die Zahl der Saisonarbeiter bis zum Ersten Weltkrieg auf 1,5 Millionen an.8 Der Kriegsgefangeneneinsatz fand bereits im Ersten Weltkrieg auf allen Seiten statt, wobei Deutschland neue Wege beschritt.9 Die Internierten wurden spätestens ab 1916 in großer Zahl zur Arbeit in Industrie und Landwirtschaft gezwungen.10 Neben den Kriegsgefangenen beschäftigten die Deutschen vor allem polnische, belgische und auch niederländische Zivilisten. Menschen aus Russisch-Polen, besonders wenn sie Juden waren, wurden aus den besetzten Gebieten, ebenso wie Polen aus ÖsterreichUngarn, deportiert.11 Außerdem versetzten die Behörden Kriegsgefangene in den Status von Zivilisten, um sie unter veränderten rechtlichen Bedingungen zur Arbeit im Reich zu zwingen.12 Im Vergleich zum Umfang des ›Ausländereinsatzes‹ im Zweiten Weltkrieg blieb der Einsatz ausländischer Zivilisten zwischen 1914 und 1918 eher marginal. Trotzdem endete er für das Deutsche Reich als außenpolitisches Desaster. Besonders der Einsatz belgischer Zivilisten hatte zur Formierung einer nationalen Solidaritätsbewegung sowie zu ausländischen Hilfeleistungen geführt.13 Dabei waren in Belgien im Gegensatz zu Polen Zwangsmaßnahmen ausgeblieben. Hier setzten die deutschen Besatzer auf die Verschlechterung der Lebensbedingungen, um Anreize für die Arbeitsaufnahme in Deutschland zu schaffen. Auf dem Höhepunkt der Ausländerbeschäftigung im Sommer 1918 fanden etwa 900.000 Zivilisten und 2,5  Millionen Kriegsgefangene zwangsweise Anstellung in Deutschland. Zu keinem Zeitpunkt stammten mehr als 10 Prozent der Arbeitenden aus dem Ausland.14 Es bleibt festzuhalten, dass sich der Einsatz von Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg als effektiver erwiesen hatte als derjenige von Zivilisten. Geschuldet war dies dem Umstand, dass die Beschäftigung ziviler Arbeitskräfte eine aufwendigere Infrastruktur voraussetzte, während die Kriegsgefangenen im Arbeitseinsatz in den bestehenden militärischen Gefügen verblieben. Zwangsarbeit war demnach nur lohnend, wenn sie ganzheitlich und konsequent durchgeführt wurde.15 Weiterhin stellten die deutschen Behörden fest, dass sich ökonomische Anreize positiver auf die Arbeitsleistung der Ausländer auswirkten als Zwangsmethoden.16   8 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 21–22 und Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 18.   9 Für eine ausführliche Darstellung des Kriegsgefangeneneinsatzes im Ersten Weltkrieg siehe Oltmer, Jochen (Hg.) (2006)  : Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs. Paderborn, München u. a. 10 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S.  11 und Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 19. 11 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 23. 12 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 23. 13 Vgl. ebd., S. 37. 14 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 23–24. 15 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 38. 16 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 19.

99

100 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

Auch nach dem Krieg setzte sich die Ausländerbeschäftigung in der Tradition der Saisonarbeit und in reduziertem Umfang fort. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise gab die deutsche Wirtschaft jedoch inländischen Arbeitskräften den Vorzug. In der Weimarer Republik wurde die Ausländerbeschäftigung erstmals rechtlich geregelt. So verankerte man die Tarifpflicht, um ausländischen Arbeitskräften die Möglichkeit zu nehmen, ihre Dienste für einen geringeren Lohn als Deutsche anzubieten. Tarifpolitisch waren sie den deutschen Kollegen gleichgestellt  – ein Umstand, den auch die Nationalsozialisten berücksichtigten. Sollte vom Tarif abgewichen werden, wurden nach 1933 Begründungen verfasst, um den Anspruch der politischen Legitimität zu wahren.17 In der Zeit der Massenarbeitslosigkeit und mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten erschien es zunächst einfach, auf ausländische Arbeitskräfte zu verzichten. Lediglich bereits seit längerer Zeit in Deutschland befindliche Ausländer wurden für einen begrenzten Zeitraum geduldet.18 Der Nationalsozialismus verfügte zwar über keine geschlossene Wirtschaftstheorie, verfolgte aber drei Handlungsstränge. Zum einen wurde die körperliche Arbeit ideologisch überhöht. Dies galt besonders für die Landwirtschaft. Zum anderen prägten sich Sozialdarwinismus sowie Malthusianismus aus. Verteilungskämpfe zwischen Völkern rückten in den politisch-wirtschaftlichen Fokus, weil sie als natürlich galten. Es herrschte die Vorstellung, dass das Bevölkerungswachstum zu schnell für die Erweiterung der Ernährungsgrundlage voranschritt. Dem Sozialdarwinismus war die Vorstellung inhärent, dass das Individuum nur als Bestandteil eines Volkes über eine Existenzberechtigung verfüge. Aus diesen drei Strängen ergab sich die systeminhärente Aggressivität des Nationalsozialismus.19 Dementsprechend musste die deutsche Bevölkerung auf der Suche nach neuem Lebensraum notwendigerweise in Konflikte mit anderen Völkern eintreten.20 Ausländer wurden nun nicht mehr als individuelle Mitmenschen erfasst, sondern als Vertreter eines anderen Volkes, mit dem man um die gleichen Ressourcen konkurrierte.21 Der Nationalsozialismus überhöhte letztlich nur bereits existierende rassistische Vorurteile, die ihm die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise sicherten. Basis der Ideologie war die Annahme, dass das deutsche Volk über alle anderen dominierte. Als Problem erwies sich die Rassendoktrin allerdings in der Außenpolitik. Jede Abweichung des Staates aus außenpolitischen Rücksichtnahmen trat in Widerspruch zu ihr. Dies rang dem Nationalsozialismus fortlaufend Kompromisse ab. Auch die Existenz von Großunternehmen widersprach der NS-Wirtschaftsideologie. Trotzdem war man auf ihre Unterstützung angewiesen und schuf ihnen zum Beispiel mit der Zerschla17 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 24. 18 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 19. 19 Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 26–27. 20 Vgl. Lenzen, Manuela (2015)  : Was ist Sozialdarwinismus  ? Bundeszentrale für politische Bildung, http:// www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/214188/was-ist-sozialdarwinismus 12.07.2016. 21 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 27.

Der ›Ausländereinsatz‹ vor dem Zweiten Weltkrieg |

gung der Gewerkschaften neue Betätigungsfelder. Gleichzeitig wurden Import, Export und Investitionen scharf reglementiert.22 Ab 1933 hatten zuerst Notstandsmaßnahmen und dann Staatsaufträge in der Rüstungsproduktion maßgeblich zur Senkung der Arbeitslosigkeit geführt.23 Um den ab 1936 auftretenden Arbeitskräftemangel zu beheben, zog man zuerst den umfassenden Einsatz von Frauen in Betracht. Da dieser allerdings der NS-Ideologie widersprach, setzte man als vorübergehende Notstandsmaßnahme auf die Einführung der Ausländerbeschäftigung.24 Außerdem hatte die subventionierte Rüstungsindustrie bereits bereits begonnen, Arbeitskräfte aus den Nachbarländern anzuziehen.25 Für die Entwicklung des Systems des ›Ausländereinsatzes‹ sind für die Zeit vor 1939 noch zwei Feststellungen zu machen. Nach dem ›Anschluss‹ Österreichs am 13. März 193826 ergingen die ersten Zwangsverpflichtungen österreichischer Juden. KZHäftlinge leisteten bereits seit 1933 in den Emsland-Moorlagern Zwangsarbeit.27 Bevor der Einsatz in der Industrie ab Oktober 1940 und Deportationen Ende 1941 folgten, wurden arbeitslose Juden über die Arbeitsämter zu Ernte- oder Straßenbauarbeiten dienstverpflichtet.28 Notdienstverordnungen schränkten die Freizügigkeit deutscher Arbeitskräfte ein. Sie erlaubten den Arbeitsämtern, Kräfte je nach Bedarf zu verschieben.29 Der Wirtschaft sollten außerdem durch Verträge mit Italien, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und den Niederlanden weitere Kräfte zugeführt werden. Im Zuge dieser Abkommen gelangten 1939 durch Anwerbungen 435.000 Ausländer in das Deutsche Reich. Damit folgte die Ausländerbeschäftigung noch stark der Tradition der Saisonarbeit.30 Ulrich Herbert fasst treffend zusammen, wie sich die Funktionäre des Dritten Reiches die »idealen« Arbeiter vorstellten  : »[…] Wenn möglich Facharbeiter, […] die Gewähr dafür boten, sich in Deutschland nicht auf Dauer einzurichten, die keine devisenmäßige Belastung durch Lohntransfer darstellten und schließlich  – dieser Gedanke tauchte seit 1938 verstärkt auf – der politischen Überwachung und Repression wie die deutschen Arbeiter ausgesetzt werden konnten, ohne daß außenpolitische Rücksichten genommen werden mußten[.]«31 Schnell wurde deutlich, dass sich zwischenstaatliche Vereinbarungen auf Grundlage freiwilliger Anwerbung nicht eigneten,

22 Vgl. ebd., S. 25–29. 23 Vgl. ebd., S. 25–30. 24 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 21. 25 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 30–32. 26 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 65. 27 Vgl. Eichholtz (2000)  : Zwangsarbeit, S. 10. 28 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 31. 29 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 12. 30 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 63–64. 31 Ebd., S. 65.

101

102 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

um diese Vorstellung umzusetzen. Trotzdem blieb die Freiwilligkeit der Anwerbungen auch 1942 noch Hauptbestandteil des Systems des ›Ausländereinsatzes‹.32 Mit dem ›Anschluss‹ Österreichs gelang der deutschen Staatsführung ein erster Erfolg bei der Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen und Arbeitskräften. Nach der Erweiterung des Reichsgebietes kam es zu einer kurzfristigen Minderung der Mangelerscheinungen. Die Fortsetzung der Territorialexpansion erschien den Nationalsozialisten notwendig, um die durch den Vierjahresplan und die Kriegsvorbereitungen überreizte Konjunktur anzukurbeln.33 Das Deutsche Reich strebte nun nach der Annektierung oder Besetzung von Territorien, um dem Markt Arbeitskräfte ohne zusätzliche Kosten und ganz den deutschen Arbeitsbedingungen unterworfen zuzuführen. Einsatz fanden Ausländer vor Kriegsbeginn vor allem in den NS-Staatskonzernen, weil diese über die notwendigen Kontakte und noch über keine Stammbelegschaft verfügten.34 Unter NS-Staatskonzernen sind sogenannte »verbundene Beteiligungsgesellschaften mit Zwangscharakter«35 zu verstehen. Sie entstanden auf staatliche Initiative, wenn die wirtschaftliche Rentabilität eines (neu zu gründenden) Unternehmens oder eines Unternehmenszusammenschlusses fraglich war, seine Produktionsgüter aber wichtig für die Erfüllung kriegswirtschaftlicher Ziele erschienen.36 Für den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte sind im NS-Staat mehrere grundlegende Veränderungen festzustellen, die eng mit der militärischen Lage verknüpft waren. Die erste Phase, in der man an den ›Ausländereinsatz‹ im Ersten Weltkrieg anknüpfte, vollzog sich bis Kriegsbeginn. Mit dem Überfall auf Polen trat die Idee der Arbeitskraft als Kriegsbeute, wie sie im Artikel 52 der Haager Landkriegsordnung erstmals umschrieben wurde, in den Fokus. Zum leitenden Motiv wurde sie beim Angriff auf die Sowjetunion. Die dritte Phase beginnt mit der Proklamation des ›totalen Krieges‹. Nun hatte der Zwang endgültig die Freiwilligkeit abgelöst. Die sich verändernde rechtliche Lage ausländischer Arbeitskräfte soll im Folgenden kurz dargestellt werden.

32 Vgl. Anordnung Nr. 4 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über die Anwerbung, Betreuung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Vom 7. Mai 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, S. 79–88. 33 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 65–66. Vgl. auch  : Volkmann, Hans Erich (1979)  : Die NS-Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges. In  : Deist, Wilhelm  ; Messerschmidt, Manfred et al. (Hg)  : Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 1, Stuttgart, S. 326. 34 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 66–69. 35 Bettelheim, Charles (1974)  : Die deutsche Wirtschaft unter dem Nationalsozialismus. München, S. 89. 36 Vgl. ebd.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

3.2 Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende Neben den wirtschaftlichen und politischen Veränderungen im Zuge der Kriegsvorbereitungen wurden vor dem Krieg und während des Krieges Institutionen geschaffen, die auf die Lebensbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte entscheidenden Einfluss nahmen. Besonders der Umgang mit polnischen Arbeitskräften war für die Entwicklung des ›Ausländereinsatzes‹ wegweisend, weshalb er exemplarisch betrachtet werden soll. Ebenso ist es für die Studie notwendig, das Vorgehen der deutschen Behörden nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion zu diskutieren. Wie noch zu zeigen sein wird, bildeten die Ostarbeiter die größte Gruppe der in Plauen eingesetzten Zwangsarbeiter, weshalb auch die Entstehung des rechtlichen Rahmens ihres Einsatzes darzustellen ist. Da für die Entwicklung des Systems des ›Ausländereinsatzes‹ bereits eine Fülle von Publikationen vorliegt, werden lediglich Meilensteine identifiziert und besprochen. Die Weltwirtschaftskrise hatte Polen schwer getroffen. Mitte der 1930er Jahre strömten aufgrund einer Arbeitslosenquote von 43 Prozent und wenig Industrie im eigenen Land unzählige Arbeitskräfte ins benachbarte Deutsche Reich. Die Deutschen unterstützten die illegalen Grenzübertritte und es entstand ein offensives Anwerbungsverfahren, das sogar zur Schaffung von Arbeitsämtern entlang der polnischen Grenze führte. So sollten die illegalen Arbeiter möglichst schnell registriert und verteilt werden. Die Agenten der großen deutschen Landgüter, auf denen Polen vorzugsweise eingesetzt wurden, begaben sich sogar auf Werbetouren nach Polen.37 Mit steigender Ausländerzahl auf dem Reichsgebiet wurde 1938 das Ausländerpolizeiwesen neu strukturiert. Der Sicherheitsapparat wurde zentralisiert, die Polizei mit der SS zusammengelegt und damit einer der wichtigsten Machtfaktoren geschaffen.38 Dem Ausländerpolizeiwesen fielen mit der Ausländerpolizeiverordnung vom 22. August 1938 die politische Kontrolle und die Registrierung der Arbeitskräfte in der neu einzurichtenden Ausländerzentralkartei zu.39 Gleichzeitig formte sich abseits der Ausländerpolizeiverordnung mit der Schaffung des ›Protektorats Böhmen und Mähren‹ am 16. März 1939 ein Sonderrecht für tschechische Arbeitskräfte aus.40 Außenpolitische Rücksichtnahme entfiel, weshalb man gegen Tschechen willkürlich und hart 37 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 70–72. 38 Vgl. Renner-Palat, Andrea (2010)  : Die rechtliche Lage und die strafrechtliche Behandlung der polnischen Zwangsarbeiter im Dritten Reich 1939–1945. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 43. Im Folgenden zitiert als Renner-Palat (2010)  : Die Lage der polnischen Zwangsarbeiter. 39 Vgl. Ausländerpolizeiverordnung. Vom 22. August 1938. In  : RGBl. I, Nr. 132, 25.08.1938, S. 1053–1056. 40 Deutsche Truppen besetzten Landesteile der ehemaligen Tschecho-Slowakischen Republik und formten daraus das ›Protektorat Böhmen und Mähren«. Vgl. Erlaß des Führers und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren. Vom 16. März 1939. In  : RGBl. I, Nr. 47, 16.06.1939, S. 485–488.

103

104 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

vorgehen konnte. Bei Verdacht auf ›Arbeitsverweigerung‹ oder andere staatsfeindliche Einstellungen drohte man mit ›Schutzhaft‹41 und schuf damit bereits die rechtliche Grundlage für das spätere Überwachungs- und Bestrafungssystem. Die Schutzhaft war ein Instrument der Gestapo »zur Abwehr aller volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen«42, das mit Erlass vom 25. Januar 1938 eine neue Auflage fand. Die Schutzhaft diente dem Freiheitsentzug außerhalb der ordentlichen Strafrechtspflege und wurde auf unbestimmte Zeit verhängt. Ausführung fand sie in den Konzentrationslagern.43 Der Einmarsch der Wehrmacht in Polen am 1. September 1939 markiert den Beginn des Zweiten Weltkrieges. Schon im Januar 1939 hatten auf deutscher Seite die Planungen für den Einsatz polnischer Kriegsgefangener begonnen.44 Nach dem Einmarsch wurden Hunderttausende polnische Soldaten gefangen genommen und über Durchgangslager (Dulag) ins Reich gebracht.45 Ihr Einsatz erfolgte ausschließlich in der Landwirtschaft, da er auf diese Weise gut zu koordinieren war. Die Wehrmacht musste die polnischen Soldaten überwachen, unterbringen und versorgen. Bei den Kriegsgefangenen handelte es sich um ausgesprochen billige Arbeitskräfte, die nach Belieben von Arbeitsstelle zu Arbeitsstelle geschickt werden konnten.46 Die als jüdisch klassifizierten Kriegsgefangenen wurden jedoch nicht zur Arbeit eingesetzt. Sie wurden von der Truppe getrennt und unwürdigsten Bedingungen ausgesetzt. Ihr Tod war Ziel des Vorgehens. Mit diesem modernen Kriegsgefangeneneinsatz, der durch die Genfer Konventionen reguliert wurde, tat sich ein Betätigungsfeld auf, das dem Deutschen Reich 1939 ein großes Arbeitskräftekontingent zuführte. Es sei darauf hingewiesen, dass die Genfer Konventionen dem Kriegsgefangeneneinsatz Grenzen setzten, die die Deutschen zu umgehen suchten, indem sie die polnischen nichtjüdischen Kriegsgefangenen im Juli 1940 in den Zivilstatus versetzten.47 Im Umgang mit kriegsgefangenen sowjetischen Soldaten wurden später rein rassistisch motivierte Maßstäbe angesetzt. Mit der Begründung, dass die Sowjetunion der Genfer Kriegsgefangenen-Konvention nicht beigetreten war, richtete sich die Wehrmacht auch nicht nach den völkerrechtlichen Regelungen.48 41 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 73. 42 Vgl. Runderlass des Reichsinnenministers Frick vom 25. Januar 1938. Abgedruckt in  : http://media. offenes-archiv.de/zeitspuren_Sam_dt_pol.pdf 04.08.2016. 43 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXIV. 44 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 71–76. 45 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 45. 46 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 78. 47 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S.  45 und Erlaß des RFSSuChdDtP (IV D 2) an die höheren Verwaltungsbehörden vom 10.07.1940 betr. Freilassung polnischer Kriegsgefangener  ; Erlaß des RFSSuChdDtP (IV D 2) an die Stapo(leit)stellen vom 10.07.1940, betr. Anwendung der geltenden Bestimmungen für polnische Zivilarbeiter auf die ehemaligen polnischen Kriegsgefangenen. Zitiert nach Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 94. 48 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 11–13.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

Aufgrund des ›Hitler-Stalin-Paktes‹ vom 24. August 1939 wurde Polen im September geteilt. Das Deutsche Reich erhielt unter anderem Westpreußen, Danzig und das Wartheland und formte aus dem zentral- und südpolnischen Gebiet das ›Generalgouvernement‹. Alles, was im Generalgouvernement fortan gesetzlich geregelt wurde, galt als deutsche Innenpolitik.49 Die Arbeitsämter waren die ersten deutschen Behörden, die nach dem Einmarsch der Wehrmacht ihre Arbeit auf ehemals polnischem Gebiet aufnahmen.50 Sie sollten diejenigen, die eine Anstellung im Reich antreten wollten, vermitteln51 und begannen gleichzeitig, die Bevölkerung im Alter zwischen 14 und 70 Jahren zu registrieren.52 Die Vorbereitungen für die zügige Erfassung des Arbeitsmarktes auf besetztem Gebiet waren für den Kriegsfall seit 1938 im Reichsarbeitsministerium erfolgt.53 Wer keiner Arbeit vor Ort nachgehen konnte und Arbeitslosenunterstützung beantragen wollte, musste sich beim Arbeitsamt melden und mit der umgehenden Dienstverpflichtung zur Arbeit im Reich rechnen.54 Schnell hatten sich die schlechten Lebensbedingungen, denen Polen in Deutschland ausgesetzt waren, herumgesprochen. Wer sich den deutschen Behörden aber widersetzte, hatte mit schweren Strafen zu rechnen. Die Deutschen gingen in der Folge dazu über, den Gebietskörperschaften Quoten aufzuerlegen. Die Einbindung der örtlichen Behörden erleichterte die Anwerbung. Quotenmissstände wurden durch Razzien deutscher Sicherheitskräfte ausgeglichen. Im nächsten Schritt etablierte Hans Frank als Gouverneur des Generalgouvernements die Konskription.55 Eigentlich beschreibt der Begriff die Aushebung der wehrfähigen männlichen Bevölkerung eines Landes zum Kriegsdienst aufgrund der gesetzlich geregelten Wehrdienstpflicht. Die ursprüngliche Bedeutung beinhaltete sogar die Möglichkeit zur Befreiung von der Dienstpflicht durch Stellvertretung oder Loskauf.56 Ende 1939 erließ Frank für das Generalgouvernement die allgemeine Arbeitspflicht.57 Dass die zivilen polnischen Arbeitskräfte im Deutschen Reich schlechten Lebensbedingungen ausgesetzt waren, geht auf ein diskriminierendes Sonderrecht zurück, das als Modellversuch für den ›Ausländereinsatz‹ gelten kann. Grundlage war die generelle, rassistisch motivierte Ablehnung alles ›Slawischen‹.58 Verrechtlicht wur49 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 44. 50 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland. Sonderveröffentlichung des Reichsarbeitsblattes, Berlin, S. 48. Im Folgenden zitiert als Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte. 51 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 77. 52 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 46. 53 Vgl. Kotowski (2010)  : Die Rekrutierung der Zwangsarbeiter im besetzten Polen, S. 24. 54 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 96. 55 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 47. 56 Vgl. Brühl, R.; Charisius, A. et al. (1985)  : Art. Konskription. In  : Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 1, Berlin, S. 392–393. 57 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 78. 58 Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 139–140.

105

106 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

den Rassismus und Diskriminierung am 8. März 1940 in den ›Polen-Erlassen‹. Ziel der im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) erarbeiteten amtlichen Verfügungen war es, eine stärkere Diskriminierung der Ausländer in der Bevölkerung herbeizuführen. Da polnische Kräfte jedoch traditionell Saisonarbeit in der deutschen Landwirtschaft leisteten, war man an ihre Anwesenheit gewöhnt und auf ihre Arbeitskraft angewiesen, was eine staatlich verordnete Verstärkung der Diskriminierung erschwerte.59 Die Erlasse setzten durch, dass Polen, die sich »im zivilen Arbeitseinsatz […] [befanden], […] auf der rechten Brustseite jedes Kleidungsstückes ein mit ihrer jeweiligen Kleidung fest verbundenes Kennzeichen stets sichtbar zu tragen [haben].«60 Festgelegt wurde außerdem ein nächtliches Ausgehverbot, das Verbot von Besuchen deutscher Veranstaltungen und Gaststätten sowie von Gottesdiensten zusammen mit Deutschen. Auch die Höhe der Löhne und die Arbeitszeiten wurden reglementiert. Die Bezahlung hatte weit unter der der deutschen Arbeiter zu liegen, bei maximaler Arbeitszeit. Hinzu kamen die Bestimmung zur Errichtung von Bordellen für Polen und das Verbot intimen Umgangs zwischen Deutschen und Polen, die unter dem Begriff ›GVErlasse‹ zusammengefasst wurden.61 Auffällig sind die drakonischen Strafen, die auf eine Zuwiderhandlung folgten.62 Besonders streng war Heinrich Himmler, der in seiner Funktion als Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei von Hermann Göring, dem Beauftragten für den Vierjahresplan und Vorsitzenden des Ministerrats für die Reichsverteidigung, ermächtigt wurde, den Einsatz der polnischen Arbeitskräfte zu regeln63, bei der Bestrafung von intimen Kontakten. Polnische Männer sollten sofort gehängt, deutsche Frauen einem Gericht vorgeführt und gegebenenfalls in ein Konzentrationslager gebracht werden.64 Die Strafen waren auf sexualrassistische Vorbehalte zurückzuführen, wirkten prophylaktisch und abschreckend.65 Die Verordnungen fanden diverse Erweiterungen, sodass ein immer geschlossener werdendes Sonderrecht entstand. Die ›Polen-Erlasse‹ hatten weitere innenpolitische Neuerungen zur Folge. Delikte ziviler Ausländer fielen fortan in die Zuständigkeit der Gestapo. Außerdem wurde 59 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 80–86. 60 Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung im Reich eingesetzter Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums. Vom 8. März 1940. In  : RGBl. I, Nr. 55, 29.03.1940, S. 555–556. 61 Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 88–93. 62 Vgl. Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung im Reich eingesetzter Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums. Vom 8. März 1940. In  : RGBl. I, Nr. 55, 29.03.1940, S. 555. So galt bspw. für einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht ein Bußgeld von 150 RM oder die Verbüßung von sechs Wochen Haft. 63 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S.  80–82 und Renner-Palat (2010)  : Die Lage der polnischen Zwangsarbeiter, S. 36. 64 Vgl. Himmler, Heinrich (1940)  : Rede vom 29.02.1940. Abgedruckt in  : Smith, Bradley F.; Peterson, Agnes F. (Hg.) (1974)  : Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, Frankfurt a. M., S. 134. 65 Vgl. Renner-Palat (2010)  : Die Lage der polnischen Zwangsarbeiter, S. 39.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

der Sicherheitsdienst der SS (SD) gegründet, der die Stimmung oder Haltung der deutschen Bevölkerung aufnehmen sollte. So entstand ein durchorganisiertes Herren-Knechte-System, das bedeutende Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Ausländergruppen hatte.66 Die Gesellschaft wurde nach folgendem Schema geordnet. An der Spitze standen deutsche Staatsbürger, ihnen folgten ›Staatsangehörige auf Widerruf‹. Diesen sogenannten ›Eindeutschungsfähigen‹ waren ›Schutzangehörige des Dritten Reiches‹ nachgeordnet, die auf dem Gebiet des Großdeutschen Reiches lebten, staatenlos waren oder einen Treueeid auf das Reich geschworen hatten. Hierzu zählten ethnische Polen, Slowenen, Weißrussen und Ukrainer. Die dritte Gruppe, die ›Protektoratsangehörigen‹, wurde je nach Interessenlage gebildet. Die ›Fremdvölkischen‹ standen an unterster Stelle. Zu ihnen zählten alle Ausländer, Juden und sogenannte Zigeuner. Mit fortschreitendem militärischen Erfolg erachteten es die NS-Ideologen als Notwendigkeit, auch die Gruppe der ›Fremdvölkischen‹ auszudifferenzieren. Nach aufsteigendem Diskriminierungsgrad entstanden verschiedene Gruppen, die in die Definition von Zwangsarbeit in Anlehnung an Mark Spoerer einflossen. Zu unterscheiden sind67  : Nationalität

Grad der Diskriminierung

Aus neutralen oder verbündeten Staaten: Bulgaren, Kroaten, Slowaken, Rumänen, Spanier, Ungarn, Italiener bis 1943

den Deutschen rechtlich gleichgestellt

Griechen, Serben, Norweger, Dänen, Niederländer, Belgier, Franzosen, Tschechen

arbeitsrechtlich den Deutschen gleichgestellt sowie gleiche Lebensmittelrationen, aber durch Lagerunterbringung kleinere Rationen möglich68

Balten, Nichtpolen aus dem Generalgouvernement oder Bezirk Białystok

Benachteiligung bei Lohnauszahlung

Polen

Stigmatisierung durch ›Volkstumsabzeichen‹

Ostarbeiter

Stigmatisierung durch ›Volkstumsabzeichen‹, ›Taschengeld‹ anstatt Lohnauszahlung

Juden und Zigeuner

rechtlich Ostarbeitern und Polen gleichgestellt, aber durch Vernichtungspolitik stärkste Diskriminierung – spätestens, wenn sie KZ-Häftlinge waren

Festgehalten werden muss an dieser Stelle, dass der Überfall der Wehrmacht für die jüdische Bevölkerung Polens eine Katastrophe sondergleichen darstellte und als Auftakt 66 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 82–88. 67 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 91–92 sowie für die rechtliche Situation der KZ-Häftlinge Steinbacher, Sybille (2000)  : »Musterstadt« Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien, München, S. 276–277. Im Folgenden zitiert als Steinbacher (2000)  : »Musterstadt« Auschwitz. 68 Da die Lebensmittel in den Ausländerlagern durch viele Hände gingen, waren Diebstähle möglich. Vgl. dazu Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 91.

107

108 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

zum Holocaust gelten kann. Die Einsatzgruppen aus SS und SA, die der Truppenlinie unmittelbar folgten, aber auch Angehörige der Wehrmacht mordeten während des Einmarschs auf polnischem Gebiet in geplanten und spontanen Gewalteskalationen. Den Razzien und Exekutionen fielen polnische Juden ebenso wie Intellektuelle und Angehörige der Führungsschicht zum Opfer.69 Im Oktober 1939 begannen die deutschen Besatzer, die jüdische Bevölkerung in den annektierten Gebieten und dem Generalgouvernement in städtischen Ghettos zusammenzuziehen.70 Im April 1940 entstand das Ghetto in Litzmannstadt (Łódź). Die Führung oblag der Gestapo, dem Polizeipräsidenten und dem Oberbürgermeister.71 Parallel entstanden jüdische Zwangsarbeiterlager in Schlesien und dem Generalgouvernement, in denen die als ›Arbeitsjuden‹ bezeichneten Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.72 Der Arbeitszwang wurde sukzessive auf alle 12- bis 60-jährigen Männer sowie Frauen ausgeweitet. Zwangsarbeit und Internierung in Lagern dienten allein dem Zweck der Ermordung der Juden und formten sich zur Strategie der ›Vernichtung durch Arbeit‹. In den durch weitere Deportationen aus dem Ausland bis 1941 immer weiter wachsenden Ghettos produzierte man bald für die Textilindustrie und im Handwerk. Die ausgesprochen niedrigen Löhne machten deutsche Unternehmer aufmerksam, die sich mit eigenen Betrieben in der Nähe oder im Viertel selbst ansiedelten.73 Aus den Erfahrungen 1939 und 1940 entwickelte sich folgende Rekrutierungspraxis für zivile ausländische Arbeitskräfte, die bis 1945 bestand. Zuerst warben deutsche Arbeitsämter unter Einbezug der örtlichen Behörden auf den besetzten Gebieten ohne Druck um Arbeitskräfte. War dies nicht erfolgreich, folgte die »Werbung mit maßgeblicher Beeinflussung der Existenzbedingungen«74. Brachte dies auch nicht den gewünschten Erfolg, griff man zur »Konskription, also [der] Aushebung ganzer Jahrgänge unter Rückgriff auf die einheimische Verwaltung«75. Die letzte Möglichkeit war die »Deportation durch willkürliche Gewaltanwendung deutscher oder deutsch-verbündeter Sicherheitsorgane«76. Die Art der Rekrutierung variierte je nach Staatsangehörigkeit der Arbeitskräfte und Kriegsfortschritt. Ein originäres Interesse der Besatzungsbehörden, Gewalt anzuwenden, ist nicht zu vermuten, auch wenn durch Zwangsmaßnahmen mehr Kräfte zur Arbeitsaufnahme ins Reich überführt werden konnten. Gleichzeitig verschlechterte sich dadurch die Beziehung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu den deutschen Besatzern. Andere Besatzungsaufgaben 69 Vgl. Broszat, Martin (1961)  : Nationalsozialistische Polenpolitik. 1939–1945, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Nr. 2, Stuttgart, S. 19–20. 70 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 52 71 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXI. 72 Vgl. ebd., S. XXV–XXVII. 73 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 51–53. 74 Ebd., S. 37. 75 Ebd. 76 Ebd.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

wurden erschwert, Partisanenbewegungen gestärkt und die internationale Wahrnehmung deutscher Politik konnte negativ beeinträchtigt werden.77 Mit der Überführung ausländischer Zivilarbeiter in die deutsche Landwirtschaft mussten ihre Löhne geregelt werden. Im Januar 1940 bestimmte die ›Reichstarifordnung für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die nicht im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, mit Ausnahme derjenigen, deren Arbeitsbedingungen Gegenstand von Staatsverträgen sind‹78, dass Ausländer zwischen 50 und 85 Prozent der Einkünfte deutscher Arbeiter beziehen sollten.79 Mit Inkrafttreten der Tarifordnung meldete der SD Befürchtungen an, dass sich Betriebe und Unternehmen nun ausschließlich der polnischen Arbeitskräfte bedienen könnten, sodass es in der Folge zur Abwanderung deutscher Kräfte aus der Landwirtschaft käme.80 Um den polnischen Arbeitskräften keinen vermeintlichen Vorteil zu verschaffen, erließ man eine 15-prozentige Sondersteuer. Für das Reich und die Ostgebiete vereinheitlicht wurde das Vorgehen durch die Einführung der ›Sozialausgleichsabgabe‹ am 5. August 194081. Erweiterungen und sonstige Änderungen oblagen dem »Reichsminister für Finanzen […] im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern und dem Reichsarbeitsminister«82. Diese Steuer wurde in der Folge auch für Juden und Zigeuner erhoben und diente als Vorlage für die ›Ostarbeiterabgabe‹. Sie manifestierte die Ungleichbehandlung von Deutschen und Polen bzw. Zwangsarbeitern aus Osteuropa und verlagerte den Schwerpunkt der Ausbeutung vom Lohn auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszeit.83 Die am 10. Mai 1940 begonnene Westoffensive84 versprach neue Arbeitskräfte für die deutsche Kriegswirtschaft. Im Sommer 1940 hatten außerdem die Vorbereitungen zum Krieg gegen die Sowjetunion begonnen. Das Vorgehen der deutschen Besat77 Vgl. Renner-Palat (2010)  : Die Lage der polnischen Zwangsarbeiter, S. 33. 78 Vgl. Reichstarifordnung für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die nicht im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, mit Ausnahme derjenigen, deren Arbeitsbedingungen Gegenstand von Staatsverträgen sind vom 8. Januar 1940. In  : RABl. Nr. 2, 15.01.1940, Teil IV, S. 38–40. 79 Vgl. ebd., S.  39. Die Staffelung erfolgte nach Alter und Geschlecht der Arbeitskräfte. Zur Berechnung im Verhältnis zu den Löhnen der deutschen Arbeitskräfte vgl. Küppers, Hans  ; Bannier, Rudolf (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen im Deutschen Reich. Private Wirtschaft und Öffentlicher Dienst, Berlin, S. 68. Im Folgenden zitiert als Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen. Vgl. dazu außerdem Eichholtz, Dietrich (2003)  : Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945. Bd. I 1939–1941, München, S. 96. 80 Vgl. Meldungen aus dem Reich (Nr. 50), 07.02.1940. In  : Boberach (1984)  : Meldungen aus dem Reich, S. 737. 81 Vgl. Verordnung über die Erhebung einer Sozialausgleichsabgabe. Vom 5. August 1940. In  : RGBl. I, Nr. 140, 08.08.1940, S. 1077. 82 Vgl. ebd. 83 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 107. 84 Für die Hintergründe der Westoffensive bzw. des Westfeldzugs siehe Umbreit, Hans (1999)  : Die deutsche Herrschaft in den besetzten Gebieten 1942–1945. In  : ders.; Kroener, Bernhard R.; Müller, RolfDieter (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 5, Stuttgart. Vgl. außerdem Engeli, Jacques (2006)  : Frankreich 1940. Wege in die Niederlage, Baden.

109

110 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

zungsbehörden in den Benelux-Staaten entsprach im Allgemeinen der zuvor dargestellten Rekrutierungspraxis85 und soll hier nicht im Detail diskutiert werden. Sofern das Verfahren für die ausländischen Arbeitskräfte in Plauen von Bedeutung war, wird es in den entsprechenden Kapiteln näher beleuchtet. An dieser Stelle sei lediglich auf einige Entwicklungen auf französischem Gebiet eingegangen, die von der Rekrutierungspraxis abwichen. Wegen ihrer Expertise waren Arbeitskräfte aus Frankreich in der deutschen Wirtschaft besonders gefragt. Nur einen Monat nach dem Beginn der Westoffensive war der Waffenstillstand mit dem westlichen Nachbarn ausgehandelt. Der Norden und der Westen des Landes wurden unter einen Militärbefehlshaber gestellt, während die Mitte und der Süden unter der Vichy-Regierung nach außen hin souverän blieben. Die Regionen Elsass und Lothringen fielen an Baden bzw. die Pfalz. In Frankreich nahm die Wehrmacht 1,85  Millionen Soldaten gefangen, von denen ein Teil kurze Zeit später wieder freigelassen wurde.86 Ausgehend von den Erfahrungen in Polen waren die notwendigen Strukturen für den Einsatz französischer und auch britischer Kriegsgefangener schnell geschaffen. Hauptsächlich eingesetzt wurden sie in Landwirtschaft und Baugewerbe.87 Die der Front nachrückenden Behörden warben nach dem Waffenstillstand im Norden Frankreichs um Arbeitskräfte für die deutsche Industrie. Sie rekrutierten aber auch für die Projekte der Organisation Todt (OT)88. Im Gegensatz zur üblichen auf Freiwilligkeit basierenden Anwerbepraxis wurden die Arbeitskräfte für die OT durch willkürliche Festnahmen generiert. In Frankreich machten sich außerdem erstmals deutsche Unternehmen unabhängig von den Arbeitsverwaltungsbehörden auf, um Arbeitskräfte für ihre Produktionen zu gewinnen. Im Süden kooperierte die Vichy-Regierung mit den deutschen Besatzern. Sie stellte der OT Arbeitskräfte aus Drittstaaten wie Spanien und den französischen Kolonien zur Verfügung, die sie durch die Weiterführung der ›Formations des travailleurs étrangers‹ (FTE) zum Dienst in der französischen Armee eingezogen hatte. Im September 1942 institutionalisierte die Vichy-Regierung die Arbeitspflicht durch den ›Service du travail obligatoire‹ (STO). Der Abschluss der Abkommen ›transformation‹ und ›relève‹ sollte vor allem Facharbeiter für die deutsche Wirtschaft einbringen. Der Erfolg blieb aus, weshalb Rüstungsminister Albert Speer Ende 1943 mit der Vichy-

85 Vgl. Umbreit, Hans (1999)  : Die deutsche Herrschaft in den besetzten Gebieten 1942–1945. In  : ders.; Kroener, Bernhard R.; Müller, Rolf-Dieter (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 5  : Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs, Zweiter Halbband  : Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942–1944/45, Stuttgart, S. 215. 86 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 62. 87 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 111. 88 Vgl. zu den Hintergründen der Organisation Todt  : Singer, Hedwig (1998)  : Entwicklung und Einsatz der Organisation Todt (OT), Osnabrück.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

Regierung Verträge über die Verlagerung von Rüstungsaufträgen in die französischen Betriebe abschloss.89 Die militärischen Erfolge des Westfeldzuges führten in der nationalsozialistischen Propaganda zur Etablierung des Begriffs ›Blitzkrieg‹90. Karl-Heinz Frieser schätzt, dass die schnellen Siege allerdings auch für die Wehrmacht überraschend kamen. Man hatte die Strategie des Bewegungskrieges angewandt, die allerdings nicht neu war. Darunter ist der Einsatz von Panzerverbänden und Luftstreitkräften zu verstehen. Zum Erfolg trug wohl bei, dass sich die Alliierten zu spät auf diesen Bewegungskrieg einstellten. So konnten die Deutschen einen Moment der Überlegenheit ausnutzen.91 Die propagierte ›Blitzkrieg‹-Strategie sollte dem Deutschen Reich auch zu einem schnellen Sieg über die Sowjetunion verhelfen. Zum einen versuchte man so eine militärische Verbindung zwischen England und der Sowjetunion zu verhindern. Zum anderen hatten sich die Nationalsozialisten zum Ziel gesetzt, ›Lebensraum im Osten‹92 zu erschließen. Dies beinhaltete die Vertreibung der angestammten Bevölkerung durch Aushungern oder Umsiedlung, um Land für Deutsche zu erschließen.93 Deindustrialisierung und Deurbanisierung dienten der Agrarisierung des Gebiets, das fortan die Ernährung der deutschen Bevölkerung sichern sollte.94 Ihre Formulierung erfuhr diese Idee im ›Generalplan Ost‹95, was sie zum Kriegsmotiv machte. Beim ›Generalplan Ost‹ handelte es sich um die Lebensraumpläne der Nationalsozialisten, die schon auf annektiertem polnischem Gebiet weitreichende Umsiedlungsaktionen vorsahen. Die polnische Bevölkerung wurde aus ihren Häusern und Höfen vertrieben und im Generalgouvernement angesiedelt. Die verlassenen Güter bezogen Volksdeutsche. Die Entwurzelten wurden zumeist in Lagern untergebracht, in denen sie zur Arbeit für die deutsche Rüstungsproduktion gezwungen wurden.96 Festzuhalten bleibt, 89 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 62–66. Für weiterführende Informationen zu FTE, STO sowie »transformation« und »relève« siehe Bories-Sawala, Helga (1996)  : Franzosen im »Reichseinsatz«. Deportation, Zwangsarbeit, Alltag, Frankfurt a. M., Bd. 1. 90 Vgl. dazu unter anderem Frieser, Karl-Heinz (1996)  : Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940, München. 91 Vgl. ebd., S. 434. 92 Weiterführende Informationen zur NS-Ideologie und Geopolitik siehe Neumann, Franz (2018)  : Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933–1944, Hamburg, zweite Auflage der Neuausgabe, S. 169–216. 93 Vgl. Jersak, Tobias (2004)  : Entscheidungen zu Mord und Lüge. Die deutsche Kriegsgesellschaft und der Holocaust. In  : Echternkamp, Jörg (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 9  : Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Erster Halbband  : Politisierung, Vernichtung, Überlegen, München, S. 284. Im Folgenden zitiert als Jersak (2004)  : Entscheidungen zu Mord und Lüge. 94 Vgl. Aly, Götz  ; Heim, Susanne (1991)  : Deutsche Herrschaft im »Osten«  : Bevölkerungspolitik und Völkermord. In  : Jahn, Peter  ; Rürup, Reinhard (Hg.)  : Erobern und Vernichten. Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945, Berlin, S. 93–94. 95 Vgl. zu den Hintergründen des ›Generalplans Ost‹ Rössler, Mechtild (Hg.) (1993)  : Der »Generalplan Ost«. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik, Berlin. 96 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 50.

111

112 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

dass die Nationalsozialisten von Anfang an zahlreiche Menschenopfer in ihre Besatzungspolitik einplanten.97 Zur Umsetzung des ›Generalplans Ost‹ kam es aus diversen Gründen letztlich nur bedingt.98 Die deutschen Kriegsabsichten wurden außerdem von der Vorstellung angetrieben, dass es sich um einen Weltanschauungskrieg handle. Vermeintliche Gegner waren die Bolschewisten und ganz besonders die ›jüdischen Bolschewisten‹. Den Feldzug verstand man als ›Endkampf‹, der auch die ›Endlösung der Judenfrage‹ herbeiführen sollte.99 Den Hitler-Stalin-Pakt hatte Deutschland bereits im Dezember 1940 mit der ›Weisung Nr. 21‹ gebrochen. Darin verfügte Hitler, die Vorbereitungen für den Angriff auf Sowjetrussland bis zum 15. Mai 1941 abgeschlossen zu haben.100 Im Juni begannen die deutschen Truppen die Offensive gegen die Sowjetunion. Aus rassenideologischen Gründen ließ die Wehrmacht einen Teil der während der Kampfhandlungen internierten sowjetischen Soldaten bis Februar 1942 elend verhungern, da sie nicht für die Arbeit im Reich vorgesehen waren. Die Übrigen setzte man zur Arbeit ein. Ukrainer und Balten wurden hauptsächlich im Reich oder zum Dienst bei der Wehrmacht herangezogen.101 Für die besetzten Ostgebiete lässt sich im Folgenden ebenfalls die Rekrutierungspraxis nachvollziehen, die sich nach dem Überfall auf Polen etabliert hatte.102 Jedoch gingen die Nationalsozialisten deutlich rigoroser gegen die Bevölkerung vor und brachten so eine Zahl ausländischer Arbeitskräfte ins Reich, die um ein Vielfaches höher war als zuvor. Der Umgang verschärfte sich mit der Niederlage der Wehrmacht vor Moskau nochmals, weil auch der Arbeitskräftemangel im Reich zu einem drängenden Problem geworden war. Mit dem ›Führerbefehl zur Rüstung 1942‹103 vom 10. Januar wurde die Blitzkrieg-Strategie offiziell abgeschafft. Es folgte die Transformation der Taktik hin zum Abnutzungs- und Erschöpfungskrieg.104  97 Hohe Opferzahlen beim Feldzug gegen die Sowjetunion waren von deutscher Seite sogar kalkuliert. Beispielhaft sollen die ›Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare‹ vom 06.06.1941 angeführt werden, die die sofortige Erschießung der Politkommissare der Roten Armee vorsahen. Vgl. Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare. In  : BArch Freiburg i. Br., RW 4 OKW/ Wehrmachtsführungsstab, Nr. 578, Fol. 42–44. Zitiert nach Faksimile des BArch Freiburg i. Br. http:// www.1000dokumente.de/index.html  ?c=dokument_de&dokument=0088_kbe&l=de 02.09.2016. Vgl. außerdem Jersak (2004)  : Entscheidungen zu Mord und Lüge, S. 285.  98 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 76.  99 Vgl. Jersak (2004)  : Entscheidungen zu Mord und Lüge, S. 285–286. 100 Vgl. Weisung Nr. 21 des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht Adolf Hitler an OKW vom 18.12.1940. Abgedruckt in  : Hubatsch, Walther (1962)  : Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939–1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, Frankfurt a. M., S.  84. Edition im Folgenden zitiert als Hubatsch (1962)  : Hitlers Weisungen. 101 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 72. 102 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 186–187. 103 BdF und OBdW, Betreff  : Rüstung 1942 vom 10. Januar 1942. Abgedruckt in  : Moll (1997)  : »FührerErlasse«, Dokumentation 131, S. 219. 104 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 15.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

Das ›System des Ausländereinsatzes‹ erfuhr mit der Ernennung des Thüringer Gauleiters und Reichsstatthalters Fritz Sauckel zum ›Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz‹ im Rahmen des Vierjahresplans105 am 21. März 1942 eine weitere Institutionalisierung.106 Adolf Hitler schuf eine neue Behörde, die die Kompetenzen der bisher verantwortlichen Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz107 übernahm und die Gauleiter in den Bezirken zu ihren Beauftragten bestellte.108 Analog zu den Reichsverteidigungsbezirken wurden außerdem Gauarbeitsämter geschaffen, denen die Aufgaben der Landesarbeitsämter und der Reichstreuhänder der Arbeit übertragen wurden.109 Sauckel und Speer, der nach dem Tod Fritz Todts zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt wurde, führten ab 1942 tiefgreifende Veränderungen in Politik und Kriegsführung herbei. Mit Speer hatte ein Vertrauter Hitlers die wichtige Position im Rüstungsministerium, dem späteren Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion (RM.f.R.u.K.), übernommen.110 Der Aufruf zur ›totalen Mobilmachung‹ im Winter 1942/43 zog weitere Veränderungen des ›Systems des Ausländereinsatzes‹ nach sich. Russland hatte die Wehrmacht in einen Stellungskrieg an der Wolga verwickelt, was für einen immensen Anstieg in der Rüstungsproduktion sorgte.111 Die Praxis der Auskämmung nicht rüstungsrelevanter Industrien wurde eingeführt. Als abkömmlich eingestufte Arbeitskräfte in rüstungsfernen Industrien wurden in großer Zahl in die Rüstungsfertigung auch abseits ihres Heimatortes versetzt. Dies galt für deutsche wie für ausländische Arbeiter.112 Am 13. Januar 1943 erfolgte der ›Erlass des Führers über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung‹113. Die Unternehmen der Rüstungsindustrie sollten Frauen an geeigneten Arbeitsplätzen einsetzen, um 105 Vgl. Handbuch des GBA, Bd. I, S. 21. 106 Vgl. Scholtyseck (2010)  : Einleitung, S. 14. 107 Vgl. Stothfang, Walter (1944)  : Zur Geschichte der Arbeitseinsatz- und Reichstreuhänderverwaltung. In  : Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten, Bd. I, S. 16–17. 108 Vgl. Anordnung Nr. 1 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über Einsetzung der Gauleiter zu Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz in den Gauen. Vom 6. April 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. 1, S. 69–70. 109 Vgl. Verordnung über die Gauarbeitsämter. Vom 27. Juli 1943. In  : RGBl. I, Nr. 72, 31.07.1943, S. 450. 110 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 92. 111 Vgl. Seeber (1964)  : Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft, S. 58. 112 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänders der Arbeit Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 30.11.1943. Betreff  : Gewinnung von Arbeitskräften für die vordringlichsten Fertigungen durch Auskämmung. In  : StAC, Best. 3087 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 98. 113 Erlass des Führers über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung. Vom 13. Januar 1943. Abgedruckt in  : Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, Dokumentation 222, S.  311. Außerdem BArch Berlin, Best. R 43-II Neue Reichskanzlei, Nr. 652a, Fol. 33–37 und andere Stellen.

113

114 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

die bisher dort beschäftigten »in- und ausländische[n] männliche[n] Arbeitskräfte, Kriegsgefangene[n] und Ostarbeiterinnen«114 für schwere körperliche Arbeit frei zu machen. Fertigungen, die von den Behörden als leicht eingestuft wurden, durften ab 1. Oktober 1944 nicht mehr mit ausländischen Arbeitskräften und männlichen Deutschen besetzt werden.115 Mit der Umstellung auf den Abnutzungs- und Erschöpfungskrieg verschärfte sich ebenfalls die Situation für die jüdische Bevölkerung. Am 11. Juni 1941 erhielten die Nürnberger Gesetze auch in den angegliederten Ostgebieten Geltung.116 Die Ghettos in Polen wurden im Zuge der ›totalen Mobilmachung‹ nach arbeitsfähigen Männern durchkämmt. Die Arbeitsfähigen blieben, während die Arbeitsunfähigen in die Vernichtungslager Kulmhof-Chelmno und Auschwitz verbracht wurden.117 1942/43 weitete sich das Zwangsarbeiterlager- bzw. das KZ-System im Generalgouvernement entscheidend aus.118 Unter den Vernichtungslagern ist eine besondere Gruppe von Konzentrationslagern zu verstehen, die infolge der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 auf den eroberten Gebieten im Osten entstanden.119 Ihre einzige Aufgabe bestand in der Vernichtung der Juden. Die KZ unterstanden anfangs verschiedenen Organisationen und Institutionen. Für die Häftlingszwangsarbeit war der Vorgänger des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes (WVHA), das Verwaltungsamt-SS, zuständig. 1934 begann die SS, das System der Konzentrationslager ausgehend vom KZ Dachau zu zentralisieren. Neue Haftstätten wurden nach dem Vorbild Dachaus aufgebaut und der ›Inspektion der Konzentrationslager‹ unterstellt.120 Mit der Gründung des WVHA 1942 ging die Organisation des KZ-Systems vollständig in die Hände der SS über. Die ›Inspektion der Konzentrationslager‹ trat als Amtsgruppe D zum WHVA hinzu. In der Abteilung D II wurde nun der Arbeitseinsatz der Häftlinge geregelt.121 114 Mitteilung der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung  : Industrie an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen vom 26.09.1944. Betreff  : Heimarbeitsfähige Fertigung und Arbeitseinsatz der Frau. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 426, Fol. 74. 115 Vgl. ebd. 116 Vgl. Verordnung über die Einführung der Nürnberger Rassengesetze in den eingegliederten Ostgebieten. Vom 31. Mai 1941. In  : RGBl. I, Nr. 60, 04.06.1941, S. 297. Vgl. außerdem zur Vernichtungspolitik Steinbacher (2000)  : »Musterstadt« Auschwitz, S. 260–261. 117 Vgl. Lagebericht der Staatspolizeistelle Litzmannstadt vom 09.06.1942, abgedruckt in ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXII. 118 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 53. 119 Vgl. Steinbacher (2000)  : »Musterstadt« Auschwitz, S. 259. Die Vernichtungslager entstanden im Generalgouvernement und auf dem Gebiet des heutigen Weißrussland. 120 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 85–87 sowie S. 101, Fußnote 1. 121 Vgl. ebd., S. 85–93. Zur Gründung und Organisation des SS-WHVA vgl. Befehl des Reichsführers SS zur Gründung des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes vom 19.01.1942 mit Wirkung zum 01.02.1942. In  : BArch Berlin, NS 3 SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt Nr. 555, Fol. 18 und Rückseite. Zitiert nach Naasner, Walter (Hg.) (1998)  : SS-Wirtschaft und SS-Verwaltung. »Das SSWirtschafts-Verwaltungshauptamt und die unter seiner Dienstaufsicht stehenden wirtschaftlichen

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

Ab September 1942 erfolgte der Einsatz in der Privatwirtschaft im gesamten Reich. Untergebracht wurden die Häftlinge in kleinen Außenlagern am Einsatzort, für deren Organisation das geographisch nächstgelegene Hauptlager verantwortlich war.122 Die größte Gruppe ausländischer Arbeitskräfte, für deren Einsatz der Generalbevollmächtigte Fritz Sauckel den gesetzlichen Rahmen definieren musste, waren die sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter. Ihr genereller Einsatz wurde am 31.  Oktober 1941 beschlossen. In seiner ›Weisung Nr. 39‹ verfügte Hitler, dass alle ›uk-gestellten‹ jungen Männer »durch Kriegsgefangene und russische Zivilarbeiter, die in Gruppen eingesetzt werden, allmählich freizumachen [waren]«123. Da die sowjetischen Soldaten bisher schlecht ernährt und untergebracht wurden, man sie nun aber zum entscheidenden Faktor der »Aufrechterhaltung der Rüstungskapazität und für die Leistungsfähigkeit [der] Kriegswirtschaft«124 erklärt hatte, verfügte Hitler »eine ausreichende Ernährung und die Beseitigung der Fleckfiebergefahr«125. Ihr Einsatz wurde von mehreren Organisationen geregelt, was zu einem Kompetenz- und Bestimmungswirrwarr führte.126 Die Einsatzbedingungen für die sowjetischen Zivilarbeiter regelten die ›Ostarbeiter-Erlasse‹ vom 20. Februar 1942. Bei den Bestimmungen handelte es sich um ein Geflecht aus Reglementierungen für die zivilen Arbeitskräfte aus dem Reichskommissariat Ukraine, dem Generalkommissariat Weißruthenien oder den Gebieten östlich davon und denen, die an die früheren Freistaaten Lettland und Estland angrenzten. Die Bestimmungen waren nach dem Vorbild der ›Polen-Erlasse‹ gestaltet.127 Inhaltlich umfassten sie zuvörderst die Kennzeichnungspflicht für Ostarbeiter. Zu tragen war ein quadratisches Stoffstück mit der weißen Aufschrift ›Ost‹. Festgelegt wurde außerdem, dass Ostarbeiter lediglich eine geringe Entlohnung erhalten, ärztlich und sicherheitspolitisch vor dem Transport ins Reich überprüft und in geschlossenen Waggons befördert werden sollten. Die Überwachung bzw. die Betreuung innerhalb der Reichsgrenzen fiel der DAF bzw. dem Werkschutz oder dem Reichsnährstand zu. Die Unterkünfte waren mit Stacheldraht zu sichern und leben sollten die Ostarbeiter nach den Vorgaben des Runderlasses vom 20. Februar in Barackenlagern.128 Die meisten Unternehmungen« und weitere Dokumente, Düsseldorf, S. 225–226. Im Folgenden zitiert als Naasner (1998)  : SS-Wirtschaft und SS-Verwaltung. 122 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 94–97. 123 Weisung Nr. 39 des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht Adolf Hitler an OKW vom 08.12.1941. Abgedruckt in  : Hubatsch (1962)  : Hitlers Weisungen, S. 174. 124 Befehl des Führers vom 24.12.1941. Betreff  : Zurverfügungstellung sowjetischer Kriegsgefangener für die Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Abgedruckt in  : Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, Dokumentation 126, S. 214. 125 Ebd., S. 215. 126 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 29. 127 Vgl. ebd., S. 30. Für die Herkunft der Ostarbeiter vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl. I, Nr. 71, 02.07.1942, S. 419. 128 Vgl. Reichsführers-SS und Chef der deutschen Polizei (1942)  : Allgemeine Bestimmungen über An-

115

116 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

der Bestimmungen des Reichsführers SS fanden in der Praxis Anwendung. Sie reglementierten beinahe alle sozial-, ernährungs-, arbeits- und polizeirechtlichen Bereiche. Die Ostarbeiter traten durch sie nach Volkstumsprinzip noch hinter die Polen. Mit den Ostarbeiter-Erlassen war 1942 der Höhepunkt der Verrechtlichung rassistischer Diskriminierung erreicht.129 Für den Arbeitseinsatz der Ostarbeiter, Juden und Zigeuner wurde 1943 ebenfalls ein neues Vertragsverhältnis geschaffen. Während die anderen Zivilarbeiter über ein Arbeitsvertragsverhältnis bürgerlichen Rechts verfügten130, unterstanden Ostarbeiter, Juden und Zigeuner, wie bereits für Polen üblich, einem »Beschäftigungsverhältnis […] [ohne] sittliche[n] Gehalt«131. Darunter ist ein gegenseitiges Schuldverhältnis zu verstehen, in dessen Rahmen Arbeitsleistung zwar gegen Entgelt erbracht wurde, aber keine sozialrechtliche Bindung vorlag.132 Ostarbeiter bewegten sich nach dem Vorbild der ›Polen-Erlasse‹ außerhalb der deutschen Arbeitsordnung.133 Durch den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (GBA) wurden außerdem weitere Zuständigkeiten geregelt. Die Versorgung der Ausländer musste der Betrieb oder die Einrichtung, bei denen die Arbeitskräfte beschäftigt werden sollten, mit dem Ernährungsamt absprechen. Für die Bekleidung war das Wirtschaftsamt verantwortlich, die Unterkünfte überprüfte das Gewerbeaufsichtsamt.134 Speziell mit dem Aufbau der Lagerunterkünfte beschäftigten sich je nach Ausländergruppe DAF, Wehrmacht oder GBA. Richtlinien wurden unter anderem für die Wasch- und Abortanlagen erlassen.135 werbung und Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten. Anlage 1 des Runderlasses des Reichsführers-­SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, S IV D Nr. 208/42 (ausl. Arb.) vom 20. Februar 1942. In  : Allgemeine Erlaß-Sammlung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Rubrik 2 A III f, S. 24–35, https://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/files/rd19-3_erl-ostakennz-sw.pdf 23.11.2019. Für weitere Informationen zum Reichsnährstand siehe Jensen, Uffa (2007)  : Reichsnährstand. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 750 und Frank, Claudia (1988)  : Der »Reichsnährstand« und seine Ursprünge. Struktur, Funktion und ideologische Konzeption, Hamburg. Im Folgenden zitiert als Frank (1988)  : Der »Reichsnährstand« und seine Ursprünge. 129 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 97. 130 Verbündete oder neutrale Staaten hatten mit dem Deutschen Reich Staatsverträge über die Anwerbung von Arbeitskräften geschlossen. In den Abmachungen waren die Bestimmungen über die Arbeitsaufnahme im Reich enthalten sowie ein Musterarbeitsvertrag, wie er den dem jeweiligen Staat angehörigen Arbeitskräften bei der Anwerbung nach Deutschland vorgelegt wurde. Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 11. 131 Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S. 32. 132 Vgl. ebd. Dass dies auch für Ostarbeiter, Zigeuner und Juden zutraf, wies Spoerer nach. Vgl. dazu Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 97. 133 Vgl. Küppers, Hans  ; Bannier, Rudolf (1943)  : Einsatzbedingungen der Ostarbeiter sowie der sowjetrussischen Kriegsgefangenen, Berlin, S. 31. Im Folgenden zitiert als Küppers  ; Bannier (1943)  : Einsatzbedingungen der Ostarbeiter und sowjetischen Kriegsgefangenen. 134 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 97. 135 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 234.

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

Bestand eine Sozialversicherungspflicht für Ausländer, mussten die Beiträge an die Sozialversicherungsträger oder Knappschaftskassen abgeführt werden. Das Finanzamt erhielt die Lohn- und Bürgersteuer, die die privaten oder öffentlichen Einrichtungen für die Ausländer abführen mussten.136 Ab Juni 1942 entfielen die Bürger- und die Lohnsteuer für Ostarbeiter.137 Dafür führte der GBA die ›Ostarbeiterabgabe‹ ein. Nach Vorbild des Arbeitseinsatzes der Polen gestaltete Sauckel die Entlohnung der Ostarbeiter. Am 11. Juni 1942 hatte der GBA erlassen, dass Ostarbeiter den gleichen Lohn wie vergleichbare deutsche Kräfte erhalten sollten.138 Der Lohn wurde zwar der Leistung des Arbeiters durch Akkord- oder Prämiensätze angepasst139, dann jedoch mit so vielen Abgaben belastet, dass nach Abzug aller Steuern lediglich 0,50 RM oder weniger ausgezahlt wurden. Davon bestritten die Ostarbeiter Unterkunft und Verpflegung.140 Nach der Niederlage gegen die Rote Armee bei Stalingrad Anfang des Jahres 1943 verkündete das Dritte Reich den ›totalen Krieg‹ als seine neue Kriegsstrategie. Dies beinhaltete Produktionssteigerung in der Rüstungsindustrie und die Erhöhung der Einberufungen. Thomas Schiller gibt für 1943 ein Defizit von 2 Millionen Soldaten und 800.000 Arbeitern in der Rüstungsindustrie an.141 Für die Ausländerpolitik der Jahre ab 1943 bis Kriegsende lässt sich feststellen, dass die Kontinuität in den Sonderstrafsystemen lag. Durch die behördlich verordnete schlechte Ernährung nahmen Motivation und Arbeitsfähigkeit besonders bei Ostarbeitern schnell ab, weshalb sich die Betriebe für eine bessere Versorgung und Anlernprozesse einsetzten. Bei der Umsetzung rassistischer Behandlungsrichtlinien waren demnach Defizite entstanden, da die reale Erfahrung dem propagandistischen Bild der ›Untermenschen‹ nicht (mehr) entsprach. Einzige Regelungsinstanz der Arbeitseinsatzbehörden blieben die Sonderstrafen. Die rassistische Selektionspraxis verschob sich somit weg vom Arbeitseinsatz auf andere Bereiche, wie die Euthanasie.142 Darunter war die Tötung politisch ›gefährlicher‹ Kranker oder dauerhaft arbeitsunfähiger Zwangsarbeiter in Sonderlagern zu verstehen. Der Tod konnte entweder durch ›Behandlung‹, also aktiv, herbeigeführt 136 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 97. 137 Vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 420. 138 Vgl. Anordnung über die Entlohnung ausländischer Arbeitskräfte in der privaten Wirtschaft. Vom 11. Juni 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 117. 139 Vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 419. 140 Vgl. ebd., S. 420 und 422 sowie Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 199. 141 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Ausländereinsatz«, S. 34. 142 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S.  267–291. Für weiterführende Informationen zur Euthanasie siehe Hücker, Franz-Josef (2016)  : Verlegt an einen unbekannten Ort. Euthanasieverbrechen unterm Hakenkreuz. In  : Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg)  : Nassauische Annalen, Jg. 127, Wiesbaden, S. 259–276.

117

118 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

werden oder war Folge der Unterernährung.143 Gleichzeitig ließen sich aber auch Liberalisierungsbestrebungen beim Arbeitseinsatz erkennen, die die Bedingungen für Ostarbeiter an die der Arbeitskräfte aus dem Westen Europas angleichen wollten. Subkulturen in Lagern und bei den Einsatzträgern verhinderten jedoch, dass rechtliche Erleichterungen zur Veränderung der tatsächlichen Situation führten.144 Neben mehreren Verordnungen zu Ausbildung und Anlernung erließ der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz 1943 die Bestimmung zur »Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub«145. Damit erhielten die sowjetischen Zivilarbeiter als letzte Gruppe ausländischer Arbeitskräfte Urlaub im Umfang von einer Woche nach zwei Jahren Beschäftigung im Reich.146 Die Anordnung Nr. 11 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz stellte den Ostarbeitern nach drei oder mehr Jahren der Beschäftigung im Reich auch Heimfahrten über zwei Wochen im Rahmen des Urlaubsanspruches in Aussicht.147 Diese Anordnungen wurden mit der »Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter«148 im März 1944 aufgehoben. Dafür glich der GBA nun die Löhne der Arbeitskräfte aus der Sowjetunion an die der Polen an.149 Ostarbeiter waren fortan sozialversicherungspflichtig und konnten ihren Lohn zum Beispiel für Familienangehörige sparen.150 Zeitgleich mit der ›Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter‹ trat ab März 1944 eine Urlaubssperre für alle Angehörigen nicht verbündeter Staaten in Kraft.151 Die Sperre blieb bis Kriegsende bestehen und 143 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 142. 144 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 287 und 291. 145 Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 11 über die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub. Vom 23. Juli 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 103–104. 146 Vgl. ebd., S. 103. Grundsätzlich kam allen ausländischen Arbeitskräften in Deutschland ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub zu, ebenso wie deutschen Arbeitern. Die Dauer des Urlaubs war in den entsprechenden Tarif- oder Betriebsordnungen festgehalten. Ausländische Arbeitskräfte konnten aber mindestens sechs Arbeitstage als bezahlten Erholungsurlaub in Anspruch nehmen. Eine Sonderregelung zum Urlaubsanspruch bestand allerdings für Polen. Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 20. 147 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 11 über die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub. Vom 23. Juli 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 104. 148 Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1944)  : Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 25. März 1944. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 206–209. 149 Vgl. ebd., S. 207 und für die Regelungen der polnischen Arbeitskräfte vgl. Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S. 89. 150 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1944)  : Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 25. März 1944. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 207–208. 151 Vgl. Rundschreiben Nr. 14 der Rüstungskommission IVa des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion und des Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan an die Betriebsführer der kriegswichtigen gewerblichen Wirtschaft vom 23.03.1944. Betreff  : Urlaubssperre für

Gesetzliche Grundlagen und Entwicklung bis Kriegsende |

war dem Umstand geschuldet, dass die Einführung von Bürgen und Strafandrohung152 die ausländischen Arbeitskräfte nicht daran gehindert hatte, die Heimfahrten als letzte Möglichkeit zu nutzen, das Deutsche Reich legal zu verlassen und nicht zurückzukehren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren alle ausländischen Arbeitskräfte, auch diejenigen, die freiwillig nach Deutschland gekommen waren, Zwangsarbeiter.153 Schließlich wurden auch die Bestimmungen zur Ernährung der Ostarbeiter 1944 noch denen der anderen Ausländergruppen angeglichen.154 Ziel der Maßnahmen war die Leistungssteigerung. Umgesetzt wurden die rechtlichen Veränderungen allerdings nicht mehr, denn durch die flächendeckenden Bombardierungen der Alliierten Anfang 1945 waren der Großteil der industriellen Produktionsstätten sowie die an sie angrenzenden Ausländerlager zerstört. Das Deutsche Reich und seine Organisation brachen zusammen und damit auch das ›System des Ausländereinsatzes‹. Ausländische Arbeitskräfte irrten nun durch die ausgebombten Städte auf der Suche nach Lebensmitteln. Die lokalen Gestapo-Stellen waren schon seit 1944 zu ›Sonderbehandlungen‹ nach eigenem Ermessen im Umgang mit ausländischen Arbeitskräften berechtigt worden. Besonders Ostarbeiter fielen den willkürlichen Standgerichten von SS und Wehrmacht zum Opfer, wurden sie beim vermeintlichen Plündern ausgebombter Gebäude gestellt. Die ausländischen Arbeitskräfte galten als vogelfrei.155 Die Untersuchung zum ›Ausländereinsatz‹ auf Reichsebene zeigt, dass das System der Verfestigung von Sachzwängen geschuldet156 und die nationalsozialistische Politik von Kurzschrittigkeit geprägt war. Problemlösungen auf der einen Seite mussten stets mit Zugeständnissen auf der anderen Seite erkauft werden. Die Masse an unteren Behörden, die bewusst mit schwachen Machtmitteln ausgestattet waren, erließ eine Unmenge an gesetzlichen Bestimmungen, die gegen Ende des Krieges diametral zu den realen Gegebenheiten standen. Zwar spannen die obersten Reichsbehörden ein immer enger werdendes Netz aus Bestimmungen zum ›Ausländereinsatz‹. Der Alltag wurde allerdings durch die Entscheidungen der Einsatzträger am Einsatzort gestaltet. Spezifisch nationalsozialistisch war am ›Ausländereinsatz‹ die Verrechtlichung rassisausländische Zivilarbeiter. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 125. Im Folgenden zitiert als Rundschreiben Nr. 14 der Rüstungskommission IVa. 152 Vgl. bspw. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 12 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über Familien- und Urlaubsheimfahrten ausländischer Arbeitskräfte. Vom 2. Oktober 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 105–106. 153 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 167. 154 Vgl. Reichsministerium für Landwirtschaft und Ernährung (Hg.)  : Reichsministerialblatt der Landwirtschaftlichen Verwaltung, Jg. 1944, S. 633–635. Zitiert nach Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 129 und Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 311. 155 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 161 und 209–210. 156 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 12.

119

120 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

tischer Vorurteile. Die Aussicht auf persönliche wirtschaftliche wie machtpolitische Vorteile führte letztlich aber zur Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen im Alltag.157 In Kapitel 4 sind nun die Auswirkungen der hier diskutierten Bestimmungen auf die ausländischen Arbeitskräfte in Plauen herauszuarbeiten. Gleichzeitig müssen die Motivationen der Einsatzträger sowie der Vorgesetzten aufgedeckt werden. 3.3 Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen Bevor die Lebens- und Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte vor Ort in Plauen untersucht werden, wird die Stadt in den Kontext des Parteigaus Sachsen eingeordnet. Zum einen soll dabei festgestellt werden, welche Wirtschaftszweige regionale Bedeutung für die Ausprägung des ›Ausländereinsatzes‹ hatten. Zum anderen soll der Umfang der Ausländerbeschäftigung in Plauen mit der Ausländerbeschäftigung in Sachsen zusammengebracht werden, um feststellen zu können, wie sich die Entwicklungen in Sachsen lokal auswirkten. Ziel ist es, die Tendenzen der Ausländerpolitik im Parteigau auszumachen. Wie bereits im zweiten Kapitel festgestellt werden konnte, gehörte Sachsen bereits seit Beginn des 19.  Jahrhunderts zu den wichtigsten Standorten der Textilindustrie auf deutschsprachigem Gebiet. Es konkurrierte jedoch mit Schlesien sowie mit Gebieten in Baden-Württemberg und Westfalen.158 Die Dominanz der Textilindustrie blieb trotz Umstrukturierungsbemühungen auch im Dritten Reich bestehen.159 Den Hauptwirtschaftszweig stellte 1938 aber die Metallindustrie mit 14,3  Prozent aller durch das Arbeitsbuch registrierten Kräfte.160 Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und, damit einhergehend, mit der Abschaffung der Monarchie in Deutschland ging aus dem Königreich der Freistaat Sachsen hervor. Am 10. November 1918 als Republik Sachsen proklamiert, setzte sich für sie 1919 der Begriff ›Freistaat‹ durch.161 Nach der Gebietsreform der Nationalsozialisten entstand auf Grundlage des »Gesetzes über die Gleichschaltung der Länder mit dem Reich«162 1933 der Gau Sachsen, dessen politischer Führer der Plauener Martin

157 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 261–262. 158 Vgl. Kiesewetter (2007)  : Industrialisierung in Sachsen, S. 383. 159 Vgl. Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 70. 160 Vgl. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz in Sachsen. Mitteilungen des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dresden, 20.02.1939, Hft. 2, Anlage. Die Auswertung der Arbeitsbucherhebung vom 25.06.1938 im Bezirk des Landesarbeitsamtes Sachsen. 161 Vgl. Sächsischer Landtag (o.J.)  : Freistaat Sachsen https://www.landtag.sachsen.de/de/landtag/sachsen-europa/freistaat-sachsen-235.cshtml 28.02.2019. 162 Vgl. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933. In  : RGBl. I, Nr. 29, 02.04.1933, S. 153–154.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

Mutschmann war.163 Besonders das »Zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich«164 von April 1933 griff tief in die föderalen Rechte der Länder, die fortbestanden, ein. Es stellte den Gauen die Reichsstatthalter als Kontrollinstanz voran, die von Reichkanzler oder Reichspräsident ernannt wurden. Bis auf Bayern und Preußen wurde das Amt des Reichsstatthalters in allen anderen Landesteilen in Personalunion mit dem Amt des Gauleiters als Repräsentant der NSDAP und politisch Verantwortlichem auf Landesebene ausgeübt. Weiterhin schränkte das ›Zweite Gesetz zur Gleichschaltung‹ die Autonomie der Länder ein, indem es die Zuständigkeit eines Reichsstatthalters an die Größe des Gaus band. Kleinere Länder konnten unter einem Reichsstatthalter zusammengefasst werden.165 Der föderale Staatsaufbau wurde mithilfe des »Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches« am 30. Januar 1934 weitestgehend beseitigt.166 Unter der Maßgabe, das Reich auf den Krieg vorbereiten zu wollen, wurde die Zentralisierung mit dem »Gesetz zur Vereinheitlichung des Aufbaus der Verwaltungsbehörden«167 vom 5. Juli 1939 forciert. Ziel der Verordnung war die Begrenzung der regionalen Verwaltungsebenen. Die Landesbehörden wurden nun zu Behörden des Reichs erklärt, wodurch sich der Einfluss des Reiches auf die Länder bzw. Gaue noch einmal erhöhte.168 Das Führerprinzip wurde den regionalen Behörden mit der Bestellung der Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren am 16. November 1942169 übergestülpt. Die Gauleiter waren von nun an »politische Kommissare, die den alten Verwaltungsbehörden [vorstanden] und denen die Koordination von Arbeitseinsatz und Wohnungsbau, der Gauarbeitsämter, der Treuhänder der Arbeit, der Gauverwaltung der Deutschen Arbeitsfront, der Landesämter für Wirtschaft, Ernährung und Forsten, der Beauftragten für den Nahverkehr und der Rüstungskommissionen [oblag].«170. Aufgrund der dargelegten Umstrukturierungsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass die den ›Ausländereinsatz‹ betreffenden rechtlichen Bestimmungen auf Reichsebene von Sachsen umgehend übernommen wurden. Diese Annahme stärkt die Feststellung, dass den Ländern im Dritten Reich hauptsächlich die Aufgabe zukam, die Entscheidungen der Reichsbehörden an die ihnen untergeordneten regionalen bzw. 163 Vgl. Kukowski  ; Boch (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union, S. 58. 164 Vgl. Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 7. April 1933. In  : RGBl. I, Nr. 33, 07.04.1933, S. 173. 165 Vgl. ebd., § 1.1.1, § 1.1.2 und § 2.2. 166 Vgl. Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 198. 167 Vgl. Gesetz über die Vereinheitlichung im Behördenaufbau. Vom 5. Juli 1939. In  : RGBl. I, Nr. 122, 11.07.1939, S. 1197–1198. 168 Vgl. Neumann (1977)  : Behemoth, S. 560. 169 Vgl. Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung. Vom 16. November 1942. In  : RGBl. I, Nr. 117, 17.11.1942, S. 649–653. 170 Neumann (1977)  : Behemoth, S. 561.

121

122 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

lokalen Verwaltungsebenen weiterzuleiten. So gab beispielsweise der Sächsische Minister des Innern im Rahmen seiner Distributionsaufgabe den Schnellbrief aus dem Innenministerium des Reiches an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land weiter. In dieser Mitteilung wurde im November 1941 der Einsatz »eine[r] größere[n] Zahl [von] Arbeitskräfte[n] aus Spanien, den besetzten Ostgebieten, dem Bezirk Białystok sowie aus dem Generalgouvernement neu angegliederten Gebiet«171 angekündigt. Der Reichsinnenminister verpflichtete in seiner Nachricht unter anderem das Sächsische Innenministerium, die lokal zuständigen Gesundheitsämter in der hygienischen Überwachung der Arbeitslager zu unterweisen.172 Die Behörden auf Landes- bzw. Gauebene waren also ermächtigt, Regelungen für Spezifika zu erlassen. Um ihrer Unterweisungs- und Überwachungsaufgabe nachzukommen, formulierte die sächsische Regierung, im Speziellen der Sächsische Minister für Wirtschaft und Arbeit sowie der Sächsische Minister des Innern, zusammen mit dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes und der DAF, Gauwaltung Sachsen, Hauptabteilung Arbeitseinsatz, Gaubeauftragter für Lagerbetreuung am 14. Februar 1942 die Verfahrensweise bei der Prüfung der hygienischen Verhältnisse in den Arbeitslagern und Betrieben im Zuge des ›Ausländereinsatzes‹. In ihrer Mitteilung an die Leiter der Gesundheitsämter, der Gewerbeaufsichtsämter, der Arbeitsämter sowie an die Kreishauptabteilungsleiter für Arbeitseinsatz der DAF legten sie die Zuständigkeiten der lokalen Behörden fest.173 Dabei handelte es sich aber keinesfalls um spezifisch sächsische Regelungen, auch wenn es die Mitteilung anfangs suggeriert. Einleitend nennen die Landesbehörden den Grund für ihr Rundschreiben. Es gebe nämlich »immer noch gewisse Unklarheiten hinsichtlich der Überprüfung bei neu einzurichtenden Arbeitslagern […], [deshalb] wird […] nochmals die in Sachsen getroffene Regelung in Erinnerung gebracht.«174 Die Minister und Verantwortlichen referierten nachfolgend aber lediglich den üblichen Geschäftsgang bei der Überprüfung der Ausländerlager, wie er auch für andere Gaue festgestellt werden konnte.175 Es ist deshalb davon auszugehen, dass die in der Mitteilung der sächsischen Regierung gemachten Aussagen zur Organisation des ›Ausländereinsatzes‹ vormals auf Reichsebene erarbeitet und dann an die einzelnen Gaue weitergegeben wurden. Bei der Organisation des Einsatzes handelte es sich 171 Vgl. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an u. a. die Reichsstatthalter in den Reichsgauen, die Gesundheitsämter vom 04.11.1941. Betreff  : Seuchenhygienische Überwachung von Arbeitslagern. Weitergeleitet vom Sächsischen Minister des Innern an das Gesundheitsamt Plauen-Land am 07.11.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 172 Vgl. ebd. 173 Vgl. Mitteilung der sächsischen Minister an die Gesundheitsämter et al. vom 14.02.1942. 174 Ebd., S. 1. 175 Dass es sich bei den in der Mitteilung der Landesregierung Sachsen gemachten Anweisungen zur Organisation der Ausländerlager um allgemeingültige Aussagen für den Ausländereinsatz im Dritten Reich handelt, soll durch die Beigabe der Forschungsergebnisse aus anderen Studien zur Zwangsarbeit im Dritten Reich verdeutlicht werden.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

allerdings nicht um ein erarbeitetes Konzept. Die Organisationsstrukturen waren vielmehr in früheren Versuchen, ausländische Arbeitskräfte in großer Zahl in der deutschen Wirtschaft einzusetzen, gewachsen. Die Zuständigkeiten speziell für die Lager entwickelten sich hauptsächlich aus den Großbauprojekten des ›Reichsarbeitsdienstes‹ (RAD) und der Organisation Todt.176 Der Reichsarbeitsdienst wurde 1935 eingeführt, war von Jugendlichen beiderlei Geschlechts abzuleisten und damit probates Mittel zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit gewesen. Außerdem trug er dem erzieherischen Aspekt des NS Rechnung.177 Weiterhin ist für die von der sächsischen Regierung 1942 dargelegten Zuständigkeiten festzustellen, dass sie nicht nur für das Erstellungsjahr der Anordnung galten, sondern bis Kriegsende bestanden. Die Zuweisung von Verantwortungsbereichen durch die sächsische Regierung eignet sich, die bereits angesprochenen polykratischen Strukturen nationalsozialistischer Politik zu illustrieren. Die Zuständigkeiten sollen dazu kurz umrissen werden. Die Landesbehörden wiesen die lokalen Institutionen an, dass die Anträge auf Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte von den Betrieben beim entsprechenden lokal zuständigen Arbeitsamt gestellt werden müssten. Sobald der Antrag von der Arbeitseinsatzverwaltung genehmigt worden sei, seien das Gewerbeaufsichtsamt, das Gesundheitsamt und die DAF durch das Arbeitsamt zu informieren. Im nächsten Schritt überprüfte die DAF anhand eines dafür entworfenen Fragebogens des Reichsarbeitsministeriums die vorgesehenen Unterbringungsmöglichkeiten für Ausländer im Unternehmen. Sollte die Unterkunft von den Auflagen abweichen, war die DAF berechtigt, ergänzende Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Der ausgefüllte Fragebogen, der über die Schriftleitung des Reichsarbeitsblattes im Reichsarbeitsministerium bezogen werden konnte, war dann in dreifacher Ausfertigung an das Gewerbeaufsichtsamt weiterzuleiten. Meldung über die Ergebnisse der Überprüfung war zudem beim Kreisamtsleiter des Amtes für Volksgesundheit zu machen. Das zuständige Gesundheitsamt war verpflichtet, dem Arbeitsamt etwaige Bedenken zur Aufrechterhaltung der Hygiene im überprüften Arbeitslager mitzuteilen. Das Gewerbeaufsichtsamt sollte dann die Unterkunft ein weiteres Mal besichtigen und die Einrichtung anhand des Fragebogens erneut bewerten. Etwaige Rückfragen stellte das Amt dem Betriebsführer und zog, sofern notwendig, erneut die DAF-Dienststelle hinzu. Dem Gesundheitsamt räumte die sächsische Regierung das Recht ein, Besichtigungen des Arbeitslagers ohne Ankündigung oder Genehmigung durchzuführen.178 Von der Prüfung des Gewerbeaufsicht176 Für die Entwicklung der Lager des RAD und der Organisation Todt sowie die durch sie eingeführten Arbeitslagerstrukturen vgl. bspw. Benz, Wolfgang (1968)  : Vom Freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht. In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Hft. 4, S. 317–346 sowie Seidler, Franz W. (1998)  : Die Organisation Todt. Bauen für den Staat 1938–1945, Bonn. 177 Vgl. Reichsarbeitsdienstgesetz. Vom 26. Juni 1935. In  : RGBl. I, Nr. 64, 27.06.1935, S. 769. 178 Vgl. Mitteilung der sächsischen Minister an die Gesundheitsämter et al. vom 14.02.1942, S. 2. Der Antrag für die Zuweisung ausländischer Arbeitskräfte musste auch von öffentlichen Einrichtungen im gesamten Reich beim zuständigen Arbeitsamt vor Ort gestellt werden. Es entschied in Zusam-

123

124 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

samtes und deren Ergebnis war wiederum das Arbeitsamt zu informieren. Es sollte bei entsprechender Bewertung durch den Gewerbeaufsichtsbeamten entscheiden, ob das Lager für die Belegung mit den beantragten ausländischen Arbeitskräften bereit sei. War dies der Fall und die entsprechende Bescheinigung wurde ohne Auflagen an Betriebsführer oder Gewerbeaufsichtsamt ausgestellt, konnte das Arbeitslager in Betrieb genommen werden. Für die weitere Betreuung bzw. die regelmäßige Überprüfung der Einrichtung übertrug die sächsische Regierung die Verantwortung dem Gewerbeaufsichtsamt. Sollten im Zuge der Kontrollen Missstände auffallen, war das Amt verpflichtet, den Betriebsführer mit deren Behebung zu beauftragen. Sollte eine andere mit der Organisation des ›Ausländereinsatzes‹ betraute Institution Mängel feststellen, musste der Beschwerdeweg über die Gewerbeaufsicht führen, bevor zum letzten Mittel, dem Entzug der ausländischen Arbeitskräfte durch das Arbeitsamt, gegriffen werden konnte.179 Über die »seuchenpolizeiliche Überwachung aller Lager ausländischer Arbeitskräfte«180 durch die Gesundheitsämter hinaus klärte die sächsische Regierung weitere Zuständigkeiten. So hatte die DAF die Überwachung der Lager durch die Betriebsobmänner zu organisieren. Außerdem sollte sie die Lagerführer und die zuständigen Kreisdienststellen einsetzen. Festgestellte hygienische Mängel waren, sofern sie nicht durch die DAF selbst abgestellt werden konnten, wieder dem Gewerbeaufsichtsamt zu melden. Sollte die Gefahr einer Seuchenentwicklung im Lager bestehen, schalteten DAF und Gewerbeaufsichtsamt das Gesundheitsamt ein. Weitere Belegungen der Lager mit ausländischen Arbeitskräften waren vom Arbeitsamt dem Gewerbeaufsichtsamt und der DAF zur Kenntnis zu geben. Jedes Lager sollte ferner über einen Lagerarzt verfügen, der vom Gewerbeaufsichtsamt einzusetzen war. Auch darüber musste Mitteilung an das Gesundheitsamt und die DAF gemacht werden.181 Festzustellen ist, dass keine der vier mit der Betreuung der Ausländerlager betrauten Institutionen von der sächsischen Regierung mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde. Stattdessen entwickelten sich neben den üblichen Verwaltungsbehörden Sonderinstanzen oder Aufgabenbereiche bereits bestehender Institutionen menarbeit mit dem Rüstungskommando über Dringlichkeit und Höhe des Kontingents. So stellt es Joachim Schröder für Düsseldorf dar. Vgl. Schröder (2010)  : Stadtverwaltung und Zwangsarbeit, S. 121. Dass ausländische Arbeitskräfte erst nach der Überprüfung der Unterkünfte durch das Gewerbeaufsichtsamt vom Arbeitsamt zugewiesen wurden, generalisiert Spoerer. Gleiches gilt für die regelmäßige Kontrolle der Lager ebenfalls durch das Gewerbeaufsichtsamt. Vgl. ebd., S. 96, 119. 179 Vgl. Mitteilung der sächsischen Minister an die Gesundheitsämter et al. vom 14.02.1942, S. 2. 180 Ebd. 181 Vgl. ebd., S. 2–3. Dass die Lager der ausländischen Arbeitskräfte durch die DAF zu überwachen waren, stellt Herbert ab dem Jahr 1940 fest. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 115. Die Zuständigkeit des Gesundheitsamtes bei der Überprüfung der Hygiene in den Massenunterkünften ausländischer Arbeitskräfte, besonders wenn es um den Ausbruch von Epidemien ging, weist Schröder nach. Schröder (2010)  : Stadtverwaltung und Zwangsarbeit, S. 123.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

wurden deutlich ausgeweitet.182 Auf lokaler Ebene wurden im Fall der Kontrolle der Hygienevorschriften in den Ausländerlagern keine Sonderinstanzen geschaffen, sondern Zuständigkeitsbereiche über bisherige Kompetenzen hinaus ausgeweitet. Dies galt für die DAF und die Gewerbeaufsicht.183 Weiterhin macht die Mitteilung der sächsischen Regierung deutlich, dass die Zuständigkeitsbereiche unter den Behörden nicht klar abgegrenzt waren, sodass eine Kompetenzvielfalt entstand.184 Letztlich waren alle Behörden den jeweils anderen gegenüber auskunftspflichtig und gab es keine Weisungsbindung. Sie besaßen ähnliche bis gleiche Befugnisse, womit man zwar ihre individuellen Geltungsansprüche berücksichtigte, in der Realpolitik aber Konkurrenz und widersprüchliche Weisungen verursachte.185 Anhand der Mitteilung der sächsischen Minister, des Landesarbeitsamtes und der sächsischen DAF an die lokalen Behörden konnte geklärt werden, welche Institutionen für die Überprüfung der Lager ziviler Ausländer zuständig waren, wie die gesundheitliche Versorgung organisiert und nach welchen Verfahrensweisen Anträge auf ausländische Arbeitskräfte von Betrieben gestellt wurden. Eigene Politik gestalteten die Länder bzw. Gaue nicht, sie wendeten höchstens die vom Reich erlassenen Gesetze auf spezifische Probleme an. Auf Weisung der Reichsbehörden beschäftigte sich die sächsische Landesregierung im Zweiten Weltkrieg weiterhin mit der wirtschaftlichen Krise in der Textilindustrie sowie den Vorgängen in der florierenden Automobilbranche. Sachsen war bereits in den 1920er Jahren zu einem Schwerpunkt der Automobilindustrie und des Maschinenbaus avanciert.186 Während die Textilindustrie im Zweiten 182 Vgl. ebd., S. 120. 183 Die DAF war eigentlich dafür vorgesehen, die Arbeiterschaft nationalsozialistisch ›umzuerziehen‹ und zu pflichteifrigen wie arbeitssamen ›schaffenden Volksgenossen‹ zu machen. Dafür gestaltete die Institution auch Kultur- und Freizeitangebote für die Arbeiterschaft. Weiterhin übernahm die DAF als Eigentümerin einer Bauorganisation die Errichtung der Baracken in den Ausländerlagern. Eine Verbindung zur Ausländerbeschäftigung liegt also durchaus nahe. Andererseits grenzte die DAF auf Grundlage der Volksgemeinschaft und der durch den Nationalsozialismus aufgestellten Rassenlehre Personengruppen, die am unteren Ende der Hierarchie standen, aus. Demnach widersprach die Zuständigkeit für Polen und Ostarbeiter der ursprünglichen Aufgabe der DAF. Vgl. Hachtmann, Rüdiger (2012)  : Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront. 1933–1945, Göttingen, S. 14, 16 und 456–458. Da Polen und Ostarbeiter nicht als Teil der Volksgemeinschaft galten, schließt die DAF sie gemäß ihrem Grundgedanken eigentlich von ihrer Fürsorge aus. Auch die Zuständigkeit des Gewerbeaufsichtsamtes in den Ausländerlagern scheint eher über Umwege begründet, da es eigentlich ausschließlich für den Arbeitsschutz im Betrieb/Arbeitsprozess zuständig war. Besonders für Polen und Ostarbeiter bestanden eher laxe Vorschriften, was den Arbeitsplatz betraf. Dies sollte dazu dienen, die Arbeitskräfte auch zu gefährlichen oder schweren Arbeitsgängen heranziehen zu können. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S.  147–148. Die Kontrollen in den Lagern verwundern, da sie den lockeren Arbeitsschutzbedingungen der Polen und Ostarbeiter diametral gegenüberstanden. 184 Vgl. für die Grundzüge der Politik zum Ausländereinsatz Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 49. 185 Vgl. Schröder (2010)  : Stadtverwaltung und Zwangsarbeit, S. 120. 186 Vgl. Kukowski  ; Boch (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union, S. 36–37.

125

126 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

Weltkrieg mit der Abnahme der Konsumgüterproduktion Arbeitskräfte in die Rüstung versetzen musste, hatte die Automobilbranche durch den Nutzfahrzeugbau an Wichtigkeit gewonnen. Als eine der drei Säulen der Aufrüstung trat der Fahrzeugbau neben die Luftfahrtindustrie, die auch in Plauen rüstungsrelevant produzierte, und den Flottenbau.187 Wehrmachtsaufträge gingen allerdings nicht nur an den Fahrzeugbau, sondern auch an die Textilindustrie. Mit Kriegsbeginn hatte die nationalsozialistische Regierung die Rettungsversuche für die Textilindustrie aufgegeben. Die vor Kriegsbeginn neu angesiedelten Produktionen, in Plauen zum Beispiel die von Fallschirmen sowie weiterer textiler Ausrüstung für die Wehrmacht188, hatten die Krise nicht beheben können. Dafür waren neue Betriebe entstanden, die ein gewisses Maß an Produktivität erhielten.189 Immerhin war der Wirtschaftszweig im Gau auch während des Krieges so weit ausgeprägt, dass er die drittgrößte Gruppe ausländischer Arbeitskräfte band.190 Die historisch gewachsenen Strukturen der Textilproduktion waren jedoch für Wehrmachtsaufträge nur noch vereinzelt von Bedeutung.191 Eine größere Rolle spielten die neuen Fertigungen oder entsprechende Umrüstungen, die die Ansprüche der Kriegswirtschaft erfüllten. Mit zunehmender Kriegsdauer erhielt die Textilindustrie schließlich eine neue Bedeutung, und zwar als Arbeitskräfte- und Betriebsstättenreservoir. Auf Reichs­ebene 187 Vgl. ebd., S. 50. 188 Die Celler Spinnhütte und ihre Tochterfirma in Plauen produzierten Fallschirmseide für die Wehrmacht. Vgl. Naumann (1995)  : Die Wirtschaft Plauens, S. 73. Die Industrie-Werke produzierten als Tüllweberei Tüll für Moskito- und Mückennetze sowie Gasschutzanzüge für die Wehrmacht. Vgl. Betriebsübersicht zu Produktion und Gefolgschaft der Industrie-Werke Aktiengesellschaft, Plauen bei der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie 1943. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 189 Eine der bedeutendsten Einrichtungen war die Sächsische Zellwolle AG in Plauen. Sie beheimatete ab 1943 einen Teil des Forschungsinstitutes für Textilindustrie. Vgl. Festlegung der Ausweichplanung von Engpassfertigung in Sachsen zwischen der Rüstungsinspektion IVa und der Gauwirtschaftskammer Sachsen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. R 20-4 Rüstungsinspektion IVa (Dresden) und IVb (Reichenberg), Nr. 17, Fol. 39. 190 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 4/5, S. 19. Stichtag 15.02.1944. Beschäftigte in der Textilindustrie  : 175.959 Gesamtbeschäftigte, davon 163.512 Inländer, 11.020 zivile Ausländer und 1.427 Kriegsgefangene im Februar 1944. 191 Die Industrie-Werke produzierten bspw. als traditionelle Tüllweberei Tüll für Moskito- und Mückennetze sowie Gasschutzanzüge für die Wehrmacht in ihrer Textilveredelung. Vgl. Betriebsübersicht zu Produktion und Gefolgschaft der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen bei der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie 1943. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. Neu angesiedelt war die Mitteldeutsche Spinnhütte GmbH Celle, Werk Plauen mit ihrer Fertigung von Seidengarnen und Seidengeweben für Fallschirme. Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Anlage 1. Bericht über die Dienstreise des Rüstungsinspekteurs am 06.01.1944. 1) Mitteldeutsche Spinnhütte G.m.b.H. in Celle, Werk Plauen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 60.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

wurde für die Koordination der Ressourcenumverteilung der ›Sonderring Textil­ industrie‹ im Ministerium für Bewaffnung und Munition eingerichtet. Ihm kam die Aufgabe zu, Kräfte- und Betriebsverlagerungen zugunsten der Rüstungsproduktion durchzuführen.192 Aufgrund der Konzentration textiler Fertigung wurde sogar ein ›Bezirksbeauftragter des Hauptausschusses Wehrmacht- und allgemeines Gerät beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition im Gau Sachsen‹ eingerichtet. Er kündigte den Wirtschaftskammern an, dass auf Befehl des Reichsministers Speer zivile wie »rüstungsmäßig weniger wichtige Fertigungen entweder ganz eingestellt oder zumindest zeitweise stark eingeschränkt werden.«193 Zugunsten der Rüstung waren entsprechende Produktionen in Sachsen zur Umsetzung ausgewählt worden.194 Mit der Bestimmung zur Konzentration der Kriegswirtschaft vom 2. September 1943 waren Arbeitskräfte und Produktionsstätten fern des Luftkrieges ausgesprochen wichtige Ressourcen.195 Im Zuge der Konzentrationsbestrebungen wurden mehrere Aktionen zur Verstärkung der Rüstungsproduktion durchgeführt, die mit dem Begriff ›Auskämmung‹ verbunden sind. Darunter ist die staatlich angeordnete Versetzung von Arbeitskräften aus Konsumgüterproduktionen in die Rüstungsindustrie zu verstehen. Diese Auskämmkampagnen, zu denen zum Beispiel die ›Wissmann-Aktion‹ im Dezember 1943 zählt, nutzte das Rüstungsministerium, um kleine Firmen in großen Rüstungsproduktionen aufgehen zu lassen und durch den direkten Zugriff auf regionale Ressourcen widerstrebende Kräfte auszuschalten.196 Für die ›Wissmann-Aktion‹197 stellte die Bezirksgruppe Sachsen der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie im Auftrag des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion die Belegschaftszahlen aller textilen Fertigungen in Sachsen zusammen. Bis März 1944 sollten 80 Prozent ihrer Arbeitskräfte 192 Vgl. Mitteilung der Industrie-Werke Plauen an den Selbständigen Sonderring für Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : RÜ-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 193 Mitteilung des Bezirksbeauftragten des Hauptausschusses Wehrmacht- und allgemeines Gerät beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition im Gau Sachsen an die Gauwirtschafts- und Wirtschaftskammern in Sachsen vom 14.09.1943. Betreff  : Umsetzung aus dem zivilen Sektor. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 11. 194 Vgl. ebd. 195 Vgl. Mitteilung des Reichsministers für Rüstungs- und Kriegsproduktion an die Gauwirtschaftskammern vom 08.09.1943. Betreff  : Konzentration der Kriegswirtschaft. In  : StAC, Best. 30874 Industrieund Handelskammer Chemnitz, Nr. 43, Fol. 25. 196 Vgl. Werner, Oliver (2017)  : Rezension zu Schumann, Silke  : Kooperation und Effizienz im Dienste des Eroberungskrieges. Die Organisation von Arbeitseinsatz, Soldatenrekrutierung und Zwangsarbeit in der Region Chemnitz 1939 bis 1945. Göttingen 2016, in  : H-Soz-Kult 12.01.2017 https://www. hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24897 23.11.2019. 197 Für weiterführende Informationen zur Wirtschaftspolitik während des Zweiten Weltkrieges siehe Thamer (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz.

127

128 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

in kriegswichtige Produktionen versetzt werden. Als ›Engpassorte‹ deklariert, wurden vor allem Betriebe aus den Arbeitsamtsbezirken Dresden, Chemnitz, Zwickau, Plauen, Leipzig und Zittau berücksichtigt. 25 der 78 ermittelten Unternehmen, deren Belegschaft größtenteils in die Kriegsproduktion versetzt werden sollte, stammten aus Plauen. Dabei handelte es sich vor allem um Kleinunternehmen. Betriebe mit bis zu 900 Beschäftigten waren in Chemnitz und mit bis zu 300 Arbeitskräften in Zwickau ansässig.198 Hier wird erneut die Konzentration der Textilindustrie in Westsachsen deutlich. Den Umsetzungsvorschlägen waren Kräftebedarfsmeldungen vorausgegangen, die im Rüstungskommando Chemnitz hauptsächlich aus dem Fahrzeugbau oder der Munitionsproduktion stammten. Die Arbeitsämter Zwickau und Plauen hatten allein schon einen Arbeitskräftebedarf in Höhe von 1.361 Personen gemeldet.199 Die Situation in der Rüstungsproduktion verschäften die verstärkten Angriffe alliierter Flugzeuge, die die Verlagerung der Produktionen weg von den Rüstungszentren notwendig machten. Fortan konnten die Rüstungsinspektionen nicht nur Betriebe auskämmen und ihre Arbeitskräfte versetzen, sondern auch deren Produktionsstätten sicherstellen.200 Betroffen waren aber nicht ausschließlich Unternehmen aus der Textil- und Bekleidungsindustrie. Auch Papier verarbeitende Gewerbe wurden ab 1944 ausgekämmt und stillgelegt.201 Sobald also durch die zuständige Rüstungsinspektion festgestellt wurde, dass Betriebsstätten nicht mehr oder nur unzureichend genutzt wurden, erfolgte die Sicher­stellung. Dem betreffenden Betrieb ging ein Stilllegungsbescheid zu, der die Neuver­teilung der noch im Unternehmen vorhandenen Belegschaft auf rüstungsrelevante Fertigungen regelte.202 Neben der Reichsbehörde konnten auch die lokalen Wirtschaftskammern den Betrieben seit Kriegsbeginn Kräfte für die Rüstungsindustrie entziehen.203 Nach Stilllegung und Umverteilung der Belegschaft wurden 198 Vgl. Mitteilung der Bezirksgruppe Sachsen der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie an die Rüstungsinspektion Dresden, das Landeswirtschaftsamt Dresen und das Gauarbeitsamt Sachsen vom 24.12.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 119–121. 199 Vgl. Bedarfsmeldungen der Unternehmen an die Arbeitsämter im Rüstungskommando Chemnitz vom 31.10.1943. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 117 und 117 Rückseite. 200 Vgl. Mitteilung der Rüstungsinspektion IVa des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, Az. 33 Z.A. If c/z, an die Plauener Industriewerke AG vom 14.09.1943. Betreff  : Sicherstellung von ungenutzten gewerblichen Räumen für Zwecke der Rüstungsfertigung und Lagerung von Wehrmachtsgut. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen, und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 201 Vgl. Liste der für Umsetzungen vorgesehenen Betriebe in der Rüstungsinspektion IVa vom 24.03.1944. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 201–202. 202 Vgl. Telegramm an die Firma Tüll- und Gardinenweberei Plauen vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion am 14.10.1943. Betreff  : Stillegungsbescheid. In  : StAC, Best. 31289 L. O. Hartenstein, Plauen-Lengenfeld/Dobenauwerk, Plauen, Nr. 21, nicht foliiert. 203 Vgl. Mitteilung der Wirtschaftskammer Plauen an die Industriewerke 1943. Betreff  : Umsetzung von

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

schließlich die Räumlichkeiten nach Dringlichkeit an Rüstungsbetriebe vergeben. Mit der Beschlagnahmung zugunsten eines Unternehmens entschied man über eine Betriebs­verlagerung.204 Die Bestimmungen für Umsetzungen von Arbeitskräften und Produktionsstätten aus der Textilindustrie wurden im Oktober 1943 auf die Bekleidungsindustrie ausgeweitet.205 Plauen war von den Maßnahmen erneut betroffen. Vier ortsansässige Unternehmen, unter anderem die Zweigstelle des Warenhauses Rudolph Karstadt, mussten geschlossen werden.206 Dass Landesbehörden unter bestimmten Voraussetzungen und auf spezifischen Gebieten in die Organisation des ›Ausländereinsatzes‹ involviert waren, macht das Beispiel der Betriebsverlagerung des Werks D der Firma Osram in die Betriebsstätten der stillgelegten Plauener Textilproduzenten Industrie-Werke AG und Baumwollspinnerei 1943 deutlich.207 Ein Grund für die Betriebsverlagerung war die Anordnung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Rüstung 1943, die Elektroindustrie wegen alliierter Luftangriffe aus Berlin ins Reich zu verlagern. Die Weisung war für die Rüstungsunternehmen verpflichtend.208 Die »Weberei Deutscher Tüllgardinen, [die] Tüllweberei, [die] Dekorationsstoff- und Möbelweberei«209, wie sie in den beiden Plauener Unternehmen vorlag, gehörten nicht zu den kriegswichtigen Produktionen. Einzig die Tüllweberei erlangte mit der Herstellung von Moskitotüll, Mückenschleiertüll und Schleppscheibentüll einige Bedeutung,210 ebenso wie die in den IndustrieArbeitskräften in die Rüstungs-Industrie. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 204 Vgl. Mitteilung der Rüstungsinspektion IVa des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, Az. 33 Z.A. If c/z, an die Plauener Industriewerke AG vom 14.09.1943. Betreff  : Sicherstellung von ungenutzten gewerblichen Räumen für Zwecke der Rüstungsfertigung und Lagerung von Wehrmachtsgut. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen, und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 205 Vgl. Mitteilung der Wirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen am 10.11.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen/Wäscheindustrie. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 56. 206 Vgl. ebd., Fol. 57. 207 Vgl. Mitteilung der Industrie-Werke Plauen an den Selbständigen Sonderring für Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : RÜ-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 208 Vgl. Mitteilung von Osram vom 13.12.1943. Betreff  : Herstellung von Metalldrahtglühlampen, Stabilisatoren und Glimmlampen in Plauen i. Vogtl. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 209 Mitteilung der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen an die Industrie- und Handelskammer Plauen vom 25.01.1940. Betreff  : Versetzung nicht mit kriegswichtigen Aufgaben beschäftigter Arbeitskräfte in Rüstungsproduktion. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 210 Vgl. Betriebsübersicht zu Produktion und Gefolgschaft der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen bei der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie 1943. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert.

129

130 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

Werken beheimateten Appreturanstalten und die dortige Maschinendruckerei. Nur die Stoffveredelung war von kriegswichtiger Bedeutung, stellten die I-Werke mit den Verfahren doch Gasschutzanzüge für die Wehrmacht her.211 Trotzdem wurden die Unternehmen zwischen 1940212 und 1943213 ausgekämmt. Für Betriebsverlagerung zuständig waren auf Landesebene die Rüstungsinspektion und die Bezirksgruppe Sachsen der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie in der Gauwirtschaftskammer Sachsen.214 Die Wirtschaftsgruppe war dabei nicht nur für deutsche Kräfte verantwortlich, die aus den Stammwerken versetzt werden sollten, sondern auch für die Unterbringung der Ausländer, egal, ob sie schon im Unternehmen waren215oder von den Betrieben, in deren Stätte die Rüstungsproduktion sich verlagerte, beantragt wurden.216 Die Plauener Baumwollspinnerei AG beantragte ausländische Arbeitskräfte für die Produktion von Osram sogar nicht beim Arbeitsamt Plauen, sondern schaltete die Wirtschaftsgruppe Textilindustrie, Bezirksgruppe Sachsen, ein, die ihrerseits Verhandlungen mit dem Arbeitsamt aufnehmen sollte. Dies zeigt, dass inoffizielle Netzwerke, die sich auf persönliche Beziehungen zwischen Behörden und den Köpfen der Wirtschaftsbetriebe gründeten, mit der Verknappung ausländischer Arbeitskräfte an Bedeutung zunahmen.217 Weiterhin mussten geplante Lagerumbauten bei den Amtmännern des Baubevollmächtigten aus dem Reichsministerium Speer in Dresden beantragt werden.218 Nach erfolgreichem Antrag verfügten die Industrie-Werke und

211 Vgl. Antwort der Industriewerke AG am 09.11.1943 auf das Schreiben der Wirtschaftskammer Plauen vom 20.10.1943. Betreff  : Gegenwärtiger Auftragsbestand. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 212 Vgl. Mitteilung der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen an die Industrie- und Handelskammer Plauen vom 25.01.1940. Betreff  : Versetzung nicht mit kriegswichtigen Aufgaben beschäftigter Arbeitskräfte in Rüstungsproduktion. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 213 Vgl. Antwort der Industriewerke AG am 09.11.1943 auf das Schreiben der Wirtschaftskammer Plauen vom 20.10.1943. Betreff  : Gegenwärtiger Auftragsbestand. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 214 Vgl. Bezirksgruppe Sachsen der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie an die Firmen Plauener Baumwollspinnerei und Industrie-Werke AG am 17.09.1943. Betreff  : Abzug von Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 215 Vgl. Besprechung zwischen Osram und Direktor Stümpfig der Plauener Baumwollspinnerei AG am 20.01.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 216 Vgl. Plauener Baumwollspinnerei an die Wirtschaftsgruppe Textilindustrie, Bezirksgruppe Sachsen, Untergruppe Vogtland in Plauen am 18.12.1944. Betreff  : Lettische und estnische Arbeitskräfte. In  : Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 217 Vgl. Brenner (1979)  : Zur Frage der Ausbeutung von KZ-Häftlingen, S. 952. 218 Vgl. Bestellung für die Einrichtung der Ausländerlager bei Osram in Plauen an das Reichsministerium Speer, Abteilung Lagerausbau, z. H. Herrn Amtmann Möckel vom 30.10.1943. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

die Baumwollspinnerei im Dezember 1944 schließlich über Gemeinschaftslagerplätze für 36 männliche sowie 19 weibliche Letten und Esten.219 Für die Ausweitung des ›Ausländereinsatzes‹ in Sachsen ab 1943 waren neben dem Arbeitskräftemangel durch verstärkte Einberufungen hauptsächlich die erweiterten Produktionen in Landwirtschaft, Textilindustrie und vor allem im Fahrzeugbau verantwortlich.220 Im Reich zählte Sachsen mit den absoluten Zahlen seines ›Ausländereinsatzes‹ zu den führenden Gauen. Am 30. September 1944 waren im Großdeutschen Reich 5,9  Millionen zivile ausländische Arbeitskräfte beschäftigt.221 Davon arbeiteten 266.701 Personen in Sachsen.222 Nur die Mark Brandenburg223 und Berlin224 wiesen höhere Zahlen auf. Das Deutsche Reich hielt die Entwicklung der Ausländerbeschäftigung zu Kontrollzwecken detailliert in einem eigens dafür eingerichteten Periodikum, dem ›Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich‹, herausgegeben vom Beauftragten für den Vierjahresplan und dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, fest.225 Das Periodikum hatte bis 1942 noch unter dem Namen ›Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich‹226 firmiert und war vom Reichsarbeitsministerium herausgegeben worden.227 Bei der Auswertung der Angaben in den Periodika ist allerdings zu beachten, dass es sich um Stichtagszählungen handelte. Sie konnten vor allem ab 1943 nur die Untergrenze der Ausländerbeschäftigung in den betrachteten Verwaltungseinheiten markieren. Grund dafür war die starke Fluktuation unter den zivilen ausländischen Arbeitskräften, die vor Luftangriffen flohen oder auf der Suche nach Familienangehörigen illegal das Lager wechselten.228 Zum anderen muss für die Statistik berücksichtigt werden, dass der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz und seine angegliederten Stellen spätestens ab der vierten ›Sauckel-Aktion‹229 219 Vgl. Plauener Baumwollspinnerei an die Wirtschaftsgruppe Textilindustrie, Bezirksgruppe Sachsen, Untergruppe Vogtland in Plauen am 18.12.1944. Betreff  : Lettische und estnische Arbeitskräfte. In  : Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 220 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 4/5, S. 18–19. Stichtag 15.02.1944. 221 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 4. 222 Vgl. ebd. 223 Auf die Mark Brandenburg entfielen 337.523 ausländische Arbeitskräfte. Vgl. ebd. 224 Auf Berlin entfielen 372.798 ausländische Arbeitskräfte. Vgl. ebd. 225 Vgl. Spoerer, Mark (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich. Eine Statistik vom 30. September 1944 nach Arbeitsamtsbezirken. In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Hft. 4, S. 665–684. Im Folgenden zitiert als Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich. 226 Vgl. Reichsarbeitsministerium/GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 1–20. 227 Vgl. Reichsarbeitsministerium (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin, Hft. 1–9. Im Folgenden zitiert als RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin. 228 Vgl. Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, S. 669. 229 Darunter sind gewaltsame Auskämmungen und die Verschleppung ganzer Jahrgänge zur Gewinnung von Arbeitskräften zu verstehen. Vgl. Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit (2019)  : Fritz Sauckel (1894–1946) https://www.dz-ns-zwangsarbeit.de/alltag-zwangsarbeit-1938-1945/materialien/

131

132 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

1942–1944 im Westen die Anwerbungszahlen schönten, damit alle am Reichseinsatz beteiligten Behörden ihr Soll zumindest auf dem Papier erfüllten. Die breit angelegten Rekrutierungsversuche während der Aktion waren am Widerstand der Bevölkerung gescheitert, sodass die Anwerbungszahlen sanken.230 Erstellt wurde das Periodikum auf Grundlage der Arbeitsbuchkartei231 und schließlich im Dezember 1944 zum letzten Mal herausgegeben. Geplant war die Weiterführung der Statistik auch für das Folgejahr. Eine Neufassung kam aber nicht zustande.232 In der Zwangsarbeiterforschung wurden wegen der genannten Kritik an den Zahlen des ›Arbeitseinsatzes‹ verschiedene Studien durchgeführt, in denen die genaue quantitative Ausprägung der Ausländerbeschäftigung ermittelt werden sollte. Gesicherte Angaben konnten letztlich nicht erarbeitet werden, weshalb die Schätzungen deutlich variieren. Ulrich Herbert geht für die ausländischen Zivilarbeiter und Kriegsgefangenen in der Zeit zwischen 1939 und 1945 von 9,5 bis 10 Millionen aus. Er bezieht in seine Überlegungen vor allem die Angaben aus dem ›Arbeitseinsatz‹ ein. Hinzu kommen nach Herberts Einschätzung rund 2,5 Millionen KZ-Häftlinge.233 Diedrich Eichholtz geht dagegen von 14 bis 15 Millionen ausländischen Arbeitskräften unter Einbezug der KZHäftlinge aus, gibt aber keine Quellen dazu an.234 Mark Spoerer siedelt seine Schätzungen zwischen den beiden Erstgenannten, bei 13,5 Millionen ausländischen Arbeitskräften, an.235 Auf die Diskrepanzen in der Forschung zum Umfang des ›Ausländereinsatzes‹ sei hier nur kurz eingegangen. Die verschiedenen Ergebnisse zeigen, wie schwierig die genaue Bestimmung der Zahl der Ausländer im Deutschen Reich zwischen 1939 und 1945 ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die einzige erhaltene statistische Quelle ›Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich‹ nicht einheitlich in ihren Angaben ist. So ließ das zeitgenössische Periodikum, obwohl es sich in seinem Titel auf das Großdeutsche Reich bezog, das Warthegau, den Regierungsbezirk Zichenau, den Kreis Sudauen und das Protektorat Böhmen und Mähren außer Acht.236 Erst am 31. März 1944 ging das Warthegau in die Statistik des ›Arbeitseinsatzes im Großdeutschen Reich‹ ein.237 Die Kategorie der Häftlinge wurde im Periodikum jedoch nicht berücksichtigt.238

230 231 232 233 234 235 236 237 238

biografien/fritz-sauckel/ 03.03.2019. Für weiterführende Informationen siehe Frankenstein, Roger (1981)  : Die deutschen Arbeitskräfteaushebungen in Frankreich und die Zusammenarbeit der französischen Unternehmen mit der Besatzungsmacht, 1940–1944. In  : Długoborski, Waclaw (Hg.)  : Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel. Achsenmächte und besetzte Länder, Göttingen, S. 211–223. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 293–296. Vgl. bspw. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 9, S. 4. Vgl. Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, S. 667. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 430. Zu den berücksichtigten Quellen vgl. Fußnote 1, S. 314. Vgl. Eichholtz, Diedrich (1999)  : Unfreie Arbeit – Zwangsarbeit. In  : ders. (Hg.)  : Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939–1945, Berlin, S. 139. Vgl. Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, S. 665. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3, S. 3. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 6, 7 und 8, S. 32. Vgl. Spoerer (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, S. 667.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

Für die Untersuchung der quantitativen Ausländerbeschäftigung in Sachsen und nachfolgend in Plauen werden trotz der Kritik die zeitgenössischen Angaben aus der monatlich bis Dezember 1944 erscheinenden Statistik verwendet. Ziel ist es, für den Einsatz ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener für mehrere Gaue und Städte vergleichbare Werte auf gleicher Ermittlungsgrundlage zu erhalten. Das Gauarbeitsamt Sachsen führte zwischen 1922 und Anfang 1944 mit dem ›Arbeitseinsatz in Sachsen‹ zwar eine eigene Statistik239, dieses Periodikum wird für die nachstehende Untersuchung aber nur ergänzend berücksichtigt. Die Studie von Silke Schumann, die hauptsächlich auf der Grundlage des ›Arbeitseinsatzes in Sachsen‹ zur Region Chemnitz erstellt wurde, zeigt, dass das Periodikum des Gauarbeitsamtes die gleichen Ergebnisse liefert wie ›Der Arbeitseinsatz im Deutschen bzw. Großdeutschen Reich‹. Für die Untersuchung der Ausländerbeschäftigung in Plauen kann zusätzlich auf die statistische Aufstellung des Arbeitsamtes Plauen für Mai 1942240 und die Kriegstagebücher des Rüstungskommandos Chemnitz zurückgegriffen werden. Sie führen punktuell ebenfalls entsprechende Angaben. Möglich wäre für die Betrachtung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen außerdem die statistische Auswertung der Zentralen Namenskartei des ITS Bad Arolsen. Aufgrund des Umfangs der Unterlagen und ihrer Erstellung in der Nachkriegszeit soll davon aber abgesehen werden, denn die Untersuchung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen ist im Sinne der Alltagsgeschichte qualitativ ausgerichtet. Die Zentrale Namenskartei (ZNK) des ITS enthält trotzdem wichtige Informationen, die die Umstände der Ausländerbeschäftigung erläutern und in die Studie einbezogen werden, sofern keine zeitgenössischen Statistiken vorliegen. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, liegen im Stadtarchiv Plauen und im Kreisarchiv Oelsnitz i. V. ebenfalls Statistiken zu den ausländischen Arbeitskräften vor. Da sie allerdings nur für das Jahr 1945 gültig sind, können auch sie nur einen Anhaltspunkt zur quantitativen Ausformung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen bieten. Ausgehend von den oben genannten Statistiken soll nun die Ausländerbeschäftigung in Sachsen dargestellt und mit den Angaben zu anderen Gauen verglichen werden. Zu bedenken ist, dass die Gauarbeitsamtsbezirke des Reiches unterschiedlich groß waren, weshalb sich die absoluten Zahlen der Ausländerbeschäftigung für einen Reichsvergleich nur bedingt eignen. Um die Dichte der Beschäftigung ausländischer Zivilarbeiter auf dem Höhepunkt des Reichseinsatzes zu bestimmen, soll der Anteil an Ausländern unter 100 Arbeitern und Angestellten herangezogen werden. Hier gab der ›Arbeitseinsatz‹ für Sachsen im September 1944 ein Verhältnis von 14,8 ausländischen auf 100 deutsche Arbeitskräfte an. Im Vergleich zu anderen Gauen war der ›Auslän239 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 50–51. 240 Vgl. Statistische Zahlenunterlagen für Mai 1942. In  : Privatbestand Gerd Naumann, Sammlung der Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller im Arbeitsamt Plauen, Abt. Arbeitsvermittlung, nicht foliiert. Mit freundlicher Genehmigung von Gerd Naumann.

133

134 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

dereinsatz‹ deutlich geringer ausgeprägt.241 Dass der Anteil ziviler Ausländer in der sächsischen Wirtschaft relativ gering war, weist auch Silke Schumann nach. Sie gibt an, dass 4 Prozent aller Arbeitskräfte ausländische Zivilarbeiter waren. Im Reich belief sich der Anteil an der Gesamtbeschäftigung auf 8,5 Prozent.242 Sachsen war demnach kein Schwerpunkt des ›Ausländereinsatzes‹. Die wichtigsten Beschäftigungsfelder für In- und Ausländer entfielen in Sachsen auf dem Höhepunkt des Reichseinsatzes 1944 auf die Landwirtschaft243, die Textilindustrie244 sowie den Maschinen-, Kessel-, Apparate- und Fahrzeugbau245. Obwohl sich die textilen Produktionen dauerhaft in der Krise befanden246, beschäftigte die Herstellung militärischer Stoffe247 eine vergleichsweise hohe Zahl an Arbeitskräften. Außerdem experimentierte die nationalsozialistische Kriegswirtschaft mit Kunstfasern, um von ausländischen Baumwoll- sowie Seidelieferanten unabhängig produzieren zu können.248 Als eines der historischen Zentren der Textilindustrie bot sich Sachsen als Standort für die entsprechenden Produktionen an. Auffällig ist bei der Betrachtung der Verteilung des ›Ausländereinsatzes‹ nach Branchen, dass der sächsische Fahrzeugbau im Reichsvergleich einer der am stärksten auf zivile Ausländer zurückgreifenden Wirtschaftszweige war. Sachsen lag 1944 mit 59.148 zivilen Ausländern und 15.957 Kriegsgefangenen an zweiter Stelle nach Berlin.249 In der Hauptstadt arbeiteten 103.935 zivile Ausländer und 16.662 Kriegsgefan241 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 4. 242 Den Anteil der Ausländerbeschäftigung in Sachsen zitiert Silke Schumann aus einer ungedruckten Magisterarbeit, eingereicht an der Technischen Universität Dresden von A. Fischer (2001)  : »Fremdarbeiter« und Kriegsgefangene in Sachsen 1939–1945, S. 11–13. Den Anteil der Ausländerbeschäftigung unter allen Arbeitskräften im Reich  : Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 54. 243 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 4/5, S. 19. Stichtag 15.02.1944. Beschäftigte in der Landwirtschaft  : 72.647 Inländer, 54.877 zivile Ausländer und 22.062 Kriegsgefangene im Februar 1944. 244 Vgl. ebd. Stichtag 15.02.1944. Beschäftigte in der Textilindustrie  : 175.959 Gesamtbeschäftigte, davon 163.512 Inländer, 11.020 zivile Ausländer und 1.427 Kriegsgefangene im Februar 1944. 245 Vgl. ebd. Stichtag 15.02.1944. Beschäftigte im Maschinen-, Kessel-, Apparate- und Fahrzeugbau  : im Februar 1944 233.051 Inländer, 59.148 zivile Ausländer und 15.957 Kriegsgefangene. 246 Vgl. Mitteilung des Bezirksbeauftragten des Hauptausschusses Wehrmacht- und allgemeines Gerät beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition an die Gauwirtschaftskammer Sachsen vom 14.09.1943. Betreff  : Umsetzungen aus dem zivilen Sektor. In  : StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430, Fol. 11. 247 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 53. 248 In Plauen siedelten sich kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Sächsische Zellwolle, Flockenbast und die Mitteldeutsche Spinnhütte an. Die Sächsische Zellwolle stellte Viskose als Baumwollersatz her, die Mitteldeutsche Spinnhütte produzierte Seide und die Flockenbast AG schloss Hanf auf, um auch einen Ersatzstoff für Baumwolle zu erhalten. Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 189. 249 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 4/5, S.  19. Stich-

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

gene im Kessel-, Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau.250 Der Ausländeranteil in den Maschinenbaubetrieben nahm, trotz ihrer Produktion für die Wehrmacht, erst ab 1942 deutlich zu.251 Dies geht auf die Praxis der Arbeitskräftezuweisung zurück. In der Region Chemnitz produzierten die meisten Unternehmen bis 1942 noch im Zeichen der Rüstungsdezentralisierung. Sie fertigten für Wehrmacht und Zivilgesellschaft parallel. Die Wehrmachtsaufträge waren aber noch nicht rüstungsrelevant und wirkten sich somit nicht auf die Zuteilung von Arbeitskräften aus.252 Diese Vorgehensweise lässt sich beispielsweise für die VOMAG beobachten. Zwar produzierte sie bereits ab 1940 Feinstbohrwerke für die Wehrmacht253, parallel lief allerdings immer noch die Herstellung von Druckmaschinen, Omnibussen und Lastkraftwagen für zivile Nutzung.254 Ausländische Arbeitskräfte wurden der VOMAG ab Juli 1941 zugeteilt.255 Für das Jahr 1941 werden vom Reichsarbeitsministerium erstmals Ausländer in der sächsischen Wirtschaft erhoben. Ende November verzeichnete das Periodikum ›Arbeitseinsatz‹ 71.120 Kriegsgefangene, die in Sachsen zur Arbeit eingesetzt waren. Mit 32.024 Personen entfielen die meisten auf die Landwirtschaft, gefolgt vom Baugewerbe. 12.492 Kriegsgefangene wurden zu Meliorationen, wie der Bahnunterhaltung (4.150 Personen), dem Bau von Reichsautobahnen (80 Personen) und anderen Bauarbeiten (8.262 Personen), herangezogen.256 Zivilarbeiter wurden erst im Folgemonat erhoben. Der Kriegsgefangeneneinsatz war 1941 in Sachsen noch nicht allzu ausgeprägt. Für Niedersachsen gab der ›Arbeitseinsatz‹ bereits 121.438 Kriegsgefangene an, für Brandenburg 100.017.257

tag 15.02.1944. Beschäftigte im Maschinen-, Kessel-, Apparate- und Fahrzeugbau  : im Februar 1944 233.051 Inländer, 59.148 zivile Ausländer und 15.957 Kriegsgefangene. 250 Vgl. ebd., S. 18–19. Stichtag 15.02.1944. Beschäftigte im Maschinen-, Apparate-, Kessel- und Fahrzeugbau in Berlin  : 338.412 Angestellte. 251 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 53. 252 Vgl. ebd. 253 Vgl. Wochenbericht 28.04.–04.05.1940. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 3, Fol. 30. 254 Vgl. Naumann, Gerd (2011)  : Plauen im Bombenkrieg 1944/1945, Plauen, S. 155. Im Folgenden zitiert als Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg. 255 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle. Das Lager in der Barthmühle bestand laut Angaben des Gewerbeamtes seit Juli 1941. 256 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 1/2, S. 11. 257 Vgl. ebd.

135

136 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

Tabelle 7: Die ausländischen und die protektoratsangehörigen Arbeiter und Angestellten im Gauarbeitsamtsbezirk Sachsen Stichtag

Zivilarbeiter

25. Dezember 1941

611258

Männer

31. Dezember 1941260

47.764

37.453

20. Januar 1942

75.113

16. Februar 1942

Frauen 163259 10.311

56.933

262

18.180263

72.056 (Ausländeranteil von 4,3 Prozent)

54.561

265

17.495266

20. Mai 1942267

97.269, davon 9.387 Ostarbeiter

70.933, davon 5.285 Ostarbeiter

26.336, davon 4.102 Ostarbeiterinnen

10. Juli 1942268

123.271, davon 33.863 Ostarbeiter

85.084, davon 18.211 Ostarbeiter

38.187, davon 15.652 Ostarbeiterinnen

Ende Oktober 1942269

76.854270

15. November 1943271

235.567

31. Dezember 1943

235.921

160.534

75.387

261 264

272

15. Februar 1944273

238.387

31. März 1944274

245.250

166.258

78.992

30. Juni 1944

252.812

169.758

83.054

258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275

275

Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 3, S. 18. Vgl. ebd. Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 4, S. 15. Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 5, S. 19. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 7, S. 9. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 14/15, S. 24. Im »Arbeitseinsatz im Deutschen Reich« erstmals Ostarbeiter verzeichnet. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 16, S. 4. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 20, S. 16. Dabei handelt es sich lediglich um die Zahl der in Sachsen zwischen 01.09. und 31.10.1942 ausgestellten Ersatzkarten bzw. Arbeitsbücher für ausländische Arbeitskräfte und Angestellte. Eine Gesamtzahl war nicht zu ermitteln. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 1, S. 17. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3, S. 36. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 4/5, S. 12. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 6, 7 und 8, S. 18. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 9, S. 12.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen | Stichtag 15. August 1944

Zivilarbeiter 276

256.395

Männer

Frauen

277

Betrachtet man die Entwicklung des Einsatzes ausländischer Zivilarbeiter in Sachsen, lässt sich feststellen, dass sich die Zahl der von 1942 bis Mitte 1944 Eingesetzten verdreifacht hatte.278 Die Entwicklung in Sachsen lief damit in Einheit mit der im Reich. Ebenso wie die ausländischen Zivilarbeiter sollten auch die Kriegsgefangenen ab Frühjahr 1942 in noch größerem Umfang in der deutschen Wirtschaft eingesetzt werden.279 Für Sachsen liegen allerdings nur Zahlen bis bis Ende Juli 1942280 vor. In diesem Monat war mit 73.153 Kriegsgefangenen der Höchststand der bis dahin aufgenommenen Werte erreicht. Insgesamt bewegte sich der Kriegsgefangeneneinsatz in Sachsen bis 1942 um etwa 70.000 Arbeitskräfte.281 Interessant ist ihre Verteilung nach beruflicher Vorbildung und auf einzelne Wirtschaftszweige. Für die sächsische Landwirtschaft standen im Dezember 1941 36.668 Facharbeiter unter den Kriegsgefangenen zur Verfügung, von denen 23.577 berufsrichtig eingesetzt werden konnten. Unter den ausländischen Soldaten befanden sich weiterhin 5.487 Metallfacharbeiter, von denen 4.255 berufsrichtig eingesetzt wurden. Außerdem waren 1.956 Baufacharbeiter verzeichnet, von denen 1.269 auch im Bauwesen arbeiteten. Die Statistik wies weitere 380 Bergleute aus, von denen 333 berufsrichtig eingesetzt waren. Beinahe alle Forstarbeiter unter den Kriegsgefangenen konnten in ihrem Beruf eingesetzt werden, Steinarbeiter und Chemiefacharbeiter waren nur wenige verzeichnet, die zu 50  Prozent berufsrichtig eingesetzt werden konnten.282 Bei einer Gesamtzahl von 69.399 Kriegsgefangenen283 waren damit weit über die Hälfte der durch die Wehrmacht festgenommenen Soldaten Facharbeiter, von denen 65  Prozent berufsrichtig eingesetzt werden konnten. Ob es sich bei den Facharbeitern tatsächlich um solche handelte, 276 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 10, S. 15. 277 Vgl. ebd. In der Zahl enthalten sind 2.225 ausländische Arbeitskräfte, die sich nicht in Beschäftigung befinden oder deren Verbleib unklar ist. 278 Im Februar 1942 betrug die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter noch 72.056 (vgl. RAM [Hg.]  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 7, S. 9) und im November 1943 bereits 235.921 (vgl. GBA [Hg.]  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 1, S. 17). Zum gleichen Ergebnis kommt auch Silke Schumann in ihrer Untersuchung auf Grundlage des ›Arbeitseinsatzes in Sachsen‹. Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 54–55. 279 Vgl. ebd., S. 54. 280 Vgl. GBA (Hg.) Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 17, S. 9. 281 20. Januar 1942  : 68.229 (vgl. RAM [Hg.]  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 5, S. 12), Ende April 1942  : 68.884 (vgl. RAM [Hg.]  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 11, S. 8–9). 282 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 3, S. 16. 283 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 4, S. 16.

137

138 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

muss allerdings fraglich bleiben. Die DAF führte zur Eignungsbestimmung eine Leistungsprüfung ähnlich wie die Lehrlingsprüfung ein, um Facharbeiter bestimmen oder die Kräfte zweckmäßig einsetzen zu können.284 Denkbar ist, dass sich ausländische Soldaten als Facharbeiter ausgegeben haben, weil sie sich bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen erhofften. Dass die Kriegsgefangenen nach Facharbeitern aufgeschlüsselt wurden, zeigt, dass ein berufsrichtiger Einsatz ab Ende 1942 beabsichtigt war. Ziel des Verfahrens war, die Effizienz des ›Ausländereinsatzes‹ zu erhöhen und lange Anlernzeiten zu vermeiden. Infolge des Endes der ›Blitzkrieg‹-Strategie stiegen die Anforderungen an die Kriegsgüterproduktion, weshalb die Rüstungswirtschaftsorganisation zwischen Dezember 1941 und Januar 1942 umstrukturiert werden musste. Außerdem waren die deutschen Arbeitskräfte zwischen 1940 und 1941 um 1,6 Millionen gesunken, weshalb eine Ausweitung des ›Ausländereinsatzes‹ als unumgänglich erschien. Entgegen etwaiger Vorbehalte entschieden sich die deutschen Arbeitsverwaltungsbehörden für den berufsrichtigen Einsatz von Kriegsgefangenen und die Hereinnahme von Arbeitskräften aus der Sowjetunion in die deutsche Wirtschaft.285 Für die 68.226 am 20. Januar 1942 in der sächsischen Wirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen lässt sich feststellen, dass mit 44.522 Personen und damit rund 65 Prozent die meisten aus Frankreich stammten. Hinzu kamen 12.839 Sowjets (19 Prozent) sowie 6.972 Jugoslawen, 2.115 Belgier und 1.333 Polen.286 Die hohe Anzahl an Franzosen ist Folge der allgemeinen Auffassung, dass unter ihnen die meisten Facharbeiter zu finden seien.287 Ende 1941 hatten die Behörden bereits beschlossen, dass sowjetische Kriegsgefangene die französischen im Straßenbau und bei Erdarbeiten jeglicher Art ersetzen sollten, sodass diese auf qualifiziertere Stellen versetzt werden konnten.288 1942 wurde dann der Einsatz der Sowjets zum Großeinsatz und auf die für die Rüstung wichtigen Wirtschaftszweige ausgeweitet.289 Silke Schumann stellt in ihrer umfassenden Studie zur Ausländerbeschäftigung in der Region Chemnitz fest, dass sich der Kriegsgefangeneneinsatz in Sachsen schließlich analog zum Reich entwickelte.290 Auf die Entwicklung des Kriegsgefangeneneinsatzes auf Reichsebene wurde bereits eingegangen. Die für die Beschäftigung der Kriegsgefangenen in Plauen wichtigen rechtlichen Gegebenheiten 284 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 5. Bericht des Arbeitsamtes Zwickau vom 10.02.1943. Betreff  : Überbetrieblicher Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch das Arbeitsamt Zwickau am 09.02.1943. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 50 Rückseite. 285 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 158, 173, 202. 286 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 5, S. 12. 287 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 161 und 169. 288 Vgl. ebd., S. 161. 289 Vgl. ebd., S. 163. 290 Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 54.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

werden in Kapitel 4.4 erläutert, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll. Festgehalten sei, dass anhand der reichsweiten Entwicklung davon auszugehen ist, dass der Anteil sowjetischer Kriegsgefangener in den folgenden Monaten in Sachsen deutlich anwuchs, während ein Großteil der französischen Soldaten auf Grundlage der Abkommen ›relève‹ und ›transformation‹ ab 1942 in ihre Heimat zurückkehren konnte und etwa ein Viertel der verbliebenen französischen Kriegsgefangenen in den Status von Zivilarbeitern versetzt wurde.291 Während ›Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich‹ nur einen kleinen Eindruck vom Kriegsgefangeneneinsatz in Sachsen vermitteln kann, sind die Zahlen für die Beschäftigung ziviler Ausländer aussagekräftiger. Erstmals aufgeführt wurden die zivilen Arbeitskräfte im Dezember 1941. Bei den 611 Personen handelte es sich allerdings nicht um alle in der sächsischen Kriegswirtschaft eingesetzten Ausländer. Die Zahl gibt lediglich die im Dezember neu ausgestellten Arbeitskarten an. Beantragt wurden 782.292 Die Ausstellung einer Arbeitskarte durch die Arbeitsämter entsprach der Beschäftigungsgenehmigung. Ab 1942 wurde das System mit der Einführung von Grünzetteln für die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und von Grauzetteln für die ausländischen Arbeitskräfte in der Industrie vereinfacht.293 Eine Arbeitskarte wurde ab 1941 für jede ausländische Arbeitskraft nur auf die Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses in einem Betrieb ausgestellt. Ihr kam eine Höchstgeltungsdauer von einem Jahr zu. War die Anstellung beendet, musste die Arbeitskarte an das Arbeitsamt zurückgegeben werden.294 Einige Gruppen ausländischer Arbeitskräfte erhielten ab Juni 1941 ein Arbeitsbuch. In der Gesamtheit dürften sich zum Jahresende 1941 über 48.375 ausländische Zivilarbeiter in Sachsen befunden haben. Dies geht aus der Summe der neu ausgestellten Arbeitskarten für ausländische Zivilarbeiter im Dezember und der neu ausgestellten Arbeitsbücher bzw. Ersatzarbeitskarten für Saisonarbeiter vom 1. November bis 31. Dezember 1941 hervor.295 Die ausländischen Arbeitskräfte stammten vermutlich aus Polen und waren zumeist in der Landwirtschaft eingesetzt.296 Ab Oktober 1939 hatte man mit der Herabsetzung der Lebensbedingungen versucht, die Saisonarbeit der Polen im Reich

291 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 64–65. 292 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 3, S. 18. 293 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 34. 294 Vgl. Niederschrift über die Besprechung der Abteilung Arbeitsbuch im Arbeitsamt Plauen am 22.10.1941. In  : Privatbestand Gerd Naumann, Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller. Abteilung Arbeitsvermittlung im Arbeitsamt Plauen, nicht foliiert und Dienstbesprechung am 03.04.1941 im Arbeitsamt Plauen zum Arbeitseinsatz in Sachsen. In  : Privatbestand Gerd Naumann, Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller. Abteilung Arbeitsvermittlung im Arbeitsamt Plauen, nicht foliiert. 295 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 4, S. 15. 296 Vgl. Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S. 23.

139

140 | 

Das ›System des Ausländereinsatzes‹

neu zu beleben.297 Weiterhin könnte es sich bei den im Arbeitseinsatz verzeichneten Ausländern um Italiener gehandelt haben, die im Zuge der Staatsverträge zwischen Deutschland und Italien in der Industrie eingesetzt wurden.298 Ebenso wären Kräfte aus Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und den Niederlanden denkbar, denn mit diesen Ländern bestanden ebenfalls Staatsverträge über den Arbeitskräfteaustausch.299 Aufgrund hoher Arbeitslosigkeit waren außerdem Slowaken, Österreicher, Niederländer und auch Tschechen bereits vor 1939 in der Tradition der Saisonarbeit ins Deutsche Reich gekommen. Mit der Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren erging weiterhin die Arbeitspflicht für Tschechen.300 Auffällig ist die Entwicklung des Einsatzes weiblicher Ausländer. Bei der statistischen Aufstellung für ausländische Zivilarbeiter im ›Arbeitseinsatz‹ im Dezember 1941 waren 10.311 weibliche und 37.453 männliche ausländische Arbeitskräfte in Sachsen verzeichnet.301 Ihre Zahl stieg bis 1944 etwas stärker an als die der männlichen Arbeitskräfte. Das Verhältnis betrug bei den Stichtagszählungen in den Jahren 1942 bis 1944 zwischen 24302 und 33 Prozent303. Im Juni 1944 handelte es sich demnach bei einem Drittel der in Sachsen eingesetzten zivilen ausländischen Arbeitskräfte um Frauen. Betrachtet man abschließend die Verteilung der Ausländer nach ihrem Einsatzgebiet, ergibt sich folgendes Bild. Von den insgesamt 75.113 Personen waren im Januar 1942 rund 56  Prozent und damit die Mehrheit in gewerblichen Berufen eingesetzt. 28.770 Personen hatten eine Arbeitsstelle in der Landwirtschaft und im Gartenbau angetreten, 2.192 Arbeitskräfte waren kaufmännisch und 1.578 in der Hauswirtschaft eingesetzt.304 Auf den Gauarbeitsamtsbezirk entfielen Anfang 1942 3,5 Prozent aller zivilen Ausländer im Reich.305 Im Folgemonat stieg der Anteil am gesamtdeutschen zivilen ›Ausländereinsatz‹ auf 4,3  Prozent.306 Analog zur reichsweiten Entwicklung stieg die Ausländerbeschäftigung in der sächsischen Wirtschaft im Frühjahr 1942 dann deutlich an. Im Vergleich zum Jahresbeginn hatte sich der ›Ausländereinsatz‹ 297 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 47. 298 Vgl. ebd., S. 81. Italiener erhielten ab Juni 1941 ebenso wie Dänen und Arbeitskräfte anderer Nationalität Ersatzkarten anstelle eines Arbeitsbuches (vgl. Dienstbesprechung am 03.04.1941 im Arbeitsamt Plauen zum Arbeitseinsatz in Sachsen. In  : Privatbestand Gerd Naumann, Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller. Abteilung Arbeitsvermittlung im Arbeitsamt Plauen, nicht foliiert). 299 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 63–64. 300 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 30, 41. 301 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 4, S. 15. 302 Gilt für die Stichtagszählungen am 20. Januar und 16. Februar 1942. Berechnet nach den Angaben in RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 5, S. 19 und RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 7, S. 9. 303 Gilt für die Stichtagszählung am 30. Juni 1944. Berechnet nach den Angaben in GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 9, S. 12. 304 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 6, S. 6–7. 305 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 5, S. 19. 306 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 7, S. 9.

Der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen |

um 26 Prozent erhöht. Sachsen schien im Mai 1942 sogar eine Vorreiterrolle im Reich einzunehmen, denn erstmals wurde zum Stichtag 20. Mai der Einsatz von Arbeitskräften aus den besetzten Ostgebieten im Periodikum ›Arbeitseinsatz‹ für Sachsen dokumentiert.307 Reichsweit fanden Ostarbeiter schon früher Einsatz, wurden aber im ›Arbeitseinsatz‹ nicht verzeichnet.308 Grund dafür können die verwendeten Stichtagszählungen sein. Für den Einsatz der Ostarbeiter in Sachsen lässt sich feststellen, dass das Verhältnis zwischen Männern und Frauen deutlich ausgeglichener war als bei allen anderen zivilen Ausländergruppen. Unter den Ostarbeitern waren im Mai 1942 43 Prozent weiblich, während bei den anderen ausländischen Zivilarbeitern die Frauenquote lediglich bei 25 Prozent lag.309 Insgesamt ist unter den ausländischen Zivilarbeitern ein Frauenanteil von 33 Prozent festzustellen. Weiterhin fällt auf, dass der Anteil der Ostarbeiter zwischen Mai und Juli 1942 deutlich schneller wuchs als der der anderen ausländischen Zivilarbeiter.310 Diese Entwicklung setzt sich bis 1944 fort. Mit 256.395 Arbeitskräften aus dem Ausland war die Klimax des Betrachtungszeitraumes im August 1944 erreicht.311 Auf seinem Höhepunkt hatte sich der Einsatz ziviler Ausländer im Vergleich zu 1942 in Sachsen verdreifacht. Insgesamt machte die Beschäftigung ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener jedoch nur einen Anteil von 4 Prozent unter allen Arbeitern und Angestellten in Sachsen aus. Ihr Höhepunkt lag mit 14,8 Ausländern auf 100 deutsche Beschäftigte im August 1944. Damit war der ›Ausländereinsatz‹ in Sachsen nicht überdurchschnittlich ausgeprägt. Auf dem Reichsgebiet lag die Ausländerbeschäftigung bei 8,5 Prozent zwischen 1939 und 1945. Ebenso wie im Reich ist die starke Ausweitung des ›Ausländereinsatzes‹ ab Frühjahr 1942 auf die Verschleppung der Bevölkerung aus den besetzten Ostgebieten zur Arbeit ins Reich zurückzuführen. Damit folgte auch der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter in Sachsen den Entwicklungen im Reich.312 Gleiches galt für seine politischen Grundsätze, die aufgrund der rechtlichen Veränderungen im Reichsaufbau ebenfalls der Reichsgesetzgebung entsprachen. Die Gaue besaßen vor allem Distributions- und Kontrollaufgaben, sodass sie die Bestimmungen der Reichsbehörden lediglich ausformten und umsetzten. Durch die Praxis der Betriebsverlagerungen entstanden jedoch Parallelstrukturen, durch die Landesbehörden neue Zuständigkeiten erwirken konnten. 307 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich, Berlin 1942, Hft. 14/15, S. 24. 308 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 54. 309 Berechnung nach den absoluten Zahlen für den Einsatz ziviler Ausländer in GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich, Berlin 1942, Hft. 14/15, S. 24. 310 Angaben von Mai 1942 in ebd. Angaben vom Juli 1942 in  : GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich, Berlin 1942, Hft. 16, S. 4. 311 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich, Berlin 1944, Hft. 10, S. 15. 312 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 54.

141

4 Zwangsarbeit in Plauen

Wie in Kapitel 2 gezeigt werden konnte, durchzogen zwei historisch gewachsene Stränge die Wirtschaft Plauens mit wechselnder Bedeutungsintensität. Zum einen hatte die Textilindustrie nach dem Ersten Weltkrieg gänzlich an Bedeutung verloren, sodass es zu Betriebsschließungen kam, zum anderen expandierte die VOMAG mit dem Fahrzeug- und Maschinenbau. Besonders die VOMAG verlangte nach Arbeitskräften, doch diese konnten spätestens mit Erreichen der Vollbeschäftigung nicht mehr vor Ort gewonnen werden. Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte blieb somit auch in Plauen nicht aus. Neben der Textilindustrie und dem Fahrzeugbau trat als dritter Schwerpunkt der Ausländerbeschäftigung die Landwirtschaft hinzu. Hier kamen bereits in den ersten Kriegsmonaten Polen und Franzosen zum Einsatz, die den Mangel an deutschen Landarbeitern beheben sollten. Obwohl sich die landwirtschaftlichen Güter nicht auf dem Stadtgebiet, sondern in der Peripherie befanden, waren die Plauener Behörden doch intensiv mit der Organisation des Einsatzes der ausländischen Arbeitskräfte beschäftigt. Das Plauener Umland war eine landwirtschaftlich geprägte Gegend, wie noch darzustellen sein wird. Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte hatte in Plauen wie im Reich bereits vor 1939 Tradition. Natürlich unter völlig anderen politischen Voraussetzungen kamen Ausländer schon während der Weimarer Republik ins Vogtland und andere Grenzregionen Deutschlands, um als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft zu helfen oder als Grenzgänger ihr Einkommen in der Industrie zu verdienen.1 Für Plauen verzeichnete der Verwaltungsbericht der Kreisstadt, dass die ortsansässigen Betriebe schon 1925 auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückgriffen. Das Amtsblatt schätzte die Zahl der im Stadtbezirk befindlichen Ausländer auf 1.200.2 Im Folgejahr beantragten weitere 110 Arbeitgeber die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte.3 Festzustellen ist, dass die Reichsarbeitsverwaltung bereits 1925 regelte, dass Ausländer an ihrer Arbeitsstelle zu registrieren waren. Ein Wechsel der Arbeitsstelle war nur mit Erlaubnis des vorherigen Arbeitgebers möglich.4 Diese Regelungen waren Grundlage für die Arbeitskräftelenkung. Ausländische Arbeitskräfte waren also schon vor Beginn des Zweiten Weltkrieges in Plauen und dem Vogtland bekannt. So nahm beispielsweise die Tschechin Hilde Wohlrab am 24. Oktober 1938 bei der Teppichfabrik-Zentrale AG (Tefzet) in Oels1 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 24. 2 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen, S. 489. 3 Vgl. ebd. 4 Vgl. Verordnung über die Abänderung der Verordnung über die Einstellung und Beschäftigung ausländischer Arbeiter. Vom 16. März 1925. In  : RGBl. I, Nr. 10, 20.03.1925, S. 26.

Zwangsarbeit in Plauen 

| 143

nitz eine Anstellung auf.5 Zur gleichen Zeit hatte die Tefzet außerdem die ebenfalls aus der Tschechoslowakei (ČSR) stammende Gertrud Rößler eingestellt.6 Sie k­ amen wohl im Zusammenhang mit dem Münchner Abkommen ins Vogtland, denn im September 1938 gliederte das Deutsche Reich das tschechoslowakische Sudetenland an, das in direkter Nachbarschaft lag.7 Dass das Vogtland schon vor dem ›Anschluss‹ des Sudentenlandes Anlaufstelle für Tschechen zur Arbeitsaufnahme im Reich war, zeigt der Antrag auf Beschäftigung des Tschechen Wälty Jacob bei der Teppichfabrik Oelsnitz i. V. im August 1938.8 Neben Arbeitskräften aus dem angegliederten Sudetenland beschäftigte die Tefzet auch Polen, wie zum Beispiel Paul Josef Weilbach. Er ging von Mai bis Juni 1939 einer Anstellung bei der Teppichfabrik Zentrale AG in Oelsnitz nach.9 Hinzu kam der staatenlose Teppichweber Heinz Plessgott, der ab Juni 1939 in der Tefzet beschäftigt wurde.10 Anhand der Entwicklung in der Nachbarstadt Oelsnitz kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den 1925 im Verwaltungsbericht verzeichneten Ausländern in Plauen ebenfalls um Arbeitskräfte aus der ČSR oder Polen gehandelt haben dürfte. Bevor die Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte im Zweiten Weltkrieg untersucht werden, soll ein kurzer statistischer Überblick die quantitative Ausdehnung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen illustrieren. Auf ihrem Höhepunkt am 30. September 1944 hielten sich 12.873 zivile ausländische Arbeitskräfte in Plauen auf. Darunter befanden sich 4.715 Frauen und 8.158 Männer. 6.308 der   5 Vgl. Antrag der Teppichfabrik-Zentrale AG auf Erteilung einer Genehmigung zur Auszahlung von Löhnen beim Oberfinanzpräsidenten in Leipzig vom 28.10.1938. In  : StAC, Best. 31282 Teppichfabrik Zentrale AG (Tefzet), Oelsnitz/V. und Nachfolger, Nr. 330, nicht foliiert. Hilde Wohlrab stammte aus Graslitz. Vgl. ebd.  6 Vgl. Antrag für Lohn- und Unterstützungszahlungen der Teppichfabrik-Zentrale AG Oelsnitz i. V. beim Oberfinanzpräsidenten in Leipzig vom 17.10.1938. In  : StAC, Best. 31282 Teppichfabrik Zentrale AG (Tefzet), Oelsnitz/V. und Nachfolger, Nr. 330, nicht foliiert. Gertrud Rößler stammte aus Asch in Böhmen. Vgl. ebd.   7 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 40–41. Im März 1939 spaltete sich die Slowakei als vermeintlich souveräner Staat schließlich von der Tschechei ab und kurz darauf marschierten deutsche Truppen in Böhmen und Mähren ein. Fortan verwaltete das Deutsche Reich die beiden Regionen als Protektorat. Zum Münchner Abkommen vgl. weiterführend Zarusky, Jürgen  ; Zückert, Martin (Hg.) (2013)  : Das Münchner Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive, München.   8 Vgl. Antrag der Tefzet auf Genehmigung zur Beschäftigung von ausländischen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitnehmern beim Arbeitsamt Oelsnitz i. V. vom 25.08.1938. In  : StAC, Best. 31282 Teppichfabrik Zentrale AG (Tefzet), Oelsnitz/V. und Nachfolger, Nr. 330, nicht foliiert   9 Vgl. Genehmigungsbescheid der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten in Leipzig über die Lohnzahlung in inländischer Währung an den Polen Paul Josef Weilbach vom 12.05.1939. In  : StAC, Best. 31282 Teppichfabrik Zentrale AG (Tefzet), Oelsnitz/V. und Nachfolger, Nr. 330, nicht foliiert. 10 Vgl. Antrag der Tefzet AG Oelsnitz i. V. auf Genehmigung zur Beschäftigung von ausländischen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitern/Angestellten vom 03.06.1939 an das Arbeitsamt Oelsnitz i. V. In  : StAC, Best. 31282 Teppichfabrik Zentrale AG (Tefzet), Oelsnitz/V. und Nachfolger, Nr. 330, nicht foliiert.

144 | 

Zwangsarbeit in Plauen

12.873 Ausländer waren Ostarbeiter.11 Während die zivilen Arbeitskräfte statistisch gut erfasst sind, fällt eine Aussage über die Zahl der Kriegsgefangenen in Plauen etwas schwerer. Eine verlässliche Angabe vom Arbeitsamt liegt lediglich für das Jahr 1942 vor. Im Mai befanden sich 2.699 Kriegsgefangene zur Arbeit auf dem Stadtgebiet.12 Spätere statistische Aufstellungen der lokalen Behörden existieren nicht. Anhand der Entwicklung in der Region Chemnitz kann aber davon ausgegangen werden, dass auch die Kriegsgefangenen erst in der zweiten Kriegshälfte in größerer Zahl eingesetzt wurden.13 Einen Anhaltspunkt bietet der Kriegsgefangeneneinsatz in der VOMAG. 1942 erfuhr die Ausländerbeschäftigung bei dem Panzermonteur eine umfangreiche Erweiterung, denn ab Februar des Jahres kamen insgesamt 369 sowjetische Kriegsgefangene neben Zivilarbeitern aus ganz Europa zum Einsatz. Im letzten Kriegsjahr wurde der Großteil der Sowjets wieder abgezogen.14 Zwar hatte der Einsatz ziviler Ausländer, ebenso wie derjenige der Kriegsgefangenen, im Sommer/Herbst 1944 seinen quantitativen Höhepunkt in Plauen erreicht, doch gegen Ende des Jahres erfuhr der sogenannte ›Reichseinsatz‹ vor Ort eine Diversifizierung. Ende 1944 nahm Osram zwei KZ-Außenlager in Betrieb. Im September und Oktober wurden 496 weibliche Häftlinge aus dem Hauptlager Auschwitz nach Plauen überstellt.15 Ein Lager für männliche Häftlinge entstand am 9. November.16 Im Dezember folgten 344 Jüdinnen, die aus den Hauptlagern Bergen-Belsen und Groß-Rosen in das Außenlager der VOMAG in Mehltheuer bei Plauen verbracht wurden.17 Dass mit den 12.873 Ausländern tatsächlich der Höhepunkt der zivilen Ausländerbeschäftigung am 30. September 1944 erreicht war, kann aufgrund der Quellenlage nur vermutet werden. Statistisch ermittelt hatte die Zahl der ›Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich‹. Das Periodikum fand jedoch nach der Ausgabe im Dezember 1944, in der die Statistik für September enthalten ist, keine neue Auflage. Ulrich Herbert weist allerdings bei seiner Betrachtung der reichsweiten Ausländerbeschäftigung nach, dass mit der Intensivierung der alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte 1944 11 GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 26. 12 Vgl. Statistische Zahlenunterlagen für Mai 1942. In  : Privatbestand Gerd Naumann, Sammlung der Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller im Arbeitsamt Plauen, Abt. Arbeitsvermittlung, nicht foliiert. Mit freundlicher Genehmigung von Gerd Naumann. 13 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 56. 14 Vgl. Mitteilung der VOMAG an das Polizeipräsidium Plauen vom 14.01.1946. Betreff  : Beschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 132–170. 15 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : Bestand des Archivs der Gedenkstätte Flossenbürg. 16 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227. 17 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : Bestand des Archivs der Gedenkstätte Flossenbürg.

Zwangsarbeit in Plauen 

| 145

die Zahl der zivilen ausländischen Arbeitskräfte sank.18 Die Bombardierung Plauens begann am 12. September 1944.19 Die Massenflucht war bereits zuvor zum Problem für die NS-Behörden geworden. In Plauen versuchten schon 1943 Kriegsgefangene20 und ausländische Zivilarbeiter21, den Repressionen der Nationalsozialisten durch Flucht zu entgehen. Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte sank außerdem, weil die Bombardierungen zahlreiche Todesopfer forderten. Die Verwaltung des Plauener Hauptfriedhofs hatte im Jahr 1944 mehr Todesfälle verzeichnet als 1942 und 1943 zusammen.22 Die Bombardements auf Plauen spitzten sich zu, bis die Stadt beim Angriff am 10./11. April 1945 beinah vollständig zerstört wurde.23 Die Rekrutierungen ausländischer Arbeitskräfte waren aufgrund der militärisch schlechten Lage für das Deutsche Reich in den letzten Kriegsmonaten zum Erliegen gekommen.24 An dieser Stelle sei nun noch kurz dargestellt, wie sich der Arbeitseinsatz in Plauen ab 1939 bis zu seinem Höhepunkt 1944 entwickelte. Die ersten Ausländer, die nach Kriegsbeginn für Plauen verzeichnet wurden, waren polnische Landarbeiter. Über die Konditionen ihres Einsatzes informierte der sächsische Minister des Innern alle Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte im Februar 1940.25 Die Arbeitskräfte wurden noch ganz in der Tradition der Ausländerbeschäftigung vor Kriegsbeginn als Wanderarbeiter und Hausgesinde bezeichnet.26 Wichtigstes Anliegen des Innenministers war die Beachtung der Hygienevorschriften. Die polnischen Zivilarbeiter sollten vor allem wegen der angeblich von ihnen ausgehenden Seuchengefahr streng überwacht 18 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 379. 19 Vgl. Naumann, Gerd (2007)  : Plauen im Bombenkrieg. In  : Unger, Brigitte  ; Pöllmann, Werner et al. (Hg.)  : Der Vogtlandatlas. Regionalatlas zur Natur, Geschichte, Bevölkerung, Wirtschaft und Kultur des Sächsischen Vogtlandes, Chemnitz, S. 50. 20 Seit 03.12.1943 war der Bauarbeiter Nikolaj Filatow bei der VOMAG flüchtig. Er hatte seine Arbeit erst am 30.10.1943 aufgenommen. Vgl. Mitteilung der VOMAG an das Polizeipräsidium Plauen vom 14.01.1946. Betreff  : Beschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 154. 21 Zwischen dem 06.05.1943 und dem 12.07.1943 waren belgische und französische Zivilarbeiter wegen Flucht im Lager ›Sachsenhof‹ interniert. Vgl. Abschlussbericht Nr. 99. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 22 1942/43 waren 40 Todesfälle ausländischer Arbeitskräfte verzeichnet. 1944 starben allein 46 ausländische Arbeitskräfte und bis Mai 1945 kamen nochmals 55 hinzu. Vgl. Mitteilung des VEB Grünanlagen und Bestattungswesen an den Oberbürgermeister Voigt vom 17.05.1967. Betreff  : Ermittlung aller in der Stadt verstorbenen und beigesetzten Ausländer im Zweiten Weltkrieg. In  : Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 33–45. 23 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 6. 24 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 209. 25 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ankunft einer größeren Zahl von polnischen Arbeitern sowie Überwachung der polnischen Wanderarbeiter wegen Einschleppung von Ungeziefer. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 26 Vgl. ebd.

146 | 

Zwangsarbeit in Plauen

und von der deutschen Bevölkerung ferngehalten werden.27 Nachweislich eingesetzt wurden die polnischen Kräfte spätestens ab Mitte 1940 auf Gütern in der Plauener Peripherie.28 Um die Güter im Plauener Landkreis ausreichend bewirtschaften zu können, wurden den Bauern neben den polnischen Zivilarbeitern im August 1940 ebenfalls französische Kriegsgefangene zugewiesen. Sie waren einzeln29 oder in kleinen Gruppen beispielsweise in Mechelgrün30 und ab September vermutlich auch in Pausa eingesetzt.31 Die polnischen Landarbeiter wurden 1941 allerdings nicht nur in der Peripherie zur Arbeit herangezogen. Auch für die Stadt war ihr Einsatz aktenkundig. Hier sind zwölf Bauern verzeichnet, die im Mai 1941 polnische Landarbeiter beschäftigten.32 Zur gleichen Zeit waren 304 Polen im Bereich des Staatlichen Gesundheitsamtes PlauenLand auf 184 Arbeitsstellen, also Gütern, eingesetzt.33 Der Einsatz der Polen wurde 1941 auch auf andere Gewerbezweige ausgeweitet.34 Im Lager Rentzschmühle bei Trieb kamen beispielsweise 30 Arbeiter unter, die für den Eisenbahnbau eingesetzt wurden.35 Schon im Januar 1940 hatte der Masseneinsatz der polnischen Arbeitskräfte in Landwirtschaft und Industrie im Reich begonnen und 27 Vgl. ebd. 28 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 29 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Er gab an, dass Bauer Gläser in Wallengrün einen Kriegsgefangenen zur Arbeit einsetzte und diesen nicht mit zur Arbeit tauglichen Schuhen ausstatten wollte. 30 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 31 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 32 Vgl. Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein an die Plauener Bauern am 21.05.1941. Betreff  : Entlausung der polnischen Landarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 33 Vgl. Mitteilung des Regierungsmedizinalrates Dr. Müller an den Regierungspräsidenten in Zwickau am 23.05.1941. Betreff  : Kontrolle der polnischen Landarbeiter auf Läusebefall im Bereich des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 34 Vgl. Mitteilung des Oberwachtmeisters der Gendarmerie Jößnitz an den Landrat im Gesundheitsamt Plauen vom 18.06.1941. Betreff  : Erörterungen zum polnischen Arbeitslager im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Der Oberwachtmeister bezeichnete die polnischen Arbeitskräfte in seinem Bericht als gewerbliche Zivilarbeiter. 35 Vgl. Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel über die Kontrolle des Lagers Rentschmühle am

Zwangsarbeit in Plauen 

| 147

zur Regelung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen schufen die Arbeitsverwaltungsbehörden ein Sonderrecht.36 Ab Ende 1941 kamen dann Kriegsgefangene aus der Sowjetunion hinzu. Für die Plauener Peripherie ist im Oktober 1941 ein Kriegsgefangenenlager im Gasthof Mehltheuer aktenkundig, in dem sowjetische Soldaten interniert waren.37 Zur Arbeit wurden sie Ende des Jahres auf Befehl des Führers »in [der] Rüstungs- und Kriegswirtschaft […] für die Aufrechterhaltung der Rüstungskapazität und für die Leistungsfähigkeit [der] Kriegswirtschaft« herangezogen.38 Der Einsatz ist für die im Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ bei Plauen untergebrachten sowjetischen Kriegsgefangenen 1941 noch nicht festzustellen. Erst für 1944 existieren Unterlagen dazu. Betreiber des Lagers war spätestens ab Januar 1944 das Reichsbahn-Betriebsamt Plauen. Es setzte die mittlerweile aus England stammenden Kriegsgefangenen für Instandhaltungsarbeiten ein. Lagerorganisation, Bewachung und Versorgung fielen spätestens seit Dezember 1941 der Wehrmacht zu.39 Auch bei den ausländischen Zivilarbeitern kamen ab 1941 neue Gruppen in Plauen hinzu. Im Juli dokumentierte das Gesundheitsamt Plauen-Land ein Italienerlager im Gasthof Thiergarten, dessen Betreiber die Sächsische Zellwolle AG war.40 Im gleichen Monat kontrollierte der Gewerbeaufsichtsbeamte ein weiteres Lager für italienische Arbeitskräfte, diesmal in Barthmühle. Die VOMAG hatte hier ihre Arbeiter untergebracht.41 Im Juli 1941 erhielten die Mitglieder des Deutschen Frauenwerkes Nachricht, dass ihnen eine Französin für den Haushalt zugeteilt werden könne.42 Ob es dazu kam, lässt sich nicht überprüfen. Aktenkundig wurde dagegen die Verpflich12.09.1941 an das Gesundheitsamt Plauen-Land. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 36 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 79–80. 37 Vgl. Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel über den Besuch im Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ Mehltheuer am 27.10.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 38 Abschrift zum Rundschreiben IV g 3059/42 des Chef des Oberkommandos der Wehrmacht vom 24.12.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 39 Vgl. Mitteilung des Vorstandes des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 12.01.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager in Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. In der Mitteilung nennt das Bahnbetriebsamt den Zeitpunkt, ab dem ein Pachtvertrag für die an den Gasthof angegliederten Fremdenzimmer für weitere Wehrmachtswachen bestand. Seit 01.12.1941 wurden die Zimmer angemietet. Pacht für Saal und Bierausgabe, in denen die Kriegsgefangenen untergebracht waren, war sicher schon früher geschlossen worden. Dass die Wehrmacht die Lagerorganisation und die Versorgung der Kriegsgefangenen übernahm, beschreibt der Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel über den Besuch im Gasthof ›Sächsisch Bayerischer Hof‹ Mehltheuer am 27.10.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 40 Vgl. Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes Plauen an das Gesundheitsamt Plauen-Land am 19.07.1941. Betreff  : Italienerlager der Sächsischen Zellwolle AG im Gasthof Thiergarten. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 41 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle. 42 Vgl. Einladung des Deutschen Frauenwerkes zum Austausch über Fragen bei der Beschäftigung franzö-

148 | 

Zwangsarbeit in Plauen

tung junger Ostarbeiterinnen, ab 1942 als Hausgehilfinnen in deutschen Familien zu arbeiten.43 Für die Jahre 1940 und 1941 lässt sich festhalten, dass in der Stadt Plauen sicher nur wenige Hundert ausländische Arbeitskräfte eingesetzt waren. Für 1939 liegen keine Nachweise über eine Ausländerbeschäftigung in der Stadt vor. Es ist lediglich eine Aufstellung des Landkreises Plauen erhalten, aus der hervorgeht, dass zwischen 1939 und 1940 431 ausländische Arbeitskräfte auf den landwirtschaftlichen Gütern in der Plauener Peripherie eingesetzt wurden.44 Die Aufstellung verweist damit auf einen Unterschied zwischen Stadt und Land. Während das landwirtschaftlich geprägte Plauener Umland bereits ab 1939 die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte verzeichnete, lassen sich für die Stadt erst 1940 Ausländer nachweisen. Mit Verlagerung des ›Ausländereinsatzes‹ in die Industrie nahm schließlich auch die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in der Stadt Plauen zu. Damit folgte der Arbeitseinsatz in Plauen den Grundzügen der Ausländerbeschäftigung im Reich. Die größte Gruppe unter den ausländischen Zivilarbeitern kam schließlich 1942 ins Reich. Im Januar informierte das Plauener Arbeitsamt über den Umgang mit ausländischen Arbeitskräften aus dem Osten und Südosten. Bedacht war man erneut auf die Einhaltung der hygienischen Bestimmungen, wie sie der Reichsminister des Innern und der Reichsarbeitsminister im Dezember 1941 herausgegeben hatten. Dazu bat das Arbeitsamt das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land, Angaben über alle Einrichtungen zu machen, die Ostarbeiter beschäftigten oder zumindest deren Beantragung beabsichtigten. Weiterhin teilte das Arbeitsamt Plauen dem Staatlichen Gesundheitsamt Plauen-Land mit, dass aus seinem Hause noch keine Anwerber in die besetzten Ostgebiete ausgesandt wurden. Sollten obere Stellen die Plauener Kräfte für die Durchführung von Anwerbungen doch noch anfordern, sei das Gesundheitsamt für die Schutzimpfung gegen Fleckfieber zuständig.45

sischer Haushaltsgehilfinnen vom 04.07.1941. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 7086, nicht foliiert. 43 Vgl. Anlage zur Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land vom 04.07.1944. Betreff  : Einsatz ausländischer Hausgehilfinnen bei deutschen Familien. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. außerdem zum Beginn des Einsatzes der Ostarbeiterinnen in deutschen Haushalten  : Hauptmeldebogen von Praskowja Lasarewa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 73334499/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen sowie Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 44 Vgl. Aufstellung zur Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in der Landwirtschaft zwischen 1939 und 1940. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 6887, Fol. 17. 45 Vgl. Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land vom 19.01.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten und Südosten  ; hier  : Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung von Fleckfieber. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Zwangsarbeit in Plauen 

| 149

Erstmals erwähnt wurde der Einsatz ziviler Russen und Ukrainer im Plauener Land Mitte 1942.46 Der Anteil der Ostarbeiter unter den zivilen Ausländern wuchs in Plauen bis September 1944 auf 50 Prozent an.47 Eingesetzt wurden die aus der Sowjetunion stammenden Arbeitskräfte beinahe in allen Bereichen der Industrie sowie weiterhin in der Landwirtschaft. Zwei Jahre später hatte sich die Zahl der Arbeitskräfte aus dem Osten in der Stadt Plauen verdoppelt.48 Gründe dafür können die Umstellung der ortsansässigen Unternehmen auf die Kriegswirtschaft und die vor allem in die Textilbetriebe verlagerten Rüstungsunternehmen sein.49 Bei Verlagerungen nutzten die Rüstungsunternehmen entweder die bereits in den Aufnahmebetrieben vorhandenen Arbeitskräfte oder brachten Arbeiter aus ihren Stammwerken mit oder ließen die Aufnahmebetriebe Ausländer für die Verlagerungsproduktion beantragen. Mit den Rüstungsunternehmen aus den wirtschaftlichen Ballungszentren kamen nicht nur Ost-, sondern auch Westarbeiter ins Vogtland. Interessant ist die Feststellung, dass alle Fremdarbeiter der Firma Weber vom Stammwerk in Berlin in die Anlagen der Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 nach Plauen folgten, während die Ostarbeiter aus der Plauener Textilproduktion der Tüll- und Gardinenweberei AG entnommen wurden.50 Betriebsverlagerungen führten also ab 1944 zu einem Anstieg vor allem bei den Zivilarbeitern. Doch nicht nur auswärtige Rüstungsunternehmen setzten ausländische Arbeitskräfte ein, sondern auch ortsansässige Betriebe beschäftigten ab 1942/43 Polen, Ost- und Westarbeiter. Eingesetzt wurden sie in der Montage der VOMAG, in den Textilfertigungen, bei der Reichsbahn51, bei der Post52, im ­Telegrafenbauamt53, im Stadtkrankenhaus54 und sogar bei der Gestapo55. Die Landwirtschaft blieb das Haupt46 Vgl. Aktennotiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 13.07.1942. Betreff  : Beschwerde von Elisabeth Porst über Ungeziefer bei russischem und ukrainischem Arbeiter auf dem Hof von Bauer Döscher in Zwoschwitz. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 47 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 26. 48 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 17, S. 18. Zahl der Ostarbeiter am Stichtag 10.07.1942  : 2.193. Vgl. außerdem GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3, S. 51. Zahl der Ostarbeiter am Stichtag 30.12.1943  : 4.741. 49 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 56. 50 Vgl. Abrechnung der durch die Tegewe ausgelegten Löhne und Sozialabgaben für die Produktion Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 vom 23.03.–14.06.1944. In  : StaC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 51 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 68, 2.1.4.1 / 70955175/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 52 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 5, 2.1.4.1 / 70955112/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 53 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 17, 2.1.4.1 / 70955124/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 54 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 73, 2.1.4.1 / 70955180/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 55 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 2, 2.1.4.1 / 70955109/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

150 | 

Zwangsarbeit in Plauen

beschäftigungsgebiet der Kriegsgefangenen, aber auch das Baugewerbe bediente sich ihrer.56 Außerdem beheimatete Plauen eine im Reich einmalige Einrichtung, in der ausländische Arbeitskräfte beschäftigt wurden, den Fremdsprachenverlag. Hier übernahmen Ausländer die Redaktion deutschlandfreundlicher Periodika, um ihre Landsleute zur Arbeit zu motivieren und die allgemeine Stimmung unter den Arbeitskräften zu heben. Der Verlag entstand aus dem am 15. September 1939 mit Sitz in Berlin gegründeten Fremdsprachendienst der Reichsrundfunkgesellschaft. Nach einigen Umstrukturierungen löste sich der Fremdsprachendienst aus der Reichsrundfunkgesellschaft und firmierte ab Juli 1943 als eigenständige Einrichtung. Noch im gleichen Jahr zog der Verlag als Fremdsprachenverlag nach Plauen um, um sich vor dem Luftkrieg in Berlin zu schützen. In seinem Betrieb übernahmen Polen, Dänen, Franzosen, Bulgaren, Belgier, Niederländer, Tschechoslowaken und Sowjets die unterschiedlichsten Aufgaben. Von sowjetischen Packern bis zu französischen Zeitungsdirektoren waren ausschließlich Ausländer beschäftigt. Sowjets und Polen übernahmen allerdings keine höheren Aufgaben, während die Verlagsspitze ausschließlich aus deutschem Personal bestand. Die Besonderheit an der Ausländerbeschäftigung im Fremdsprachenverlag war das Anstellungsverhältnis vor allem der höhergestellten Arbeitskräfte. Sie wurden als Kollaborateure verstanden und entsprechend umfangreich entlohnt.57 Einer völlig anderen Situation standen ab 1943 die italienischen Arbeitskräfte gegenüber. Sie waren als Angehörige eines befreundeten, ebenso faschistischen Staates auf Grundlage bilateraler Abkommen zum Arbeitskräfteaustausch auch nach Plauen gekommen. Als Fachpersonal unter anderem in der VOMAG-Gießerei eingesetzt, kamen ihnen besondere Rücksichtnahmen zu.58 Ob die italienischen Facharbeiter der VOMAG zu dem Teil der 250.000 Italiener gehörten, die in Auskämmaktionen der italienischen Regierung zwischen März 1941 und Dezember 1942 zur Arbeit im Deutschen Reich gezwungen wurden,59 kann nicht mehr festgestellt werden. Jedoch folgte im Juli 1943 der Umbruch für die Arbeitskräfte aus Italien. Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes Italiens mit den Alliierten wurde den noch im Deutschen Reich befindlichen Italienern die Heimkehr untersagt. In der Folge besetzten deutsche Truppen Nord- und Mittelitalien. Im Oktober 1943 wurde die Arbeitspflicht für alle Angehörigen der Jahrgänge 1910 bis 1925 eingeführt. Die Pflicht konnte entweder in Italien oder im Deutschen Reich abgeleistet werden, was den Norden und die 56 Vgl. Beschäftigung englischer Kriegsgefangener, Plauen, 2.1.4.1 / 70954870/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 57 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 132, 137–138. 58 Vgl. Notiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land, Gesundheitsaufseher Riedel, vom 18.09.1941. Betreff  : Kontrolle des Lagers für italienische Arbeiter in der Vomag im Hotel Barthmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Als Problem stellte der Gesundheitsaufseher fest, dass die Warmwasseraufbereitung im Lager noch nicht geklärt sei. Die Bewohner sollten fortan Zugang zum Bad der Gießerei in der VOMAG erhalten. 59 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 82.

Zwangsarbeit in Plauen 

| 151

Mitte des Landes für das NS-Regime zu einem riesigen Arbeitskräftereservoir machte. Außerdem profitierte die deutsche Wirtschaft von den festgenommenen italienischen Truppen. Die Soldaten wurden in den Sonderstatus der ›italienischen Militärinternierten‹ (IMI) anstelle des Status der Kriegsgefangenen versetzt. Damit umgingen die Nationalsozialisten das Völkerrecht und waren bei der Behandlung nicht an die Genfer Konventionen gebunden. Die Soldaten kamen als IMI ins Reich und wurden hier zur Arbeit eingesetzt.60 In Plauen waren IMI unter anderem bei der Pan GmbH, ein Deckname für die Produktion der Erla-Maschinenwerke, eingesetzt. Sie beschäftigte die Italiener auch nach deren zwangsweiser Überführung in den Status von Zivilarbeitern im August und September 1944 weiter.61 Die Situation der IMI war ausgesprochen schlecht, wurden sie doch als Verräter behandelt. Das Stigma der Verräter blieb auch nach ihrer Überführung in den Zivilstand bestehen. Die Vorbehalte der Deutschen gegenüber italienischen Arbeitskräften stammten noch aus der Zeit der bilateralen Verträge zum Arbeitskräfteaustausch. Die bis 1943 von den Behörden eingeforderten Rücksichten deutscher Kollegen am Arbeitsplatz entsprachen nicht der Wahrnehmung der Arbeitsleistung italienischer Kräfte in der deutschen Bevölkerung.62 In den letzten Wochen des Krieges zog man ausländische Arbeitskräfte schließlich vorwiegend zu Schanz- und Aufräumarbeiten heran, da die Rüstungsindustrie nach den Bombenangriffen auf das Deutsche Reich brachlag.63 Viele Zivilarbeiter waren durch den Luftkrieg obdachlos geworden und galten den Sicherheitsbehörden damit unverzüglich als Arbeitsvertragsbrüchige.64 Die Plauener Gestapo verbrachte die Aufgegriffenen vermutlich so wie Schutzhäftlinge in den Monaten zuvor in das Untersuchungsgefängnis der Stadt, in dem sie bis Kriegsende zur Arbeit gezwungen 60 Vgl. ebd., S. 82–83. Vgl. zu den IMI Glauning, Christine  ; Nachama, Andreas (Hg.) (2016)  : Zwischen allen Stühlen. Die Geschichte der italienischen Militärinternierten 1943–1945, Berlin, und Schreiber, Gerhard (1990)  : Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943–1945. Verraten – verachtet – vergessen, München. 61 Vgl. Verzeichnis der Lager mit ehemaligen italienischen Militärinternierten und deren zahlenmäßiger Umfang, eingegangen bei der Deutschen Arbeitsfront, Kreisverwaltung Plauen, Abt. Gesundheit und Volksschutz, Melanchthonstr. 1 – Plauen. Ohne Datum. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. Nachweis, dass es sich bei der Pan GmbH um einen Teil der Erla-Maschinenfabrik handelte, vgl. Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes an das Erla-Maschinenwerk Leipzig vom 04.10.1944. Betreff  : PAN GmbH, Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 62 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 81–83. 63 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt  – Vollzugsabteilung  – vom 06.03.1945. Betreff  : Entweichen eines serbischen Häftlings von der Außenarbeitsstelle zur Trümmerbergung in der Staatsanwaltschaft Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. Der Serbe war bei Aufräumarbeiten im Gebäude der Staatsanwaltschaft unbeaufsichtigt gewesen und geflohen. 64 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 379.

152 | 

Zwangsarbeit in Plauen

wurden.65 Überliefert sind für die letzten Kriegsmonate zwar die Einsatzgebiete der in Haft befindlichen Ausländer, doch nicht nachvollzogen werden können die Gründe, die zur Inhaftierung führten. Aufgrund der reichsweiten Entwicklung kann aber davon ausgegangen werden, dass es sich in den meisten Fällen um Inhaftierungen obdachloser, des Arbeitsvertragsbruchs oder der Plünderung bezichtigter Ausländer handelte.66 Im Folgenden sollen nun die in der Einleitung definierten Gruppen ausländischer Arbeitskräfte und ihr Einsatz in Plauen diskutiert werden. Die Gliederung folgt den zeitgenössischen formalen Rechtsstatuten der ausländischen Zivilarbeiter, der Kriegsgefangenen und Häftlinge, im Speziellen der KZ-Häftlinge. Den Anfang macht die Darstellung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Zivilarbeiter. Hier sind im Besonderen die West- und Ostarbeiter sowie Arbeitskräfte aus Polen zu besprechen. Auch die Situation der Italiener soll ausführlich dargestellt werden. Der Diskussion der ausländischen Zivilarbeiter und ihrer Situation vor Ort folgt die Schilderung der Umstände, unter denen Kriegsgefangene in Plauen eingesetzt wurden. Anschließend werden Leben und Arbeit der Häftlinge in der Untersuchungshaftanstalt und den KZ-Außenlagern untersucht. Die drei Gruppen sollen nach einem ähnlichen Schema analysiert werden. Zuerst wird der Weg dargestellt, auf dem die ausländischen Arbeitskräfte ins Deutsche Reich kamen. Es folgt die Analyse ihres Alltags. Hier sollen zuvörderst die Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung der Möglichkeit, den Arbeitsplatz zu wechseln, untersucht werden. An dieser Stelle kann die Fluchtrate einen ersten Aufschluss über die Erträglichkeit der Umstände am Arbeitsplatz geben. Abhängig war die Situation der Ausländer grundsätzlich von der Art der Arbeit, der sie nachgingen bzw. nachgehen mussten. Hinzu kommen die Arbeitszeit, die abzuleisten war, und der Arbeitsschutz. Weiter wird zu untersuchen sein, was geschah, wenn sich Ausländer bei der Arbeit verletzten oder anderweitig erkrankten. Ebenso war die Höhe der gewährten Entlohnung für die geleistete Arbeit entscheidend, denn auch sie wirkte sich auf die Lebensbedingungen aus und konnte innerhalb der definierten Gruppen variieren. Ausschlaggebend war die Entlohnung vor allem für die Verpflegungssituation. Dringend benötigt wurden neben Nahrungsmitteln auch Hygieneartikel oder Kleidung. Abgesehen von Hunger konnten Kälte oder Krankheiten zu einer lebensgefährlichen Bedrohung werden.67 Ein weiterer Aspekt, der entscheidenden Einfluss sowohl auf die Lebens- als auch auf die Arbeitsumstände nahm, war die Bewachung. Alle drei Gruppen unterlagen am Arbeitsplatz und in der Freizeit unterschiedlich strengen Restriktionen, deren Ein65 Vgl. für die Inhaftierung von Schutzhäftlingen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen Mitteilung der Geheimen Staatspolizei an den Leiter der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 04.07.1944. Betreff  : Überprüfung des französischen Zivilarbeiters Arbore, Guiseppe auf Haft-, Lager- und Arbeitsfähigkeit. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 223, Fol. 2. Festnahme erfolgte aufgrund des Vorwurfs der Arbeitsbummelei. Diese wurde mit einer Form der Erziehungshaft bestraft. 66 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 381. 67 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 133 und 138.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

haltung von den Deutschen überwacht wurde. Abweichen von der geforderten Norm konnte je nach Gruppenzugehörigkeit unterschiedlich harte Strafen nach sich ziehen. Schließlich sollen auch Unterbringung und Freizeit der ausländischen Arbeitskräfte untersucht werden. Hinzu kommt die Frage nach dem zwischenmenschlichen Umgang. Gute Kontakte zu Kollegen konnten für ausländische Arbeitskräfte Vor- und Nachteile bringen. Abschließend müssen die Verhaltensmöglichkeiten bei Luftangriffen betrachtet werden, da der Luftkrieg die ausländischen Arbeitskräfte jeder Gruppe stark bedrohte. Für alle Gruppen ausländischer Arbeitskräfte konnte bisher festgestellt werden, dass ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen einmal vom rechtlichen Rahmen, zum anderen von der Umsetzung der Normen im Alltag abhängig waren. Die Gesetzgebung schuf neben Reglementierungen auch Handlungsspielräume, in denen sich die Ausländerbeschäftigung entwickeln musste. In diesem Kapitel sollen nun die Normen aufgedeckt werden, die Behörden und Einsatzträger konkret in den Alltag überführten. Schnittstellen waren vor allem die Lager und die Betriebe, in denen sich Leben und Arbeit der Ausländer vollzog. 4.1 Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter Der Teil der Ausländerbeschäftigung, der sich anhand des Archivmaterials für Plauen im Vogtland am schwierigsten nachvollziehen lässt, ist der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter. Für die Stadt existiert keine zusammenhängende Überlieferung. Informationssplitter sind in den Archivunterlagen verschiedener Institutionen zu finden und im Folgenden darzustellen. Aus den geschilderten Beispielen sollen generalisierbare Aussagen über den ›Ausländereinsatz‹ in Plauen abgeleitet werden. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen können anhand der Diskussion der Art der Arbeit, der Arbeitszeit, des Lohns, der Bekleidung, der Versorgung, der Unterbringung etc. dargestellt werden. Innerhalb der zivilen Ausländergruppen werden die Kategorien anhand von Fallbeispielen untersucht, die sich an der Plauener Betriebslandschaft orientieren. Während die Behörden die meisten Bereiche des ›Ausländereinsatzes‹ mithilfe gesetzlicher Regelungen beeinflussten und damit die Lebens- sowie Arbeitsbedingungen der zivilen ausländischen Arbeitskräfte gestalten konnten, war die Reglementierung der Interaktion zwischen Deutschen und Ausländern schwieriger umzusetzen. Zwar hatte das Regime anhand seiner Rassenprogramme versucht, den Status einer jeden Nation gesondert zu regeln. Das Regime hatte Ideologie gegen Außenpolitik und Wirtschaftlichkeit des ›Ausländereinsatzes‹ abzuwägen. Für den Umgang mit verschiedenen Nationen bestanden unterschiedliche Vorgaben, deren Umsetzung im Alltag oft nur schwer möglich war. So sollten die Westarbeiter wegen ihrer ›germanischen Abstammung‹ gleichen Lohn und gleiche Bedingungen wie deutsche Arbeitskräfte vorfinden. Italienern sollten bis 1943 besondere Privilegien zukommen. Die Behörden

153

154 | 

Zwangsarbeit in Plauen

versuchten so, die Enttäuschung der Freiwilligen aus dem Westen über die tatsächlichen Bedingungen im Reich abzumildern. Bei der deutschen Bevölkerung stieß der von der Regierung bestimmte Umgang mit den verschiedenen Ausländergruppen allerdings auf Ablehnung. Oft war man mit der Arbeitsleistung der Westarbeiter nicht zufrieden68, wohingegen besonders Ostarbeiterinnen die deutsche Belegschaft mit hoher Motivation und Leistung überzeugten.69 Dies widersprach jedoch dem oktroyierten Bild der sowjetischen Untermenschen. Zur Kurzatmigkeit der NS-Politik trug auch der Umstand bei, dass die Reichsbehörden zunehmend den lokalen Stellen die Organisation des ›Ausländereinsatzes‹ überließen und ihre Bestimmungen denen der Behörden vor Ort nachschoben. Dies galt für Plauen zum Beispiel für den Umgang mit rückzuführenden Ostarbeitern, die nach der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit in die Heimat verbracht werden sollten. Nach dem von Fritz Sauckel verfügten Rückführungsstopp Ende 1942 mussten die schwer erkrankten oder verletzten Ostarbeiter im Rückkehrersammellager zusammengeführt und versorgt werden.70 Die Organisation des Lagers in der Gaststätte ›Holzmühle‹ in Kauschwitz bei Plauen besorgte das Landesarbeitsamt (LAA) Sachsen zusammen mit dem Arbeitsamt Plauen. Der GBA wirkte auf den Umgang mit den nun im Reich zurückgehaltenen ausländischen Arbeitskräften ab Ende März 1943 nur bedingt ein.71 Ebenso verfuhren die Reichsbehörden bei der Reglementierung des Umgangs mit schwangeren Polinnen und Ostarbeiterinnen. Der GBA verfügte hier im Dezember 1942, dass von einer Rückführung abzusehen sei72, wie die Details der Entbindung, der Versorgung der Schwangeren und der Kinder zu besorgen waren, überließ man jedoch den lokalen Stellen.73

68 So kam es zum Beispiel in der VOMAG zu Auseinandersetzungen zwischen deutschen und italienischen Arbeitskräften (siehe Kapitel 4.1.1). 69 Vgl. dazu Kapitel 4.1.3. 70 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 71 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter am 17.03.1943. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern  ; hier  : Errichtung eines Rückkehrersammellagers in Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 72 Vgl. Abschrift der Mitteilung des GBA vom 15.12.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Betreff  : Rückführung schwangerer ausländischer Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 73 Vgl. Niederschrift über die Sitzung mit den Herren Leitern des Staatlichen und Städtischen Gesundheitsamtes, dem Kreisleiter, Kreisbauernführer, dem Leiter der Ortskrankenkasse Plauen, Kreisverwaltung der DAF, und dem Beratenden Arzt des Arbeitsamtes Plauen am 01.02.1943. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Im Folgenden zitiert als Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Eine Interaktion zwischen Deutschen und Ausländern ist für jede der drei zu untersuchenden Gruppen – zivile Arbeitskräfte, Kriegsgefangene und Häftlinge – festzustellen. Auch sie soll wie die anderen den Alltag der ausländischen Arbeitskräfte beeinflussenden Faktoren diskutiert werden. Da die Rechtsquellen und Überlieferungen aus den Behörden nur bedingt Aufschluss geben, werden hier zusätzlich Zeitzeugeninterviews herangezogen. Für die ausländischen Zivilarbeiter kann schon im Vorhinein festgestellt werden, dass es wohl deutlich mehr Berührungspunkte mit Deutschen gegeben haben muss als bei den beiden anderen Gruppen. Die Zivilarbeiter konnten sich freier bewegen als Kriegsgefangene und Häftlinge – dies gilt für die beiden letzten Kriegsjahre auch für Ostarbeiter, denn sie waren einzeln und nicht mehr in Kolonnen in die Fertigungsprozesse eingebunden.74 Hinzu kommt, dass die Netzwerke der deutschen Behörden in der Stadt deutlich engmaschiger waren und eine bessere Überwachung aller Bereiche ermöglichten als auf dem Land. Für die Sicherheitsorgane war es hier schwerer, einen umfassenden Zugriff zu erhalten75, was vermutlich Einfluss auf die Interaktion zwischen deutschen Vorgesetzten und ausländischen Arbeitskräften genommen hat. Dies sei aber nur am Rande erwähnt. Festgehalten werden kann, dass, sobald die ausländischen Zivilarbeiter in der Industrie beschäftigt waren, die entsprechenden Überwachungsmechanismen griffen. So befand sich beispielsweise die Außenstelle der VOMAG in Weischlitz, das zum Plauener Umland gehörte, zwar im ländlichen Raum, aber der Werkschutz war sehr aktiv, sodass er die ausländischen Zivilarbeiter über die Grenzen des Betriebsgeländes hinaus verfolgte und wegen vermeintlichem Fehlverhaltens in Polizeihaft brachte oder sogar vor Ort bestrafte. Das Vorgehen des Werkschutzes der VOMAG illustriert gleichzeitig, welchen Gefahren und welcher willkürlichen Gewalt ausländische Arbeitskräfte in der Industrie ausgesetzt waren.76 Um den Alltag der in Plauen eingesetzten ausländischen Zivilarbeiter darstellen zu können, scheint es sinnvoll, zuerst zu untersuchen, auf welchen Wegen sie in das Deutsche Reich gekommen waren. Die Rekrutierungspraxis für ausländische Zivilarbeiter wurde bereits erarbeitet. Grundform der Rekrutierung war eine Anwerbung auf 74 Vgl. Scholtyseck, Joachim (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern in Bonn im Zweiten Weltkrieg. In  : ders.; Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuer Untersuchungen, Essen, S.  159. Im Folgenden zitiert als Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern. 75 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 258. 76 Vgl. Anklageschrift der Landesregierung Sachsen, Kriminalamt Zwickau, Dienststelle Plauen vom 22.09.1948. Betreff  : Anklage Alfred Hermann Dreikorns und Willy Bruno Reußners als Mitglieder des Werkschutzes der VOMAG, Zweigstelle Weischlitz, wegen Ausübung von Zwang, Drohung, Gewalttätigkeiten und sonstigen Unterdrückungsmaßnahmen gegen ausländische Zwangsarbeiter. In  : Privatbestand Christian Suhr. VOMAG-Archiv, Fol. 3. Im Folgenden zitiert als Anklageschrift Dreikorn und Reußner, VOMAG. Der Werkschutz in der VOMAG wird in Kapitel 4.6 ausführlich behandelt.

155

156 | 

Zwangsarbeit in Plauen

freiwilliger Basis. Zuständig dafür waren die Arbeitsämter.77 Sobald nicht genügend Freiwillige zur Kontingenterfüllung zur Verfügung standen, erhöhten die deutschen Besatzungsbehörden den Druck auf die Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Im nächsten Schritt versuchten sie durch die Herabsetzung der Lebensbedingungen mehr Kräfte zur Aufnahme einer Anstellung im Reichsgebiet zu bewegen. Dritte Möglichkeit war die Konskription, ihr folgten Razzien, Inhaftierung, Entzug des Vermögens und schließlich Deportation. Festgestellt wurde, dass sich die Rekrutierungspraxis in Polen und der Sowjetunion aufgrund des Ausmaßes an Gewaltanwendung von der in den westeuropäischen Ländern unterschied.78 Noch nicht dargestellt wurde der Weg, den die rekrutierten Kräfte im Osten Europas nach der Anwerbung oder dem gewaltsamen Aufgreifen nahmen. Sie wurden zu Sammelpunkten an Bahnhöfen gebracht, wo sie sich kurze Zeit aufhielten, sodass Angehörige die Möglichkeit hatten, Kleidung, Verpflegung oder Hygieneartikel zuzustecken. Ins Reich ging es dann mit zumeist geschlossenen und überfüllten Güterwaggons über Durchgangslager (Dulag) auf besetztem Gebiet und in Deutschland. Beide Male wurden die Arbeitskräfte unter entwürdigenden Bedingungen medizinisch untersucht und entlaust. Von der zentralen Registrierung in den Dulag oder Auffanglagern auf deutschem Gebiet erfolgte der Transport zu den Dulag der Gauarbeitsamtsbezirke. Von dort aus wurden die einzelnen Arbeitsamtsbezirke versorgt. Die Zivilarbeiter transportierte man von hier aus zu den entsprechenden Einsatzträgern oder schickte sie auf lange Fußmärsche.79 Der Weg aus den besetzten Westgebieten ins Reich war je nach Nation verschieden. So galt für den deutsch besetzten Teil Frankreichs bis Mai 1942 eine ausschließlich auf Freiwilligkeit basierende Werbung, wobei die deutschen Besatzungsbehörden die Grenze hin zum Zwang verwischten. Manipulationen an der Existenzgrundlage der Franzosen waren gang und gäbe. Ab März 1942 kooperierte dann die Regierung in Vichy mit den deutschen Behörden und ließ Anwerbungen zu.80 Für die Werbung der besonders gefragten Fachkräfte in der Industrie, die grundsätzlich in allen besetzten Gebieten und verbündeten Staaten sowie in Bulgarien und Spanien stattfand, wurden in den Städten Werbebüros eingerichtet. Hier konnten sich Freiwillige melden, denen man nach medizinischer Untersuchung den Vertrag zur Aufnahme einer Arbeit im Deutschen Reich vorlegte. Nach Unterschrift folgte die Ausstellung der Ausreisepapiere. Sonderpersonenzüge brachten die Kräfte dann ins Reich. Der Weg dürfte für die Westarbeiter schließlich ähnlich dem der Ostarbeiter über Dulag geführt haben, bevor sie auf die Arbeitsamtsbezirke aufgeteilt wurden.81 77 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 48. 78 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 37–49 bzw. Kapitel 3.2. 79 Vgl. ebd., S. 49 und 96. Außerdem Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 49. 80 Vgl. Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern, S. 153. 81 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 37 und 66.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Auch in Belgien und den Niederlanden waren Anwerbungen zunächst auf rein freiwilliger Basis erfolgt. Durch die Intervention des Reichskommissars Seyß-Inquart ließen sich die niederländischen und belgischen Behörden schließlich auf eine Zusammenarbeit mit Deutschland ein. Diese sah vor, dass bei Verweigern des Arbeitsdienstes im Reich oder Rückkehren ab Mitte 1941 eine Einweisung ins Straflager drohte. In der ersten Jahreshälfte 1942 beendeten Konskriptionen die Freiwilligkeit gänzlich.82 Wie die in Plauen beschäftigten zivilen ausländischen Arbeitskräfte rekrutiert wurden, lässt sich oft nicht eindeutig belegen. Hinweise kann jedoch der Tag der Ankunft bzw. Arbeitsaufnahme im Reich, so zum Beispiel bei dem französischen Facharbeiter Lucien Carpentier, geben. Lucien Carpentier hatte seine erste Arbeitsstelle im Reich bei der Auto Union Zwickau am 28. Januar 1943 angetreten.83 Sein Geburtsort und seine Heimatadresse in Clichy im Département Hauts-de-Seine84 legen nahe, dass er im deutsch besetzten Teil Frankreichs wohnhaft war und von dort aus ins Reich überführt wurde. Vermutlich unterlag er einem Zwang zur Arbeit, denn das Eintrittsdatum fällt auf die Zeit zwischen der ersten und der zweiten ›Sauckel-Aktion‹ in Frankreich. Im Zuge der Aktionen wurden ganze Jahrgänge ausgekämmt und zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verbracht.85 Dass auch die Arbeitsaufnahme des Belgiers René Gevaert nicht freiwillig war, liegt ebenfalls nahe. Er wurde am 6. Mai 1943 aus Belgien nach Plauen gebracht und unter dem Verdacht der Fahnenflucht86 in ein »camp disciplinaire«87 eingewiesen. Dieses Vorgehen entspricht dem der belgischen und deutschen Behörden seit Beginn der Zusammenarbeit 1941. Die Einweisung in das Straflager lässt darauf schließen, dass Gevaert als Arbeitsverweigerer oder rückkehrender Arbeitsvertragsbrüchiger angesehen wurde.88 Zu beachten ist, dass bei Westarbeitern mehrere Arten der Rekrutierung zum gleichen Zeitpunkt vorgelegen haben können. Schon die ersten in Plauen registrierten zivilen ausländischen Arbeitskräfte aus Polen konnten auf unterschiedlichen Wegen zu einer Arbeitsaufnahme im Reich gelangen. Denn vor 1939 kamen Polen freiwillig zur Arbeit nach Deutschland. Diejenigen, die mit Kriegsbeginn und bis 1940 als Kriegsgefangene ins Reich überführt wurden, waren 1940/41 von der nationalsozialistischen Regierung in den Status von zivilen Arbeitskräften versetzt worden. Ein anderer Teil der polnischen Arbeitskräfte kam auch nach Kriegsbeginn noch freiwillig und wurde schließlich zum Bleiben gezwungen 82 Vgl. Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern, S. 157–158. 83 Vgl. Hauptmeldebogen von Lucien Carpentier, 2.2.2.1 / 71728156/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 84 Vgl. ebd. 85 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 65. 86 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, Seite 10. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 87 Ebd., S. 12. 88 Vgl. Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern, S. 157.

157

158 | 

Zwangsarbeit in Plauen

oder war unter Zwang deportiert worden. Der Normalfall in den polnischen Gebieten war jedoch die Konskription.89 Auch die Arbeiter aus der Tschechoslowakei wurden ab September 1942 Opfer der deutschen Konskriptionen. Ebenso wie Polen waren sie bis Juni 1939 freiwillig geworben worden, danach erfolgten die ersten Zwangsmaßnahmen. Im Juni 1942 griffen die deutschen Arbeitsverwaltungsbehörden dann zu Razzien und schließlich Konskriptionen. Zwangsarbeiter waren die im Reich beschäftigten Tschechen allerdings bereits ab August 1939, da sie ihr Arbeitsverhältnis nur noch mit behördlicher Zustimmung wechseln und nicht mehr in die Heimat zurückkehren konnten.90 Die Rekrutierung der italienischen Arbeitskräfte wurde bereits dargestellt. Das Land durchlief nacheinander alle vier Stadien der Arbeitskräfterekrutierung. Zuerst auf Grundlage bilateraler Verträge freiwillig ins Deutsche Reich gesandt, wurde ein Teil der Arbeitskräfte ab 1941 von ihrer eigenen Regierung zur Arbeitsaufnahme zwangsverpflichtet. Mit dem Sturz Mussolinis besetzte die Wehrmacht italienisches Gebiet und begann mit der Konskription von Arbeitskräften. Gleichzeitig wurden die im Reich befindlichen Arbeitskräfte festgehalten und Kriegsgefangene in die deutsche Wirtschaft überführt. Den Kriegsgefangenen wurde im Juli 1944 der Zivilstatus zuerkannt, dem die Verpflichtung zur Arbeit im Reich folgte.91 Die meisten zwangsverpflichteten Arbeitskräfte stammten aus der Sowjetunion. Neben dem Interesse an der Zuführung ziviler Arbeitskräfte in die deutsche Wirtschaft beabsichtigten die deutschen Besatzungsbehörden im Zuge der Lebensraumerschließung für deutsche Siedler ebenso, die einheimische Bevölkerung zu vertreiben. Kommissionen warben mit mäßigem Erfolg um Arbeitskräfte für das Reich. Im Frühjahr 1942 begann schließlich die größte Massendeportation von zivilen Arbeitskräften im Rahmen des ›Ausländereinsatzes‹.92 Im September resümierte der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, dass bereits 2,2  Millionen »ausländische Arbeitskräfte in der Hauptsache aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten europäischen Gebieten zum Einsatz gebracht [wurden.]«93 Sauckel rief die zuständigen Behörden 1942 auf, »auch diese Menschen zu einer Höchstleistung zu bringen.«94 Die Ostarbeiter sollten nun vor »Hunger, Krankheit und anderen leistungshemmenden Erschwernissen bewahrt werden.«95 Denn »verprügelte, halbverhungerte und tote 89 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 45. 90 Vgl. ebd., S. 41. 91 Vgl. ebd., S. 80–83. 92 Vgl. ebd., S. 72–73. 93 Vom Sächsischen Minister des Innern an die Amtsärzte in Sachsen weitergeleitete Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 25.09.1942. Betreff  : Behandlung, Ernährung, Bekleidung und Unterbringung der fremdländischen Arbeiter in Deutschland. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 94 Ebd. 95 Ebd.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Russen fördern uns keine Kohlen, sind für die Stahl- und Eisenerzeugung vollständig nutzlos, erzeugen weder Waffen noch sonstiges Gerät und bedeuten letzten Endes eine ungeheure Belastung unserer Volkslebens und vor der Welt einen Skandal.«96 Realpolitisch änderte sich jedoch nichts. Das Aufgaben- und Zuständigkeitswirrwarr zwischen Landes- und Lokalbehörden bei der Verteilung von ausländischen Arbeitskräften wurde bereits dargestellt. Für die nachfolgende Untersuchung sei noch einmal festgehalten, dass Aufgabe der lokal zuständigen Arbeitsämter war, die Dringlichkeit der Bedarfsmeldung aus den einzelnen Einrichtungen zu prüfen. Sie glichen die verfügbaren Arbeitskräfte und deren Qualifikation mit den Anforderungen bei den Einsatzträgern ab. Bei der Zuteilung sollte ab 1940 besonders auf die beruflichen Fähigkeiten sowie die Einsatzorte der Familienmitglieder geachtet werden. Doch die Arbeitsämter zeigten sich bei der Verteilung der ausländischen Arbeitskräfte weniger rücksichtsvoll als von den Reichsbehörden erwünscht.97 Der ›Ausländereinsatz‹ verlief nach dem Credo Quantität statt Qualität. Ab 1941 war die Qualifikation der ausländischen Arbeitskräfte für den Einsatz in der Industrie allerdings nicht mehr unerheblich. Man beschränkte sich zuerst auf einen Anlernprozess bei Westarbeitern, bis im Frühjahr 1943 die Leistungssteigerungskampagne bei den Ostarbeitern begann.98 Ziel war das Erreichen der Akkordleistung eines deutschen Arbeiters.99 Mit der Einführung der Akkordarbeit für Ostarbeiter 1943 wurde ein System ungehemmter Ausbeutung initialisiert. Arbeitszeiten konnten willkürlich gewählt werden, Arbeitsschutzbestimmungen entfielen. Ebenso brachen die Nationalsozialisten mit Errungenschaften der Arbeiterbewegung, wie dem Verbot der Kinderarbeit. Dafür erhielten sie große Unterstützung aus der Industrie und der Bevölkerung100, wie am Beispiel Plauens im Folgenden zu zeigen sein wird. Dass in der Plauener Industrie und Landwirtschaft und in der Stadt selbst ein Bedarf an ausländischen Zivilarbeitern bestand, steht nicht infrage, da der Arbeitskräftemangel Zeichen der Zeit war. Wie umfangreich der Einsatz ziviler Ausländer ab 1942 war und welchen Anteil die Ostarbeiter an der Ausdehnung der Ausländerbeschäftigung hatten, wird zuerst untersucht, bevor die einzelnen Aspekte des Einsatzes ausländischer Zivilarbeiter zu betrachten ist. Auf Grundlage des bereits für die Untersuchung des Umfangs des ›Ausländereinsatzes‹ in Sachsen verwendeten Periodikums ›Der Arbeitseinsatz‹ wurde die Zahl der zivilen ausländischen Arbeitskräfte an den Stichtagen erhoben. Daraus ergibt sich folgendes Bild  :

 96 Ebd.  97 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 96.  98 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 324.  99 Vgl. ebd., S. 129. 100 Vgl. ebd., S. 129, 150, 322 und 324.

159

160 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Tabelle 8: Ausländische und die protektoratsangehörige Arbeiter und Angestellte im Arbeitsamtsbezirk Plauen Zivile ­ usländische a Arbeitskräfte

Stichtag 20. Januar 1942101

1.590102

10. Juli 1942

3.762

Davon Männer

Davon Frauen

Davon ­Ostarbeiter

1.386

204

104

2.394

1.368

2.193

9.969106

6.663

3.306

4.741

108

7.079

4.025

5.513

30. Juni 1944109

11.963110

7.502

4.461

6.230

30. September 1944111

12.873

8.158

4.715

6.308

103

31. Dezember 1943105 31. März 1944

107

11.104

Vergleicht man die absolute Zahl der zivilen ausländischen Arbeitskräfte in Plauen im Juni 1944 mit den Angaben der übrigen Arbeitsamtsbezirke des Gaus Sachsen, fällt auf, dass Plauen mit 11.963 Personen eine ähnliche Summe an zivilen Ausländern beschäftigte wie das benachbarte Zwickau mit 12.622 bei ähnlicher Stadtgröße.112 In Leipzig und Chemnitz war der ›Ausländereinsatz‹ mit rund 60.000 bzw. 20.000 Ausländern deutlich ausgeprägter.113 Auch die Wirtschaftsstrukturen der beiden Städte ähnelten sich, ebenso wie die geographische Lage in Westsachen. Wie in Plauen waren die industriellen Schwerpunkte in Zwickau die Textilindustrie und die Gerätefertigung. Eines der wichtigsten Rüstungsunternehmen war die Auto Union mit ihren Werken Audi und Horch.114 Ihre Produktion von Flugmotoren, Geschützen, Leichtlastkraftwagen, Panzerwagen und Panzermotoren wies Parallelen zu der der P ­ lauener VOMAG auf.115 101 102 103 104

Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 6, S. 11. Leipzig  : 18.502, Dresden  : 9.992, Chemnitz  : 2.562  ; Plauen Platz 11. Vgl. ebd. Vgl. GBA (Hg.) Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 17, S. 18. Dresden mit 14.110, Leipzig mit 31.043, Chemnitz mit 6.452, Zwickau mit 4.087  ; Plauen an Platz 9. Vgl. ebd. 105 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3, S. 51. 106 Plauen auf Platz 7 hinter Leipzig, Dresden, Chemnitz (19.359) und Zwickau (11.086). Vgl. ebd. 107 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 6, 7 und 8, S. 33. 108 Plauen an Platz 7  ; Leipzig  : 56.166, Chemnitz  : 19.999, Zwickau  : 12.376. Vgl. ebd. 109 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 9, S. 27. 110 Plauen Platz 7  ; Leipzig  : 56.166, Dresden  : 36.476, Chemnitz  : 21.155, Zwickau  : 12.622. Vgl. ebd. 111 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 26. 112 Vgl. Klein, Walter (1943)  : Die Ergebnisse der Volkszählung 1939. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes, 87./88. Jg. 1941/42, Dresden, S.  6. Während Plauen 1939 rund 112.000 Einwohner zählte, bewohnten im gleichen Jahr 85.142 Personen den Stadtkreis Zwickau. 113 Leipzig  : 56.166, Chemnitz  : 19.999. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 6, 7 und 8, S. 33. 114 Vgl. Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union, S. 54. 115 Vgl. ebd. und für Plauen vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 153–157.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Die Auto Union beobachtete ihren Plauener Konkurrenten und plante zwischen 1939 und 1945 mehrere Übernahmen, die jedoch immer wieder scheiterten.116 Für die Ausländerbeschäftigung in Plauen lässt sich ab 1943 feststellen, dass sie deutlich weniger ausgeprägt war als in den sächsischen Metropolen. Es lassen sich jedoch Parallelen zur Region Chemnitz117 trotz des Unterschiedes in der Stadtgröße feststellen.118 Erst ab 1943 stieg die Zahl der Ausländer in Chemnitz steiler an als in Plauen. Im Dezember 1943 hatte sich die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter in der Chemnitzer Industrie im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht119, womit die Stadt trotzdem unter dem gesamtsächsischen Durchschnitt blieb. Diese Entwicklung ist auf die verspätete Einbindung der Region in die Waffen-, Geräte- und Munitionsfertigung zurückzuführen. Im Gau hatte der ›Ausländereinsatz‹ schon im Vorjahr und intensiver expandiert.120 In Plauen hatte sich die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter zwischen Juli 1942 und Dezember 1943 lediglich mehr als verdoppelt. Damit blieb die Großstadt hinter der Entwicklung in Sachsen zurück. Grund für die ähnliche Entwicklung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen und Chemnitz waren ähnliche Wirtschaftsstrukturen. Beide Städte verfügten über eine einseitige Branchenstruktur und die Rüstungskonjunktur hatte sich wie beinahe überall in Sachsen verzögert entwickelt.121 Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter weist in Plauen ab 1942 mehrere Phasen auf. Am 20. Januar waren lediglich 1.590 zivile Ausländer beschäftigt. Im Gau Sachsen handelte es sich dabei um eine der niedrigsten Ausländerbeschäftigungen nach absoluten Zahlen, obwohl Plauen Großstadt war.122 In Leipzig waren bereits 18.502 und in Dresden 9.992 zivile Ausländer im Einsatz.123 Grund für die rückständige Entwick116 Vgl. Kukowski  ; Boch (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union, S. 50. 117 20.603 ausländische Zivilarbeiter und protektoratsangehörige Arbeitskräfte befanden sich am 30.09.1944 in Chemnitz. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 26. 118 Vor Kriegsbeginn verfügte Chemnitz über 338.200 Einwohner. Am Kriegsende waren es noch 235.000 Personen. Damit war die Zahl mehr als doppelt so hoch wie diejenige in Plauen. Vgl. Bräuer, Helmut  ; Richter, Gert (1988)  : Karl-Marx-Stadt, Berlin, S. 195. 119 Im Juli 1942 zählte Chemnitz 6.452 ausländische Zivilarbeiter (vgl. GBA [Hg.]  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin, 1942, Hft. 17, S. 18), im Dezember 1943 waren es bereits 19.359 (vgl. GBA [Hg.]  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3, S. 51). 120 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 56. 121 Vgl. Karlsch  ; Schäfer (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 195. Für die Dominanz der textilen Fertigungen vgl. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Textilarbeit, Textilwirtschaft in Sachsen. Ein berufsund wirtschaftskundlicher Grundriß anläßlich der 3. wirtschaftskundlichen Fahrt des Landesarbeitsamtes Sachsen vom 26. bis 30. März 1939, Dresden, S. 4. 122 Gerd Naumann und Curt Röder ermittelten für das Jahr 1942 eine Einwohnerzahl von 109.542 Personen. Vgl. Naumann, Gerd (1995)  : Die Entwicklung der Bevölkerungszahl der Stadt Plauen von 1871–1946. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 96. 123 Vgl. RAM (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich, Berlin 1942, Hft. 6, S. 11.

161

162 | 

Zwangsarbeit in Plauen

lung der westsächsischen Städte waren die Schwerpunkte des ›Ausländereinsatzes‹ in der Landwirtschaft, später im Bergbau und in der Bauwirtschaft. 1941 erfolgte die Ausweitung auf andere kriegswichtige Industrien. Doch weder Bergbau noch sogenannte Grundstoffindustrien ließen sich in Chemnitz124 oder in Plauen nachweisen. Auch die Landwirtschaft dominierte in keiner der beiden Regionen.125 Obwohl das Periodikum die erste Erhebung zu ausländischen Zivilarbeitern in Plauen am 20. Januar 1942 aufstellte, ist schon ab 1940 der Einsatz ziviler Ausländer in Plauen nachweisbar. Als eine der Ersten kam Anastasya Kowal aus dem Kreis Bilgoray (heute Biłgoraj) am 22. Mai 1940 als landwirtschaftliche Arbeiterin auf das Pfaffengut zur Düngerabfuhr AG.126 Auch Zofia Kowal nahm an diesem Tag ihre Arbeit im Pfaffengut auf.127 Eine genaue Zahl konnte aufgrund fehlender zeitgenössischer Aufstellungen nicht ermittelt werden. Auf Grundlage einer Aufstellung des Gesundheitsamtes Plauen-Land über die im Zuständigkeitsbereich befindlichen polnischen Landarbeiter vom Mai 1941 lässt sich zumindest eine Schätzung anstellen. Hier waren 304 polnische Landarbeiter verzeichnet.128 Nimmt man nun die Angaben aus den Nachkriegsaufstellungen des ITS Bad Arolsen hinzu, könnten sich 1940 und 1941 zwischen 300 und 400 ausländische Zivilarbeiter in Plauen-Stadt und -Land befunden haben.129 Erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass sich der ›Ausländereinsatz‹ in Plauen schon 1940 nicht mehr nur auf die Landwirtschaft beschränkte. Auch die Sächsische Zellwolle setzte ab dem 20. September bereits französische Zivilarbeiter in ihrer Produktion ein.130 In gängiger Praxis für die Arbeitskräfte aus Westeuropa und im Unterschied zur VOMAG übten die Franzosen hier ausschließlich Facharbeiten 124 Vgl. Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 53. 125 Für Chemnitz vgl. ebd. Für Plauen wurde die landwirtschaftliche Prägung des Umlandes bereits diskutiert. 126 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 84, 2.1.4.1 / 70955191/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 127 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955192/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 128 Vgl. Mitteilung des Regierungsmedizinalrates Dr. Müller an den Regierungspräsidenten in Zwickau am 23.05.1941. Betreff  : Kontrolle der polnischen Landarbeiter auf Läusebefall im Bereich des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. auch Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein i. V. Jugend- und Gesundheitsvorsorgeamt vom 21.05.1941 an die Arbeitgeber polnischer Landarbeiter in Plauen. Betreff  : Bekämpfung der Verlausung bei polnischen Landarbeitern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 129 Vgl. ebd. sowie Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 84, 2.1.4.1 / 70955191/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Vgl. auch Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955192/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 57, 2.1.4.1 / 70955011/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 130 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 57, 2.1.4.1 / 70955011/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

aus. So war beispielsweise der erste Franzose in der Zellwolle, Edouard Cotencau, als Betriebswerker verzeichnet.131 Später kamen Fachkräfte im Bereich Chemie hinzu, wie der Chemiewerker André Amand Constantin, den die Zellwolle ab dem 12. März 1943 einsetzte.132 Demgegenüber fällt der Einsatz der Franzosen als Hilfsarbeiter in der VOMAG wie zum Beispiel bei Argo Joseph Ferrari auf. Aber auch hier führten die westlichen Nachbarn qualifiziertere Arbeiten als Dreher oder Schmied aus.133 Während die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter für 1940 und 1941 nur geschätzt werden konnte, liegen für 1942 nun statistische Erhebungen des RAM vor. Trotz aller bereits referierten Nachteile der Reichsstatistik lässt sich feststellen, dass die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter in Plauen noch im Verlauf des Jahres 1942 auf über das Doppelte anstieg. Im Verhältnis zur Ausgangssituation lässt sich die gleiche Entwicklung auch bei anderen, größeren sächsischen Städten feststellen. Die Leipziger Industrie beschäftigte im Juli bereits über 30.000 zivile Ausländer und wies damit auch mehr als doppelt so viele ausländische Zivilarbeiter auf als noch im Januar des Jahres.134 Grund für die Ausweitung des ›Ausländereinsatzes‹ in Plauen war wie im Gau Sachsen und dem gesamten Reich die Hereinnahme der Ostarbeiter.135 Anders als im Reich136 war die Zahl der Westarbeiter bzw. der nicht als Ostarbeiter deklarierten zivilen ausländischen Arbeitskräfte in Plauen am 10. Juli 1942 im Vergleich zu Jahresbeginn mit rund 1.600 Personen beinahe konstant geblieben. Zusätzlich kamen 2.193 Ostarbeiter zum Einsatz.137 So entstand ein Verhältnis von 2  :1 zwischen Ostarbeitern und anderen zivil eingesetzten Ausländergruppen. Diese Entwicklung unterscheidet sich deutlich von der im Reich und auch derjenigen auf Gauebene.138 Zum Vergleich machten die Ostarbeiter bis Juli 1942 nur etwa die Hälfte der ausländischen Zivilarbeiter in Chemnitz aus.139 Im Gau Sachsen betrug das Ver131 Vgl. ebd. 132 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 103, 2.1.4.1 / 70954888/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 133 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 120, 2.1.4.1 / 70954905/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Dreher ist eine Berufsbezeichnung für einen Facharbeiter an der Drehbank. Vgl. dazu Ebner, Jakob (2015)  : Art. Dreher. In  : ders. (Hg.)  : Wörterbuch historischer Berufsbezeichnungen, Berlin, S. 156–157. 134 Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 17, S. 18. 135 Für die Entwicklung der Ausländerbeschäftigung in Sachsen durch die Hereinnahme von Ostarbeitern vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 14/15, S. 24–25. Zur gesamtdeutschen Entwicklung vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 165. 136 Ulrich Herbert hat für den Verlauf des Jahres 1942 festgestellt, dass die Anwerbezahlen im Westen sowie bei den neutralen und verbündeten Staaten zwar zurückgingen, aber trotzdem zwischen April und November pro Monat etwa 10.000 neue Arbeitskräfte aus dem Westen Europas kamen  ; ca. 20.000 kamen pro Monat aus Polen. Einige Nationalitäten wie Italiener hatten ihren Aufenthalt im Reich dagegen beendet. Ihre Zahl ging zurück. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 209–210. 137 Vgl. ebd. 138 Vgl. für das Reich ebd., S. 210. Die Situation im Gau Sachsen wurde in Kapitel 3.2 dargestellt. 139 Unter den 6.452 zivilen Ausländern befanden sich etwa 3.000 Ostarbeiter. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Ar-

163

164 | 

Zwangsarbeit in Plauen

hältnis zwischen Ostarbeitern und anderen zivilen Ausländergruppen zum gleichen Zeitpunkt beispielsweise nur 1  :3. Hier kamen auf rund 34.000 Ostarbeiter knapp 90.000 andere zivile Ausländer.140 In Plauen war die Ausweitung der Beschäftigung ausländischer Zivilarbeiter folglich überproportional stark von der Hereinnahme der Ostarbeiter abhängig. Das Verhältnis zwischen den Nationalitäten unter den ausländischen Zivilarbeitern in Plauen näherte sich bis 1944 schließlich den Verhältnissen im Reich an. Im Dezember 1943 waren wieder mehr ausländische Zivilarbeiter anderer Nationalität neben den Ostarbeitern eingesetzt, wobei die Gruppe der Ostarbeiter dominant blieb.141 1944 erhob ›Der Arbeitseinsatz‹ 49  Prozent Ostarbeiter unter der Gesamtzahl der zivilen Ausländer in Plauen.142 Im Reich machten die Ostarbeiter zur gleichen Zeit 36 Prozent der zivilen Ausländer aus.143 Auf dem reichsweiten Höhepunkt des ›Ausländereinsatzes‹ im Spätsommer 1944 befanden sich mindestens 12.873 ausländische Zivilarbeiter in Plauen, von denen ca. 6.300 aus den besetzten Ostgebieten stammten.144 Diese Zahlen markieren auch die unterste Grenze der Summe aller ausländischen Zivilarbeiter in Plauen im Kriegsverlauf. Wie bereits dargelegt, handelte es sich bei den Angaben aus dem Periodikum ›Der Arbeitseinsatz‹ um Stichtagszählungen, die die Fluktuation der ausländischen Arbeitskräfte nicht berücksichtigten. Vergleicht man die offiziellen Angaben mit der Summe aller in den Unterlagen des ITS verzeichneten ausländischen Zivilarbeiter, bleibt eine Differenz von rund 2.700 Arbeitskräften. Die Nachkriegsaufstellung des Roten Kreuzes verzeichnete insgesamt 10.208 Personen.145 Doppelzählungen können

140 141 142

143 144 145

beitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 17, S. 18. Vgl. für die Erhebung der Zahl der Ostarbeiter Schumann (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz, S. 54. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 16, S. 4. Die Zahl der Ostarbeiter betrug 4.741, die der anderen zivilen Ausländer 5.228. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3, S. 51. Im März waren insgesamt 11.104 zivile Ausländer eingesetzt, von denen 5.513 zu den Ostarbeitern zählten. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 6, 7 und 8, S. 33. Im Juni betrug der Anteil der Ostarbeiter an der Gesamtzahl von 11.963 zivilen Ausländern 6.230. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 9, S. 27. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 316. Vgl. GBA (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12, S. 26. Für die Berechnung herangezogen wurden die jeweils letzten Seiten der Namenslisten der in Plauen eingesetzten Zivilarbeiter aller verzeichneten Nationen. Das Rote Kreuz nummerierte die alphabetisch geordneten Personennamen durch. Vgl. dazu Namenslisten der in Plauen eingesetzten Belgier, Ordner 45d, Fol. 58, 2.1.4.1 / 70954843/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Bulgaren, Ordner 45d, Fol. 61, 2.1.4.1 / 70954846/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 95, 2.1.4.1 / 70955049/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Jugoslawen, Ordner 45e, Fol. 150, 2.1.4.1 / 70955105/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 40, 2.1.4.1 / 70955147/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

auch hier nicht ausgeschlossen werden, ebenso wie geschönte Angaben aus dem ›Ausländereinsatz‹, weshalb die tatsächliche Gesamtzahl wohl um etwa 10.000 anzunehmen ist. Silke Schumann wies in ihrer Studie eine verzögerte kriegswirtschaftliche Prägung für die Region Chemnitz nach. Das gleiche Phänomen lässt sich ebenfalls für Plauen feststellen. Als Beispiel und Beleg der These sei die später noch ausführlich zu diskutierende Gardinenfabrik Plauen angeführt. Sie gab im Juni 1941 an, über eine »Fertigung kriegswichtiger Artikel«146 zu verfügen und schon im »abgelaufenen Geschäftsjahr [1941] […] [die] Produktion infolge der durch den Krieg bedingten Verhältnisse […], soweit es die betrieblichen Verhältnisse ermöglichten, [umgestellt zu haben.]«147 Tatsächlich webte die Gapla bis Juni 1943 Moskitotülle und fertigte danach Tüll in Papiergewebe.148 Das Plauener Unternehmen produzierte damit zwar wehrwirtschaftswichtige149 Ausrüstungsgegenstände für die Wehrmacht, war aber nicht rüstungsrelevant. Die Fertigung hatte die Gapla zudem weder im Zuge der Kriegsvorbereitungen aufgenommen noch mit Kriegsbeginn. Erst 1941 kam dem Plauener Textilunternehmen eine Produktion für die deutschen Truppen zu, die es 1943 jedoch nicht vor Auskämmungen schützte.150 1941 hatten die Arbeitseinsatzbehörden dagegen noch für die Umsetzung von Kräften der Firma Rudolph Karstadt AG zur Gapla gesorgt.151 Ihre Produktion musste die Plauener Gardinenfabrik 1943 aufgrund von Materialmangel reduzieren.152 Im Folgejahr wurden die durch die reduzierte Fertigung ungeder in Plauen eingesetzten Ostarbeiter, Ordner 45j, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70955839/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45j, Fol. 131, 2.1.4.1 / 70955880/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 126, 2.1.4.1 / 70955233/ ITS Digital Archive und Fol. 156, 2.1.4.1 / 70955263/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Rumänen, Ordner 45g, Fol. 3, 2.1.4.1 / 70955267/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Tschechen, Ordnern 45h, Fol. 60, 2.1.4.1 / 70955486/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ungarn, Ordner 45h, Fol. 84, 2.1.4.1 / 70955510/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen in Lagern untergebrachten Italiener, Ordner 45e, Fol. 137, 2.1.4.1 / 70955091/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 146 Bericht des Vorstandes der Gardinenfabrik AG Plauen vom 30.06.1941. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 882, nicht foliiert. 147 Ebd. 148 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 13.04.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG  ; Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 149 Vgl. Niederschrift über die Vertrauensratssitzung der Gapla am 14.03.1940. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG  ; Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 150 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 14.07.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 151 Vgl. Niederschrift über die Vertrauensratssitzung der Gapla am 14.07.1941. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 152 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 14.07.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert.

165

166 | 

Zwangsarbeit in Plauen

nutzten Betriebsstätten der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Zweigwerk Halberstadt, zur Verfügung gestellt.153 Anhand der Arbeitspapiere ihrer ausländischen Zivilarbeiter lässt sich festzustellen, dass Junkers mehr Ost- als Westarbeiter in die Produktionsstätte nach Plauen versetzte.154 Der hohe Anteil an Ostarbeitern in der Plauener Wirtschaft könnte also auch auf die Verlagerungspraxis der großen Rüstungsunternehmen zurückgeführt werden. Wie bereits angedeutet, könnte ein weiterer Grund für den hohen Anteil der Ostarbeiter in der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation Plauens durch die Arbeitseinsatzbehörden gelegen haben. Besonders der geringe Anteil an Metall verarbeitenden Betrieben hat die Berücksichtigung bei der Vergabe von ausländischen Arbeitskräften nicht gefördert. Neben acht Maschinenfabriken waren 1942/43 lediglich vier Metallwarenfabriken und 15 Schmieden verzeichnet.155 Dass in den ortsansässigen Betrieben ein gravierender Mangel an Facharbeitern herrschte, registrierten die Arbeitseinsatzbehörden für die Stadt erst Ende 1943/Anfang 1944.156 Wie die Auto Union musste sogar die VOMAG trotz Panzerfertigung Arbeitskräfte an die Front oder in andere Fertigungen abgeben.157 Im Laufe des Krieges traten immer wieder Engpässe bei der Versorgung mit Rohlingen158 und anderen Werkstoffen159 auf, die die Produktion zusätzlich erschwerten. Die VOMAG produzierte zu Kriegsbeginn noch parallel für Wehrmacht und Zivilgesellschaft, sodass ihre Produktion immer 153 Vgl. Mitteilung der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Zweigwerk Halberstadt, an die Firma Gardinenfabrik, Gapla, Plauen vom 21.09.1944. Betreff  : Arbeitspapiere. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 154 Vgl. Aufstellung der Arbeitspapiere unserer zur Fa. Gapla, Plauen versetzten Gefolgschaftsmitglieder. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. Darin sind 37 Westarbeiter und 46 Ostarbeiter verzeichnet. Eine andere Aufstellung im gleichen Bestand legt sogar 50 Ostarbeiter nahe. Vgl. Mitteilung der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Zweigwerk Halberstadt, an die Firma Gardinenfabrik, Gapla, Plauen vom 21.09.1944. Betreff  : Arbeitspapiere. 155 Vgl. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen, S. 1053, 1059–1066. 156 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Besichtigung der VOMAG am 11.01.1944. In  : BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 9 Rückseite–10. 157 Vgl. für die Auto Union Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union, S. 57. Für die VOMAG vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Besichtigung der VOMAG am 11.01.1944. In  : BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 10. 158 Durch Schneefall verursachte Ausfälle bei Rohlingen im Februar 1944. Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Februar 1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 30. 159 Einsparen von Strom notwendig. Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Oktober bis Dezember 1942. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. 54-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 17, Fol. 33 Rückseite.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

wieder umgestellt wurde, bis die Fertigung für den zivilen Bereich vollends eingestellt und das Werk ganz und gar auf die Rüstung ausgerichtet war.160 Erst 1944 wurde der Panzerfertigung die Abgabe von Wehrpflichtigen erlassen.161 Die Belegschaft der VOMAG schrumpfte, genauso wie die der Zwickauer Werke Audi und Horch, nicht nur durch Einberufungen, sondern auch durch Dienstverpflichtungen in andere Industriezweige.162 Die VOMAG bat im Zuge der Ausweitung der Panzerfertigung in ihrem Werk und des dadurch entstandenen Facharbeiterbedarfs noch am 12. Januar 1944 um die Entpflichtung der aus dem Unternehmen versetzten Facharbeiter.163 Obwohl dem Plauener Werk schon ab 1941 ausländische Arbeitskräfte zugewiesen wurden164, ist das Vorgehen der Arbeitseinsatzbehörden Zeichen dafür, dass die Gerätefertigung erst spät als kriegswichtiger Zweig wahrgenommen wurde. In den Fokus der Arbeitseinsatzbehörden war die tätige Gerätefertigung also erst 1941/42 gerückt.165 Angeworben wurden die Facharbeiter aus den westeuropäischen Staaten allerdings schon direkt nach Besetzung 1940, besonders in Frankreich. Aufgrund mangelnden Erfolges der Anwerbung auf freiwilliger Basis radikalisierten sich im Frühjahr 1942 die Rekrutierungsmethoden in Frankreich und den Benelux-Staaten.166 Aufgrund dieser Entwicklung kann nun vermutet werden, dass die qualifizierten und etwas älteren Westarbeiter hauptsächlich in den Industriezentren eingesetzt wurden. Es könnten also nicht genügend Zivilarbeiter aus dem Westen Europas zur Verfügung gestanden haben, um sie mit der Fokussierung der Arbeitseinsatzbehörden auf die Gerätefertigung noch nach Plauen zu entsenden. Oder das Arbeitsamt Plauen hatte von seinen übergeordneten Institutionen lediglich Ostarbeiterkontingente zur 160 Steigerung der Herstellung von Zugkraftwagen 1942/1943, vgl. Wochenbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 24.–30.5.1942. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 11, Fol. 20 Rückseite–25 Rückseite. Neu aufgenommene Fertigung von Panzerjägern im Januar 1944. Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. In  : BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 9 Rückseite. Neuaufnahme der Produktion von Ersatzteilen für Panzermotoren, Getriebe und Seitenvorgelege im ersten Vierteljahr 1944. Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Betreff  : WT Heer, b) Neuanlauf. In  : BArch/March Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 53. 161 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944, Anlage 3. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen vom 12.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 67–68. 162 Vgl. ebd. Vgl. für Audi und Horch Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union, S. 57. 163 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 10. 164 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle. 165 Vgl. vom Sächsischen Minister des Innern an die Amtsärzte in Sachsen weitergeleitete Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 25.09.1942. Betreff  : Behandlung, Ernährung, Bekleidung und Unterbringung der fremdländischen Arbeiter in Deutschland. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 166 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 63.

167

168 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Verteilung erhalten. Zusätzlich lässt sich die Dominanz der Ostarbeiter im Rahmen des Plauener ›Ausländereinsatzes‹ darauf zurückführen, dass die Arbeitsverträge der hauptsächlich aus dem Westen und Süden stammenden Kräfte Mitte des Jahres 1942 ausliefen. Besonders Italiener machten in der Folge keinen Gebrauch davon, erneut Arbeit im Reich aufzunehmen und ihre Anstellung verlängern zu lassen. Wie viele Westarbeiter kehrten sie nach Hause zurück.167 Interessant ist neben der Betrachtung des Verhältnisses von Ostarbeitern zu zivilen Arbeitskräften anderer Nationen ebenfalls die Entwicklung des Verhältnisses von Männern zu Frauen unter den zivilen ausländischen Arbeitskräften. Denn auch der Umfang der Frauenbeschäftigung unter den Ausländern stieg zwischen Dezember 1943 und März 1944 sprunghaft um rund 700 Personen an. Danach vermerkte die Statistik jeweils rund 300 ausländische Frauen mehr an den Stichtagen. Auf das Verhältnis von beschäftigten Männern zu eingesetzten Frauen aus dem Ausland in der Plauener Kriegswirtschaft hatte dies folgende Auswirkung. Waren 1943 noch etwa ein Drittel der zivilen ausländischen Arbeitskräfte weiblich, verschob sich der Anteil im September 1944 auf 37 Prozent. Der Anteil der weiblichen Arbeitskräfte lag demnach nicht über dem der Männer. Der sprunghafte Anstieg der Frauen unter den ausländischen Zivilarbeitern ist wohl analog zur Entwicklung im Reich auf die Hereinnahme von Ostarbeiterinnen zurückzuführen. Ihr Einsatz stellte die Unternehmen äußerst zufrieden, da für sie 10 Prozent weniger Aufwendungen getätigt werden mussten als für deutsche Arbeitskräfte. Ihre Leistung lag außerdem über der der deutschen Frauen. Zudem kam das Reich der Industrie entgegen, indem es auf diverse Beschränkungen bei den Ostarbeiterinnen verzichtete, die für deutsche Frauen galten. So fiel beispielsweise das Verbot weg, für schwere Arbeit herangezogen zu werden. Das Gewerbeaufsichtsamt Plauen hielt die Baumwollspinnerei während der Kontrolle des Werkes am 2. August 1944 sogar an, die in der Rüstungsproduktion von Osram beschäftigten Ostarbeiterinnen an Arbeitsplätzen mit schwerer Arbeit einzusetzen. Füße für Glimmlampen biegen und Montage von Werkstücken wären für »Halbtagsfrauen«168 oder andere deutsche Kräfte geeignet. Die Baumwollspinnerei sicherte zu, die Kräfte für Transportarbeiten einzusetzen, da sie für Montagen zu ungeschickt oder unzuverlässig seien.169 Ebenso setzte man Ostarbeiterinnen ohne Arbeitszeitbegrenzung ein und auch das Nachtarbeitsverbot entfiel.170 Für die quantitative Entwicklung des Einsatzes ziviler Ausländer in Plauen lässt sich festhalten, dass sie im Vergleich zum Gau Sachsen erst spät in vollem Umfang 167 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 210. 168 Vgl. GU 896  – Niederschrift Nr. 9/44, Mitteilung der Plauener Baumwollspinnerei an die Berliner Werksleitung Osram vom 02.08.1944. Betreff  : Gewerbeaufsicht  : 1. Die Verwendung von Ostarbeiterinnen. 2. Langarbeiterzulage-Karten. In  : LArch, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 490, Fol. 466. 169 Ebd. 170 Vgl. Herbert (1995)  : Fremdarbeiter, S. 324–325.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

einsetzte. Insgesamt folgte sie jedoch den reichsweiten Entwicklungen. Anders als im Reich stellte sich dagegen der expansive Einsatz von Arbeitskräften aus der Sowjetunion in Plauen dar. Überdurchschnittlich viele Ostarbeiter wurden im Gegensatz zu Arbeitskräften anderer Nationen eingesetzt. Deutlich hervor trat der Unterschied zu Beginn des Ostarbeitereinsatzes, während sich das Verhältnis der Zahl der Ostarbeiter zu der der Arbeitskräfte anderer Nationen bis Ende 1944 der reichsweiten Entwicklung anglich. Wahrscheinlich waren die Westarbeiter bereits auf die Wirtschaftszentren verteilt, als der Produktion in Plauen erste Arbeiterkontigente genehmigt wurden. Im Folgenden wird anhand der Verfahrensweisen einzelner Betriebe die Situation der zivilen Ausländer in Plauen dargestellt. 4.1.1 Die VOMAG und ihre ausländischen Zivilarbeiter – Rekrutierung, Arbeit und Unterbringung

Der VOMAG ist als Unternehmen des Maschinenbaus eine Sonderstellung in Plauen einzuräumen. Neben Textilmaschinen entstanden hier in der Zwischenkriegszeit Omnibusse, Lastwagen und Feinstbohrwerke, was den Betrieb in der Weltwirtschaftskrise vor der Stilllegung bewahrte und dann dazu führte, dass er auf die Liste der mit der Kriegsproduktion beschäftigten Firmen gesetzt wurde.171 Im Zweiten Weltkrieg war die VOMAG aufgrund ihrer Bemühungen in der Panzerproduktion als Musterbetrieb vom Rüstungskommando Chemnitz ausgezeichnet worden.172 Findige und innovative Herstellungsverfahren vor allem im Bereich der Fließbandmontage sicherten dem Unternehmen Wachstum und Einfluss, sodass es zu einem wichtigen Rüstungsbetrieb im Rüstungskommando Chemnitz avancierte. Welche Produktionsschwerpunkte die VOMAG im Zweiten Weltkrieg setzte, soll kurz illustriert werden. Bevor das Panzer-Programm initialisiert wurde, fertigte die VOMAG von 1939 bis 1941 im Zuge der Umstellung auf die Kriegsproduktion hauptsächlich LKW – und diese in großem Umfang für die Wehrmacht. 1940 machte der Verkauf von LKW 50  Prozent des Gesamtumsatzes aus.173 Schon 1938 hatte das Unternehmen mit Wehrmachtsaufträgen 28  Prozent seiner Jahresumsätze im Autobau erwirtschaftet. Zu den Kunden gehörten neben Wehrmacht und Privatpersonen auch die Reichsbahn und die Reichspost. Vergleicht man die Jahresbilanz 1938 mit den Umsätzen im ersten Vierteljahr 1939, lässt sich bei der Herstellung auf dem automobilen Sektor feststellen, dass sich der Schwerpunkt von privaten Abnehmern mit vormals 53 Prozent hin zur Wehrmacht mit knapp der Hälfte aller Aufträge verschob.174 In Vorbereitung auf 171 Vgl. Laser (1995)  : Plauen, S. 31–32. 172 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 08.03.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 38. 173 Vgl. Erhardt (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze, S. 205. 174 Vgl. Bericht des Vorstandes der VOMAG zum ersten Quartal 1939. Teil 3  : Gesamtsituation der einzelnen Abteilungen. Hier  : Autobau. In  : BArch Berlin, Best. 8119F Deutsche Bank, Nr. 2.956, Fol. 279.

169

170 | 

Zwangsarbeit in Plauen

die Montage des Panzerkampfwagens IV, dessen Produktion im Herbst 1942 aufgenommen wurde, entstand ab 1940 die elsterlinksseitige Fabrikationshalle für die Fließbandherstellung von Nutzfahrzeugen. In der später ihrer Funktion entsprechend als Panzermontagehalle oder Halle 1 bezeichneten Einheit wurden eine ebenerdige Fließbandmontage sowie unterirdische Kelleretagen errichtet, die den Teilenachschub sicherten.175 Aber noch vor Fertigstellung der Panzermontagehalle hatte die VOMAG 1940 die Panzerproduktion aufgenommen. Ende 1940 entfielen 3 Prozent des Gesamtumsatzes auf die Panzerproduktion, wobei Endmontage und Prüfung im Hauptwerk erfolgten.176 Von diesem Zeitpunkt an weitete die VOMAG ihre Fertigung entscheidend aus. 1941 entfielen 26 Prozent, 1942 schon 35 Prozent und mit Hereinnahme der Montage des Jagdpanzers IV 1944 schließlich 70  Prozent der Umsätze auf die Panzerproduktion. Nimmt man alle ausgelieferten Panzer zusammen, entfallen auf die VOMAG 20 bis 30 Prozent der gesamtdeutschen Produktion.177 Mit Ausweitung der Rüstungsaufträge gab das Plauener Unternehmen seine traditionellen Produktionslinien auf. Die Serienherstellung von Stickmaschinen war bis 1939 ausgelaufen. Der Produktionszweig wurde in der Bilanz des ersten Vierteljahres 1940 nicht mehr aufgeführt.178 Die Herstellung von Druckmaschinen brachte dem Unternehmen 1940 Verluste ein, weshalb der Zweig zugunsten der Abteilung Sonderfahrzeuge verschlankt wurde.179 Durch die von der Rüstung geprägte neue Produktpalette weiteten sich Anlagen und Belegschaft im Zweiten Weltkrieg aus, sodass die VOMAG zum größten ansässigen Produzenten von Kriegsmitteln aufwuchs. Im Juni 1939 beschäftigte die VOMAG 4.242 Kräfte.180 1940 zählte sie 4.096, 1941 waren es 4.825 und 1942 schon 6.381.181 Die meisten Arbeitskräfte entfielen mit 6.615 auf das Jahresende 1943.182 Im letzten Kriegsjahr sank die Belegschaft dann leicht auf 6.530 175 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 25. 176 Vgl. Laser (1995)  : Plauen, S. 34. 177 Vgl. ebd. Die Zahlenangaben stammen aus dem U.S. Strategic Bombing Survey (Hg.)  : Motor Vehicles and Tanks, Plant Report No. 9  : Voigtländische Maschinenfarbrik AG, Plauen, erstellt am 08./09.06.1945. 178 Vgl. Aktennotiz des Generalsekretariats der Deutschen Bank vom 13.06.1940 zu den Umsätzen im ersten Vierteljahr 1940 bei der VOMAG. In  : BArch Berlin, Best. R 8119F Deutsche Bank, Nr. 2.956, Fol. 379. 179 Vgl. Mitteilung der VOMAG an den Direktor der Deutschen Bank, Dr. Kessler, vom 19.08.1940. Betreff  : Erfolgsnachweis für Juni 1940. In  : BArch Berlin, Best. R 8119F Deutsche Bank, Nr. 2.956, Fol. 395. 180 Vgl. Aktenvermerk des Generalsekretariats der Deutschen Bank über den Vorstandsbericht der VOMAG vom 30.06.1939. In  : BArch Berlin, Best. R 8119F Deutsche Bank, Nr. 2.956, Fol. 307. 181 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 25. Angaben stammen aus dem U.S. Strategic Bombing Survey (Hg.)  : Motor Vehicles and Tanks, Plant Report No. 9  : Voigtländische Maschinenfarbrik AG, Plauen. 182 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Anlage 3. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen vom 12.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 67.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Beschäftigte.183 Im Vergleich verfügte ein zweiter wichtiger Rüstungsbetrieb, Dr. Th. Horn mit Hauptsitz in Leipzig, in seinem Zweitwerk in Plauen, beauftragt mit der Fertigung von Bordgeräten für die Wehrmacht, am 31. Dezember 1942 über eine Belegschaft von nur 792 Arbeitskräften.184 Dass die VOMAG auch im Rüstungskommando Chemnitz als kriegswichtiges und erfolgreiches Unternehmen wahrgenommen wurde, macht eine Besichtigung der Plauener Werksanlagen am 12. Januar 1944 deutlich. Mit der Absicht, die Panzerfertigung zu steigern, besuchte der Inspekteur der Panzertruppe, Generaloberst Heinz Guderian, in Begleitung von Generalleutnant Wiegand aus der Rüstungsinspektion IVa, dem Oberstleutnant Hauptmann, ebenfalls Mitglied der Rüstungsinspektion, Major Geyer und Diplom-Ingenieur Sonne, beide vom Rüstungskommando Chemnitz, dem Wehrbezirkskommandeur für Plauen, Oberst Cornelius, dem Kreisleiter Hitzler, Delegierten der DAF und der VOMAG sowie dem Sonderbeauftragten des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Schirmer, das Plauener Unternehmen.185 Ziel der Besichtigung war es, die Produktionsanlagen besonders der Panzermontage in Halle 1 zu begutachten und zu erläutern, welche Maßnahmen erfolgreich sind, um die von der Regierung festgelegte Fertigungshöhe des Panzerjägers zu erreichen. Nach Ende der Werksbegehung wurde im Arbeitsamt Plauen verhandelt, wie die für die Produktionssteigerung notwendigen Arbeitskräfte beschafft werden sollten.186 Vor welche Herausforderungen die Produktionserweiterung bei der VOMAG die Arbeitsverwaltungsbehörden stellte, soll stellvertretend für die Situation der Rüstungsindustrie im Verlauf des Zweiten Weltkrieges dargestellt werden. Die Aufnahme der Panzerjägerproduktion im geforderten Umfang ab 1944 machte es für die VOMAG notwendig, 300 zusätzliche Arbeitskräfte in den Fertigungsprozess einzubinden. Wie die meisten Rüstungsunternehmen stand die Maschinenfabrik zusammen mit den Delegierten des Reiches und des Rüstungskommandos nun vor dem Problem, wie die Arbeitskräfte zu beschaffen waren. Zur Erleichterung sollten die Kräfte in drei Raten in das Unternehmen integriert werden. Die erste Einheit von 100 Arbeitskräften wurde durch die Stilllegung kleinerer Maschinenfabriken in Plauen sowie durch Dienstverpflichtungen gedeckt. Die Beschaffung von Facharbeitern für die VOMAG blieb allerdings eine Herausforderung für das Arbeitsamt Plauen. Wei183 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 25. Die Beschäftigtenzahlen sind dem U.S. Strategic Bombing Survey (Hg.)  : Motor Vehicles and Tanks, Plant Report No. 9  : Voigtländische Maschinenfarbrik AG, Plauen entnommen. 184 Vgl. Jahresabschluss Dr. Th. Horn Plauen 1942. In  : BArch Berlin, Best. 8121 Bank der Deutschen Luftfahrt AG, Nr. 350, Fol. 269. Die Produktionspalette vermerkte Horn im Kreditprotokoll für Dr. Th. Horn Luftfahrtgeräte Plauen GmbH vom 01.02.1944, ebd., Fol. 246. 185 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Besichtigung der VOMAG am 11.01.1944. In  : BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 9 Rückseite. 186 Vgl. ebd.

171

172 | 

Zwangsarbeit in Plauen

tere Dienstverpflichtungen im Rüstungsbereich schienen nicht möglich, da bereits die ersten Verpflichtungen für Fachkräfte aus anderen Betrieben zu Beschwerden bei den zuständigen Ausschüssen geführt hatten. Besonders der Hauptausschuss ›Maschinen‹ hatte sich dagegen gesperrt. Deshalb sollte nun der Hauptausschuss ›Panzer‹ Betriebe bezeichnen, die Facharbeiter abgeben konnten, bzw. sollten die Betriebe Facharbeiter abgeben, denen zugunsten der Panzerfertigung Arbeitskräfte entzogen werden durften. Weiterhin sollte die Rüstungsinspektion die VOMAG-Facharbeiter freigeben, die in den Jahren zuvor in andere Betriebe dienstverpflichtet worden waren.187 Weniger problematisch erschien dagegen die Gewinnung ungelernter Arbeitskräfte für die Fertigung der VOMAG. Diese konnte die Stadt nach Angaben des Rüstungskommandos durch Betriebsumsetzungen selbst erfüllen. Die entsprechenden Raten waren am 15. Februar und 15. März zu erfüllen, um den Umfang der Panzerproduktion zu sichern.188 Bei der VOMAG handelte es sich um das einzige Unternehmen im Rüstungskommando Chemnitz, das die Ausbringung an Panzerjägern auf Weisung des RM.f.R.u.K. Anfang 1944 verdoppeln musste. Das Rüstungskommando resümierte, dass die »räumlichen und energiemäßigen Voraussetzungen […] im Großen und Ganzen vorhanden [sind]. [Dagegen stellt] die Deckung des zusätzlichen Kräftebedarfs […] eine schwer lösbare Aufgabe [dar], zumal Facharbeiter praktisch nicht zur Verfügung stehen[.]«189 Das Rüstungskommando sah den Ausweg in der Stilllegung anderer Metallbetriebe, denn »mit den berufsfremden Arbeitskräften der bereits ausgekämmten Textilbetriebe [war] für die schweren und Fachkenntnisse erfordernden Arbeiten des Panzerwagenbaus wenig anzufangen […].«190 Der Arbeitskräftemangel wirkte sich jedoch nicht nur negativ auf die Produktionszahlen aus, sondern auch auf die bereits in der VOMAG beschäftigten Arbeitskräfte. Anfang 1944 verzeichnete das Unternehmen einen Krankenstand von rund 5,9 Prozent, den das Rüstungskommando mit Besorgnis betrachtete.191 Ein Grund für das hohe Defizit war die Ausweitung der Arbeitszeit für alle Arbeitskräfte infolge der allgemeinen Versuche, die Produktivität zu erhöhen.192 So verfügten die offiziellen Stellen beispielsweise für Betriebe, die Jagdflugzeuge für die Wehrmacht herstellten, dass die Arbeitszeit für deutsche Männer auf 72 Stunden, für deutsche Frauen und Jugendliche auf bis zu 60 Stunden auszudehnen war. Die Wochenarbeitszeit enthielt bereits Pausen. Das Rüstungskommando Chemnitz hielt im Vergleich dazu zur Ausweitung der Arbeitszeiten für Ausländer fest, dass »keine 187 Vgl. ebd., Fol. 10. 188 Vgl. ebd. 189 Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15. 190 Ebd., Fol. 15 Rückseite. 191 Vgl. ebd. 192 Vgl. Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern, S. 155.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Bedenken [bestünden], die Arbeitszeit der ausländischen Frauen, die zumeist in Lagern untergebracht sind und daher keine Einkäufe zu tätigen haben, auf 72 Stunden auszudehnen.«193 Weiterhin verfügten die Behörden, dass die Arbeitswege zu verkürzen waren, um eine Arbeitszeitverlängerung sicherzustellen. »[Durch] Unterbringung der sehr entfernt wohnenden Arbeitskräfte in Lagern, Sammelunterkünften und Privatwohnungen [sollten die Ab- und Abmarschwege] abgekürzt werden.«194 Es ist davon auszugehen, dass sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen für ausländische Kräfte aufgrund der Arbeitszeitverlängerung verschlechterten, denn das Rüstungskommando hielt in seinen Ausführungen zur entsprechenden Bestimmung der Reichsbehörden fest, dass es bereits zu Protesten gekommen sei. »Bei der Einführung der verlängerten Wochenarbeitszeit haben sich vereinzelt Schwierigkeiten ergeben, weil ein Teil der ausländischen Arbeitskräfte unter Berufung auf die abgeschlossenen Arbeitsverträge, die meistens nur eine Arbeitszeit von bis zu 60 Stunden vorsehen, sich weigerten, die erhöhte Arbeitszeit zu leisten.«195 Dabei muss es sich um zivile Arbeitskräfte aus dem Westen Europas oder aus verbündeten sowie neutralen Staaten gehandelt haben. Sie waren die Einzigen, die aufgrund eines geringen Diskriminierungsgrades über entsprechende Möglichkeiten verfügten. Die deutschen Arbeitsverwaltungsbehörden suchten nun über die DAF die ausländischen Reichsverbindungsmänner zu veranlassen, die Gauverbindungsmänner telegrafisch davon zu unterrichten, dass den betreffenden Ausländern die gleiche Arbeitszeit wie den deutschen Kräften zugesichert wurde.196 Den Westarbeitern bzw. den Arbeitskräften aus verbündeten oder neutralen Staaten war es demnach möglich, über ihre jeweilige Landesvertretung im Reich Einfluss auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen nehmen. Ihren Forderungen Nachdruck verleihen konnten die freiwilligen Kräfte durch Abwanderungsdrohung197 oder Streik. Wie das Rüstungskommando Chemnitz in seinem Bericht andeutete, hatten sich die ausländischen Kräfte geweigert, der Mehrarbeit nachzugehen.198 Dass sich die Ausweitung der Arbeitszeit tatsächlich verhindern ließ, bleibt zu bezweifeln. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Regelungen nicht nur auf Betriebe aus dem ›Jäger-Programm‹ des Reichsluftfahrtministeriums begrenzt waren. Weil für die VOMAG keine entsprechenden Nachweise zur Verfügung stehen, soll ein anderes Beispiel die Situation in 193 Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeitszeit zur Erledigung des ›Jäger-Programmes‹. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 42 Rückseite. 194 Ebd. 195 Ebd. 196 Vgl. ebd. 197 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 16. 198 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeitszeit zur Erledigung des ›Jäger-Programmes‹. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 42 Rückseite.

173

174 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Plauen illustrieren. Zwar war Osram kein Plauener Unternehmen, doch hatte die Berliner Firma 1944 einen Teil ihrer Produktion ins Vogtland verlegt. Im August des Jahres erging an die Plauener Fertigungen eine Anweisung des Mutterkonzerns, dass die Ernährung der Wochenarbeitszeit angepasst werden sollte. Die männlichen deutschen Gefolgschaftsmitglieder hatten bereits eine Erweiterung der Arbeitszeit auf 74 Stunden pro Woche einschließlich Ruhephasen, also 69 Stunden reine Arbeitszeit erfahren, während Frauen und Jugendliche 66 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen zur Arbeit herangezogen wurden.199 Für ausländische Zivilarbeiter dürften die gleichen Wochenarbeitszeiten gegolten haben, da sich diese an denjenigen der deutschen Vorarbeiter im Schichtdienst orientierten.200 Jedoch nahm das Unternehmen Ostarbeiter, Polen oder Kriegsgefangene von der Anpassung der Ernährung aus. Zwar konnten sie zusätzliche Nahrungsmittel erwerben, diese sollten aber qualitativ schlechter sein und dazu dienen, »diese Arbeiter entsprechend anzuspornen, und aber auch gleichzeitig bei Entzug dieser Sonderzuteilung ein Strafmittel in der Hand zu haben.«201 Während die Industrie nach Arbeitskräften suchte, rief die Wehrmacht zur gleichen Zeit neue Soldaten an die Front und verschlechterte damit die Aussichten der Rüstungsbetriebe, schnell genügend Personal für ihre Fertigung zu erhalten. Im Januar 1944 wurde die SE-III-Aktion durchgeführt, die aus dem Wehrkreis IV 1.139 Wehrfähige202 der Jahrgänge 1901 bis 1919203 forderte. Unter SE-Aktionen sind Sondereinziehungs-Aktionen der Wehrmacht zu verstehen. Durchgeführt wurden sie von den Rüstungsdienststellen der einzelnen Wehrkreise. Problematisch waren diese Aktionen für die Rüstungsunternehmen, denn selbst die uk-Stellung (Unabkömmlichstellung) von Arbeitskräften in ›vordringlichsten Fertigungen‹ schützte vor Einzug zur Wehrmacht nicht. Die SE-Aktionen führten zu empfindlichen Einbrüchen in den kriegswichtigen Fertigungen, denn kurzfristige Ausnahmeregelungen erschwerten die längerfristige Planung zur Freistellung von Arbeitskräften für die Front.204 Plauen trug zur dritten Rate der SE-III-Aktion mit 22 Kräften vom Fliegerhorst PlauenKauschwitz nur einen kleinen Teil bei. Der Aktion fehlten 154 Männer. Grund war die Zurückstellung von knapp 200 Arbeitskräften aus der Luftwaffenfertigung.205 199 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 200 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 148. 201 K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 202 Vgl. Wochenbericht vom 17.–22.01.1944. Stand der SE-III-Aktion. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 11 Rückseite–12. 203 Vgl. Gehrig, Astrid (1996)  : Nationalsozialistische Rüstungspolitik und unternehmerischer Entscheidungsspielraum. Vergleichende Fallstudien zur württembergischem Maschinenbauindustrie, München, S. 256. 204 Vgl. auch für weiterführende Informationen zur Rüstungspolitik und Wehrpflicht ebd., S. 243. 205 Vgl. Wochenbericht vom 17.–22.01.1944. Stand der SE-III-Aktion. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 11 Rückseite–12.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Wie alle privaten und öffentlichen Einrichtungen des Dritten Reiches griff auch die VOMAG auf Ausländer in ihrer Produktion zurück. Nachweislich handelte es sich um Ost- und Westarbeiter sowie Tschechen, Polen und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, wie noch zu zeigen sein wird. Für das Jahr 1943 wies das Unternehmen beim Rüstungskommando Chemnitz 1.065 Angestellte, 1.523 Facharbeiter, 1.792 männliche und 392 weibliche Angelernte, 1.014 männliche sowie 532 weibliche Ungelernte und 297 gewerbliche Lehrlinge aus. 37 Prozent der Beschäftigten waren ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene.206 Der Umfang der Ausländerbeschäftigung bei der VOMAG wurde im Januar 1944 von den Behörden schon als bedenklich hoch wahrgenommen.207 Das Rüstungskommando lehnte es wegen des bereits umfangreichen ›Ausländereinsatzes‹ in dem Plauener Unternehmen in der Folge sogar ab, die durch die Ausweitung der Panzerfertigung notwendigen Kräfte unter den Ausländern zu rekrutieren.208 Dass die VOMAG aber keineswegs Einzelfall mit überdurchschnittlicher Ausländerbeschäftigung war, zeigt die Aufstellung für das Werk Horch in Zwickau. Franziska Hockert ermittelte in ihrer Studie zu Zwangsarbeit bei der Auto Union einen Ausländeranteil von 38  Prozent im Oktober 1944. Dabei berücksichtigte sie jedoch die Gruppe der KZ-Häftlinge.209 Ebenso wie Horch nutzte auch die VOMAG die Arbeitskraft aus dem KZ. Die Zahl der Häftlinge floss allerdings nicht in die Statistik des Arbeitsamtes Plauen Ende 1943 ein, denn das entsprechende Außenlager entstand erst im Zuge der Betriebsverlagerung nach Mehltheuer 1944. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass ab 1943 eine Fluchtbewegung unter den ausländischen Zivilarbeitern einsetzte, die als Arbeitsvertragsbruch zum Massenphänomen wurde.210 Bei der VOMAG waren es vor allem polnische Arbeitskräfte, die ihre Arbeitsstellen unerlaubt verließen. Bereits im Juli und August 1942 flüchteten mindestens fünf Polen.211 Mit dem auch in Plauen einsetzenden Bombenkrieg 1944 hatte die Plauener Maschinenfabrik begonnen, in Betriebsverlagerungen ihre Produktionsmittel zu sichern und weitere Zwangsarbeiter in ihrer Produktion einzusetzen. So baute die VOMAG 206 Vgl. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Anlage 3. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen vom 12.01.1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 67. 207 Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15. 208 Vgl. ebd. 209 Vgl. Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union, S. 71. 210 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 255. 211 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 79, 2.1.4.1 / 70955186/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 83, 2.1.4.1 / 70955190/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 86, 2.1.4.1 / 70955193/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

175

176 | 

Zwangsarbeit in Plauen

beispielsweise die Tüllfabrik in Mehltheuer für eine Betriebsverlagerung aus.212 Im Zuge der Umbauarbeiten entstand außer den Produktionsstätten ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Zwischen Oktober und Dezember wurden 345 ungarische Jüdinnen aus Auschwitz und Bergen-Belsen hierher verlegt213, um Ersatzteile für Panzer214 und Baueinheiten für Flugzeuge215 herzustellen. Auch an anderen Standorten sicherte die VOMAG ihre Produktionsmittel. So verlagerte sie die Herstellung der Feinstbohrwerke nach Oettingen216, ihren Aggregatbau, ihren Bohrstangenbau und ihre Schneidenfertigung in die Porzellanfabrik Mühlhausen im Vogtland217. Wann die ersten ausländischen Zivilarbeiter in der Produktion der VOMAG eingesetzt wurden, lässt sich nur schwer bestimmen. Uta Reuter, deren Vater Gießereimeister im Unternehmen war, berichtete, dass 1941 bereits ca. 200 ausländische Arbeitskräfte eingesetzt wurden.218 Nachzuweisen sind ab Juli des Jahres 159 zivile Italiener.219 Dass vor ihnen schon ausländische Zivilarbeiter zum Einsatz kamen, scheint möglich, aber unwahrscheinlich. Die VOMAG erhielt zwar bereits 1940 Aufträge zur Fertigung von Panzerkraftwagen, deren Produktion noch im gleichen Jahr mehr als verdoppelt werden sollte.220 Der Schwerpunkt des ›Ausländereinsatzes‹ lag zu diesem Zeitpunkt aber noch auf der Landwirtschaft. Entsprechende Kräfte aus Polen lassen sich für Plauen nachweisen. So kam beispielsweise Anna Sagan als landwirtschaftliche Arbeiterin zur Düngerabfuhr Plauen.221 Eine Ausnahme bildete jedoch die Sächsische Zellwolle. Sie beschäftigte, obwohl sie weder dem Bergbau oder dem Baugewerbe noch der Landwirtschaft angehörte, ab 1940 französische Zivilarbeiter.222 Erster ausländischer Zivilarbeiter in der VOMAG war vermutlich Viktor Cornil, der am 7. März 1941 nach Plauen kam.223 Anfang 1942 folgten ihm weitere Kräfte, wie zum Beispiel der als Hilfsschlosser eingesetzte Albert Coutable oder der Betriebselek212 Vgl. Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 8. 213 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 214 Vgl. Interview mit Mája Dohnalová, Min. 1  :13  :31–1  :17  :00. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 215 Vgl. Zeugenaussage von Bela Röhr bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel am 22.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66. 216 Vgl. Verlagerungen im Maschinenbau vom 25.01.1945. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 1404a, Fol. 1705. 217 Vgl. ebd., Fol. 1739. 218 Vgl. Interview mit Uta Reiter, Min. 6  :35, siehe Anhang 2. 219 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle. 220 Vgl. Geschäftsbericht der VOMAG-Vorstandes für das Jahr 1940. In  : BArch Berlin, Best. R 8119 F Deutsche Bank, Nr. 2.956, Fol. 55. 221 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 106, 2.1.4.1 / 70955213/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 222 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 57, 2.1.4.1 / 70955011/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 223 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 103, 2.1.4.1 / 70954888/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

triker Raymond Courtemanche.224 Im März 1943 begann die VOMAG dann, Belgier in ihre Produktion aufzunehmen.225 Weil die Umstände ihrer Unterbringung im Rahmen des Einsatzes bei der VOMAG am besten belegt werden können, sollen die italienischen Arbeitskräfte beispielhaft für alle Ausländer aus verbündeten, neutralen oder besetzten Gebieten, die nach Spoerer in die erste und zweite Gruppe ausländischer Zivilarbeiter einzuordnen sind, diskutiert werden. Wie schon dargelegt, verfügten Italiener über einen besonderen Status unter den ausländischen Zivilarbeitern. Als Arbeitskräfte aus einem ebenfalls faschistischen Staat wurden sie auf Grundlage eines bilateralen Abkommens im Deutschen Reich bis 1943 eingesetzt. Dementsprechend bevorzugt war ihre Stellung. Sie konnten sich frei im Reich bewegen, es sogar spätestens nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages verlassen. Da italienische Arbeitskräfte keiner rechtlichen Diskriminierung unterlagen, konnten sie Einfluss auf ihre Lebensbedingungen nehmen. Durch die rücksichtsvolle behördliche Behandlung galten die Arbeiter aus dem Süden Europas allerdings als kostspielig, weil sie nicht die Arbeitsleistung erbrachten, die sich die deutschen Unternehmen analog zur guten Versorgung von ihnen erhofften. Entgegen allen Unannehmlichkeiten war die Nachfrage nach italienischen Arbeitskräften im Reich stetig hoch.226 Trotz der ›exemten‹ Stellung der Italiener und einer hohen Arbeitslosigkeit im eigenen Land kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die ab 1941 bei der VOMAG eingesetzten Arbeiter freiwillig nach Deutschland gekommen waren. Denn ab Mitte 1940 hatte sich die Verhandlungsposition Italiens gegenüber der des Deutschen Reiches im Rahmen der bilateralen Verträge zum Arbeitskräfteaustausch aus verschiedenen nicht näher zu erläuternden Gründen verschlechtert. Die starke Position nutzten die deutschen Arbeitseinsatzbehörden, um den Italienern Quoten zur Abgabe von Arbeitskräften aufzuerlegen. Italien griff zwischen März 1941 und Dezember 1942 im eigenen Land zu Auskämmaktionen in verschiedenen Industrien, um diese Kontingente erfüllen zu können.227 Für 1942 ist dann der erste Einsatz französischer Zivilarbeiter bei der VOMAG nachweisbar.228 Im Folgejahr erfuhr der Einsatz ausländischer ziviler Arbeitskräfte eine deutliche Zunahme. Vor Kriegsende fanden Franzosen und Belgier neben Tschechen, Polen und Arbeitskräften aus dem Osten Einsatz im Unternehmen.229 224 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 57, 2.1.4.1 / 70955011/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 225 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Belgier, Ordner 45d, Fol. 14, 2.1.4.1 / 70954798/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 226 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 16 und 81. 227 Vgl. ebd., S. 81–82. 228 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70954875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Bspw. kam der Franzose Jean Henri Maurice Beauliet am 15.11.1942 als Dreher zur VOMAG und blieb bis nach Ende des Zweiten Weltkrieges. 229 Für Belgier vgl. Hauptmeldebogen von Carolus Pede, 2.2.2.1 / 74150876/ ITS Digital Archive, Bad

177

178 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Wie die Ausländer zur Arbeitsaufnahme bei der VOMAG kamen, kann aufgrund der lückenhaften Überlieferung leider nicht eindeutig geklärt werden. Im Folgenden können lediglich Vermutungen angestellt werden, ob die Arbeitsaufnahme freiwillig erfolgte. Sicher ist im Falle der ab 1942 bei der VOMAG registrierten Franzosen, dass sie als ausländische Arbeitskräfte aus den besetzten Westgebieten wenig behördliche Diskriminierung erfuhren. Arbeitsrechtlich waren sie den Deutschen gleichgestellt.230 Ebenso wie Italiener konnten Franzosen, sofern sie keiner Dienstpflicht unterlagen, das Deutsche Reich spätestens nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages verlassen und durch Abwanderungsdrohung Einfluss auf ihre Existenzbedingungen nehmen.231 Hinweise auf die Rekrutierung können Alter und Ausbildung geben. So war der Franzose Jean Bellenger bei seiner Arbeitsaufnahme als Werkzeugschlosser am 26. Januar 1942 38 Jahre alt.232 Grundsätzlich galt, dass besonders die französischen Arbeitskräfte, die zunächst freiwillig durch Anwerbeaktionen ins Deutsche Reich gekommen waren, älter und vor allem besser ausgebildet waren als beispielsweise die verschleppten Ostarbeiter. Franzosen wurden ihrem Beruf entsprechend in der Industrie als Facharbeiter eingesetzt233, weswegen das Deutsche Reich an ihnen besonders interessiert war. Zwar war es ab Mai 1941 auch möglich, ausländische Zivilarbeiter, sofern sie aus den besetzten Westgebieten stammten, anzulernen234, doch lag das Bemühen der deutschen Arbeitseinsatzbehörden aus Kostengründen eher darin, ausgebildete Facharbeiter, im Speziellen aus Frankreich, einzusetzen.235 Während Jean Bellenger Facharbeiter war, war sein Kollege und Landsmann Robert Jean Celatie Barros mit Hilfsarbeiten in der VOMETALL beschäftigt. Er kam am 16. Oktober 1942 nach Plauen, um eine Stelle in der Tochterfirma der VOMAG anzutreten. Mit 22 Jahren war er deutlich jünger als Bellenger und als Hilfsschleifer eingesetzt.236 Die Berufsbezeichnung lässt vermuten, dass Barros für Facharbeiten angelernt wurde und einer qualifizierten Arbeitskraft zur Seite stand.

230 231 232 233 234 235 236

Arolsen. Für Franzosen vgl. Hauptmeldebogen von Lucien Carpentier, 2.2.2.1 / 71728158/ ITS ­Digital Archive, Bad Arolsen. Für Polen vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 43, 2.1.4.1 / 70955150/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Für Ostarbeiter vgl. GestapoAkte von Alexander Radul, Festnahme am 21.09.1942. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 12040, nicht foliiert. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 91. Vgl. ebd., S. 16. Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 51, 2.1.4.1 / 70955005/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Vgl. Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern, S. 159. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 324. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 64. Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70954875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Während Bellenger aus dem deutsch besetzten Norden des Landes stammte237 und von dort vermutlich im Zuge der Rekrutierungsaktionen der Behörden ins Reich kam, stammte Barros aus dem Süden Frankreichs. Robert Barros war in der Gemeinde Recoules-Prévinquières (in der Quelle  : Recoules-Prevenquieres) nordwestlich von Mont­pellier, im ›freien‹ Frankreich unter der Vichy-Regierung, wohnhaft gewesen.238 Seine Herkunft und der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme geben weitere Hinweise auf den Vorgang der Rekrutierung. Obwohl die Anwerbungen in Frankreich 1941/42 auf Freiwilligkeit beruhten, lässt sich im Frühjahr 1942 eine Radikalisierung zumindest auf dem deutsch besetzten Gebiet feststellen. Obgleich der Süden mit seinem Amtssitz in Vichy ein nach außen souveräner Staat war, arbeitete er mit den deutschen Arbeitseinsatzbehörden zusammen. Nachdem die auf Freiwilligkeit beruhenden Anwerbungen nicht den erhofften Erfolg gebracht hatten, verschärften die Arbeitseinsatzbehörden 1942 ihre Gangart bei der Arbeitskräftegewinnung.239 Schon nach Besetzung Nordfrankreichs hatten die NS-Arbeitseinsatzbehörden auch auf dem Gebiet der Vichy-Regierung versucht, Arbeitskräfte anzuwerben.240 1942 schloss die Regierung in Vichy mit dem Deutschen Reich auf Druck der französischen Bevölkerung die Abkommen der ›relève‹ und der ›transformation‹. Beide Vereinbarungen sahen eine Art Austausch von Kriegsgefangenen gegen Zivilarbeiter vor. Im Zuge der ›relève‹ kamen ab Juni 1942 bis 1943 240.000 Zivilarbeiter ins Deutsche Reich, während ca. 90.000 Kriegsgefangene im Gegenzug ›beurlaubt‹ nach Frankreich zurückkehren durften.241 Im September 1942 führte die Vichy-Regierung die allgemeine Dienstpflicht, den ab Februar 1943 sogenannten ›Service du travail obligatoire‹ (STO) ein.242 Da Barros im Oktober zur VOMETALL243 kam, fiel er entweder unter die Dienstverpflichtung oder es wäre auch denkbar, dass sich die beiden vorgestellten französischen Zivilarbeiter in der VOMAG und VOMETALL im Zuge von ›relève‹ zur Arbeit im Deutschen Reich gemeldet hatten und nach Plauen geschickt worden waren. Sauckel erweiterte nach dem Inkrafttreten des STO die Vereinbarungen mit der Vichy-Regierung im April 1943 nochmals. Das nun entstandene Abkommen der ›trans­formation‹ sah vor, dass mit jedem von Frankreich im Rahmen des STO nach 237 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 51, 2.1.4.1 / 70955005/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 238 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70954875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Zur geographischen Lage und Ausdehnung Vichy-Frankreichs vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2012)  : Nationalsozialismus  : Krieg und Holocaust. Informationen zur politischen Bildung, Hft. 316, http://www.bpb.de/izpb/159818/karten 26.10.2016. 239 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 64. 240 Vgl. Pfahlmann (1968)  : Fremdarbeiter und Kriegsgefangene, S. 34–35. 241 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 64. 242 Vgl. ebd. 243 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70954875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

179

180 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Deutschland versandten Arbeiter ein Kriegsgefangener beurlaubt wurde. Im Gegensatz zur ›relève‹ erfolgte mit der Beurlaubung aber nicht die Rückkehr nach Frankreich, sondern die Umwandlung seines Status in den eines Zivilarbeiters. Von Vorteil war diese Regelung für Frankreich nicht, auch wenn der betreffende Kriegsgefangene nun mit den anderen französischen Zivilarbeitern gleichgestellt war und deshalb für vergleichbare Arbeit einen höheren Lohn erhielt.244 Auf der anderen Seite verlor der Kriegsgefangene mit Überführung in den Zivilstatus den Schutz der Genfer Konventionen sowie die Fürsorge des Roten Kreuzes und sah sich in der Heimat mit dem Vorwurf der Kollaboration konfrontiert.245 Mehrere ehemalige französische Soldaten waren im Zuge der ›transformation‹ auch gezwungen worden, Arbeit in Plauen aufzunehmen. So begann Jean Marie Beauzac am 19. Juni 1943 als Bohrer in der VOMAG. Er war zuvor Kriegsgefangener gewesen.246 Auch der Soldat René Alex wurde ab dem 21. Oktober 1943 als Kraftwagenfahrer beim Plauener Rüstungsproduzenten VOMAG eingesetzt.247 Beauzac und Alex waren zwei von 222.000 der verbliebenen 800.000 französischen Kriegsgefangenen im Deutschen Reich, deren Status in den von Zivilarbeitern umgewandelt wurde.248 Etwas eindeutiger war die rechtliche Situation der Arbeitskräfte aus dem Osten. Der erste Ostarbeiter, der in der VOMAG eingesetzt wurde, war der aus Litwinow stammende Fudy Fosin. Er trat seinen Dienst am 22. Mai 1942 als Hilfsschlosser an.249 Der erste Ostarbeiter in der Stadt Plauen war jedoch schon am 31. März 1941 eingesetzt worden. Das Bauunternehmen Oskar Keßler beschäftigte fortan den Bauhandlanger Wasily [Ko]guta250 in seinem Betrieb. Am 17. Juni 1942 verpflichtete die VOMAG ihre ersten Ostarbeiterinnen. Als Gießereiarbeiterin war beispielsweise die zum Zeitpunkt ihrer Arbeitsaufnahme 21-jährige Luba Bartosch eingesetzt.251 Ledig­lich Osram nutzte schon ab Januar 1941 eine Ostarbeiterin in seiner Produktion in Plauen.252 Da der Krieg 244 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 64–65. 245 Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte im Februar 1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 33–34. 246 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70954875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 247 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 87, 2.1.4.1 / 70954872/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 248 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 65. 249 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiter, Ordner 45i, Fol. 115, 2.1.4.1 / 70955688/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 250 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiter, Ordner 45i, Fol. 132, 2.1.4.1 / 70955705/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Der Name des Ostarbeiters ist in der vom Archiv zur Verfügung gestellten Kopie schlecht lesbar. Die Anfangsbuchstaben sind der Versuch einer Rekonstruktion. 251 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 87, 2.1.4.1 / 70955513/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 252 Vgl. ebd.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

gegen die Sowjetunion erst im Juni 1941 begann253, verwundert die Aufführung der beiden Arbeitskräfte bei Osram und Keßler noch vor Eröffnung der Kampfhandlungen. Ob es sich tatsächlich um Ostarbeiter handelte und unter welchen Umständen sie ins Deutsche Reich kamen, soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter diskutiert werden. Im Frühjahr 1942 hatten die Anwerbungen auf dem eroberten Gebiet der Sowjetunion auf freiwilliger Basis begonnen. Nach den ersten Berichten heimgekehrter sowjetischer Arbeitskräfte, wie sich die Situation der ins Reich verbrachten Ostarbeiter gestaltete, nahmen die Freiwilligenmeldungen rapide ab. Bereits seit Dezember 1941 hatten die Besatzer eine allgemeine Arbeitspflicht eingeführt, die für Männer zwischen dem 16. und 65. Lebensjahr galt. Auch Frauen im Alter von 15 bis 45 Jahren unterlagen ihr. Im Herbst 1942 hoben die deutschen Behörden die Altersbeschränkung der Arbeitspflicht auf und erweiterten sie um einen Pflichtdienst, der im Reich abgeleistet werden musste, sofern die Arbeitskräfte auf besetztem Gebiet nicht anderweitig für die Deutschen tätig waren. Da sich die sowjetische Bevölkerung gegen eine Dienstpflicht wehrte, griffen die Besatzer nun auch zu drastischen Maßnahmen.254 Es ist also davon auszugehen, dass die vorgestellten Anfang 1942 verpflichteten Ostarbeiter unter Umständen noch freiwillig zur VOMAG gekommen waren. Sie unterstanden allerdings bereits einer Dienstpflicht. Obwohl Bartosch und Koguta schon im Frühjahr/Sommer 1942 ins Reich kamen, ist auch bei ihnen nicht vollends auszuschließen, dass sie von den deutschen Behörden gegen ihren Willen verschleppt wurden. Denn die Besatzer gingen, wie bereits erwähnt, anders als in den besetzten Westgebieten von Anfang an wenig rücksichtsvoll mit der sowjetischen Bevölkerung um.255 Festzuhalten bleibt, dass alle Ostarbeiter, die ab Herbst 1942 Arbeit in Plauen aufnahmen, dies unter Zwang taten. Waren sie schon früher ins Reich gekommen, waren Freiwilligenmeldungen durchaus möglich, was ihre beinah vollends entrechtete Situation jedoch nicht verbesserte. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass es spätestens ab März 1944256 auch für Westarbeiter und Kräfte aus neutralen oder verbündeten Staaten nicht mehr entscheidend war, ob sie freiwillig oder unter Zwang ins Deutsche Reich gekommen waren. Sofern sie eine Arbeit in Deutschland aufgenommen hatten, waren die Bedingungen für sie die gleichen wie für alle, die ihrer Gruppe angehörten. Dieses Phänomen war für die Ostarbeiter schon zu Beginn ihres Einsatzes festzustellen. Als am stärksten diskriminierte Gruppe unter den Zivilarbeitern konnten sie keinen nennenswerten 253 Vgl. Kißener (2005)  : Das Dritte Reich, S. 82. 254 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 73–74. 255 Vgl. ebd., S. 92. 256 Am 23. März 1944 leitete die Rüstungskommission IVa das Rundschreiben Nr. 14 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über die sofortige Urlaubssperre für ausländische Zivilarbeiter an das Rüstungskommando Chemnitz weiter. Damit war den Zivilarbeitern mit Urlaubsanspruch die letzte Möglichkeit genommen, das Deutsche Reich legal verlassen zu können.

181

182 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Einfluss auf ihre Existenzbedingungen nehmen. Dies galt auch für Polen.257 Wie bereits dargestellt, wurden die polnischen Arbeitskräfte ab 1940 in der Plauener Landwirtschaft eingesetzt. Am 7. April 1942 nahm Andrej Twardowski als erster Pole eine nicht näher definierte Arbeit bei der VOMAG auf.258 Im Gegensatz zu den Ostarbeitern bestand für Westarbeiter sowie Arbeitskräfte aus neutralen oder verbündeten Staaten bis 1944 noch die Möglichkeit, ihre Existenzbedingungen vor allem durch Abwanderungsdrohung zu beeinflussen.259 Tatsächlich war eine Abwanderung nur für die ausländischen Zivilarbeiter möglich, die freiwillig ihre Arbeit im Reich aufgenommen hatten. Dietrich Eichholtz geht davon aus, dass dies nur auf 20 Prozent der Arbeitskräfte zutraf, die bis 1942 nach Deutschland kamen. Ob die Arbeitsaufnahme tatsächlich freiwillig erfolgte oder deswegen, weil die deutschen Besatzer die Lebensbedingungen vor Ort negativ beeinflussten, sei dahingestellt.260 Durch umfangreiche Dienstverpflichtungen wurde der Weg, Deutschland zu verlassen, schließlich erschwert. Es konnte bereits festgestellt werden, dass ab 1943 die Abwanderung unter den Ausländern in der VOMAG zunahm. Besonders unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz hatte im Januar 1944 dazu geführt, dass das Rüstungskommando Besorgnis über die Einhaltung der Fertigungsvorgaben äußerte. Bei VOMAG und VOMETALL waren 450 Arbeitskräfte beurlaubt oder fehlten unentschuldigt. Darunter sind nach Angaben des Rüstungskommandos diejenigen Ausländer zu verstehen, die nicht aus dem Urlaub zurückgekehrt waren.261 Folglich ist zum einen davon auszugehen, dass es sich bei den nicht aus dem Urlaub Zurückgekehrten um Westarbeiter handelte, da sie die Einzigen waren, die bis März 1944 ihre Urlaubsansprüche wahrnehmen konnten. Ostarbeiter unterlagen bereits ab Oktober 1943 Urlaubssperren.262 Zum anderen spricht die hohe Fluchtrate in der VOMAG für Arbeitsbedingungen, die nicht nur den Arbeitskräften aus dem Westen Europas nicht akzeptabel erschienen, denn auch Polen entzogen sich ab 1942.263 Grund für die Fluchtraten konnte neben schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen jedoch auch die reichsweite Einführung von Zwangsmaßnahmen sein. Im Mai 1942 hatte Sauckel verfügt, dass die Arbeitsverhältnisse ausländischer Arbeitskräfte in der Rüstungsin257 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 16–17. 258 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 117, 2.1.4.1 / 70955224/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 259 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 16. 260 Vgl. Eichholtz (2000)  : Zwangsarbeit, S. 19. 261 Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15 Rückseite. 262 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 167. 263 Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 79, 2.1.4.1 / 70955186/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 83, 2.1.4.1 / 70955190/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 86, 2.1.4.1 / 70955193/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

dustrie nur noch mit Zustimmung des Arbeitsamtes gelöst werden konnten. Im September des gleichen Jahres erließ der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz dann gesonderte Regelungen für die Lösung von Arbeitsverhältnissen unter anderem im Maschinen- und Fahrzeugbau. Selbst bei Zustimmung des Arbeitgebers und Kündigung bedurfte es der Genehmigung des Arbeitsamtes, um ein Arbeitsverhältnis aufzulösen.264 Familienheimfahrten oder Urlaub waren die letzte und einzige Möglichkeit, den mittlerweile angewachsenen Repressionen im Reich zu entgehen sowie das Land vor Ablauf des Arbeitsvertrages legal zu verlassen.265 Im Fall der VOMAG scheinen die hohen Fluchtzahlen aber auf schwere Arbeit und eine schlechte Lebenssituation zurückzugehen. Das Rüstungskommando stellte fest, dass »die angesetzten Kräfte […] auf das Äußerste beansprucht [werden].«266 Es konnte bislang festgestellt werden, dass die ausländischen Zivilarbeiter in der VOMAG einerseits wohl zum größten Teil als Zwangsarbeiter gekommen waren und deshalb allenfalls geringen Einfluss auf ihre Existenzbedingungen nehmen konnten. Weiterhin ist bewiesen, dass die ausländischen Zivilarbeiter in der VOMAG als Unternehmen des Panzerbaus schwerer Arbeit unterlagen. Dies könnte Grund für eine hohe Fluchtrate sein. An dieser Stelle soll nun der Frage nach der Unterbringung der ausländischen Zivilarbeiter als weiteres Indiz für die Bewertung ihrer Existenzbedingungen nachgegangen werden. Das Lager ›Weißer Stein‹, benannt nach der geologischen Formation des Bodens am Rande der Elsteraue267, diente der VOMAG zur Unterbringung eines Teils ihrer ausländischen Zivilarbeiter – zuvörderst der Arbeitskräfte aus dem Osten Europas.268 Nach allgemeinen Vorgaben waren bis 1943 lediglich Ostarbeiter und Kriegsgefangene in Lagern unterzubringen  ;269 die Bezeichnung ›Ausländerlager‹ wurde zeitgenössisch allerdings ebenfalls für Unterkünfte genutzt, die von Zivilarbeitern anderer Nationalität bewohnt wurden.270 Auch Einrichtungen, die von mehreren Unternehmen zur Unterbringung ihrer ausländischen Arbeitskräfte genutzt wurden, die sogenannten Gemeinschaftslager, trugen ebendiese Bezeichnung. Die gemeinschaftliche Nutzung diente der Reduzierung der Lagerunterhaltungskosten für das einzelne Un-

264 Vgl. Sechste Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels. Vom 29. September 1942. In  : RGBl. I, Nr. 100, 02.10.1942, S. 565. 265 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 167. 266 Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15 Rückseite. 267 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 18. 268 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 6  :35–7  :11, siehe Anhang 2. 269 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 231. 270 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle. Hier wird die umgebaute Gaststube als Italienerlager bezeichnet.

183

184 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ternehmen oder den einzelnen Einsatzträger.271 Zu den Gemeinschaftslagern gehörte zum Beispiel das Lager ›Ausflug‹, in dem die VOMAG Ostarbeiter untergebracht hatte.272 Weiterhin nutzte das Rüstungsunternehmen das Lager ›Ausflug‹ für die Einquartierung tschechischer Kräfte.273 Hinzu kam ein Lager in der Hofwiesenstraße 3, das sich die VOMAG mit ihrer Tochterfirma VOMETALL teilte. Untergebracht waren hier Franzosen.274 Auch der ›Weiße Stein‹ diente der Unterbringung ziviler Ausländer unterschiedlicher Nationalität, die bei VOMAG und VOMETALL eingesetzt waren.275 Als weiteres Ausländerlager kommt der Saal der Gastwirtschaft ›Rothenburg‹ in Plauen hinzu. Ihn belegte die VOMAG mit ausländischen Zivilarbeitern. Hier waren es im Speziellen Tschechoslowaken. Die Unterkunft nutzte ebenfalls die Maschinenfabrik Albert Müller für ihre italienischen Zivilarbeiter.276 Da die Unterbringung der zivilen Ausländer für die Unternehmen vor allem bei einem umfangreichen Einsatz der Arbeitskräfte kostspielig war, bedienten sie sich gern bereits existierender Strukturen. Neben Turnhallen wurden auch Herbergen und Säle von Gastwirtschaften umfunktioniert.277 Oberste Prämisse der Behörden war es, dass die deutsche Bevölkerung so wenig Kontakt wie möglich zu den Ausländern hatte.278 So betrieb die VOMAG ab Juli 1941 ein Lager im Bahnhofshotel Barthmühle, in dem sie 159 italienische Arbeitskräfte in der Plauener Peripherie unterbrachte.279 Weitere Einrichtungen kamen hinzu und auch in Plauen entstand, ähnlich wie in Essen durch die Ausländerlager der Firma Krupp280, ein weitverzweigtes und über die ganze Stadt verstreutes Lagersystem. 271 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 120. 272 Vgl. Rückführungsantrag von Afanasi Ambrosenko beim Arbeitsamt Plauen, gestellt am 04.07.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 2. Er war als Lagersanitäter bei der VOMAG beschäftigt und im Lager ›Ausflug‹ untergebracht. Dazu vgl. Mitteilung der Vertrauensärztlichen Dienststelle zum Gesundheitszustand von Afanasi Ambrosenko an das Arbeitsamt Plauen vom 07.07.1944 und 19.05.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 3. 273 Vgl. Hauptmeldebogen Jaroslav Srutek, 2.2.2.1 / 75073538/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 274 Vgl. Mitteilung des Oberbürgermeisters der Kreisstadt Plauen – Polizeipräsidium – an das Amtsgericht Plauen vom 16.01.1946. Betreff  : Nachforschung über Bürger der vereinten Nationen. In  : StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 2255, nicht foliiert. Der Mitteilung angehängt ist eine Liste von ausländischen Zivilarbeitern aus Frankreich, Belgien, Dänemark, Polen, der Tschechoslowakei, Italien und Jugoslawien mit Vermerk der Namen, Geburtsdaten, Arbeitsstellen und Unterbringung. 275 Vgl. außerdem Hauptmeldebogen Julien Waaselin, 2.2.2.1 / 75572782/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Hauptmeldebogen Julien Waaselin, 2.2.2.1 / 75572783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 276 Vgl. Mitteilung des Oberbürgermeisters der Kreisstadt Plauen – Polizeipräsidium – an das Amtsgericht Plauen vom 16.01.1946. Betreff  : Nachforschung über Bürger der vereinten Nationen. In  : StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 2255, nicht foliiert. 277 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 232. 278 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 2. 279 Vgl. ebd., S. 1. 280 Vgl. Beschreibung der Krupp’schen Ausländerlager bei Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 232.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Um den Transport zur Arbeitsstelle und ins Lager zu vereinfachen, nutzten die Unternehmen für die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte Einrichtungen, die über eine günstige Verkehrsanbindung verfügten.281 Dies lässt sich auch für das Italienerlager der VOMAG feststellen. Die Namensgebung Bahnhofshotel lässt eine Nähe zum Bahnhof des Ortes Barthmühle vermuten. Die An- und Abreise wurde demnach mit der Reichsbahn oder einer Betriebsbahn besorgt. Waren die Lager jedoch nicht verkehrsgünstig gelegen, musste der Transport anderweitig organisiert werden. Die Baumwoll-Weberei Lang betrieb ein Barackenlager für Ostarbeiter in der Klopstockstraße. Da sich die Betriebsstätten nicht in unmittelbarer Nähe, sondern in der ca. 3 Kilometer entfernten Hammerstraße befanden282, wurden die Kräfte vor und nach der Arbeit mit einem LKW befördert.283 Dies bildete allerdings wohl eher eine Ausnahme beim Arbeitseinsatz von Ostarbeitern. Die stark diskriminierten Arbeitskräfte begaben sich zumeist in Kolonnen auf den Fußmarsch zum Einsatzträger.284 Grund dafür war das Verbot, unter anderem die Straßenbahn nutzen zu dürfen.285 Obwohl in Barthmühle die vorhandenen Strukturen des Bahnhofshotels genutzt wurden, fanden die Italiener kein Hotel vor. Die VOMAG hatte lediglich Areal und Gebäude angemietet und diese zu einem Lager umbauen lassen. Die italienischen Arbeitskräfte belegten ausschließlich den Saalraum des ehemaligen Hotels, in dem 100 Betten aufgestellt waren.286 Vermutlich diente der Saalraum vormals als Speise- oder Tanzsaal. Er hatte eine Länge von 17 und eine Breite von 11 Metern287 – 189 Quadratmeter für 159 Arbeitskräfte. Wie beengt die Platzverhältnisse im Bahnhofshotel gewesen sein müssen, zeigt der Umstand, dass beim Ausbau des Hotels zum Ausländerlager aufgrund der hohen Personenzahl die Richtlinien für den Feuerschutz verletzt wurden. Die Betten mussten zu nah an den Heizöfen aufgestellt werden.288 Dabei waren die Holzbetten doppelt oder sogar dreifach übereinander gestellt. Zwischen ihnen blieben lediglich 60 Zentimeter breite Gänge. Die für die ordnungsgemäße Unterbringung zuständige Behörde, das Gewerbeaufsichtsamt289, berechnete, dass jedem italienischen Zivilarbeiter 1  Quad281 Vgl. ebd., S. 232. 282 Vgl. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen, S. 1025. 283 Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 0  :52–2  :03, siehe Anhang 1. 284 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 47. 285 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Oktober bis Dezember 1942. Anlage 15. Bericht zu überbetrieblichem Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch die DAF in Chemnitz am 01.12.1942. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 13, Fol. 81. 286 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1. 287 Vgl. ebd. 288 Vgl. ebd., S. 2. 289 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit an die Leiter der Gewerbeauf-

185

186 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ratmeter zur Verfügung stand. Den Richtlinien entsprechend war die Mindestanforderung 0,75 Quadratmeter.290 Dass die Einrichtung der VOMAG im Bahnhofshotel Barthmühle die allgemeinen Bestimmungen bei der Unterbringung italienischer Arbeitskräfte im Jahr 1941 trotz Mängeln erfüllte und sogar als besser ausgestattet gelten kann, dafür spricht ein ebenfalls 1941 von der Sächsischen Zellwolle AG eingerichtetes Italienerlager im Gasthof Thiergarten. Die Situation, die die Italiener im Gasthof vorfanden, unterschied sich deutlich von der der bei der VOMAG beschäftigten Kräfte. Zwar beherbergte der Saal der Gastwirtschaft anfangs nur 58, ab Juli 1941 noch 54 Arbeitskräfte, doch war der Platz in dem 11,3 Meter langen und 8,2 Meter breiten Raum begrenzter als im Bahnhofshotel Barthmühle. In dem rund 93  Quadratmeter großen Saal betrug der Abstand zwischen den Betten mit 60 Zentimeter bis 1,2 Meter zwar etwas mehr als im Lager der VOMAG, doch durch die niedrigere Deckenhöhe ging die Gewerbeaufsicht bei ihrer Kontrolle am 1. Juli 1941 von einer zu geringen Luftzufuhr für jeden Arbeiter aus.291 Insgesamt unterschritt die für eine Arbeitskraft zur Verfügung stehende Bodenfläche mit 0,5 Quadratmeter im Gasthof Thiergarten die Vorgabe des Gewerbeaufsichtsamtes.292 Dieser Mangel wurde durch die Unternehmensleitung der Sächsischen Zellwolle relativiert, indem man angab, dass sich die Italiener nie gemeinsam im Lager befänden, da sie in Schichtarbeit eingesetzt waren.293 Die Normwerte für die Lagereinrichtung, auf die sich die Gesundheitsaufseher während ihrer Kontrollen in Barthmühle und Thiergarten bezogen, entnahmen sie extra für diesen Zweck erstellten Fragebögen. Diese Vorschriften wurden im Dritten Reich entweder von der DAF, der Wehrmacht oder dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erlassen.294 Im Falle des Bahnhofshotels und des Gasthofs Thiergarten ist davon auszugehen, dass die zu erfüllenden Auflagen von der DAF überprüft wurden. Sie erhielt eine Kopie des Kontrollberichts.295 Die Umstände in den Italienerlagern im Bahnhofshotel Barthmühle und im Gasthof Thiergarten waren durch die Unterbringung aller Arbeitskräfte in einem einzigen Raum, die dadurch entstehende Enge, fehlende Privatsphäre und die übereinander posichtsämter vom 05.05.1941. Betreff  : Betreuung von Betriebs- und Gemeinschaftslagern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 290 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1–2. 291 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 1 sowie Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1. Für Thiergarten berechneten die Behörden, dass den Lagerbewohnern pro Person 7 Kubikmeter und im Bahnhofshotel Barthmühle 10 Kubikmeter Luft zukam. 292 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 2. 293 Vgl. ebd., S. 5. 294 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 234. 295 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 4.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

sitionierten Doppelbetten geprägt. Anders stellten sich die Planungen zur Einrichtung der Ostarbeiterlager für die Betriebsverlagerung von Osram in die Industrie-Werke und die Plauener Baumwollspinnerei dar. Die beiden Plauener Betriebe legten ihren Konzeptionen die Annahme zugrunde, den Ostarbeiterinnen pro Kopf 4,5 Quadratmeter an nutzbarer Fläche zur Verfügung zu stellen. Dies ließen die vorgesehenen Räumlichkeiten allerdings nicht zu, sodass die Fläche reduziert wurde. Den im Zuge der Betriebsverlagerung ebenfalls nach Plauen versetzten Westarbeiterinnen wurden vier Quadratmeter zur Verfügung gestellt.296 Der Grund für die Ungleichbehandlung der Italiener konnte in der Haltung der Deutschen liegen sowie an den Räumlichkeiten, die die Ausländerlager aufnahmen. Denn auch die Ostarbeiterinnen von Osram sollten in Plauen keine Barackenlager beziehen, sondern in bereits bestehenden Strukturen wie Turnhallen oder Sälen untergebracht werden.297 Neben dem geringeren Platz befand sich auch die Ausstattung des Lagers in Thiergarten in einem schlechteren Zustand als die im Bahnhofshotel Barthmühle. Provisorien waren zum Beispiel die Bettbezüge, die aus alten Filtertüchern bestanden, da die Sächsische Zellwolle über keine Bezugsmöglichkeit für Bettwäsche verfügte. Auch die Einrichtung der Garderobe fehlte, ebenso wie ein Lagerführer oder Lagerunterführer. Der zuvor mit der Aufgabe betraute Deutsche Erich Strunz wurde in das Werk nach Plauen abgeordnet und damit blieben die Posten vakant.298 Das Arbeiterlager Bahnhofshotel Barthmühle verfügte im Gegensatz zu demjenigen in Thiergarten über einen Lagerführer. Nach den Angaben des Gewerbeaufsichtsamtes handelte es sich dabei um Wilhelm Frickart. Weitere Unterlagerführer standen der Einrichtung nicht vor, nur ein Vertrauensmann war mit der Aufrechterhaltung von »Zucht, Sauberkeit und Ordnung«299 betraut.300 Nach den Vorgaben der Gaubehörden Sachsens waren die Lagerführer sowie die Betriebsobmänner ab Februar 1942 mit der Überwachung der Lager ausländischer Zivilarbeiter beauftragt. Einzusetzen hatte sie die DAF, der ebenfalls eine Überwachungsfunktion in den Ausländerlagern zukam.301 296 Vgl. Mitteilung der Verwaltung der Plauener Baumwollspinnerei in Treuen an die Industrie-Werke, Plauen, Osram, Berlin, et al. vom 29.02.1944. Betreff  : Lagermäßige Unterbringung der aus Berlin nach Plauen zu versetzenden Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 297 Vgl. ebd. 298 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 1–2. 299 Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1. 300 Vgl. für Vorhergehendes ebd. 301 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit, des Sächsischen Ministers des Innern, des Präsidenten des Landesarbeitsamtes et al. u. a. an die Leiter der Gesundheitsämter vom 14.02.1942. Betreff  : Prüfung der hygienischen Verhältnisse von neu einzurichtenden Arbeitslagern von Betrieben. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

187

188 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Innerhalb der Arbeitsstunden war den italienischen Arbeitskräften der VOMAG eine Dolmetscherin, Fräulein Holzheimer, eine Deutsche, zur Seite gestellt.302 Grundsätzlich sollte die Organisation von Ausländerlagern neben dem Lagerführer je nach Belegungszahl entsprechend viele Unterlagerführer beinhalten. Diese Aufsichtspositionen wurden oft von älteren deutschen Männern ausgefüllt, die nicht mehr kriegsverwendungsfähig waren. Aus den Lagerbewohnern selbst rekrutierte sich eine Interessenvertretung, die deren Anliegen gegenüber der deutschen Verwaltung, dem Betrieb und der DAF vertreten sollte. An vorderster Stelle stand der Sprecher oder Lager­ älteste, der von den Bewohnern gewählt oder vom deutschen Lagerleiter bestimmt wurde. Dass die VOMAG den Ausländern eine Dolmetscherin stellte, könnte damit zusammenhängen, dass es sich bei den Italienern 1941 noch um Arbeitskräfte aus einem verbündeten Staat handelte. In den Ostarbeiterlagern, die ab 1942/43 entstanden, war es Usus, dass der Dolmetscher aus den Reihen der Lagerbewohner rekrutiert wurde. Wer über entsprechende Sprachkenntnisse verfügte, nahm meist die Position des Sprechers oder Lagerältesten ein.303 Dies galt nicht nur für Ostarbeiter, sondern auch in den Westarbeiterlagern wurden diejenigen mit den entsprechenden Sprachkenntnissen zu Dolmetschern. Im Lager ›Weißer Stein‹ übernahm diese Aufgabe der ab 5. März 1943 als Metallhilfsarbeiter beschäftigte Carolus Pede.304 Am 1. April 1943 wurde der Belgier von seiner Arbeitsstelle abgezogen und bis zum 30. August 1944 als Dolmetscher eingesetzt, bevor er neuerlich als Revolver-Dreher beschäftigt war. Zwei Wochen später nahm er erneut seinen Dienst als Dolmetscher bis zum 29. März 1945 auf.305 Gelegentlich kamen die Kräfte mit entsprechenden Sprachkenntnissen auch unfreiwillig zu ihrer Funktion im Lager. So geschehen in der Unterkunft der polnischen Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme). Hier hatte der Gesundheitsaufseher Riedel während seiner Kontrolle am 24. Juni 1941 »eine[n] der polnischen Arbeiter aus dem ehemaligen Oberschlesien«306, der »leidlich deutsch«307 sprach, veranlasst, »auf seine Kameraden einzuwirken, daß Sauberkeit und Läusefreiheit erhalten«308 blieben. Damit war der Pole zum Bindeglied zwischen den Plauener Behörden und den im Lager untergebrachten Ausländern geworden. Es ist davon auszugehen, dass er auch in der Folge aufgrund seiner Sprachkenntnisse herangezogen wurde, um die Anliegen der Deutschen im Lager zu übermitteln. 302 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1. 303 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 233. 304 Vgl. Hauptmeldebogen Carolus Pede, 2.2.2.1 / 74150875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 305 Vgl. Hauptmeldebogen Carolus Pede, 2.2.2.1 / 74150876/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 306 Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 307 Ebd. 308 Ebd.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Die deutsche Lagerleitung war auch für die Organisation der Küche zuständig. Köche und Küchenpersonal wurden unter den Ausländern rekrutiert.309 Dahinter standen oft rassistische Erwägungen. Denn Deutsche waren nur für leitende Positionen vorgesehen und nicht für Hilfsdienste. Weiterhin wird sich die deutsche Leitung von den Küchenhilfen und Köchen erhofft haben, die Speisen entsprechend den Essgewohnheiten ihrer Landsleute zuzubereiten. Die schlechte Versorgungslage setzte den Mitarbeitern in den Lagerküchen aber Grenzen. Geringe Auswahl und schlechte Qualität der Nahrungsmittel, wie es vor allem für Ostarbeiter und Polen zutraf, begrenzten die Möglichkeiten.310 Auch im Bahnhofshotel Barthmühle waren eine Küche sowie eine Essensausgabe für die Versorgung der italienischen Arbeitskräfte eingerichtet.311 Es ist davon auszugehen, dass die Italiener Lagerverpflegung erhielten. Während der Arbeitszeit wurden sie vermutlich im Werk versorgt, da sich das Lager nicht auf dem Betriebsgelände befand. Einzelheiten zu Größe und Nutzung der Küche im Bahnhofshotel Barthmühle sind nicht überliefert. Das Gewerbeaufsichtsamt bemängelte die schlechte Heizvorrichtung in der Essensausgabe. Es waren zu wenige Öfen vorhanden. Gleiches stellte das Amt auch bei der Warmwasserbereitung und den Küchenherden fest. Besonders die technischen Einrichtungen seien zu knapp bemessen und veraltet, was gegen eine ausreichende Versorgung der ausländischen Arbeitskräfte sprach.312 Dass der Gewerbeaufsichtsbeamte Wunderlich bei seiner Kontrolle fehlende Toilettenanlagen für weibliches deutsches Lagerpersonal bemängelte313, legt nahe, dass entsprechendes eingesetzt wurde. Vermutlich war es mit der Reinigung des Lagers beauftragt, wie es in Thiergarten der Fall war.314 Zum schlechten Zustand der Küche und der Essensausgabe kamen in Barthmühle erschwerend Mängel an den sanitären Anlagen hinzu. Für 159 Personen standen lediglich zehn Aborte zur Verfügung, die der Gewerbeaufsichtsbeamte zudem als »sehr unsauber« vermerkte.315 Er bezweifelte bei seiner Kontrolle die Angabe des Lagerleiters Frickart – in einem späteren Dokument auch Frickhardt –, dass die Toiletten täglich gereinigt würden. Das Lager in Barthmühle lag mit der Anzahl der Toiletten pro Person im Rahmen der Bestimmungen. Es musste mindestens ein Abort für 20 Arbeiter vorhanden sein.316 Im Gegensatz zu den nach nationalsozialistischen Maßstäben als ausreichend zu bewertenden sanitären Anlagen in Barthmühle unterschritt der Gasthof Thiergarten neuerlich die behördlichen Vorgaben. Für 54 Arbeitskräfte 309 310 311 312 313 314

Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 233. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 123–124. Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 4. Vgl. ebd. Vgl. ebd.. Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 5. 315 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 3. 316 Vgl. ebd.

189

190 | 

Zwangsarbeit in Plauen

standen lediglich zwei Toiletten zur Verfügung. Zur Beschwerde, die bei der Sächsischen Zellwolle vorgebracht wurde, führte allerdings nicht die geringe Zahl der Aborte, sondern der Umstand, dass die Toilettenanlagen zum Zeitpunkt der Überprüfung des Gewerbeaufsichtsbeamten gar nicht mehr gereinigt wurden. Verpflichtet war der Betreiber zur gründlichen Reinigung mindestens einmal pro Woche.317 Da die Kon­ trolle im Juli, also im Hochsommer, durchgeführt wurde, ist davon auszugehen, dass die hygienischen Zustände im Lager in Thiergarten katastrophal waren. Während sich die Lebensbedingungen im Gasthof Thiergarten aufgrund eines Flohbefalls schon kurz nach der Einrichtung des Lagers318 verschlechtert hatten, entsprach das Italienerlager im Bahnhofshotel den behördlichen Anforderungen. Es verfügte über eine der Belegung entsprechende Zahl an Waschschüsseln und Zapfstellen mit fließendem Wasser. Zur Verfügung stand eine Waschgelegenheit auf fünf Personen, so wie es die Mindestgrenze vorsah, und für die 159 Arbeitskräfte waren 34 Reihenwaschbecken vorhanden. Hier hatte die DAF mit mindestens einer Zapfstelle pro zehn Arbeitern kalkuliert.319 Im Gegensatz dazu waren die Möglichkeiten, Bekleidung zu reinigen, für die Bewohner im Bahnhofshotel begrenzt. Fließend warmes und kaltes Wasser lag vor, doch es fehlte an Raum, die nasse Kleidung zu trocknen, und ebenso an einer Wäscherin.320 Vermutlich gehörte die Zurverfügungstellung einer Wäscherin zu den Privilegien, die den Italienern 1941 als Angehörigen verbündeter Staaten zukamen. Dies scheint eine Ausnahme gewesen zu sein. Im Gasthof Thiergarten war eine entsprechende Stelle nicht vorgesehen, dafür verfügte das Lager über eine Putzfrau.321 Der Verweis, dass Waschmöglichkeiten für Bekleidung zur Verfügung zu stellen waren, fehlt auf dem Protokoll der Kontrolle des im Hotel Steinicht (Schwemme) untergebrachten Polenlagers vollständig.322 Die im September 1941 beim Eisenbahnbau beschäftigten Polen verfügten in ihrem Lager über keinerlei Möglichkeit, Kleidung aufzubewahren oder zu trocknen. Als Wäschelager diente der Vorraum der Toiletten.323 Dagegen war Waschen für die Italiener der VOMAG einmal in der Woche möglich. Dementsprechend vermittelte die Kleidung der Arbeitskräfte nach Empfin317 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 2 und 5. 318 Vgl. ebd., S. 5. 319 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 3. 320 Vgl. ebd. 321 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 5. 322 Vgl. Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 323 Vgl. Mitteilung des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat des Kreises Plauen vom 26.06.1941. Betreff  : Besichtigung des Gemeinschaftslagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

den des Gewerbeaufsichtsamtes einen guten Eindruck.324 Problematisch schien jedoch die Menge an verfügbarem einwandfreiem Wasser zu sein. Der Gewerbeaufsichtsbeamte gab bei seiner Kontrolle an, dass die Absicht bestehe, einen neuen Brunnen zu bohren.325 Dass dieses Vorhaben zeitnah oder überhaupt umgesetzt wurde, bleibt zu bezweifeln. Der Hygiene nicht zuträglich war im Bahnhofshotel Barthmühle, dass die sanitären Anlagen nicht an die öffentliche Entwässerung angeschlossen waren, sondern eine Klärgrube genutzt wurde. Eine Klärgrube anstelle des öffentlichen Entwässerungssystems zu nutzen war in den 1940er Jahren nicht ungewöhnlich und von der DAF durchaus so vorgesehen. Der Fragebogen, der dem Bericht des Gewerbeaufsichtsbeamten zugrunde lag, schlägt für den Fall des fehlenden Anschlusses an das Entwässerungssystem vor, die Anlagen »mit wasserdichten Behältern oder bei geeigneter Lage mit einer dicht abgedeckten Erdgrube zu versehen«326. Der Betreiber des Lagers, die VOMAG, hatte jedoch versäumt, das Abwassersystem mit Chemikalien entsprechend sauber zu halten.327 Trotz dieser Beanstandungen konnte der Gewerbeaufsichtsbeamte Wunderlich feststellen, dass die Gesundheit der Lagerbewohner gut war. Es hatte nur einen Fall von Filzläusen gegeben  ; der Betroffene hatte sich freiwillig bei den entsprechenden Stellen gemeldet und die Schädlinge wurden beseitigt. Eine Entlausungseinrichtung war für das Bahnhofshotel nicht vorgesehen.328 Während die durch Gewerbeaufsicht und Gesundheitsamt zu überprüfende Hygiene329 im Lager Bahnhofshotel für die Behörden nur wenig Anlass zu Beschwerden gab, war der Gesundheitspfleger bei seiner Kontrolle mit der medizinischen Versorgung der Lagerbewohner nicht einverstanden. Zwar war eine Krankenstube mit zwei Betten vorhanden, doch die übrige Ausstattung an medizinischem Equipment fehlte gänzlich. Lediglich Material für Unglücksfälle und Erste Hilfe war vorhanden. Für Erste Hilfe war der Lagerführer verantwortlich, einen Aushang über die Zuständigkeit und Erreichbarkeit eines Arztes bemängelte der Gesundheitspfleger jedoch. Die medizinische Versorgung im Bahnhofshotel Barthmühle übernahm Dr. Schmidt aus dem Nachbarort Jocketa. Er besuchte das Lager auf Bestellung, nahm Behandlungen vor Ort vor, die dem Gewerbeaufsichtsbeamten ausreichend erschienen.330

324 325 326 327 328 329 330

Steinicht in Rentzschmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 3. Vgl. ebd., S. 2. Ebd., S. 3. Vgl. ebd., S. 3. Vgl. ebd., S. 2. Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit an die Leiter der Gewerbeaufsichtsämter vom 05.05.1941. Betreff  : Betreuung von Betriebs- und Gemeinschaftslagern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 3.

191

192 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Zwei weitere wichtige Punkte überprüfte der Gewerbeaufsichtsbeamte Wunderlich im Ausländerlager Bahnhofshotel Barthmühle ebenfalls. Während die Feuerlösch­ vorgaben für das Lager mit ständig gefüllten Wassereimern und zuverlässigen Handfeuerlöschern erfüllt waren, war der Luftschutz für die Lagerbewohner nur behelfsmäßig. Vorhanden war lediglich ein im Aufbau befindlicher Luftschutzkeller.331 Zu Beschwerden sah sich das Gewerbeaufsichtsamt in diesem Fall nicht veranlasst. Dies könnte darin begründet sein, dass der Bombenkrieg 1941 noch nicht als Gefahr wahrgenommen wurde. Ein im Lager befindlicher Luftschutzkeller schien zudem eher die Ausnahme für Ausländerlager zu sein. Bei keinem anderen überprüften Lager für ausländische Zivilarbeiter notierte der Gewerbeaufsichtsbeamte ausreichenden Luftschutz, sofern dieser überhaupt erwähnt wurde. Selbst das vermutlich größte Lager ziviler Ausländer, der ›Weiße Stein‹, verfügte über keinen direkten Zugang zur Luftschutzanlage der VOMAG. Die Luftschutzeinrichtungen auf dem Fabrikgelände der VOMAG waren wegen der kriegswichtigen Produktion und hohen Beschäftigtenzahl umfangreich angelegt. Einige Fertigungshallen und Gebäude auf dem Werksgelände wiesen eigene Luftschutzräume auf, die nach der Fertigstellung der zentralen unterirdischen Anlagen an Bedeutung verloren. Unter dem elsterlinksseitigen Felshang zwischen dem ehemaligen Steinbruch und der Restklippe Weißer Stein dienten die bereits vorhandenen Stollen nach ihrem Ausbau dem Luftschutz. Als Zeugen des ehemals in Plauen betriebenen Bergbaus – vermutlich zur Gewinnung von Kalkstein oder auch Eisen und Kupfer – wurden die Stollenanlage sowie die ehemalige Fundgrube ausgebaut. Durch mehrere Eingänge, von denen sich einer in der Nähe der im Herbst 1942 fertiggestellten Panzerhalle befand, konnten die Arbeitskräfte bei Bombenalarm schnell in Sicherheit gebracht werden. Untersuchungen gehen von einer Kapazität zwischen 3.000 und 8.000 Personen aus. Das Stollensystem soll sogar über eine eigene Strom- und Wasserversorgung verfügt haben. Mehrere Ausbautätigkeiten in der unterirdischen Anlage legen nahe, dass das Plauener Unternehmen auch beabsichtigte, Maschinen in den Gängen unterzubringen. Zeitgenössische Belege gibt es dafür aber nicht.332 Grundsätzlich galt, dass Polen und Ostarbeiter unter den zivilen Ausländern keinen Zutritt zu öffentlichen Bunkern erhielten. Am Arbeitsplatz konnten sie jedoch darauf hoffen, in die Luftschutzanlagen von den Luftschutzmännern vorgelassen zu werden, sofern ausreichend Platz zur Verfügung stand. War dem nicht so, mussten sie anderweitig Schutz suchen. Auch Westarbeiter verfügten über kein Privileg, in die betrieblichen Luftschutzanlagen einzutreten. Waren diese voll, wurden sie in weniger sichere Gebäudebereiche verbracht. Oft suchten diejenigen Ausländer, die keinen Schutz fanden, in Splitterschutzgräben Deckung, die ihnen nicht selten zum Verhängnis wurden. Bei

331 Vgl. ebd., S. 2–3. 332 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 31–35.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

einem Bombentreffer erdrückten die Erdmassen die Schutzsuchenden.333 Auch bei der VOMAG war ein Splitterschutzgraben nahe den bis 1945 errichteten Baracken elsterlinksseitig gegenüber der Motorenmontage entstanden.334 Der Graben wird in einer geotechnischen Untersuchung aus dem Jahr 2000 als »befestigter, erdgedeckter Deckungsgraben für [das] Barackenlager«335 beschrieben und dürfte den im Lager untergebrachten Ausländern zum Schutz gedient haben. Da der Schutz vor den alliierten Bombern innerhalb der Fabriken ebenfalls hier­ archisch abgestuft war336, bietet die Anlage eines Splittergrabens am Barackenlager gegenüber der Motorenmontage Aufschluss über die Lagerorganisation bei der ­VOMAG. Die an der Elster gelegenen Baracken könnten wegen des zumindest rudimentär angelegten Luftschutzes Westarbeiter oder ebenfalls bessergestellte Ausländer anderer Gruppenzugehörigkeit untergebracht haben. Dagegen scheinen die westlich des Leuchtsmühlenweges gelegenen Baracken ausländischen Arbeitskräften aus den besetzten Ostgebieten vorbehalten gewesen zu sein. Denkbar wären auch Unterbringungen für Kriegsgefangene, weil sich in direkter Nähe auf der Ostseite des Weges zwei Baracken für die Wachmannschaften mit Küche und Sanitäranlagen befanden.337 Allerdings waren ebenfalls Ostarbeiterlager zu bewachen gewesen. Entfallen war zwar Ende 1942 die Überwachung der Arbeitskräfte außerhalb der Unterkünfte  ; sobald sich die Ausländer im Lager befanden, war jedoch weiterhin eine Kontrolle zu gewährleisten.338 Diese führten Mitarbeiter des Einsatzträgers, zu dem das Ausländerlager gehörte, durch. Im Falle des Ostarbeiterlagers der Mechanischen Baumwoll-Weberei Herrmann Lang auf dem Sportplatz in der Klopstockstraße waren es die Vorarbeiter und Meister, die die Überwachung im Lager durchführten.339 Vermutlich fiel ihnen diese Aufgabe als Mitglieder des Werkschutzes zu.340 Die Verfahrensweisen bei der Unterbringung von ausländischen Zivilarbeitern erfuhren mit dem fortschreitenden Luftkrieg und der Ausweitung des Arbeitseinsatzes diverse Veränderungen. Ende 1942 hatte sich die Zahl der aus dem Ausland stammenden zivilen Arbeitskräfte im gesamten Reich verdoppelt. Nachdem private Unterkünfte wie Gaststuben vor allem mit Westarbeitern belegt waren, entstanden schlecht 333 334 335 336 337

Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 143. Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, Anlage 2. Vgl. ebd., Anlage 16, S. 11. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 143. Vgl. zur Anordnung und Nutzung der Baracken Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, Anlage 16, S. 11. 338 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Oktober bis Dezember 1942. Anlage 15. Bericht zu überbetrieblichem Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch die DAF in Chemnitz am 01.12.1942. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 13, Fol. 80 Rückseite. Im Rahmen der Veranstaltung teilte die Gestapo die Bestimmungen zur Bewachung von Ostarbeiterlagern mit. 339 Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 2  :03, siehe Anhang 1. 340 Vgl. Dornheim (2015)  : Sachs, S. 403.

193

194 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ausgestattete Barackenlager, die möglichst wenig und minderwertiges Baumaterial benötigten. Ausgebombte Wohnhäuser verknappten zusätzlich den Wohnraum für die deutsche Bevölkerung. Dementsprechend mussten Ausländer häufig ihre Unterkünfte zugunsten deutscher Familien räumen und beispielsweise aus Gaststuben in Barackenlager umsiedeln.341 Es ist also denkbar, dass die VOMAG im Zuge des 1944 in Plauen beginnenden Bombenkrieges342 das zweite Ausländerlager direkt an der Elster errichten ließ. Nachweislich waren allerdings schon ab Ende 1942 West- und Ostarbeiter auf dem Werksgelände bzw. in dessen unmittelbarer Nähe untergebracht. Am 17. November hatte beispielsweise der Franzose Jean Henri Maurice Beauliet eine Anstellung als Dreher bei der VOMAG begonnen. Sein 1946 erstellter Hauptmeldebogen vermerkte als Unterkunft das Lager ›Weißer Stein‹.343 Es ist also davon auszugehen, dass innerhalb des Lagers Strukturen geschaffen wurden, die eine gemeinsame Unterbringung von Ausländern unterschiedlicher Nationalität zuließen. Vermutlich richtete die VOMAG separate Bereiche ein. Durch die Weitläufigkeit des Fabrikgeländes musste die VOMAG neben dem Ausbau der Stollenanlagen am elsterlinksseitigen Felshang weitere Vorkehrungen für den Fall von Luftangriffen treffen. Für die Mitarbeiter aus den elsterrechtsseitigen Gebäuden, zum Beispiel der Gießerei, der Hobelwerkstatt, dem Motorenbau, der Schmiede, der Montage, der Klempnerei sowie der gesamten Verwaltung, wurden Fluchtbrücken über die Elster errichtet. Sie sollten den Zugang zur Stollenanlage ermöglichen. Weiterhin waren die Gießerei, die Montage, der Speiseraum, die Küche und der Motorenbau unterkellert. Luftschutzräume wurden zusätzlich unter dem Motorenbau eingerichtet. Weitere befanden sich wohl unter der Maschinenreparatur, der Hobelwerkstatt und den Mehrzweckgebäuden der Verwaltung und Montage.344 Dass die VOMAG über einen wirksamen Luftschutz verfügte, zeigt der Umstand, dass lediglich ein Bombenopfer auf dem Werksgelände verzeichnet wurde. Ein Feuerwehrmann verlor sein Leben wegen einer zeitverzögert gezündeten Sprengvorrichtung.345 Während die VOMAG mit weitreichenden Luftschutzanlagen ausgestattet war, die es ihr ermöglichten, neben dem Personal auch Maschinen zu sichern, verfügte die Tochterfirma VOMETALL über keine entsprechenden Sicherungsmaßnahmen. Ihre Gebäude an der Dürerstraße, Ecke Trockentalstraße waren nicht unterkellert und wiesen keine Luftschutzanlagen auf. Das Unternehmen verfügte über zwei Gebäudekomplexe, in denen Verwaltung, mechanische Fertigung für Luftschrauben, eine Halle für Blechverarbeitung, der Werkzeug- und Vorrichtungsbau sowie Härterei, Lager und Aufent341 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit  : S. 117. 342 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 51. 343 Vgl. Hauptmeldebogen Jean Henri Maurice Beauliet, 2.2.2.1 / 71396133/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Hauptmeldebogen Jean Henri Maurice Beauliet, 2.2.2.1 / 71396134/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 344 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 33–34 sowie Anlage 2. 345 Vgl. ebd., S. 34.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

haltsräume beheimatet waren.346 Aufgrund des fehlenden Luftschutzes verlor unter anderem der 23-jährige französische Hilfsschleifer Marcel Gobert durch den Angriff am 23. Februar 1945 auf dem Werksgelände sein Leben.347 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Bombenkrieg und damit der Luftschutz für ausländische Arbeitskräfte entscheidenden Einfluss auf deren Lebensund Arbeitsbedingungen nahm. Waren ausreichend Schutzräume in den Unternehmen vorhanden, zu denen den Ausländern Zugang gewährt wurde, ist von einer geringeren Sterberate auszugehen. Da bei der VOMETALL jeglicher Luftschutz fehlte, können die Lebens- und Arbeitsbedingungen als schlechter bewertet werden als zum Beispiel in der Plauener Baumwollspinnerei. Hier gewährte der Luftschutzleiter neben 250 deutschen Arbeitskräften und Bewohnern der umstehenden Häuser, sieben im Dienst befindlichen Luft- und Brandschutzwachen sowie weiteren Werksangehörigen auch 200 Ostarbeitern Zutritt zum Keller während eines schweren Angriffs auf Plauen.348 Dagegen fiel der Niederländer Stephanus Adrianus Stroijl, der in der Sächsischen Zellwolle beschäftigt war, auf dem Werksgelände ebenfalls dem Luftangriff am 23. Februar 1945 zum Opfer.349 Bei seiner Kontrolle in Barthmühle vermerkte der Gewerbeaufsichtsbeamte weitere Einzelheiten über die Ausstattung des Lagers. Die Betten verfügten ganz nach Vorschrift über jeweils einen Holzwollsack, ein Kopfkissen, das ebenfalls mit Holzwolle gefüllt war, Betttücher und zwei Decken in Überzügen. Die Bettwäsche wurde alle drei Wochen gewechselt, ein Austausch des Füllmaterials war nicht vorgesehen. Neben dem Schlafplatz stand jeder Arbeitskraft ein Platz in den Garderobenschränken für die Kleidung zu. Auch für genügend Belüftung, elektrisches wie Tageslicht war gesorgt. Die Arbeitskräfte konnten ihre freie Zeit im angrenzenden Aufenthalts- oder Tagesraum verbringen. Stühle standen in ausreichender Zahl zur Verfügung, ebenso wie 40 Tische. Auch über einen Notausgang verfügte das Bahnhofshotel.350 Fazit des Gewerbeaufsichtsbeamten zur Ausstattung des Lagers, das sich zum Zeitpunkt seines Besuchs im September 1941 noch im Aufbau befand, war, dass es überbelegt und veraltet sei. Dem Lagerführer bescheinigte der Kontrolleur zwar die Erfüllung seiner Pflichten, setzte aber zum Teil umfassende Reparaturen an. Die VOMAG konnte das Bahnhofshotel als Ausländerlager für Italiener weiterführen.351 Gleiches galt für das Italienerlager der Sächsischen Zellwolle. Den gravierenden Mängeln geschuldet, fasste 346 Vgl. ebd., Anlage 2. 347 Vgl. Hauptmeldebogen Marcel Gobert, 2.2.2.1 / 72392292/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 348 Vgl. Chronik der Plauener Baumwollspinnerei. In  : StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340, nicht foliiert, Bericht, S. 123. 349 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 25, 2.1.4.1 / 70955132/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 350 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1–2. 351 Vgl. ebd., S. 4.

195

196 | 

Zwangsarbeit in Plauen

der Gewerbeaufsichtsbeamte nach seiner Kontrolle in Thiergarten zusammen, dass »das Lager […] keinen guten Eindruck [machte], weil ausreichende Aufsicht fehlt und die Sauberkeit sehr zu wünschen übrig läßt.«352 Die schlechten Bewertungen des Lagerzustandes durch das Gewerbeaufsichtsamt lassen vermuten, dass dies die Lebens- und Arbeitsbedingungen der dort untergebrachten Italiener negativ beeinflusste. Besonders fehlende Privatsphäre, Überbelegung des Schlafraums und die Unterschreitung der Feuerschutzbestimmungen dürften zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen beigetragen haben. Auch die mangelnde Hygiene, die zu geringe Zahl an Toiletten und Waschgelegenheiten wirkten sich negativ aus. Dies führte zur ungehinderten Ausbreitung von Krankheiten, die auch durch die mangelhafte Beheizung des Bahnhofshotels gefördert wurde. Dass unzureichende Beheizungsanlagen ein verbreitetes Problem in den Ausländerlagern waren, zeigt das Ergebnis der Kontrolle des Gewerbeaufsichtsamtes der Betriebsanlagen in den PanWerken der Erla-Maschinenwerke. Das Gesundheitsamt Plauen-Land forderte das Werk auf, gegen die bestehenden hygienischen Verhältnisse zu intervenieren. Neben der unzureichenden Beheizung monierte man auch den schlechten Zustand der Waschvorrichtungen und Toiletten in Betrieb und Unterkunft. Ebenso fehlten Türen und Verschlussmöglichkeiten in den Aborten. Für das angrenzende Lager sollte eine Brauseanlage eingerichtet oder die Nutzung der entsprechenden Installationen beim benachbarten Fliegerhorst Kauschwitz geklärt werden.353 Dass die Aufrechterhaltung hygienischer Standards im Italienerlager der ­VOMAG problematisch war, zeigt ein weiterer Fall von Filzläusen im Lager. Bereits zwei Wochen nach der Kontrolle des Gewerbeaufsichtsamts wurde der Befall beim Gesundheitsamt registriert.354 Durch die Enge im Saal des Bahnhofshotels und die ungünstigen Waschmöglichkeiten für die »Leibwäsche«355 befürchtete man die schnelle Verbreitung unter den italienischen Arbeitskräften, die die Läuse wiederum in die Fabrikanlagen einschleppen könnten. Der Sanitäter der VOMAG wurde beauftragt, alle italienischen Arbeitskräfte auf Befall zu untersuchen. Der betroffene Arbeiter wurde behandelt.356 Nach diesem Vorfall war die VOMAG bemüht, die schlechten hygienischen Verhält352 Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 5. 353 Vgl. Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes an das Erla-Maschinenwerk Leipzig vom 04.10.1944. Betreff  : PAN GmbH, Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 354 Vgl. Notiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land, Gesundheitsaufseher Riedel, vom 18.09.1941. Betreff  : Kontrolle des Lagers für italienische Arbeiter in der Vomag im Hotel Barthmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 355 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 3–4. Es fehlte vor allem an Möglichkeiten, die Wäsche zu trocknen. 356 Vgl. Notiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land, Gesundheitsaufseher Riedel, vom 18.09.1941. Betreff  : Kontrolle des Lagers für italienische Arbeiter in der Vomag im Hotel Barthmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

nisse im Bahnhofshotel zu korrigieren. Die italienischen Arbeitskräfte erhielten fortan die Möglichkeit, die Badeanlagen in der Fabrik am Ende ihrer Schichten zu nutzen. Da die Anlagen innerbetrieblich ausschließlich von Gießereimitarbeitern genutzt wurden, stieß die Maßnahme, Mitgliedern anderer Abteilungen bzw. ausländischen Arbeitskräften Zugang zu gewähren, auf Widerstand der deutschen Belegschaft. Sie hinderte die Italiener am Baden. Erst die nochmalige Ermahnung durch den Gesundheitsaufseher des Gesundheitsamtes und die Bitte des Lagerführers Frickart um Mitbenutzung der Badanlagen durch alle italienischen Arbeitskräfte führten zur Aufgabe des Widerstandes.357 Ob die reduzierte Belegung des Lagers in Barthmühle zwei Wochen nach der ersten Kontrolle durch das Gewerbeaufsichtsamt358 auf einen Versuch der VOMAG zurückgeführt werden kann, die Überbelegung im Lager abzustellen, muss an dieser Stelle offenbleiben. Der Verbleib der elf Arbeitskräfte konnte nicht ermittelt werden. Bei der neuerlichen Überprüfung des Lagers am 12. September 1941 gab das Gesundheitsamt zu Protokoll, dass das Bad im Lager immer noch nicht fertiggestellt sei. Der Lagerführer Frickart informierte, dass die Einrichtung zwar vorgesehen war, die Warmwasserzubereitung in ausreichender Menge aber weiterhin ungelöst sei. Weitere Beanstandungen oder Beschwerden wurden nicht aufgenommen.359 Wie lang das Lager in Barthmühle noch Bestand hatte, ist in den Unterlagen des Gesundheitsamtes Plauen-Land nicht nachzuvollziehen. Durch den veränderten Status der italienischen Zivilarbeiter wurde es spätestens im Juli 1943360 in seiner bisherigen Form aufgelöst. Insgesamt kann für die Beschäftigung italienischer Zivilarbeiter in der VOMAG vor 1943 festhalten werden, dass sich das Unternehmen bemühte, die behördlichen Vorgaben bei der Lagerunterbringung der Arbeitskräfte zu erfüllen. Das Plauener Unternehmen versuchte, durch geringe bauliche Nachbesserung Mängel zu beheben. Trotz des durch das Gewerbeaufsichtsamt als schlecht bewerteten Gesamtzustands betrieb die VOMAG das Lager weiter, ohne dass sie damit rechnen musste, mit Strafen für die Unterschreitung der behördlich festgelegten Standards im Ausländerlager belegt zu werden. Die Gewerbeaufsichts- und Gesundheitsämter fungierten als Kon­ troll­instanzen, waren letztlich aber nicht mit Machtmitteln ausgestattet. Neben der Lagerunterbringung war es für ausländische Arbeitskräfte auch möglich, privat Quartier zu beziehen. Dies war der Absicht der Nationalsozialisten geschuldet, diejenigen Ausländer, die freiwillig zur Arbeit ins Reich gekommen waren, ähnlich wie Deutsche unterzubringen.361 Besonders privilegierte Kräfte wie die als Kollaborateure geltenden ausländischen Mitarbeiter des Fremdsprachenverlags bewohnten 357 358 359 360 361

Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 82. Vgl. ebd., S. 116.

197

198 | 

Zwangsarbeit in Plauen

die Hotelzimmer des ›Wettiner Hofs‹ in Plauen. Diese Form der Unterbringung war trotz mehreren Beschwerden des Hoteliers zur Dauereinrichtung geworden. Grund für die Beschwerden waren ausschweifende Feierlichkeiten der ausländischen Journalisten, Damenbesuche auf den Schlafzimmern der oft jungen und ledigen Ausländer und Feindseligkeiten zwischen den ausländischen Verlagsangehörigen und dem Hotelpersonal.362 Die Redaktion des Verlags umfasste 130 Mitarbeiter, die zum größten Teil aus dem Ausland stammten.363 Der Redaktion gehörten nach Angaben Thomas Schillers »zwei Polen, 18 Dänen, 19 Franzosen, zwei Bulgaren, 14 Belgier, 15 Niederländer, 22 Franzosen, zwei Tschechoslowaken und acht Bürger der UdSSR«364 an. Ihre Beschäftigungen reichten von Hilfsarbeitertätigkeiten bis hin zu Positionen als Reporter, Schriftleiter und Kontoristen, die allerdings nur mit Westarbeitern besetzt wurden. Sowjets, Polen und Bulgaren wurden zu den Hilfsdiensten herangezogen, wobei die Sowjets auch Journalisten stellten.365 Grund für die Zusammensetzung der Redaktion war, dass die vom Verlag herausgegebenen Zeitungen die ausländischen Arbeitskräfte im Sinne der Propaganda der Nationalsozialisten beeinflussen sollten. Als Lagerzeitungen erschienen sie regelmäßig und in den Landessprachen der ausländischen Arbeitskräfte. Auf Empfehlung der DAF gegründet, bemühten sich die Perio­ dika um die Weitergabe von durch die Deutschen gefilterten Informationen sowie um die Verbesserung des Deutschland-Bildes unter den Ausländern. Sie erschienen entweder branchenübergreifend für Ausländer gleicher Nationalität oder branchenspezifisch. Im zweiten Fall beinhalteten die Zeitungen berufsbezogene Informationen. Das entsprechende Medium für die Landarbeiter wurde folglich nicht von der DAF, sondern vom Reichsnährstand betreut.366 Um die Informationen besser unter den ausländischen Arbeitskräften verbreiten zu können, war es Aufgabe der im Verlag angestellten Ausländer, die Periodika in ihrer Muttersprache zu verfassen. Außerdem bedienten sich die Zeitungen der Aufmachung früherer Publikationen aus der Ausländer- und Arbeiterpresse.367 Durch ihre besondere Position stand die Unterbringung der im Fremdsprachenverlag beschäftigten Sowjets im deutlichen Gegensatz zu der der zumeist gewaltsam ins Reich verschleppten Landsleute. Für Westarbeiter außerhalb des Fremdsprachenverlags war die Unterbringung in Hotelzimmern ebenfalls nicht möglich. Von ihnen gern in Anspruch genommen wurde dagegen bis 1943 die Möglichkeit, bei Deutschen zur Untermiete zu wohnen. So kam beispielsweise der aus Dänemark stammende Anker Crail in der Konradstraße 4b bei Brenner unter. Beschäftigt war er in der VOMAG368 362 363 364 365 366 367 368

Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 139. Vgl. ebd., S. 137–138. Ebd., S. 138. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 132. Vgl. ebd. Vgl. Mitteilung des Oberbürgermeisters der Kreisstadt Plauen – Polizeipräsidium – an das Amtsge-

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

und beim Städtischen Schlachthof. Am 2. Dezember 1942 hatte er die Anstellung in Plauen freiwillig aufgenommen369, was den Bezug einer privaten Unterkunft ermög­ lichte. Vor allem Niederländer, Dänen und Flamen oder Angehörige verbündeter Staaten wohnten privat.370 Auch die aus Flandern stammende Magdalena Abbeel wohnte zur Untermiete bei Familie Wagner in der Nobelstraße 18. Sie trat am 7. Juni 1944 eine Arbeit als Metallhilfsarbeiterin bei der Gardinenfabrik Plauen bzw. bei der nach hier verlagerten Firma Junkers aus Halberstadt an. Erlernt hatte sie ursprünglich den Beruf der Schneiderin.371 Deutsche Vermieter nahmen die Westarbeiter gern bei sich auf, weil sie von ihnen höhere Mieten verlangen konnten als von Deutschen. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass Vermieter über die Versorgungspakete, die den Ausländern aus der Heimat zugingen, Mangelwaren erhielten. Mit der Intensivierung der Bombardierungen deutscher Städte gegen Ende des Krieges nahm die Zahl der privat untergebrachten zivilen Ausländer zu. Häufig waren die Lager durch die Alliierten zerstört worden.372 Gegen die private Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte hatte sich die Gestapo Chemnitz im Zuge einer Veranstaltung am 11. Februar 1943 ausgesprochen. Sie erließ, dass ausländische Arbeitskräfte in Zukunft ausschließlich in Gemeinschaftslagern einzuquartieren waren.373 Als Grund für die Bestimmung ist anzunehmen, dass die Kontrolle in den Lagern leichter zu bewerkstelligen war als in den Privatquartieren. Außerdem entsprach die Lagerunterbringung mehr den rassistischen Vorbehalten gegen die Arbeitskräfte. Dass die Nutzung von Privatunterkünften zum Ende des Krieges trotzdem zunahm, lag neben der Zerstörung der Ausländerlager durch alliierte Bomben auch daran, dass die zur Verfügung stehenden Lager in Gaststätten und Turnhallen spätestens auf dem Höhepunkt der Ausländerbeschäftigung im Spätsommer 1944 nicht mehr ausreichten. In der Folge entstanden Barackenlager, deren Ausstattung sich trotz höherer Belegung verschlechterte.374 Dass trotz eines unterdurchschnittlich ausgeprägten ›Ausländereinsatzes‹ auch die Räumlichkeiten zur Unterbringung ausländischer Zivilarbeiter in Plauen Anfang 1944 knapp waren, soll die Schilderung der Vorbereitung auf die Betriebsverlagerung von richt Plauen vom 16.01.1946. Betreff  : Nachforschung über Bürger der vereinten Nationen. In  : StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 2255, nicht foliiert. 369 Vgl. Hauptmeldebogen Anker Crail, Polizeipräsidium Plauen, 2.2.2.1 / 71866435/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 370 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 116. 371 Vgl. Hauptmeldebogen Magdalena Abbeel, 2.2.2.1 / 71198721/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 372 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 232. 373 Vgl. Bericht über die Informationsveranstaltung der Gestapo Chemnitz im Sitzungssaal der Industrieund Handelskammer Chemnitz am 11.02.1943. Betreff  : Gefahrenabwehr bei dem verstärkten Einsatz ausländischer Zivilarbeiter. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 51 Rückseite. 374 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 117.

199

200 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Osram deutlich machen. Im Oktober 1943 erörterten die beiden Aufnahmebetriebe in Plauen, wie viele Arbeitskräfte aus Berlin umzusetzen seien und wie die Unterbringung organisiert werden könne. Lagerplätze standen lediglich für 600 Kräfte in drei bereits bezugsfertigen Unterkünften zur Verfügung. Die Baumwollspinnerei beabsichtigte deshalb, zwei weitere Lager einzurichten, um insgesamt 850 Personen versorgen zu können.375 Schon im September hatte Herr Stümpfig dem Osram-Konzern mitgeteilt, dass aufgrund knapper Werkstoffe in Berlin bereits keine neuen Baracken für Ausländerlager mehr errichtet werden dürften. Nur für Betriebsverlagerungen nach außerhalb der Hauptstadt stünde noch Material zur Verfügung. Osram solle sich mit den entsprechenden Stellen in Verbindung setzen.376 Der Aufbau eines Barackenlagers entfiel aufgrund knapper Rohstoffe wohl auch in Plauen, weshalb der Platz, der den ausländischen Arbeitskräften zur Verfügung gestellt werden sollte, gekürzt wurde. 70 Ostarbeiterinnen wurden nun auf 329 Quadratmeter abzüglich Nebenräumen untergebracht. Weiblichen Westarbeitern stellte man nicht die vorgesehenen 4,5  Qua­ dratmeter, sondern nur 4 zur Verfügung.377 Aufgrund des begrenzten Platzes im Lager wurden in der Gapla beschäftigte Westarbeiterinen wie die Flämin Abbeel im Sommer 1944 zur Miete bei Deutschen untergebracht. In Plauen hatte sich bis dahin ein weitverzweigtes Netz von Ausländerlagern ausgebildet. Neben den von der VOMAG betriebenen oder genutzten Einrichtungen hatte beispielsweise die Tegewe, die die Firma Friedrich Weber, Berlin, aufgenommen hatte, ebenfalls mehrere Lager zur Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte eingerichtet. Das Unternehmen betrieb das Lager ›Immerda‹, in dem unter anderem Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen untergebracht waren,378 sowie das Lager ›Morgenberg‹ für zivile Arbeitskräfte aus Polen. Auch wenn die erhaltenen Unterlagen der Tegewe nichts über die Organisation des Polenlagers ›Morgenberg‹ berichten, können sie doch Auskunft über einen weiteren die Lebensbedingungen ausländischer Zivilarbeiter beeinflussenden Faktor geben. Die laufenden Kosten für die Unterhaltung und die Ausstattung des Lagers ›Morgenberg‹ trug die Firma Friedrich Weber & Co. aus Berlin. Die Abrechnungsabteilung der Tüll- und Gardinenweberei zog den Polen außerdem 375 Vgl. Aktenvermerk über die am 29.10.1943 zwischen den Herren Dr. Mocker, Direktor Mocker, Baumeister Graupner einerseits und Herrn Stümpfig andererseits stattgefundene Besprechung. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 376 Vgl. Mitteilung der Plauener Baumwollspinnerei an die Industrie-Werke vom 07.09.1943. Betreff  : Besprechung mit Osram zur geplanten Betriebsverlagerung. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 377 Vgl. Mitteilung der Verwaltung der Plauener Baumwollspinnerei in Treuen an die Industrie-Werke, Plauen, Osram, Berlin, et al. vom 29.02.1944. Betreff  : Lagermäßige Unterbringung der aus Berlin nach Plauen zu versetzenden Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 378 Vgl. Abrechnung der laufenden Kosten bei der Tüll- und Gardinen-Weberei AG Plauen, 01.– 31.10.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

anteilig einen Betrag für die Unterbringung im Lager vom Lohn ab. Dieser war so hoch bemessen, dass die Kostenübernahme durch den Berliner Verlagerungsbetrieb in der Folge entfiel. Dies teilte die Tegewe Friedrich Weber & Co. im Zuge ihrer Rechenschaft mit. Die im Staatsarchiv Chemnitz erhaltene Abrechnung belegt, dass den ausländischen Zivilarbeitern pro Tag 0,50 RM für die Unterkunft berechnet wurde.379 Zu den durch den Arbeitsgeber vom Lohn einbehaltenen Anteilen gehörte neben den Kosten für die Unterbringung noch die Lagerverpflegung.380 Es ist davon auszugehen, dass polnische Arbeitskräfte ähnlich wie Ostarbeiter für Versorgung und Unterkunft pro Tag im Schnitt 1,50 RM zu entrichten hatten.381 Das Lager ›Morgenberg‹ entstand ab April 1944 in der Heubnerstraße 39382 und war der Nachfolger oder die Erweiterung des Gemeinschaftslagers Plauen-Chrieschwitz, in dem die Tegewe 110 Betten fest gemietet hatte.383 Einen Teil der Betten aus dem Lager Chrieschwitz ließ sich das Unternehmen in die Heubnerstraße liefern.384 Für die Einrichtung des Lagers ›Morgenberg‹ tätigte das Plauener Unternehmen Tegewe Ausgaben in Höhe von 2.486,95 RM. Neben zehn neuen Doppelbetten, die für die polnischen Zivilarbeiter von Baumeister Graupner à 36  RM das Stück angefertigt wurden, erwarb die Tegewe unterschiedliche Einrichtungsgegenstände. Darunter befanden sich 50 Löffel, 50 Schüsseln, 50 Becher, 102 Wolldecken, zehn Waschschüsseln, fünf Wassereimer, ein Waschkessel und Holzwolle385, die vermutlich zum Füllen der 379 Vgl. Mitteilung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG, Plauen, an Friedrich Weber & Co., Berlin, vom 12.10.1944. Betreff  : Abrechnung. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. Vgl. außerdem Abrechnung der vom 01.02.–31.08.1944 bei der Tüllund Gardinen-Weberei durch Friedrich Weber, Berlin, zur Miete in Anspruch genommenen Räumlichkeiten. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 380 Für das Lager ›Immerda‹ rechnete die Tegewe bei Friedrich Weber Aufwendungen für die Lieferung von Mittagssuppen ab, sodass von einer Lagerverpflegung auszugehen ist, die allerdings beim Mittagstisch Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen ausschloss. Vgl. Abrechnung der laufenden Kosten bei der Tüll- und Gardinen-Weberei AG Plauen, 01.–31.10.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 381 Vgl. für die Lagerkosten der Ostarbeiter  : Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 158. 382 Vgl. Abrechnung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG, Plauen, über die Einrichtung des Lagers ›Morgenberg‹, Plauen, Heubnerstr. 39, für Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 (Deckname für die Produktion Fr. Weber, Berlin) vom 08.04.–30.06.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 383 Vgl. Abrechnung der Lagerkosten in Gemeinschaftslager Plauen-Chrieschwitz für Tegewe, Abteilung Metall-Werke 2 vom 20.03.–30.04.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 384 Vgl. Abrechnung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG, Plauen, über die Einrichtung des Lagers ›Morgenberg‹, Plauen, Heubnerstr. 39, für Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 (Deckname für die Produktion Fr. Weber, Berlin) vom 08.04.–30.06.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 385 Vgl. ebd.

201

202 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Matratzen benutzt wurde. Da die Quellen zur Zahl der bei Tegewe bzw. Metall-Werk 2 eingesetzten zivilen Polen keine Auskunft geben, kann die Belegungsstärke des Lagers ›Morgenberg‹ lediglich über die Einrichtungsgegenstände abgeschätzt werden. Sie muss bei mindestens 50 und maximal 102 Personen gelegen haben. Weil Polen eine der am stärksten diskriminierten Gruppen unter den ausländischen Zivilarbeitern waren386, ist davon auszugehen, dass die Behörden die Unternehmen anhielten, bei der Einrichtung der Lager äußerst sparsam vorzugehen. Im Vergleich erhielten die italienischen Arbeitskräfte der VOMAG im Bahnhofshotel Barthmühle 1941 zwei Decken pro Person387, weshalb eine Belegung mit 102 Personen plausibler zu sein scheint. Befanden sich ähnlich wie im Fall des Lagers Thiergarten die Arbeitskräfte im Schichtdienst388, hatte die Tegewe Essbesteck und Betten nur in dem Umfang angeschafft, in dem sich Arbeitskräfte zur gleichen Zeit im Lager befinden ­konnten. Interessant ist nun der Umstand, dass die Plauener Baumwollspinnerei und die Industrie-­Werke für die 811 in Lagern unterzubringenden Arbeitskräfte von Osram389 1.200 Messer, Gabeln und Löffel angefordert hatten.390 Unter den unterzubringenden Ausländern befanden sich Westarbeiter und Ostarbeiter.391 Ob die Baumwollspinnerei und die Industrie-Werke die Einrichtungsgegenstände in dem Umfang erhielten, in dem sie angefordert wurden, ist jedoch nicht überliefert. Die Bemühungen der beiden Plauener Aufnahmebetriebe zeigen allerdings, dass eine schlechtere Ausstattung der Ostarbeiterlager nicht beabsichtigt war. Dass die Zunahme der Zahl an ausländischen Arbeitskräften zur Aufweichung behördlicher Vorgaben und Gesetze führte, wurde bereits angedeutet. Die große Zahl an Ausländern unter anderem in der VOMAG stellte die Plauener Behörden vor allem 386 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 17. 387 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 1. 388 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 5. 389 Vgl. Bescheinigung des Arbeitsamtes Plauen vom 26.01.1944 für die Plauener Baumwollspinnerei. Betreff  : Lagerunterbringung von 327 Arbeitskräften im Zuge der Betriebsverlagerung. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert und Bescheinigung des Arbeitsamtes Plauen vom 26.01.1944 für die Industrie-Werke AG, Plauen. Betreff  : Lagerunterbringung von 484 Arbeitskräften im Zuge der Betriebsverlagerung. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 390 Vgl. Mitteilung der Baufirma Graupner an das Reichsministerium Speer, Abteilung Lagerausbau vom 30.10.1943. Betreff  : Lagerausbauten für die Firmen Plauener Baumwollspinnerei und IndustrieWerke AG, Plauen. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 391 Vgl. Bescheinigung des Arbeitsamtes Plauen vom 26.01.1944 für die Plauener Baumwollspinnerei. Betreff  : Lagerunterbringung von 327 Arbeitskräften im Zuge der Betriebsverlagerung. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert und Bescheinigung des Arbeitsamtes Plauen vom 26.01.1944 für die Industrie-Werke AG, Plauen. Betreff  : Lagerunterbringung von 484 Arbeitskräften im Zuge der Betriebsverlagerung. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

vor Probleme bei der Unterbringung. Dies legen die unterschiedlichen Bezeichnungen und Belegungen, die während des Krieges für den ›Weißen Stein‹ nachweisbar sind, nahe. 1943 wurde das Ausländerlager beispielsweise als »Tschechenlager«392 geführt. Im Jahr zuvor sind bereits Westarbeiter, hier im Speziellen Franzosen, im ›Weißen Stein‹ registriert.393 Aber auch Ostarbeiter befanden sich im Lager der VOMAG.394 Dass die VOMAG zwei verschiedene Lager in der Nähe ihres Produktionsgeländes betrieben hat, legt die beim Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes in Bad Arolsen vorhandene Auflistung der Unterkünfte italienischer Arbeitskräfte nahe. Hier sind sowohl das Lager ›Weißer Stein‹ als auch ein Lager Leuchtsmühle vermerkt.395 Im Folgenden soll nun der Versuch unternommen werden, zu klären, wie die Lager des Panzermonteurs aufgebaut waren. Da nicht davon auszugehen ist, dass in den Baracken westlich des Leuchtsmühlenweges, Ecke Straßberger Straße eine Trennung nach Nationen gewährleistet werden konnte396, scheint erst die Errichtung eines zweiten Lagers auf dem Werksgelände die Unterbringung weiterer ausländischer Arbeitskräfte ermöglicht zu haben.397 Das etwas besser dokumentierte Barackenlager am Leuchtsmühlenweg/Straßberger Straße befand sich oberhalb der Panzermontage. Vier große und eine kleine eingeschossige Baracke westlich des Leuchtsmühlenweges398 wurden als Unterkünfte angelegt. Dass hier sehr wahrscheinlich Ostarbeiter untergebracht waren, dafür sprechen mehrere Gegebenheiten. Zum einen befanden sich gegenüber auf der östlichen Seite des Leuchtsmühlenweges weitere eingeschossige Baracken, die die Wachmannschaften in einem großen und einem kleinen Bau untergebracht haben können. Angelegt waren hier außerdem Sanitärbereich und Küche.399 Zum anderen berichtete Uta Reuter, Tochter des VOMAG-Gießereimeisters Robert Reiche, dass die auf der westlichen Seite gelegenen Unterkünfte von einem hohen Bretterzaun umgeben waren.400 Dies entspräche dem gängigen Erscheinungsbild von Ostarbeiterlagern, die als Zeichen der 392 Abschriften aus den Akten Svyda, GNr. 8425/42 vom 21.06.1943. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 112. 393 Vgl. Hauptmeldebogen Julien Waaselin, 2.2.2.1 / 75572782/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Hauptmeldebogen Julien Waaselin, 2.2.2.1 / 75572783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 394 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 7  :17–9  :01, siehe Anhang 2. 395 Vgl. Namenslisten der in Plauen beschäftigten Italiener und deren Unterkünfte, 2.1.4.1 / 70955053/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 396 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 7 über die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte nach Volkszugehörigkeit. Vom 18. November 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 93–94. 397 Am Elsterufer entstand gegenüber dem Verwaltungsgebäude, der Schmiede und der Motorenmontage ein zweiter Barackenbau, der wahrscheinlich der Unterbringung von Arbeitskräften diente. Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, Anlage 16, S. 11. 398 Vgl. ebd., S. 10. 399 Vgl. ebd. 400 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 7  :17, siehe Anhang 2.

203

204 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Diskriminierung der Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten umzäunt wurden. Durch die Fürsprache Fritz Sauckels entfiel im Reich Ende 1942 die Stacheldrahtpflicht an den Umzäunungen der Ostarbeiterlager.401 Im Unterschied zum Barackenkomplex oberhalb der Montagehalle umfasste der zweite gegenüber der Motorenmontage auf dem Werksgelände der VOMAG nur drei große und eine kleine Baracke.402 Ob es sich um ein- oder mehrgeschossige Gebäude handelte, ist nicht überliefert. Den Gebäuden kann ebenso keine Funktion innerhalb des Lagers mehr zugeordnet werden. Für die VOMAG und ihr Lager ›Weißer Stein‹ sind Kräfte aus mindestens drei Nationen nachweisbar. Wahrscheinlich wurde das Ostarbeiterlager in Richtung der heute an der Straßberger Straße befindlichen Kleingartensiedlung ausgeweitet, um die Vielzahl ausländischer Arbeitskräfte unterzubringen. Denkbar wäre so die Schaffung verschiedener Bereiche je nach Nationalität der Ausländer. Leider sind dazu keine Dokumente erhalten. Auch die kartographische Auswertung des Geländes ergab keine Hinweise auf den Aufbau des Lagers. Die Planungen zur Betriebsverlagerung von Osram in die Industrie-Werke und die Baumwollspinnerei legen nahe, dass ab 1944 die räumlichen Kapazitäten zur nach Nationen getrennten Unterbringung von Arbeitskräften in der Stadt Plauen gänzlich ausgeschöpft waren. Das Berliner Unternehmen war bei der Umsetzung seiner Arbeitskräfte ins Vogtland gezwungen, eine gemeinsame Unterbringung von männlichen deutschen Arbeitskräften und Westarbeitern im Lager Georgenhof in Betracht zu ziehen. Die Räumlichkeiten wurden lediglich entsprechend abgetrennt.403 Neben hohen Zäunen und Bewachung in den Lagern der Kräfte aus den besetzten Ostgebieten waren es vor allem die Baracken, die Ausdruck der Diskriminierung durch die Nationalsozialisten waren. Das Deutsche Reich hatte zwei Standardbauweisen entwickelt. Typ RAD RL IV sah 18 männliche Zivilarbeiter vor, Typ RLM 501/34 zwölf weibliche. Waren die Baracken mit Ostarbeitern belegt, konnten pro Stube auch bis zu 36 Kräfte untergebracht werden. Dies entspräche den behördlichen Vorgaben für die Belegung mit sowjetischen Kriegsgefangenen.404 Mit einer solchen Form der Unterbringung sahen sich die italienischen Arbeitskräfte ab Juli 1943 konfrontiert. Sofern sie sich wie die Arbeitskräfte der Zellwolle und der VOMAG bereits im Reich aufhielten, wurden sie von der Rückkehr in ihre Heimat abgehalten und mit einer Arbeitspflicht belegt.405 Mit dieser Statusänderung standen den Italienern nun Unterkünfte wie sowjetischen Kriegsgefangenen zu. Deren Ausstattung war präzise nach 401 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 117. 402 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG Plauen, Anlage 16, S. 11. 403 Vgl. Mitteilung der Verwaltung der Plauener Baumwollspinnerei in Treuen an die Industrie-Werke, Plauen, Osram, Berlin, et al. vom 29.02.1944. Betreff  : Lagermäßige Unterbringung der aus Berlin nach Plauen zu versetzenden Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 404 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 118. 405 Vgl. ebd., S. 83.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

diskriminierenden Maßstäben geregelt. So erhielten die Ausländer Pritschen anstatt Betten, keine Schemel, dafür Bänke, kaum Geschirr und keine Schränke.406 An dieser Stelle fällt die Parallelität zur Einrichtung des Polenlagers ›Morgenberg‹ auf, für das die Tegewe ausschließlich Schüsseln und Löffel besorgte, jedoch keine Gabeln, Messer oder Teller.407 Eine der beiden Barackenbauweisen wurde wohl auch bei der Errichtung der Baracke auf dem Sportplatz in der Plauener Klopstockstraße verwendet.408 Betreiberin und Nutzerin des Sportplatzes war die Spielvereinigung 09 Plauen, die auf dem Areal auch ihr Vereinsheim betrieb.409 In der Baracke untergebracht waren Ostarbeiterinen und Ostarbeiter. Als besonders stark diskriminierte Arbeitskräfte wurden sie mit einem blauen Rechteck und dem darin eingestickten Wort »Ost« an ihrer Kleidung stigmatisiert.410 Beschäftigt waren sie in der Mechanischen Baumwoll-Weberei Lang. Das Unternehmen betrieb in der Ostvorstadt ein weiteres Lager für Ostarbeiter.411 In der Baracke auf dem Sportplatz in der Klopstockstraße waren entgegen der ursprünglich vorgesehenen Geschlechtertrennung Männer und Frauen gemeinsam untergebracht. Der Grund dafür lag in der veränderten Rekrutierungspraxis. Die in der BaumwollWeberei Lang eingesetzten Ausländer wurden unter Versprechungen angeworben und mit der gesamten Familie nach Plauen verbracht. Bei der Ankunft im Vogtland wurden die Großfamilien dann gemeinsam in der Baracke untergebracht, die sehr wenig Platz für die Vielzahl an Arbeitskräften bot.412 Die Ausstattung war spärlich, Spielsachen für die Kinder waren ebenso wenig vorhanden wie eine Heizung. Den Ostarbeitern stand an ihrer Baracke lediglich eine Feuerstelle zur Verfügung. Im Winter war sie die einzige Wärmequelle413, was die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Ostarbeiter entscheidend beeinflusst hat. Im Gegensatz dazu verfügte das Italienerlager in Barthmühle über einen Ofen sowie fließend warmes Wasser.414 Auch die im Lager in Trieb untergebrachten zivilen Polen konnten mithilfe eines Holzofens Warmwasser 406 Vgl. ebd., S. 118. 407 Vgl. Abrechnung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG, Plauen, über die Einrichtung des Lagers ›Morgenberg‹, Plauen, Heubnerstr. 39, für Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 (Deckname für die Produktion Fr. Weber, Berlin) vom 08.04.–30.06.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 408 Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 0  :06–0  :42, siehe Anhang 1. 409 Vgl. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen, S. 120. 410 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 117. 411 Vgl. Monatliche Berichterstattung der VEB Vogtländische Baumwollweberei und Veredlung Plauen an den Rat der Stadt, Abt. Innere Angelegenheiten, Sachgebiet Archivwesen vom 24.11.1964. In  : StadtA Plauen, Best. Rat der Stadt Plauen, Innere Angelegenheiten, Übernahmen Verwaltungsarchiv DDR-Zeit, VA 00002/ Ü 03/16/ Abg. 806, nicht foliiert. 412 Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 0  :06–1  :08, Anhang 1. 413 Vgl. ebd., Min. 2  :17–3  :36, Anhang 1. 414 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 2.

205

206 | 

Zwangsarbeit in Plauen

­zubereiten.415 Es kann festgehalten werden, dass die Beheizung der Ausländerlager von der Art der Unterbringung abhing. Waren die ausländischen Arbeitskräfte in Baracken untergebracht, beeinflusste die Kälte ihre Lebensbedingungen negativ. Die Art der Unterbringung konnte durch die Bemühungen von Vorgesetzten oder der Betriebsleitung beeinflusst werden. Berücksichtigten die Unternehmen die diskriminierenden Richtlinien, waren die Ausländer in engen, unbeheizten Lagern einquartiert. Setzte sich der Lagerführer für eine regelmäßige Reinigung ein, konnte zumindest die Hygiene erhalten werden. Gerade das Beispiel des Gasthofes Thiergarten zeigt, dass das deutsche Lagerpersonal wenig Interesse an den ausländischen Zivilarbeitern zeigte. Hier griff das nationalsozialistische Überwachungssystem ein. Durch die regelmäßigen Kontrollen des Gesundheitsamtes bzw. des Gewerbeaufsichtsamtes fiel ein Flohbefall auf und eine Desinfektion des Lagers wurde durchgeführt. Die Maßnahme diente ausschließlich der Erhaltung der Arbeitskraft. Auch das Engagement der VOMAG für die italienischen Arbeitskräfte, die auf Fürsprache des Betriebsobmanns im Bad des Unternehmens der Körperhygiene nachgehen durften, diente der Erhaltung der Arbeitskraft. Mit Hereinnahme der Ostarbeiter wurden auch in Plauen Barackenlager errichtet. Verfügten die Unternehmen, die die ausländischen Arbeitskräfte angefordert hatten, jedoch über entsprechende Kontakte, konnten auch 1944 noch Ostarbeiter in bereits bestehenden Lagerstrukturen wie Gaststuben oder Turnhallen untergebracht werden. Durch die ab 1942 in die deutsche und auch die Plauener Industrie hereingenom­ mene Masse an Ausländern verwischten die Grenzen behördlich angeordneter Diskri­ minierung. So fiel vor allem die vorgeschriebene nach Nationalitäten getrennte Unterbringung416 der ausländischen Zivilarbeiter weg. Lediglich einzelne Räumlichkeiten konnten entsprechend abgetrennt werden, sodass sich die Lebensbedingungen der Ostarbeiter denen der Westarbeiter angeglichen haben. Dies galt allerdings nur für die Lagerunterbringung. 4.1.2 Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter in der Plauener Textilindustrie – Arbeitsrecht und Urlaub

Obwohl die Untersuchung der wirtschaftlichen Situation Plauens vor dem Zweiten Weltkrieg ergeben hat, dass die Textilindustrie seit 1911/12 in einer steten Krise verharrte, weist das Plauener Adressbuch 1942/43 immer noch über 500 Textilbetriebe 415 Vgl. Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 416 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 7 über die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte nach Volkszugehörigkeit. Vom 18. November 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 93–94.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

aus.417 Der Wirtschaftszweig war auch im vierten Kriegsjahr noch aktiv. Das Bild ganzer Straßenzüge, wie das der Hammerstraße, war von Textilbetrieben geprägt. Hier befanden sich gleich mehrere große Unternehmen sowie kleinere Betriebe. In der Hammerstraße 60 produzierte die bereits erwähnte Gardinenfabrik Plauen AG mit ihrer Tüllgardinen-Weberei, der Buntweberei, der Abteilung Werkgardinen und Ausrüstung.418 In der Hausnummer 57 befanden sich die Produktionststätten der ebenfalls bereits erwähnten Mechanischen Baumwoll-Weberei Herrmann Lang.419 Um nicht ausgekämmt oder stillgelegt zu werden420, fertigten einige der P ­ lauener Textilbetriebe Wehrmachtsausrüstung, die ab Ende 1943 wichtig, unverzichtbar und am besten kriegsentscheidend sein musste.421 So entstand beispielsweise in der Mecha­nischen Baumwoll-Weberei Herrmann Lang eine Abteilung für Kriegsproduktion, die sie in Kooperation mit der Veredelungswerk GmbH, Bleicherei und Färberei Plauen, betrieb.422 Hier kamen Ostarbeiter zum Einsatz423, um den grassierenden Arbeitskräftemangel zu beheben. Auch andere Unternehmen wie die Gardinenfabrik Plauen und die Plauener Baumwollspinnerei nahmen entsprechende Fertigungen auf. Hergestellt wurden Tülle für Moskito- und Mückenabwehr424 sowie Papiergewebe für Tarnnetze425. Rohstoffengpässe erschwerten jedoch die Fertigung426, sodass die 417 Vgl. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen, S. 1024–1030. 418 Vgl. ebd., S. 1025. 419 Vgl. ebd., S. 1026. 420 Vgl. Mitteilung der Wirtschaftskammer Plauen an die Industriewerke 1943. Betreff  : Umsetzung von Arbeitskräften in die Rüstungs-Industrie. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert. 421 Vgl. Mitteilung der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie, an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen vom 01.11.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen. In  : StAC, Best. 30874 IHK Plauen, Nr. 430, Fol. 33–34. Die Gauwirtschaftskammer Sachsen fordert hier von den Wirtschaftskammern Aufstellungen der Betriebe in ihren Zuständigkeitsbereichen ein, die sie bei der nicht kriegsentscheidenden, aber doch wichtigen Fertigung für entbehrlich halten. Vgl. außerdem Mitteilung der Wirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen am 10.11.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen/Wäscheindustrie. In  : StAC, Best. 30874 IHK Plauen, Nr. 430, Fol. 56–57. Die Gauwirtschaftskammer bittet um die Listendurchsicht der für Umsetzungen vorgesehenen Betriebe aus der Bekleidungsbranche. Aufstellung enthält zu schonende Unternehmen. 422 Vgl. Monatliche Berichterstattung der VEB Vogtländische Baumwollweberei und Veredlung Plauen an den Rat der Stadt, Abt. Innere Angelegenheiten, Sachgebiet Archivwesen vom 24.11.1964. In  : StadtA Plauen, Best. Rat der Stadt Plauen, Innere Angelegenheiten, Übernahmen Verwaltungsarchiv DDR-Zeit, VA 00002/ Ü 03/16/ Abg. 806, nicht foliiert. 423 Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 0  :06–0  :42, siehe Anhang 1. 424 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 13.04.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG  ; Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 425 Vgl. Chronik der Plauener Baumwollspinnerei. In  : StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340, nicht foliiert, Bericht, S. 109. 426 Vgl. ebd., S. 110. Hier gibt der Vorstandsbericht für das Geschäftsjahr 1942 an, dass die Steigerung der

207

208 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Unternehmen früher oder später gezwungen waren, textilfremde Industrie in ihren Räumlichkeiten aufzunehmen. Eine Ausnahme stellte die Mitteldeutsche Spinnhütte dar. Auf Initiative der Nationalsozialisten gegründet, war sie für die Herstellung von Seide in der Fallschirmproduktion vorgesehen.427 Die Mitteldeutsche Spinnhütte war eines der wenigen Unternehmen, die zu Rüstungszwecken für die Luftwaffe textil produzierten, und deshalb wurden ihr zur Sicherung der Fertigung qualifizierte Westarbeiter zugeteilt. So beschäftigte sie in ihrer 500 Arbeitskräfte starken Belegschaft428 beispielsweise den Belgier Albert Amand Bille als Seidenweber.429 Ähnlichen Umständen war der ›Ausländereinsatz‹ der Sächsischen Zellwolle AG unterworfen. Die Herstellung der gleichnamigen Spinnfaser wurde bereits Anfang der 1930er bis zur Marktfähigkeit vorangetrieben. Die Fertigung des Stoffes war der Versuch der Nationalsozialisten, sich von einigen Belastungen bei der Einfuhr natürlicher Textilfasern zu befreien. Mit Verbesserungen in der Qualität der Spinnfaser gelang es, die Einfuhrmenge von Textilrohstoffen zu verringern und die Herstellung der Zellwolle in das nationale Rohstoffprogramm der Regierung aufzunehmen. Um noch höhere Produktionsmengen zu erreichen, gründeten sich 1935 vier neue Gesellschaften, die die Zellwolle nach dem Viskoseverfahren herzustellen beabsichtigten. Zu ihnen gehörte auch die Sächsische Zellwolle Aktiengesellschaft.430 Aufgrund von Standortvorteilen siedelte sich das Unternehmen 1936 in Plauen anstatt in Chemnitz an.431 Als Bestand­teil des nationalen Rohstoffprogramms stand die Zellwolle im Zweiten Weltkrieg nicht vor der Herausforderung, umfassend Arbeitskräfte an die Rüstungsindustrie abgeben zu müssen und gleichzeitig ihre Produktion aufrechtzuerhalten. Geschützt war das Unternehmen ebenso vor einer Stilllegung. Betroffen war die Zellwolle in Plauen dagegen wie alle anderen wirtschaftlichen und städtischen Einrichtungen vom allgemeinen Arbeitskräftemangel, sodass sie im September 1940 auf Arbeitskräfte aus Frankreich zurückgriff.432 Im Juni 1941 kamen dann Italiener in die Produktion. Ob

427

428 429 430 431 432

Papiergespinnste im Rahmen des Kriegserzeugungsprogramms nicht zur Ausnutzung der vollen Produktionskapazitäten reichte. Vgl. außerdem ebd., S. 114. Im Jahr 1943 stellte die Baumwollspinnerei die Produktion von Baumwollgarnen ein, weil die dafür nötige Baumwollflocke nicht mehr hergestellt wurde. Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944 Anlage 1. Bericht über die Dienstreise des Rüstungsinspekteurs am 06.01.1944. 1) Mitteldeutsche Spinnhütte G.m.b.H. in Celle, Werk Plauen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 60. Vgl. ebd. Vgl. Hauptmeldebogen Albert Amand Bille, 2.2.2.1 / 71486665/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Vgl. Götze, Kurt (1940)  : Kunstseide und Zellwolle nach dem Viskose-Verfahren, Berlin, S. 28. Vgl. Vertragsentwurf für die Finanzierung der Sächsischen Zellwolle AG durch den Beauftragten für Wirtschaftsfragen, Sonderaufgabe  : Deutsche Rohstoffe vom 31.05.1935. In  : BArch Berlin, Best. R 2 Reichsfinanzministerium, Nr. 1589, Fol. 10–12. Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 57, 2.1.4.1 / 70955011/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

die Arbeitskräfte erst mit Belegung ihres Lagers im Gasthof Thiergarten am 1. Juni 1941433 ins Deutsche Reich kamen oder schon zuvor eine Anstellung bei der Sächsischen Zellwolle gehabt hatten, ist nicht zu belegen. Gut belegen lässt sich dagegen, dass im gleichen Jahr, in dem das Italienerlager im Gasthof Thiergarten entstand, auch Belgier in die Produktion der Zellwolle involviert wurden.434 Neben Italienern, Belgiern und Franzosen waren ab 1942 auch Niederländer und Arbeitskräfte aus dem Osten Europas bei der Sächsischen Zellwolle AG Plauen eingesetzt. Insgesamt beschäftigte die Zellwolle bis 1944 mindestens 76 Ausländer435, wie zum Beispiel den aus Rotterdam stammenden Adriaan van Loon. Er hatte seine Anstellung am 16. Januar 1942 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt war er 25 Jahre alt.436 Auffällig ist bei der Sichtung der Unterlagen zur Sächsischen Zellwolle AG, dass sich das Unternehmen vieler privilegierter Westarbeiter bediente, die fachspezifische Berufe ausübten. Unter den Franzosen traten mehrmals Beschäftigungsbezeichnungen auf, die auf Fachkenntnisse in chemischen Verfahren schließen lassen. So arbeiteten unter anderem Emilie Ernest Fernand Brunell und Wanceslas Louis Buquet437, Emilie Chevalier, Georges Chureau438, Jean Alfred Dupique439, Hermann Pascal Pierre Levillain440 sowie Roger Pumont und Georges Rapset441 als Chemiehilfswerker. Auch Niederländer trugen in der Sächsischen Zellwolle diese Berufsbezeichnung442, ebenso wie Belgier443. Dass die Berufsangabe der Westarbeiter Chemiehilfswerker und nicht 433 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 1. 434 Vgl. Urlaubskarte von Rene Verley bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888776/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 435 Vgl. Namenslisten der in der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte, 2.1.4.2 / 71012586/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 71012587/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 71012588/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 710125896/ ITS Digital Archive und 2.1.4.2 / 71012590/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 436 Vgl. Personalkarte von Adriaan van Loon bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888746/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 437 Vgl. für Vorhergehendes Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 97, 2.1.4.1 / 70954882/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 438 Vgl. für Vorhergehendes Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 101, 2.1.4.1 / 70954886/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 439 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 114, 2.1.4.1 / 70954899/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 440 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 154, 2.1.4.1 / 70954939/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 441 Vgl. für Vorhergehendes Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955039/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 442 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 25, 2.1.4.1 / 70955132/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 443 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Belgier, Ordner 45d, Fol. 3, 2.1.4.1 / 70954787/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

209

210 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Chemiewerker lautete, könnte einen Hinweis auf das Verfahren ihres Einsatzes geben. Westarbeiter wurden, sofern sie in qualifizierteren Tätigkeitsbereichen eingesetzt waren, gründlich und ausreichend lang eingewiesen. In Gruppen konnten Westarbeiter nach einer Phase der Eingewöhnung im Betrieb einem deutschen Arbeiter zugeteilt werden, der sie in den erforderlichen Arbeitsschritten unterwies. Der entscheidende Unterschied zum Anlernprozess bei den Polen und Ostarbeitern war, dass die unterweisenden deutschen Kräfte weiter ihren Durchschnittslohn erhielten und damit nicht von einer schnell sich einstellenden hohen Arbeitsleistung der Ausländer finanziell abhängig waren. Diese Abhängigkeit wurde bei den Anlernmaßnahmen für Ostarbeiter und Polen erreicht, indem der deutsche Vorarbeiter finanziell am Gruppenakkord beteiligt wurde. Sein Lohn richtete sich nach der Leistung der Arbeitsgruppe.444 Grundsätzlich hatte der GBA im Juni 1942 Anlernmaßnahmen für alle ausländischen Arbeitskräfte mit besonderer Berücksichtigung der Eisen- und Metallwirtschaft verfügt. Die Anlernung sollte nach Ansicht der Arbeitseinsatzbehörden in weitestem Umfang erfolgen, um die bestmögliche Leistung bei den ausländischen Arbeitskräften abzurufen.445 Dass sich jedoch Unterschiede vor allem in der Anlernzeit zwischen Ost- und Westarbeitern sowie Polen entwickelten, dies wurde bereits deutlich gemacht. Auf die Anlernmaßnahmen bei Ostarbeitern wird nochmals einzugehen und die Methode der Plauener Einsatzträger zu schildern sein. Obwohl der GBA in seiner Anordnung Nr. 6 über betriebliche A ­ nlernmaßnahmen deren Umfang nicht von der ›Volkszugehörigkeit‹ abhängig machte, kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich die Einsatzträger trotzdem verschiedener Metho­ den bedienten, die zu einer Ungleichbehandlung zwischen Arbeitskräften aus West-, Süd-, Südost- sowie Nordeuropa und denjenigen aus den besetzten Ostgebieten führten. Neben dem positiven Effekt des Anlernprozesses bei Westarbeitern, dass sie so durchaus an die Arbeitsleistung eines deutschen Betriebsangehörigen heranreichten446, findet sich hier neuerlich die von den Behörden beabsichtigte Gleichstellung zwischen Deutschen und Westarbeitern wieder. Begehrte, weil qualifizierte Arbeitskräfte aus den besetzten Westgebieten konnten sogar besser bezahlt werden als ihre deutschen Kollegen, um sie im Betrieb zu halten. Dies galt zumindest bis Mitte des Jahres 1942.447 Ein weiteres Privileg gegenüber den Ostarbeitern, das den Westarbeitern mit Arbeitsaufnahme im Reich bis März 1944 zukam, war der Anspruch auf Urlaub.448 Für Ostarbeiter eröffnete sich diese Möglichkeit erst auf Initiative des Generalbevoll444 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 129. 445 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 6 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über den Einsatz von Arbeitskräften der besetzten Gebiete. Vom 05. Juni 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 91–92. 446 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 128. 447 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 151–152. 448 Vgl. ebd., S. 166 sowie zur allgemeinen Urlaubssperre für ausländische Zivilarbeiter  : Rundschreiben Nr. 14 der Rüstungskommission IVa.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

mächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, im Juli 1943. Die zugestandenen Urlaubsfahrten waren jedoch auf das deutsche Reichsgebiet beschränkt und nur für ausgewählte Kräfte vorgesehen.449 Außerdem beendete die Urlaubssperre bereits im Oktober des gleichen Jahres die neu erlangte Freiheit. Noch früher endeten die Urlaubsansprüche der Polen. Sie konnten lediglich bis 1941 davon Gebrauch machen. Danach waren ihnen Heimreisen und Urlaub versagt.450 Traten ausländische Zivilarbeiter eine gewerbliche Arbeitsstelle im Reich an bzw. wurden sie zur Aufnahme einer gewerblichen Arbeit gezwungen, erfolgte für sie ebenso wie für deutsche Kräfte die Einordnung in die entsprechende Tarifgruppe sowie Zeitoder Akkordlohngruppe.451 Der Eingruppierung entsprechend errechneten sich nicht nur Tariflohn und Zuschläge, sondern auch der Urlaub.452 Der tarifliche Anspruch auf Erholungsurlaub betrug beispielsweise bei den Westarbeitern in der Gardinenfabrik Plauen, die im Zuge der Betriebsverlagerung der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke ins Unternehmen kamen, zwischen minimal sechs und maximal 14 Tagen.453 In den allgemeinen Bestimmungen zum Arbeitsrecht ausländischer Zivilarbeiter hielten die Arbeitsverwaltungsbehörden fest, dass »ausländische Arbeiter […] in Deutschland grundsätzlich  – ebenso wie deutsche Gefolgschaftsmitglieder  – Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub [hatten]. Die Dauer richtet[e] sich nach der einschlägigen Tarif- oder Betriebsordnung. Die Mindestdauer des bezahlten Erholungsurlaubes [betrug] im allgemeinen 6 Arbeitstage […]. Für polnische Arbeitskräfte [existierte] eine Sonderregelung.«454 Diese sah vor, dass »[d]en Polen […] das Verlassen ihres Aufenthaltsortes streng verboten [war]. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (z. B. Eisenbahn) [war] ihnen nur mit besonderer Erlaubnis der Ortspolizeibehörde gestattet.«455 Somit war sowohl die Ortsabwesenheit untersagt als auch die Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit Sondergenehmigung erlaubt, was beispielsweise eine Heimreise erschwerte, wenn nicht unmöglich machte. Einen Heimaturlaub konnten polnische Zivilarbeiter nur in Sonderfällen beantragen. Dazu zählten Todesfall in der Familie oder die eigene Heirat sowie die der Kinder.456

449 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 11 über die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub. Vom 23. Juli 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 104. 450 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 166. 451 Vgl. ebd., S. 151. 452 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 20. 453 Vgl. Auflistung der Urlaubsansprüche sowie Ausgaben für doppelte Haushaltsführung der in der Gardinenfabrik Plauen beschäftigten ausländischen Gastarbeiter 1943/1944. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 454 Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 20. 455 Ebd., S. 26. 456 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 166.

211

212 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Für alle ausländischen Zivilarbeiter exklusive der Ostarbeiter und Polen galt, sofern sie in der Industrie, im Handwerk oder im Bergbau beschäftigt waren, dass sie nach einem Jahr Arbeit im Reich Anspruch auf zwei Wochen Heimaturlaub geltend machen konnten. Verheiratete konnten bereits ein halbes Jahr nach Arbeitsaufnahme Heimaturlaub beantragen.457 Für Ostarbeiter galt ab Juli 1943, dass sie im zweiten Jahr ihrer Beschäftigung im Deutschen Reich Anspruch auf eine Woche Urlaub erheben konnten. Dieser war allerdings in »Ostarbeiter-Urlaubslager[n]«458 auf deutschem Gebiet zu verbringen und galt nur für diejenigen Kräfte, die sich »durch ihre Leistungen und ihr Verhalten, insbesondere ihre Treue zum Betrieb bewährt haben«459. Weiterhin konnten diese ausgezeichneten Arbeitskräfte bei dritter oder jeder weiteren Verlängerung ihres Arbeitsvertrages Heimaturlaub beantragen. Dem Antrag war auf Anordnung des GBA stattzugeben.460 Offensichtlich blieb den Einsatzträgern bei der Gewährung von Urlaub ein gewisser Spielraum erhalten oder es handelte sich im Folgenden um einen verheirateten Ausländer, denn entgegen den allgemeinen Bestimmungen genehmigte die Sächsische Zellwolle AG dem aus den Niederlanden stammenden Arbeiter Adriaan van Loon bereits sieben Monate nach Arbeitsaufnahme Urlaub. Vom 13. bis 26. August 1942 konnte der Niederländer die Arbeitsstelle bei der Zellwolle verlassen. Auch 1943 wurden van Loon neuerlich 13 Tage Urlaub gewährt, diesmal im Januar.461 Obwohl ab Oktober des Jahres die Heimreisen ausländischer Zivilarbeiter immer weiter beschränkt wurden462, erhielt van Loon Anfang des Jahres 1944 noch einmal freie Zeit

457 Familienheimfahrten während der Kriegszeit wurden für ausländische Arbeitskräfte im Deutschen Reich erstmals am 01.11.1940 geregelt. Diese Regelung beschränkte sich auf Ausländer, die in den Gewerbegruppen Bau, Metall, chemische Industrie, Bergbau und Textilindustrie beschäftigt waren. Die Bestimmungen waren gemäß den Vorschriften für Familienheimfahrten von Deutschen in der entsprechenden Tarifordnung geregelt worden. Neu ausgearbeitet wurde die Bestimmung zu Familienheimfahrten für Inländer am 12.08.1941. Am 27.08.1941 folgte die entsprechende Regelung für ausländische Arbeitskräfte während der Kriegszeit im Deutschen Reich. Sie passte die Bestimmungen für Ausländer denen für Inländer an. Folglich erhielten alle Arbeitskräfte, die aus dem Ausland stammten oder aus dem Protektorat Böhmen und Mähren, Anspruch auf Familienheimfahrten. Vorausgesetzt wurde, dass ihr Wohnort im Ausland lag, und zwar so weit von der Arbeitsstelle entfernt, dass eine tägliche Heimfahrt nicht möglich oder zumutbar war. Weiterhin musste die Arbeitskraft in einem Betrieb des Handwerks, der Industrie oder im Bergbau beschäftigt sein. Vgl. dazu Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 19. 458 Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 11 über die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub. Vom 23. Juli 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 104. 459 Ebd. 460 Vgl. ebd. 461 Vgl. Personalkarte von Adriaan van Loon bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888746/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 462 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 166.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

vom 11. bis 23. Januar463. Im März 1944 endete schließlich der Anspruch der Westarbeiter auf Urlaub mit der generellen Urlaubssperre464, weshalb Adriaan van Loons Personalkarte keine weiteren Einträge aufweist.465 Einen weiteren Urlaub dürften auch das Herannahen der Front sowie die alliierten Luftangriffe auf das deutsche Reichsgebiet verhindert haben. Über einen ähnlichen Urlaubsanspruch wie die Niederländer verfügten auch die Belgier, die ebenfalls bei der Sächsischen Zellwolle in Plauen beschäftigt waren. So konnte der Belgier Rene Verley aus Ostflandern zweimal im Jahr eine Ortsabwesen­ heit geltend machen. Nach der Arbeitsaufnahme am 15. November 1941 wurde er nicht nur 14 Tage, sondern vom 10. bis 29. April 1942 beurlaubt. Im September des gleichen Jahres erhielt er nochmals 14 freie Tage. 1943 wurde er sogar drei Mal vom Unternehmen freigestellt. Neben dem turnusmäßigen Urlaub im Januar und Juli wurde Verley im November neuerlich beurlaubt.466 Die Zellwolle unterschritt bei der Vergabe des Urlaubs an Rene Verley sogar zwei Mal den Halbjahresturnus, wie er von den Arbeitseinsatzbehörden für verheiratete Westarbeiter vorgesehen war. Zu vermuten steht, dass der Grund in besonderen privaten Umständen Verleys liegt. Vermutlich kam den Westarbeitern ähnlich wie Polen die Möglichkeit zu, im Falle von schweren Erkrankungen oder Todesfällen sowie Heirat in der Familie außerplanmäßig die Heimreise antreten zu können. Anders als Rene Verley genehmigte die Sächsische Zellwolle AG dem ebenfalls aus Belgien stammenden Yvon Liénhard erst nach einem Jahr Arbeit im Reich Heimaturlaub. Dies war keine Ausnahme oder Folge eines Fehlverhaltens des Belgiers, sondern er war entsprechend den Vorgaben demnach lediglich nicht verheiratet und konnte deshalb erst nach Ablauf des ersten Beschäftigungsjahres Anspruch auf Urlaub erheben. Seine Arbeit aufgenommen hatte er am 24. März 1943, im Folgejahr war für Liénhard eine 14-tägige Freistellung vorgesehen, von der er jedoch nicht zurückkehrte.467 Die Sächsische Zellwolle AG vermerkte daraufhin auf der Personalkarte »vertragsbrüchig«468.

463 Vgl. Personalkarte von Adriaan van Loon bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888746/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 464 Vgl. Rundschreiben Nr. 14 der Rüstungskommission IVa. Ausnahmen von der Regel bildeten diejenigen ausländischen Arbeitskräfte, die auf Grundlage zwischenstaatlicher Verträge beschäftigt waren. Dies waren Bulgaren, Ungarn, Slowaken, Rumänen, Kroaten und Spanier. 465 Vgl. Personalkarte von Adriaan van Loon bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888746/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 466 Vgl. Personalkarte von Rene Verley bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888776/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 467 Vgl. Personalkarte von Yvon Liénhard bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888893/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 468 Ebd.

213

214 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Der Arbeitsvertragsbruch war, wie schon mehrfach angesprochen, für die deutschen Behörden neben der mangelnden Arbeitsleistung ausländischer Arbeitskräfte zum Hauptproblem des ›Ausländereinsatzes‹ geworden. Ulrich Herbert bezeichnet die Flucht der Kräfte vom Arbeitsplatz sogar als »Strukturmerkmal der Beschäftigung von Ausländern in der deutschen Kriegswirtschaft während des Zweiten Weltkrieges«469. Arbeitsvertragsbruch kam allerdings nicht erst ab 1944 vor, wie es das Beispiel des Belgiers Yvon Liénhard nahelegen könnte. Schon für das erste Jahr des ›Ausländereinsatzes‹ weist Ulrich Herbert auf der Großbaustelle Espenhain der AG Sächsische Werke in Leipzig Fluchtraten von knapp 50 Prozent nach.470 Auch in Plauen verließen ausländische Zivilarbeiter schon vor 1944 und oft kurz nach Arbeitsaufnahme ihre Stelle wieder. So zum Beispiel Stanislaw Juszozak, der im April 1942 eine Arbeitsstelle bei der VOMAG angetreten hatte und im Juli des gleichen Jahres als flüchtig galt. Ebenso verließ Stanislaw Jozwiak 1942 nach knapp fünf Monaten unerlaubt die VOMAG.471 Bei den polnischen Zivilarbeitern ist allerdings zu bedenken, dass ihre Flucht neben den für sie nicht tolerierbaren Arbeitsbedingungen in der VOMAG auch durch die Nähe Plauens zu ihrer Heimat begründet gewesen sein konnte.472 Jedoch kam das Phänomen Arbeitsvertragsbruch nicht nur beim Panzermonteur mehrfach vor. Ebenso wie Yvon Liénhard verließ der Franzose Georges Rapset zusammen mit seiner Frau Lucienne Defontainnes-Rapset die Sächsische Zellwolle AG noch vor Ablauf der Arbeitsverträge bzw. ohne entsprechende behördliche Genehmigung. Das Ehepaar hatte am 19. Dezember 1942 gemeinsam eine Stelle beim Plauener Textilhersteller angetreten, die sie nur fünf Monate später, am 22. Mai 1943, unerlaubt quittierten.473 Interessant wäre an dieser Stelle eine statistische Erhebung zur Fluchtrate unter den ausländischen Zivilarbeitern für die VOMAG und die Sächsische Zellwolle. Die Ausländerbeschäftigung in den beiden Unternehmen wurde stellvertretend für alle im Maschinenbau und der Textilindustrie tätigen Plauener Firmen diskutiert. Aufgrund unvollständiger Überlieferungen konnte sowohl für die Sächsische Zellwolle AG als auch für die VOMAG keine Fluchtrate berechnet werden. Zum einen sind die Personalunterlagen der beiden Unternehmen nur schlaglichtartig überliefert, zum anderen scheinen die Namenslisten der in Plauen eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte aus der Zentralen Namenskartei (ZNK) des Digital Archive des Internationalen Suchdienstes nicht vollständig zu sein. So sind zwar zumeist die Daten der Arbeitsaufnahme und des Endes einer Anstellung vermerkt, aus welchen Gründen die Arbeit 469 Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 130. 470 Vgl. ebd. 471 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 83, 2.1.4.1 / 70955190/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 472 Ulrich Herbert verweist in seiner Untersuchung auf die hohe Fluchtrate der Tschechen und Slowaken aus Leipzig wegen der Nähe zu den Herkunftsländern. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 130. 473 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955039/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

jedoch beendet wurde, bleibt meist im Dunkeln. Da es sich zudem um eine Nachkriegsaufstellung handelt474, kann davon ausgegangen werden, dass die entsprechenden Angaben dem Roten Kreuz unter Umständen gar nicht vorlagen. Deshalb wird an dieser Stelle auf eine statistische Erhebung verzichtet. Anhand der Beispiele ist jedoch nachweisbar, dass das Phänomen Arbeitsvertragsbruch spätestens ab 1942 sowohl in der Plauener Textilindustrie als auch in den Rüstungsunternehmen angekommen war. Weiterhin geben zwei neuerliche Beispiele von Arbeitsvertragsbruch neben dem Fall Yvon Liénhard Aufschluss über die Verfahrensweisen der Flucht unter den Westarbeitern. Am 15. November 1942 hatte der Franzose André Henri Lesage eine Stelle als Metallarbeiter bei der VOMAG angetreten. Anders als die zuvor angeführten Flüchtigen verließ er den Panzermonteur erst zwei Jahre nach Arbeitsaufnahme. Dies tat er allerdings ebenfalls ohne Erlaubnis, indem er nach einem Heimaturlaub einfach nicht mehr an seine Arbeitsstelle zurückkehrte. Gleiches ist auch für den Dreher und ebenfalls aus Frankreich stammenden André Jules Lesage festzustellen. Er hatte seine Arbeit beim Plauener Panzermonteur ebenso am 15. November 1942 aufgenommen und kehrte am 25. Februar 1945 nicht aus dem Urlaub zurück.475 Der Heimaturlaub war demnach die einfachste und wohl auch letzte Möglichkeit, der Zwangsarbeit im Deutschen Reich zu entkommen. Dies galt besonders für die letzte Kriegsphase, in der es durch zunehmende Urlaubssperren und weitere Einschränkungen der Freizügigkeit immer schwieriger für die ausländischen Zivilarbeiter wurde, das Land auf legalem Wege zu verlassen. Der Heimaturlaub gewährte dies. Deshalb entwickelten sich Urlaubsscheine zum begehrtesten Gut auf dem Schwarzmarkt zur Zeit des ›totalen Krieges‹.476 Die zeitliche Einordnung der Flucht von André Jules und André Henri Lesage legt nahe, dass der Beginn der Luftangriffe auf Plauen im Herbst 1944 einen Anteil an der Entscheidung zur Flucht gehabt haben könnte. Den deutschen Behörden waren die Umstände der Flucht ausländischer Zivilarbeiter natürlich nicht verborgen geblieben. Sie versuchten im Oktober 1943 die Rückkehr der ausländischen Arbeitskräfte an den Arbeitsplatz bei Urlaubs- und Familienheimfahrten durch eine Art Bürgschaft sicherzustellen. Der GBA verfügte, dass alle Ausländer eines Betriebes nach ihrer Nationalität bei Heimfahrten erst einmal in Gruppen einzuteilen waren. Während die erste Gruppe Urlaubs- oder Familienheimfahrten antrat, mussten die restlichen Ausländer der gleichen Nationalität im Betrieb bleiben, bis die Gruppe zurückkehrte. Erst dann durften weitere Kräfte Urlaub in Anspruch nehmen. Passierte dies nicht, wurde ein Teil der beim deutschen Betrieb verbliebenen Ausländer von den Heimfahrten abgehalten. Kehrten weitere Urlauber 474 Vgl. International Tracing Service (2017)  : Vom Hilfsmittel zum Weltdokumentenerbe, https://www. its-arolsen.org/archiv/sammlung/ 13.01.2017. 475 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 154, 2.1.4.1 / 70954939/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 476 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 167.

215

216 | 

Zwangsarbeit in Plauen

nicht an den Arbeitsplatz zurück, konnte das Unternehmen eine allgemeine Urlaubssperre für Ausländer der gleichen Nationalität verhängen.477 Abseits des komplizierten Gruppensystems war auch eine direkte Bürgschaft möglich. So konnten Arbeitskräfte der gleichen Nationalität untereinander persönlich Haftung für die Rückkehr des Beurlaubten übernehmen. Die Bürgschaft konnten auch Ausländer anderer Nationalität übernehmen. Im Falle des Arbeitsvertragsbruchs verlor der Bürge seinen Anspruch auf die ihm zustehende Familienheimfahrt.478 Wie die erfolgreiche Flucht des Franzosen Henri Trouessaro aus der VOMAG im November 1943479 zeigt, verhinderten die vom GBA erlassenen Bestimmungen zu Urlaubs- und Familienheimfahrten den Arbeitsvertragsbruch nicht. Deshalb griff man auf Seiten der Arbeitseinsatzverwaltung 1944 zu Restriktionen und erließ eine generelle Urlaubssperre für ausländische Zivilarbeiter. Im Rundschreiben Nr. 14, das die Rüstungskommission IVa des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion den Betriebsführern der kriegswichtigen gewerblichen Wirtschaft zur Kenntnis gab, hieß es, dass »als Maßnahme gegen die sich häufenden Vertragsbrüche ausländischer Arbeitskräfte, die vor allem in beträchtlichen [sic  !] Umfang von ihrem Heimaturlaub nicht zurückkehrten, […] der GB.-Arbeit, Gauleiter Sauckel, mit sofortiger Wirkung eine Sperre des Urlaubs und der Familienheimfahrten für ausländische Zivilarbeiter (einschließlich Protektoratsangehörige, Polen und Slowenen) vorläufig bis 15. Mai 1944 verfügt«480 hat. Obwohl die Sperre nur als vorübergehende Maßnahme geplant war, ist davon auszugehen, dass sie bestehen blieb. Denn die nationalsozialistische Politik hatte sich eine Kurzschrittigkeit zu eigen gemacht, die dazu führte, dass aus kurzfristigen Einrichtungen Langzeitlösungen wurden. So hatte man stetig nach Kompromissen gesucht, die langfristige Perspektiven mit kurzfristigen Anforderungen zusammenbringen sollten. Mit der als vorübergehende Maßnahme proklamierten Urlaubssperre suchte der GBA die Arbeitsvertragsbrüche einzudämmen und den Arbeitskräftemangel zu mildern.481 Gleichzeitig sollten etwaige Bedenken aus dem Ausland oder unter den ausländischen Arbeitskräften durch die Kurzfristigkeit der Maßnahme beschwichtigt werden. Für den ›Ausländereinsatz‹ in der Plauener Textilindustrie lässt sich festhalten, dass er sich während des Krieges nur noch bedingt im Rahmen von textiler Fertigung bewegte. Traditionelle Unternehmen der Branche waren spätestens bis 1943 in ihrer

477 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 12 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über Familien- und Urlaubsheimfahrten ausländischer Arbeitskräfte. Vom 2. Oktober 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 105. 478 Vgl. ebd., S. 106. 479 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 39, 2.1.4.1 / 70954993/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 480 Rundschreiben Nr. 14 der Rüstungskommission IVa. 481 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 153.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Produktion heruntergefahren oder stillgelegt worden.482 Die daraus verfügbaren Arbeitskräfte waren für die Rüstungsindustrie freigestellt.483 Mit Beginn der Betriebsverlagerungen ab 1943484 nutzte ebendiese Rüstungsindustrie auch die Räumlichkeiten der textilen Produzenten. Einzig von den Nationalsozialisten geförderte Betriebe wie die Sächsische Zellwolle, die in Plauen wenige Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg angesiedelt worden war, hatten Bestand und konnten in ihrer Fertigung auf ausländische Arbeitskräfte, im Falle der Zellwolle auf qualifizierte Westarbeiter, zurückgreifen. Dies ließ sich auch anhand der Situation in der Mitteldeutschen Spinnhütte nachweisen. Zwar waren die Westarbeiter den deutschen Betriebsangehörigen arbeitsrechtlich gleichgestellt, dennoch wuchsen die Restriktionen gegen sie mit Fortgang des Krieges. Die französischen und belgischen Arbeitskräfte der Sächsischen Zellwolle reagierten mit ihrer Abwanderung vermutlich auf die verschärften Arbeitseinsatzbedingungen. Flucht konnte allerdings auch ein Zeichen für besonders schwere Arbeit sowie anderweitig verursachte schlechte Lebensbedingungen sein.485 Für die Sächsische Zellwolle lässt sich vermuten, dass die Beschäftigung ausländischer Zivilarbeiter gefährliche Arbeiten einschloss. Wie nachgewiesen werden konnte, waren die Belgier und Franzosen als Chemiehilfswerker eingesetzt. In welchem Umfang sie sich vor den gefährlichen Substanzen schützen konnten und ihnen besonders schwere Arbeiten zufielen, muss allerdings offenbleiben. Anzunehmen ist, dass die Arbeitsvertragsbrüche eher auf die verschärften staatlichen Restriktionen gegenüber Westarbeitern zurückzuführen sind als auf schlechte Arbeitsbedingungen, denn beispielsweise Adriaan van Loon war ab Januar 1942 bis mindestens 1944 in der Zellwolle tätig. Er hatte das Unternehmen 482 Vgl. hierzu bspw. Mitteilung der Rüstungsinspektion IVa des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, Az. 33 Z.A. If c/z, an die Plauener Industriewerke AG vom 14.09.1943. Betreff  : Sicherstellung von ungenutzten gewerblichen Räumen für Zwecke der Rüstungsfertigung und Lagerung von Wehrmachtsgut. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen, und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. Freie Produktionskapazitäten weisen auf eine zurückgefahrene Produktion hin. Vgl. außerdem Mitteilung der Plauener Baumwollspinnerei an die Industrie-Werke, AG vom 07.09.1943. Betreff  : Besprechung mit den Herren von Osram, die für den Freitag, den 10.9.1943 geplant ist. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen, und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. Teil der Besprechung war die Sorge um den Abzug weiterer Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie aus den Textilbetrieben. Osram sagte den Plauener Aufnahmebetrieben zu, die Rotzettelanforderung im Zuge der Betriebsverlagerung auf Plauen ausweiten zu wollen und damit die Arbeitskräfte zu sichern. 483 Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15 Rückseite. Beschäftigte aus dem textilen Sektor wurden als Berufsfremde durch Auskämmung der Textilbetriebe unter anderem in den Panzerwagenbau versetzt. 484 Vgl. Mitteilung der Industrie-Werke AG, Plauen, an Selbständiger Sonderring Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : Rü-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin nach Industrie-Werke, Plauen, und Plauener Baumwollspinnerei. StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen, und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 485 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 110.

217

218 | 

Zwangsarbeit in Plauen

nicht vor Vertragsende verlassen.486 Auch Yvon Liénhard war ein Jahr im Betrieb tätig, bevor er die Zellwolle unerlaubt verließ.487 Dagegen verließen die polnischen Zivilarbeiter in der VOMAG das Unternehmen 1942 schon wenige Wochen nach Arbeitsaufnahme. Ryszard Kowalewski flüchtete nach nicht einmal drei Monaten Arbeit beim Panzermonteur.488 Das reichsweite Phänomen des Arbeitsvertragsbruchs bzw. der Flucht oder des unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes konnte also für die Plauener Textilindustrie nachgewiesen werden. Für die Untersuchung wurden zum Vergleich auch die Arbeitsvertragsbrüche aus der VOMAG als Vertreterin des Maschinenbaus herangezogen, da so Informationslücken geschlossen werden konnten. Zum Vorgehen der Westarbeiter bei Flucht wurde festgestellt, dass sie Urlaubs- oder Familienheimfahrten nutzten, um danach nicht mehr an die Arbeitsstelle zurückzukehren. Die Ursache dafür lag darin, dass die Möglichkeit, das Deutsche Reich vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses legal zu verlassen, nach den Dienstverpflichtungen für Belgier und Franzosen 1942489 erloschen war. Mit dem Massenphänomen Arbeitsvertragsbruch und Flucht gefährdeten die ausländischen Zivilarbeiter die Produktion in der Kriegswirtschaft so stark, dass die deutschen Behörden ihre Politik radikalisierten und die Rechte der Westarbeiter so weit beschnitten, dass aus ihnen Zwangsarbeiter wurden. Entgegen dem bestehenden Interesse auf Seiten der Westarbeiter, die Arbeitsverträge im Deutschen Reich lösen zu wollen, hielten die Unternehmen auch diejenigen ausländischen Zivilarbeiter, die vormals freiwillig ins Reich gekommen waren, nun fest. Mit der Urlaubssperre verfiel die letzte Möglichkeit, legal das Land verlassen und sich dem Einfluss der deutschen Behörden und der deutschen Industrie zu entziehen. 4.1.3 Zivile ausländische Arbeitskräfte bei Tegewe und Gapla – Lohn, Arbeitszeit und Ernährung

Wie bereits ausführlich dargestellt, kämpften die Plauener Textilbetriebe auch während des Krieges um ihr Überleben. Mit kleineren Aufträgen waren sie für die Wehrmacht tätig, obwohl der Industriezweig nicht zur kriegswichtigen Produktion gehörte. Betroffen war die textile Fertigung ebenso wie alle anderen Wirtschaftszweige vom Arbeitskräftemangel. Es ist sogar davon auszugehen, dass der Mangel für die Betriebe in Plauen noch einschneidender war als in anderen Wirtschaftsbereichen. Denn die Textilbetriebe dienten seit 1939 als Arbeitskraftlieferant. Zuerst wurden ihre Arbeits486 Vgl. Personalkarte von Adriaan van Loon bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888746/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 487 Vgl. Personalkarte von Yvon Liénhard bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888893/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 488 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 86, 2.1.4.1 / 70955193/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 489 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 211.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

kräfte teilweise in kriegswichtige Produktionen versetzt  ; war der Bedarf dadurch noch nicht befriedigt, wurden die Textilfertigungen ab 1943 stillgelegt.490 Betriebsstätten und verbliebenes Personal dienten fortan der Rüstungsindustrie. Während die Textilbetriebe den kriegswichtigen Produktionen als Lieferanten »berufsfremde[r] Arbeitskräfte[…]«491 und somit deren Expansion dienten, waren die Stilllegungen schwerwiegende Eingriffe für die Eigentümer der textilen Industrien. Durch den umfangreichen Abzug von Arbeitskräften seit Kriegsbeginn492 ist davon auszugehen, dass die Textilbetriebe frühzeitig mit existenzgefährdenden Personalproblemen zu kämpfen hatten. Um der Betriebsstilllegung ab 1943 zu entgehen, bemühten sich die Plauener Textilbetriebe erst um Wehrmachtsaufträge und bewarben sich schließlich als Verlagerungsstandort für rüstungswichtige Produktionen.493 Auf Anordnung der jeweiligen Verlagerungsbeauftragten hatten 1943/44 auch die Rüstungsunternehmen begonnen, sich aus den wirtschaftlichen Ballungszentren heraus nach Verlagerungsstandorten für Teile ihrer Produktion in der Peripherie des Deutschen Reiches umzusehen. Rüstungsbetriebe zeigten dabei häufig Interesse an Plauen. Im Dezember 1943 teilte beispielsweise Osram mit, dass es sein Werk D auf Anordnung des »Beauftragten für die Verlagerung der Elektroindustrie beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition«494 ins Vogtland verlegte. Der Vertragsabschluss stand kurz bevor.495 Eine Betriebsverlagerung forcierten auch die Plauener Gardinenfabrik und die Tüll- und Gardinen-Weberei AG. Die Unternehmensführung der Gapla hatte unter großen Anstrengungen einen Teil ihrer Produktion erhalten können496, bevor sie als Verlagerungsstandort um die Aufnahme einer textilfremden Fertigung ersuchte.497 Die entsprechende Verlagerung kam 1944 mit dem Zweigwerk Halberstadt der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Leipzig zustande. Am 21. September 1944 490 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 13.04.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG  ; Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 491 Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15 Rückseite. 492 Vgl. ebd., S.  15–15 Rückseite. Das Rüstungskommando gibt in seinem Monatsbericht an, dass die Textilbetriebe Anfang 1944 ausgekämmt sind und keine Arbeitskräfte mehr liefern können oder hier im Speziellen die VOMAG keine Verwendung für berufsfremde Kräfte hat. 493 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 14.07.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert. 494 Mitteilung von Osram vom 13.12.1943. Betreff  : Herstellung von Metalldrahtglühlampen, Stabilisatoren und Glimmlampen in Plauen i. Vogtl. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 495 Vgl. ebd. 496 Vgl. Bericht des Vorstandes der Gardinenfabrik AG Plauen vom 30.06.1941. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 882, nicht foliiert. 497 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 14.07.1943. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert.

219

220 | 

Zwangsarbeit in Plauen

übersandte der Mutterkonzern die Arbeitspapiere von 14 ausländischen Zivilarbeitern an die Gardinenfabrik Plauen, in deren Räumlichkeiten das Rüstungsunternehmen fortan produzierte. Das Unternehmen aus Halberstadt brachte im Zuge der Betriebsverlagerung eine Vielzahl ausländischer Arbeitskräfte mit. Neben Westarbeitern kamen ebenfalls Ostarbeiter nach Plauen. So nahm beispielsweise die Belgierin Prudence Minnaert im November 1942 eine Anstellung bei Junkers in Halberstadt auf und wurde im Mai 1944 als Metallarbeiterin in die Gapla versetzt.498 In den letzten Wochen des Krieges erstellte die Verwaltung der Gardinenfabrik eine Aufstellung aller noch in der Produktion beschäftigten Ausländer. Darunter befanden sich acht »Westländer«, 18 »Ostländer Männer« und 15 »Ostländer Frauen«.499 Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten ausländischen Arbeitskräfte aus der Produktion der Firma Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Halberstadt, bereits in das Stammwerk zurückversetzt worden. Das Unternehmen hatte 14 Flamen, 29 Westarbeiter aus Belgien, Frankreich und Italien sowie sieben Ostarbeiter mit zurück nach Halberstadt genommen, darunter auch Prudence Minnaert.500 Ursprünglich nach Plauen gekommen waren aber vermutlich deutlich mehr ausländische Zivilarbeiter. Die Gapla verfügte allein über 50 Ostarbeiter-Sparkarten, die vermutlich mit den anderen Arbeitsunterlagen der nach Plauen versetzten Kräfte im September 1944 überstellt wurden.501 Neben der Zurverfügungstellung von Arbeitsfläche und der Unterbringung von Maschinen502 war der Aufnahmebetrieb für die vom Mutterkonzern entsandten Betrieb498 Vgl. Hauptmeldebogen Prudence Minnaert, Polizeipräsidium Plauen, 2.2.2.1 / 73771486/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 499 Vgl. Aufstellung der durch ausländische Arbeitskräfte vom 27.–30.03.1945 im Auftrag der Gardinenfabrik Plauen AG geleisteten Arbeitsstunden. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 500 Vgl. Notiz der Gardinenfabrik Plauen über die in das Stammwerk Halberstadt zurückversetzten Arbeitskräfte vom 28.02.1945  ; Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die der Firma Junkers Halberstadt zurückgegebenen Kennmarken und Ausweise vom 28.02.1945  ; Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die Arbeitsbücher der nach Halberstadt zurückversetzten ausländischen Arbeitskräfte vom 28.03.1945 an das Arbeitsamt Plauen  ; Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die Arbeitsbücher der nach Halberstadt zurückversetzten Ostarbeiter vom 04.04.1945 an das Arbeitsamt Plauen  ; Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die Arbeitspapiere der nach Halberstadt zurückversetzten ausländischen Arbeitskräfte vom 06.04.1945. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 501 Vgl. Aufstellung von 50 Ostarbeiter-Sparkarten. Vermutlich mit allen anderen Arbeitspapieren am 21.09.1944 an die Gardinenfabrik Plauen übersendet. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 502 Vgl. Mitteilung von Osram vom 13.12.1943. Betreff  : Herstellung von Metalldrahtglühlampen, Stabilisatoren und Glimmlampen in Plauen i. Vogtl. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. Osram gab den Verlagerungsbetrieben zur Kenntnis, dass Maschinen und Produkte im Besitz des verlagernden Betriebes blieben. Es ist davon auszugehen, dass dies Usus bei Betriebsverlagerungen war und damit auf das Verfahren bei Junkers und der Gapla übertragen werden kann.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

sangehörigen verantwortlich. Unterkunft und Verpflegung gehörten ebenso zu den Aufgabengebieten wie die Entlohnung. Für die Gehaltsabrechnung wurden Deutsche wie Ausländer von der Gapla in Akkordgruppen eingeteilt.503 Da die Arbeitskräfte für Junkers gewerblich produzierten, entschied die Einstufung in die jeweilige Zeit- oder Akkordgruppe über den Tariflohn. Hinzu kamen auch bei den ausländischen Zivilarbeitern etwaige Zuschläge wie Sozialzulagen, Überstunden, Schwerarbeit, Sonntagsarbeit504, Funktionszulagen und Leistungszulagen.505 Unter die Sozialzulagen fiel unter anderem das Trennungsgeld. Ein Teil der bei der Gapla beschäftigten Westarbeiter erhielt eine monatliche Zuwendung in Höhe von 45 RM. Unter dem Punkt »Dopp.Haushalt.«506 addierte die Lohnabteilung das Trennungsgeld zum Tariflohn.507 Je Kalendertag stand derjenigen ausländischen Arbeitskraft diese Zulage zu, die verheiratet oder geschieden war und mit ihren minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Befand sich die Arbeitsstelle nun so weit vom Wohnort entfernt, dass eine tägliche An- und Abreise nicht möglich war, konnte der Betrieb ohne die Zustimmung des Reichstreuhänders der Arbeit täglich 1,50 RM berechnen. Die Summe setzte sich aus 1 RM Tagesgeld und 0,50 RM Übernachtungsgeld zusammen. Grund für die Auszahlung an die Arbeitskraft war, dass durch die Arbeitsaufnahme und die so entstandene Entfernung zum Wohnort eine getrennte Haushaltsführung notwendig war. Das Trennungsgeld wurde auch für die Kalendertage der Heim- oder Rückreise, jedoch nicht für schuldhaft versäumte Arbeitstage berechnet.508 Die Trennungszulage konnte im Falle von Betriebsverlagerungen und der damit verbundenen Umsetzung der ausländischen Arbeitskräfte an einen anderen Einsatzort durch das Versetzungsgeld ersetzt werden. Dies galt für Dänen, Kroaten, Spanier, Rumänen, Bulgaren und Slowaken, deren Familien am Standort des Mutterkonzerns wohnhaft waren.509 Weitere Zulagen ergaben sich aus den Familienheimfahrten. So war der Betrieb je nach Tarifgruppe verpflichtet, die »Arbeiterrückfahrkarte bis zur nächstmöglichen Eisenbahnstation des Heimatortes [der ausländischen Arbeitskräfte] und für etwaige Anschlußstrecken die weiteren Fahrkarten aus[zu]händigen. […] Die Aushändigung auch der Rückfahrkarte soll dem Urlauber ermöglichen, zum Arbeitsplatz zurückzu503 Vgl. Lohnblatt zum Gruppen-Akkord der Gardinenfabrik, Plauen, 1944/1945. In StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 504 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 151. 505 Vgl. Gefolgschaftsplan der Industriewerke AG. Entlohnung nach der Übernahme durch Osram am 01.05.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 506 Auflistung der Urlaubsansprüche sowie Ausgaben für doppelte Haushaltsführung der in der Gardinenfabrik Plauen beschäftigten ausländischen Gastarbeiter 1943/1944. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 507 Vgl. ebd. 508 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 18. 509 Vgl. Besprechung zwischen Osram und Direktor Stümpfig der Plauener Baumwollspinnerei AG am 20.01.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert.

221

222 | 

Zwangsarbeit in Plauen

kehren, ohne dritte Stellen in Anspruch nehmen zu müssen[.]«510 Im Falle der Gapla erhielten die Westarbeiter 22,70 RM pro Fahrt.511 Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch, dass die Ausgaben für die Heimfahrten den ausländischen Arbeitskräften vom Betrieb in Rechnung gestellt oder vom Lohn einbehalten werden konnten, wenn keine tarifliche Verpflichtung zur Kostenübernahme bestand.512 Der Bruttolohn errechnete sich also aus den Zulagen und dem Tariflohn auf Grund­lage der geleisteten Arbeitszeit. Da die weiteren Lohnunterlagen der Gapla nicht vorliegen, um die Bruttolöhne der Arbeitskräfte aus Ost- und Westeuropa vergleichen zu können, soll für die Entlohnung der Westarbeiter auf die Betriebsverlagerung der Firma Osram in die Industrie-Werke AG Plauen und Plauener Baumwollspinnerei zurückgegriffen werden. Im August 1944 waren Ost- und Westarbeiter in der Glimmlampen-, Metalldrahtlampen- und Stabilisatorenproduktion tätig.513 An 31 Arbeitstagen rechneten die Industrie-Werke, Abteilung Drahtwerk, 217,5 geleistete Stunden für den Westarbeiter Martinus Eijmers ab. Hinzu kamen 81,5 Überstunden und 33 Sonntagsarbeitsstunden. In einem Monat hatte der Westarbeiter damit 332 Stunden absolviert. Im Durchschnitt betrug die Arbeitszeit also rund elf Stunden pro Tag. Da die Industrie-Werke 31 Tage abrechneten, ist davon auszugehen, dass durchgearbeitet wurde.514 Freie Tage außerhalb des tariflich festgelegten Urlaubs und der Familienheimfahrten wurden nicht berücksichtigt bzw. konnten wohl nicht mehr berücksichtigt werden. Wahrscheinlich entfielen sie auch für deutsche Kräfte in dieser Phase des Krieges, denn Westarbeiter waren den Deutschen arbeitsrechtlich gleichgestellt. Außerdem teilte der Mutterkonzern Osram noch im gleichen Monat mit, dass die Wochenarbeitszeit auf 69 Stunden für Männer und 66 Stunden für Frauen und Jugendliche angehoben wurde. Beide Angaben bezogen sich auf die reine Arbeitszeit exklusive Ruhepausen.515 Ausgelegt war die Wochenarbeitszeit ursprünglich auf sechs Werktage, allerdings wurde Sonntagsarbeit vorausgesetzt. Obwohl ausländische 510 Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 19. 511 Vgl. Auflistung der Urlaubsansprüche sowie Ausgaben für doppelte Haushaltsführung der in der Gardinenfabrik Plauen beschäftigten ausländischen Gastarbeiter 1943/1944. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 512 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 19. 513 Für die hergestellten Produkte vgl. Mitteilung von Osram vom 13.12.1943. Betreff  : Herstellung von Metalldrahtglühlampen, Stabilisatoren und Glimmlampen in Plauen i. Vogtl. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. Für die eingesetzten Arbeitskräfte vgl. Mitteilung der Verwaltung der Plauener Baumwollspinnerei in Treuen an die Industrie-Werke, Plauen, Osram, Berlin, et al. vom 29.02.1944. Betreff  : Lagermäßige Unterbringung der aus Berlin nach Plauen zu versetzenden Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 514 Vgl. Lohnabrechnung Abteilung Drahtwerk für August 1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 515 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Arbeitskräfte und im Fall der Industrie-Werke KZ-Häftlinge die ungeliebten Arbeitszeiten übernehmen sollten, mussten sie von deutschen Vorarbeitern angeleitet werden. Eine Aufsicht stellte das Unternehmen außerdem zur Verfügung. Demnach ergaben sich gleiche Arbeitszeiten für Ausländer und Deutsche. Dies galt spätestens ab Januar 1945 in den Industrie-Werken.516 Da ab 1944 Ostarbeiter eingesetzt wurden517, kann die Regelung auf das Vorjahr übertragen werden. Die Erhöhung der Arbeitszeit auf 69 bzw. 66 Stunden bei Osram wird entsprechend der Ausweitung in anderen Unternehmen schon Anfang des Jahres in Planung, wenn nicht sogar umgesetzt gewesen sein. Im Vergleich zur Arbeitszeiterhöhung in Betrieben des ›Jäger-Programms‹ im März 1944 hatte Osram den Dienst von Frauen und Jugendlichen mit 66 anstatt 60 Stunden im August des Jahres weiter angehoben.518 Für seine Arbeit erhielt Martinus Eijmers 379,95 RM brutto. Die Arbeitsstunde wurde mit 1,03  RM vergütet, für Sonntagsarbeit und andere Zuschläge gab es ein Aufgeld von insgesamt 22,63 RM im August 1944. Hinzu kam außerdem das Trennungsgeld, das mit 1,50  RM pro Tag berechnet wurde.519 Im Vergleich dazu kostete ein deutscher Arbeiter mit einem Stundenlohn von 1,34  RM ohne Zuschläge das Unternehmen im April 1944 296,81 RM bei 221,5 Stunden geleisteter Arbeit.520 Bei Eijmers handelte es sich demzufolge um eine besonders privilegierte Arbeitskraft. Vom Bruttolohn gingen nun noch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ab. Weil dazu die Unterlagen der Industrie-Werke keine Auskünfte geben, muss noch eine dritte Betriebsverlagerung nach Plauen hinzugezogen werden. Für die Betriebsverlagerung der Friedrich Weber AG Berlin in die Tegewe Plauen sind neben den in Kapitel 4.1.1 diskutierten Inventaren zur Ausstattung des Lagers ›Morgenberg‹ auch die Berechnung der Sozialabgaben für die beschäftigten ausländischen Zivilarbeiter erhalten. Die Lohnabteilung der Tegewe wies im August 1944 für die von Berlin nach Plauen versetzten Fremdarbeiter bei einer Bruttolohnsumme von 9.907,43 RM einen

516 Vgl. Mitteilung der Betriebsleitung in GU 896 vom 29.12.1944. Betreff  : Arbeitszeitregelung ab dem 8. Januar 1945. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 5. 517 Vgl. Mitteilung der Verwaltung der Plauener Baumwollspinnerei in Treuen an die Industrie-Werke, Plauen, Osram, Berlin, et al. vom 29.02.1944. Betreff  : Lagermäßige Unterbringung der aus Berlin nach Plauen zu versetzenden Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 518 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeitszeit zur Erledigung des ›Jäger-Programmes‹. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 42 Rückseite sowie K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 519 Vgl. Lohnabrechnung Abteilung Drahtwerk für August 1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 520 Vgl. Abrechnung der durch die Belegschaft der Industriewerke für Osram geleisteten Arbeitsstunden vom 29.03.–29.04.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert.

223

224 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Arbeitsgeberanteil für Sozialversicherungen von 779,20  RM aus.521 Dies sind rund 8 Prozent des Lohnes. Einen Betrag in gleicher Höhe hatten nochmals die Arbeitnehmer zu entrichten522, sodass sich die Sozialversicherungsabgaben bei der Tegewe auf 16 Prozent beliefen. Beschäftigt waren zu diesem Zeitpunkt 87 Fremdarbeiter in der durch die Firma Friedrich Weber betriebenen Produktion.523 Unter die Sozialversicherungsbeiträge, die die Tegewe für die als Fremdarbeiter bezeichneten Westarbeiter oder jene Kräfte aus verbündeten oder neutralen Staaten zu entrichten hatte, fielen die Krankenversicherung, die Unfallversicherung und die Rentenversicherung. Die Höhe der Abgaben orientierte sich an denjenigen, die ein vergleichbarer deutscher Arbeiter leistete.524 Angemerkt sei noch, dass die Krankenversicherung nicht nur für die einzahlende Arbeitskraft galt, sondern auch für deren Familie. So wurden »[d] en in ihrem Heimatland zurückgebliebenen Familienangehörigen der Arbeitskräfte aus dem Protektorat Böhmen und Mähren, der Slowakei, Italien, Ungarn, Rumänien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Dänemark […] im Falle ihrer Erkrankung oder ihrer Niederkunft bestimmte Familienhilfeleistungen der deutschen Krankenversicherung gewährt.«525 Bei den Steuern richtete sich die Höhe der Abgaben nach der Steuergruppe und den Kinderermäßigungen. Lohnsteuerpflichtig waren grundsätzlich alle ausländischen Arbeiter, die im Deutschen Reich beschäftigt wurden. Ausnahmen bestanden für »[d] änische und ungarische Arbeiter sowie Arbeiter aus dem Protektorat Böhmen und Mähren[.]«526 Ostarbeiter waren ebenso wie Deutsche lohnsteuerpflichtig.527 Mark Spoerer geht in seiner Untersuchung zu Zwangsarbeit davon aus, dass den deutschen Arbeitskräften in der Industrie sowie den ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitern etwa 5 bis 10 Prozent Steuern und 18 Prozent Sozialversicherungsabgaben auf ihren Lohn entstanden. Davon trug der Betrieb die Hälfte, die andere musste die Arbeitskraft selbst entrichten.528 Für die Löhne der Westarbeiter in Plauen kann festgestellt werden, dass sie aufgrund allgemein niedrigerer Sozialabgaben und im Einzelfall gewährter Zuschläge höher sein konnten als die der deutschen Arbeitskräfte. 521 Vgl. Mitteilung der Tüll- und Gardinen-Weberei Plauen an die Firma Friedrich Weber, Berlin. Betreff  : Ausgelegte Löhne und Sozialversicherungsbeiträge vom 27.07.–23.08.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 522 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 153. 523 Vgl. Abrechnung der Anteile an sozialen Einrichtungen der Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 für Juli, August, September 1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 524 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 22. 525 Ebd. 526 Ebd., S. 24. 527 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1944)  : Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 25. März 1944. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 207. 528 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 153.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Deutlich wird der Umstand noch einmal am Beispiel der von allen Arbeitskräften eines Betriebes zu entrichtenden Abgaben für soziale Einrichtungen. Vom Bruttolohn abgezogen wurden zum Beispiel bei der Tegewe 0,50 RM für soziale Einrichtungen pro ausländische Arbeitskraft. Für Deutsche hatte das Unternehmen 2,50 RM zu entrichten.529 Hinter den Abgaben verbergen sich Zwangsbeiträge für DAF und ›Eisernes Sparen‹.530 Ostarbeitern wurden diese Abschläge ebenso vom Lohn abgezogen. Für sie kamen die Beiträge für soziale Einrichtungen wie DAF und Winterhilfswerk (WHW) sowie Lohnabzüge für das Militär spätestens ab 1944 zum Tragen. Ab November 1944 lässt sich die Entrichtung entsprechender Beträge an DAF, WHW und Militär auf der Lohnabrechnung der Ostarbeiterin Alexandra Pustakowa, die bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne (Nema) eingesetzt war, nachweisen.531 Ob die Abzüge schon zuvor zu entrichten waren, konnte für Plauen nicht festgestellt werden. Zum einen erhielten die Ostarbeiter erst ab 1943 Lohnabrechnungen.532 Zum anderen arbeitete Alexandra Pustakowa vor ihrer Versetzung zur Nema im November 1944 bei Major Heß in Plauen als Hausgehilfin.533 Ihre Lohnunterlagen sind hier nicht erhalten. Das Beispiel der Lohnabrechnung Pustakowas zeigt, dass die gewerblichen Betriebe im Dritten Reich unterschiedliche soziale Einrichtungen unterstützen konnten. Im Gegensatz zur Nema gingen die Lohnabzüge in der Tegewe zwar ebenfalls an die DAF, unterstützt wurde weiterhin ›Eisernes Sparen‹.534 Außerdem wird am Beispiel der Tegewe deutlich, dass die deutschen Arbeitskräfte höhere Abzüge für soziale Einrichtungen zu leisten hatten, was sich auf den Nettolohn auswirkte. Bevor der Restbetrag des Bruttolohns die ausländischen Arbeitskräfte erreichte, zog der Einsatzträger noch Aufwendungen ab. Diese fielen vor allem für Verpflegung und Unterkunft an, sodass der Auszahlungsbetrag weiter sank. Im Falle der Gapla berech529 Vgl. Abrechnung der Anteile an sozialen Einrichtungen der Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 für Oktober 1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert. 530 Vgl. Abrechnung zur Lohnwoche vom 04.–17.05.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. Vgl. außerdem Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 152. Zum ›Eisernen Sparen‹ vgl. Eichholtz, Dietrich (2007)  : Eisernes Sparen. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 488– 489. 531 Vgl. Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1944, 2.2.2.1 / 75812036/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Vgl. außerdem Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1945, 2.2.2.1 / 75811945/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen und Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 532 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 159. 533 Vgl. Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 534 Vgl. Abrechnung zur Lohnwoche vom 04.–17.05.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. Vgl. außerdem Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 152.

225

226 | 

Zwangsarbeit in Plauen

nete das Unternehmen den »Westländern«535 wie Ostarbeitern 45  RM pro Monat. Die Summe fügte sich für die Westarbeiter aus einem Satz von 1,10  RM Verpflegung und 0,40 RM für Unterkunft pro Tag zusammen. Ostarbeiter entrichteten pro Tag 1 RM für Verpflegung und 0,50 RM für Unterkunft.536 Damit war oftmals die Trennungszulage bei Westarbeitern aufgebraucht. Zusätzlich konnte der Einsatzträger noch Aufwendungen für Familienheimfahrten bei der ausländischen Arbeitskraft geltend machen. Pro Fahrt fielen bei der Gapla Auslagen von 22,70 RM an.537 Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die Durchschnittslöhne der in der Industrie beschäftigten Westarbeiter ungefähr bei denen der deutschen Kräfte lagen, die eine ähnliche Arbeit ausführten. Mark Spoerer ermittelte einen Durchschnittsbruttolohn von 51 RM bei den Männern. Der Durchschnitt bei den Frauen lag tiefer, da deutsche Frauen während des Krieges oftmals halbtags eingesetzt wurden.538 Der Verdienst des vorgestellten Westarbeiters Martinus Eijmers lag deutlich über dem Durchschnitt, was auf die Zuerkennung diverser Zulagen zurückzuführen ist. Eijmers bildete damit keine Ausnahme bei der Fertigung von Osram, die in die Industrie-Werke nach Plauen verlegt wurde. Auch für Jean Raymond mussten die I-Werke für 30 Arbeitstage inklusive Zulagen 328,67  RM aufwenden.539 Deutsche Arbeitskräfte wie Albert Künzel verlangten in der gleichen Fertigung mit 379,84  RM einen ähnlichen Aufwand durch die I-Werke. Er war wie Eijmers und Raymond eine Arbeitskraft mit hohem Stundenlohn540 und daher vermutlich Facharbeiter oder auf einer wichtigen Position im Unternehmen eingesetzt. Der durchschnittliche Bruttolohn deutscher Arbeiter dürfte deutlich unter den Aufwendungen für Künzel liegen. Wie gezeigt werden konnte, kam es aufgrund von Lohnzuschlägen für Westarbeiter wie der Trennungszulage vor, dass ihre Nettolöhne über denen der deutschen Arbeitskräfte lagen. Dies dürfte zu Kritik am ›Ausländereinsatz‹ geführt haben. Während Osram in seiner betriebsverlagerten Fertigung für qualifizierte Westarbeiter ähnliche Ausgaben tätigte wie für deutsche Arbeitskräfte, unterlagen die Löhne 535 Notiz der Lohnabteilung der Gardinenfabrik Plauen zur Berechnung von Verpflegung und Unterkunft bei ausländischen Zivilarbeitern. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 536 Vgl. ebd. 537 Vgl. Auflistung der Urlaubsansprüche sowie Ausgaben für doppelte Haushaltsführung der in der Gardinenfabrik Plauen beschäftigten ausländischen Gastarbeiter 1943/1944. In  : StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert. 538 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 153. 539 Vgl. Lohnabrechnung Abteilung Drahtwerk für August 1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. 540 Vgl. für Albert Künzel  : Abrechnung der durch die Belegschaft der Industriewerke für Osram geleisteten Arbeitsstunden vom 29.03.–29.04.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert. Vgl. für Raymond und Eijmers  : Lohnabrechnung Abteilung Drahtwerk für August 1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

der bei der Tegewe beschäftigten Ostarbeiterinnen weitreichenden Beschränkungen. Dauerhaft im Betrieb der Tegewe befanden sich zwölf Ostarbeiterinnen, anhand deren Gehaltsabrechnungen die Verfahrensweise beim Lohn nachzuvollziehen ist. Grundsätzlich galt für alle ausländischen Arbeitskräfte, dass sie, auch diejenigen aus den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten, den deutschen Arbeitskräften gleichgestellt sein sollten. Jedoch fiel den Polen eine Sonderstellung zu.541 Gesonderte Regelungen bestanden ebenfalls für die Entlohnung von Juden und Zigeunern, Arbeitskräften aus dem Generalgouvernement und dem Bezirk Białystok, die weder ethnische Deutsche noch ethnische Polen waren. Weiterhin unterschied sich die Berechnung des Arbeitsentgeltes von Esten, Letten und Litauern von der des Entgeltes der anderen ausländischen Zivilarbeiter. In Reaktion auf die bevorstehende Niederlage von Stalingrad, aber unter der öffentlichen Begründung, die Lohnabrechnung vereinfachen zu wollen, erließen die Reichsbehörden 1942/43 neue Richtlinien für die Entlohnung ausländischer Zivilarbeiter. Ab dem 1. Januar 1943 mussten die Einsatzträger nur noch nach deutschen Gefolgschaftsmitgliedern, ausländischen Arbeitskräften, polnischen Beschäftigten, Ostarbeitern, Juden und Zigeunern unterscheiden.542 Für Ostarbeiter galten staatliche Restriktionen bereits seit Dezember 1941. Ihr Lohn wurde durch arbeits- und steuerrechtliche Vorgaben so weit heruntergeregelt, dass beinahe keine Auszahlungsbeträge übrig blieben.543 Erleichterungen brachte erst die Einflussnahme Sauckels ab 1942/43. So wurden den Ostarbeitern Urlaub und Prämien in Aussicht gestellt.544 Die Prämien konnten zulasten der steuerlichen Abgabe zu einem höheren Entgelt führen.545 Das Entgelt wurde weiterhin als Bruttovergleichslohn anhand einer Entgelttabelle berechnet. Die Differenz zwischen dem Lohn einer vergleichbaren deutschen Kraft und dem Bruttovergleichslohn für Ostarbeiter wurde ab 1942 offiziell als Ostarbeiterabgabe bezeichnet und musste vom Einsatzträger an den Fiskus abgeführt werden. Im Juni 1942 veröffentlichte die Vierjahresplanbehörde eine neue Entgelttabelle für Ostarbeiter mit einer zugunsten höherer Auszahlungen reduzierten Ostarbeiterabgabe.546 Weitere Erleichterungen kamen im April 1944 hinzu. Mark Spoerer stellte in seiner Studie fest, dass die Löhne von Ostarbeitern 541 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 10. 542 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 154–158 sowie Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung über die arbeitsrechtliche Behandlung von Arbeitskräften nichtdeutscher und nichtpolnischer Volkszugehörigkeit aus dem Reichskommissariat Ostland mit Ausnahme von Weißruthenien, aus dem Bezirk Białystok und aus dem Generalgouvernement einschließlich des Distrikts Galizien. Vom 28. Dezember 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 134. 543 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 158. 544 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 11 über die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub. Vom 23. Juli 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 103–104. 545 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 160. 546 Vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 419–424.

227

228 | 

Zwangsarbeit in Plauen

weitestgehend an die der Polen angeglichen wurden. Außerdem wurden die Ostarbeiter ab sofort wie alle anderen ausländischen Zivilarbeiter sozialversichert.547 Die Ostarbeiterabgabe ersetzte ein mit 15 Prozent des Bruttolohns niedrigerer »sozial[er] Ausgleich«548. Für Plauen wird bei der Entlohnung von Ostarbeitern wegen fehlender Dokumente lediglich auf das Entgelt der Frauen eingegangen werden können. Da jedoch in den Entgelttabellen der Arbeitsverwaltungsbehörden keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht wurden, können die Schlüsse verallgemeinert werden. Weiterhin sind entsprechende Lohnunterlagen der Tüll- und Gardinen-Weberei erhalten. Diese werden beispielhaft untersucht und können, da die Entgelte von der Reichsregierung als Vergleichswerte in einer Lohntabelle festgehalten wurden, ebenfalls verallgemeinert gelten. Die Tegewe weist eine Ausländerbeschäftigung zwischen 1942 und 1944 aus. Die Entlohnung der Ostarbeiterinnen lässt sich also von der Anfangszeit des Ostarbeitereinsatzes bis zum Höhepunkt im Jahre 1944 verfolgen. Die erste Abrechnung wurde vom 1. bis 15. Juli 1942 erstellt. Das Gros folgt für September 1942 bis März 1944. Die Überlieferung ist nicht vollständig, dennoch lässt sie einen Jahresüberblick für 1942 bis 1944 zu. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen zur Entgeltberechnung vor Juni 1942 nicht mehr gegolten haben. Deshalb waren diese nur kurz zu diskutieren. Insgesamt beschäftigte die Tegewe ab Juli 1942 15 Ostarbeiterinnen in ihrer Produktion549, die jedoch nicht in jedem Monat zum Einsatz kamen. So erhielt zum Beispiel Olga Otscheretka ab September 1942 keinen Lohn bei der Tegewe. Da sie jedoch weiterhin auf den Gehaltslisten geführte wurde550, ist davon auszugehen, dass der Betrieb sie an einen anderen Einsatzträger ausgeliehen hatte oder sie möglicherweise erkrankt war. Die Tegewe verzeichnete für das Jahr 1944 Produktionen der Firmen Friedrich Weber und Dr. Th. Horn.551 Sofern die Fertigungen schon zuvor angelaufen waren, böten sie eine Beschäftigung für die Ostarbeiterinnen aus der Tüll- und Gardinen-Weberei. Wie die Unternehmen bei Erkrankung der ausländischen Zivilarbeiter verfuhren, wird nachfolgend noch zu diskutieren sein. Im ersten überlieferten Abrechnungszeitraum vom 1. bis 15. Juli 1942 betrugen die Bruttolöhne der Ostarbeiterinnen bei der Tegewe zwischen 30,80  RM und 547 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S.  160. Vgl. außerdem Abrechnung zur Lohnwoche vom 04.– 17.05.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 548 Abrechnung zur Lohnwoche vom 04.–17.05.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 549 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 01.–15.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 550 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 24.09.–07.10.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 551 Vgl. Löhnung der Ausländer vom 04.–17.05.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

45,50  RM.552 Davon ab ging die von den Arbeitsverwaltungsbehörden festgelegte Ostarbeiterabgabe, hier noch unter dem Punkt »Steuern«553 aufgeführt. Weiterhin zog der Einsatzträger Tegewe noch Verpflegung und Wohnung ab. Übrig blieb ein als »netto«554 bezeichneter Betrag zwischen 5,60 RM und 10,50 RM.555 Davon mussten die Ostarbeiterinnen ihren Lebensunterhalt außerhalb des Werkes und des Lagers bestreiten. In der ab diesem Zeitpunkt alle zwei Wochen erstellten Abrechnung fällt der Verdienst von Narija Bakumez auf. Sie hatte einen Bruttolohn von lediglich 8,30 RM erwirtschaftet, war dem Unternehmen aber 8,31 RM für Unterkunft und Verpflegung schuldig.556 Die Umstände für den geringen Verdienst müssen im Dunkeln bleiben, jedoch zeigt die Situation von Bakumez, wie es im Arbeitseinsatz vielen Ostarbeiterinnen ergehen konnte. Durch Lohnausfälle, verursacht beispielsweise durch Krankheit oder Schwangerschaft, verschuldeten sie sich bei ihrem Einsatzträger, sodass sie in der Folge intensiver arbeiteten, um ihre Schulden abzutragen.557 Im Falle einer Erkrankung erhielten nämlich weder Polen noch Ostarbeiter im Unterschied zu den Arbeitskräften aus anderen Nationen eine Lohnfortzahlung. Für alle anderen Zivilarbeiter waren die Ausfallzahlungen ähnlich wie für Deutsche geregelt. Unterkunft und Verpflegung wurde Polen und Ostarbeitern trotzdem vom Unternehmen in Rechnung gestellt. Den Betrag übernahm erst mit Gewährung der Sozialversicherung für Ostarbeiter ab April 1944 die Krankenkasse.558 Narija Bakumez schied am 15. Juli 1942 wohl aus der Tegewe aus, denn in der folgenden Lohnabrechnung war sie nicht mehr aufgeführt.559 Ihr weiteres Schicksal muss unbeleuchtet bleiben. Zu vermuten steht aber ihre Rückführung in die Heimat wegen einer längerfristigen Erkrankung. Wie die deutschen Behörden mit erkrankten Zivilarbeitern aus dem Ausland umgingen, wird in Kapitel 4.2 diskutiert. Festzustellen ist für die Entlohnung der Ostarbeiterinnen in der Tüll- und Gardinen-Weberei Plauen, dass die durchschnittlichen Bruttolöhne zwischen 1942 und 1944 relativ konstant blieben. Sie bewegten sich zwischen 35 und 45  RM, je nach Leistung. Ab 1943 lassen sich allerdings mehr Abweichungen nach oben unter den Bruttolöhnen feststellen. Die Löhne berechneten sich in der Industrie nach der Eingruppierung der ausländischen Kräfte in entsprechende Zeit- und Akkordlohngrup-

552 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 01.–15.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 553 Ebd. 554 Ebd. 555 Vgl. ebd. 556 Vgl. ebd. 557 Für die Folgen der Verschuldung beim Arbeitgeber vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 209. 558 Vgl. ebd., S. 152 und 160. 559 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert.

229

230 | 

Zwangsarbeit in Plauen

pen sowie nach dem jeweiligen Tarif.560 Für Ostarbeiterinnen wurde nun der Tariflohn einer deutschen Arbeitskraft mit vergleichbarer Leistung zugrunde gelegt und ein entsprechender Vergleichslohn ermittelt. Im Abrechnungsturnus vom 24. September bis 7. Oktober 1942 betrugen die Bruttolöhne ähnlich wie im Juli zwischen 35 und 47,60 RM. Da der Lohn wöchentlich ermittelt wurde und lediglich die Abrechnung alle zwei Wochen erfolgte, lag er in der letzten September- und ersten Oktoberwoche jeweils zwischen 17,50 und 23,80 RM.561 Eine vergleichbare deutsche Kraft wäre für die gleiche Zeit mit höchstens 54,25 RM und mindestens 27,65 RM entlohnt worden.562 Auf den Bruttolohn für zwei Wochen Arbeit kamen für die Ostarbeiterinnen folgende Abgaben. Der Einsatzträger berechnete ihnen die Ostarbeiterabgabe, Verpflegung und Wohnung sowie Kleidung und einen Sparbetrag.563 Der letzte Posten war mit Inkrafttreten der ›Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter‹ möglich geworden. Seit 15. Juni 1942 konnten die Arbeitskräfte aus der Sowjetunion verzinst sparen und das Guthaben entweder selbst in der Heimat abrufen oder ihren Familienangehörigen zur Verfügung stellen.564 Davon machten die Ostarbeiterinnen bei Tegewe seit 16. Juli 1942 Gebrauch.565 Sie überwiesen zwischen 1 und 5 RM auf ihr Sparguthaben. Lediglich Emilie Schenesko und Marije Terenik konnten aufgrund hoher Ausgaben für Kleidung im September und Oktober nichts zurücklegen. Sie erhielten für die zwei Wochen vom 24. September bis 7. Oktober einen Bruttolohn von 45,50 RM bzw. 35 RM  ; nach allen Abzügen schlug eine Auszahlung von nur 2,50 bzw. 3  RM zu Buche. Die Ostarbeiterabgaben wurden entsprechend der Entgelttabelle erhoben und bewegten sich für die beiden Ostarbeiterinnen zwischen 3,50 und 7,70  RM. Für Verpflegung und Wohnung veranschlagte die Tegewe ganz nach den Vorgaben der Arbeitseinsatzbehörden 10,50 RM pro Woche, Kleidung schlug mit 2 bis 8 RM zu Buche. Am Ende bewegten sich die Auszahlungsbeträge zwischen 2,50 und 4,80 RM.566 Damit verfügten die Ostarbeiterinnen der Tegewe über einen kleinen Betrag, den sie für zusätzliche Lebensmittel oder andere Güter des täglichen Bedarfs 560 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 151. 561 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 24.09.–07.10.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 562 Vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 423. Entgelttabelle für wöchentliche Lohnzahlung soll nach Angaben der Reichsbehörden auch für einen anderen Abrechnungsturnus herangezogen werden. Die Werte für den wöchentlichen Lohn sollten mit der entsprechenden Wochenzahl multipliziert werden. Vgl. ebd., S. 424. 563 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 24.09.–07.10.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 564 Vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 421. 565 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 566 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 24.09.–07.10.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. Für die Ostarbeiter-

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

aufwenden konnten. Die Möglichkeiten, das Geld auszugeben, waren allerdings auf einen kleinen Kreis von Geschäften und den Schwarzmarkt begrenzt. Einkaufen sollten ausländische Arbeitskräfte lediglich in Geschäften, die an die Wirtschaftsgruppe Lebens- und Genussmittel angeschlossen waren. Mangelware durfte keinesfalls an sie herausgegeben werden.567 Am dringendsten benötigten die Ostarbeiter Lebensmittel, weil die Lagerversorgung zu gering rationiert war.568 Die Sowjets erhielten außerdem minderwertige Lebensmittel569, die sie zusätzlich zum Zukauf zwangen. Durch die allgemeine Verknappung stiegen die Schwarzmarktpreise im Kriegsverlauf immer weiter an, sodass hier keine bedarfsdeckenden Anschaffungen möglich waren.570 Im Dezember 1942 senkte die Tegewe die von den Ostarbeiterinnen für den Abrechnungszeitraum 17. bis 30. Dezember zu tragenden Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung. Einen Anteil von 1,50 RM trug in dieser Zeit der Betrieb, sodass die von den Ostarbeiterinnen eingeforderte Summe von 21 auf 19,50 RM sank.571 Dies hatte jedoch nur geringfügige Auswirkungen auf den Spar- oder Auszahlungsbetrag, denn die Bruttolöhne waren in den letzten beiden Dezemberwochen des Jahres 1942 unter die festgestellten Durchschnittswerte gerutscht. Waren im Januar 1943 wieder bis zu 43,40 RM brutto erarbeitet572, betrug der Lohn im Dezember zuvor höchstens 35  RM. Für fünf der 13 entlohnten Ostarbeiterinnen lag der Bruttoverdienst sogar unter 30  RM.573 Grund für die geringen Bruttolöhne waren vermutlich die Weihnachtsfeiertage. Hierin lag wohl auch der Anlass dafür, dass die Tegewe einen Teil der Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernahm. Weiterhin legt die Abrechnung von Dezember 1942 die Vermutung nahe, dass Ostarbeiter nur für die tatsächlich geleisteten Stunden entlohnt wurden.574 Doch selbst in einem Monat mit höherem Bruttoverdienst blieb den Ostarbeiterinnen der Tegewe kaum etwas zum Sparen oder abgabe siehe auch  : Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 423. 567 Vgl. Bericht über die Informationsveranstaltung der Gestapo Chemnitz im Sitzungssaal der Industrieund Handelskammer Chemnitz am 11.02.1943. Betreff  : Gefahrenabwehr bei dem verstärkten Einsatz ausländischer Zivilarbeiter. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 51. 568 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 159 sowie Interview mit Anja Görgl, Min. 13  :25–13  :42, siehe Anhang 1. 569 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 570 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 161. 571 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen vom 17.–30.12.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 572 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen vom 28.01.–10.02.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 573 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen vom 17.–30.12.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 574 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 201.

231

232 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Ausgeben übrig. Die Ostarbeiterabgabe regelte die Bruttolöhne stets entsprechend auf ein Minimum. Im September 1942 wendete die Tegewe 35  RM für die Arbeit von Olga Soroka auf. Nach Abzug aller Abgaben konnte Soroka 1 RM zurücklegen und erhielt 4 RM ausgezahlt.575 In den letzten beiden Dezemberwochen des gleichen Jahres erarbeitete sie 27,30 RM und erhielt davon trotz Vergünstigung bei Verpflegung und Unterkunft sowie des gleichen Sparbetrages nur 2,70  RM.576 Festzustellen ist eine Absenkung der Ostarbeiterabgabe im Laufe des Jahres 1943 zugunsten höherer Auszahlbeträge. Während Olga Schatalowa im April 1943 noch 12,60 RM auf einen Bruttolohn von 43,40  RM entrichten musste577, fielen im Juni des gleichen Jahres nur noch 10,50 RM auf einen Bruttolohn von 49 RM an.578 Bis März 1944 sank die Abgabe noch weiter. Nun hatte Schatalowa von einem Verdienst von 49 RM nur noch 7 RM abzugeben.579 Da sie nichts sparte, stieg ihr verfügbarer Auszahlungsbetrag von 6,80 RM im April 1943 auf 21 RM im März 1944.580 Vergleicht man nun die Lohnabrechnung aus den letzten beiden Dezemberwochen 1942 mit dem zur gleichen Zeit 1943 erstellten Nachweis, lassen sich zwei Feststellungen machen. Zum einen waren die Ostarbeiterinnen und dementsprechend auch die Ostarbeiter trotz aller Diskriminierung nicht mehr von Lohnzuschlägen ausgeschlossen. Für die Zeit vom 16. bis 29. Dezember 1943 erhielten die Ostarbeiterinnen bei Tegewe ein Weihnachtsgeld, das sich zwischen 16,15 und 16,70 RM bewegte.581 Auf den Betrag erhob das Reich ebenso wie auf den Bruttolohn die Ostarbeiterabgabe. Am Ende blieben den Ostarbeiterinnen der Tegewe 10 RM zusätzlich zum Verdienst erhalten.582 Dass Sowjets nicht länger von Lohnzuschlägen ausgeschlossen waren, beweist auch die Gehaltsabrechnung von Alexandra Pustakowa. Die Munitionsarbeiterin583 erhielt in der Netzschkauer Maschinenfanrik ab 1944 beispielsweise Überstunden575 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 576 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 17.–30.12.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 577 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 08.–21.04.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 578 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 17.–30.06.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 579 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 09.–22.03.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 580 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 08.–21.04.1943 sowie Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 09.–22.03.1944. Beides in  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 581 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.12.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 582 Vgl. ebd. 583 Vgl. Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

zuschläge.584 Zum anderen lagen die eigentlichen Bruttolöhne Ende 1943 mit 32,20 und 40,60 RM in der Tegewe deutlich über denen des Vorjahres.585 Vermutlich war die Arbeitszeit der Ostarbeiterinnen ausgeweitet worden. Ob darunter auch Feiertagsarbeit fiel, konnte nicht festgestellt werden. Im Folgejahr wurde der Rüstungsindustrie jedenfalls an den Osterfeiertagen die Möglichkeit eingeräumt, Arbeit anzuordnen. An Karfreitag und Ostermontag konnte die Produktion nach vorheriger Benachrichtigung der Gewerbeaufsichtsämter und Bestätigung der Notwendigkeit durch das zuständige Rüstungskommando aufgenommen werden.586 Aussagen über die Arbeitszeit der Ostarbeiterinnen lassen sich für die Tegewe lediglich anhand der Höhe der Bruttolöhne treffen. Unter der Annahme, dass die Kräfte nicht in eine andere Akkord- oder Zeitlohngruppe eingestuft wurden, lässt sich ab 1943 ein Anstieg für einzelne Ostarbeiterinnen erkennen. So erarbeitete beispielsweise Natalia Rogowenko zwischen dem 13. und 26. Januar 1944 einen Bruttolohn von 56 RM.587 Im September des Vorjahres lag er noch bei 47,60 RM.588 Dazu geführt haben könnte zum einen eine allgemeine Ausweitung der Arbeitszeit. Zum anderen lässt sich eine Abnahme der Belegschaft in der Tegewe feststellen. Während im September 1943 noch 15 Ostarbeiterinnen auf der Lohnabrechnung aufgeführt waren, zählte die Tegewe im Januar 1944 noch sieben Kräfte.589 Unter Umständen mussten die verbliebenen Arbeiterinnen die Abnahme durch Mehrarbeit kompensieren. Grundsätzlich ist also von einer sukzessiven Anhebung der Arbeitszeiten auszugehen. Besonders betroffen waren die Ostarbeiterinnen von der bereits beschriebenen Arbeitszeiterweiterung im März 1944. Für sie galten mit 72 Stunden einschließlich Pausen die gleichen Wochenarbeitsstunden wie für deutsche Männer.590 Obwohl die Arbeitszeiterhöhung nur für die Produzenten des ›Jäger-Programms‹ erlassen wurde, 584 Vgl. Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1944, 2.2.2.1 / 75812036/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 585 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.12.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert und Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 586 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeit in den Rüstungsbetrieben am Karfreitag und Ostermontag. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 42 Rückseite. 587 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 13.–26.01.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 588 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 09.–22.09.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 589 Vgl. ebd. sowie Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 13.–26.01.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 590 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeitszeit zur Erledigung des ›Jäger-Programmes‹. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 42 Rückseite.

233

234 | 

Zwangsarbeit in Plauen

kann von einer Ausweitung auf alle rüstungswichtigen Sektoren ausgegangen werden. Denn im November 1944 umfasste ein Arbeitstag der Ostarbeiterin Alexandra Pustakowa in der Netzschkauer Maschinenfabrik mindestens zehn Stunden. An neun Novembertagen entlohnte sie das Unternehmen für 94 geleistete Stunden. Im Dezember waren es 243 Stunden an 24 Tagen.591 Folglich ist davon auszugehen, dass die allgemeine Arbeitszeit ausgeweitet wurde, Ostarbeiterinnen aber nicht in jedem Fall für 69 Wochenstunden wie deutsche Männer herangezogen wurden. Pustakowa absolvierte 66 Wochenarbeitsstunden und war damit den deutschen Frauen gleichgestellt, sofern sie vollbeschäftigt waren. Die Zahl der Arbeitstage Alexandra Pustakowas im Dezember 1944 gibt ebenfalls Aufschluss darüber, wie die Betriebe im Vogtland mit Feiertagsarbeit verfuhren. Im Dezember 1944 arbeitete Pustakowa nicht an Sonn- und Feiertagen.592 Trotzdem ist von einer Intensivierung der Arbeit im ›totalen Krieg‹ auszugehen, die wiederum zur Verschlechterung der Lebensbedingungen der in Plauen und Umgebung beschäftigten Ostarbeiter geführt haben muss. Alexandra Pustakowa wurde selbst in den letzten Kriegswochen in Vollzeit zur Arbeit herangezogen. In den Monaten Februar bis April 1945 leistete sie 842,25 Stunden in der Nema.593 Dies entsprach ebenfalls mindestens zehn Arbeitsstunden am Tag. Zu Arbeitszeit und Lohn bei den Ostarbeiterinnen kann festgehalten werden, dass sie bei gleicher Arbeitszeit weitaus schlechter entlohnt wurden als Deutsche und jene ihnen gleichgestellten Westarbeiter. Der den Ostarbeiterinnen zugestandene Vergleichslohn wurde zusätzlich durch Steuern und Ausgaben für Unterkunft wie Verpflegung belastet. Obwohl teilweise unter Versprechungen der Anwerber ins Reich gelockt, konnten die Ostarbeiterinnen oft nur einen kleinen Teil ihrer Einkünfte für die Familie sparen. Ob dieser überhaupt ausgezahlt wurde, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Die Ostarbeiterabgabe regelte den Verdienst sowieso auf ein Minimum herunter, Zuschläge entfielen größtenteils, sodass den Ostarbeitern am Ende nur ein Taschengeld zur Verfügung stand. Ab 1943 lässt sich eine leichte Verbesserung der Situation erkennen, da die Abgaben neu festgelegt wurden. Die Tegewe gewährte ihren Ostarbeiterinnen in der Folge sogar Weihnachtsgeld. Im Gegensatz zu den Westarbeitern waren sie trotzdem weiterhin stark benachteiligt. Bis auf kurzfristige Zuschläge erfuhr der Lohn keine Ausweitung, wohingegen Westarbeiter durch Trennungszulagen und andere Aufpreise bei einem geringeren Stundenlohn einen höheren Monatslohn als deutsche Arbeitskräfte erwirtschaften konnten. Die Ostarbeiterabgabe nahm im Laufe des Krieges zugunsten der ausgezahlten Beträge sukzessive ab. 591 Vgl. Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1944, 2.2.2.1 / 75812036/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 592 Vgl. ebd. 593 Vgl. Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1945, 2.2.2.1 / 75811945/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Im April 1944 glichen die Arbeitsverwaltungsbehörden schließlich die Ostarbeiterlöhne an die der Polen an. Die Ostarbeiterabgabe fiel in der Folge weg, an ihre Stelle trat die auf 15  Prozent des Bruttolohns festgelegte Sozialausgleichsabgabe. Für die Ostarbeiterinnen der Tegewe wirkten sich diese Entwicklungen zwar positiv auf den Nettolohn aus, durch die allgemeinen Verteuerungen und die Lebensmittelknappheit konnten sie den Betrag allerdings nicht nutzen, um die Lagerversorgung mit Zukauf von Lebensmitteln zu ergänzen. Ihre Ernährung blieb folglich bei sich ausweitenden Arbeitszeiten gleich, was zu einem Leistungsabfall geführt haben muss. Während die Ausweitung der Arbeitszeit im März 1944 den Betrieben die Möglichkeit bot, für deutsche Arbeitskräfte Langarbeiterzulagen zu beantragen, wurden die Ostarbeiter, Kriegsgefangenen und Polen, obwohl besonders die Ostarbeiterinnen von der Änderung betroffen waren, nicht berücksichtigt. Im Gegenteil wiesen die Behörden die Unternehmen immer wieder an, auf die Minderernährung zu achten.594 Die Nahrungsmittelversorgung war für die Nationalsozialisten schon vor dem Krieg zu einem drängenden Problem geworden. Ihre Absicht, die Ernährung der deutschen Bevölkerung autark zu bestreiten, lief der Forcierung der Aufrüstung zuwider, sodass bereits eine Unterversorgung in bestimmten Bereichen bestand. Kontingentierung war die Folge. Während des Krieges nahm die Versorgung der Bevölkerung einen hohen Stellenwert ein, denn die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg hatten gezeigt, dass Mangel die Moral in Mitleidenschaft zog. Die Ausbeutung der besetzten Gebiete ermöglichte es den Nationalsozialisten, die Bevölkerung ausreichend zu ernähren, jedoch profitierten die auf dem Reichsgebiet befindlichen Ausländer nicht.595 Grundsätzlich galt für die ausländischen Zivilarbeiter, dass ihre Lebensmittelrationen in etwa denen der Deutschen entsprechen sollten.596 Die Versorgung sollte, sofern die Ausländer in Lagern untergebracht waren, ebenfalls lagermäßig erfolgen. Bei der Gemeinschaftsverpflegung wollten die Arbeitseinsatzbehörden sogar die heimischen Gebräuche der Ausländer beachten. Speisen sollten dementsprechend von Köchen mit derselben Nationalität wie die Lagerbewohner zubereitet werden. Auch die zollfreie Einfuhr heimatlicher Produkte billigten die Verwaltungsbehörden den ausländischen Zivilarbeitern zu.597 Die Ausnahme bildeten hier wieder die Ostarbeiter. Bei ihnen war die Rationierung gerade so erfolgt, dass ein Überleben davon möglich war.598 In Plauen war die Gemeinschaftsverpflegung eine gängige Form, um die Arbeitskräfte zu versorgen. So verpflegte beispielsweise die VOMAG ihre Arbeitskräfte 594 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 595 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 123. 596 Vgl. Anordnung Nr. 4 über die Anwerbung, Betreuung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Vom 7. Mai 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 86. 597 Vgl. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 36. 598 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 124–125.

235

236 | 

Zwangsarbeit in Plauen

im Lager ›Weißer Stein‹ oder in der Werkskantine gemeinschaftlich. Das Küchenpersonal rekrutierte sich ganz nach Vorstellung der Nationalsozialisten aus den das ­Lager bewohnenden bzw. den im Unternehmen beschäftigten Ausländern. Im Falle der Unterkunft für belgische Arbeitskräfte übernahm die Frau des Lagerdolmetschers Carolus Pede, Renee Pede, ab 22. August 1943 die Küchenhilfe.599 Untergebracht war die zu Beginn ihres Einsatzes in Plauen 22-jährige Französin gemeinsam mit ihrem Mann im Lager ›Weißer Stein‹.600 Auch Osram versorgte seine in der P ­ lauener Baumwollspinnerei eingesetzten Ausländer, unter denen sich auch Ostarbeiter befan­ den, ab September 1944 in der neu eingerichteten Werksküche.601 Hier konnten alle Arbeitskräfte, deren Arbeitszeiten auf 66 oder 69 Stunden ausgeweitet wurden und die diese auch ableisteten, eine Sonderzulage erwerben. Für Deutsche und ihnen gleichgestellte Ausländer standen zusätzlich zur Lebensmittelration 180  Gramm Fleischwaren, 90  Gramm Butter und 900  Gramm Brot ab 7. September 1944 pro Woche zur Verfügung. Die Sonderzulage konnte stets nachträglich für die abgelaufene Arbeitswoche abgeholt werden.602 Auch Polen konnten bei entsprechender Arbeitszeit einen Anspruch auf Zulage geltend machen. Für sie gab es allerdings mit 250 Gramm Hülsenfrüchten, 250  Gramm Hülsenfrüchtenkonzentrat und 250  Gramm Nährmitteln kleinere Portionen minderwertigerer Lebensmittel. Ostarbeiter waren von dieser Regelung bei Osram explizit ausgeschlossen.603 Aufgrund der geringen Mengen und der minderen Qualität der Lebensmittel beschwerten sich die Industriebetriebe bei den öffentlichen Stellen immer wieder über den Leistungsabfall infolge einer verschlechterten Ernährung.604 Zu Unmut hatte vor allem die Unterversorgung der Ostarbeiter geführt, denn sie genossen im Rüstungskommando Chemnitz spätestens ab Anfang 1943 Ansehen aufgrund guter Arbeitsleistungen. Die Rüstungswirtschaft zeigte sich zufrieden mit ihrem Einsatz.605 Deshalb hatte man sich nicht nur für einen finanziellen Leistungszuschlag bei den Ostarbeitern ausgesprochen606, sondern weitere Vergünstigungen bei guten Leistungen forciert. Die 599 Vgl. Hauptmeldebogen Renee Pede, 2.2.2.1 / 74150886/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 600 Vgl. ebd. sowie Hauptmeldebogen Renee Pede, 2.2.2.1 / 74150887/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 601 Vgl. Chronik der Plauener Baumwollspinnerei. In  : StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340, nicht foliiert, Bericht, S. 116. 602 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 603 Vgl. ebd. 604 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Betreff  : Ernährung und Bekleidung. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 59. 605 Vgl. Bericht über die Informationsveranstaltung der Gestapo Chemnitz im Sitzungssaal der Industrieund Handelskammer Chemnitz am 11.02.1943. Betreff  : Gefahrenabwehr bei dem verstärkten Einsatz ausländischer Zivilarbeiter. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 51 Rückseite. 606 Vgl. ebd.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Leistungsernährung erwies sich allerdings als Teufelskreis für schwächere Ostarbeiter. Da ihnen zugunsten derjenigen mit guten Arbeitsleistungen Lebensmittel entzogen wurden, schwanden ihre Kräfte noch schneller.607 Am Beispiel von Osram zeigt sich, dass einzelne Betriebe durchaus Anstrengungen unternahmen, um ihren ausländischen Arbeitskräften eine bessere Versorgung für bessere Arbeitsleistung zuteilwerden zu lassen. Dies wurde aber zum einen durch die Gemeinschaftsversorgung untergraben, denn die Lebensmittel wanderten vor der Ausgabe in den Kantinen durch viele Hände, was aufgrund der allgemein schlechten Versorgungslage zum Verdacht führen muss, dass Personen sich einen Teil abgezweigt haben.608 Zum anderen schienen die rassistischen Vorbehalte gegenüber den Ostarbeitern bei Osram den Verbesserungsversuchen für diese Ausländergruppe im Wege zu stehen. Immerhin Polen profitierten von der Sonderzulage. Ostarbeiter unternahmen indessen in den Verlagerungsbetrieben von Osram selbstständig Versuche, Lebensmittel zu besorgen. So schnitzten die Arbeitskräfte in den Industrie-Werken beispielsweise kleine Holzfiguren oder Spielzeug, die sie mit Deutschen, ganz besonders Kindern, gegen Essbares tauschen wollten. Auf einen solchen Handel standen für die deutsche Bevölkerung wie die ausländischen Arbeitskräfte hohe Strafen.609 Eine andere gängige Verfahrensweise war es, dass Ostarbeiter an Sonntagen zusätzlich Arbeit bei einem Bauern aufnahmen, um sich abends auf den Gütern satt essen zu können.610 Aber auch betriebsinterne Initiativen sollten dem Hunger Abhilfe schaffen. Im Gegensatz zu Osram bemühte sich die Mechanische Baumwoll-Weberei Herrmann Lang mit einem im betriebseigenen Hof angelegten Beet, mit einem kleinen Beitrag die Ernährung ihrer Arbeitskräfte, zu denen auch Ostarbeiter zählten, zu verbessern.611 Insgesamt lässt sich für Lohn, Arbeitszeit und Ernährung feststellen, dass alle drei Bereiche des täglichen Lebens von Rassismus und Diskriminierung geprägt waren. Die Nationalität der ausländischen Zivilarbeiter bestimmte, welchen Regelungen sie unterworfen waren, wie lang sie arbeiteten, welchen Lohn sie erhielten und wie ihre Ernährungslage war. Mit Kriegsverlauf stellte sich immer klarer heraus, dass gerade Ostarbeiter zuverlässige Kräfte waren, und die einzelnen Unternehmen setzten sich für eine bessere Versorgung ein. Wenn die Beschwerden die Ämter nicht zu Verbesserungen veranlassten, bemühten sich die Betriebe selbst um höhere Löhne oder eine Aufstockung der Lebensmittelrationen. Jedoch waren die Mühen stets von der Ein607 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 127. 608 Vgl. ebd., S. 126. 609 Vgl. Interview mit Volker Freitag, Min. 45  :29–45  :43, siehe Anhang 4. Ob es sich bei den Fremdarbeitern wirklich um Ostarbeiter handelte, kann nicht überprüft werden. Denkbar wären auch Kriegsgefangene. Jedoch finden sich in den Unterlagen der Industrie-Werke oder von Osram keine Hinweise auf eine Beschäftigung dieser ausländischen Arbeitskräfte. Das Phänomen ist allerdings in der Forschung bekannt. Vgl. dazu Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 169. 610 Vgl. ebd., S. 198. 611 Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 9  :05–9  :24, siehe Anhang 1.

237

238 | 

Zwangsarbeit in Plauen

stellung der Betriebsführer abhängig. Während sich Lohn und Ernährung der Ostarbeiter nach und nach dem Niveau der Polen und letztendlich auch der Westarbeiter anpassten, waren die Unternehmen bei der Arbeitszeit an wirtschaftliche Zwänge gebunden. Hier fanden sich keine Besserungen mit Kriegsverlauf. Abschließend muss festgestellt werden, dass die Verbesserungsversuche sowohl von Seiten der Behörden als auch von Seiten der Unternehmen aufgrund der Kriegsumstände verblassten. Trotz höheren Lohns konnten Ostarbeiter die Schwarzmarktpreise für zusätzliche Lebensmittel nicht aufbringen, die Ernährungszulagen kamen in der Gemeinschaftsversorgung nicht an. 4.1.4 Private Haushalte und ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹

Fernab der Ausländerlager hatte sich im Zweiten Weltkrieg eine Sonderform der Zwangsarbeit entwickelt. Die sogenannten ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹ waren zu einem Statussymbol einflussreicher Familien geworden. Abseits der rechtlichen Abfassungen zum ›Ausländereinsatz‹ hatten Militärs der Wehrmacht vor September 1942 begonnen, Hausgehilfinnen von ihren Feldzügen in den Osten mitzubringen und ihren Frauen bei der Führung des Haushalts an die Seite zu stellen. Durch den stetigen Zufluss an ausländischen Arbeitskräften vor allem aus dem Osten sahen sich die deutschen Behörden veranlasst, Engagement in der Sozialpolitik zu zeigen. Außerdem brachten die hauswirtschaftlich eingesetzten Ostarbeiterinnen der Bevölkerung die Siege der Wehrmacht sprichwörtlich nach Hause. Weiterhin sollten die Hausgehilfinnen dazu dienen, die bisherigen deutschen Hausmädchen für den weiblichen Reichsarbeitsdienst freizustellen, sodass man ihren Einsatz nachträglich verrechtlichte.612 ›Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹ fanden auch in Plauen Einsatz. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen sollen nachfolgend dargestellt werden. Zuerst scheint es angebracht, den Dienst der deutschen Hausmädchen in kurzer Form zu beschreiben, um einen Vergleich zu den jungen Frauen aus den besetzten Ostgebieten ziehen zu können. Danach sollen die Aufgaben der ausländischen Hausgehilfinnen untersucht und anhand von zwei Beispielen aus Plauen illustriert werden. Am Ende steht der Versuch, die Unterschiede zwischen der Arbeit der Hausgehilfinnen und der gewerblich eingesetzten Ostarbeiterinnen zu bewerten. Mit der Einführung des RAD 1935 wurde dem erzieherischen Anspruch des Nationalsozialismus gegenüber männlichen und weiblichen Jugendlichen Ausdruck verliehen.613 In Konkurrenz zum RAD trat 1938 das Pflichtjahr für Mädchen und verheiratete Frauen unter dem 25. Lebensjahr. Sie mussten zwölf Monate in der Land- oder Hauswirtschaft für ein symbolisches Gehalt aushelfen.614 Dieses Pflichtjahr wurde auch 612 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 204–205. 613 Vgl. Reichsarbeitsdienstgesetz. Vom 26. Juni 1935. In  : RGBl. I, Nr. 64, 27.06.1935, S. 769. 614 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 151.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

in der Zeit des Zweiten Weltkrieges weitergeführt. So kam beispielsweise Ilse Seyrich zu ihrer Anstellung als Hausmädchen bei der Familie Waase. Ihre Aufgaben umfassten Haus- und Küchendienste sowie die Begleitung der Familie auf Ausflügen, um den Haushaltsvorstand bei der Kinderbetreuung zu entlasten. Jedoch verfügte Familie Waase nicht nur über ein Hausmädchen, sondern auch über mehrere Kindermädchen. Ilse Seyrichs Dienst wurde von Familie Wasse vor Ablauf des Pflichtjahres beendet, da das Hausmädchen im Verdacht stand, mehrere Diebstähle begangen zu haben. In der Folge vermittelte das Arbeitsamt Ilse Seyrich weiter an das Gasthaus ›Forstwarte‹, in dem sie ebenfalls hauswirtschaftliche Dienste zu verrichten hatte. Die Inhaberin der ›Forstwarte‹, Milda Böttcher, hatte die Gehilfin von der Arbeitsbuchstelle erhalten, weil sie zehn Ukrainer versorgen musste, die bei Waldarbeiten eingesetzt waren.615 Das Pflichtjahr hatte für Ilse Seyrich neben einer gegen sie laufenden Ermittlung wegen Diebstahls bei Familie Waase außerdem die Registrierung beim Arbeitsamt zur Folge. Nach dem Ende der ersten Anstellung vermittelte die Arbeitsbuchstelle Seyrich innerhalb von nur einer Woche an die nächste Position.616 Eigentlich sollten junge Deutsche schon vor 1933 in ihre Rolle als Hausfrau und Mutter mithilfe staatlicher Anreize zurückgeführt werden. Gleichzeitig bemängelte man nachlassendes Interesse in hauswirtschaftlichen und fürsorgerischen Berufen zugunsten gewerblicher Berufsausbildungen. Die Gründe dafür lagen in langen Arbeitszeiten, niedrigen Löhnen, wenig Freizeit und einschneidenden Eingriffen in das Privatleben der Dienstmädchen durch den Dienstherrn.617 Außerdem bevorzugten deutsche Mädchen, die im Rahmen ihres Pflichtjahres eine Anstellung als Hausmädchen annahmen, eher kleine Familien mit wenig Kindern oder ohne Kinder. Wohlhabende, privilegierte Familien konnten also eher den Vorzug eines Dienstmädchens erwerben als kinderreiche. Ausschlaggebend war vor allem der Umstand, dass der Lohn vom Arbeitgeber bestimmt werden konnte. Dies stand jedoch in Widerspruch zu dem von den Nationalsozialisten propagierten Bild der kinderreichen Familie als hohes gesellschaftliches Gut.618 Bis September 1942 bestanden noch sicherheitspolizeiliche und volkstumspolitische Bedenken gegen den Einsatz von Ostarbeiterinnen in deutschen Haushalten. Am 8. September erging der Erlass zur »Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen«619. In seinen nach dem Amtsantritt veröffentlichten Grundsätzen hatte Fritz Sauckel die ›hauswirtschaftlichen Ostarbei615 Vgl. Mitteilung der Familienfürsorge Plauen an das Jugendamt vom 20.08.1942. Betreff  : Pflichtjahr von Ilse Seyrich. In  : StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 5096, Fol. 21. 616 Vgl. ebd. 617 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 151–153. 618 Vgl. ebd., S. 150 und 153. 619 Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 411–415.

239

240 | 

Zwangsarbeit in Plauen

terinnen‹ bereits im April 1942 als Entlastung für die »aufs Höchste in Anspruch genommene[…] deutsche[…] Bauersfrau«620 sowie für die »deutsche […] Hausfrau [vorgesehen], vor allem [aber sollten die Hausgehilfinnen] der kinderreichen Mutter«621 zur Schonung ihrer Gesundheit dienen.622 Vermutlich hatten höhergestellte Wehrmachtsmitglieder bereits vor der ›Sonderaktion‹ des GBA im September Ostarbeiterinnen ins Reich geholt.623 Ab September 1942 sollten vor allem kinderreiche Familien ausländische Hausgehilfinnen beim Arbeitsamt beantragen können. Davon berichtete auch Frauke Thomsen, deren Vater im Auswärtigen Amt in Montevideo gedient hatte und die im Alter von vier Jahren mit ihrer Familie aus dem Ausland nach Plauen zurückkehrte.624 Am 9. November 1942 trat die Ukrainerin Praskowja Lasarewa ihren Dienst als Hausgehilfin in der Familie Thomsen an.625 Um sicherheitspolizeiliche und volkstumspolitische Bedenken gegen den Einsatz von Ostarbeiterinnen in deutschen Haushalten zu vermeiden, hatten die Arbeitseinsatzbehörden nicht nur das Aussehen und die Herkunft der einzusetzenden Frauen reglementiert, sondern auch verfügt, dass die Hausgehilfinnen nur ›politisch zuverlässigen‹ Familien zuzuteilen seien.626 Die Anwerbestellen in den besetzten Ostgebieten wurden nach der ›Sonderaktion‹ Sauckels veranlasst, »gesunde und kräftige Mädchen«627 und Frauen zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr auszusuchen und diese mit dem Vermerk, dass sie explizit für Haushalte vorgesehen waren, in Sonderzügen ins Reich zu schicken.628 Es war außerdem erwünscht, dass die Ostarbeiterinnen ein dem Erscheinungsbild der Deutschen nahekommendes Äußeres pflegten. Praskowja Lasarewa war entsprechend den Vorgaben kräftig und gesund.629 Die Behörden bezogen sich bei ihren Reglements zum äußeren Erscheinungsbild der Ostarbeiterinnen natürlich auf das Ariertum630 Die eingesetzten sowjetischen Mäd620 Allgemeine Grundsätze des GBA. Das Programm herausgegeben am Geburtstag des Führers 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 32. 621 Ebd. 622 Vgl. ebd. 623 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 154. 624 Vgl. Interview mit Frauke Thomsen, Min. 2  :09, siehe Anhang 3. 625 Vgl. Hauptmeldebogen Praskowja Lasarewa, 2.2.2.1 / 76138737/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 626 Vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 412. 627 Allgemeine Grundsätze des GBA. Das Programm herausgegeben am Geburtstag des Führers 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 32. 628 Vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 411. 629 Vgl. ebd. Für das Äußere Lasarewas vgl. Interview mit Frauke Thomsen, Min. 4  :26, siehe Anhang 3. 630 Zum Begriff »Arier« vgl. Curio, Claudia (2007)  : Arier, Arisch. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S.  414. Darunter sind im

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

chen und Frauen sollten nach dem Krieg im Reich verbleiben und ›eingedeutscht‹ werden.631 Bevor allerdings Familie Thomsen ›ihre‹ Ukrainerin bei sich hatte aufnehmen kön­ nen, hatte der NSDAP-Kreisleiter die Eignung der beantragenden Familie überprüft und der Haushaltsvorstand, der zumeist die Hausfrau selbst war, war bei einer Informationsveranstaltung über die Regeln des Umgangs mit den Ostarbeiterinnen unter­ richtet worden.632 Für Plauen liegen keine Dokumente vor, die beschreiben, wie die Behörden bei der Zuweisung ausländischer Hausgehilfinnen verfuhren oder ob entsprechende Veranstaltungen zum Umgang mit Ostarbeiterinnen im Haushalt stattfanden. Anhand einer Aufstellung aller 78 im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes Plauen-Land befindlichen ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹ lässt sich zumindest die These der geforderten ›politischen Zuverlässigkeit‹ der deutschen Arbeitgeber stützen. So beschäftigten ausschließlich Plauener Bürger Ostarbeiterinnen, die gesellschaftlich angesehene Positionen bekleideten. Eine Hausgehilfin befand sich beispielsweise beim Obermedizinalrat des Gesundheitsamtes Plauen-Stadt und Hauptstellenleiter der DAF Plauen, Dr. Collin633, beim Regierungsrat und Leiter des Arbeitsamtes Plauen, Dr. Göschel634, beim Leiter der Plauener Kunstschule, Albert Forkel, bei Angehörigen der Wehrmacht wie Oberleutnant Grauer, Major Haymann und Major Heß sowie in der bereits vorgestellten Familie Waase.635

Allgemeinen Angehörige der weißen »Herrenrasse« zu verstehen. Der Begriff wurde zur Beschreibung alles Nichtjüdischen verwendet. 631 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 154. 632 Vgl. ebd., S. 155. Für das Merktblatt vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 413. Das Merkblatt wurde als Anhang 2 der Sonderaktion des GBA veröffentlicht. 633 Vgl. Niederschrift über die Sitzung mit den Herren Leitern des Staatlichen und Städtischen Gesundheitsamtes, dem Kreisleiter, Kreisbauernführer, dem Leiter der Ortskrankenkasse Plauen, Kreisverwaltung der DAF, und dem Beratenden Arzt des Arbeitsamtes Plauen am 01.02.1943. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. An dieser Sitzung hatte Collin als OMR teilgenommen. Vgl. außerdem Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Mitteilung unterschrieben von Dr. Collin in seiner Funktion als Kreisamtsleiter und Hauptstellenleiter der DAF Kreisverwaltung Plauen, Abt. Gesundheit und Volksschutz. 634 Vgl. Niederschrift über die Sitzung mit den Herren Leitern des Staatlichen und Städtischen Gesundheitsamtes, dem Kreisleiter, Kreisbauernführer, dem Leiter der Ortskrankenkasse Plauen, Kreisverwaltung der DAF, und dem Beratenden Arzt des Arbeitsamtes Plauen am 01.02.1943. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Dr. Göschel nahm an der Sitzung als Vertreter des Arbeitsamtes Plauen teil. 635 Vgl. Anlage zur Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land

241

242 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Die Älteste unter den Ostarbeiterinnen war Anna Kuruljonok, Jahrgang 1901, und die Jüngsten Wera Artemenkowa und Tamara Litwinenko. Beide waren 1927 geboren. Der Großteil unter ihnen, sprich 47 der 78 beim Gesundheitsamt registrierten sowjetischen Frauen, war zum Zeitpunkt seines Einsatzes in Plauen zwischen 16 und 20 Jahren alt.636 Die Aufgaben, die den ausländischen Hausgehilfinnen zukamen, waren wenig vielfältig und oft ausgesprochen schwer. Vor allem handelte es sich um Dienste in der Haushaltsführung, aber auch körperlich zehrende und gefährliche Arbeiten waren zu verrichten. Der Kontakt zur Familie sollte dabei so gering wie möglich gehalten werden. Von der Erziehung der Kinder waren die Ostarbeiterinnen ausgeschlossen.637 Da sich die Hausgehilfinnen jedoch ausschließlich im Haushalt der Familie aufhielten, war eine Bindung besonders zu den Kindern nicht auszuschließen. Dies berichtete Frauke Thomsen über die Zeit mit Praskowja Lasarewa. Ihr fielen neben dem Haushalt auch Aufgaben wie das Anspannen der Pferde zu. Die zu wahrende Distanz hielt die Familie Thomsen zur Ukrainerin vermutlich, indem die Kinder ihren richtigen Namen nicht erfuhren. Sie nannten sie nur ›Katja‹.638 Ein möglicher Grund für den neu gewählten Namen war, dass die Familie den richtigen Vornamen nicht aussprechen konnte oder ihn sich einfach nicht merken konnte oder wollte. Damit wies man der Hausgehilfin gleichzeitig ihren Platz in der Familie zu.639 Wie entbehrlich die als sehr warmherzig beschriebene ›Katja‹ tatsächlich war, zeigt ein weiteres Beispiel der Aufgaben, die ihr zufielen. So war sie nach einem Bombenangriff, während dessen die Familie mit ›ihrer‹ Ostarbeiterin Katja in Greiz ausharrte, als Vorhut zurück in die Stadt Plauen geschickt worden. Vor Ort hatte Lasarewa in Erfahrung bringen sollen, ob das Familiengrundstück die Bomben überstanden hatte und ob die Familie sicher zurückkehren konnte. Trotz aller Vorbehalte galt Katja zumindest den Kindern als Vertrauensperson.640 Das Arbeitsverhältnis der ausländischen Hausgehilfinnen unterschied sich aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht von denen der gewerblich beschäftigten Ostarbeiterinnen. Die Anstellung basierte auf einem Beschäftigungsverhältnis ›eigener Art‹, die Entlohnung erfolgte anhand einer Entgelttabelle, die jedoch nach Einsatzort und Alter gestaffelt war. Freizeit erhielten die Ostarbeiterinnen kaum und der Stigmatisierung

vom 04.07.1944. Betreff  : Einsatz ausländischer Hausgehilfinnen bei deutschen Familien. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 636 Vgl. ebd. 637 Vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 412. 638 Vgl. zu den Aufgaben der Hausgehilfin Interview mit Frauke Thomsen, Min. 8  :52, siehe Anhang 3. Vgl. zum Namen der Ostarbeiterin ebd., Min. 4  :26–4  :35. 639 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 158. 640 Vgl. Interview mit Frauke Thomsen, Min. 8  :52–9  :00, siehe Anhang 3.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

durch den Aufnäher ›Ost‹ an der Kleidung unterlagen sie ebenfalls.641 Ulrike Winkler ermittelte einen Monatsverdienst zwischen 7 und 18  RM, je nach Alter der Arbeitskraft und Wohnort der Familie.642 Im Vergleich dazu lag der Monatsverdienst der gewerblich eingesetzten Ostarbeiterinnen bei Tegewe im September 1943 zwischen 77 und 98 RM brutto. Ausgezahlte Beträge bewegten sich zwischen 16,90 und 20,50 RM.643 Für beide Beschäftigungsfelder waren Zuschläge möglich. Wie nachgewiesen werden konnte, erhielten die Ostarbeiterinnen in der bei der Plauener Tegewe untergebrachten Fertigung der Firma Friedrich Weber aus Berlin Weihnachtsgeld. Ab 1944 konnten anhand der Lohnunterlagen aus der Netzschkauer Maschinenfabrik auch Zuschläge für geleistete Überstunden festgestellt werden. Gleiches lässt sich laut der Studie von Ulrike Winkler auch auf die Löhne der ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹ übertragen. Bei ihrem Einsatz wirkten sich gute Leistungen und regelkonformes Verhalten positiv auf den Verdienst aus.644 Neben dem geringen Verdienst war ein weiterer großer Nachteil der Arbeit als Hausgehilfin gegenüber gewerblich eingesetzten Ostarbeiterinnen die räumliche Distanz zu Landsleuten. Während die in Lagern untergebrachten Ostarbeiterinnen ihre wenige Freizeit zusammen verbringen konnten, waren die Hausgehilfinnen an die Familie gebunden.645 Untergebracht waren sie stets in den Wohnhäusern oder in deren Nähe. Vorgeschrieben war die Unterkunft im beschäftigenden Haushalt.646 Praskowja Lasarewa wohnte im Obergeschoss des Hauses der Familie Thomsen.647 Über Freizeit verfügten Hausgehilfinnen kaum und waren, ähnlich wie die deutschen Mädchen und jungen Frauen im Pflichtjahr, vollkommen vom Haushaltsvorstand abhängig. Dieser reglementierte Arbeits- wie Privatleben.648 Je nachdem, ob das deutsche Mädchen sein Pflichtjahr in der Land- oder der Hauswirtschaft ableistete, waren Arbeiten, egal welcher Natur, auf Geheiß des Bauern oder Haushaltsvorstandes zu erledigen. Auch bei Deutschen blieben Beschwerden oft ungehört. Sich den Anweisungen zu widersetzen war nicht möglich. Jedoch bestand für die Deutschen die Möglichkeit, sich bei offizi641 Vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 414. 642 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 156. 643 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 26.08.–08.09.1943 und Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 09.–22.09.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 644 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 158. 645 Vgl. ebd. 646 Vgl. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 414. 647 Vgl. Interview mit Frauke Thomsen, Min. 6  :14, siehe Anhang 3. 648 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 158. Zu den deutschen Gehilfen im Pflichtjahr vgl. ebd., S. 153.

243

244 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ellen Stellen wegen unliebsamer Arbeiten zu beschweren.649 Für die Ostarbeiterinnen entfiel dies aufgrund ihrer Stellung als stark diskriminierte Ausländer. Oft hinderten allein schon Sprachbarrieren die sowjetischen Frauen daran, Beschwerden bei deutschen Behörden vorzutragen.650 Ob Familie Thomsen während der Luftangriffe 1945 überhaupt noch einmal aus Greiz nach Plauen zurückkehrte, muss offenbleiben. Praskowja Lasarewa wechselte zumindest vor Kriegsende noch ihren Einsatzort. Am 6. Februar 1945 trat sie in der Metallwarenfabrik Mylau ihren Dienst an.651 Ab 1944 gaben Familien in Plauen die Hausgehilfinnen offensichtlich zugunsten der Wirtschaft ab. Denn auch Alexandra Pustakowa, vormals eingesetzt im Haushalt von Major Heß, begann am 18. November 1944 eine neue Arbeit. Als Munitionsarbeiterin war die Russin in der ›Nema‹ in Netzschkau eingesetzt.652 Schon im September des gleichen Jahres wurde ebenfalls der Dienst von Galina Udot im Hause der Familie Dr. med. Schubert beendet. Als Anlernling wurde sie noch am Tag der Versetzung bei der Firma Walter Osthoff in Plauen als Metallhilfsarbeiterin angelernt. Im Gegensatz zu Lasarewa und Pustakowa war sie erst zu Jahresbeginn 1944 ins Deutsche Reich gekommen.653 Ulrike Winkler stellte fest, dass dies vor allem für evakuierte Familien galt.654 Im Fall Lasarewa lässt die Aktenlage eine Vermutung zu, was mit den ausländischen Hausgehilfinnen nach Ende des Zweiten Weltkrieges geschah. Am 16. April 1945 marschierten US-amerikanische Truppen in Plauen ein, womit der Krieg im Vogtland offiziell endete. Am 1. Juli besetzte die Rote Armee schließlich die Stadt und löste die Amerikaner ab.655 Frauke Thomsen berichtete, dass sich Praskowja Lasarewa erst 1947 von der Familie emotional verabschiedete und mit ihrem Tod bei der Rückkehr in die 649 Vgl. Aktennotiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 13.07.1942. Betreff  : Beschwerde von Elisabeth Porst über Ungeziefer bei russischem und ukrainischem Arbeiter auf dem Hof von Bauer Döscher in Zwoschwitz. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Die Tochter von Elisabeth Porst leistete ihr Pflichtjahr auf dem Gut von Bauer Döscher ab. Auf dem Bauernhof waren außerdem zwei Sowjets eingesetzt, deren Kleidung das Mädchen hatte flicken müssen. Das Mädchen hatte der Anweisung der Bäuerin widersprochen, da die Jacke voller Läuse war. Die Bäuerin hatte das Widersetzen nicht gelten lassen und auf die Arbeit bestanden. 650 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 14. 651 Vgl. Hauptmeldebogen Praskowja Lasarewa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 73334499/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 652 Vgl. Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 653 Vgl. Hauptmeldebogen Galina Udot, 2.2.2.1 / 75448273/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Lasarewa und Pustakowa hatten beide ihre Stellen schon im November 1942 angetreten. Vgl. Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen sowie Hauptmeldebogen Praskowja Lasarewa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 73334499/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 654 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 161. 655 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 205.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Heimat rechnete. Spätere Versuche, ›Katja‹ ausfindig zu machen, scheiterten.656 Die Unterlagen des Ausweichkrankenhauses Herbartschule legen dagegen nahe, dass Lasarewa gemeinsam mit anderen sowjetischen Staatsbürgern bereits im Juli 1945 zum Abmarsch in die Heimat bereit gemacht wurden. Am 17. Juli erfolgte die Entlassung aller Patienten aus der Sowjetunion auf Anordnung der russischen Militärregierung zum Zweck des Rücktransports.657 Auf die Befürchtungen Lasarewas, was ihr Schicksal nach der Rückkehr in die Heimat sein würde, wird an anderer Stelle noch einzugehen sein. Für die ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹ kann festgehalten werden, dass die rechtliche Grundlage ihrer Arbeitsbedingungen ähnlich der der gewerblich eingesetzten Kräfte war. So galt ihr Beschäftigungsverhältnis als eines ›eigener Art‹, die Löhne wurden anhand einer von den Behörden mehr oder weniger willkürlich erhobenen Entgelttabelle ermittelt, Zuschläge konnten gewährt werden und die Stigmatisierung mit dem entsprechenden Aufnäher an der Kleidung war auch für die Hausgehilfinnen gesetzlich vorgeschrieben. Ebenso war gewerbliche wie hauswirtschaftliche Arbeit für die Sowjetfrauen körperlich schwer, anstrengend und zuweilen gefährlich. Während die gewerblichen Kräfte zumindest im beengten und schlecht ausgestatteten Ostarbeiterlager Kontakte zu Landsleuten pflegen konnten, waren die Hausgehilfinnen in den deutschen Familien isoliert. Da sich ihre Unterkunft im Haus der Familie oder zumindest in dessen Nähe befand, konnten die deutschen Haushaltsvorstände allumfassenden Einfluss nehmen. Privatsphäre und Freizeit waren ebenso kaum vorhanden wie Verständigungsmöglichkeiten. Als Mitglied der häuslichen Gemeinschaft rangierten die ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹ auf der untersten Stufe in der Hierarchie der Dienstfamilie. Der alltägliche Umgang lässt sich am besten mit dem Umstand vergegenwärtigen, dass die deutschen Familien den Ostarbeiterinnen Vornamen zu geben pflegten, die sie einfacher aussprechen und sich besser merken konnten als die tatsächlichen Namen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Hausgehilfinnen viel stärker als die gewerblich eingesetzten zivilen Sowjets von der Person des Vorgesetzten abhängig waren. Hatte sich die ausländische Arbeitskraft durch zuverlässige Arbeit ausgezeichnet, konnten die Haushaltsvorstände Vorzüge gewähren und die Dienstfamilie entwickelte ein Mindestmaß an Empathie. Da die Ostarbeiterinnen Mitglied der häuslichen Gemeinschaft waren, steht zu vermuten, dass die politische Gesinnung der Haushaltsvorstände nach und nach in den Hintergrund trat. Entscheidend für den alltäglichen Umgang war vielmehr die Arbeitsleistung. Dennoch darf nicht vernachlässigt werden, dass ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹ mehr ein Statussymbol für ›politisch 656 Vgl. Interview mit Frauke Thomsen, Min. 3  :10–4  :00, siehe Anhang 3. 657 Vgl. Mitteilung des Ausweichkrankenhauses Herbartschule über die Entlassung von Anatoli Baranow auf Anweisung der russischen Militärregierung am 17.07.1945. In  : Rat der Stadt Plauen, Best. A 84, Arbeitsamt Plauen, Fol. 114.

245

246 | 

Zwangsarbeit in Plauen

zuverlässige‹ Familien im Dritten Reich waren als entlastende Kräfte für die durch Abwesenheit des Mannes, Bestreiten des Lebensunterhaltes sowie Haushaltsführung dreifach belastete weibliche Bevölkerung. Wie am Beispiel Plauens gezeigt werden konnte, war die Bekleidung eines politischen Amtes von entscheidender Bedeutung für die Zuweisung einer ausländischen Hausgehilfin. Den Ostarbeiterinnen begegnete man am Ende der nationalsozialistischen Herrenmenschentheorie entsprechend. 4.1.5 Ausländer in der Landwirtschaft

Als letztes Einsatzgebiet der während des Zweiten Weltkrieges ins Reich geholten zivilen ausländischen Arbeitskräfte soll die Landwirtschaft diskutiert werden. Sie war über die gesamte Zeit des Krieges der Wirtschaftsbereich mit dem höchsten Ausländeranteil. Ulrich Herbert ermittelte, dass im August 1944 36 Prozent aller ausländischen Arbeitskräfte unter Berücksichtigung von Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Damit stellten sie beinahe die Hälfte aller in diesem Wirtschaftszweig Beschäftigten. Dominierende Nationalität unter ihnen waren mit 66,7 Prozent Kriegsgefangene und zivile Kräfte aus Polen.658 Da für Plauen und Umgebung kaum Überlieferungen zum Alltag der ausländischen Zivilarbeiter in der Landwirtschaft vorliegen, können nur wenige Faktoren diskutiert werden. Zur Hilfe werden die allgemeinen Bestimmungen der Arbeitseinsatzverwaltung sowie bereits bestehende Studien herangezogen, um am Ende die Arbeits- und Lebensbedingungen der zivilen Polen mit denen der gewerblich verpflichteten West- und Ostarbeiter sowie den ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹ vergleichen zu können. Ausgangspunkt für die Darstellung der Alltagsbedingungen der ausländischen Zivilarbeiter in der vogtländischen Landwirtschaft soll die Entlausung als diskreditierende Prozedur der deutschen Behörden gegenüber den Ausländern sein. Polnische Arbeitskräfte waren die ersten Zivilarbeiter, die bei den Bauern in der Plauener Peripherie zum Einsatz kamen. Verzeichnet sind acht polnische Zivilarbeiter, die bei verschiedenen Bauern untergebracht und wahrscheinlich auch eingesetzt waren, 1940 in Großfriesen. Gemeldet wurden sie vom Amtsarzt an den Landrat, weil bei ihnen Kleiderund Filzläuse festgestellt wurden. Ein Ungezieferbefall war allerdings nicht nur auf Zivilarbeiter beschränkt. Auch drei französische Kriegsgefangene waren in Mechelgrün wegen Kleiderläusen aufgefallen. Der Amtsarzt kündigte an, den Umstand an die militärischen Stellen in ihrer Zuständigkeit für Kriegsgefangene zu melden.659 Die Mitteilung an den Landrat erging aufgrund der Angst der deutschen Behörden vor der Einschleppung von Seuchen durch Zivilarbeiter und Kriegsgefangene. Besonders 658 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 314–315. 659 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Läuse standen im Verdacht, Fleckfieberepidemien auszulösen bzw. ausschließlich für die Übertragung der Krankheit verantwortlich zu sein. Deshalb hatte der Reichminister des Innern die Gesundheitsämter beauftragt, für die Entlausung von ausländischen Arbeitskräften zu sorgen.660 Dazu sollten aus jedem Bezirk Gesundheitsaufseher und Gesundheitspflegerinnen in der ›wissenschaftlichen Forschungsstelle für Läusefragen‹ in Berlin speziell geschult werden.661 Neben die tatsächliche und begründete Angst vor Krankheiten trat auch eine diskriminierende Absicht, indem die Behörden immer wiederkehrend vor den verlausten und kranken ausländischen Arbeitskräften warnten und damit das in der NS-Ideologie verankerte Polen-Bild stärken wollten. Stets betont wurde in den behördlichen Mitteilungen, dass ausreichend Distanz der Zivilbevölkerung zu den ausländischen Arbeitskräften gewahrt werden müsse. Im Falle einer Verlausung gehe von ihnen eine Gefährdung für die Gesundheit aus.662 Deutlichstes Zeichen der Diskriminierung war die Stigmatisierung polnischer wie sowjetischer Zivilarbeiter. Äußere Kennzeichnung sollte dafür sorgen, dass die Ausländer im Alltag leicht als solche zu erkennen und entsprechend einfach zu meiden waren.663 Die propagandistische Absicht, die hinter der Denunziation der Polen im ersten Kriegsjahr steckt, lässt der Schnellbrief des Reichsministers des Innern an die Landesregierungen vom 1. Juni 1940 erkennen. Die Läusebekämpfung bei Polen und Kriegsgefangenen wird in der Mitteilung den lokalen Arbeitseinsatzverwaltungen und den Gesundheitsämtern aufgetragen. Sie sollten durch fortwährende Überwachung und Desinfektion die Schlagkraft des Heeres erhalten.664 Zum einen wurde der Krieg so mit der Heimatfront verbunden, zum anderen bezogen die Reichsbehörden die gesamte Bevölkerung ein. Der Rückbezug auf die Schlagkraft des Heeres legt eine Anlehnung an die Dolchstoßlegende nahe, 660 Vgl. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an die Landesregierungen, Reichsstatthalter, Regierungspräsidenten, Reichskommissare und staatlichen wie kommunalen Gesundheitsämter vom 01.06.1940. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert, S. 1–2. 661 Vgl. ebd., S. 2. 662 Vgl. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert. Gesundheitsaufseher Riedel schildert in seinem Bericht, dass die Verzögerungen der Entlausung polnischer Zivilarbeiter im Rittergut Gutenfürst zur gesundheitlichen Schädigung der Umgebung geführt habe. Vgl. außerdem Anlage zur Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ankunft einer größeren Zahl von polnischen Arbeitern sowie Überwachung der polnischen Wanderarbeiter wegen Einschleppung von Ungeziefer. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. In der Anlage teilt der Minister des Innern mit, dass möglichst Zurückhaltung gegenüber den Polen empfohlen wird, um eine Krankheitsübertragung zu vermeiden. Körperliche Berührungen müssten unterbleiben, Bett und Textilien dürften nicht gemeinsam benutzt werden. 663 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 87. 664 Vgl. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an die Landesregierungen, Reichsstatthalter, Regierungspräsidenten, Reichskommissare und staatlichen wie kommunalen Gesundheitsämter vom 01.06.1940. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

247

248 | 

Zwangsarbeit in Plauen

die besagt, dass die deutsche Zivilbevölkerung die Truppen im Ersten Weltkrieg von hinten ›erdolcht‹ habe. Der Kampf sei demnach nicht an der Front, sondern wegen der fehlenden Unterstützung in der Heimat verloren gegangen.665 Hinter der amtlichen Mitteilung steht also der Versuch, das zu Anfang des ›Ausländereinsatzes‹ als zu positiv empfundene Verhalten der deutschen Landbevölkerung gegenüber den Polen zu verändern.666 Ein genereller diskriminierender Umgang sollte durch die Empfehlung der Behörden erreicht werden, »möglichst Zurückhaltung gegenüber den Polen«667 zu üben. »[ J]ede körperliche Berührung unterbleibt«668, lautete die Aufforderung des sächsischen Ministers des Innern. Polen waren folglich nach Kriegsbeginn einer starken Diskriminierung ausgesetzt. Der ›Ausländereinsatz‹ war ein Zugeständnis der Nationalsozialisten an die am Arbeitskräftemangel krankende Wirtschaft. Gleichzeitig sollte der Einsatz unter größtmöglicher Diskriminierung der Polen erfolgen.669 Ein neues Menschenbild der östlichen Nachbarn war nach dem Einmarsch am 1. September 1939 propagiert worden und sollte dazu dienen, die positiven und traditionellen Eindrücke der Deutschen von polnischer Saisonarbeit zu überschreiben. Die reichsweiten Ressentiments konnten durch lokale Bestimmungen verschärft werden.670 Für die Plauener Behörden lässt sich feststellen, dass sie die Vorschriften der höheren Stellen ganz im Sinne des Rassismus umsetzten. Anstatt die sanitären Einrichtungen in den Unterkünften der polnischen Landarbeiter zu verbessern, verfuhren sie nach den Vorgaben des Reiches und führten eine periodische generelle Entlausung durch. Weiterhin mahnten sie die Bauern, auf deren Gütern polnische Landarbeiter eingesetzt waren, zur Überwachung der Körperhygiene bei den ausländischen Zivilarbeitern. Zwar erfolgte in den Verfügungen der lokalen Stellen der Hinweis auf die ausreichende Zurverfügungstellung von fließendem Wasser und Waschgelegenheiten, jedoch sei es zugleich notwendig, dass »sie darüber wachen, dass diese sich auch tatsächlich öfters und gründlich reinigen.«671 665 Vgl. Keil, Lars-Broder  ; Kellerhoff, Sven Felix (2003)  : Deutsche Legenden. Vom »Dolchstoß« und anderen Mythen der Geschichte, Berlin, S. 36–37. 666 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 82. 667 Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ankunft einer größeren Zahl von polnischen Arbeitern sowie Überwachung der polnischen Wanderarbeiter wegen Einschleppung von Ungeziefer. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 668 Anlage zur Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ankunft einer größeren Zahl von polnischen Arbeitern sowie Überwachung der polnischen Wanderarbeiter wegen Einschleppung von Ungeziefer. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 669 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 83–84. 670 Vgl. ebd., S. 109. 671 Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein i. V. Jugend- und Gesundheitsvorsorgeamt vom 21.05.1941 an die Arbeitgeber polnischer Landarbeiter in Plauen. Betreff  : Bekämpfung der Verlau-

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

Um bei der großen Zahl polnischer Zivilarbeiter die vorgesehenen Entlausungen durchführen zu können, wurden die Gesundheitsämter verpflichtet, eigene Gesundheitsaufseher oder Gesundheitspfleger auszubilden. Diese wurden in der Entlausung und in der Einrichtung und Handhabung von Behelfsmaßnahmen geschult.672 Die Schulungsinhalte zeigen, dass die Entlausung eine entwürdigende Prozedur für die ausländischen Arbeitskräfte war. Eine vom Reichsministerium des Innern den Kursen zur Entlausung beigegebene Broschüre erklärte den Vorgang.673 So sollten zum Beispiel, wenn möglich, Bärte und Kopfhaare bei Läusebefall entfernt werden. Zuvor wurde der Körper des Befallenen gründlich untersucht, auch und vor allem im Intimbereich.674 Danach erfolgte die Behandlung mit chemischen Mitteln. In der Broschüre der ›Forschungsstelle für Läusefragen‹ ist der Hinweis zu finden, dass die Haut nach der Behandlung dringend gepflegt werden müsse.675 Die Chemikalien schienen entsprechend aggressiv zu sein. Wie entwürdigend die Maßnahmen für die polnischen Zivilarbeiter waren, lässt eine Mitteilung des Gendarmerie-Postens Gutenfürst an den Landrat zu Plauen vermuten. Im Zuge der Übernahme der kriegsgefangenen Polen in das Zivilverhältnis 1940 wurden die im Lager Gutenfürst untergebrachten Arbeitskräfte auf Läuse untersucht und hatten dafür vor dem gesamten Lager ihre Unterwäsche abzulegen. Während der prophylaktischen Inspektion fielen in der Kleidung tatsächlich Läuse auf. Sofort hielt das Wachpersonal die in den umliegenden Gemeinden eingesetzten Polen zurück. Lager und Insassen sollten entlaust und entwest werden.676 Die Maßnahmen zur Entlausung wurden zudem nicht nur einmal durchgeführt, sondern in regelmäßigen Abständen wiederholt.677 Dies bedeutete eine zusätzliche körperliche Belastung der Polen neben der zumeist schweren landwirtschaftlichen Arbeit.678 sung bei polnischen Landarbeitern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 672 Vgl. Schnellbrief IV g 946/40, 5538 an die Landesregierungen, Regierungspräsidenten, Reichskommissare und staatlichen wie kommunalen Gesundheitsämter, ohne Datum. Betreff  : Schulung und Ausbildung von Gesundheitsaufsehern und Gesundheitspflegerinnen in der wissenschaftlichen Forschungsstelle für Läusefragen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 673 Vgl. Grundlagen der behelfsmäßigen Entlausungsmaßnahmen von Prof. A. Hase und Dr. W. Reichmuth. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 674 Vgl. Broschüre über Entlausungsmaßnahmen, ebd., S. 7. 675 Vgl. ebd., S. 8. 676 Vgl. Gendarmerie-Posten Gutenfürst an den Landrat zu Plauen vom 07.10.1940 betreffs Erörterung, Kleiderläuse bei Polen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 677 Vgl. Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land vom 19.01.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten und Südosten  ; hier  : Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung von Fleckfieber. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Hier legte das Arbeitsamt die Entlausung neu eingesetzter Polen auf zwei Mal innerhalb von zwei Wochen fest. Gleiches Vorgehen sei auch bei neuerlichem Läusebefall einzuhalten. 678 Vgl. für den Einsatz zu schwerer Arbeit in der Landwirtschaft Hoffmann, Katharina (2000)  : Zwangs-

249

250 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Weitere Fälle von Läusen machen deutlich, dass es sich dabei eher um ein typisches Phänomen in Lagern und nicht spezifisch unter polnischen Arbeitskräften handelte. In Pausa wurden im Lager Schützenplatz auch bei Kriegsgefangenen Läuse festgestellt. Der Bürgermeister der Stadt wurde dazu angehalten, alle im Lager befindlichen Gefangenen entlausen zu lassen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Die Entlausung wurde in Plauen im Stadtkrankenhaus durchgeführt.679 Eine weitere Örtlichkeit, die Desinfektionsräume zur Verfügung stellen konnte, war das ›Alte Bad‹ in Pausa. Hier konnten Wannenbäder für die Entlausung genutzt werden. Ebenso stand das Stadtkrankenhaus Reichenbach mit einer Desinfektionsanstalt zur Verfügung. Behelfseinrichtungen gab es Mitte 1941 noch nicht. Der notwendige Transport der ausländischen Arbeitskräfte zur Entlausung nach Plauen oder Reichenbach sollte allerdings keinesfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt werden, da den Behörden die Ansteckungsgefahr für die Bevölkerung zu hoch war.680 Die Häufigkeit des Auftretens von Läusen unter polnischen Arbeitskräften war jedoch auffällig. Auch bei Bauer Otto Schulze in Görschnitz befand sich ein Deutschpole in Beschäftigung, der die Prozedur der Entlausung über sich ergehen lassen musste.681 Ebenso wurde bei Bauer Albert Scharf in Linda ein polnischer Landarbeiter beschäftigt, der von Läusen befallen war.682 Gleichfalls musste das Rittergut in Gutenfürst entwest werden, das als Unterkunft für polnische Landarbeiter diente.683 Deutlich wird anhand der Vielzahl der bei den Plauener Behörden gemeldeten Fälle, dass die hygienischen Umstände der in der Landwirtschaft eingesetzten polnischen Zivilarbeiter fragwürdig und verantwortlich für das häufige Auftreten von Läusen waren. Zwar wiesen die Behörden immer wieder auf die Pflicht der Bauern hin, ihren Kräften ausreichend Waschmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, letztlich arbeit in der Landwirtschaft. In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S.  135. Im Folgenden zitiert als Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. 679 Vgl. Mitteilung des 1. Beigeordneten als Vertreter des Bürgermeisters in Pausa, A. Paul, an den Landrat zu Plauen sowie den Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land und Herrn Riedel, AZ  : V  :35 K/40. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Außerdem Mitteilung des Amtsarztes an den Bürgermeister der Stadt Pausa, Antwort auf das Schreiben vom 26.08.1940. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 680 Vgl. Mitteilung des Reg.-Med.-Rat in Vertretung für den Amtsarzt an den Landrat in Plauen vom 10.05.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 681 Vgl. Mitteilung des Gendarmerie-Postens Elsterberg an den Landrat in Plauen vom 29.09.1940. Betreff  : Entlausung polnischer Landarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Edmund Sollorz wurde am 09.10.1924 in Gischewalde (Kreis Kattowitz) geboren. 682 Vgl. Mitteilung des Gendarmerie-Postens Pausa an den Landrat zu Plauen vom 04.10.1940. Betreff  : Verdacht auf Läuse bei Zdzislaw Dudek. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Name des Landarbeiters war Zdzislaw Dudek, geb. 19.01.1924 in Zalusinkee. 683 Vgl. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

erfüllte das Bild der verlausten Polen aber die durch die Nationalsozialisten propagierte Vorstellung. Rücksichten auf Privatsphäre bzw. ein menschlicher Umgang der Wachmannschaften bei der Leibesvisitation der polnischen Arbeitskräfte im Lager Gutenfürst waren entsprechend dem neuen Polen-Bild verloren gegangen. Gegenüber dem Ausland waren die Nationalsozialisten allerdings bemüht, den ›Ausländereinsatz‹ in der Tradition der Saisonarbeit polnischer Arbeitskräfte erscheinen zu lassen.684 Im Gegensatz zur Ausländerbeschäftigung in gewerblichen Betrieben variierte die Unterbringung polnischen Zivilarbeiter in der Landwirtschaft. In den deutschen Städten entstanden Ausländerlager entweder in bereits existierenden Strukturen wie Turnhallen und Gaststuben oder die Einsatzträger stellten Barackenlager in der Nähe der Arbeitsstelle ausländischer Zivilarbeiter auf. In der Landwirtschaft konnte die Unterbringung unabhängig von der Nationalität der Kräfte einzeln oder ebenfalls in Lagern erfolgen, die sich im Plauener Umland bereits existierender Strukturen bedienten. So setzte beispielsweise Bauer Albert Scharf nur den Polen Zdzislaw Dudek in seinem Betrieb ein, der auch auf seinem Hof in Linda untergebracht war.685 Dagegen entstand im Rittergut Gutenfürst ein Ausländerlager für mehrere polnische Zivilarbeiter.686 Der sich in der Industrie ausprägende Kolonneneinsatz konnte auf dem Land in Verbindung mit der lagermäßigen Unterbringung der Ausländer nur auf großen Gütern erfolgen. Da die Mehrzahl der in der deutschen Landwirtschaft produzierenden Einheiten aber klein- und mittelbäuerliche, oft familienbetriebene Unternehmen waren, setzten diese auch nur eine kleinere Zahl Ausländer ein. Einzelunterbringung ausländischer Zivilarbeiter auf deutschen Bauernhöfen war keine Seltenheit und sie machte es für die nationalsozialistischen Sicherheitsbehörden schwer, eine lückenlose Kontrolle zu gewährleisten. Deshalb rief der Sicherheitsapparat immer wieder die Landbevölkerung auf, bei der Überwachung der Landarbeiter unterstützend einzugreifen.687 Nachfolgend wurde soziale Kontrolle zum Instrument im ›Ausländereinsatz‹ in der Landwirtschaft. Dementsprechend abhängig waren die Ausländer von der Einstellung sowie Verfahrensweise der einzelnen Akteure. Für die Betreuung der landwirtschaftlich eingesetzten Kräfte war nicht wie in der Stadt bzw. in der Industrie die DAF, sondern der Reichsnährstand zuständig.688 Hinter 684 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 132. 685 Vgl. Mitteilung des Gendarmerie-Postens Pausa an den Landrat zu Plauen vom 04.10.1940. Betreff  : Verdacht auf Läuse bei Zdzislaw Dudek. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Name des Landarbeiters war Zdzislaw Dudek, geb. 19.01.1924 in Zalusinkee. 686 Vgl. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert. 687 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 132–133. 688 Vgl. Anordnung Nr. 4 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über die Anwerbung, Betreuung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Vom 07.05.1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 80.

251

252 | 

Zwangsarbeit in Plauen

dem Reichsnährstand verbarg sich die im September 1933 zwangsweise entstandene Vereinigung aller an der Produktion und dem Verkauf von Lebensmitteln beteiligten Personen. Dem Reichsnährstand war der Reichsbauernführer vorangestellt.689 Weisungsbefugt waren Kreis- und Ortsbauernführer, die beispielsweise rechtliche Bestimmungen den bäuerlichen Betrieben zur Kenntnis gaben.690 Zuständig war der Reichnährstand für die Kontrolle der Unterkünfte sowie die Betreuung der Ausländer in der Freizeit. Anders als in der Industrie waren die Aufgaben in den bäuerlichen Betrieben allerdings nicht zeitlich gebunden. Je nach Jahreszeit fielen die unterschiedlichsten Arbeiten an, die der Bauer den bei ihm eingesetzten Ausländern auftrug. Neben Feldund Gartenarbeit fiel die Weiterverarbeitung der erzeugten Produkte an. Landwirtschaftlich eingesetzte Ausländer verfügten aufgrund der Aufgabenfülle kaum über Freizeit. Geregelte Arbeitszeiten gab es nicht.691 Diese Umstände erinnern an den Arbeitsalltag der ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹. Auch sie waren ohne geregelte Arbeitszeiten bei der deutschen Dienstfamilie eingesetzt. Die Einzelunterbringung in bäuerlichen Betrieben isolierte die landwirtschaftlich eingesetzten Polen von Landsleuten, wie auch die Unterkunft der Hausgehilfinnen im Haushalt der Dienstfamilie keinen Kontakt zu anderen Ostarbeitern zuließ. Vergleichbar in Land- und Hauswirtschaft scheint auch die Abhängigkeit des Einzelnen von den deutschen Akteuren gewesen zu sein. Bei guter Arbeitsleistung stand den polnischen Zivilarbeitern in der Landwirtschaft ebenso wie Hausgehilfinnen in Aussicht, dass der Einsatzträger Lohnzuschläge gewährte. Katharina Hoffmann ermittelte in ihrer Studie zu Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, dass die Löhne der Ausländer je nach Lohngebiet, Alter und Geschlecht variierten.692 Ähnlich errechneten sich auch die Entgelte der ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹. Wie gezeigt wurde, unterschieden sich die Löhne je nach Dienstort. Das Deutsche Reich war in der Reichstarifordnung vom 8. Januar 1940 in vier Gebietsgruppen eingeteilt worden. Sachsen fiel in Lohngruppe II, ebenso wie Thüringen, Hessen, Niedersachsen, Brandenburg, Südwestdeutschland, Mittelelbe und das Wirtschaftsgebiet Nordmark mit Ausnahme Schleswig-Holsteins. Der Verdienst der 689 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S.  95. Zu Entstehung, Organisation und Aufgaben des Reichsnährstandes vgl. Frank (1988)  : Der »Reichsnährstand« und seine Ursprünge. 690 Vgl. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Landesarbeitsämter vom 12.08.1942. Betreff  : Ostarbeiter  ; hier  : Krankenversorgung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Der Schnellbrief wurde vom Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Arbeitsämter weitergeleitet. Angehängt ist eine Notiz, dass den landwirtschaftlichen Betrieben die rechtlichen Neuerungen über den Ortsbauernführer zur Kenntnis gegeben werden. 691 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 135 sowie Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 692 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 133.

Der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter |

ausländischen Arbeitskräfte, im Speziellen wurde hier auf die Polen Bezug genommen, bewegte sich zwischen 50 und 85 Prozent der Einkommen deutscher Landarbeiter.693 Hoffmann stellte nach den Vorgaben der Reichstarifordnung für das wie Sachsen in Lohngebiet II liegende Niedersachsen fest, dass männliche Polen über 21 Jahren einen Monatslohn von 25  RM erhalten konnten. Bei Frauen bewegte sich der Betrag um 17,50  RM. Beide Geschlechter waren bei freier Kost und Logis eingesetzt.694 Vergleicht man nun den Lohn der ›hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen‹, stellt man fest, dass diese mit ihrem Monatsverdienst zwischen sieben und 18 RM695 ähnlich wie die landwirtschaftlich eingesetzten Polinnen entlohnt wurden. Berücksichtigt man nun noch die in der Industrie beschäftigten Ostarbeiterinnen, fällt auf, dass sich deren Löhne zu Beginn ihres Einsatzes 1942 auf ähnlichem Niveau bewegten. In der Tegewe erhielten die weiblichen Sowjets im Juli 1942 höchstens 19 RM im Monat, lässt man die gesparte Summe außer Acht. Der niedrigste Nettoverdienst lag bei 9,20 RM.696 Für die Löhne der Polen und Ostarbeiter in Industrie und Landwirtschaft lässt sich also feststellen, dass sie weit unter dem Verdienst der deutschen Arbeitskräfte lagen. Die Anhebung des Bruttoverdiensts auf das Niveau der Deutschen geht auf die Befürchtung der Behörden zurück, Bauern könnten den billigeren Ausländern den Vorzug vor deutschen Kräften geben. Durch Sondersteuern blieb das Nettoentgelt entsprechend gering. Festgestellt werden muss abschließend, dass der Verdienst der Polen in der Landwirtschaft und der der Ostarbeiter zu Beginn ihres Einsatzes in der Industrie annähernd gleich waren. Dies änderte sich jedoch, als beide Gruppen in der gleichen Branche eingesetzt wurden. So galten für die ab 1942 ebenfalls in die Landwirtschaft hereingeholten Ostarbeiter niedrigere Löhne. Entgegen den behördlichen Vorgaben erkannten die Einsatzträger Polen bei guter Leistung außerdem übertarifliche Verdienste zu, da der Druck des Arbeitskräftemangels groß war.697 Für Ostarbeiter in Plauen kamen Zulagen erst Ende 1943 zum Tragen. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie vereinzelt und auf eigene Kosten des Einsatzträgers gewährt. Wie bereits erwähnt, fand zwar ein Großteil der polnischen Zivilarbeiter Einsatz in der Landwirtschaft, aber dies galt nicht ausschließlich. Auch gewerbliche Betriebe nutzten die Arbeitskraft aus Polen wie zum Beispiel im Eisenbahnbau.698 Zwei Be693 Vgl. Reichstarifordnung für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die nicht im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, mit Ausnahme derjenigen, deren Arbeitsbedingungen Gegenstand von Staatsverträgen sind vom 8. Januar 1940. In  : RABl. Nr. 2, 15.01.1940, Teil IV, S. 38–40. 694 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 133. 695 Vgl. Winkler (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen«, S. 156. 696 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 01.–15.07.1942 und Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.07.1942. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert. 697 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 133–134. 698 Vgl. Mitteilung des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat des Kreises Plauen vom 26.06.1941. Betreff  : Besichtigung des Gemeinschaftslagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel

253

254 | 

Zwangsarbeit in Plauen

sonderheiten lassen sich gegenüber der gewerblichen Beschäftigung polnischer Arbeitskräfte für diejenige in der Landwirtschaft feststellen. Zum einen wurden in die Plauener Peripherie ganze Familien verbracht. So registrierte das Gesundheitsamt Plauen-Land ein acht bis zehn Jahre altes polnisches Mädchen in seinem Zuständigkeitsbereich.699 Ob dieses jedoch zur Arbeit eingesetzt wurde, kann nur vermutet werden, denn Katharina Hoffmann gibt in ihrer Studie an, dass polnische Kinder offiziell erst nach dem zwölften Lebensjahr als arbeitsfähig galten.700 Wenn die Eltern und, falls vorhanden, auch ältere Geschwister in der Plauener Landwirtschaft eingesetzt waren, ist die Frage nach der Betreuung des Kindes zu stellen. Vermutlich ging das Mädchen gemeinsam mit seiner Familie in den bäuerlichen Betrieb, in dem sie in der Folge mithalf. Sicherlich kann auch bei der Verschleppung ganzer Ostarbeiterfamilien in die Plauener Industrie von einem Einsatz von Kindern unter dem 14. Lebensjahr ausgegangen werden. Trotz der aufgezählten Nachteile war die Landwirtschaft unter den ausländischen Arbeitskräften, insbesondere unter denen aus den besetzten Ostgebieten, ein beliebter Einsatzort. Sogar Sonn- und Feiertage verbrachten ausländische Industriearbeiter mit einer Beschäftigung auf bäuerlichen Höfen. Die dauerhafte Mangelernährung durch die Gemeinschaftsversorgung hatte vor allem Ostarbeiter ausgezehrt. Auf den Bauernhöfen arbeiteten sie in ihrer wenigen Freizeit nur, um am Abend vor Ort ihren Hunger stillen zu können.701 Insgesamt können die Lebens- und Arbeitsbedingungen der polnischen Zivilarbeiter in der Landwirtschaft als bedrückend bezeichnet werden. Durch etwaige Einzelunterbringung auf den Höfen waren sie ebenso wie die Hausgehilfinnen isoliert und an die deutsche Bauernschaft gebunden. Die Löhne bewegten sich bis zu 50 Prozent unter denen der Deutschen, geregelte Arbeitszeit sowie Freizeit gab es kaum. Für die schwere körperliche Arbeit wurden ganze Familien aus ihrer Heimat ins Reich verbracht und vermutlich auch Kinder unter zwölf Jahren eingesetzt. Ihre Situation konnte durch die ständige soziale Kontrolle durch die deutsche Bevölkerung erschwert werden. Andererseits boten sich auch Freiheiten, denn das Netz der sicherheitspolizeilichen Überwachung war weniger engmaschig als in den Städten. Der Kontakt zu Deutschen blieb jedoch streng reglementiert. Keine Probleme bereitete den polnischen Zivilarbeitern die Ernährung. Durch den direkten Zugang zu den Lebensmitteln waren sie ausreichend versorgt. Andere AusSteinicht in Rentzschmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 699 Vgl. Mitteilung des Regierungsmedizinalrates Dr. Müller an den Regierungspräsidenten in Zwickau am 23.05.1941. Betreff  : Kontrolle der polnischen Landarbeiter auf Läusebefall im Bereich des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 700 Vgl. Hoffmann (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, S. 135. 701 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 198.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

ländergruppen, hauptsächlich allerdings die von der Lebensmittelkontingentierung am stärksten betroffenen Ostarbeiter, kamen neben ihrem eigentlichen Einsatz noch zur Arbeit in die Landwirtschaft, um Hunger und Nährstoffmangel kurze Zeit lindern zu können. Denn Mangelernährung hatte nicht nur sinkende Arbeitsleistungen zur Folge, sondern barg vor allem gesundheitliche Risiken, die im Folgenden zu erläutern sind. 4.2 Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern – Das Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ für Ostarbeiter Ursachen für eine Arbeitsunfähigkeit konnten bei ausländischen Zivilarbeitern vielfältig sein. Unfälle, Erkrankungen und Mangelernährung hatten vor allem für Ostarbeiter weitreichende Konsequenzen. Im schlimmsten Falle starben die ausländischen Arbeitskräfte an den Folgen der Zwangsarbeit. Anstatt die hygienischen Umstände in den Ausländerlagern zu verbessern und damit die Ausbreitung der Haupttodesursache Tuberkulose702 einzudämmen, war das dominierende Thema im Gesundheitsamt Plauen-Land die Behandlung des Läusebefalls unter den ausländischen Arbeitskräften – ohne auch hier die Ursachen zu beheben. Zuerst widmeten sich Bestimmungen der Reichsbehörden sowie lokaler Stellen der als mangelhaft angenommenen Gesundheit der Polen. Nach Hereinnahme der Ostarbeiter löste die Sorge um die durch Sowjets eingeschleppten Krankheiten die Bedenken gegenüber den polnischen Arbeitskräften ab. Nun mahnte man fortfährend vor den von Ungeziefer befallenen Ostarbeitern. Dementsprechend machten sich die Plauener Behörden daran, die »Verlausung, soweit sie schon besteht, restlos zu bekämpfen, ihre Neueinschleppung und Weiterverbreitung zu verhüten[.]«703 Die 702 Vgl. Namensliste für verstorbene Angehörige der UdSSR und der Vereinten Nationen, die in der Kriegsperiode 1939–1945 umgekommen und auf deutschem Territorium begraben sind, Land Sachsen, Kreis Plauen, Ort Kauschwitz, Rückkehrerlager Holzmühle, 2.1.4.2 / 70993445/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993446/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993447/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993448/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993449/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993450/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993451/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993452/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993453/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993454/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993455/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993456/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993457/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993459/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Im Folgenden zitiert als Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 103 von 636 Personen starben aus anderen Gründen als Tbc. In der Hauptsache befanden sich Ostarbeiter in der Holzmühle. Hinzu kamen drei Polen, zwei Franzosen und ein Ungar. 703 Schnellbrief IV g 946/40, 5538 an die Landesregierungen, Regierungspräsidenten, Reichskommissare und staatlichen wie kommunalen Gesundheitsämter, ohne Datum. Betreff  : Schulung und Ausbildung von Gesundheitsaufsehern und Gesundheitspflegerinnen in der wissenschaftlichen Forschungsstelle für Läusefragen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

255

256 | 

Zwangsarbeit in Plauen

fortwährenden Maßnahmen gegen Polen und Ostarbeiter hatten zwei Gründe. Zum einen indizierte das Ungeziefer die tatsächlichen schlechten hygienischen Verhältnisse in den Ausländerlagern. Gleichzeitig konnte es ansteckende Krankheiten übertragen. Zum anderen waren Läuse und Flöhe den Nationalsozialisten Beweis für das ›Untermenschentum‹ der Arbeitskräfte aus dem Osten Europas. Ungeziefer und durch schlechte Hygiene ausgelöste Krankheiten beeinträchtigten vor allem die Lebensbedingungen der Ostarbeiter und Polen, bedrohten im Laufe des Krieges aber auch immer mehr die Gesundheit der Westarbeiter. In diesem Kapitel sollen nun Hygiene und medizinische Versorgung unter Rückbezug auf die diskriminierende Gesetzgebung und gezielte Vernachlässigung der ausländischen Zivilarbeiter diskutiert werden. Ziel ist es, darzustellen, welche Krankheiten unter den ausländischen Zivilarbeitern häufig auftraten, worin die Gründe der Erkrankungen lagen und welche Faktoren zur Entstehung sowie Belegung des Rückkehrersammellagers in der Gaststätte ›Holzmühle‹ führten. Außerdem sollen die Bedingungen in den medizinischen Einrichtungen für Ausländer in der Stadt Plauen geprüft werden. Eine Erkrankung, die eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich zog, bedeutete für die meisten Ostarbeiter in Plauen ab 1943 beinahe den sicheren Tod. In der ersten Jahreshälfte 1943 wurde zur Entlastung der Betriebslager ein Behelfskrankenhaus in der Gaststätte ›Holzmühle‹ eingerichtet, das sich schnell zur Siechenstation für sowjetische Arbeitskräfte, die in ganz Westsachsen eingesetzt waren, entwickelte. Wie bereits erwähnt, war Tuberkulose die häufigste Todesursache. Hinzu kamen die Folgen der Mangelernährung und die Lasten des Arbeitseinsatzes. Wie groß das Spektrum der Leiden war, zeigt die beim Internationalen Suchdienst verwahrte Aufstellung der in der ›Holzmühle‹ Verstorbenen. Todesursache bzw. häufig auftretende Erkrankungen in der ›Holzmühle‹ waren Lungen-Tbc, Herzinsuffizienz, allgemeine Körperschwäche, Magengeschwüre, Magenkrebs, Pleuritis, Ödeme, Zirrhosen, Gelenkrheuma, Epilepsie, chronische Bronchitis, Nephrose, Marasmus und Asthma, aber auch Geistesschwäche.704 Die Erkrankungen, die als Grund für die Überführung in die ›Holzmühle‹ angegeben wurden, waren in den meisten Fällen auch Todesursache. Hinzu kamen Schlaganfälle und Herzinfarkte.705 Obwohl Tuberkulose als Haupttodesursache im Lager ermittelt wurde, musste sie nicht zwangsläufig Grund für die Arbeitsunfähigkeit der Ausländer gewesen sein und zur Überstellung geführt haben. Das Behelfskrankenhaus und Rückkehrersammellager weitete sich im Laufe seines Bestehens auf die gesamte Anlage des Ausflugslokals ›Holzmühle‹ aus. Trotz der Erweiterung schuf man keine Möglichkeit zur Isolierung der Tbc-Patienten.706 Eine Ansteckung mit offener Tuberkulose war bei der schlech-

704 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 705 Vgl. ebd. 706 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

ten Körperkonstitution der Patienten demnach nur eine Frage der Zeit. Die noch zu diskutierende Überbelegung des Lagers verschärfte die Situation zusätzlich. Wie verzweifelt die erkrankten Ostarbeiter in der ›Holzmühle‹ gewesen sein müssen, zeigt die Tatsache, dass sich Petro Borotkiwitz am 3. September 1943 mit einem Messer das Leben nahm. Zuvor hatte er vermutlich Anton Kostink erstochen.707 Die genauen Umstände der Tat müssen allerdings im Dunkeln bleiben. Bis Kriegsende starben 678 Patienten in der ›Holzmühle‹ an den Folgen der Zwangsarbeit. So weist es ein Gedenkstein in der Nähe des Geländes aus.708 Die Aufstellungen des Internationalen Suchdienstes verzeichnen dagegen 636 Opfer, die aus den besetzten Ostgebieten, Polen und Frankreich stammten. Die Differenz zwischen den Angaben des ITS und denen der örtlichen Behörden, die für die Aufstellung des Gedenksteins verantwortlich waren709, könnte darauf zurückgeführt werden, dass sich die beim ITS verwahrte Aufstellung lediglich auf die in einem Massengrab in Kauschwitz beigesetzten Ausländer bezog.710 Nachkriegsermittlungen der städtischen Behörden legen sogar 695 Todesopfer im Lager ›Holzmühle‹ nahe.711 Entstanden war die irreführenderweise als Rückkehrersammellager bezeichnete Einrichtung in Kauschwitz auf Befehl des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen zu Jahresbeginn 1943. Grund für die Internierung arbeitsunfähiger Ostarbeiter war die schwierige Lage des Transports in die besetzten Ostgebiete. Bislang verfuhren die Arbeitseinsatzbehörden so, dass »dauernd nicht einsatzfähige Ostarbeiter in ihre Heimat zurückzubefördern [waren.]«712 Auch Polen sollten bei anhaltender Arbeitsunfähigkeit in ihre Heimat überführt werden.713 Um den Rücktransport der großen Zahl an arbeitsunfähigen Ausländern zu organisieren, erging der Befehl zur Einrichtung von Rückkehrersammellagern durch den GBA schon im Oktober 1942. In den 707 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 708 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124–125. 709 Vgl. Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, an den Direktor des Vogtländischen Kreismuseums vom 23.03.1966. Betreff  : Ermittlungssache  : In Plauen beigesetzte ausländische Bürger im Zweitraum 1939–1945, Lager Holzmühle. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 23–24. 710 Vgl. Aufstellung der auf dem Russenfriedhof in Kauschwitz beerdigten sowj. Bürger vom 25.11.1949. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 4–14. 711 Vgl. Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, an den Direktor des Vogtländischen Kreismuseums vom 23.03.1966. Betreff  : Ermittlungssache  : In Plauen beigesetzte ausländische Bürger im Zweitraum 1939–1945, Lager Holzmühle. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 23–24. 712 Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter am 17.03.1943. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern  ; hier  : Errichtung eines Rückkehrersammellagers in Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 713 Vgl. Verordnung zum Einsatz ausländischer Arbeitskräfte  ; hier  : Kosten der Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei Todesfällen, vom 22. Oktober 1940. In  : RABl. Nr. 31, 05.11.1940, Teil I, S. 528–530.

257

258 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Lagern sollten die arbeitsunfähigen Ausländer gesammelt und für die Rücktransporte in Gruppen eingeteilt werden. In regelmäßigen Abständen sollten dann Züge von zentraler Stelle für die Rückführung abgehen.714 Nachdem die Transportwege in die besetzten Ostgebiete aufgrund der sich verlagernden Front, fehlender Rohstoffe und Transportmittel nicht mehr zu passieren waren, verblieben die ausländischen Arbeitskräfte einfach in den Lagern. Es erfolgte die Einrichtung weiterer Lager, die ebenfalls als Rückkehrersammellager firmierten, aber deren Zweck ein anderer war, wie noch zu zeigen sein wird. Als Zeichen des diskriminierenden Umgangs deutscher Behörden mit Ostarbeitern blieb der individuelle Gesundheitszustand der Ausländer in den Rückkehrersammellagern und bei der Rückführung, die die Reichsbahn unter Einsatz möglichst weniger finanzieller Mittel besorgen sollte, außen vor. Die Rückführungen erfolgten grundsätzlich in unbeheizten Zügen, in denen hochinfektiöse Patienten mit anderen zusammen tagelang eingepfercht waren.715 Der Beauftragte für den Arbeitseinsatz hatte den Ablauf ursprünglich wie folgt bestimmt. Die arbeitsunfähigen Ostarbeiter sollten in kleinen Trupps unter Begleitung von Sanitätern im Rahmen des normalen Zugverkehrs in die Ostgebiete transportiert werden. Aufgrund der großen Zahl an arbeitsunfähigen Ostarbeitern war die Bahn allerdings schon im Juli 1942 an ihre Grenzen gestoßen, weshalb in der Folge Sonderzüge für den Rücktransport eingesetzt wurden. Diese Züge verkehrten in regelmäßigen Abständen zwischen dem Reich und den Aufnahmelagern in den besetzten Ostgebieten. Entsprechende Lager waren in Brest, Kowel und Dubno eingerichtet. Die Organisation der Rücktransporte übernahmen die jeweiligen entsendenden Landesarbeitsämter zusammen mit der Reichsbehörde des GBA. Für die Verpflegung auf der Fahrt war die DAF zuständig. Die Ostarbeiter sollten warme Suppen und Getränke erhalten. Bereitzustellen waren die Mahlzeiten allerdings von den abgebenden Betrieben. Jedem Sonderzug sollte ein Waggon zur Unterbringung von Verpflegung für fünf Tage angeschlossen sein.716 Die angekündigten Sonderzüge waren jedoch nur unbeheizte Güterwaggons, für deren Beheizung sich Fritz Sauckel noch kurz vor dem Stopp der Rückführungen eingesetzt hatte.717 Dies ging vermutlich auf den Versuch zurück, die Rückkehrer nicht 714 Vgl. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 16.10.1942. Betreff  : Nichteinsatzfähige Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. außerdem Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 230. 715 Vgl. Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 26.05.1943. Betreff  : Rückführung nicht-einsatzfähiger Ostarbeiter  ; hier  : Behandlung von offen Tuberkulösen und Auswirkung der Rückführungen auf die Stimmung in der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 716 Vgl. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 08.08.1942. Betreff  : Ostarbeiter  ; hier  : Rückführung Arbeitsunfähiger. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 717 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmäch-

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

noch weiter zu strapazieren, sodass sie zumindest die Rückführung überstanden. Die Stimmung in den besetzten Ostgebieten war durch die Rücktransporte belastet worden. Die einheimische Bevölkerung erschrak angesichts des Zustands der Heimkehrenden. Partisanenbewegungen erhielten Zulauf.718 Die Rückkehrer waren außerdem zum Problem geworden, denn es bestand aus Sicht der deutschen Behörden die Gefahr, dass die Arbeitskräfte ihre Arbeitsunfähigkeit auf die schlechten Bedingungen im Reich zurückführten. Die Arbeitseinsatzbehörden fürchteten 1943 massiv um ihre Werbungszahlen.719 Das Reich hatte die finanzielle Verantwortung für die Ostarbeiter vollends an die Betriebe abgegeben. So mussten sie nicht nur die Kosten für die Versorgung auf der Rückführung, sondern für die Rückführung insgesamt aufkommen. Ihnen wurde ein Betrag in Höhe von 16,30  RM berechnet.720 Dies galt aber nur, sofern die Unternehmen die Arbeitskraft mehr als sechs Wochen in Anspruch genommen hatten. Vor Ablauf der Frist bestand eine Art Rückgaberecht, wenn der Ostarbeiter für die auszuführenden Arbeiten nicht geeignet oder körperlich unfähig war. Dann übernahm der Fiskus die Kosten der Rückführung. Diese Regelung geht auf die Erfahrungen mit dem Polen-Einsatz zurück.721 Die Kosten für eine Rückführung setzten sich wie folgt zusammen. 13,30 RM waren für den Transport bis zur deutschen Grenze zu entrichten und 3  RM fielen für die Verpflegung an. Vermutlich variierten die Transportkosten je nach Entfernung des Einsatzortes von der östlichen Grenze des Reiches. Am Beispiel der Ostarbeiterin Wjera Popowa, die infolge ihrer Krankheit Anfang 1944 in ihre Heimat zurücktransportiert werden sollte, lassen sich die ungefähren Kosten ermitteln, die auf ein Unternehmen aus dem Regierungsbezirk Zwickau zukamen. Die junge Frau war in der Vigogne-Spinnerei in Werdau bei Zwickau eingesetzt.722 Die Kosten für eine

718 719

720 721 722

tigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 190–191. Vgl. Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 26.05.1943. Betreff  : Rückführung nicht-einsatzfähiger Ostarbeiter  ; hier  : Behandlung von offen Tuberkulösen und Auswirkung der Rückführungen auf die Stimmung in der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. Mitteilung des Arbeitsamtes Zwickau an die Vigogne-Aktien-Spinnerei Werdau vom 14.03.1944. Betreff  : Rückführung erkrankter Ostarbeiterinnen in die Heimat. In  : StAC, Best. 31165 VigogneAktien-Spinnerei Werdau und Nachfolger, Nr. 25, nicht foliiert. Vgl. Verordnung zum Einsatz ausländischer Arbeitskräfte  ; hier  : Kosten der Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei Todesfällen, vom 22. Oktober 1940. In  : RABl. Nr. 31, 05.11.1940, Teil I, S. 528–529. Vgl. Mitteilung des Arbeitsamtes Zwickau an die Vigogne-Aktien-Spinnerei Werdau vom 14.03.1944. Betreff  : Rückführung erkrankter Ostarbeiterinnen in die Heimat. In  : StAC, Best. 31165 VigogneAktien-Spinnerei Werdau und Nachfolger, Nr. 25, nicht foliiert.

259

260 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Rückführung aus Plauen dürften sich mit 16,30 RM im gleichen finanziellen Rahmen bewegt haben. Mit Stillstand der Eroberungen und beginnendem Rückzug der Wehrmacht vor der Roten Armee war es im ›totalen Krieg‹ schließlich unmöglich geworden, aufgrund der mit der militärischen Lage einhergehenden Zerstörungen regelmäßig Transporte in die Ostgebiete zu gewährleisten. Der GBA teilte dem LAA Sachsen 1943 diesbezüglich mit, dass lediglich eine Überführung der Rückkehrer in die geräumten Aufnahmelager nach Brest-Litowsk, Dubno und Kowel möglich sei. Die Landesarbeitsämter sollten weitere Rückkehrersammellager einrichten, in denen die arbeitsunfähigen Ostarbeiter des jeweiligen Bezirks aufzunehmen waren.723 Für den Gau Sachsen verfügte das Landesarbeitsamt, dass ab März 1943 »alle Arbeitsämter, mit Ausnahme der Arbeitsämter Bautzen, Löbau, Neugersdorf, Zittau und Kamenz, die künftig neu anfallenden Rückkehrer (Ostarbeiter  !) dem Arbeitsamte Plauen zuführen [sollten.]«724 Im Zuge dieser Anordnung entstand das Lager in der Gaststätte ›Holzmühle‹.725 Wie der Fall von Iwan Golajew zeigt, waren Erkrankungen nicht einziger Grund für eine Überstellung in die ›Holzmühle‹. Der 20-Jährige aus Kamenka hatte sich bei einem Unfall eine Kniefraktur zugezogen, die ihn arbeitsunfähig machte. In der ›Holzmühle‹ hatte er sich dann vermutlich noch mit Tbc infiziert, was zu seinem Tod im Januar 1943 führte.726 Festgestellt sei an dieser Stelle noch, dass viele der vom ITS verzeichneten 635 Opfer etwa 20 Jahre alt und damit ausgesprochen jung waren.727 Die Jüngste unter ihnen war Ewgenia Bogdanenka. Sie starb 1944 nur neun Tage nach ihrer Geburt.728 Welche Umstände zum Tod des Säuglings führten, wird nachfolgend noch zu behandeln sein. Für den Moment bleibt festzustellen, dass das nationalsozialistische Regime im ›totalen Krieg‹ auf jede Arbeitskraft angewiesen war, weshalb man Ende 1942 von der vorher gängigen Verfahrensweise abrückte, auch Schwangere in die Heimat zurückzusenden.729 Indem man sowohl arbeitsunfähige als auch schwangere Ausländer im Reich beließ, waren die Behörden nun gezwungen, 723 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter am 17.03.1943. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern  ; hier  : Errichtung eines Rückkehrersammellagers in Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 724 Ebd. 725 Ebd. 726 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen, 2.1.4.2 / 70993450/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 727 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 450 der 635 Opfer waren Jahrgang 1923 und jünger. 728 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 729 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

neue Bestandteile des Alltags wie die medizinische Versorgung und die Entbindung neu zu regeln. Die Betreuung werdender Mütter legte der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz in die Hand der Arbeitsämter. Die Plauener Behörde entschied sich daraufhin, eine »primitive Entbindungsstube im Restaurant ›Holzmühle‹«730 für die schwangeren Ostarbeiterinnen und Polinnen zu errichten. Zwar setzten die Plauener Behörden hier medizinisches Fachpersonal ein, doch die übrigen Bestimmungen zur sogenannten »Kreisentbindungsstelle«731 waren restriktiv und rassistisch. So mussten die Frauen beispielsweise nur 48 Stunden nach der Entbindung mit ihren Neugeborenen in das entsprechende Betriebslager zurückkehren.732 Hier ist von einer erhöhten Sterblichkeit der Mütter und Kinder auszugehen. Während sich das Arbeitsamt Plauen für medizinisch geschultes, unter Umständen sogar deutsches Personal in der Entbindungsstube entschied733, vermutet Werner Hernla in seiner Studie zur ›Holzmühle‹ im Rückkehrersammellager ausschließlich sowjetische Schwestern und Ärztinnen. Sie entstammten wahrscheinlich dem Sanitätsdienst der Roten Armee und waren Kriegsgefangene.734 Zur Behandlung der im Lager kursierenden Krankheiten verfügte das medizinische Personal jedoch über nur wenig Medikamente und Geräte. Besonders schwer wogen fehlende Desinfektionsund Quarantänemöglichkeiten, da das Ansteckungsrisiko bei der offenen Tuberkulose besonders hoch war. Die bakterielle Infektion, die alle möglichen Körperstellen wie Drüsen, Knochen, Organe und Membrane befallen konnte735, erforderte Isolation der Betroffenen und vor allem medikamentöse Behandlung.736 Medikamente wurden von den Betriebskrankenkassen jedoch grundsätzlich nicht an Ostarbeiter ausgegeben. Erst mit Einsetzen der Sozialversicherungspflicht 1944 hätte die medikamentöse Behandlung bei Tbc erfolgen können. Jedoch blieb die medizinische Versorgung wie bei allen ausländischen Arbeitskräften wegen des formalen Krankenversicherungs-

730 Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 731 Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 732 Vgl. Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 733 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 734 Vgl. Hernal (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124. 735 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 736 Vgl. Robert-Koch-Institut (2015)  : Art. Tuberkulose. In  : RKI  – Ratgeber für Ärzte, http://www.rki. de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tuberkulose.html#doc2374486bodyText5 30.11.2016.

261

262 | 

Zwangsarbeit in Plauen

schutzes zweitklassig737, weshalb es fraglich ist, ob das Rückkehrersammellager in Kauschwitz überhaupt Medikamente erhielt. Außerdem muss Tuberkulose rechtzeitig erkannt werden, um sie behandeln und eine weitere Ausbreitung des Erregers verhindern zu können.738 Zur Belegungsstärke des Rückkehrersammellagers liegen nur bedingt Angaben in den gesichteten Unterlagen vor. So gab der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen in seiner Mitteilung zur Verfahrensänderung bei Rückführungen an die lokalen Arbeitsämter bekannt, dass die Arbeiten in der ›Holzmühle‹ so weit fortgeschritten seien, »daß das Rückkehrersammellager zur Zeit etwa 350 Personen aufzunehmen vermag.«739 Da die ›Holzmühle‹ nur eines von zwei Rückkehrerlagern in Sachsen war740 und die Zahl der arbeitsunfähigen Ausländer stetig stieg741, muss die Belegung des Lagers bis Kriegsende exponentiell angestiegen sein. Auszugehen ist von einer doppelten bis dreifachen Belegungsstärke. Welche Umstände dazu führten, dass vorwiegend Ostarbeiter ins Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ eingewiesen wurden, soll im Folgenden diskutiert werden. Einzugehen ist auf die Hygiene in den Ausländerlagern ebenso wie auf die medizinische Versorgung. Fehlender Arbeitsschutz und mangelnde Bekleidung förderten Unfälle und Erkrankungen. Nicht zu vergessen ist die mangelhafte Ernährung der Ostarbeiter als Ursache für ein geschwächtes Immunsystem. Ziel ist es, zu illustrieren, welche Auswirkungen die Zwangsarbeit im Reich auf die Physis der Ostarbeiter sowie der Polen hatte. 4.2.1 Gesundheitliche Risiken des ›Arbeitseinsatzes‹ – Hygiene, Kleidung, Arbeitsschutz

Die Bestimmungen, die die nationalsozialistischen Behörden zur Hygiene in Auslän­ derlagern, zu Kleidung und Arbeitsschutz erließen, dienten ausschließlich der Aufrechterhaltung und Steigerung der Arbeitsfähigkeit ausländischer Zivilarbeiter. Je nach Gruppenzugehörigkeit und Diskriminierungsgrad beeinflussten sie die Lebensund Arbeitsbedingungen unterschiedlich stark. Wurden Hygiene und Arbeitsschutz vernachlässigt, konnte dies gesundheitliche Risiken bergen, die zu einer schweren Erkrankung, gefolgt von Rückführung oder Internierung in einem Rückkehrersammellager führten. Zu nennen ist an dieser Stelle auch die Ernährung, die je nach Grup737 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 139–140. 738 Vgl. Robert-Koch-Institut (2015)  : Art. Tuberkulose. In  : RKI  – Ratgeber für Ärzte, http://www.rki. de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tuberkulose.html#doc2374486bodyText5 30.11.2016. 739 Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter am 17.03.1943. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern  ; hier  : Errichtung eines Rückkehrersammellagers in Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 740 Vgl. ebd. 741 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 188.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

penzugehörigkeit variierte und Grund für Arbeitsunfähigkeit sein konnte. Sie soll für die ausländischen Zivilarbeiter aufgrund der fehlenden Überlieferung nur insoweit diskutiert werden, als diejenigen Erkrankungen aufzuzeigen sind, die auf eine Mangelernährung zurückzuführen waren. Nachfolgend wird dargestellt, wie sich die Regelungen aus den ›Polen-Erlassen‹ zu Hygiene, Kleidung und Arbeitsschutz in der Gesetzgebung für Ostarbeiter manifestierten. Außerdem soll die Situation der Westarbeiter mit der der Polen und Ostarbeiter verglichen werden. Festgestellt werden konnte bereits, dass die Lagerunterbringung ursprünglich nur für Polen und Ostarbeiter vorgesehen war.742 Zuständig für die »seuchenhygienische Überwachung«743 der Ausländerlager in den Städten waren Gesundheitsamt744 und Gewerbeaufsicht, die Deutsche Arbeitsfront und das Arbeitsamt745. Waren ausländische Zivilarbeiter auf Landgütern untergebracht, übernahm der Reichsnährstand die Funktionen der DAF. Involviert waren außerdem Kreisbauernführer und/oder Ortsbauernführer.746 Mit steigender Belegungszahl wuchs in den Unterkünften die Gefahr von Seuchen und Krankheiten.747 Statt der Gesundheit der Ausländer stand bei den mit der seuchenhygienischen Überwachung betrauten lokalen Stellen Diskriminierung, Ausbeutung und Erhaltung der »Volksgesundheit«748 im Vordergrund aller Maßnahmen. Um eine Übertragung von Ungeziefer, Fleckfieber und anderen Infektionen auf die deutsche Bevölkerung zu verhindern749, kontrollierten die Behörden in personam der Amtsärzte, der Gesundheitsaufseher und -pflegerinnen ab 1940 die

742 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 116. 743 Schnellbrief des Reichsministers des Innern an u. a. die Reichsstatthalter in den Reichsgauen, die Gesundheitsämter vom 04.11.1941. Betreff  : Seuchenhygienische Überwachung von Arbeitslagern. Weitergeleitet vom Sächsischen Minister des Innern an das Gesundheitsamt Plauen-Land am 07.11.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 744 Vgl. ebd. 745 Vgl. Rundschreiben des Sächsischen Ministers für Wirtschaft, des Sächsischen Ministers des Innern, des Präsidenten des Landesarbeitsamtes und der DAF, Gauwaltung Sachsen an die Gewerbeaufsichtsämter, Gesundheitsämter, Arbeitsämter und Kreishauptabteilungen für Arbeitseinsatz der DAF vom 26.10.1942. Betreff  : Prüfung und Überwachung der hygienischen Verhältnisse in Arbeitslagern von Betrieben. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 746 Vgl. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Landesarbeitsämter vom 12.08.1942. Betreff  : Ostarbeiter  ; hier  : Krankenversorgung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 747 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 119. 748 Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein i. V. Jugend- und Gesundheitsvorsorgeamt vom 21.05.1941 an die Arbeitgeber polnischer Landarbeiter in Plauen. Betreff  : Bekämpfung der Verlausung bei polnischen Landarbeitern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 749 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

263

264 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Ausländerlager in regelmäßigen Abständen.750 Zur Sicherung der ›Volksgesundheit‹ wurde wohl auch der Standort des Rückkehrersammellagers in der Kauschwitzer Flur ausgewählt. Die im Wald liegende Ausflugsgaststätte ›Holzmühle‹ bot durch die Abgeschiedenheit des Terrains einigen Abstand zur Stadt Plauen und ihren umliegenden Siedlungsgebieten.751 Im Zuge der seuchenhygienischen Kontrollen wurden routinemäßig Lagerstätten desinfiziert und die Ausländer prophylaktisch zur Entlausung in entsprechende Desinfektionsanstalten verbracht. Dafür nutzten die umliegenden Gemeinden die städtische Einrichtung in Plauen.752 Eine Desinfektionsanlage bestand bereits seit 1911 im Stadtkrankenhaus. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dort Krankheitskeime mithilfe strömenden Wasserdampfes vernichtet.753 Sofern die Möglichkeit vor Ort bestand, richteten die Einsatzträger selbst Entlausungsanlagen ein. So entstand zum Beispiel für die Maschinenfabrik in Weischlitz eine entsprechende Anlage, die von der Gemeinde finanziert wurde.754 Eine Desinfektionsanlage am Einsatzort ersparte den Einsatzträgern lange Transportwege. Die Entlausung war für die ausländischen Arbeitskräfte eine entwürdigende, unangenehme Prozedur, die mehrmals wiederholt wurde. Auffällig ist nun bei der Sichtung der Überlieferung des Gesundheitsamts PlauenLand, dass die Amtmänner trotz regelmäßiger Desinfektion und Entwesung bei jeder Kontrolle in den Ausländerlagern mangelnde Hygiene unter den Arbeitskräften feststellten. So beschrieb 1941 der Oberwachtmeister der Gendarmerie Jößnitz den Fall eines Polen, der »ein besonders wasserscheuer Mensch sei.«755 Erst auf Anordnung des Wachtmeisters und unter Zuhilfenahme eines anderen polnischen Arbeitskameraden entstand »ein sauberer Mensch«756. Solche Zwangswaschungen kamen unter 750 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ärztliche Untersuchung und Überwachung der im Reichsgebiet eingesetzten polnischen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte vom 12.05.1941. Betreff  : Seuchenpolizeiliche und gesundheitliche Überwachung von polnischen Zivilarbeitern  ; hier  : Fleckfieberepidemie. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 751 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124. 752 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 753 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 176. 754 Vgl. Fragebogen des Gesundheitsamtes Plauen-Land an die Maschinenfabrik Weischlitz vom 13.10.1944. Betreff  : Einrichtung des betriebszugehörigen Ostarbeiterlagers. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 755 Mitteilung des Oberwachtmeisters der Gendarmerie Jößnitz an den Landrat im Gesundheitsamt Plauen vom 18.06.1941. Betreff  : Erörterungen zum polnischen Arbeitslager im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 756 Ebd.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

den ausländischen Zivilarbeitern gelegentlich vor, denn die oft sehr jungen Kräfte wurden aus dem elterlichen Haushalt gerissen. Sich selbstständig zu versorgen fiel ihnen schwer.757 Gleichzeitig ist die Beschreibung des Oberwachtmeisters Hinweis darauf, dass sich das Bild der Polen als ›Untermenschen‹ in den unteren Polizeibehörden gefestigt hatte. Die Szenerie, die sich dem Oberwachtmeister bot, unterstrich die Ressentiments. Spätestens zu Kriegsbeginn hatte sich die nationalsozialistische Propaganda bemüht, die Vorurteile der Deutschen gegenüber den Polen zu sammeln und in eine einheitliche Rassenpolitik umzuwandeln. Teil davon war die Ablehnung alles ›Slawischen‹.758 Um das der NS-Ideologie entsprechende Bild zu prägen, war es Usus, dass Behörden Berichte aus anderen Lagern als Negativbeispiele über den internen Verteiler in Umlauf brachten. So sollten den lokalen Stellen die Gefahren des ›Ausländereinsatzes‹ illustriert werden. Dies geschah nicht nur für Polen, sondern auch für Ostarbeiter. In den Unterlagen des Gesundheitsamtes Plauen-Land findet sich der Bericht eines unbekannten Betriebsarztes, in dem er dem zuständigen und ebenfalls unbekannten Staatlichen Gesundheitsamt beschrieb, wie trickreich sich eine Gruppe von Ostarbeitern der Arbeit zu entziehen versuchte  : Am 6.7.1942 traten erstmals bei den Sowjetrussen Ödeme auf, und zwar an den Unterschenkeln. […] Auf Grund der bisherigen Erfahrungen hielt ich diese zum Teil sehr hochgradigen Ödeme […] für Hungerödeme. Ich habe deswegen alles veranlaßt, um diese Ödeme zu beeinflussen. Ich mußte die Kranken bis zu 14 Tagen mit der Arbeit aussetzen lassen. Gleichzeitig hatte ich veranlasst, daß sie eine Essenzulage bekamen. […] Plötzlich wurde bemerkt, daß die Sowjetrussen größere Salzmengen zu sich nahmen. […] Ich nahm nunmehr sofort an, daß diese Ödeme durch die überreichliche Salzzufuhr bedingt sind [.] […] Daraufhin habe ich mit allen Mitteln jede Salzzufuhr unterbunden. Außerdem habe ich vor versammelter Mannschaft klargelegt, daß Ödeme durch diese Salzzufuhr bedingt sind und beabsichtigt seien, um nicht arbeiten zu müssen. Gleichzeitig habe ich angeordnet, daß im Fall von neu auftretenden Ödemen den Kranken nicht Zulagen gewährt werden, sondern sie vielmehr arbeiten müssen und außerdem 8 Tage Kostabzug bekommen.759

Zum einen thematisiert der Arzt mit den Hungerödemen, oder auch Kwashiorkor760, neben Tbc eine der häufigsten Erkrankungen besonders diskriminierter ausländischer Arbeitskräfte. In der ›Holzmühle‹ führten Wassereinlagerungen oder die ›Wasser757 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 119. 758 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 81 und 85. 759 Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 19.12.1942. Betreff  : Ärztliche Fragen beim Arbeitseinsatz von Ostarbeitern  ; hier  : Hungerödeme. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 760 Vgl. Lexikon der Ernährung (2001)  : Protein-Energie-Mangelsyndrome, https://www.spektrum.de/ lexikon/ernaehrung/protein-energie-mangelsyndrome/7272 23.11.2019.

265

266 | 

Zwangsarbeit in Plauen

sucht‹ in 23 Fällen sogar zum Tod.761 Hervorgerufen werden die Ödeme durch eine Energie- oder Eiweißmangelernährung, die sich auch in Marasmus äußern konnte. Dabei baut der Körper wichtige Muskulatur an Skelett und Herz ab, um die Proteinherstellung so lang wie möglich zu erhalten. Gleichzeitig lagert sich Flüssigkeit durch die Abnahme von Bluteiweißen ab.762 Die Folgen waren Herzschwäche, Herzinsuffizienz und Marasmus, die ebenfalls zu den häufigen Todesursachen in der ›Holzmühle‹ zählten.763 Den Eiweißmangel, der durch das Fehlen tierischer Produkte ausgelöst wurde764, versuchten Einsatzträger zumindest für die polnischen Zivilarbeiter zu beheben, indem man ihnen, sofern sie Langarbeiter waren, Sonderzulagen an Hülsenfrüchten gewährte. Ostarbeiter waren in Plauen von diesen Zulagen ausgeschlossen.765 Zum anderen zeigt die Schilderung des unbekannten Arztes eine gängige Praxis der unteren NS-Behörden und Einsatzträger, um ausländische Arbeitskräfte so lange wie möglich einsetzen zu können. Der Vorwurf der Krankheitsvortäuschung diente dazu, noch härter vor allem gegen Ostarbeiter vorzugehen und sie bis zur Arbeitsunfähigkeit auszubeuten. Die sowjetischen Arbeitskräfte im oben zitierten Bericht wurden überführt, Krankheitssymptome selbst herbeigeführt zu haben, um von der Arbeit freigestellt zu werden. Dies wurde als ›Arbeitsbummelei‹, wenn nicht sogar als Sabotage gewertet und wird als Tatbesand später noch zu diskutieren sein. Der Bericht zeigt aber auch, dass propagandistische Einflüsse von dem, was tatsächlich vor Ort geschah, in der Korrespondenz der Behörden nur schwer abzugrenzen sind. Die Mitteilungen offizieller Stellen vermittelten das gewünschte Bild der Arbeitskräfte aus dem Osten Europas als minderwertige, faule und unzivilisierte ›Untermenschen‹. So teilte der Bürgermeister Dr. Langbein in Vertretung für das Jugend- und Gesundheitsfürsorgeamt den Plauener Bauern mit, »dass sie ihren polnischen Landarbeitern vor allem reichlich Waschgelegenheiten geben und sie darüber wachen [sollten], dass diese sich auch tatsächlich öfters und gründlich reinigen.«766 Bürgermeister Langbein hatte neben der Feststellung, dass Polen über kein Reinheitsgefühl verfügten, in seiner Mitteilung aber vor allem das Grundproblem des Ungezieferbefalls in den Ausländerlagern erfasst, nämlich die mangelnde Zurverfügungstellung von Waschgelegenheiten durch die deutschen Einsatzträger. 761 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 762 Vgl. Lexikon der Ernährung (2001)  : Protein-Energie-Mangelsyndrome, https://www.spektrum.de/ lexikon/ernaehrung/protein-energie-mangelsyndrome/7272 23.11.2019. 763 Vgl. Namensliste der in der Holzmühle verstorbenen Ostarbeiter, Polen und Franzosen. 764 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 123. 765 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 766 Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein i. V. Jugend- und Gesundheitsvorsorgeamt vom 21.05.1941 an die Arbeitgeber polnischer Landarbeiter in Plauen. Betreff  : Bekämpfung der Verlausung bei polnischen Landarbeitern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Dass den zuständigen Behörden bewusst war, dass der Grund für Läuse, Wanzen und Flöhe nicht im Wesen der Arbeitskräfte, sondern in der mangelhaften Ausstattung zu suchen war, zeigt auch die Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Gewerbeaufsichtsämter und Amtsärzte der lokalen Gesundheitsämter vom Mai 1941. Ungeziefer hatte die massenhafte Übertragung von Fleckfieber unter den ausländischen Arbeitskräften verursacht. Die sich im Raum Leipzig ausdehnende Krankheit war zu einer Epidemie herangewachsen, sodass eine Ausbreitung auch über die Grenzen der Ausländerlager hinaus drohte, die es zum Wohle der ›Volksgesundheit‹ zu vermeiden galt. Deshalb veranlasste der Innenminister, den Ausländern »in ausreichender Menge Waschbecken und Wasserzapfstellen für die Körperreinigung«767 zur Verfügung zu stellen. Ebenso sollten behelfsmäßige Duschräume eingerichtet werden768, was die hygienischen Zustände in den Ausländerlagern im Allgemeinen deutlich verbessert haben muss. Dass es zu einer Umsetzung der Bestimmungen kam, ist allerdings zu bezweifeln. Neben einer zu geringen Zahl an Waschgelegenheiten monierte der Sächsische Minister des Innern im Mai 1941 besonders den Mangel an Seife, der die hygienischen Verhältnisse unter den polnischen Zivilarbeitern verschlimmerte.769 Ebenso wie die Polen waren auch die Arbeitskräfte aus der Sowjetunion hier erneut stärker benachteiligt als Westarbeiter.770 Zur Behebung wies der Sächsische Innenminister die Verwendung eines Gemisches aus Schlemmkreide und Natriumcarbonat als Seifenersatz an. Außerdem sollte heißes Waschwasser für eine ausreichende Reinigung der Kleidung sorgen. Bereits an Fleckfieber erkrankte ausländische Arbeitskräfte waren zur Quarantäne in das Hilfskrankenhaus der Landesanstalt Dösen zu verbringen oder gesondert in ein Hilfskrankenhaus vor Ort einzuweisen.771 Wären die beschriebenen Maßnahmen umgesetzt worden, hätte dies eine Verbesserung der hygienischen Umstände in den Ausländerlagern bedeutet. Doch die Bestimmungen des Sächsischen Innenministers veränderten die in Sachsen gültigen Vorgaben zur Ausstattung von Ausländerlagern nicht. So war im Juli 1941 immer noch lediglich eine Wasserzapfstelle auf zehn ausländische Arbeitskräfte vorgesehen. 20 Arbeiter teilten sich weiterhin eine Toilette.772 Dabei unterschieden sich die Vorgaben für die Ausstattung der Lager von Westarbeitern oder Italienern nicht von denen für Polen. Sie war vielmehr von den 767 Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte vom 12.05.1941. Betreff  : Seuchenpolizeiliche und gesundheitliche Überwachung von polnischen Zivilarbeitern  ; hier  : Fleckfieberepidemie. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 768 Vgl. ebd. 769 Vgl. ebd. 770 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 10  :21, siehe Anhang 2. 771 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte vom 12.05.1941. Betreff  : Seuchenpolizeiliche und gesundheitliche Überwachung von polnischen Zivilarbeitern  ; hier  : Fleckfieberepidemie. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 772 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager der

267

268 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Örtlichkeiten abhängig. Im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes PlauenLand standen im Lager für polnische Zivilarbeiter im Hotel Steinicht beispielsweise mehr Toiletten zur Verfügung als von den Landesbehörden festgesetzt.773 Im Gasthof Thiergarten kamen mehr italienische Arbeitskräfte auf einen Abort.774 Für die im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes Plauen-Land liegenden Einrichtungen zur Unterbringung ziviler ausländischer Arbeitskräfte ließ sich bereits feststellen, dass die hygienischen Verhältnisse schwierig waren. Trotzdem sind zwischen 1940 und 1945 für den Kreis Plauen nur etwa 13 Entlausungen und Lagerentwesungen aktenkundig, die nicht prophylaktisch durchgeführt wurden.775 Hauptsächlich traten die Vorfälle in den Jahren 1940 und 1941 auf, was für die Einhaltung hygienischer Standards in den Ausländerlagern in den Folgejahren sprechen könnte. Gleichzeitig muss angenommen werden, dass den Behörden mit der Ausweitung des ›Ausländereinsatzes‹ 1942 weniger Zeit und Kapazität für die regelmäßige Überprüfung der Lager blieb. Das Gewerbeaufsichtsamt und das Gesundheitsamt Plauen-Land verfügten lediglich über Gesundheitsaufseher Riedel776,

773

774 775

776

Sächsischen Zellwolle AG im Gasthof Thiergarten vom 01.07.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Untergebracht waren hier Italiener. Vgl. Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager der Sächsischen Zellwolle AG im Gasthof Thiergarten vom 01.07.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Untergebracht waren hier Italiener. Als Beispiele seien angeführt  : Bei acht auf unterschiedlichen Gütern in Großfriesen beschäftigten polnischen Zivilarbeitern wurden im August 1940 Kleider- und Filzläuse festgestellt. Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Bei einem italienischen Facharbeiter aus der VOMAG wurden Läuse festgestellt und durch den Sanitäter beseitigt. Vgl. Notiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land, Gesundheitsaufseher Riedel, vom 18.09.1941. Betreff  : Kontrolle des Lagers für italienische Arbeiter in der Vomag im Hotel Barthmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Das Lager Rittergut Gutenfürst wurde entwest. Vgl. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Festgestellt wurde ein Läusebefall auf dem Hof des Bauern Döscher in Zwoschwitz. Aktennotiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 13.07.1942. Betreff  : Beschwerde von Elisabeth Porst über Ungeziefer bei russischem und ukrainischem Arbeiter auf dem Hof von Bauer Döscher in Zwoschwitz. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Auch auf einem Hof in Linda bei Pausa waren Läuse festgestellt worden. Vgl. Mitteilung des Gendarmerie-Postens Pausa an den Landrat zu Plauen vom 04.10.1940. Betreff  : Verdacht auf Läuse bei Zdzislaw Dudek. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Vgl. Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Stei-

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Tetzner777 und Wunderlich778, die die entsprechenden Kontrollen durchführten. Dass die Plauener Arbeitseinsatzbehörden und Einsatzträger kaum Initiative zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse zeigten, lässt sich am Ausländerlager im Hotel Steinicht in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle, nachweisen. Der bereits vorgestellten Einrichtung, in der 30 polnische Zivilarbeiter, eingesetzt im Eisenbahnbau, untergebracht waren, bescheinigte der Oberwachtmeister der Gendarmerie, Wächter, bei seiner Kontrolle im Juni 1941 noch, »daß in hygienischer Hinsicht viel getan«779 werde. Gesundheitsaufseher Riedel beanstandete bei seiner Überprüfung nur wenige Tage später jedoch, dass die Einrichtung zwar soweit ihrem Zweck entsprechend war, die Toiletten jedoch über keinerlei Beleuchtung verfügten. Außerdem diente der Toilettenvorraum als Sammelstelle für die Kleider der polnischen Zivilarbeiter.780 Bei seiner Nachkontrolle im September 1941 befand Gesundheitsaufseher Riedel, dass sich die Zustände im Lager sogar noch verschlechtert hatten. Der Betreiber hatte weder die Beleuchtung instand gesetzt, noch für ausreichend Reinigung gesorgt. Die »Sauberkeit [war] im ganzen leidlich«781. Außerdem »roch [es] stark nach verbrauchter Luft und Nachtausdünstungen von Menschen und Kleidern.«782 Das Lager hinterließ keinen guten Gesamteindruck, die Missstände wurden auch in der Folge nicht behoben. Die häufigsten Beschwerden gingen allerdings über das Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ in Kauschwitz ein. Von Ungeziefer783 bis hin zu übervollen Abortgrunicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Notiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land, Gesundheitsaufseher Riedel, vom 18.09.1941. Betreff  : Kontrolle des Lagers für italienische Arbeiter in der Vomag im Hotel Barthmühle. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Mitteilung des Amtsarztes aus dem Gesundheitsamt Plauen-Land an den Landrat zu Plauen über die Beschwerde des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 14.06.1944. Betreff  : Abortgruben des Durchgangslagers Holzmühle laufen über. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 777 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 4. 778 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 4. 779 Mitteilung des Oberwachtmeisters der Gendarmerie Jößnitz an den Landrat im Gesundheitsamt Plauen vom 18.06.1941. Betreff  : Erörterungen zum polnischen Arbeitslager im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 780 Vgl. Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 781 Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel zur Kontrolle des Lagers Hotel Steinicht in Rentzschmühle bei Trieb vom 18.09.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 782 Ebd. 783 Vgl. Beschwerde von Anna Renner wegen Wanzenbefalls der in der Holzmühle verkehrenden Russen vom 12.05.1944. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

269

270 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ben, die das umliegende Gewässer verschmutzten784, registrierte das Gesundheitsamt diverse Anzeigen seit Bestehen des Lagers. Im Gegensatz zu allen anderen durch die Gesundheitsaufseher inspizierten Unterkünften fiel die ›Holzmühle‹ vor allem wegen gröbster Verstöße gegen Hygienevorschriften auf. Besonders schwerwiegend war die Unterbringung von tuberkulosekranken Ostarbeitern mit anderen schwerkranken Arbeitskräften aus dem Osten in der Krankenbaracke des Durchgangslagers.785 Die hochinfektiöse Krankheit konnte sich unter den Ostarbeitern schnell ausbreiten, weil die Arbeitseinsatzverwaltung auf besondere Schutzvorkehrungen bei der Betreuung der Erkrankten verzichtete.786 Das Lager blieb bis März 1945 in Betrieb.787 Ein weiteres Indiz für die Manifestierung des Bildes der slawischen Arbeitskräfte als ›Untermenschen‹ bietet die Beschwerde von Elisabeth Porst. Sie monierte im Juli 1942 beim Gesundheitsamt, dass ihre Tochter im Rahmen ihres Pflichtjahres auf dem Bauernhof in Zwoschwitz die verlauste Jacke eines ebenfalls dort beschäftigten Ukrainers flicken musste. Obwohl das Mädchen seine Aufgabe wegen des Ungeziefers ablehnte, habe die Bäuerin sie abgewiesen und zurück an die Arbeit geschickt.788 Hinter der Beschwerde Porsts verbirgt sich der Versuch, die Hofbesitzer zu denunzieren. Zum einen zeigte sie bei den Behörden an, dass eine Deutsche die Kleidung eines Ostarbeiters instand setzte, was der von den Nationalsozialisten propagierten rassischen Gesellschaftsordnung zuwiderlief. Zum anderen war Anlass zur Beschwerde, dass die Bäuerin nicht auf den Hinweis auf Läusebefall reagierte. Das Mädchen wies man sogar mit den Worten ab  : »Ach was, mach deine Arbeit.«789 Von Amts wegen wurde daraufhin eine Untersuchung des Falls eingeleitet, in deren Verlauf Bauer Döscher die 784 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes aus dem Gesundheitsamt Plauen-Land an den Landrat zu Plauen über die Beschwerde des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 14.06.1944. Betreff  : Abortgruben des Durchgangslagers Holzmühle laufen über. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 785 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 125 sowie Mitteilung des Amtsarztes aus dem Gesundheitsamt Plauen-Land an den Landrat zu Plauen über die Beschwerde des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 14.06.1944. Betreff  : Abortgruben des Durchgangslagers Holzmühle laufen über. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Hier schilderte der Amtsarzt, dass das Durchgangslager als allgemeines Krankenhaus für ausländische Arbeiter diente. 786 Vgl. Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 26.05.1943. Betreff  : Rückführung nicht-einsatzfähiger Ostarbeiter  ; hier  : Behandlung von offen Tuberkulösen und Auswirkung der Rückführungen auf die Stimmung in der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Der GBA erklärte hierin, dass es nicht zu vermeiden sei, ansteckend Tuberkulöse zusammen mit gesunden Ostarbeitern in gemeinsamen Transporten in die Heimat zurückzuführen. 787 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124. 788 Vgl. Aktennotiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 13.07.1942. Betreff  : Beschwerde von Elisabeth Porst über Ungeziefer bei russischem und ukrainischem Arbeiter auf dem Hof von Bauer Döscher in Zwoschwitz. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 789 Ebd.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Entlausung seiner ausländischen Arbeitskräfte auferlegt wurde.790 Der Verdacht von Kopfläusen hatte sich bestätigt. Für die Bäuerin hatte ihr Verhalten keine weiteren Konsequenzen.791 Denunziationen dienten dazu, sich gegenüber unliebsamen Nachbarn, aber auch Freunden oder Verwandten einen Vorteil zu verschaffen. Ereignisse wie diese waren alltäglich. Verdächtigungen wurden oft aus dem näheren Umfeld aus durchweg niederen Beweggründen bei Behörden vorgebracht, die ein sympathisierendes Verhalten gegenüber ausländischen Arbeitskräften streng bestraften.792 Delikte wie ›verbotener Umgang mit Ausländern und Kriegsgefangenen‹ wurden seit Ende 1940 zum Massenphänomen im Deutschen Reich793 und sind im nachfolgenden Kapitel zum Umgang mit straffälligen Zivilarbeitern zu behandeln. Die geschilderten Fälle aus dem Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes Plauen-­Land zeigen, dass Ungezieferbefall lediglich auf die Arbeitskräfte aus dem Osten beschränkt zu sein schien. Auch für Serben und Kroaten verfügten die Arbeitsverwaltungsbehörden im August 1941 Entlausung, bevor sie zur Arbeit überstellt wurden.794 Die Ostarbeiter-Erlasse verpflichteten im Februar 1942 zu einer mehrmaligen ärztlichen Untersuchung und Entlausung der Männer und Frauen, bevor auch sie ins Reich überführt werden konnten.795 Für Westarbeiter sind im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes Plauen-Land keine entsprechenden Vorfälle verzeichnet.796 Einzig im Italienerlager in Thiergarten hatte man im Juli 1941 einen Flohbefall festgestellt, der allerdings auf die Einrichtung und nicht auf den Zustand der Arbeitskräfte zurückgeführt wurde.797 Der Reichsinnenminister warnte im Januar 1942 vor der bestehenden Gefahr einer schnellen Ausbreitung von Typhus durch zur Arbeit eingesetzte Franzosen. Das Reichsministerium des Innern erlegte den Gesundheitsämtern in der Folge eine Schulungspflicht für Ärzte auf, die mit ausländischen Arbeitskräften in Kontakt kamen. Für das Auftreten von Typhus unter den Franzosen führte das Ministerium eine Meldepflicht im Ansteckungsfall ein. Übertragbare Krankheiten waren den Reichsbehörden zur Anzeige zu bringen. Die Arbeitsämter hatten die erkrankten Franzosen nach der 790 791 792 793 794

Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 142–144. Vgl. ebd., S. 142. Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 27.08.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung und Entlausung der in Kroatien und Serbien geworbenen Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 795 Vgl. Schiller (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«, S. 30. 796 Die Feststellung gilt nicht nur für Plauen, sondern kann nach Spoerer generalisiert werden. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 138. 797 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 5.

271

272 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Diagnose sofort in die Heimat zurückzuschicken. Bis zu ihrer Abreise mussten sie, auch wenn nur der Verdacht auf Typhus bestand, in den Krankenrevierstuben der Lager oder Betriebe in Quarantäne verbleiben.798 Die Bestimmungen der Reichsbehörden zeigen, dass die Rückführung noch zu Jahresbeginn 1942 gängiges Verfahren bei schweren Erkrankungen unter allen Gruppen ausländischer Zivilarbeiter war. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Arbeitseinsatzbehörden bemüht waren, eine Ausbreitung ansteckender Krankheiten unter den Westarbeitern zu vermeiden. Im Gegensatz dazu steht die Anordnung aus dem Folgejahr, dass offen tuberkulöse Ostarbeiter nicht zwingend von gesunden Kräften zu trennen waren.799 Ebenso wie Tuberkulose war Typhus eine Folge von hygienisch bedenklichen Lebensbedingungen, die vor allem in überfüllten Massenunterkünften vorkamen. Ausgelöst wurde er durch verunreinigtes Wasser.800 Die Besorgnis deutscher Behörden, Typhus könnte sich unter den französischen Arbeitskräften rasend schnell ausbreiten, zeigt, dass mangelnde Hygiene nicht mehr nur auf die Arbeiter aus dem Osten beschränkt, sondern Folge der veränderten Bedingungen im ›Ausländereinsatz‹ ab 1942 war. Die Zäsur des Jahres 1942 markiert den Beginn des Arbeitseinsatzes der Kräfte aus den besetzten Ostgebieten ebenso wie die Ausweitung alliierter Luftangriffe. Um ausgebombte Deutsche unterzubringen, räumten die Behörden Ausländerlager in Turnhallen, Gaststätten oder anderen öffentlichen Einrichtungen. In der Folge ­wurden Barackenlager überbelegt, denn vor allem die Unterbringung der großen Zahl an Ostarbeitern überforderte die bisherige Infrastruktur der Ausländerlager.801 Die hygienischen Verhältnisse wurden dramatischer und viele Ausländergruppen waren von Infektionskrankheiten betroffen. Zur Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse in den Ausländerlagern hatte schon in den ersten Kriegsjahren eine Minderversorgung beigetragen, die der während des Krieges stark zunehmende Mangel an Gütern des täglichen Bedarfs verschärfte. So konnte beispielsweise das Lager im Rittergut Gutenfürst 1940 erst sechs Wochen nach der Feststellung des Läusebefalls entwest werden. Weil der Betreiber keine Wechselbekleidung erhalten hatte, konnte die Kleidung nicht der Entwesung zuge798 Vgl. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an die Reichsstatthalter, den Preußischen Regierungspräsidenten, den Polizeipräsidenten in Berlin sowie den Oberbürgermeister von Berlin vom 10.01.1942. Betreff  : Überwachung französischer Arbeitskräfte auf Typhus. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 799 Vgl. Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 26.05.1943. Betreff  : Rückführung nicht-einsatzfähiger Ostarbeiter  ; hier  : Behandlung von offen Tuberkulösen und Auswirkung der Rückführungen auf die Stimmung in der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 800 Vgl. Robert-Koch-Institut (2019)  : Art. Typhus abdominlias, Paratyphus. In  : RKI – Ratgeber für Ärzte, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Typhus_Paratyphus.html 23.11.2019. 801 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 116–117.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

führt werden. Eine Entlausung und eine Desinfektion fanden bei Polen nicht statt, da eine Neuansteckung durch die Bekleidung zu erwarten war.802 Zwar bemühten sich die Betreiber des Lagers in Gutenfürst um Wechselwäsche für die polnischen Landarbeiter, erhielten vom zuständigen Wirtschaftsamt allerdings keine entsprechenden Bezugsscheine.803 Im Gegensatz dazu hatten die Plauener Behörden festgelegt, den zivilen Arbeitskräften aus neutralen oder verbündeten Staaten den Wäschewechsel mindestens innerhalb einer Woche zu ermöglichen. Die Kleidung sollte im entsprechenden Lager gewaschen und getrocknet werden können.804 Die Bereitstellung von Wechselwäsche fiel in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsämter. Die Plauener Behörde wurde am 28. August 1939 gegründet und unterstand der Leitung des Stadtrats Dr. Lemberg. Definierte Aufgabe der Wirtschaftsämter war die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern der gewerblichen Wirtschaft sowie die Erfassung und Verwertung von Altmaterial.805 Eine Reichsklei­ derkarte berechtigte zum Bezug von Spinnstoffen, die für die Produktion von Kleidung notwendig waren.806 Diese Rechte erhielten die Ausländer bis 1942 jedoch nicht, weshalb die Arbeitseinsatzbehörden die Kleiderfrage zumindest bei den Westarbeitern in den Heimatländern zu lösen suchten. So gestand man Franzosen und Belgiern, sofern sie eine Arbeit im Reich freiwillig aufnahmen, finanzielle Unterstützung zu, um sich vor der Abreise Arbeitsbekleidung zu beschaffen.807 Auch bei freiwilligen Arbeitskräften anderer Nationen, die, ausgenommen die Polen, vorwiegend bis 1941 ins Reich kamen, verfügten die Reichsbehörden an die lokalen Stellen, dass bei der Anwerbung auf das Mitführen ausreichender Kleidung und entsprechenden Schuhwerks zu achten sei. Eine Möglichkeit zur Beschaffung von Bekleidung jeglicher Art in Deutschland bestand nicht. Die Bestimmungen galten auch für die ab 1942 hinzugekommenen Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten.808 Auch diejenigen ausländischen Arbeitskräfte, die über einen dauerhaften Wohnsitz im Reich verfügten, erhielten nicht den gleichen Umfang an Kleidung wie Deutsche. Generell kam ihnen zwar die normale Reichskleiderkarte zu, jedoch gab es Abstufungen je nach Gruppenzugehörigkeit. So galt die Regel beispielsweise nicht für die Schutzangehörigen in den annektierten Ge802 Vgl. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert. 803 Für die Ausgabe der Bezugsscheine für Kleidung waren die Wirtschaftsämter zuständig. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 135. 804 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle, S. 3. 805 Vgl. Bericht des Wirtschaftsamtes Plauen an den Oberbürgermeister 1939. In  : StadtA Plauen, Best. Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Oberbürgermeister, Nr. 483, Fol. 1. 806 Vgl. ebd., Fol. 7. 807 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 135. 808 Vgl. Anordnung Nr. 4 über die Anwerbung, Betreuung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Vom 7. Mai 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 83.

273

274 | 

Zwangsarbeit in Plauen

bieten. Ethnische Polen erhielten ab Oktober 1941 lediglich die ›Spinnstoffkarte für Polen‹ und die nichtpolnischen Schutzangehörigen im Großdeutschen Reich konnten nur über 80 Prozent des Umfangs der Reichskleiderkarte für Deutsche verfügen.809 Mit der Zunahme von Deportationen ab 1942 verschlechterte sich die Situation der ausländischen Arbeitskräfte. Gerade Ostarbeiter verfügten nur über das, was sie bei Ankunft im Reich trugen oder was ihnen ihre Angehörigen in der kurzen Zeit vor Abfahrt ins Reich zusteckten. Die schwere Arbeit führte zur schnellen Abnutzung von Kleidung und Schuhwerk.810 In Plauen traf dies nicht nur auf Ostarbeiter zu, deren äußeres Erscheinungsbild sich der deutschen Bevölkerung aufgrund der abgenutzten Kleidung eingeprägt hatte811, sondern auch für italienische Arbeitskräfte. Ihre Kleidung war bereits kurz nach Ankunft in Plauen bei einer Lagerinspektion im Juli 1941 als zerschlissen beanstandet worden.812 Sie erhielten lediglich einen Berechtigungsschein für Nähzeug im Umfang von 0,20 RM alle drei Monate, um ihre Kleider dürftig instand zu setzen. Ab April 1942 sollten schließlich alle ausländischen Zivilarbeiter Bezugsscheine für Kleidung und Schuhe erhalten, um für eine ausreichende Arbeitsfähigkeit zu sorgen. Außerdem war es den Unternehmen fortan gestattet, den Ausländern werkseigene Arbeits- und Schutzbekleidung zur Verfügung zu stellen. Die ausländischen Zivilarbeiter hatten eine Gebühr für die Nutzung zu entrichten und Pfand zu hinterlegen. Der Verkauf der Bekleidung war bis Ende 1942 strengstens untersagt.813 Die Gebühr wurde den Arbeitskräften von den Einsatzträgern vom Lohn abgezogen, wie im Falle der Ostarbeiterinnen bei der Tegewe gezeigt werden konnte. Für Kleidung fiel je nach Bedarf alle zwei Wochen ein anderer Betrag an. Für die Zeit vom 16. bis 30. Juni 1943 entrichteten die Ostarbeiterinnen bis zu 4 RM an die Tegewe, die sie im Auftrag der Firma Friedrich Weber ausstattete.814 Im Abrechnungszeitraum vom 17. bis 30. Dezember 1942 waren es 2 RM, im Januar 1944 fielen keine Kosten für Kleidung an.815

809 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 135–136. 810 Vgl. ebd., S. 136. 811 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 9  :33, siehe Anhang 2. Uta Reuter schilderte, dass den deutschen Arbeitskräften in der VOMAG die schlechte Kleidung der Ostarbeiter auffiel und ihre Eltern sowie andere Beschäftigte Kleidung für die Ausländer sammelten. 812 Vgl. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager Thiergarten, S. 3. 813 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Oktober bis Dezember 1942. Anlage 15. Bericht zu überbetrieblichem Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch die DAF in Chemnitz am 01.12.1942. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 13, Fol. 81. Vgl. außerdem Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 136. 814 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 17.–30.06.1943. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert. 815 Vgl. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 17.–30.12.1943 und Lohnabrechnung der

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Der Mangel an Kleidung konnte durch die Anfang 1942 eingeleiteten Maßnahmen nicht behoben werden, sodass weitere Neuerungen notwendig waren. Ende des Jahres begann die Textilindustrie, einfache, aber robuste Stoffe zu produzieren, die für Einheitskleidung für Ostarbeiter bestimmt waren.816 1943 vermerkte das Rüstungskommando Chemnitz, dessen Vertreter an einem überbetrieblichen Erfahrungsaustausch im Arbeitsamt Zwickau teilgenommen hatten, dass »die mangelhafte, ja sogar unzureichende Bekleidung«817 vermehrt zu Beschwerden aus den Betrieben geführt hatte. Das Wirtschaftsamt Zwickau teilte daraufhin mit, dass nicht genügend Altspinnstoffe zur Verfügung standen, um ausreichend Bekleidung herzustellen. Neue Spinnstoffe könnten nur in geringer Zahl bezogen werden.818 Ostarbeiterbekleidung wurde demzufolge aus Altspinnstoffen hergestellt. Diese fielen unter anderem bei den Webstühlen der mit der Fallschirmseideproduktion beauftragten Mitteldeutschen Spinnhütte im Werk Plauen an. Die Webabfälle wurden zu einfachen Stoffen weiterverarbeitet.819 Doch auch die Wiederverwertung von Produktionsabfällen reichte zur Deckung des Bedarfs an Kleidung für Ostarbeiter nicht aus, weshalb die Textilindustrie 1943 auf weitere Spinnstoffe zurückgriff. Obwohl keine Plauener Beteiligung unter den »etwa 60 Betrieben«820 beim Erfahrungsaustausch im Zwickauer Arbeitsamt verzeichnet ist, kann davon ausgegangen werden, dass die geschilderte Situation auch der in Plauener Unternehmen entsprach. Mangelhafte Bekleidung beeinflusste die Arbeitsfähigkeit der Ausländer stark, weshalb es immer wieder zu Beschwerden aus den Betrieben kam, die in der Folge selbst nach einer Lösung für die Engpässe in der Versorgung der ausländischen Arbeitskräfte suchten. Sobald ausreichend Spinnstoffe für die Herstellung der Einheitsbekleidung vorhanden waren, mussten alle Arbeitskräfte aus Ost- und Südosteuropa sowohl Oberbekleidung als auch Unterwäsche aus den neuen Stoffen beziehen. Sofern die Arbeitsstellen, an denen die ausländischen Zivilarbeiter eingesetzt waren, keine Spezialausrüstung Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 13.–26.01.1944. In  : StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert 816 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 136. 817 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 5. Bericht des Arbeitsamtes Zwickau vom 10.02.1943. Betreff  : Überbetrieblicher Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch das Arbeitsamt Zwickau am 09.02.1943. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 50. 818 Vgl. ebd. 819 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Anlage 1. Bericht über die Dienstreise des Rüstungsinspekteurs am 06.01.1944. 1) Mitteldeutsche Spinnhütte G.m.b.H. in Celle, Werk Plauen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 60. 820 Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 5. Bericht des Arbeitsamtes Zwickau vom 10.02.1943. Betreff  : Überbetrieblicher Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch das Arbeitsamt Zwickau am 09.02.1943. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 50.

275

276 | 

Zwangsarbeit in Plauen

erforderten, sollten die neuen Stoffe als Arbeits- und Freizeitbekleidung dienen. Auch entsprechende Schuhe wurden für die Ostarbeiter angefertigt. Die Pantinen bestanden aus Holz ohne Leder- oder Gummianteile, sodass sie besonders steif und gut hörbar waren. So sollte die Fluchtrate unter den Ostarbeitern minimiert werden.821 Die Finanzierung der Bekleidung übernahmen weiterhin die Betriebe, die die Textilien vom Wirtschaftsamt erhielten und an die Ostarbeiter weiterverkauften. Über den mit Kriegsverlauf immer aktiver werdenden Schwarzmarkt verbreiteten sich die Kleider ebenso unter den Westarbeitern. Denn auch für sie gab es beinahe keine Möglichkeiten, Kleidung zu beziehen.822 Der Mangel an Kleidung und Schuhwerk blieb trotz aller Bemühungen bis Kriegsende bestehen. Besonders für Ostarbeiter hatte dies weitreichende Folgen. Neben Kälte823 erschwerte auch eine erhöhte Unfallgefahr bei fehlender berufsspezifischer Kleidung die Arbeits- und Lebensbedingungen. An Arbeitsstellen wie zum Beispiel denjenigen in Gießereien war eine spezielle Arbeitskleidung notwendig, um zumindest einen rudimentären Arbeitsschutz gewährleisten zu können. Generell waren Ostarbeiter jedoch von Arbeitsschutzbestimmungen ausgenommen.824 Den Deutschen in dieser Hinsicht gleichgestellt waren lediglich die Kräfte aus dem Protektorat Böhmen und Mähren sowie aus den verbündeten Staaten Kroatien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Italien. Arbeitskräfte aus letztgenanntem Staat unterstanden sogar nach ihrer Statusabänderung 1943 noch den gleichen Arbeitsschutzbestimmungen wie zuvor. Auch für Kräfte aus dem neutralen Spanien galten Arbeitsschutzregelungen wie für Deutsche. Für Westarbeiter wurde der Arbeitsschutz erst im Januar 1944 an den der Deutschen angeglichen. Zuvor waren die Bestimmungen weniger streng gefasst. Dies galt ebenso für Dänen, Esten, Norweger, Finnen, Letten, Rumänen und Schweizer. Kurz vor Kriegsende glichen sich schließlich auch die Regelungen für Walonen denen für Deutsche an.825 Ob die Arbeitsschutzbestimmungen in den Unternehmen eingehalten wurden, ist neuerlich infrage zu stellen und müsste am Einzelfall überprüft werden. Aufgrund der Quellenlage können dazu für Plauener Unternehmen wie die VOMAG keine Aussagen getroffen werden. Für Ostarbeiter setzten die Unternehmen die Maßnahmen, die sie im Zuge des Arbeitsschutzes ergriffen, ohne rechtliche Vorgaben fest. Dies galt für die Begrenzung der Arbeitszeit ebenso wie die Zurverfügungstellung von Schutzausrüstung bei gefährlichen Arbeiten. Während sich die Arbeitszeit aus praktischen Gründen der der deutschen Vorarbeiter anglich, entfielen Schutzvorschriften oft gänzlich. Die Gewerbeaufsichtsämter billigten den Einsatz ungelernter ausländischer Arbeitskräfte aus 821 822 823 824

Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 136–137. Vgl. ebd., S. 137. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 227. Vgl. Küppers  ; Bannier (1943)  : Einsatzbedingungen der Ostarbeiter und sowjetischen Kriegsgefangenen, S. 28. 825 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 147.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Osteuropa ohne Schutzvorkehrungen an gefährlichen Arbeitsplätzen. Die Ostarbeiter erwiesen sich so als leicht zu steuerndes, bequemes Arbeitskräftepotenzial, das nach Notwendigkeit auch kurzfristig versetzt werden konnte.826 Für die deutsche Belegschaft war der Einsatz ungelernter Kräfte auf gefährlichen Arbeitsplätzen allerdings durchaus problematisch. So erforderte er bei komplexen Abläufen besondere Aufmerksamkeit der Meister bei der Überwachung der Arbeitsgänge. Wurden Arbeitsabläufe gestört, konnten Werkstücke in Gießereien beispielsweise durch zu langes Stehen in der Form nach dem Guss brüchig und somit der Weiterverarbeitung nicht mehr zugeführt werden.827 Außerdem waren die Materialien in der Kriegswirtschaft kontingentiert. Ab 1944 wurden die Rohstofflieferungen in die Gießereien des Rüstungskommandos Chemnitz zudem um bis zu 50  Prozent reduziert.828 Deshalb bemühte man sich spätestens mit Einsetzen des Leistungsgedankens, die Ostarbeiter berufsrichtig zu platzieren oder so weit anzulernen, dass die betriebsinternen Abläufe gesichert waren. Das Primat der Arbeitsleistung führten GBA und DAF im Frühjahr 1943 mit einer Kampagne ein, deren Ziel die Leistungssteigerung durch richtige Betreuung und berufsrichtigen Einsatz im Unternehmen sein sollte.829 Zum Anlernverfahren können für Plauener Betriebe nur bedingt Aussagen getroffen werden. So lässt sich für die Verlagerungseinrichtungen der Osram GmbH feststellen, dass sie die ungelernten Arbeitskräfte im August 1944 einem Anlernprozess zuführten. In der Plauener Baumwollspinnerei sollten den bereits tätigen Arbeitskräften noch Anlernkräfte für die Produktion beigegeben werden. Das Stammwerk in Berlin entsendete sechs Frauen nach Plauen, die in den neun Abteilungen des Werkes in unterschiedlichen Prozessen angelernt werden sollten. Für die Abteilung Pumpen waren vier Russinnen vorgesehen.830 Ob eine finanzielle Beteiligung der Fachkräfte an der Arbeitsleistung der Ostarbeiterinnen, wie sie in anderen Rüstungsunternehmen üblich war831, bestand, konnte nicht überprüft werden. Auch in der VOMAG bemühte man sich, den ausländischen Arbeitskräften aus den besetzten Ostgebieten die Arbeitsprozesse nahezubringen. So wurden erfahrenen Kräften Anlernlinge zur Seite gestellt.832 Über den Umfang der Anlernmaßnahmen kann keine detaillierte Aussage getroffen werden. 826 Vgl. ebd., S. 148. 827 Vgl. Hasse, Stephan (2008)  : Art. Erosion. In  : Gießerei-Lexikon, Berlin, S. 340. 828 Vgl. Anordnung der Rü In IVa, Az. 66b 15 Abt. TB Nr. 634/44 vom 31.01.1944. Betreff  : Kürzung der Kohleversorgung durch Mitteldeutsches Braunkohlesyndikat. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 22. 829 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 306. 830 Vgl. Niederschrift zur Besprechung zwischen Dr. Straehler, Herrn Lau und Dr. Deimel im OsramStammwerk Berlin am 30.08.1944. Betreff  : Anlernkräfte für den H-Einsatz in GU 896. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 490, Fol. 128 und 128 Rückseite. 831 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 318–320. 832 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 01  :06  :43–01  :06  :45, siehe Anhang 2.

277

278 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Insgesamt ist festzustellen, dass Ostarbeiter ab 1943 qualifiziertere Aufgaben erhielten und stärker in den Produktionsablauf eingebunden wurden. Auf diese Weise konnten sie zu Arbeitskollegen werden, die aufgrund ihrer Leistung Wertschätzung erfuhren.833 Die Details im Umgang mit ungelernten ausländischen Arbeitskräften in der VOMAG müssen aufgrund der Quellenlage offenbleiben. Festgehalten werden kann, dass die Meister in der Gießerei mit der Arbeitsleistung der Ostarbeiter zufrieden waren, sodass Ausfälle vermieden wurden. Da die Ausländer, im Besonderen die Ostarbeiter, über keine Arbeitsschutzkleidung verfügten, bemühten sich die deutschen Vorgesetzten zumindest um passendes Schuhwerk aus privatem Besitz. Die Schuhe verfügten über eine Holzsohle und waren auf der Oberseite mit Leder bedeckt. Gehalten wurden sie durch Riemen.834 Um die Arbeitskraft ›seiner‹ Ostarbeiter zu erhalten, ging der Gießereimeister Robert Reiche die Gefahr ein, im schlimmsten Fall wegen Landesverrats verhaftet und bestraft zu werden, weil er die Ausländer mit Schutzkleidung und Nahrungsmitteln versorgte.835 Das solidarische Handeln Reiches scheint kein Einzelfall zu sein. Auch Mark Spoerer stellt fest, dass viele Zeitzeugenberichte Solidarität mit den ausländischen Arbeitskräften in allen Hierarchien eines Betriebes erkennen lassen. Oft handelte es sich um rein materielle Unterstützung mit Kleidung oder Lebensmitteln, in einigen Fällen ging die Hilfeleistung aber auch darüber hinaus und erhielt politische Gewichtung.836 Auf den Tatbestand des Landesverrates wird im nächsten Kapitel genauer einzugehen sein. Bisher konnte erarbeitet werden, dass neben fehlendem Arbeitsschutz vor allem der Mangel an Wechselkleidung, Hygieneartikeln und Waschgelegenheiten Ursache für Erkrankungen unter den ausländischen Zivilarbeitern in Plauen waren. Dies galt vor allem für Polen und die noch stärker diskriminierten Ostarbeiter. Aber auch die Enge in den Lagern trug dazu bei, dass sich Läuse und Infektionskrankheiten schnell verbreiteten. Als Beispiel sei noch einmal das Polenlager im Speisesaal des Hotels Steinicht angeführt. Auf Weisung des Landrates in Plauen sollte der Gesundheitsaufseher Riedel das Lager in Reaktion auf den bereits diskutierten Bericht von Oberwachtmeister Wächter erneut besichtigen.837 Der mit der Kontrolle beauftragte Riedel stellte bei seinem Besuch fest, dass die Unterbringung der polnischen Zivilarbeiter den allgemeinen Bestimmungen entsprach. Der 60 Quadratmeter große Schlafraum war mit dreifach übereinander positionierten Betten ausgestattet und diente den 30 Arbeitskräften gleichzeitig als Aufenthaltsraum. Der Gesundheitsaufseher resümierte 833 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 245. 834 Vgl. Interview mit Uta Reuter, Min. 9  :38, siehe Anhang 2. 835 Vgl. ebd., Min. 9  :01. Die Gefahr der Hilfsbereitschaft für Ausländer vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 193–194. 836 Vgl. ebd., S. 194. 837 Vgl. Mitteilung des Oberwachtmeisters der Gendarmerie Jößnitz an den Landrat im Gesundheitsamt Plauen vom 18.06.1941. Betreff  : Erörterungen zum polnischen Arbeitslager im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

jedoch, dass »eine Verlausung […] infolge der beengten Räumlichkeiten«838 zu befürchten sei. Eine regelmäßigere Besichtigung des Lagers sollte dazu dienen, »keine Verlausung aufkommen zu lassen.«839 Der Erfolg der Methode scheint fraglich. Die Bemühungen der Plauener Behörden und Einsatzträger zur Verbesserung der Hygiene in den Ausländerlagern waren, vor allem wenn es Polen und Ostarbeiter betraf, nicht konsequent. Ungeziefer, Dreck und Schmutz bestätigten die deutschen Vorurteile gegenüber den ›Untermenschen‹ aus dem Osten. Rassismus und Diskriminierung hatten Lebensumstände geschaffen, die die Polen und Sowjets zu dem machten, was die Propaganda der Nationalsozialisten zu Beginn des ›Ausländereinsatzes‹ angekündigt hatte – Menschen zweiter Klasse, die rücksichtslos ausgebeutet werden konnten. Mark Spoerer nennt dies »self-fulfilling prophecy«840. Der schlechte Zustand der Kleidung sowie fehlender Arbeitsschutz erhöhten die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bzw. Verletzung zusätzlich, sodass im Laufe des ›Ausländereinsatzes‹ die Zahl der arbeitsunfähigen Ausländer so weit anstieg, dass die NS-Behörden die Bereiche neu regeln mussten. Immer häufiger geschah dies auch auf Druck der Einsatzträger, die zur Erhaltung der Arbeitskraft bereits selbst nach Wegen zur Behebung der Missstände gesucht hatten. 4.2.2 Arbeitsunfähigkeit durch Erkrankung

Nachdem die hygienischen Bedingungen in den Ausländerlagern, der Arbeitsschutz und die Kleidung der ausländischen Zivilarbeiter anhand mehrerer Beispiele überprüft wurden, sollen nun die Folgen der aufgezeigten Mängel diskutiert werden. So führten die Umstände in den Ausländerlagern zur schnellen Ausbreitung von Infektionskrankheiten, fehlende Wechselbekleidung verursachte neben unangenehmen Körpergerüchen auch eine erhöhte Infektionsgefahr bei offenen Wunden, die durch fehlende Waschgelegenheiten begünstigt wurde.841 Auch fehlender Arbeitsschutz und Unkenntnis in den Arbeitsabläufen konnten Unfälle verursachen, die wiederum zur Arbeitsunfähigkeit führten. Dass Arbeitsunfälle sogar zum Tode führten, lässt sich anhand der Unterlagen des Lutherischen Pfarramtes Plauen nachweisen. René Panais verunglückte während der Arbeit tödlich an einer Kreissäge. Roger Adrien Conseil starb infolge eines Stromschlags.842 An dieser Stelle soll nun der Umgang mit arbeits838 Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 839 Ebd. 840 Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 139. 841 Vgl. ebd., S. 138–139. 842 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954732/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

279

280 | 

Zwangsarbeit in Plauen

unfähigen ausländischen Zivilarbeitern untersucht werden. Dabei geht es vor allem um die Identifikation der Maßnahmen, die das Reich zur Verhütung von Krankheiten oder Unfällen ergriff, ebenso wie um die medizinische Versorgung im Krankheitsoder Verletzungsfall. Wie bereits gezeigt, waren die ersten Opfer der deutschen Diffamierungen die polnischen Arbeitskräfte, obwohl deren Arbeitseinsatz als Saisonarbeiter im Reich nicht unbekannt war. Da ihr Einsatz als vorübergehende Maßnahme proklamiert wurde843 und sie nur für einen begrenzten Zeitraum in der deutschen Wirtschaft arbeiten sollten, übernahm das Reich in den ›Polen-Erlassen‹ keine Verantwortung im Falle ihrer Erkrankung. So hielten die Arbeitsverwaltungsbehörden gesetzlich fest, dass »polnische Arbeitskräfte […] zurückzubefördern [sind], falls ihre Arbeitsfähigkeit nicht innerhalb einer kürzeren […] Frist wiederhergestellt werden kann[.]«844 Ärztliche Behandlung und ein Krankenhausaufenthalt waren 1940 lediglich vorgesehen, wenn es einer entsprechenden Fürsorge von höchstens 14 Tagen bis zur Rehabilitation bedurfte.845 Im Folgejahr verfügte das Reichsarbeitsministerium, dass die »Aufnahme erkrankter Arbeitskräfte in Krankenhäusern oder Pflegeanstalten […] nur in bestimmten, unbedingt notwendigen Fällen in Betracht [kommt.] […] Voraussetzung ist stets, daß die Arbeitsfähigkeit voraussichtlich innerhalb von in der Regel 3 Wochen wiederhergestellt sein wird, und zwar für längere Zeit, oder daß die Schwere der Erkrankung eine Rückbeförderung in die Heimat nicht zuläßt.«846 Die Bestimmungen zur Rückführung ermöglichten es den Arbeitseinsatzbehörden, die polnischen Zivilarbeiter im Falle einer schwerwiegenden Erkrankung oder anderweitig verursachter Arbeitsunfähigkeit in ihre Heimat zurückzuschicken, ohne längere Zeit für ihre medizinische Versorgung aufkommen zu müssen. Finanziert werden sollte die Rückführung durch den Arbeitgeber, sofern die ausländische Arbeitskraft länger als sechs Wochen im entsprechenden Betrieb oder der entsprechenden Einrichtung im Reich gearbeitet hatte. Trat die Arbeitsunfähigkeit vor oder kurz nach der Arbeitsaufnahme ein, konnten die Kosten dem Reichsstock für Arbeitseinsatz zur Last gelegt werden. Er kam auch für ärztliche Behandlung und einen Krankenhaus843 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 80. 844 Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S.  24. Auf die entsprechenden Erlasse des Reichsarbeitsministers verweisen Küppers und Bannier ebenfalls. Vgl. dazu  : Verordnung zum Einsatz ausländischer Arbeitskräfte  ; hier  : Kosten der Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei Todesfällen, vom 22. Oktober 1940. In  : RABl. Nr. 31, 05.11.1940, Teil I, S. 528–530. Hier im Speziellen S. 528. Vgl. außerdem Erlass des Reichsarbeitsministers vom 08.10.1941, abgedruckt in  : RABl. 1941, Teil I, S. 460. 845 Vgl. Verordnung zum Einsatz ausländischer Arbeitskräfte  ; hier  : Kosten der Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei Todesfällen, vom 22. Oktober 1940. In  : RABl. Nr. 31, 05.11.1940, Teil I, S. 529. 846 Ebd. Küppers und Bannier verweisen erneut auf das RABl. Erlass des Reichsministers vom 08.10.1941. In  : RABl. 1941, Teil I, S. 460.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

aufenthalt auf, sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht in die Leistungspflicht der Unfalloder Krankenversicherung fiel. Ebenso konnten die Kosten einer Behandlung über die Zwei-Wochen-Frist hinaus beim Reichsstock abgewickelt werden.847 Einerseits wollte das Reich nicht für eine längerfristig notwendige medizinische Versorgung ausländischer Arbeitskräfte aufkommen, andererseits waren die Polen schon 1940 zur grundlegenden Kraft bei der Aufrechterhaltung deutscher Produktivität geworden.848 Deshalb war es für das Reichsarbeitsministerium notwendig, die Gründe für eine Rückführung der zivilen Polen zu beschränken und gleichzeitig deren medizinische Versorgung präziser zu regeln. Die Betriebe hatten begonnen, Arbeitsunfähige in großer Zahl in ihre Heimat zurückzuschicken, weil Arbeitsausfälle eine Belastung für sie darstellten. Nach den Bestimmungen der Arbeitseinsatzbehörden konnte ein Rücktransport nun erst erfolgen, wenn der Verbleib der Arbeitskräfte im Reich nicht mehr erwünscht war. Dies hing stets vom Einzelfall ab und war nach einer entsprechenden Prüfung zu entscheiden. Andernfalls konnte eine Behandlung im Krankenhaus erfolgen. Auch das Verfahren beim Todesfall wurde in diesem Zusammenhang geregelt. Die verstorbenen polnischen Zivilarbeiter blieben auf Anordnung im Reich.849 Schon jetzt zeichnete sich eine Ambivalenz beim Verfahren der Rückführungen ab. Zum einen sollte es dem Reich zur Durchsetzung seiner diskriminierenden Politik gegenüber polnischen Zivilarbeitern dienen, indem erkrankte Ausländer einfach rückgesendet werden konnten, anstatt ihnen medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Zum anderen nutzten die Betriebe das Verfahren, um unliebsame Arbeitskräfte dem Arbeitsprozess zu entziehen. Damit untergruben sie faktisch die Bemühungen des Reiches, den Arbeitskräftemangel durch den ›Ausländereinsatz‹ zu mildern. Ein dritter Aspekt ist außerdem zu beachten, denn die Rückführungen dienten zuerst den Polen und dann auch den Ostarbeitern als letzte Möglichkeit, in ihre Heimat zurückzukehren. Krankmeldungen wurden demnach gezielt von Seiten der Ausländer eingesetzt, um ihren Unmut über die Bedinungen in der deutschen Industrie auszudrücken.850 Um die produktiven, weil mit den Arbeitsabläufen vertrauten polnischen oder sowjetischen Zivilarbeiter im Reich zu halten, waren die Arbeitseinsatzbehörden gezwungen, sich intensiver mit deren medizinischer Versorgung auseinanderzusetzen. Eine erste Maßnahme war die ärztliche Untersuchung der polnischen Arbeitskräfte, bevor sie ins Reich überstellt wurden. Damit sollte die Einschleppung von ansteckenden Krankheiten vermieden werden. Der Reichsminister des Innern hatte die Richtlinien bereits im Februar 1940 verpflichtend für die lokalen Arbeits- und Gesundheits847 Vgl. Verordnung zum Einsatz ausländischer Arbeitskräfte  ; hier  : Kosten der Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei Todesfällen, vom 22. Oktober 1940. In  : RABl. Nr. 31, 05.11.1940, Teil I, S. 528–529. 848 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 80. 849 Vgl. Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S. 24–25. 850 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 188.

281

282 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ämter erlassen. Die Arbeitseinsatzverwaltung warnte neben dem Läusebefall vor allem vor Tbc, Trachomen, ansteckenden Geschlechts- und Hautkrankheiten, Typhus, Ruhr und Fleckfieber.851 Dass diese Erkrankungen für die ausländischen Arbeitskräfte tatsächlich lebensgefährlich sein konnten, zeigt der Fall von Viktor Dudka. Der Ukrainer verstarb im März 1944 in Plauen an Fleckfieber. Der aus Łódź stammende Januscok Pietrozak erlag nur kurze Zeit später den Folgen des Typhus.852 Nicht zu vernachlässigen ist dennoch, dass die Bestimmungen diskriminierende Elemente enthielten. Besonders die vom Reich vorgeschriebenen häufigen Entlausungen der Polen waren entwürdigend und dienten der Manifestierung des von den Nationalsozialisten kreierten Menschenbilds. Im März 1941 präzisierte der Reichsarbeitsminister die Richtlinien zur medizinischen Untersuchung polnischer Arbeitskräfte vor Arbeitsantritt im Reich. Um besonders die Einschleppung von Tuberkulose, die nach Einschätzung der Nationalsozialisten »bei den hygienischen Verhältnissen im früheren Polen […] weit verbreitet ist«853, zu verhindern, sollten die Polen nun auch einer Röntgenuntersuchung unterzogen werden. Dies galt ebenso für alle bereits im Reich befindlichen polnischen Zivilarbeiter. Zuständig für die Durchführung der »Durchleuchtungen«854 waren die Gesundheitsämter. Für den finanziellen Aufwand kam der Reichsstock für Arbeitseinsatz auf.855 Im April wurden die Richtlinien in einem Runderlass des Reichsministers des Innern noch einmal konkretisiert. Für die Untersuchung der polnischen Arbeiterkontingente, die aus dem Generalgouvernement zur Arbeit ins Reich kamen, war der Ärztliche Dienst der Arbeitseinsatzverwaltung zuständig. Die Röntgenuntersuchung sowie die seuchenhygienische Überwachung der Polen übernahmen die lokalen Gesundheitsämter am Einsatzort. Außerdem musste die Röntgenuntersuchung auf der Arbeitskarte der polnischen Kräfte vermerkt werden.856 Die diskriminierenden Maßnahmen sowie die schwere Arbeit führten bei den polnischen Zivilarbeitern zu zahlreichen Ausfällen. So beschäftigte sich das Gesundheitsamt Plauen-Land 1941 nicht mehr nur mit dem Läusebefall und dessen Bekämpfung 851 Vgl. Abschrift der Mitteilung des Reichsministers des Innern an die Landesregierungen vom 05.02.1940. Betreff  : Ärztliche Untersuchung und Überwachung der im Reichsgebiet eingesetzten polnischen Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 852 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954730/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 853 Abschrift des Erlasses I b 1939/689/41 des Reichsarbeitsministers vom 15.03.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung der für das Reichsgebiet angeworbenen polnischen Arbeitskräfte. In  : StAC, Best 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 854 Ebd. 855 Vgl. ebd. 856 Vgl. Runderlass des Reichsministers des Innern vom 04.04.1941. Betreff  : Röntgenuntersuchung der neu einzusetzenden polnischen Zivilarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

»im Interesse der Volksgesundheit«857. Immer wieder erkrankten polnische Zivilarbeiter, sodass eine Aufnahme in Krankenhäuser oder Pflegeanstalten notwendig war. Die Hauptanlaufstelle war das Stadtkrankenhaus, das sich bis 1942/43 ausschließlich in der Straße Am Alberthain in Plauen befand. 1943 erwarb die Stadt zusätzlich ein Areal zwischen Süd- und Ostvorstadt, das als Bauplatz für einen neuen Standort dienen sollte.858 Zudem war schon zu Beginn des Jahrhunderts eine Pflegeanstalt in Kauschwitz eingerichtet worden. Für das medizinische Laboratorium wurde im Jahr 1906 eine Stiftung aus städtischen Mitteln zu Ehren des silbernen Ehejubiläums des Kaiserpaares gegründet. Die Stiftung sollte der Einrichtung einer Siechenstation oder dem Aufbau einer psychiatrischen Anstalt dienen. Am 30. Mai 1911 beschloss der Plauener Rat, dass im Herrenhaus des Rittergutes Kauschwitz eine Pflegeanstalt für männliche Sieche einzurichten sei. Im März 1912 wurde sie fertiggestellt und im April von den ersten Pflegebedürftigen bezogen. Die Station konnte mit 60 Personen belegt werden.859 Sie war auch 1941 noch aktiv.860 Inwieweit die Pflegeanstalt mit dem späteren Rückkehrersammellager zusammenhing, muss offenbleiben. Gleiches gilt für eine weitere medizinische Einrichtung der Stadt Plauen, das Säuglingsheim in Syrau.861 Dass Verbindungen zur späteren Entbindungsstation in der Holzmühle bestanden, kann nur vermutet werden. Die gemeinsame Behandlung von Deutschen, Polen und Ostarbeitern entsprach im Allgemeinen nicht der NS-Rassenideologie, weshalb die Arbeitseinsatzverwaltungen gezwungen waren, die medizinische Versorgung der Ausländer neu zu regeln. Versorgungsschwerpunkt sollte in Plauen das Stadtkrankenhaus bleiben, doch durch die Errichtung von Krankenbaracken auf dem Areal führte man eine räumliche Trennung nach Nationen herbei. Während Arbeitskräfte aus den Ländern im Westen Europas weiter im Stadtkrankenhaus behandelt wurden862, mussten Polen und Ostarbeiter im Einweisungsfall in die Krankenbaracken ausweichen. Im Februar 1943 stellte das Arbeitsamt Plauen in Absprache mit dem Gesundheitsamt Plauen-Stadt und PlauenLand fest, dass die Krankenbaracken an den Krankenhäusern Plauen und Reichen857 Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein i. V. Jugend- und Gesundheitsvorsorgeamt vom 21.05.1941 an die Arbeitgeber polnischer Landarbeiter in Plauen. Betreff  : Bekämpfung der Verlausung bei polnischen Landarbeitern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 858 Vgl. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen, S. 7. Vgl. zum Standort des Stadtkrankenhauses ebd., S. 37. 859 Vgl. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen, S. 180. 860 Vgl. Kreisstadt Plauen (1941)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1941, Jg. 45, Plauen, S. 34. 861 Vgl. ebd., S. 34–35. 862 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954777/ ITS Digital Archive bis 2.1.4.1 / 70954783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Insgesamt aufgeführt sind 347 Patienten.

283

284 | 

Zwangsarbeit in Plauen

bach i. V. fertiggestellt bzw. im Falle Reichenbachs geplant waren. Eine der Baracken am Krankenhaus in Plauen war zu diesem Zeitpunkt bereits in Betrieb genommen. Regierungsrat Dr. Göschel forderte das Arbeitsamt im Rahmen der Besprechung auf, das ihm zur Verfügung stehende medizinische Ostpersonal nun berufsrichtig einzusetzen.863 Weitere Gründe für die Verlegung erkrankter Ostarbeiter und Polen waren die von Medizinalrat Dr. Blume angegebene Überbelegung der städtischen Einrichtungen sowie die Überlastung der örtlichen Ärzte.864 Mit der Maßnahme wollte man jedoch hauptsächlich der rassistisch motivierten getrennten medizinischen Behandlung »von Angehörigen der Feindstaaten und polnischen Arbeitern«865 und deutschen Patienten nachkommen. Schon im Januar 1941 hätte »die gemeinsame Unterbringung von Kriegsgefangenen und Arbeitskräften aus den Feindstaaten sowie von polnischen Arbeitern und […] deutschen Volksgenossen in Krankenanstalten […] mehrfach zu unliebsamen Vorfällen geführt. Sie widerspricht auch dem gesunden Volksempfinden, das in einer derartigen Maßnahme eine unbillige Gleichstellung erkrankter deutscher Volksgenossen mit Angehörigen der Feindstaaten bezw. den kulturell tiefer stehenden polnischen Arbeitern erblickt.«866 Im Kriegsverlauf kamen neben den Behelfsbaracken weitere medizinische Einrichtungen zur Versorgung ausländischer Arbeitskräfte hinzu. So wurden ausländische Patienten zwischen 1940 und 1946 auch im Hilfskrankenhaus Waldschule behandelt.867 Ebenso nahm der Chirurg Dr. W. Schubert in seiner Praxis wie auch in seiner Klinik Patienten aus dem Ausland auf. Eine namentliche Aufstellung der Patienten legt nahe, dass nicht nur Arbeitskräfte aus dem Westen Europas versorgt wurden, sondern auch diejenigen aus den besetzten Ostgebieten.868 Weiterhin nahm Dr. Georg Rostowzew in seiner Praxis der Schubertstraße 15869 ausländische Arbeitskräfte auf. Der Mediziner muss im Folgenden noch ausführlich vorgestellt werden, da er als Lagerarzt im Gemeinschaftslager ›Ausflug‹870 eine Vielzahl Ausländer betreute. Dr. Rostowzew war ebenfalls Leiter der Krankenstation für Ausländer im Lager ›Loge‹, in der Windmüh­ 863 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 864 Vgl. ebd. 865 Mitteilung des Reichsministers des Innern an die Reichsstatthalter, Landesregierungen und die Polizei vom 27.01.1941. Betreff  : Behandlung von Angehörigen der Feindstaaten und polnischen Arbeitern in den Krankenanstalten. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 866 Ebd. 867 Vgl. Aufstellung ausländischer Patienten im Hilfskrankenhaus Waldschule, 2.1.4.1 / 70954775/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 868 Vgl. Mitteilung Dr. Schuberts über ausländische Patienten in Praxis und Klinik für Chirurgie, Plauen vom 18.01.1947, 2.1.4.1 / 70954776/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 869 Vgl. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen, S. 849. 870 Vgl. Mitteilung der Vertrauensärztlichen Dienststelle zum Gesundheitszustand von Afanasi Ambrosenko an das Arbeitsamt Plauen vom 07.07.1944 und 19.05.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 3.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

lenstraße871, in der er in der Mehrzahl Ostarbeiter behandelte. Hinzu kommt das Ärztliche Ambulatorium für Ausländer in der Theaterstraße 7.872 Wie sich die Bestimmungen zur medizinischen Versorgung polnischer Arbeitskräfte in Sachsen herausformten und wie sie auf die lokale Ebene übertragen wurden, macht folgender Bericht deutlich. Im August 1941 meldete der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dr. Möbius, einen Missstand an den Sächsischen Minister des Innern, den es umgehend zu beheben gelte, widerspreche er doch »dem Gebote sparsamer Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und dem gesunden Volksempfinden«873. Hervorgerufen hatten die Beschwerde des Landesarbeitsamtes die unklaren Verfahrensweisen im Falle eines Krankenhausaufenthaltes polnischer Arbeitskräfte. So lag es nach Aussage des Landesarbeitsamtes in der Pflicht der Reichsarbeitsverwaltung, die Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Eine Prüfung der entstandenen Kosten habe nun ergeben, dass die durch die Polen in Anspruch genommenen Behandlungen viel zu teuer und unnötig waren. Besonders stellt Möbius heraus, dass den Ausländern bessere medizinische Leistungen zugekommen seien als Deutschen. So ließen Polen vermeintlich kosmetische Behandlungen durchführen, die »dem eigenen versicherten Volksgenossen nicht zugänglich«874 waren. Hinzu kämen absichtlich in die Länge gezogene Krankenhausaufenthalte wegen geringfügiger Erkrankungen, die stationäre Aufnahme wegen Obdachlosigkeit und »monatelange Krankenhausbehandlung wegen unheilbarer Geisteskrankheit«875. Auch die Beschaffung von kostspieligen Prothesen für nicht arbeitende Familienangehörige galt dem LAA als Ärgernis. Deshalb verfügte es, dass jede Behandlung zuvor vom zuständigen Arbeitsamt zu genehmigen sei. Außerdem sollte durch einen Krankenhausaufenthalt lediglich die Transportfähigkeit des Behandelten wiederhergestellt werden. Weitere Pflege war erneut vom Arbeitsamt zu genehmigen. Dauerte diese länger als 14 Tage, war auch sie von der Behörde neuerlich zu gestatten.876 Die sächsische Arbeitseinsatzverwaltung versuchte auf diesem Wege, längere Krankenhausaufenthalte zu vermeiden und die Diskriminierung der polnischen Zivilarbeiter gesetzlich zu manifestieren. Deutlich tritt in der Eingabe des Landesarbeitsamtes 871 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124. 872 Vgl. Mitteilung des Ärztlichen Ambulatoriums für Ausländer, Theaterstraße 7 in Plauen, an das Arbeitsamt Plauen vom 17.01.1945. Betreff  : Behandlung des Ukrainers Dmitr Porajko wegen Gelenkrheumatismus und allgemeiner Körperschwäche. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 71. 873 Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an den Sächsischen Minister des Innern a, 07.08.1941. Betreff  : Krankenhausbehandlung polnischer Arbeitskräfte auf Kosten der öffentlichen Fürsorge und deren Ersatz durch die Reichsarbeitsverwaltung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 874 Ebd. 875 Ebd. 876 Vgl. ebd.

285

286 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Sachsen die gängige Praxis hervor, durch diffamierende Schilderungen angeblicher Tatsachen eine rechtliche Diskriminierung zu erreichen. Mit den geschilderten Regelungen waren die Bestimmungen des Landesarbeitsamtes Sachsen strenger gefasst als die der Reichsbehörde. Die Reichsarbeitsverwaltung sah beispielsweise eine Pflege im Krankenhaus von maximal drei Wochen anstatt 14 Tagen vor. Ziel war außerdem die Herstellung der Arbeitsfähigkeit. Die Reichsstelle beschränkte den Krankenhausaufenthalt damit nicht nur auf Arbeitskräfte, die aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht rücküberführt werden konnten, sondern ließ auch diejenigen Fälle zur Behandlung zu, bei denen Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für längere Zeit bestand.877 Neben der Feststellung, dass polnische Arbeitskräfte bis August 1941 ohne Genehmigung der Arbeitsämter Krankenhausbehandlungen in Anspruch nehmen konnten, wird aus der Mitteilung des Landesarbeitsamtes Sachsen deutlich, dass die Ausländer verdächtigt wurden, das deutsche Sozial- und Gesundheitssystem auszunutzen. Möbius zeichnete gegenüber dem sächsischen Innenminister ein Polenbild, das die Ausländer als faule Nutznießer darstellte.878 Außerdem erweckt die Mitteilung an den Minister des Innern den Eindruck, dass Polen aufgrund von Geisteskrankheiten, Missbildungen und Obdachlosigkeit den deutschen Behörden zur Last fielen. Die Mitteilung der Landesbehörde macht deutlich, wie das von den Nationalsozialisten entworfene Polen-Bild die unterschiedlichsten Institutionen durchdrungen hatte. Nach Empfinden des Landesarbeitsamtes Sachsen sollten polnische Arbeitskräfte von der medizinischen Versorgung weitestgehend ausgeschlossen werden, während die Reichsbehörden die medizinische Versorgung auf ein Minimum beschränkten. Generell galt jedoch der explizite Ausschluss der Polen von der sozialen Fürsorge.879 Der Schriftwechsel zwischen dem LAA Sachsen und dem Minister des Innern gibt weiterhin Aufschluss über die Organisation des Gesundheitswesens im ›Ausländereinsatz‹. Grundsätzlich galt für Polen trotz des Ausschlusses von der Sozialverfassung eine Pflicht, Lohnabgaben für die Sozialversicherung zu leisten. Lediglich für die Invalidenversicherung gab es Ausnahmeregelungen.880 Erkrankte eine polnische Arbeitskraft, wurden die entstandenen Kosten für die medizinische Behandlung nach Angaben des Landesarbeitsamtes Sachsen dennoch über die öffentliche Fürsorge abgerechnet und nicht über die Krankenkasse. Der gleiche Kostenträger war für polnische Arbeitskräfte zuständig, die nicht in einem Arbeitsverhältnis standen. Außerdem konnten etwaige Behandlungskosten im Rahmen medizinischer Versorgung über die Reichsarbeitsverwaltung abgerechnet werden. Sie sollte die öffentliche Fürsorge entlasten. Deshalb mussten ab 1941 alle Krankenhausbehandlungen polnischer Ar877 878 879 880

Vgl. Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S. 24. Vgl. ebd., S. 12. Vgl. ebd., S. 29. Vgl. ebd., S. 84–87.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

beitskräfte, sofern sie von der öffentlichen Fürsorge oder der Reichsarbeitsverwaltung finanziell beglichen werden sollten, vom lokalen Arbeitsamt genehmigt werden.881 Die Bestimmungen der Reichsbehörden sprachen sich entgegen der Handhabung im LAA Sachsen für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse aus. Nur in Ausnahmefällen sollte die Fürsorgestelle oder der Reichsstock für den Arbeitseinsatz zur Kostenübernahme herangezogen werden. Gesetzlich waren die Polen dazu verpflichtet worden, Beiträge zum Reichsstock für den Arbeitseinsatz zu entrichten.882 Die Sozialversicherungspflicht wurde am 22. Dezember 1941 auch für Beschäftigte aus den eingegliederten Ostgebieten eingeführt.883 Wie bereits erwähnt, nutzten besonders diskrimierte Gruppen ausländischer Arbeitskräfte Krankmeldungen auch, um sich den Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort zu entziehen. So diente der Arbeitsausfall als Protest oder sogar Streik und konnte zum Mittel werden, in die Heimat zurückzukehren.884 Die Arbeitseinsatzbehörden verdächtigten polnische und später sowjetische Arbeitskräfte deshalb fortwährend, Erkrankungen aus den genannten Gründen selbst herbeigeführt zu haben. Gleichzeitig entwickelte sich daraus eine behördliche Praxis, Rückführungsanträge auch in schwersten Fällen abzulehnen, was man mit selbst verschuldeter Arbeitsunfähigkeit begründete. Vor den absichtlich herbeigeführten Erkrankungen warnte auch das Arbeitsamt Plauen seine Mitarbeiter im Rahmen einer Dienstbesprechung am 19. Juni 1941. Der Leiter der Sitzung, Regierungsoberinspektor (ROI) Bielick, verwies auf den Erlass 1939/69 vom 31. Mai 1941, in dem bestimmt wurde, dass bei ärztlichen Untersuchungen polnischer Arbeitskräfte auf Krankheitsvortäuschungen zu achten sei. »Häufig versuchen Polen sich ganz geschickt krank zu machen. [Sic  !] Kurz vor der ärztlichen Untersuchung nehmen sie Tabak zu sich. Dieser erhöht den Blut- und Herzdruck wesentlich. Wo solche Fälle vermutet werden, ist eine Beobachtung im Krankenhaus geboten.«885 Selbst von Fällen vorgetäuschter Tuberkulose berichteten die Behörden.886 Mit den Schilderungen versuchten sie auf die lokalen Stellen als 881 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an den Sächsischen Minister des Innern am 07.08.1941. Betreff  : Krankenhausbehandlung polnischer Arbeitskräfte auf Kosten der öffentlichen Fürsorge und deren Ersatz durch die Reichsarbeitsverwaltung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 882 Vgl. Küppers  ; Bannier (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen, S. 24 und 84–85. 883 Vgl. Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten. Vom 22. Dezember 1941. In  : RGBl. I, Nr. 142, 23.12.1941, S. 777–788. 884 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 188. 885 Protokoll zur Dienstbesprechung im Arbeitsamt Plauen, Abt. Arbeitseinsatz, vom 10.06.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung von polnischen Arbeitskräften und der Arbeitseinsatz in Sachsen. In  : Privatbestand Gerd Naumann, Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller, Abteilung Arbeitsvermittlung im Arbeitsamt Plauen, nicht foliiert. 886 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 28.12.1942. Betreff  : Ausländereinsatz  ; hier  : Krankheitsvortäuschung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

287

288 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Exekutive einzuwirken, um die Zahl der Rückführungen zu senken. Das LAA Sachen gab bereits im Oktober 1942 eine Liste mit körperlichen Beschwerden heraus, die bei Arbeitskräften aus den besetzten Ostgebieten keinesfalls eine Rückführung begründeten. Dazu gehörten Magenbeschwerden, Ekzeme, Leistenbrücke, Fingervereiterungen, Bronchitis, Versteifung von Gliedmaßen, Hungerzustand, Bindehautenzündung und die Blindheit auf einem Auge.887 Damit hatte das LAA einen Großteil der körperlichen Beschwerden zusammengefasst, die die von den deutschen Behörden geschaffenen Einsatzbedingungen für ausländische Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten und Polen hervorriefen. Neben körperlichen Beschwerden traten bei ausländischen Arbeitskräften aber auch andere Erkrankungen auf. So ist für Wladyslaw Budzinski eine Schizophrenie aktenkundig. Er starb infolge eines Fluchtversuches am 21. August 1944 im Alter von 25 Jahren an den ihm zugefügten Schussverletzungen.888 Ob der Fluchtversuch und der Tod des Polen in direktem Zusammenhang mit der Erkrankung standen, kann nicht festgestellt werden. Abgesehen von solchen Einzelfällen erkrankten viele polnische Arbeitskräfte an den der diskriminierenden Gesetzgebung geschuldeten schlechten hygienischen Verhältnissen in den Ausländerlagern. Eine Aufstellung der Plauener Friedhofsverwaltung ergab, dass 25 der 161 in den Grablisten des Hauptfriedhofes erfassten Ausländer aus Polen stammten. Die Mehrzahl unter ihnen verstarb im Stadtkrankenhaus.889 Haupttodesursache war Tuberkulose.890 Der Lungen-Tbc fiel unter anderem Jurko Kuschmir zum Opfer. Der 20-jährige Arbeiter starb im April 1943 in Plauen an den Folgen der Krankheit.891 Sein Schicksal teilte Stanislaus Seremak aus Warschau. Er erlag ebenfalls der Lungentuberkulose, am 4. August 1943 im Alter von 22 Jahren.892 Ähnlich ansteckend und auf schlechte hygienische Bedingungen in den Ausländerlagern zurückzuführen war Typhus, der sich für Plauen als zweithäufigste Todesursache unter den osteuropäischen Arbeitskräften feststellen ließ. In Plauen erlag der bereits erwähnte Januscok Pietrozak der Infektionskrankheit am 8. Mai 1944. Er war nur 18 Jahre alt geworden.893 Auch Anca Damjanowik aus Strzelewo verstarb 887 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Arbeitsämter vom 30.10.1942. Betreff  : Unbegründete Rückführungen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 888 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 43, 2.1.4.1 / 70955150/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 889 Vgl. Mitteilung des VEB Grünanlagen und Bestattungswesen an den Oberbürgermeister Voigt vom 17.05.1967. Betreff  : Ermittlung aller in der Stadt verstorbenen und beigesetzten Ausländer im Zweiten Weltkrieg. In  : Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 33–45. 890 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 139. 891 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 144, 2.1.4.1 / 70955251/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 892 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954730/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 893 Vgl. ebd.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

wohl infolge einer Typhuserkrankung. Ein gerissener Zwölffingerdarm wurde vom Lutherischen Pfarramt, auf dessen Friedhof auch ausländische Arbeitskräfte beigesetzt wurden, als Todesursache verzeichnet.894 Perforationen des Darms können Nebenerscheinungen einer Typhusinfektion mit schwerem Verlauf sein.895 Weitere Erkrankungen polnischer Arbeitskräfte mit Todesfolge in Plauen waren Nephritis896 und Kehlkopftuberkulose897. 1942 hatte das LAA Sachsen auf Veranlassung des GBA auch die Bestimmungen für Rückführung von Ostarbeitern neu und weitaus strenger geregelt. Es galt, die Arbeitskraft des Einzelnen maximal auszuschöpfen. Geschuldet war das Vorgehen der veränderten Lage an der Ostfront. Rekrutierungen waren weitestgehend zum Erliegen gekommen, während die Kriegsbelastungen stiegen.898 Der Präsident des LAA verfügte am 14. August 1942, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur durch den Arzt des zuständigen Arbeitsamtes festgestellt werden konnte. Die Einsatzfähigkeit sollte durch Umsetzung innerhalb des Betriebes, Umsetzung in einen anderen Betrieb oder von der Landwirtschaft in die Industrie sowie umgekehrt, je nach Befähigung des Ostarbeiters, erhalten werden. Möglich war zudem die arbeitsamtsbezirksübergreifende Versetzung in Sachsen.899 In der Folge rangen ausländische Arbeitskräfte aus der Sowjetunion und Einsatzträger um Versetzung oder Rückführung. Wie dies in der Praxis aussah, soll an zwei Beispielen aus Plauen illustriert werden. Dass häufige Arbeitsausfälle den betrieblichen Ablauf störten und den Unmut des Unternehmers heraufbeschworen, zeigt das Beispiel aus den Werkstätten für Holzbearbeitung August Peter, Plauen. Das Unternehmen meldete den Ostarbeiter Nikita Anufriew am 12. Februar 1945 an das Arbeitsamt Plauen, da er »während seiner Zugehörigkeit [zum] Betrieb vorwiegend krank gewesen [sei.]«900 Eine amtsärztliche Untersuchung sollte nun klären, ob die Ausfallzeiten gerechtfertigt waren und ob der

894 Vgl. ebd. 895 Vgl. Robert-Koch-Institut (2019)  : Art. Typhus abdominlias, Paratyphus. In  : RKI – Ratgeber für Ärzte, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Typhus_Paratyphus.html 23.11.2019. 896 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954730/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen sowie Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 144, 2.1.4.1 / 70955251/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 897 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954731/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 898 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 277. 899 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 14.08.1942. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert. 900 Mitteilung des Betriebes August Peter, Plauen, Werkstätten für Holzbearbeitung, an das Arbeitsamt Plauen am 10.02.1945. Betreff  : Amtsärztliche Untersuchung von Nikita Anufriew. In  : StadtA Plauen, A 84 Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 12.

289

290 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Ostarbeiter aus diesem Grund in die ›Holzmühle‹ zu überführen sei.901 Offensichtlich empfand der Betrieb den Ostarbeiter als Belastung. Nach der Untersuchung bei Obermedizinalrat Dr. Schubart im Arbeitsamt Plauen war immer noch nicht klar, ob Anufriew für die Arbeit als Tischlerei-Hilfsarbeiter geeignet war. Anstelle einer Rückführung sollten prophylaktisch andere Arbeiten gesucht werden, für die der Ostarbeiter geeignet schien. Das Arbeitsamt Plauen zog die Arbeitskraft bei der Firma August Peter im Februar 1945 ab.902 Einen Ersatz für Anufriew erhielt das Plauener Unternehmen wegen des baldigen Kriegsendes nicht mehr. Während Anufriew im Verdacht stand, sich mit der Absicht krankzumelden, den betriebsinternen Ablauf zu stören und den Weg in die Heimat antreten zu dürfen, ging Wladimir Wynoradnick trotz schwerer Verletzung seinen Pflichten nach. Er erlitt im Februar 1942 bei einem Unfall eine Oberschenkelfraktur, die unbehandelt blieb.903 Zwei Monate später wurde er bei der Ärztlichen Dienststelle des Arbeitsamtes Plauen vorgestellt. Obermedizinalrat Dr. Schubart diagnostizierte eine Verkürzung und Versteifung des linken Beines als Folge des Oberschenkelbruchs. Außerdem war das Knie des Ukrainers geschwollen und in der Beweglichkeit eingeschränkt. Die Kanzlei-Anweisung lautete nach der Untersuchung, dass der Ostarbeiter nicht mehr einsatzfähig sei und ein Rücktransport in die Heimat zu veranlassen war.904 Ebenso wie Wynoradnick wurden auch die Leiden des Ukrainers Petro Rublewsky nicht behandelt. Trotz Magengeschwür und einer daraus folgenden Bulbusverformung hatte er sich bei der Firma Gebrüder Höppner in Plauen, Fürstenstraße, nicht krankgemeldet. Hier war er seit dem 17. Mai 1944 beschäftigt. Behandelt wurde das Leiden des Ostarbeiters durch Dr. Rostowzew lediglich notdürftig im Lager ›Loge‹905, der Krankenstation der Plauener Ausländerlagers906. Der Arzt hatte nur zwölf Wochen nach Arbeitsaufnahme Rublewskys den Rückführungsantrag gestellt, was für eine schnelle Verschlechterung des Gesundheitszustandes spricht. Der Ostarbeiter gab während der Untersuchung beim Vertrauensärztlichen Dienst des Arbeitsamtes an, dass ihm mit Bestrafung gedroht wurde, hätte er sich krankmelden wollen.907 Welche Funktion der Vertrauensärztliche Dienst übernahm, wird nachfolgend noch 901 Vgl. ebd. 902 Vgl. Untersuchungsbogen zur für die Abgabe eines ärztlichen Gutachtens über den Ostarbeiter Nikita Anufriew vom 19.02.1945. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 11. 903 Vgl. Ärztlicher Untersuchungsbefund der Ärztlichen Dienststelle des Arbeitsamtes Plauen zum Gesundheitszustand von Wladimir Wynoradnick vom 05.04.1942. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 111. 904 Vgl. ebd. 905 Vgl. Rückführungsantrag für Petro Rublewsky vom 18.08.1944 beim Arbeitsamt Plauen. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 74. 906 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle«, S. 124. 907 Vgl. Rückführungsantrag für Petro Rublewsky vom 18.08.1944 beim Arbeitsamt Plauen. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 74.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

beleuchtet werden. Dass auch Wladimir Wynoradnick etwas angedroht wurde, falls er sich krankmelden würde, liegt bei der Schwere der Verletzung, die er erlitten hatte, nahe. Die Strafandrohung, auf die sich Rublewsky bezog, war Praxis der deutschen Behörden und Einsatzträger, um Ostarbeiter von Krankmeldungen abzuschrecken. Die Staatspolizeileitstelle Dresden hatte die DAF angewiesen, Ostarbeiter in Fällen von Krankheitsvortäuschung an die lokale Gestapo zu melden, um gegen sie wegen Sabotage polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen.908 Die Einsatzträger und die DAF nutzten die Anweisung aus, um den Ostarbeitern mit der Meldung bei der Gestapo zu drohen. Festzustellen ist anhand der Unterlagen des Arbeitsamtes Plauen, dass die Ostarbeiter eine medizinische Grundversorgung in ihren Lagern erhielten. So wurde beispielsweise Afanasi Ambrosenko 1944 mit der Diagnose Gastritis vom Stadtkrankenhaus in das Lager ›Ausflug‹ zurücküberstellt, wo er vom Lagerarzt Dr. Rostowzew weiterbehandelt werden sollte.909 Bei Ambrosenko wurde vor der Gastritis bereits ein Geschwür im Zwölffingerdarm diagnostiziert. Aufgrund seiner Erkrankung konnte er seine Tätigkeit als Lagersanitäter in der VOMAG, bei der er schwere Lasten heben musste, nicht mehr ausführen. Seinen Dienst hatte Ambrosenko seit dem 19. Juni 1942 verrichtet. Er war zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt gewesen.910 Auch im Lager ›Loge‹ versorgte Dr. Rostowzew Krankheiten und Unfallfolgen bei Ostarbeitern. So war unter anderem Michail Schurawkow dort untergebracht. Der Streckenarbeiter bei der Plauener Straßenbahn und den Sächsischen Elektrizitätswerken wurde wegen Handekzems beim Vertrauensärztlichen Dienst vorgestellt. Weil er angab, Probleme zu haben, seine Hände fest zu schließen und schwer zu heben, wurde er für eine Rückführung überprüft. Dr. med. Schubart lehnte den Antrag Schurawkows ab, da dieser bereits im Oktober 1943 wegen einer Magenerkrankung versucht hatte, den Arbeitsplatz zu wechseln.911 Dr. Rostowzew behandelte auch Alexander Sandrak. Seine Rückführung wurde aufgrund von Bettwasser beantragt. Der Vertrauensärztliche Dienst entschied, den Ostarbeiter am 17. Februar 1944 in die ›Holzmühle‹ einzuweisen. Nach 14 Tagen sollte ein erneuter Bericht über den Gesundheitszustand Sandraks an das Arbeitsamt überstellt werden. Um welche Erkrankung es sich aufgrund der Diagnose bzw. des Krankheitsbildes »Bettwasser« handelt und was 908 Vgl. Mitteilung der Staatspolizeileitstelle Dresden an die Deutsche Arbeitsfront vom 18.12.1942. Betreff  : Absichtliche Hervorrufung von Hautkrankheiten. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 909 Vgl. Mitteilung der Vertrauensärztlichen Dienststelle zum Gesundheitszustand von Afanasi Ambrosenko an das Arbeitsamt Plauen vom 07.07.1944 und 19.05.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 3. 910 Vgl. Rückführungsantrag von Afanasi Ambrosenko beim Arbeitsamt Plauen, gestellt am 04.07.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 2. 911 Vgl. Untersuchungsbogen von Michail Schurawkow, erstellt am 05.08.1944 beim Arbeitsamt Plauen. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 104.

291

292 | 

Zwangsarbeit in Plauen

darunter zu verstehen ist, geht aus dem Antrag Rostowzews nicht hervor.912 Dieses Vorgehen legt nahe, dass die ›Holzmühle‹ mehrere Funktionen erfüllte. Zum einen diente sie als Rückkehrersammellager, zum anderen entlastete sie Behelfskrankenhaus und Betriebslager. Die medizinische Grundversorgung der Ostarbeiter beinhaltete oft lebensrettende Maßnahmen und große chirurgische Eingriffe. So musste der als Aufläder eingesetzte Iwan Dzebrznak gleich zwei Mal im Stadtkrankenhaus Plauen operiert werden. Im Juni 1942 hatte er eine Perforation des Geschwürs im Zwölffingerdarm erlitten. Es folgte die Behandlung eines Darmverschlusses und schließlich eine Gastroenterostomie. Nach acht Wochen Krankenhausaufenthalt wurde er ins Lager ›Edelweiß‹ entlassen. Weil er aufgrund der großen Bauchwunde nicht mehr als Aufläder tätig sein konnte, suchte das Arbeitsamt eine andere Möglichkeit, ihn einzusetzen. Es beschäftigte ihn schließlich als Fabrikationsarbeiter bei Flockenbast in Plauen.913 Dr. med. Wichmann, Ober-Vertrauensarzt des Ärtzlichen Dienstes, hatte eine sitzende Tätigkeit bei Schonkost für Dzebrznak empfohlen.914 Was die Situation von Iwan Dzebrznak noch verschlimmert haben muss, ist der Umstand, dass ihm wohl nicht vermittelt wurde, was mit ihm im Stadtkrankenhaus geschah. Denn Dr. Wichmann vermerkte auf seinem Gutachten, dass der Weißrusse »fast kein Wort deutsch sprechen bezw. verstehen [konnte], sodass eine mündliche Auseinandersetzung mit D. praktisch undurchführbar«915 war. Einen Dolmetscher holten die Plauener Behörden nicht dazu. Über einen solchen Krankenhausaufenthalt wie bei Dzebrznak entschieden grundsätzlich die Krankenkassen. War eine Arbeitsunfähigkeit der Ausländer über mehr als drei Wochen aufgrund ihrer Erkrankung zu erwarten, lehnte die Krankenkasse die Behandlung seit Oktober 1941 ab. Die Frist zur Genesung war ab Februar 1944 auf sechs bis acht Wochen verlängert worden.916 Welche Kasse im Falle einer Erkrankung bei Ostarbeitern zuständig war, entschied sich danach, welchen Krankenversicherungsträger der Betrieb, in dem die ausländische Arbeitskraft beschäftigt war, gewählt hatte. Dabei konnte es sich um Betriebs-, Orts- oder Landeskrankenkasse handeln. Die Krankenkasse war es auch, die über Erfolg oder Misserfolg der Anträge auf Rückführung in die Heimat entschied.917 Im Falle Plauens sprach der Vertrauensärztliche Dienst der Ortskrankenkasse dem Arbeitsamt eine Empfehlung aus. Die 912 Vgl. Vertrauensärztliches Gutachten für Alexander Sandrak vom 08.02.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 80. 913 Vgl. Vertrauensärtzliches Gutachten für Iwan Dzebrznak vom 19.10.1942. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 26. 914 Vgl. ebd. 915 Ebd. 916 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 140. 917 Vgl. Bestimmungen über die Krankenversorgung der Ostarbeiter vom 01.08.1942, erlassen durch den Reichsarbeitsminister. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

entsprechenden Anträge wurden beim Arbeitsamt eingereicht, das seinerseits die Ausländer vom Vertrauensärztlichen Dienst untersuchen ließ. Die Dienststelle sammelte außerdem die Krankengeschichte der hauptsächlich aus der Sowjetunion stammenden Arbeitskräfte.918 Für die Krankenversorgung der Ostarbeiter hatte der Reichsarbeitsminister im August 1942 festgehalten, dass ihnen Krankenpflege, Krankenhauspflege, Wochenhilfe und Familienkrankenpflege zustand, sofern sie gegen ein Entgelt im Reich beschäftigt waren. Die Regelungen hatte er ergänzend zur vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erlassenen ›Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter‹ vom 30. Juni 1942 getroffen. Sauckel hatte lediglich festgehalten, dass den Ostarbeitern im Krankheitsfalle oder bei Unfall und daraus resultierender Arbeitsunfähigkeit für wenige Tage freie Verpflegung und Unterkunft vom Unternehmen zu gewähren war.919 Nun regelte der Reichsarbeitsminister weitere Punkte zur medizinischen Versorgung von Ostarbeitern. Die Krankenpflege schränkte die Bestimmung vom 1. August 1942 auf »ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung, soweit diese zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit notwendig ist, Versorgung mit Arznei, sowie Brillen, Bruchbän­dern und anderen kleineren Heilmitteln«920 ein. Krankenhauspflege bestimmte der Reichsarbeitsminister als »Kur und Verpflegung in einem Krankenhaus«921 und das Krankengeld legte er auf »1,50 RM kalendertäglich«922 bei Arbeitsunfähigkeit fest. Letzteres unterlag der Beschränkung, dass es an den Unternehmer zu zahlen war, der für die Versorgung des arbeitsunfähigen Ostarbeiters aufkam und die Unterkunft stellte. Im Einzelfall entschied jedoch der Träger der Krankenversorgung, welche Leistungen zu gewähren waren.923 Neben den Leistungen, die die Arbeitseinsatzverwaltung den ausländischen Arbeitskräften zugestand, definierte die Bestimmung vom 1. August 1942 zugleich, wie die Sozialversicherung organisiert war. Wie bereits erwähnt, war der »Träger der Krankenversorgung […] der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, bei dem die gegen Krankheit pflichtversicherten Gefolgschaftsmitglieder des Betriebes versichert 918 Vgl. die bereits zitierten medizinischen Unterlagen von Afanasi Ambrosenko zur Entscheidungsfindung über den Rückführungsantrag vom 04.07.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 2–6. Vgl. außerdem Mitteilung des Stadtkrankenhauses an Dr. med. Rostowzew und die Ortskrankenkasse Plauen. Vom 08.09.1944. Betreff  : Entlassung des Patienten Frolow aus dem Stadtkrankenhaus. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 28. 919 Vgl. Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl., Nr. 71, 02.07.1942, S. 420. 920 Bestimmungen über die Krankenversorgung der Ostarbeiter vom 01.08.1942, erlassen durch den Reichsarbeitsminister. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 921 Ebd. 922 Ebd. 923 Vgl. ebd.

293

294 | 

Zwangsarbeit in Plauen

sind oder zu versichern waren.«924 Abzuführen hatte der Unternehmer den Beitrag zur Krankenversicherung, der sich bei gewerblich beschäftigten Ostarbeitern nach Höhe des Bruttolohnes der jeweiligen Kraft richtete. Festgelegt waren lediglich die Beiträge für Hausgehilfinnen, Forst- und Landwirtschaft. Für Hausgehilfinnen waren 4  RM im Monat zu entrichten, für Ostarbeiter in der Forst- oder Landwirtschaft 0,13 RM pro Kalendertag.925 Obwohl der Reichsarbeitsminister im August 1942 explizit auf die Bestimmungen aus dem Zweiten Buch der Reichsversicherungsordnung verwies926, galten die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung bis April 1944 ausdrücklich nicht für Ostarbeiter. Erst mit der ›Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter‹ vom 25. März 1944 waren auch Ostarbeiter sozialversicherungspflichtig.927 Anders war die Situation der Westarbeiter, hier im Speziellen der Franzosen, geregelt. Aufgrund ihrer Sozialversichungspflicht stand ihnen grundsätzlich die gleiche medizinische Versorgung wie deutschen Arbeitskräften zu.928 Wie schon erwähnt, bemühten sich die deutschen Behörden allerdings nicht sonderlich, diese gesetzliche Vorgabe umzusetzen, sodass die medizinische Versorgung der ausländischen Zivilarbeiter aus verbündeten und neutralen Staaten oder den besetzten Gebieten im Westen Europas hinter der der Deutschen zurückblieb. Bei der Sichtung der medizinischen Unterlagen ausländischer Patienten im Stadtkrankenhaus fällt zum einen auf, dass Parasitenbefall 1944 nicht mehr nur auf Ostarbeiter oder Polen beschränkt war. Vom 22. bis 26. August befand sich Maria Aival wegen Skabies in Behandlung.929 Die Skabiesmilben finden vor allem in Einrichtungen schnelle Verbreitung, in denen Enge und mangelnde Hygiene vorherrschen. Eine Übertragung ist neben länger andauerndem Körperkontakt auch über gemeinsam genutzte Textilien wie Bettdecken möglich.930 Die Ausbreitung der Krätze war ausschließlich auf die Lager der VOMAG beschränkt. Sie kamen im ›Weißen Stein‹ und der Einrichtung der VOMETALL in der Hofwiesenstraße vor931, was für mangelnde Hygiene und Sauberkeit sowie Enge und damit für schlechte Lebensbedingungen der Ausländer spricht. Zum anderen legen die Unterlagen aus dem Plauener Stadtkrankenhaus nahe, dass auch die Westarbeiter gefährlichen Arbeiten ausgesetzt waren. So erlitten mehrere Arbeitskräfte aus 924 Ebd. 925 Vgl. ebd. 926 Vgl. ebd. 927 Vgl. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1944)  : Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 25. März 1944. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 207–208. 928 Vgl. Timm, Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, S. 22–23. 929 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954778/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 930 Vgl. Robert-Koch-Institut (2016)  : Art. Skabies (Krätze). In  : RKI – Ratgeber für Ärzte, http://www. rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Skabies.html#doc2374546bodyText13 27.01.2017. 931 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954777/ ITS Digital Archive bis 2.1.4.1 / 70954783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

dem Lager ›Weißer Stein‹ Frakturen. Adolf Nagelen musste sogar wegen Schädelbruchs behandelt werden.932 Marcel Foesse erlitt eine Schienbeinfranktur933, Viktor Bermont verlor die rechte Hand.934 Im Gegensatz zu den Ostarbeitern und Polen wurden Verletzungen und Erkrankungen von Westarbeitern stationär und über mehr als drei Monate behandelt. So belegte beispielsweise Maurice Beauliek vom 24. Oktober 1944 bis 1. Februar 1945 ein Bett im Stadtkrankenhaus zur Behandlung seiner Tuberkulose.935 Ostarbeiter wurden bei Tbc in die ›Holzmühle‹ überstellt. Außer wegen schwerwiegender Erkrankungen wurden Westarbeiter aber auch wegen leichter Beschwerden im Stadtkrankenhaus versorgt. Paul Chambriard war vom 7. bis 21. Juni 1944 wegen eines grippalen Infektes in Behandlung.936 Hinzu kamen unter anderem Einweisungen wegen Pneumonie, Hämorrhoiden, Rheuma, Abszessen, Gonorrhö, Angina, Scharlach937  ; selbst zweifacher Verdacht auf Malaria ist dokumentiert. Der 43-jährige Charles Nerot wurde am 23. Juli 1943 wegen entsprechender Symptome ins Stadtkrankenhaus eingewiesen938, ebenso wie Robert Braivoine. Der in Reichenbach eingesetzte Franzose wurde am 22. Februar 1944 stationär in Plauen aufgenommen.939 Aber auch Beschwerden des Magen-Darm-Traktes führten zur stationären Aufnahme. Maurice Fresne940 litt ebenso wie Francois Larhantec941 an einer Gastritis. Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes waren jedoch eher typisch für Ostarbeiter und Polen. Am 7. Februar 1944 unterzog sich Alexander Bresenin der Untersuchung beim Vertrauensärztlichen Dienst des Arbeitsamtes Plauen. Er war zwei Tage zuvor als Hilfsarbeiter vom Milchhof der Stadt Plauen zur VOMAG versetzt worden. Die Untersuchung des Ostarbeiters ergab, dass er an einer Gastritis mit daraus folgender Bulbusverformung litt. Das Arbeitsamt verfügte anstatt einer Rückführung die 932 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954781/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 933 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954779/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 934 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954778/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 935 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954777/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 936 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954778/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 937 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954777/ ITS Digital Archive bis 2.1.4.1 / 70954783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 938 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954781/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 939 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954778/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 940 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954779/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 941 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 70954780/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 / 2.1.4.1 /

295

296 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Überprüfung, welche Arbeiten in dieser Situation für ihn geeignet seien. Bresenin sollte an eine andere Arbeitsstelle versetzt werden.942 Im Jahr zuvor hatte sich Dimitri Dolomanow um eine Rückführung bemüht. Der 1910 geborene Russe litt ebenfalls an einer Bulbusverformung und zusätzlich an einer Magenverengung. Nach der Untersuchung beim Vertrauensärztlichen Dienst kam das Arbeitsamt zu dem Schluss, dass kein Grund für eine Rückführung vorlag. Dolomanow wurde weiterhin bei der VOMAG eingesetzt.943 Ursache für die Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes war die rechtlich verankerte schlechte Ernährungslage der Ostarbeiter. Sie verhinderte eine hohe Produktivität, führte zu Nährstoffmangel und Beschädigungen innerer Organe. Auf den MagenDarm-Trakt wirkte neben dem Nährstoffmangel vor allem die schlechte Qualität der den Ostarbeitern zur Verfügung gestellten Nahrungsmittel. Das ›Russenbrot‹ bestand beispielsweise anteilig aus Laub und war deshalb kaum verdaulich.944 Auf die daraus folgenden zahlreichen Arbeitsausfälle reagierte man von staatlicher Seite zuerst nicht, weil die Ernährung der deutschen Bevölkerung im Vordergrund stand. Nachdem sich allerdings die Kriegslage zunehmend verschlechtert hatte, wurde im Mai 1943 die Leistungsernährung eingeführt. Wer überdurchschnittlich arbeitete, erhielt mehr Kalorien, die wiederum den Schwächeren entzogen wurden.945 Die deutschen Unternehmen hatten schon vor dieser Kurswende versucht, die Ernährungssätze ›ihrer‹ Ostarbeiter auf eigene Initiative zu erhöhen, indem sie an nichtkontingentierten Lebensmitteln zukauften. Doch dies war ebenso wenig erfolgreich wie die staatlichen Initiativen zur Besserung der Ernährungslage.946 Bei der Versorgung der Ausländer in den Werken und Lagern gingen die Lebensmittel durch viele Hände, sodass Personen im Verdacht stehen, für sich selbst abgezweigt zu haben.947 Die schlechte Versorgung wirkte sich besonders negativ auf die Arbeitsleistung der Ausländer aus. Schneller Gewichtsverlust schon kurze Zeit nach Arbeitsantritt im Reich war eine Folge. So wurde beispielsweise der 54-jährige Ostarbeiter Iwan Walujew am 4. März 1944 beim Vertrauensärztlichen Dienst des Arbeitsamtes Plauen vorgestellt. Er wog zu diesem Zeitpunkt nur noch 52,5 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,87 Meter.948 Unterernährung löste neben der in den Unterlagen der Ärztlichen

942 Vgl. Rückführungsantrag für Alexander Bresenin vom 07.02.1944 beim Arbeitsamt Plauen. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 15. 943 Vgl. Rückführungsantrag für Dimitri Dolomanow vom 28.05.1943 beim Arbeitsamt Plauen. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 23. 944 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 172. 945 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 127. 946 Vgl. ebd., S. 97. 947 Vgl. ebd., S. 132. 948 Vgl. Untersuchungsbogen des Vertrauensärztlichen Dienstes beim Arbeitsamt Plauen von Iwan Walujew, geb. 24.01.1894. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 108.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Dienststelle bei vielen Patienten vermerkten »allgemeinen Körperschwäche«949 auch die bereits für die ›Holzmühle‹ diskutierten Ödeme aus. Entsprechende Fälle wurden beim Vertrauensärztlichen Dienst der Stadt Plauen vorgestellt. Masil Alekseenke war in der Zellwolle angestellt und vom zuständigen Betriebsarzt Dr. Collin behandelt worden. Er sollte rückgeführt werden950, denn er litt im Alter von 56 Jahren an einem Herzfehler, Krampfadern und Ödemen, wie der Vertrauensärztliche Dienst über seine Krankengeschichte zusammengetragen hatte.951 An einer weiteren Folge der Unterernährung litt Sergej Lukitschow. Bei ihm stellte der Vertrauensärztliche Dienst Skorbut fest, als er am 10. März 1943 sein Gutachten zum Rückführungsantrag des Ostarbeiters anfertigte. Beschäftigt war Lutschikow in der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne. In seinem Fall kam eine lebensgefährliche Herzinsuffizienz hinzu, die der Lagerarzt der Maschinenfabrik, Dr. Salowski, nicht behandeln konnte. Aufgrund der Schwere der Erkrankung und weil mit einer anhaltenden Arbeitsunfähigkeit zu rechnen war, stimmte das Arbeitsamt der Rückführung zu. Lukitschow wurde daraufhin von einem Boten ins Rückkehrersammellager nach Kauschwitz überführt. Hier wurde er als Ostarbeiter Nr. 213 registriert, seine Arbeitsunterlagen wurden dem Arbeitsamt übergeben.952 Sein weiterer Weg ist nicht dokumentiert. Für die medizinische Versorgung kann festgehalten werden, dass sich diejenige der Polen und Ostarbeiter von der der Westarbeiter unterschied. Ostarbeiter und Polen wurden ›behelfsmäßig‹ in einer Krankenbaracke behandelt. Deutsche Ärzte waren als Lagerarzt angestellt, die Versorgung in der städtischen Krankenbaracke besorgte aber Ostpersonal. Im Falle Plauens kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei Dr. Rostowzew um einen ortsansässigen Arzt handelt, da er eine Praxis in der Stadt betrieb. An einigen Stellen machten die deutschen Behörden jedoch keine Unterschiede. So wurden in Plauen alle ausländischen Zivilarbeiter im Falle eines Unfalls oder chirurgischen Eingriffs in der Praxis und Klinik für Chirurgie von Dr. Schubert behandelt. Der Arzt versorgte Knochenbrüche, aber auch Darmfisteln, Vereiterungen und Verbrennungen.953 Zu seinen Patienten zählten Ost- und Westarbeiter. Die Versorgung 949 Vgl. bspw. Mitteilung des Ärztlichen Ambulatoriums für Ausländer, Theaterstraße 7 in Plauen, an das Arbeitsamt Plauen vom 17.01.1945. Betreff  : Behandlung des Ukrainers Dmitr Porajko wegen Gelenkrheumatismus und allgemeiner Körperschwäche. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 71. 950 Vgl. Mitteilung des Betriebsarztes der Sächsischen Zellwolle, Dr. Collin, an den Ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes Plauen vom 02.04.1943. Betreff  : Arbeitsunfähigkeit Masil Alekseenke. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 7. 951 Vgl. Akte der Vertrauensärztlichen Dienststelle über den Gesundheitszustand von Masil Alekseenke vom 05.04.1943. In  : StadtA, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 8. 952 Vgl. Mitteilung der Vertrauensärztlichen Dienststelle zum Gesundheitszustand von Sergej Lukitschow an das Arbeitsamt Plauen vom 10.03.1944. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 51–52. 953 Vgl. Mitteilung Dr. Schuberts über ausländische Patienten in Praxis und Klinik für Chirurgie, Plauen vom 18.01.1947, 2.1.4.1 / 70954776/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

297

298 | 

Zwangsarbeit in Plauen

schien entsprechend gut zu sein, denn der Arzt gab in einer Nachkriegsaufstellung an, dass es keine Todesfälle in seiner Einrichtung gegeben habe. Alle Patienten seien mit Heilung oder mindestens Verbesserung entlassen worden.954 Wie unterschiedlich die Behandlung von Unfallfolgen bei Arbeitskräften verschiedener Nationen in Plauen aber auch sein konnte, zeigt ein Vergleich der Fälle von Gilbert Dullier und dem bereits bekannten Wladimir Wynoradnick. Während der komplizierte Unterschenkelbruch des vermutlich aus Frankreich stammenden Dullier in der Klinik von Dr. Schubert zwischen dem 11. August und 18. September 1943 behandelt wurde955, blieb die Oberschenkelfraktur des Ukrainers ohne Versorgung.956 Dr. Schubart vom Ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes Plauen diagnostizierte zwei Monate nach der Verletzung im Februar 1942, dass der Ostarbeiter nicht mehr einsatzfähig und damit ein Rücktransport zu veranlassen war.957 Da die Rückführungen erst im Dezember 1942 gestoppt wurden, ist davon auszugehen, dass der Ukrainer rückgeführt wurde. Die Folgen des Arbeitseinsatzes im Reich mussten für ihn auch nach der Rückkehr in seine Heimat gravierend gewesen sein. Der zum Zeitpunkt der Diagnose 39-Jährige war nach Ansicht der Plauener Behörden auf lange Zeit arbeitsunfähig.958 Anhand der geschilderten Fälle aus Plauen und der Bestimmungen der Landes- und Reichsbehörden kann neben den verschiedenen Gründen, die zu einer Krankmeldung führten, für die Entwicklung der Rückführungspraxis Folgendes festgehalten werden. Während man zu Beginn des Ostarbeitereinsatzes unter der Annahme, im Osten stünden genügend Ressourcen zur Verfügung, jede Arbeitskraft, die Einsatzträgern unliebsam wurde, in die Heimat zurückschickte, war nach der Niederlage von Stalingrad klar, dass Arbeitskräfte so lang wie möglich im Reich eingesetzt werden mussten. Deshalb erfolgte eine Rückführung nur in Ausnahmefällen und auch erst, wenn die Ostarbeiter ohne Aussicht auf Besserung arbeitsunfähig waren. Damit vermieden es die Arbeitseinsatzbehörden, die weitere Versorgung regeln zu müssen. Als die Rücktransporte jedoch wegen der Vielzahl von arbeitsunfähigen Ostarbeitern Sonderzüge erforderten, kam es zur Einrichtung von Lagern für Arbeitsunfähige aus dem Osten Europas. Von den Rückkehrersammellagern aus sollten die Transporte besser organisiert werden können.959 Nachdem die Züge aufgrund der allgemeinen Kriegslage nicht mehr verkehren konnten, sammelte die Arbeitseinsatzverwaltung arbeitsunfä-

954 Vgl. ebd. 955 Vgl. ebd. 956 Vgl. Ärztlicher Untersuchungsbefund der Ärztlichen Dienststelle des Arbeitsamtes Plauen zum Gesundheitszustand von Wladimir Wynoradnick vom 05.04.1942. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 111. 957 Vgl. ebd. 958 Vgl. ebd. Wladimir Wynoradnick wurde am 20.05.1903 geboren. 959 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 230.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

hige Ostarbeiter und Polen weiterhin in den Lagern, wo sie sich weitestgehend selbst überlassen wurden. Insgesamt war die Arbeitsunfähigkeit ausländischer Zivilarbeiter, egal, welcher Gruppe sie angehörten, auf die diskriminierenden Bestimmungen der deutschen Arbeitseinsatzverwaltung und die schwere Arbeit im Reich zurückzuführen. Die hygienischen Umstände in den überfüllten Lagern nährten Ungeziefer und Infektionskrankheiten, unter denen im Kriegsverlauf nicht mehr nur Ostarbeiter und Polen litten. Für Ostarbeiter und Polen kam erschwerend hinzu, dass sie von medizinischer Versorgung weitestgehend ausgeschlossen waren. Krankenhausbehandlungen wurden im Einzelfall entschieden, Krankengeld erhielten sie nicht, ebenso wenig wie Zugang zu Medikamenten. Dies erhöhte die Sterblichkeit unter ihnen im Vergleich zu Westarbeitern deutlich. Zu Beginn des ›Ausländereinsatzes‹ dienten die Rückführungen dazu, arbeitsunfähige Ausländer ohne medizinische Versorgung in ihre Heimat zurückzuschicken. Bald nutzten Ostarbeiter und Polen die Praxis jedoch, um Ausreiseverbote zu umgehen. Je drängender der Arbeitskräftemangel wurde, umso restriktiver ging die Arbeitseinsatzverwaltung mit den Rückführungen um. Im Dezember 1942 wurden sie schließlich gestoppt und die lokalen Stellen beherbergten in den Rückkehrersammellagern unzählige arbeitsunfähige Ausländer, die nun im Reich verblieben. Unter den Spätfolgen des ›Arbeitseinsatzes‹ litten die ehemaligen Ostarbeiter und Polen, sofern sie Unfälle und Erkrankungen überstanden, ihr Leben lang. 4.2.3 Arbeitsunfähigkeit durch Schwangerschaft

Die Gaststätte ›Holzmühle‹ in Kauschwitz beherbergte nicht nur arbeitsunfähige Ostarbeiter, sie erfüllte auch eine weitere Funktion. Denn nicht nur Krankheiten oder Unfälle konnten zu Arbeitsunfähigkeit führen. Am 5. Februar 1943 teilte der Plauener Regierungsrat Dr. Göschel bei einer Besprechung im Arbeitsamt Plauen mit, dass im Durchgangslager Holzmühle eine Entbindungsstelle für Ostarbeiterinnen und Polinnen auf entsprechenden Erlass des GBA errichtet wurde.960 Schon im Dezember 1942 war eine Anweisung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die lokalen Arbeitsämter ergangen, »Ostarbeiterrückführerzüge sofort [zu] stoppen«961. Grund für die Maßnahme war die »angespannte Einsatzlage, desgleichen [ließ auch] die Transportlage […] eine weitere Überlastung durch unnötige Rücktransporte nicht zu.«962 Betroffen waren von dieser Regelung nicht nur erkrankte Ostarbeiter, son960 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 961 Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 962 Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943.

299

300 | 

Zwangsarbeit in Plauen

dern auch Schwangere aus den besetzten Ostgebieten. Sie waren bisher in die Heimat zurückzuführen, sollten nun aber wieder in den Arbeitsprozess integriert werden.963 Ähnlich verfuhr die Arbeitseinsatzverwaltung mit schwangeren Polinnen, die zur Arbeit ins Reich gekommen waren. Für sie galt ab März 1941, dass im Falle einer Schwangerschaft sofortige Rückführung in die Heimat anzustreben sei. Der Reichsarbeitsminister nahm bei den Polinnen im Gegensatz zu den Ostarbeiterinnen allerdings diejenigen aus, die zusammen mit ihrem Ehemann im Deutschen Reich eingesetzt oder auf deren Arbeitskraft die Betriebsführer in besonderem Maße angewiesen waren.964 Der generelle Rückkehrstopp hatte zur Folge, dass die im Dezember 1942 aufgrund ihrer Schwangerschaft bereits von ihren Arbeitsstellen in Durchgangslager versetzten Kräfte an die vorherige Arbeitsstelle zurückzuholen und am besten ohne große Unterbrechungen durch Schwangerschaft oder Geburt einzusetzen waren. Die Entbindung sollte auf Weisung des GBA der Zeitersparnis wegen in der Unterkunft, also im Ausländerlager, erfolgen. Bestünde dazu allerdings keine entsprechende räumliche Möglichkeit, genehmigten die Arbeitsverwaltungsbehörden einen Klinikaufenthalt. Die Kosten sollten durch die Sachleistungen der Krankenversorgung für Ostarbeiter, die Mittel des Reichsstocks oder den Erzeuger getragen werden.965 Da die Anweisung des GBA zum Umgang mit schwangeren Ostarbeiterinnen Lücken ließ und sich aus ihr oder aus anderen Erlassen keine Handlungskette für die regionalen Behörden ergab, klärte der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen nachfolgend die Detailfragen. Die Bestimmungen des LAA wurden dann den lokal zuständigen Stellen vorgelegt. In Plauen diskutierten Staatliches und Städtisches Gesundheitsamt, DAF, Kreisleiter, Kreisbauernführer, Ortskrankenhaus und Arbeitsamt über die Umsetzung der Vorgaben aus Dresden. Für schwangere Ostarbeiterinnen sollten im Betriebslager von diesem abgeteilte Entbindungsecken eingerichtet werden. Dafür vorgesehen waren beispielsweise Revierstuben.966 Diesen Vorschlag lehnte der Obermedizinalrat Dr. Collin, Leiter des Gesundheitsamtes Plauen-Stadt, für seinen Zuständigkeitsbereich wegen der hygienischen Umstände in den Betriebslagern kategorisch ab. Er stellte allerdings gleichzeitig heraus, dass eine Unterbringung der schwangeren Ostarbeiterinnen weder im Stadtkrankenhaus noch in den übrigen Kli963 Vgl. ebd. 964 Vgl. Abschrift des Erlasses I b 1939/689/41 des Reichsarbeitsministers vom 15.03.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung der für das Reichsgebiet angeworbenen polnischen Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 965 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 966 Regierungsrat Dr. Göschel gab einleitend zur Sitzung im Arbeitsamt Plauen die Bestimmungen des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen wieder, die anschließend für die Umsetzung in Plauen diskutiert wurden. Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

niken möglich sei.967 Entbindungen waren vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ursprünglich nur in Verbindung mit einem Klinikaufenthalt vorgesehen.968 Da in Plauen nach Angabe der zuständigen Stellen schon die Versorgung schwangerer deutscher Frauen wegen zu geringer Kapazitäten vakant sei, stehe eine Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen außerhalb jeglicher Möglichkeit. Deshalb sprach sich Dr. Collin nachdrücklich für eine andere, dauerhafte Lösung aus.969 Für den Arbeitsamtsbezirk Plauen veranlasste Regierungsrat Dr. Göschel nach Absprache die Einrichtung der Entbindungsstelle im Durchgangslager ›Holzmühle‹. Wie dringend die lokalen Stellen den Umgang mit schwangeren Zivilarbeiterinnen aus den besetzten Ostgebieten regeln mussten, zeigt der Umstand, dass die Entbindungsstube bereits im Februar 1943 von einer Ostarbeiterin belegt wurde. Die Ostarbeiterin war analog zu den vor Dezember 1942 gültigen Bestimmungen schon zur Rückführung wegen Schwangerschaft in das Durchgangslager Chemnitz gebracht worden. Nach der Einrichtung der Entbindungsstelle wurde sie zurück nach Plauen verlegt, um nach der Entbindung sofort in den Arbeitsprozess übernommen zu werden.970 Dr. Collin wies im Zuge der Einrichtung explizit darauf hin, dass die hygienischen Bedingungen für Geburten auch bei Ostarbeiterinnen und Polinnen unbedingt beachtet und deshalb am besten in der ›Holzmühle‹ zu schaffen waren anstatt in Betriebslagern, »denn dem Einsatz nützen seines Erachtens nur gesunde Kräfte«971. Was die Ostarbeiterinnen und Polinnen vorfanden, war eine »primitive Entbindungsstube im Restaurant ›Holzmühle‹ bei Plauen[.]«972 Die Betreuung der werdenden Mütter wurde in der Entbindungsstelle ›Holzmühle‹ von einer Ostärztin übernommen. Ebenso war die Hebamme aus Syrau, die auch für den Bereich Kauschwitz zuständig war, hinzuzurufen. Arbeitsamt, Gesundheitsamt, NSDAP-Kreisleiter, DAF und Kreisbauernführer sahen für Plauen weitere spezifische Regeln vor. So sollten schwangere Ostarbeiterinnen und Polinnen, trotz der Entfernung zu den Industriebetrieben, stets in die Entbindungsstelle ›Holzmühle‹ eingewiesen werden. Tag der Einweisung war kurze Zeit vor Eintritt der Wehen. Festgelegt

967 Vgl. ebd. 968 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 969 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 970 Vgl. ebd. 971 Ebd. 972 Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

301

302 | 

Zwangsarbeit in Plauen

wurde der Termin durch die Bezirkshebamme, die von der Lagerführung im Falle einer Schwangerschaft hinzugezogen werden musste.973 Nach den Angaben der DAF bestand bereits in den ersten Wochen nach der Eröffnung der Entbindungsstube ein Belegungsbedarf von sechs bis acht Frauen. Unter ihnen befanden sich Polinnen, Ostarbeiterinnen, aber auch zwei Französinnen.974 Eine gemeinsame Unterbringung der Nationalitäten war jedoch nach der Rassenideologie der Nationalsozialisten nicht vorgesehen.975 Der getrennten Unterbringung und verschiedenen Behandlung der Frauen aus West und Ost wurde bei der Planung der Entbindungsstelle bereits Rechnung getragen. Sofern keine Einwände von Seiten des Arbeitsgebers oder Gefahr für die Gesundheit der Schwangeren bestanden, wurde den Westarbeiterinnen gestattet, vor Niederkunft die Heimreise anzutreten.976 Andernfalls konnten sie sich an das städtische Krankenhaus wenden.977 Dieses Vorgehen war im Dezember bereits vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vorgeschlagen worden.978 Für Ostarbeiterinnen war eine Heimreise mit dem Stopp der Rückführungen auch im Falle einer Schwangerschaft ausgeschlossen worden. Vielmehr hatten sie nach der Entbindung umgehend an ihre Arbeitsstelle zurückzukehren. Kinder und Mütter waren in die Betriebslager zu überführen und dort gemeinsam unterzubringen.979 War dies nicht möglich, empfahl das Landesarbeitsamt Sachsen auf Weisung des GBA den Gruppeneinsatz der Mütter. Gegebenenfalls sollte ein Einsatz an anderer Stelle erfolgen, sodass entsprechende Gruppen gebildet werden konnten. Während der Arbeitszeit der Mütter sollten die Kinder dann von anderen Ostarbeiterinnen betreut werden.980 Um eine dauerhafte Versorgung Schwangerer ihrer Nationalität entsprechend gewähren zu können und der Situierung der Einrichtung im Rückkehrersammellager zu entsprechen, 973 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 974 Vgl. ebd. 975 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 91. 976 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 977 Vgl. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954779/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen sowie Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. In beiden Fällen handelte es sich allerdings um medizinische Notfälle während der Schwangerschaft, unter anderem eine Fehlgeburt. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Westarbeiterinnen auch beim Einsetzen der Wehen an das Stadtkrankenhaus wenden konnten. Gynäkologen waren offensichtlich vor Ort. 978 Vgl. Abschrift der Mitteilung des GBA vom 15.12.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Betreff  : Rückführung schwangerer ausländischer Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 979 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 980 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

entschied sich das Arbeitsamt Plauen, die Entbindungsstelle zur Kreisentbindungsstelle für Ostarbeiterinnen und Polinnen auszubauen.981 Plauen nahm hiermit, ebenso wie bereits mit dem Rückkehrersammellager, eine zentrale Rolle in Westsachsen ein. Für die Arbeitseinsatzverwaltung schien das größte Problem an einer Schwangerschaft bei Ostarbeiterinnen der bevorstehende Arbeitsausfall durch die Entbindung zu sein.982 Um zu vermeiden, dass Ostarbeiterinnen in der Entbindungsstelle des Arbeitsamtes Plauen »ohne Beschäftigung dem Arbeitsamt zu Last liegen«983, wurden sie 48 Stunden nach der Entbindung, sofern diese ohne Komplikationen verlief, zurück in das Betriebslager verbracht. Genauso zügig sollte die Wiederaufnahme der Arbeit erfolgen. Postnatale Betreuung sahen die Plauener Behörden nicht vor.984 Die entstandenen Kosten für Hebamme, Medikamente und medizinische Versorgung übernahm die Ortskrankenkasse mit dem nochmaligen Verweis, dass bei Geburten in jedem Fall eine Hebamme hinzuzuziehen sei. »Krankengeld auf Grund angeblicher Arbeitsunfähigkeit«985 gewährte der Leiter der Plauener Ortskrankenkasse aber nicht, da nach seinem Verständnis eine solche nicht bestünde. »[D]ie Arbeitsunfähigkeit [ist] nur auf die Schwangerschaft zurückzuführen […] und somit nicht als Sachleistung der Bestimmungen [zur Krankenversorgung] bewertet[.]«986 Die Betonung einer angeblichen Arbeitsunfähigkeit und der Hinweis darauf, dass der Grund für den Arbeitsausfall in der Schwangerschaft bestand, legen nahe, dass der Leiter der Ortskrankenkasse bei seiner Argumentation von einem durch die Ostarbeiterinnen selbst verschuldeten Umstand ausging. Ein Blick auf die Bestimmungen zur Krankenversorgung der Ostarbeiter vom 12. August 1942, auf die sich die Ortskrankenkasse Plauen bezog, zeigt, dass von Rechts wegen lediglich Sachleistungen für folgende Umstände vorgesehen waren. »Den im Reichsgebiet gegen Entgelt beschäftigten Ostarbeitern […] darf als Krankenversorgung gewährt werden  : 1.) Krankenpflege (ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung, soweit diese zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit notwendig ist, Versorgung mit Arzenei, sowie Brillen, Bruchbändern und anderen kleinen Hilfsmitteln, 2.) Krankenhauspflege (Kur und Verpflegung in einem Krankenhaus), 3.) Die Sachdienstleistungen der Wochenhilfe […].«987 Der Reichsarbeitsminister schränkte die Gewährung der Leistungen aber ein. Entscheiden sollte dazu im Einzelfall »der Träger der Krankenversorgung 981 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 982 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 209. 983 Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 984 Vgl. ebd. 985 Ebd. 986 Ebd. 987 Abschrift des Schnellbriefes des Beauftragten für den Vierjahresplan, des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 12.08.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter einschließlich Zweigstelle Nürnberg. Betreff  : Ostarbeiter  ; hier  : Krankenversorgung. Bestimmungen des Reichsarbeitsministers. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

303

304 | 

Zwangsarbeit in Plauen

nach pflichtgemäßem Ermessen.«988 »Träger der Krankenversorgung [war] der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, bei dem die gegen Krankheit pflichtversicherten Gefolgschaftsmitglieder des Betriebes versichert […] oder zu versichern waren.«989 Nach den Bestimmungen des Reichsarbeitsministers stand Ostarbeitern also nur die Kostenübernahme für die medizinische Versorgung zu. Für den Lohnausfall kam die Krankenversicherung im Falle der Wöchnerinnen nicht auf. Alle anderen Kosten wie zum Beispiel die für Transport und Unterbringung, die bei der Inanspruchnahme der Entbindungsstelle entstanden, wurden dem Betriebsführer in Rechnung gestellt.990 Zu vermuten ist, dass sich dieser Umstand als besonders problematisch für die Ostarbeiterinnen und Polinnen erwiesen haben muss. Denn die entstandenen Kosten wurden auf die Arbeitskräfte umgelegt und damit war der Druck, die Arbeit möglichst schnell wieder aufzunehmen, auf Frauen nach der Geburt hoch. Die Kostenumlegung ist wahrscheinlich, denn auch die Versorgung im Betrieb wurde den Ostarbeitern in Rechnung gestellt. Es lässt sich nun weiter annehmen, dass die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen aus der Sowjetunion und Polen infolge der Bestimmungen zur Entbindungsstelle hoch war. Denn obwohl Regierungsrat Dr. Göschel den Ostarbeiterinnen und Polinnen im Falle von Komplikationen bei der Entbindung eine über 48 Stunden hinausgehende Regenerationszeit zugestand, mussten die Frauen für Unterbringung und weitere Unkosten außerhalb der medizinischen Versorgung selbst aufkommen. Weiterhin wurde ihnen Krankengeld verwehrt, das zur Deckung der angefallenen Kosten hätte genutzt werden können. Dies führte vermutlich dazu, dass die Wöchnerinnen frühzeitig an ihre Arbeitsstelle zurückkehrten, um sich beim Betrieb nicht weiter zu verschulden. Empirisches Material liegt hierfür allerdings nicht vor. Während mit den soeben dargestellten Bestimmungen das Verfahren bei Industriearbeiterinnen geregelt war, erließen das Plauener Arbeitsamt und der Kreisbauernführer besondere Vorgaben für den Umgang mit schwangeren ausländischen Hausgehilfinnen und landwirtschaftlichen Arbeitskräften in kleinbäuerlichen Betrieben. Da die Zurverfügungstellung entsprechender Räumlichkeiten für eine Geburt in privaten Haushalten oder auf kleinen Gütern als nicht umsetzbar galt oder den Arbeitgebern nicht zugemutet werden konnte, sollten ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹ schon im fünften Monat der Schwangerschaft in Industrielager versetzt werden. Die Maßnahme sollte zusätzlich verhindern, dass sich die jungen Frauen hochschwanger in der deutschen Familie aufhielten. Landwirtschaftliche Arbeiterinnen in kleinbäuerlichen Betrieben wurden vor der Entbindung zu Großbauern verbracht. Für die Entbindung galten dann die gleichen Bestimmungen wie für Ostarbeiterinnen und Polinnen in der Industrie.991 988 Ebd. 989 Ebd. 990 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 991 Vgl. ebd.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

Eine Schwangerschaft war für Hausgehilfinnen und landwirtschaftliche Arbeitskräfte also unweigerlich mit einer veränderten Lebenssituation verbunden. Vor allem der Zugang zu höherwertigeren Lebensmitteln und größeren Portionen ging verloren, sobald sie in die Lager der großbäuerlichen Betriebe oder der Industrie versetzt wurden. Grundsätzlich galt, dass Gemeinschaftsversorgung schlechteren Zugang zu Lebensmitteln gewährte als Einzelversorgung.992 Deshalb ist auch von einer Verschlechterung der Ernährungslage für die Hausgehilfinnen auszugehen, wenn sie aufgrund ihrer Schwangerschaft in die Industrie wechseln mussten. Weiterhin konnte sich der Verlust der persönlichen Beziehung zu den deutschen Vorgesetzten negativ auswirken, gerade, wenn die Arbeitsleistung der Sowjets oder Polen geschätzt wurde. Handelte es sich allerdings um einen patriarchischen Haushaltsvorstand oder Bauern, entzog die Schwangerschaft die Polinnen und Ostarbeiterinnen seinem Einfluss. Hinzu kam, dass sie die Isolation in den deutschen Haushalten und kleinbäuerlichen Betrieben durch die Versetzung in Ausländerlager überwanden. Die Bestimmungen zur Entbindungsstelle im Durchgangslager ›Holzmühle‹ machen noch einmal deutlich, wie hoch der Diskriminierungsgrad von Ostarbeiterinnen und Polinnen auf lokaler Ebene in den Plauener Behörden war. Während die Arbeitskräfte aus dem Osten Europas nur kurze Zeit vor dem Einsetzen der Wehen dem Arbeitsprozess entzogen werden sollten993, hatten die Arbeitsverwaltungsbehörden des Reiches im Januar 1943 verfügt, dass den Arbeitskräften aus den verbündeten Staaten Bulgarien, Italien, Kroatien, Slowakei, Spanien und Ungarn im Falle einer Schwangerschaft wie deutschen Frauen eine bezahlte Arbeitsunterbrechung zuzugestehen sei.994 Im April des gleichen Jahres wurde das Mutterschutzgesetz auf Däninnen, Niederländerinnen, Norwegerinnen, Rumäninnen, Schwedinnen und Fläminnen ausgeweitet. Fläminnen schloss die Bestimmung nur ein, sofern sie eine amtliche Bestätigung ihrer Volkstumszugehörigkeit vorlegen konnten.995 Das Mutterschutzgesetz wurde bereits am 17. Mai 1942 erlassen und legte für deutsche Frauen und Frauen vorgenannter Nationalitäten fest, dass sie sechs Wochen vor und sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt keine Arbeit aufnehmen sollten. Von schweren und gefährlichen Arbeitsgängen waren sie schon nach Bekanntwerden der Schwangerschaft abzuziehen.996 Dagegen sollten Ostarbeiterinnen und Polinnen nur einen »Mindestschutz für Sondergruppen

992 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 134. 993 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 994 Vgl. Anwendung des Mutterschutzgesetzes auf Ausländerinnen. Vom 11. Januar 1943. In  : RABl. Nr. 3, 25.01.1943, Teil I, S. 60. 995 Vgl. Anwendung des Mutterschutzgesetzes auf Ausländerinnen. Vom 30. April 1943. In  : RABl. Nr. 14, 15.05.1943, Teil I, S. 291. Vgl. außerdem Mutterschutz für die außerhalb der Reichsgrenzen beschäftigten deutschen Frauen. In  : RABl. Nr. 33, 25.11.1943, Teil V, S. 546–547. 996 Vgl. Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz). Vom 17. Mai 1942. In  : RGBl. I, Nr. 53, 18.05.1942, S. 322.

305

306 | 

Zwangsarbeit in Plauen

erwerbstätiger Frauen«997 erhalten. Vorgesehen war eine Abwesenheit von der Arbeitsstelle zwei Wochen vor der Geburt und sechs Wochen danach. Jedoch war den lokal zuständigen Gewerbeaufsichtsämtern freigestellt, die Ostarbeiterinnen und Polinnen in dieser Zeit für leichte Tätigkeiten einzusetzen. Ausgeschlossen wurde lediglich schwere und gefährliche Arbeit.998 Demnach oblag es den lokalen Stellen, schwangere Ostarbeiterinnen und Polinnen von der Industrie in die Heim- oder Hausarbeit zu versetzen. Wie gezeigt wurde, schlossen die Verwaltungsstellen in Plauen diese Möglichkeit für sich aus  ; zumindest, was die Zeit vor der Entbindung anging. Die deutschen vermeintlich kinderreichen Familien sollten nicht mit schwangeren Ausländerinnen in Kontakt kommen. Dagegen sahen die Plauener Behörden keine Gefahr für Mutter und Kind beim Einsatz von Hochschwangeren oder Wöchnerinnen in schwerer Industriearbeit. Ihnen gestanden sie anstatt 14 Tagen lediglich wenige Stunden Schonung vor dem Einsetzen der Wehen und anstatt sechs Wochen nur 48 Stunden nach der Entbindung zu. Neben körperlicher Schonung vor und nach der Entbindung wurde den Ostarbeiterinnen und Polinnen in Plauen wie im gesamten Reich keine Ernährungszulage in der Schwangerschaft gewährt. Gleiches galt außerdem für Jüdinnen.999 Die von den Plauener Behörden ausgearbeiteten Regelungen im Umgang mit schwangeren weiblichen Ausländern zeigen, dass eine Schwangerschaft die Lebensbedingungen der Ostarbeiterinnen und Polinnen stark beeinflusste. Die Stadt im Vogtland hatte gerade für die Entbindung noch restriktivere Bestimmungen ausgearbeitet, als es von Rechts wegen vorgesehen war. Der Grund dafür könnte in den Umständen liegen, unter denen die Plauener Behörden zur Einrichtung einer Entbindungsstelle gezwungen waren. Die lokalen Verwaltungsstellen standen nämlich vor der Schwierigkeit, dass sich die Erlasse des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zum Umgang mit schwangeren Ausländern aus dem Jahr 1942 im Februar 1943 nicht in Realpolitik umsetzen ließen. Im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes Plauen befand sich eine Ostarbeiterin allerdings kurz vor der Entbindung, sodass die lokalen Stellen selbst eine Regelung ausarbeiten mussten. Details regelte das Reich offiziell erst 1943 und 1944.1000  997 Ausführungsverordnung zum Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz). Vom 17. Mai 1942. In  : RGBl. I, Nr. 53, 18.05.1942, S. 328.  998 Vgl. ebd.  999 Für die Reichsbestimmungen vgl. ebd. Ernährungszulagen wurden in Plauen bei der Besprechung zur Einrichtung der Entbindungsstelle nicht thematisiert. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht vorgesehen waren. Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 1000 Vgl. Anwendung des Mutterschutzgesetzes auf Ausländerinnen. Vom 30. April 1943. In  : RABl. Nr. 14, 15.05.1943, Teil I, S. 291. Vgl. außerdem Mutterschutz für die außerhalb der Reichsgrenzen beschäftigten deutschen Frauen. In  : RABl. Nr. 33, 25.11.1943, Teil V, S. 546–547 und Mutterschutz der Ausländerinnen. In  : RABl. Nr. 5/6, 25.02.1944, Teil V, S. 62. 1944 bestimmte die Arbeitsverwaltung die Ausweitung des Mutterschutzes nach dem entsprechenden Gesetz von 1942 auf Estinnen, Lettinnen und Finninnen.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

An diesem Beispiel lässt sich die für die nationalsozialistische Politik typische Kurzschrittigkeit illustrieren, die schließlich dazu führte, dass das ›System des Ausländereinsatzes‹ zusammenbrach. Bis zum Dezember 1942 hatten die Arbeitsverwaltungsbehörden die Notwendigkeit, für Ostarbeiter bei Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen, umgangen, indem man die Personen in die Heimat zurückschickte.1001 Für den Einsatz der Polen wurde die Rückführung bei Arbeitsunfähigkeit bereits 1941 beschlossen. Gleichzeitig wurde auch das Vorgehen im Falle einer Schwangerschaft geregelt. Der Reichsarbeitsminister verfügte am 15. März, dass »polnische Arbeiterinnen, die schwanger sind, nach Bekanntwerden der Schwangerschaft unabhängig von der Dauer und dem Zeitpunkt der Feststellung auf Kosten des Reichsstocks für Arbeitseinsatz zurückgeschickt werden müssen.«1002 Jedoch räumte er die bereits thematisierte Einschränkung ein.1003 Ostarbeiterinnen wurden dagegen bei Schwangerschaft in jedem Fall zurück in die Heimat geschickt. Dies galt zumindest bis 12. Dezember 1942. Dann stoppte der GBA die Rückführung.1004 Schon im Oktober hatte Sauckel in einem Schnellbrief an die Landesarbeitsämter auf die angespannte Einsatzlage hingewiesen, weswegen die Rückführung beschränkt einsatzfähiger Ostarbeiter nicht mehr zugelassen war. Erst ein ärztliches Gutachten ermöglichte den Erhalt eines Rückkehrerscheins.1005 Für alle anderen bestimmten die Ärzte, für welche Arbeit der Ostarbeiter »bei Berücksichtigung der vorliegenden Mängel«1006 noch eingesetzt werden konnte. Der Verfügung Sauckels vom 12. Dezember 1942 waren die weiteren Anweisungen beigegeben, dass die Entbindungen bei schwangeren Ostarbeiterinnen in einer Klinik ermöglicht werden sollten. Kosten hatten entweder Reichsstock, Krankenversicherung, Betriebsführer oder Kindsmutter sowie -vater zu tragen. Weiter ins Detail ging der GBA nicht. Die Unterbringung der Neugeborenen überließ er dem Gutdünken der Landesarbeitsämter. Sauckel machte hierfür lediglich Vorschläge.1007 Am 15. Dezember reichte der Beauftragte für den Vierjahresplan dann eine Mitteilung 1001 Vgl. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern im Auftrag des GBA an die Amtsärzte vom 19.08.1942. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1002 Abschrift des Erlasses I b 1939/689/41 des Reichsarbeitsministers vom 15.03.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung der für das Reichsgebiet angeworbenen polnischen Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1003 Vgl. ebd. 1004 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1005 Vgl. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 16.10.1942. Betreff  : Nichteinsatzfähige Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1006 Ebd. 1007 Vgl. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp

307

308 | 

Zwangsarbeit in Plauen

an die Landesarbeitsämter nach, in der er Einzelheiten regelte. Er empfahl zum Beispiel die Einrichtung von einfachsten, hygienisch aber einwandfreien Entbindungsstellen in Krankenbaracken, Arbeitslagern oder anderen Unterkünften. Entbindungen in Kliniken waren für Ausländer aller Nationen nicht mehr vorgesehen. Auch die Unterbringung der ›Ostarbeiterkinder‹ wurde klarer geregelt. Die Kleinkinderbetreuung sollte im Betrieb erfolgen und vom Betrieb organisiert werden. Die Kinder unterlagen der Aufsicht »von weiblichen Angehörigen des entsprechenden Volkstums«1008, aber nicht deutscher Stellen. Sie sollten den deutschen Kindern in Einrichtungen, die mit ihrer Versorgung beauftragt waren, keine Plätze wegnehmen. Gültigkeit hatten die Bestimmungen bis zum 31. März 1943.1009 Zwei Wochen nach Sauckel konkretisierte der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen die Ausführungen der Vierjahresplanbehörde und widersprach ihnen. Er verfügte, dass für Arbeiterinnen aus befreundeten und westlichen Nationen eine Unterbringung in Krankenhäusern bei der Entbindung anzustreben sei. Bei den Ostarbeiterinnen verwies das LAA auf die Primitivität ihres Volkes, sodass eine Entbindung keiner weiteren medizinischen Vorkehrung bedürfe und die Durchführung in den Unterkünften problemlos sei. Weitere Entscheidungen vertagte der Präsident mit Verweis auf die noch zu treffenden Regelungen durch den GBA. Bis dahin sollten die Gesundheitsämter in Absprache mit den Ortsgruppen, Ortsbauernführern und Betrieben die Einzelfälle vor Ort nach eigenem Ermessen regeln.1010 So entstand eine Fülle an Bestimmungen, die sich zum Teil widersprachen. Der GBA hatte mit seiner Entscheidung, die Rückführung schwangerer Arbeiterinnen zu stoppen, der drängenden wirtschaftlichen Lage entsprochen. Nun fehlte es aber an Bestimmungen, um zum einen schnellstmöglich den Mutterschutz bei ausländischen Zivilarbeitern zu regeln. Zum anderen musste die diskriminierende Abstufung unter den ausländischen Zivilarbeitern beibehalten und verrechtlicht werden. Weiterhin lässt sich an dem entstandenen Bestimmungsgebilde zum Mutterschutz erneut die Struktur des nationalsozialistischen Staates erkennen. Die Behörden auf Reichsebene gaben den Landesämtern grobe Handlungsvorschriften, die diese dann näher ausformten. Die Umsetzung und Anwendung auf Alltagssituationen war schließlich den lokalen Behörden überlassen. Auf dem Weg zur Vergesetzlichung des Alltagselements der Ausländerbeschäftigung versuchten die Plauener Behörden, den Tendenzen der Reichspolitik zu entspreder Rückführungszüge für Ostarbeiter. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1008 Abschrift der Mitteilung des GBA vom 15.12.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Betreff  : Rückführung schwangerer ausländischer Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1009 Vgl. ebd. 1010 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 31.12.1942. Betreff  : Regelungen für schwangere Ostarbeiterinnen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

chen und die Handlungsempfehlungen in eigene Bestimmungen zu überführen. Dabei übernahmen sie die diskriminierenden Elemente der Ausländerpolitik bis 1942. Der moderate Kurs Sauckels hatte sich auf den unteren Verwaltungsebenen nicht durchgesetzt. Dies führte in Plauen zu schärferen Bestimmungen, als sie vom Reich vorgesehen waren. Dass der Umgang mit schwangeren Ostarbeiterinnen und Polinnen auf Reichsebene moderater war, lag an der sich verändernden Ausländerpolitik unter Sauckel und an der verzögerten Vergesetzlichung durch die Reichsbehörden. Die Diskriminierung der Ostvölker weichte mit der prekären Lage an der Front auf.1011 Die Politik auf lokaler Ebene war dagegen noch stark von dem Bild des sowjetischen ›Untermenschen‹ geprägt. Radikal verfuhr vor allem Regierungsrat Dr. Göschel aus dem Plauener Arbeitsamt mit den Ostarbeiterinnern und Polinnen. Wohingegen Obermedizinalrat Dr. Collin vom Stadtgesundheitsamt auf der Erhaltung der Arbeitskraft durch eine angemessene medizinische Versorgung schon im Februar 1943 bestand.1012 Wie gezeigt wurde, sprachen die Plauener Behörden analog zu den diskriminierenden Vorgaben der Reichsarbeitsverwaltung den Ostarbeiterinnen und Polinnen ein Recht auf Mutterschutz ab. Gleiches galt für den Jugendschutz, wie die Umstände im Ostarbeiterlager der Metallwarenfabrik Mylau und der Einsatz polnischer Arbeits­ kräfte in der vogtländischen Landwirtschaft nahelegen. Zwar lag das genannte Unternehmen nicht in Plauen, doch war das Gesundheitsamt Plauen-Land für den ›Ausländereinsatz‹ in Mylau und den Zustand des fabrikzugehörigen Lagers in Obermylau verantwortlich.1013 Die 100 zur Verfügung stehenden Doppelbetten des Lagers mussten sich 53 Ostarbeiter, 103 Ostarbeiterinnen und 31 Kinder ab null Jahren teilen.1014 Auffällig ist nun neben dem Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen, dass eine Vielzahl an sehr jungen Kindern im Lager untergebracht war. Offiziell deportierten die deutschen Behörden nämlich nur Jugendliche ab 14 Jahren.1015 Da allerdings oft ganze Familien ins Reich verschleppt wurden, kam es vor, dass auch jüngere Kinder in den Ausländerlagern lebten.1016 1942 schafften die Arbeitseinsatzbehörden erschwerend für die Situation der Kinder das Mindestalter der Arbeitspflicht ab, so1011 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 161. 1012 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 1013 Vgl. Fragebogen des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land zur Einrichtung des Lagers der Metallwarenfabrik Mylau in Obermylau vom 13.10.1944. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1014 Vgl. ebd. 1015 Die Vorlage, nach der der Fragebogen zur Einrichtung des Lagers in der Metallwarenfabrik Mylau erstellt wurde, sah lediglich die Erfassung von Kindern ab 14 Jahren vor. Die handschriftliche Änderung des Alters der Kinder auf 0 Jahre muss durch die das Lager betreibende Firma erfolgt sein. Vgl. Fragebogen des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land zur Einrichtung des Lagers der Metallwarenfabrik Mylau in Obermylau vom 13.10.1944. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert. 1016 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 149.

309

310 | 

Zwangsarbeit in Plauen

dass nun auch Zwölfjährige oder Jüngere zur Arbeit herangezogen wurden. Dies galt natürlich nur für Ausländer aus den besetzten Ostgebieten und Polen.1017 Vor allem in der Landwirtschaft bestand wegen fehlender Kontrollmechanismen keine Altersgrenze für Arbeitskräfte aus Polen oder der Sowjetunion. So vermerkte das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land im Mai 1941 den Einsatz eines acht- bis zehnjährigen polnischen Mädchens in den landwirtschaftlichen Betrieben seines Zuständigkeitsbereiches. Sie war den Behörden im Zuge einer Gesundheitskontrolle wegen Kopfläusen aufgefallen.1018 Polnische Jugendliche unterlagen ab Oktober 1941 generell den Arbeitszeitregelungen für Erwachsene. Für alle Zwölf- und 13-Jährigen galt ab 1944, dass sie höchstens vier Stunden am Tag zu leichten Tätigkeiten herangezogen werden durften.1019 Obwohl Sauckel den Einsatz von Kindern unter zwölf Jahren in den Gewerben im Januar 1944 verbot, trat Kinderarbeit im Dritten Reich immer wieder auf. Besonders der geringe Lohn der Ostarbeiterinnen steht im Verdacht, dazu geführt zu haben, dass die Mütter auf das Angebot der Unternehmer eingingen, die Kinder für ein geringes Entgelt ebenfalls zu beschäftigen.1020 Festzustellen ist in jedem Fall, dass mit der Radikalisierung der Rekrutierungsmethoden vor allem unter den Ostarbeitern die Zahl der Kinder stieg.1021 Dies könnte auch für das Ostarbeiterlager der Metallwarenfabrik Mylau gelten. Dass im Lager der Metallwarenfabrik neben Kindern und Jugendlichen ebenfalls Säuglinge untergebracht waren, kann ebenso eine andere Ursache haben. Schwangerschaften waren unter den oft sehr jungen Ostarbeiterinnen keine Seltenheit. Viele unter ihnen befanden sich gerade im gebärfähigen Alter. Wie eine Stichprobe aus den in der Zentralen Namenskartei des ITS Bad Arolsen verzeichneten 1.279 Ostarbeiterinnen zeigt, hatten 36 der 114 ausgewerteten Zivilarbeiterinnen bei Kriegsende gerade ihr 20. Lebensjahr erreicht. Die Mehrzahl unter ihnen war zwischen 20 und 25 Jahren alt.1022 Die älteste in der Stichprobe erhobene Arbeiterin war die Lehrerin Bar1017 Vgl. Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union, S. 70. 1018 Vgl. Mitteilung des Regierungsmedizinalrates Dr. Müller an den Regierungspräsidenten in Zwickau am 23.05.1941. Betreff  : Kontrolle der polnischen Landarbeiter auf Läusebefall im Bereich des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. Im Zuge der Gesundheitskontrolle wurden Kopfläuse bei dem Kind gefunden. 1019 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 149. 1020 Vgl. ebd., S. 150. 1021 Vgl. Hockert (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union, S. 70. 1022 Erfasst wurden aus den zufällig ausgewählten Namenslisten der Ostarbeiterinnen 14 Mal Jg. 1925, 15 Mal Jg. 1926, vier Mal Jg. 1927, zwei Mal Jg. 1928, ein Mal Jg. 1933. Am häufigsten kamen mit 34 Personen Jg. 1922 und 1923 vor. Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955511/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 87, 2.1.4.1 / 70955513/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 98, 2.1.4.1 / 70955524/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeite-

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

bara Schesulav. Sie hatte zum Zeitpunkt ihrer Abreise aus Plauen am 24. September 1944 bereits ihr 76. Lebensjahr erreicht. Die jüngste verzeichnete Ostarbeiterin, Maria Fodaskowa, verstarb am 26. April 1945 wegen eines Kreislaufkollapses im Alter von 13 Jahren.1023 Die Spannbreite des Alters zwischen Maria und Barbara zeigt, wie rigoros die deutschen Besatzer gegen die einheimische Bevölkerung im Osten vorgingen, um möglichst viele verfügbare Arbeitskräfte ins Reich zu verbringen. Ebenso wenig wie auf das Alter wurde bei Deportationen auf Schwangerschaften Rücksicht genommen. Außerdem kamen sie immer wieder unter den Ostarbeiterinnen vor, die sich schon länger im Reich befanden. Zurückgeführt werden kann dieser Umstand auf das Alter der jungen Frauen und ihrer männlichen Kollegen. Zudem befanden sie sich in den deutschen Arbeiterlagern fernab des elterlichen Hauses sowie der sozialen Kontrolle ihrer Heimat. Mark Spoerer geht allerdings nicht davon aus, dass es in den Ausländerlagern zu engen persönlichen Kontakten zwischen den Ostarbeiterinnen und Ostarbeitern gekommen ist, da die Überbelegung der Lager wenig Raum für Privatsphäre ließ. Trotzdem nahmen deutsche Behörden und die deutsche Bevölkerung die Arbeitskräfte aus dem Osten gern als promiskuitive und jeder Selbstbeherrschung entbehrende Untermenschen wahr. Dass es durchaus Kontakte unter den zivilen Ausländern gab, die auch zu Schwangerschaften führten, ist unbestritten, jedoch wurde der Umgang der Ostarbeiter untereinander von den deutschen Behörden vollkommen überzeichnet.1024 Dabei waren voreheliche Schwangerschaften sowohl für die meist streng religiös erzogenen Polinnen als auch vor allem für die aus ländlichen Gebieten stammenden traditionell erzogenen Ostarbeiterinnen hoch problematisch. In Erwartung eines Kindes zu sein war allerdings eine der wenigen legalen Möglichkeiten, den unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Deutschen Reich und seinem ›Ausländereinsatz‹ zu entkommen.1025 Dem Schlupfloch schob Sauckel mit seinen Bestimmungen vom 12. Dezember 1942 einen Riegel vor. Nachdem der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz am 15. Dezember 1942 »rassische Untersuchungen durch Beauftragte des Rasse- und Siedlungshauptamtes SS zur Ermittlung der Kinder gutrassiger Elemente«1026 genehmigt hatte, wurrinnen, Ordner 45h, Fol. 133, 2.1.4.1 / 70955559/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 94, 2.1.4.1 / 70955667/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 98, 2.1.4.1 / 70955671/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 99, 2.1.4.1 / 70955672/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 102, 2.1.4.1 / 70955675/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45j, Fol. 131, 2.1.4.1 / 70955880/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1023 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45j, Fol. 131, 2.1.4.1 / 70955880/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1024 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 204. 1025 Vgl. ebd., S. 206. 1026 Abschrift der Mitteilung des GBA vom 15.12.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Be-

311

312 | 

Zwangsarbeit in Plauen

den die Arbeitskräfte, deren Nachwuchs als ›rassisch minderwertig‹ empfunden wurde, nicht selten zur Abtreibung gedrängt. Eine Abtreibung schien den Behörden auch abseits rassischer Überlegungen angebracht, denn »schwangere Ausländerinnen waren unproduktiver Ballast.«1027 Eine ähnliche Empfindung könnte man den Plauener Behörden unter Rückbezug auf ihre diskriminierenden Bestimmungen unterstellen. Das Arbeitsamt befürchtete schließlich, dass »Ostarbeiterinnen lange Zeit vor ihrer Entbindung nach der Holzmühle gebracht und dort ohne Beschäftigung dem Arbeitsamt zur Last liegen«1028 würden. Eine Abtreibung hätte den finanziellen und zeitlichen Aufwand einer Schwangerschaft wohl minimiert. In der Hauptsache waren es junge Ostarbeiterinnen, vor allem aus der Ukraine und Russland, sowie Polinnen, die zu dem gefährlichen Eingriff verpflichtet wurden. Der Vorgang geschah natürlich unter dem Anschein der Freiwilligkeit. Die Unterzeichnung des entsprechenden Formulars, in dem die werdende Mutter dem Schwangerschaftsabbruch zustimmte, erfolgte jedoch nicht selten unter der Androhung bzw. sogar Einweisung ins KZ.1029 Trotz aller rassischen und wirtschaftlichen Erwägungen unterlag die Abtreibung den Reglementierungen der Arbeitseinsatzbehörden, auch wenn diese nicht sonderlich streng gefasst waren. So konnten die durchführenden Ärzte beispielsweise frei entscheiden, ob sie Föten ab dem fünften Monat abtrieben oder den Eingriff ablehnten. Grundsätzlich waren Abtreibungen aber nur bis zum fünften Monat vorgesehen.1030 Hier kam es erneut und ganz besonders auf die persönliche Einstellung des Arztes zur Rassenideologie der Nationalsozialisten an. Für Plauen konnten keine Fälle von Abtreibungen bei Ostarbeiterinnen oder Polinnen nachgewiesen werden. Aufgrund der vor Kriegsbeginn sehr aktiven Abteilung für Erb- und Rassenpflege im Gesundheitsamt sind sie aber durchaus denkbar, da bereits zahlreiche Zwangssterilisationen durchgeführt wurden. Zum Schluss bleibt im Zusammenhang mit der Einrichtung der Entbindungsstelle in der ›Holzmühle‹ Kauschwitz noch zu klären, wie mit den Kindern der Ostarbeiterinnen und Polinnen nach der Geburt verfahren wurde. Dazu gibt die Belegung des Ostarbeiterlagers der Metallwarenfabrik Mylau erneut Aufschluss. Unter der Annahme, dass die Entbindungsstelle in der ›Holzmühle‹ entgegen der Hoffnung des Regierungsrates Dr. Göschel doch zur Dauereinrichtung1031 im Kreis Plauen wurde, ist davon auszugehen, dass auch die schwangeren Arbeiterinnen aus Mylau zur Entbintreff  : Rückführung schwangerer ausländischer Arbeitskräfte. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1027 Engelbrecht, Peter (2003)  : »Rassisch minderwertiger Nachwuchs«. Abtreibungen an Zwangsarbeiterinnen in Oberfranken 1943–1945. In  : Geschichte quer, Hft. 3, S.  36. Im Folgenden zitiert als Engelbrecht (2003)  : »Rassisch minderwertiger Nachwuchs«. 1028 Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943. 1029 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 206. 1030 Vgl. Engelbrecht (2003)  : »Rassisch minderwertiger Nachwuchs«, S. 36. 1031 Vgl. Niederschrift der Sitzung im Arbeitsamt Plauen vom 01.02.1943.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

dung nach Kauschwitz gebracht wurden. Außerdem lehnte Obermedizinalrat Dr. Collin die Entbindung in Betriebslagern aufgrund der Infektionsgefahr vehement ab1032 und eine weitere Einrichtung ist für den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes Plauen-Land nicht vermerkt. Weiterhin sahen die Bestimmungen vor, dass Mutter und Kind nach der Entbindung auch an eine andere Stelle verlegt werden konnten, die einen Gruppeneinsatz der Mütter ermöglichte. War die Geburt also ohne Komplikationen verlaufen, wurden Ostarbeiterinnen ebenso wie Polinnen nach den Bestimmungen des Arbeitsamtes Plauen zusammen mit ihren Kindern wohl in ein Betriebslager entlassen. Möglicherweise versetzten die lokalen Stellen in Plauen alle Mütter, die aus den besetzten Ostgebieten stammten, mit ihren Neugeborenen zur Metallwarenfabrik Mylau, in deren Lager die Säuglinge betreut wurden. Reichsweites Verfahren mit Säuglingen von Ostarbeiterinnen und Polinnen war jedoch ein anderes. Wäre der Nachwuchs bzw. Mutter und Vater durch das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS rassisch untersucht und das Kind als ›gutrassig‹ eingestuft worden, wäre es nach der Stillphase in ein Pflegeheim zu überweisen gewesen. Dort wurden die Kinder als Deutsche aufgezogen. Die leiblichen Eltern waren nicht involviert und nur Westarbeiter erhielten das Recht, Einspruch gegen die Verfahrensweise zu erheben. Polinnen und Ostarbeiterinnen wurden in jedem Fall von ihren Kindern getrennt. Ausschlaggebend für die Bewertung, ob ein Kind ›gutrassig‹ war, war neben der Nationalität des Vaters auch das Aussehen der Mutter. Im Fall der Ostarbeiterinnen und Polinnen konnte ein ›arisches‹ Äußeres das Überleben des Kindes sichern. Für alle anderen, als ›schlechtrassig‹ eingestuften Neugeborenen erfolgte die Überstellung in Pflegestätten. Aufgrund schlechter Versorgung, mangelnder Hygiene und Vernachlässigung war die Sterblichkeit hier besonders hoch. Nahrungsmittel waren kaum vorhanden, dabei mussten Mutter und, sofern bekannt, Vater für den Aufenthalt ihres Kindes in der Pflegestelle finanziell aufkommen. Besuche waren nur nach der Arbeit und für kurze Zeit erlaubt. Aufgrund der 25 RM, die pro Monat für den Platz des Kindes in der Pflegestelle zu entrichten waren, verschuldeten sich die meisten Ostarbeiterinnen bei ihren Arbeitgebern. Selbst im Falle des Todes des Kindes mussten die Mütter 15 RM Beerdigungskosten entrichten.1033 Im Landkreis Plauen verfuhren die Behörden mit den Kindern der Ostarbeiterinnen wohl moderater als auf Reichsebene. Eine Einrichtung zur Pflege der Kinder ist nicht überliefert. Im Kreisgebiet Plauen war es wohl den Ostarbeiterinnen selbst überlassen, sich um ihren Nachwuchs in den Betriebslagern zu kümmern. So legt es zumindest die Aufstellung zum Betriebslager in Obermylau nahe.1034 Die Deutsche 1032 Vgl. ebd. 1033 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 207–209. 1034 Vgl. Fragebogen des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land zur Einrichtung des Lagers der Metallwarenfabrik Mylau in Obermylau vom 13.10.1944. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

313

314 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Arbeitsfront Plauen präzisierte den Verbleib in einer Mitteilung an die Ärzteschaft im Zuständigkeitsbereich. Sie bestimmte, dass die Ostarbeiterinnen nach der Entbindung in der ›Holzmühle‹ »mit dem Kind in das zugehörige Lager entlassen«1035 werden sollten. Der Terminus »das zugehörige Lager« bezeichnete sicher nicht das ebenfalls in der ›Holzmühle‹ befindliche Rückkehrersammellager oder Durchgangslager, sondern bezog sich auf die Betriebslager, denen die Ostarbeiterinnen angehörten. Auch hier kann zur Unterstützung der Aussage die Aufstellung aus dem Ostarbeiterlager der Metallwarenfabrik angeführt werden. Wie sich die Versorgung der ›Ausländerkinder‹ in den Betriebslagern des Kreisgebietes Plauen gestaltete, lassen die Quellen des Gesundheitsamtes im Dunkeln. Vermutlich orientierten sich die Behörden an den Bestimmungen des Generalbevoll­ mächtigten für den Arbeitseinsatz und bildeten Kindergruppen, die während der Dienstzeit der Mütter von anderen Ostarbeiterinnen beaufsichtigt wurden. Gerade in Betrieben, die im Schichtdienst arbeiteten, bot sich die Verfahrensweise an. Trotzdem müssen die Umstände für Mütter und Kinder schlecht gewesen sein. Durch Akkord- und Schichtarbeit, die für Ostarbeiterinnen, wie gezeigt werden konnte, bis zu 74 Stunden pro Woche betragen konnte1036, war eine Kinderpflege durch die Mutter kaum zu bewerkstelligen. Es ist davon auszugehen, dass die Kindersterblichkeit in den Ausländerlagern ebenso wie die in den ›Ausländerkinder-Pflegestätten‹ hoch gewesen sein muss.1037 Es fehlte vor allem an Hygiene und Kleidung, um das Leben der Neugeborenen zu erhalten. Aufgrund der langen Arbeitszeiten ist nicht davon auszugehen, dass den Ostarbeiterinnen und Polinnen das Stillen ermöglicht wurde. Schließlich hegte der nationalsozialistische Staat kein Interesse daran, die Rasse der ›Untermenschen‹ aus dem Osten zu stärken. Für die Betriebe standen vor allem finanzielle Überlegungen im Vordergrund, die gegen eine Unterstützung der Ostarbeiterinnen und Polinnen sowie ihrer Kinder sprachen.1038 Der einzige Vorteil bei der Unterbringung von Müttern und Kindern in den Betriebslagern war die Nähe zueinander und zu anderen Arbeitskräften gleicher Nationalität. Während Mark Spoerer beim Personal in den deutschen Pflegestätten fehlendes Fachwissen feststellte1039, bestand in den Ausländerlagern die Möglichkeit, Unterstützung von anderen Ostarbeiterinnen oder Arbeitskräften aus Polen zu erhalten. Da die deutschen Behörden ganze Familien aus den besetzten Ge1035 Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1036 Vgl. K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, Fol. 2. 1037 Vgl. zu den »Ausländerkinder-Pflegestätten« Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 207–209. 1038 Vgl. ebd., S. 209. 1039 Vgl. ebd., S. 209.

Der Umgang mit arbeitsunfähigen ausländischen Zivilarbeitern |

bieten verschleppten, konnten diejenigen Frauen, die bereits Mutter waren, bei der Versorgung der Säuglinge behilflich sein.1040 Insgesamt erhöhten die diskriminierenden Bestimmungen der Plauener Behörden zu Schwangerschaft, Entbindung und Kleinkindern die Sterblichkeit unter den Ostarbeiterinnen, den Polinnen und vor allem unter ihren Kindern. So verweist Werner Hernla in seinem Beitrag über die ›Holzmühle‹ auf den Fall von Lydia Bogdanenko. Sie starb zusammen mit ihrer am 11. April 1944 geborenen Tochter wenige Tage nach der Entbindung im Lager.1041 Am 20. April wurde der Tod von Ewgenia Bogdanenka notiert. Als Grund war lediglich »schwache Entwickl.« angegeben.1042 Ob hier eine aktive Vernachlässigung stattgefunden hatte, kann nicht nachgewiesen werden. Für eine schlechte Versorgung insbesondere der Neugeborenen spricht allerdings der Tod von Stefania Beldyga, Roman Butgawewski und Halina Besik. Alle drei starben relativ kurze Zeit nach ihrer Geburt an einer Infektion. Halina Besik erlag in der ›Holzmühle‹ mit elf Monaten einer Lungentuberkulose.1043 Ebenso verstarb Roman Butgawewski sechs Monate nach seiner Geburt an der gleichen Infektionskrankheit.1044 Stefania Beldyga erlag nur wenige Wochen nach ihrer Geburt einer Lungenentzündung.1045 Sicher trugen auch hier eine mangelhafte Versorgung sowie mangelnde Hygiene und fehlende Bekleidung für Kleinkinder zu ihrem Tod bei. Durch die Nähe der Entbindungsstelle zum Rückkehrersammellager bzw. Behelfskrankenhaus und die geringen Bemühungen der deutschen Behörden, Tbc-Patienten unter Quarantäne zu stellen, ist für die anderen beiden verstorbenen Säuglinge anzunehmen, dass sich die Kleinkinder vor Ort infizierten. Tbc verbreitet sich allerdings nicht über die Luft. Weitere Faktoren wie eine schlechte medizinische Versorgung, häufiger, enger und dauerhafter Kontakt zu infizierten und infektiösen Erkrankten müssen gegeben sein.1046 Unter Umständen waren die Eltern der Kinder ebenfalls an Tbc erkrankt oder hielten sich längere Zeit im Lager der ›Holzmühle‹ auf. Denkbar wäre auch, dass die Plauener Behörden die ›Pflegeanstalt‹ für die Kinder der Ostarbeiterinnen und Polinnen in der ›Holzmühle‹ eingerichtet hatten. Dies lässt sich aufgrund fehlender Überlieferungen allerdings nicht mehr nachweisen. 1040 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 290. 1041 Vgl. Hernla (2001)  : Die »Holzmühle”, S. 125. 1042 Vgl. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1043 Vgl. ebd. 1044 Vgl. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993455/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1045 Vgl. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1046 Vgl. Robert-Koch-Institut (2015)  : Art. Tuberkulose. In  : RKI – Ratgeber für Ärzte, http://www.rki. de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tuberkulose.html#doc2374486bodyText5 30.11.2016.

315

316 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Dass die Sterblichkeit der Mutter ebenso wie des Kindes bei einer Entbindung in der »primitive[n] Entbindungsstube im Restaurant ›Holzmühle‹«1047 hoch gewesen sein muss, lässt der Tod von Alexandra Krzyzanowski vermuten. Sie starb am 22. März 1944 infolge von Nachgeburtsblutungen und einer Embolie.1048 Anders als vermutet, befand sie sich allerdings noch nicht wieder im Betriebslager, sondern in der ›Holzmühle‹ in Kauschwitz.1049 Angesichts des behördlich aberkannten Mutterschutzes wundert die Verzeichnung einer Totgeburt in der ›Holzmühle‹ am 27. Juni 1943 ebenso nicht.1050 Dass die Mutter die Entbindung des Kindes überlebte, ist unwahrscheinlich. Beim Tod des Kindes wurde lediglich der Name des Vaters verzeichnet.1051 Neben den geschilderten Fällen finden sich in einer Aufstellung zu Beisetzungen sowjetischer Bürger auf dem Friedhof Kauschwitz zehn weitere Bestattungen von Kindern. Vermutlich stammen sie ebenso wie die im Rahmen der gleichen Aufstellung erfassten 629 sowjetischen Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter aus dem Lager ›Holzmühle‹.1052 Ein Abgleich mit der Liste der in Kauschwitz zwischen 1939 und 1945 verstorbenen sowjetischen Bürger aus den Beständen des ITS, in der nur die Todesfälle von Besik, Butgawewski, Beldyga und Bogdanenka verzeichnet sind, ergab keine Übereinstimmung. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den Beisetzungen um andere Ostarbeiterkinder handelte als die genannten. Damit dürfte von mindestens 14 Todesfällen ausgegangen werden, die im Zusammenhang mit der Entbindungsstelle in der ›Holzmühle‹ standen. Neben der hohen Sterblichkeit von Müttern und Kindern ist zusammenfassend festzustellen, dass eine Schwangerschaft für landwirtschaftliche Kräfte in kleinbäuerlichen Betrieben und Hausgehilfinnen bereits vor der Entbindung zu einer einschneidenden Veränderung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen führte. Für Ostarbeiterinnen und Polinnen in der Industrie stellte die Mutterschaft nach der Entbindung eine existenzgefährdende Belastung dar. Um für die Versorgung ihrer Kinder aufzukommen, verschuldeten sich die Arbeitskräfte hoch. Die mentale Belastung, die die Bestimmungen der Plauener Behörden für die diskriminierten Arbeitskräfte mit sich brachten, ist kaum vorstellbar. Die Trennung der Mütter und auch der Väter von ihren Kindern war leidvoll. 1047 Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1048 Vgl. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993451/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1049 Vgl. ebd. 1050 Vgl. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1051 Vgl. ebd. 1052 Vgl. Aufstellung der auf dem Russenfriedhof in Kauschwitz beerdigten sowjetischen Bürger vom 25.11.1949. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 15.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

4.3 Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern Nachdem die unterschiedlichen Einsatzorte ausländischer Zivilarbeiter und die dort vorherrschenden Lebens- und Arbeitsbedingungen untersucht sowie ein Überblick über die Ursachen für Arbeitsunfähigkeit und den Umgang mit dieser durch die lokalen Stellen gegeben wurde, bleibt noch ein dritter Bereich nationalsozialistischer Politik zu betrachten. Wie bereits vereinzelt angesprochen, war dem Nationalsozialismus der Versuch inhärent, alle Bereiche des Lebens ausländischer Zivilarbeiter zu reglementieren. Die Nationalsozialisten gingen sogar so weit, Regelungen für zwischenmenschliche Beziehungen zu erlassen. Beziehungen zwischen Ausländern und Deutschen waren nicht erwünscht, weshalb man sie zum Teil ausgesprochen hart bestrafte. Die bereits angesprochenen ›GV-Erlasse‹ waren Ergebnis der sexualrassistischen NSIdeologie.1053 Lag der Verdacht eines Verbrechens nach diesen Bestimmungen vor, war ausschließlich die Gestapo zuständig.1054 Sie nahm die involvierten Personen fest und verbrachte sie im Falle Plauens in die Untersuchungshaftanstalt. So verhaftete die Plauener Stelle beispielsweise die »poln. Landarbeiterin Franziska d. Adamczak«1055. Als Grund gab die Gestapo »Verdacht auf Verkehr mit einem Deutschen«1056 an. Der sogenannte ›verbotene Umgang‹, in diesem Fall die Unterhaltung einer sexuellen Beziehung zwischen Deutschen und Ausländern, beschäftigte Polizei, Justiz und Arbeitseinsatzbehörden zunehmend.1057 Im Falle Adamczaks ist davon auszugehen, dass sie 1942 als Zwangsarbeiterin in der Landwirtschaft des Plauener Umlandes eingesetzt wurde. Die Gestapo-Akte spezifiziert ihre Lebensumstände. Untergebracht war die Polin »auf Rittergut (privat)«.1058 Das Rittergut in Gutenfürst diente bereits 1940 als Unterkunft für polnische Zivilarbeiter1059, sodass davon auszugehen ist, dass sich die Gestapo auf dieses Lager bezog. Spezifiziert ist die Unterkunft in den Unterlagen nicht, was darauf schließen lässt, dass den Zeitgenossen bekannt war, um welches Rittergut es sich handelte. Der Hinweis auf eine private Unterkunft lässt auf die Unterbringung zum Beispiel in einer vormaligen Gaststätte schließen. Die Polen waren einzeln auf den umliegenden Höfen eingesetzt, wie bereits dargestellt wurde.

1053 Vgl. Renner-Palat (2010)  : Die Lage der polnischen Zwangsarbeiter, S. 39. 1054 Vgl. Erlass des RSHA vom 04.09.1940 zitiert nach Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 148. 1055 Strafsache Franziska d. Adamczak vom 13.05.1942. In  : StAC, Best. 30071 Gestapo Zwickau, Nr. 34, nicht foliiert. Wofür die Abkürzung im Namen der Polin steht, konnte nicht ermittelt werden. 1056 Ebd. 1057 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 148. 1058 Strafsache Franziska d. Adamczak vom 13.05.1942. In  : StAC, Best. 30071 Gestapo Zwickau, Nr. 34, nicht foliiert. 1059 Vgl. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt PlauenLand, Nr. 954, nicht foliiert.

317

318 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Den Namen des involvierten Deutschen enthält die Notiz zur Festnahme Adamczaks nicht, jedoch wird deutlich, wie der Verdacht des ›verbotenen Umgangs‹ zustande kam.1060 Die Gestapo notierte  : »Bräutigam ist Deutscher«1061. Adamczak war im Begriff zu heiraten. Solche Verbindungen dürften keine Seltenheit gewesen sein, denn schon 1939 monierte der SD die engen Beziehungen der deutschen Landbevölkerung zu polnischen Arbeitskräften als Folge der traditionellen Saisonarbeit.1062 Auf den Feldern arbeiteten deutsche Knechte und Mägde gemeinsam mit polnischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern, was zur Ausbildung zwischenmenschlicher Beziehungen führte, die für die NS-Behörden schwer zu kontrollieren waren.1063 Um dem die rassische Hierarchie aufweichenden Arbeitsalltag entgegenzuwirken, erließ das NSRegime empfindliche Strafen auf Verstöße gegen die ›GV-Erlasse‹. Dass Franziska d. Adamczak und ihr nicht weiter benannter Bräutigam mit ihrer Verbindung nach Ansicht der NS-Behörden ein Verbrechen begingen, schien dem Paar nicht bewusst gewesen zu sein. Die Absicht zu heiraten lässt nicht auf eine geheime Beziehung, die zum Beispiel durch eine Denunziation offengelegt wurde, schließen. Obwohl die Unterlagen der Plauener Gestapo zum weiteren Schicksal Adamczaks schweigen, ist davon auszugehen, dass die Polin in eine 21-tägige Schutzhaft oder ins KZ überführt wurde. Ihr Aufenthalt im Straflager hatte dann keine zeitliche Begrenzung. Dem deutschen Bräutigam dürften bis zu drei Monate KZ-Haft gedroht haben, wenn er überhaupt bestraft wurde. Eine entsprechende Notiz zu seiner Festnahme fehlt in den Akten der Plauener Staatspolizeistelle. Dass über die Notiz zur Festnahme Franziska d. Adamczaks hinaus keine weiteren Unterlagen zu diesem Fall vorliegen, kann außer auf Aktenvernichtungen auch auf das gängige Verfahren bei solchen sittlichen Vergehen zurückgeführt werden. Die Fälle blieben in der Zuständigkeit der Gestapo, die über die Betsrafung entschied, ohne die Staatsanwaltschaft hinzuzuziehen.1064 Feststellen lässt sich für den »nationalsozialistischen Terrorapparat«1065 zusammenfassend, dass er mit einer Mischung aus sozialer Kontrolle, Abschreckung und Disziplinierungsmaßnahmen operierte, um das ›System des Ausländereinsatzes‹ zu erhalten. Durch die Hereinnahme der Ausländer entstanden nicht nur im Privaten, ­sondern auch in den Betrieben neue Spannungsfelder. Arbeitskonflikte brachen in der Hauptsache zwischen deutschen Unternehmen und Westarbeitern aus, da die Kräfte aus verbündeten oder neutralen Staaten durch die Rassenhierarchie wenig bis keine Dis1060 Vgl. Strafsache Franziska d. Adamczak vom 13.05.1942. In  : StAC, Best. 30071 Gestapo Zwickau, Nr. 34, nicht foliiert. 1061 Ebd. 1062 Vgl. Meldungen aus dem Reich (Nr. 18), 20.11.1939. In  : Boberach (1984)  : Meldungen aus dem Reich, S. 476. 1063 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 79–80. 1064 Vgl. Erlass des RSHA vom 04.09.1940 zitiert nach Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 148. 1065 Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 134.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

kriminierung erfuhren und bei Unstimmigkeiten den Rechtsweg nutzen konnten.1066 Ostarbeiter und Polen hatten dagegen im Betrieb eine schwierigere Position. Sie waren durch fehlende Facharbeiterausbildung und mangelnde Sprachkenntnisse von den innerbetrieblichen sozialen Strukturen ausgeschlossen. Zu Konflikten mit den Vorgesetzten führte die Zurückhaltung bei der Arbeit, wie noch zu zeigen sein wird. Die deutschen Behörden, im Speziellen die Stellen der Geheimen Staatspolizei, befürchteten hinter diesen Konflikten, sofern es sich um ein Aufbegehren der einzelnen ausländischen Arbeitskraft handelte, fortwährend politischen Widerstand, weshalb sie drakonische Strafen verhängten bzw. androhten.1067 Möglich wurden Arbeitsbummelei und Flucht aufgrund der abgemilderten Bewachungsvorschriften für die Arbeitskräfte aus Polen und der Sowjetunion. Auf diese Lockerungen reagierte der nationalsozialistische Sicherheitsapparat mit Verschärfungen in der Bestrafung. Die Gestapo war das Instrument zur Ausübung von Terror und zur Abschreckung nicht nur der ausländischen, sondern auch der deutschen Arbeiterschaft. Dabei kann sie allerdings nicht als reine politische Polizei gelten, die sich ausschließlich Fällen von Sabotage widmete, sondern war Quelle der alltäglichen Unterdrückungspraxis.1068 Dass ausländische Arbeitskräfte unerlaubt ihren Einsatzort verließen, sich zum Schaden der deutschen Wirtschaft absichtlich mit ihrem Arbeitstempo zurückhielten oder gar aktive Sabotage verübten, dies sollte das sich während des ›Arbeitseinsatzes‹ herausbildende System aus betrieblichen und staatlichen Disziplinierungsmaßnahmen verhindern. Flucht oder ›Arbeitsvertragsbruch‹ sowie ›Bummelantentum‹ waren ab 1943 zu einem Massenphänomen geworden. Während der nationalsozialistische Sicherheitsapparat hinter den Erscheinungen sofort einen Angriff auf die innere Sicherheit vermutete, ist das Vorgehen der Ostarbeiter und Polen eher als Zurückweichen vor einem totalitären, sich stetig verschärfenden System zu verstehen.1069 Im Folgenden soll nun auf die betrieblichen und staatlichen Methoden der Disziplinierung in Fällen von ›Arbeitsvertragsbruch‹ und ›Arbeitsbummelei‹ eingegangen werden, die auch in Plauen mehrfach aktenkundig sind. Beleuchtet werden die Verfahren der lokalen Stellen und Betriebe bei Verdacht auf Arbeitsbummelei und Vertragsbruch sowie die gängige Bestrafungspraxis. In die Betrachtung wird außer dem Straflager ›Sachsenhof‹, das im Verdacht steht, als Arbeitserziehungslager fungiert zu haben1070, der Strafvollzug in 1066 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 168–170. 1067 Vgl. ebd., S. 170–171. 1068 Vgl. Mommsen, Hans (2000)  : Vorwort. In  : Lotfi, Gabriele  : KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart/München, S. 11. Im Folgenden zitiert als Mommsen (2000)  : Vorwort. Vgl. außerdem Lotfi, Gabriele (2000)  : KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart/München, S. 11. Im Folgenden zitiert als Lotfi (2000)  : KZ der Gestapo. 1069 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 170. 1070 Vgl. Auflistung der Erziehungslager im Dritten Reich, 1.1.0.7 / 87767112/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

319

320 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Plauen einbezogen. Die Polizeihaft war wichtiges Instrument der Disziplinierung und im Zusammenhang mit der Entwicklung der Arbeitserziehungslager als »eigenständige regionale polizeiliche Terroreinrichtung«1071 zu verstehen. Ein Freiheitsentzug konnte als erzieherische Maßnahme entweder im Rahmen der Vorbeugehaft durch die Kriminalpolizei oder der Schutzhaft durch die Gestapo verhängt werden. Die Maßnahmen der Gestapo unterteilten sich noch einmal in drei Haftarten. Zum einen existierten die »Polizeihaft der Gestapo«1072 sowie die »eigentliche Schutzhaft«1073 und zum anderen die »Arbeitserziehungshaft«1074. Während die ›eigentliche Schutzhaft‹ in Konzentrationslagern vollzogen wurde und die Arbeitserziehungshaft in entsprechende Lager führte, konnte die ›Polizeihaft der Gestapo‹ für nur zehn Tage als vorläufige Festnahme verhängt und in den Räumen oder Gefängnissen der Gestapo verbüßt werden. 1939 wurde die Polizeihaft auf 21 Tage ausgeweitet und fortan als Maßregelung für Arbeitsunlustige eingesetzt, wobei die Häftlinge nicht der eigentlichen Schutzhaft zugeführt werden sollten. Der ITS stellte fest, dass der erzieherische Freiheitsentzug im Umfang von 21 Tagen, zum Beispiel wegen Arbeitsuntreue, sofern er in Gefängnissen und nicht im AEL stattfand, offiziell als Schutzhaft bezeichnet wurde.1075 Schutzhäftlinge finden sich auch im Untersuchungsgefängnis der Stadt Plauen1076, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Gestapo die Anstalt für erzieherische Maßnahmen nutzte. Diese Vermutung wird durch die gängige Praxis des Gefängnisses unterstützt, seine Insassen während des Zweiten Weltkrieges diversen Plauener Unternehmen zur Arbeit zur Verfügung zu stellen. Hier wird neuerlich auf die Indikatoren zur Bewertung der Arbeits- und Lebensbedingungen ausländischer Zivilarbeiter, hier im Status der Häftlinge, eingegangen werden. Die Punkte Einsatzort, Form der Arbeit, Versorgung und Flucht müssen diskutiert werden. Auch das Verhältnis zwischen Ausländern und Deutschen wird zu thematisieren sein. Denn neben ausländischen Zivilarbeitern waren auch Plauener Bürger im Zusammenhang mit dem ›Ausländereinsatz‹ inhaftiert. Außerdem übernahm das deutsche Gefängnispersonal die Bewachung an den Arbeitsstellen. Vergleichend sollen die Verhältnisse im Straflager/Arbeitserziehungslager ›Sachsenhof‹ dargestellt werden. Arbeitserziehungslager entstanden, weil die Industrie auf keine Arbeitskraft verzichten wollte. Strafarrest und Essensentzug im Falle einer Straffälligkeit führten zu verminderter Arbeitsleistung, sodass sich die Betriebe spätestens ab 1941 mit der 1071 Lotfi (2000)  : KZ der Gestapo, S. 11. 1072 ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXIV. 1073 Ebd. 1074 Ebd. 1075 Vgl. ebd. 1076 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei, Außenstelle Plauen, vom 08.07.1943. Betreff  : Entweichen des Schutzhaftgefangenen Suwilla, Josef, geb. 31.07.1917 in Ponnewesch, Litauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 124.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

Gestapo für eine Bestrafung durch zusätzliche Arbeit einsetzten.1077 Zur Disziplinierung ausländischer Zivilarbeiter entwickelten sich zwei Systeme. Der Staat ließ den Einsatzträgern und unteren Behörden zu Beginn des ›Ausländereinsatzes‹ weitestgehende Freiheit bei den angewandten Disziplinierungsmaßnahmen, zentralisierte die Bestrafungspraxis allerdings 1940. Für die Arbeitsbummelei bildete sich nun einerseits ein innerbetriebliches Bestrafungssystem heraus. In größeren Unternehmen wurde dazu die Position des ›Abwehrbeauftragten‹ geschaffen, der als Ansprechperson für die deutschen Mitarbeiter in Beschwerdefällen diente.1078 Weiterhin richteten die Unternehmen einen ›Werkschutz‹ ein, der ausländische Arbeitskräfte im Betrieb überwachte und im Falle von Straftaten eingeschaltet wurde.1079 Hinzu kam der Einsatz von ›V-Leuten‹ unter den ausländischen Arbeitskräften. Die Vertrauenspersonen der deutschen Betriebsführung sollten auf ihre Kameraden einwirken oder sie an die entsprechenden deutschen Stellen melden.1080 So hatte beispielsweise das Rüstungskommando Chemnitz die in seinem Zuständigkeitsbereich befindlichen Betriebe angewiesen, »strenge Dienstaufsicht und Beobachtung«1081 bei der »Verwendung von Ausländern als Arbeitskräfte«1082 anzuwenden. Das Rüstungskommando empfahl »besondere Vorsicht […] bei der Auswahl von Vertrauensleuten«1083 walten zu lassen. Die Betriebe müssten weiterhin sicherstellen, dass der V-Mann sich gegenüber seinen Kameraden durchsetzte, mit allen Lagerinsassen vertraut war, sich durch gute Arbeit und Zuverlässigkeit auszeichnete sowie in seiner Funktion als Vertrauensmann der deutschen Betriebsführung nicht auffiel. Gleichzeitig sollte der Dolmetscher, sofern er vom Unternehmen gestellt wurde, oder eine ebenso geeignete Person den V-Mann unauffällig überwachen, um seine Integrität überprüfen zu können.1084 Auf diese Weise entstand ein Netz aus Kontrollmechanismen, um die Konformität im Verhalten der ausländischen Arbeitskräfte sicherzustellen. Andererseits übernahmen Arbeitsämter und Gestapo die judikativen und exekutiven Funktionen in der Bestrafung ausländischer Arbeitskräfte, sofern Ausländer gemeldet wurden, bei denen die betrieblichen Disziplinierungsmaßnahmen ausgeschöpft waren oder deren Disziplinlosigkeit härter 1077 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S.  249 sowie ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S.  XXXV– XXXVII. 1078 Vgl. Grieger (2010)  : Eine Zwischenbilanz, S. 94. 1079 Vgl. dazu Anklageschrift Dreikorn und Reußner, VOMAG, Fol. 2. 1080 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 12.01.1943. Anlage 1. Rundschreiben Nr. 4 des Rüstungskommandos Chemnitz des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 12.01.1943. Betreff  : 1.) Sabotageabwehr, 2.) Behandlung der Ostarbeiter und sowj. Kriegsgefangenen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 42. 1081 Ebd. 1082 Ebd. 1083 Ebd. 1084 Vgl. ebd.

321

322 | 

Zwangsarbeit in Plauen

bestraft werden sollte. Die Justiz war in der Folge für propagandistische Aufgaben vorgesehen.1085 Im Zusammenspiel der Kräfte etablierte sich eine Hierarchie bei der Durchführung von Disziplinierungsmaßnahmen. Zuerst übte der Einsatzträger zusammen mit der DAF Druck auf die Ausländer aus, um regelkonformes Verhalten zu erzeugen. Der nachdrücklichen Erziehung folgte die schriftliche, ebenfalls innerbetrieblich ausgegebene Verwarnung. Geldstrafen in Form von Lohnkürzungen sowie Abzug beim Urlaub wurden vom Unternehmen ausgeführt, bevor die betreffende Arbeitskraft beim Arbeitsamt angezeigt wurde. Dieses konnte wiederum Maßnahmen wie Schutzhaft oder KZ durch die lokale Gestapo durchführen lassen.1086 Wie die Einsatzträger im Einzelnen mit den bei ihnen beschäftigten ausländischen Zivilarbeitern im Falle mangelnder Arbeitsdisziplin umgingen, war von den Behörden nicht reglementiert. 1942 sah die innerbetriebliche Bestrafungspraxis im Zuständigkeitsbereich des Rüstungskommandos Chemnitz wie folgt aus. Zur Züchtigung arbeitsunwilliger Ausländer hatte sich offensichtlich die Prügelstrafe eingebürgert, denn ihre Anwendung wurde von der DAF nun eingeschränkt. Zulässig war Schlagen nur noch, wenn ein Widerstand gebrochen werden sollte. Mit Billigung der DAF hatten sich als leichtere erzieherische Maßnahmen das Ausgehverbot und die Kürzung der Verpflegung durchgesetzt. Um die vom Betriebsführer gewünschte Leistung zu erzwingen, konnten außerdem warme Mahlzeiten für drei Tage gestrichen oder eine dreitägige Haft durch das Unternehmen angestrebt werden. Mussten weitere disziplinarische Maßnahmen über die genannten hinaus vollzogen werden, war die Gestapo einzuschalten. Alles andere konnte der Einsatzträger eigenverantwortlich regeln.1087 Auffällig ist, dass in der Bestrafungspraxis im Zuständigkeitsbereich des Rüstungskommandos Chemnitz bislang wohl nicht nach Nationalität der ausländischen Arbeitskraft unterschieden wurde. Dabei hatte Mark Spoerer festgestellt, dass die Anwendung körperlicher Gewalt zur Disziplinierung von Westarbeitern eher selten war.1088 1943 sollten die Einsatzträger im Zuständigkeitsbereich des Rüstungskommandos ihre Strafen für Arbeitsbummelei den Nationalitäten entsprechend anpassen. Die Gestapo Chemnitz setzte folgendes Vorgehen voraus. Die erste zu unterscheidende Gruppe bei der Ergreifung von Disziplinierungsmaßnahmen umfasste Arbeitskräfte aus Italien, bei deren Bestrafung milder vorzugehen sei. Angeordnet werden konnte ein Arrest von zwei bis drei Tagen. Sollte dies nicht genügen, war auf Antrag die Rückführung in die Heimat möglich. Die Bestrafung der Arbeitskraft erfolgte dann im Heimatland. 1085 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 134. 1086 Vgl. ebd. 1087 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Oktober bis Dezember 1942. Anlage 15. Bericht zu überbetrieblichem Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch die DAF in Chemnitz am 01.12.1942. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 13, Fol. 81. 1088 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 175.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

Die deutschen Behörden erstatteten Bericht an die italienischen Behörden, die entsprechende Maßnahmen ergriffen.1089 In die zweite Gruppe fielen laut Gestapo »[g] ermanische Nationalitäten, Flamen, Holländer, Dänen, Norweger«1090. Standen sie im Verdacht der Arbeitsbummelei, sollte von allzu schweren Strafen abgesehen werden. Belehrung und entsprechende Propaganda führten nach Ansicht der Geheimen Staatspolizei hier bereits zum Erfolg. Bei »nicht germanischen Nationalitäten [wie] Slowaken, Rumänen, Bulgaren, Kroaten, Spaniern«1091 sollte ähnlich, aber unter ausdrücklichem Hinweis auf »die Notwendigkeit des erhöhten Arbeitseinsatzes«1092 vorgegangen werden. Die vierte und letzte Gruppe bildeten »[s]lawische Völker der besetzten Ostgebiete, Polen, Russen, Protektoratsangehörige, Ukrainer. Hier soll[te] eine straffe Führung Platz greifen  ; gleichzeitig ist mit strenger Bestrafung einzuschreiten, vor allem bei den Disziplinlosigkeiten, Drücken von der Arbeit durch Krankmachen usw.«1093 Was unter strenger Bestrafung zu verstehen war, erläuterte das Arbeitsamt Zwickau in einem überbetrieblichen Erfahrungsaustausch anschaulich. Disziplinlosigkeiten ausländischer Arbeitskräfte hatte man entgegen der Aufforderung des Rüstungskommandos weiterhin mit Prügeln bestraft. Nun einigte man sich, dass davon abzusehen sei, weil dies »dem deutschen Empfinden nicht entspricht. Nur bei tätlichem Widerstand soll sofort und scharf durchgegriffen und auch vor körperlicher Züchtigung nicht zurückgeschreckt werden. Die Gestapo muß in diesem Falle sofort unterrichtet werden.«1094 Entsprechend harte Strafen ergingen vornehmlich gegen ausländische Arbeitskräfte aus der von der Gestapo definierten vierten Gruppe. Als leichte Bestrafungen für die Angehörigen der ersten drei Gruppen hatten sich unter den Einsatzträgern das Verbot des Ausgangs, die Entziehung des warmen Mittagessens von bis zu drei Tagen und eine Arreststrafe durchgesetzt. Der Arrest war an freien Nachmittagen oder an Sonntagen anzutreten.1095 Obwohl die 1942 und 1943 geschilderte Bestrafungspraxis nicht aus der Überlieferung der Stadt Plauen, sondern aus dem Zuständigkeitsbereich des Rüstungskommandos Chemnitz stammt, scheint sie Allgemeingültigkeit zu besitzen. Denn schon 1089 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 6. Bericht zur Veranstaltung der Gestapo Chemnitz über die Gefahrenabwehr bei dem verstärkten Einsatz ausländischer Zivilarbeiter vom 11.02.1943. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 51. 1090 Ebd. 1091 Ebd. 1092 Ebd. 1093 Ebd., Fol. 52. 1094 Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 5. Bericht des Arbeitsamtes Zwickau vom 10.02.1943. Betreff  : Überbetrieblicher Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch das Arbeitsamt Zwickau am 09.02.1943. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14, Fol. 50 Rückseite. 1095 Vgl. ebd.

323

324 | 

Zwangsarbeit in Plauen

1942 nutzten Einsatzträger Ausgehverbote, Kürzungen bei der Nahrungsmittelverteilung, Entzug warmer Mahlzeiten und Arrest, um disziplinarisch gegen ausländische Zivilarbeiter vorzugehen. Gleiche Maßnahmen sind auch für 1943 nachzuweisen, sodass sie sich offenbar bewährten. Von Prügelstrafen sollten sich die Einsatzträger zurückziehen. Vermutlich wurden Ostarbeiter und Polen aber weiterhin entsprechend bestraft. Dass Gewaltanwendungen zum Arbeitsalltag im ›Ausländereinsatz‹ gehörten, zeigt der Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom Jahresbeginn 1942. Bei der Firma VOMETALL in Plauen kam es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit einem spanischen Arbeiter, der von seinem deutschen Meister zurechtgewiesen wurde. Daraufhin attackierte der Ausländer den Meister.1096 Entsprechend der durch die Gestapo Chemnitz legitimierten Vorgehensweise konnte der Betriebsführer den Spanier durch Prügel bestrafen. Nach einer Tätlichkeit gegen deutsche Mitarbeiter entfiel die Rücksicht auf die Stellung in der nationalsozialistischen Rassenideologie. Der Spanier war der Gestapo zu übergeben. Festgehalten werden kann, dass das Strafsystem bei Arbeitsbummelei eher präventiven Charakter besaß, um den ausländischen Zivilarbeitern zu verdeutlichen, dass ihre Zurückhaltung bei der Arbeit ein nicht kalkulierbares Risiko barg. Hierzu muss nochmals auf den Fall von Petro Rublewsky verwiesen werden, der bei der Untersuchung des Vertrauensärztlichen Dienstes im Arbeitsamt Plauen angab, ihm sei mit Bestrafung gedroht worden, hätte er sich wegen vorliegender körperlicher Beschwerden krankgemeldet.1097 Die unberechtigte Krankmeldung oder die Vortäuschung von Krankheiten war besonders unter den Ostarbeitern gängig, um sich der Arbeit zu entziehen. Ein weiteres Vorgehen, um sich der Arbeit zu entziehen, das den Sowjets, aber auch anderen Ausländern, unterstellt wurde, war die Selbstinfektion.1098 Alle drei Verfahren wurden zur Anzeige bei der Gestapo gebracht und führten, sofern der Einsatzträger sie nicht selbst ahndete, zu Polizeihaft. So wurde beispielsweise der in Italien geborene Guiseppe Arbore am 22. Juni 1944 in die Untersuchungshaftanstalt Plauen eingeliefert, weil er sich eine Infektion unter Zuhilfenahme von Glaspapier zugefügt hatte, um eine Arbeitsunfähigkeit herbeizuführen. Beschuldigt wurde er der Arbeitsbummelei.1099 In diesen Zusammenhang ist auch der Fall von Petro Rublewsky einzuordnen. Vermutlich hatten ihm die Betriebsführer mit der Anzeige bei der Gestapo wegen vorgetäuschter oder selbst herbeigeführter Arbeitsunfähigkeit gedroht und Rublewsky fürchtete, dass er in Polizeigewahrsam genommen oder sogar in ein KZ eingeliefert werden würde. Deshalb entschied er sich trotz Erkrankung, seinen Ar1096 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Januar bis März 1942. Betreff  : Arbeitsgebiet der Zentralgruppe Ic. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 10, Fol. 29. 1097 Vgl. Rückführungsantrag für Petro Rublewsky vom 18.08.1944 beim Arbeitsamt Plauen. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 74. 1098 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 348. 1099 Vgl. Strafakte Guiseppe Arbore. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 223, Fol. 1.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

beitsplatz nicht zu verlassen. Oft war das Risiko, das Ostarbeiter im Falle der Entdeckung einer erschwindelten Arbeitsunfähigkeit eingingen, um ein Vielfaches höher als der Nutzen, den eine Krankmeldung brachte. Den Ostarbeitern gestand man lediglich einige Tage Ruhe oder die Versetzung an eine andere Arbeitsstelle zu.1100 Trotzdem schien das Risiko akzeptabel gewesen zu sein, sodass sich die Arbeitsbummelei wie der Arbeitsvertragsbruch zum Massenphänomen entwickelte. Abschließend sei noch das behördliche Vorgehen bei einem Arbeitsvertragsbruch bzw. einer Flucht beschrieben. Da die Flüchtigen an die Gestapo gemeldet werden mussten, die den Fall verfolgte bzw., auf den hohen Fluchtraten ab 1943 basierend, immer wieder Großrazzien an Orten durchführte, an denen sie viele ausländische Arbeitskräfte vermutete, nahm die innerbetriebliche Bestrafungspraxis hier keinen Einfluss. Die Gründe für eine Flucht konnten vielfältig sein. Oft versuchten sich Polen in die Heimat durchzuschlagen oder Ostarbeiter suchten nach einem Lager, in dem die Bedingungen besser waren als im bisherigen.1101 Wurde der oder die Flüchtige in einem anderen staatspolizeilichen Zuständigkeitsbereich aufgegriffen, erfolgte zuerst eine Verwahrungshaft im Untersuchungsgefängnis, bis die Vorgehensweise für den Einzelfall von den Staatspolizei(leit)stellen geklärt war1102. So wurde beispielsweise die »polnische Landarbeiterin Felicja Bubak, geb. am 3.3.1914 in Zarki«1103, am 22. September 1940 in Neuensalz bei Plauen festgenommen1104 und in das Untersuchungsgefängnis Plauen gebracht.1105 Gründe für ihre Aufnahme ins Gefängnis am 21. Dezember 1940 waren »a) Vergehen nach § 2 VO über die Lohngestaltg. V. 25.6.1938«1106 und »b) Fluchtverdacht«1107. Die Vergehen nach der Verordnung über die Lohngestaltung von 1938 umfassten Handlungen, die die Wehrhaftmachung des Deutschen Reiches negativ beeinflussten bzw. verhinderten.1108 Darunter fiel im weitesten Sinne Arbeitsbummelei. Die Unterlagen der Untersuchungshaftanstalt belegen, dass sich Bubak seit September im Gefängnis aufhielt. Ihre Aufnahme als Häftling dokumentiert die Einrichtung allerdings erst am 21. Dezember 1940. Felicja Bubak war den Behörden demnach wegen zweier unterschiedlicher Vergehen aufgefallen. Welches der beiden zur Ergreifung Bubaks in Neuensalz geführt hat oder ob sie infolge einer Razzia festgenommen wurde, geben die Akten nicht an. In 1100 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 349. 1101 Vgl. ebd., S. 363. 1102 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXVI. 1103 Mitteilung des Leiters der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Plauen, vom 08.02.1941. Betreff  : Schutzhäftling Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, nicht foliiert. 1104 Vgl. Strafakte Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 1. 1105 Vgl. ebd., Fol. 12. 1106 Ebd., Fol. 9. 1107 Ebd. 1108 Vgl. Verordnung über die Lohngestaltung. Vom 25. Juni 1938. In  : RGBl. I, Nr. 99, 28.06.1938, S. 691.

325

326 | 

Zwangsarbeit in Plauen

der Vernehmung bei der Gestapo im September 1940 weigerte sich die junge Polin jedoch, den Namen des Einsatzträgers, bei dem sie gearbeitet hatte, anzugeben.1109 Die Gestapo ermittelte lediglich, dass sie bei einem Bauern in Mysling (später Mösingen) in Bayern eingesetzt war.1110 Dass Felicja Bubak den Namen des Bauern bei Vorliegen eines Fluchtverdachts nicht nennen wollte, war ein gängiges Vorgehen der ausländischen Zivilarbeiter im Zuge der Ermittlungen. Damit sollte verhindert werden, dass sie an den entsprechenden Einsatzträger zurückgegeben wurden. Um die Ermittlungen zu erleichtern, hatte die Staatspolizei Chemnitz im Juli 1943 vorgeschlagen, Firma und Ort der Anstellung in die Kleidung von Ostarbeitern einstempeln zu lassen.1111 Im Falle einer Flucht war die Rückführung an die Arbeitsstelle, die die Arbeitskraft unerlaubt verlassen hatte, üblich. Dort angekommen, wäre sie der innerbetrieblichen Bestrafungspraxis ausgeliefert gewesen. Da sich die ausländischen Zivilarbeiter allerdings oft mit Informationen zu sich selbst und zu ihren Einsatzorten zurückhielten, übergab die Gestapo die unter Fluchtverdacht Stehenden letztlich dem ortsansässigen Arbeitsamt zur Weitervermittlung.1112 Wie die Plauener Behörden vorgingen, soll am Fall Bubaks weiter untersucht werden. Am 1. Oktober 1940 wurde unter anderem Felicja Bubak als Verwahrungsgefangene in der Untersuchungshaftanstalt »im Einvernehmen mit der Gestapo (Komm. Feustel)«1113 zur Kenntnis gegeben, dass sie »das […] [ihr] gesetzte Tagewerk«1114 nicht erfüllt, weshalb ihr »für die nächsten 3 Tage die Kost in der Weise geschmälert [wird], dass sie anstelle der Mittags- und Abendkost Wasser und Brot«1115 erhielt. Ob sich die beschriebene Minderleistung auf den Einsatz Bubaks bei einem landwirtschaftlichen Betrieb in Neuensalz bezieht, der sie deswegen angezeigt hatte, oder ob sie wegen Fluchtverdachts in die Untersuchungshaftanstalt eingeliefert worden war, die sie ihrerseits zum Häftlingseinsatz herangezogen hatte, muss offenbleiben. Wie noch zu zeigen sein wird, war es gängige Praxis des Plauener Gefängnisses, seine Häftlinge auf Arbeitsstellen außerhalb der Einrichtung einzusetzen. Der Verweis, dass Bubak als »Verwahrungsgefangene«1116 geführt wurde, legt nahe, dass sie wegen Fluchtverdachts festgenommen und im Gefängnis zur Arbeit herangezogen worden war. Da sich die innerbetriebliche Bestrafungspraxis im Falle von Arbeitsbummelei allerdings 1109 Vgl. Strafakte Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 1 und 11. 1110 Vgl. ebd., Fol. 1 und 9. 1111 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 07.07.1943. Anlage 2. Aktenvermerk zur Besprechung bei der Staatspolizei Chemnitz über die Behandlung von Ostarbeitern. In  : BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 16, Fol. 54. 1112 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 363. 1113 Strafakte Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 7. 1114 Ebd. 1115 Ebd. 1116 Ebd.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

erst im Laufe des Krieges ausprägte, wäre es denkbar, dass der Betrieb Bubak wegen Minderleistung bei der Gestapo gemeldet hatte. Die Gestapo teilte Felicja Bubak bei der Verhängung des Kostentzugs am 1. Oktober 1940 außerdem mit, dass »[f ]ür den Fall, dass sie sich in Zukunft faul zeigen […] [sollte], […] [ihr] strengere Bestrafung in Aussicht gestellt […] [werde].«1117 Die Entscheidung vom 23. Dezember 1940, die Gefangene rückzuführen und bis dahin in Schutzhaft zu nehmen1118, betrifft den Arbeitsvertragsbruch und ihre Flucht aus Bayern. Mit dem Vermerk »Rückführung beantragt«1119 bezogen sich die Plauener Behörden in diesem Fall nicht auf die Rückführung in die Heimat, sondern darauf, dass die Polin ihrem vorherigen Einsatzträger überstellt werden sollte. Die Plauener Behörden machten den landwirtschaftlichen Betrieb in Bayern sicherlich ausfindig. Bubak wurde am 13. Februar 1941 aus der Haft entlassen und von der Gestapo einer Person überstellt.1120 Vermutlich handelte es sich dabei um einen Mitarbeiter des landwirtschaftlichen Betriebs, von dem sie geflohen war. Der Fall Bubaks zeigt, wie die Plauener Gestapo gegen ausländische Zivilarbeiter bei Verdacht auf Arbeitsvertragsbruch vorging und wie sie intern Arbeitsbummelei bestrafte. Im Untersuchungsgefängnis Plauen durchlief Felicja Bubak mehrere Stadien. Nach ihrer Festnahme am 24. September 1940 war sie Verwahrungsgefangene. Wahrscheinlich nutzte die Gestapo die Plauener Untersuchungshaftanstalt, um ausländische Zivilarbeiter für Befragungen und sogar zur Ahndung von Arbeitsbummelei mit Kostentzug unterzubringen. Bei der tatsächlichen Aufnahme in das Plauener Gefängnis im Dezember 1940 wurde Felicja Bubak als Untersuchungsgefangene bezeichnet. Es folgte die Ahndung ihres Arbeitsvertragsbruchs. Im Januar 1941 teilte die Gestapo dem Untersuchungsgefängnis mit, dass Bubak bis zu ihrer Rückführung in Schutzhaft verbleiben solle.1121 Bubak wurde während und mit ihrer Inhaftierung vom 23. September 1940 bis zum 13. Februar 1941 für zwei Vergehen bestraft. Interessant ist noch die Feststellung, dass Gestapo und Untersuchungsgefängnis zur Kommunikation mit Bubak im Oktober 1940 einen Dolmetscher heranzogen.1122 Dieser entfiel jedoch im Dezember 1940, sodass der Polin nicht mitgeteilt werden konnte, dass sie bis zu ihrer Rückführung in Schutzhaft im Gefängnis verbleiben würde.1123 1117 Ebd. 1118 Vgl. ebd., Fol. 11 und 13. In der Notiz auf Fol. 13 vermerkt die Untersuchungshaftanstalt Plauen am 29.01.1941, dass die Rückführung für Bubak beantragt sei und sie vorerst in Schutzhaft in Plauen verbleibe. 1119 Ebd., Fol. 13. 1120 Vgl. Entlassung Felicja Bubaks aus der Haft am 13.02.1941. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, nicht foliiert. 1121 Vgl. Strafakte Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 13. 1122 Vgl. ebd., Fol. 7. 1123 Vgl. ebd., Fol. 11.

327

328 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Die Frage, ob die von den Einsatzträgern vorgebrachten Vorwürfe gegen ausländische Zivilarbeiter berechtigt waren, wurde nur selten geklärt. Grund dafür war die Struktur des Sonderstrafrechts. Das Reichssicherheitshauptamt betrachtete die ausländischen Arbeitskräfte als Fremdkörper im nationalsozialistischen Staat, sodass es Wert darauf legte, dass sie hart abgestraft wurden. Die entsprechende Härte erreichte man über die extensive Auslegung der bereits existierenden für Deutsche gültigen Bestimmungen zur Strafverfolgung.1124 Für die Bestrafung der Ostarbeiter und Polen war ab Mitte 1943 ausschließlich die Gestapo zuständig.1125 Damit hatte die dem RSHA zugehörige Behörde entscheidende Regelungskompetenzen im Bestrafungssystem an sich ziehen können. Weiterhin entschied die Staatspolizei, ob und wann die Strafverfolgung ausländischer Arbeitskräfte an die Gerichte weiterzugeben war.1126 Die Justiz wurde ab 1943 von ihrer Funktion weitestgehend entbunden. War ein Ausländer aufgefallen, wurde er zumeist umgehend der Gestapo überstellt, die ihn in die Untersuchungsanstalt brachte. Das Reichssicherheitshauptamt regelte dann die Zuständigkeiten je nach propagandistischer Auswertbarkeit. Aus der Entscheidungsfreiheit des RSHA war ein Spannungsfeld zwischen Gestapo und Justiz entstanden, das sich mit Kriegsverlauf immer weiter aufheizte. Je mehr der ›Ausländereinsatz‹ fortschritt, desto mehr Gewichtung erhielten sicherheitspolizeiliche Interessen und mit den spezifischer werdenden Sonderrechten für Ausländer verschob sich das Gewicht hin zur Gestapo. Sie bearbeitete fortan Belange, die im weiteren Sinn politisch waren und damit die Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung tangierten.1127 Wurde dagegen ein Gericht in einer Verhandlungssache einberufen, ging es den Nationalsozialisten weniger um justizielle Verfahren, sondern um die Aburteilung ausländischer Arbeitskräfte. Polen und Ostarbeiter wurden brutal verurteilt, was letztlich zu einem ähnlichen Ergebnis führte wie die durch die Gestapo verhängten Strafen. Da die Gerichtsverfahren allerdings viel mehr Zeit in Anspruch nahmen als eine Bestrafung durch die Gestapo, wurden die Justizorgane nach und nach außer Kraft gesetzt.1128 Die Plauener Gestapo nutzte die Untersuchungshaftanstalt, um eine kurzfristige Erziehungshaft oder die Polizeihaft umzusetzen. Hierhin verbrachte sie aufgegriffene Polen, die im Verdacht standen, arbeitsflüchtig zu sein, ebenso wie im Arrest befindliche Deutsche. Im November 1941 verbüßte beispielsweise Willi Richard Dimper

1124 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 177. 1125 Vgl. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 07.07.1943. Anlage 2. Aktenvermerk zur Besprechung bei der Staatspolizei Chemnitz über die Behandlung von Ostarbeitern. In  : BArch/ MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 16, Fol. 55. 1126 Vgl. ebd. 1127 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 94–95. 1128 Vgl. ebd., S. 136.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

eine Strafe wegen eines Verstoßes gegen das Heimtückegesetz.1129 Vermutlich hatte er sich kritisch über den Nationalsozialismus oder das Reich geäußert. Je nachdem, ob die Äußerung öffentlich oder im Privaten getätigt wurde, verbüßte er eine mindestens dreimonatige Gefängnisstrafe.1130 Ebenfalls in die Untersuchungshaftanstalt eingeliefert wurde Johann Valek. Der am 4. April 1908 in Valasska bei Bestritza-Prot. (heute Valašská Bystřice) geborene Tscheche war zur Arbeit in Schönheide eingesetzt. Als Unterkunft diente ihm das örtliche Ausländerlager.1131 Festgenommen hatte ihn die Gestapo wegen Arbeitsunlust und am 25. Februar 1944 in das Plauener Untersuchungsgefängnis eingeliefert. Die Staatspolizei gab an, ihn »während der Arbeitszeit untätig angetroffen«1132 zu haben. Die Gestapo bat das Untersuchungsgefängnis, den sogenannten »pol[itischen] Häftling«1133 darauf zu untersuchen, ob er »haft-, lagerund arbeitsfähig, sowie frei von ansteckenden Krankheiten ist«1134. Die Haftfähigkeit wurde am 9. März festgestellt.1135 Am 30. März 1944 entschied die Gestapo über das weitere Verfahren und wies das Untersuchungsgefängnis an, Johann Valek »am 4.4.44 mit Sammeltransport nach Halle zur Verfügung der Stapostelle Halle […] [zur] Überstellung in das Arbeitserziehungslager Spergau zu überführen.«1136 Valek wurde am 9. April 1944 ins Arbeitserziehungslager Spergau eingeliefert.1137 Am Beispiel Johann Valeks lässt sich die Radikalisierung des NS-Terrorapparats bis Kriegsende illustrieren. Während Felicja Bubak 1940 noch mit Kostentzug für ihre Minderleistung bestraft wurde, entzog die Gestapo Valek 1944 dem Arbeitsprozess und überstellte ihn in ein Arbeitserziehungslager in einem anderen Bezirk, auf den die Plauener Gestapo keinen Zugriff hatte. Außerdem fällt auf, wie schnell die Entscheidung zu Valeks Erziehungshaft getroffen wurde. Während Bubak drei Monate in Verwahrungs- bzw. Untersuchungshaft verblieb, bevor eine Entscheidung über den Umgang mit dem Arbeitsvertragsbruch gefällt wurde, stand Valeks Entsendung nach Spergau nur einen Monat nach seiner Inhaftierung fest. Weiterhin zeigen die beiden Prozesse, dass die Zahl der beteiligten Behörden im Laufe des Krieges abnahm. War 1129 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 23.11.1941. Betreff  : Entweichen des Untersuchungshaftgefangenen Willi Richard Dimper. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 70. 1130 Vgl. Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen. In  : RGBl. I, Nr. 137, 29.12.1934, S. 1269. 1131 Vgl. Strafakte Johann Valek. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 16052, Fol. 1. 1132 Mitteilung der Gestapo an die Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 09.03.1944. Betreff  : Überprüfung Johann Valek auf Arbeits-, Haft- und Lagerfähigkeit. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 16052, Fol. 4. 1133 Ebd. 1134 Ebd. 1135 Vgl. ebd. 1136 Mitteilung der Gestapo Plauen an den Polizeipräsidenten vom 30.03.1944. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 16052, Fol. 6. 1137 Vgl. ebd. Darauf enthaltene Notiz, dass Valek nach Spergau überstellt wurde.

329

330 | 

Zwangsarbeit in Plauen

bei der Entscheidung über den Umgang mit Felicja Bubak neben der Gestapo und der Untersuchungshaftanstalt noch der Oberstaatsanwalt in Plauen beteiligt1138, regelte das Verfahren mit Johann Valek ausschließlich die Staatspolizei. Im Folgenden soll nun betrachtet werden, welche Bedingungen die Häftlinge in der Untersuchungshaftanstalt Plauen vorfanden. 4.3.1 Die Untersuchungshaftanstalt in Plauen

In der Untersuchungshaftanstalt Plauen kamen verschiedene Häftlingsgruppen zusammen. Unter ihnen befanden sich Verwahrungshäftlinge, über deren Schicksal noch entschieden wurde1139, ebenso wie Schutzhäftlinge, die den Freiheitsentzug als erzieherische Maßnahme erleiden mussten.1140 Beide Häftlingsgruppen litten unter ähnlichen Bedingungen in dem von der Gestapo mitgenutzten Gefängnis, denn für beide Gruppen bedeutete die Inhaftierung schwere körperliche Arbeit bei minimaler Versorgung, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Erschwerend kam die Statusänderung für die ausländischen Zivilarbeiter hinzu. Waren beispielsweise Franzosen im zivilen Einsatz bessergestellt als Polen, entfielen in der Untersuchungshaftanstalt Privilegien der Arbeitskräfte aus dem Westen Europas. Im Untersuchungsgefängnis konnten außerdem hafterschwerende Strafen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge noch weiter herabsetzen. Angemerkt sei jedoch, dass das Vorgehen der deutschen Justizbehörden gegen Ostarbeiter und Polen als rassistisch motiviert und weitaus strenger bewertet werden kann als gegen Westarbeiter. Ulrich Herbert stellte fest, dass Sowjets und Polen häufiger und rücksichtsloser wegen Arbeitsbummelei oder Arbeitsvertragsbruch bestraft wurden als Angehörige anderer Nationen.1141 Schutzhäftlinge bestrafte die Gestapo als zusätzliche Hafterschwernis beispielsweise mit Kürzungen der Lebensmittel. Die Mittags- und Abendkost ersetzte man für drei Tage durch Wasser und Brot.1142 In den ersten Kriegsjahren waren davon ausschließlich Polen betroffen. Sie sollten ab Oktober 1940 bei wiederholter Inhaftierung wegen Arbeitsverweigerung und Widersetzlichkeit über die gesamte Haftzeit eine entsprechende Kürzung erhalten. An Sonntagen, Dienstagen und Freitagen erhielten sie nur Wasser und Brot 1138 Vgl. Strafakte Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 7 und 11. 1139 Vgl. Mitteilung des Leiters an die Wirtschaftsverwaltung der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.10.1940. Betreff  : Schmälerung der Kost von Felicja Bubak und Josefa Kutak wegen Arbeitsbummelei. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 7. 1140 Vgl. Strafakte Jan Bilski. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1086, nicht foliiert. Bilski wurde infolge einer selbst herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit von der Untersuchungshaft Plauen in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt. 1141 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 353. 1142 Vgl. Mitteilung des Leiters an die Wirtschaftsverwaltung der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.10.1940. Betreff  : Schmälerung der Kost von Felicja Bubak und Josefa Kutak wegen Arbeitsbummelei. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 7.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

anstatt eines warmen Mittagessens. Sofern sie länger als einen Monat in der Haftanstalt verbleiben mussten, beschränkte sich die Kürzung der Kost auf den ersten und letzten Monat der Haft.1143 Als weitere Form der Bestrafung kamen Sonderarbeit und Arrest hinzu.1144 Wie schwerwiegend die Folgen einer Erziehungshaft für die Anstaltsinsassen sein konnten, soll noch einmal am Fall der polnischen Landarbeiterin Felicja Bubak gezeigt werden. Durch das sogenannte ›harte Lager‹, das vom Reichsminister der Justiz am 8. Oktober 1940 zur Anwendung auf »polnisch[e] Strafgefangen[e], die wegen Arbeitsverweigerung […] verurteilt worden sind«1145, erlassen wurde, hatte Bubak in kürzester Zeit so viel Gewicht verloren, dass sie sich in Lebensgefahr befand. Am 24. September 1940 nahm der Anstaltsarzt des Plauener Untersuchungsgefängnisses die Polin nach ihrer Festnahme in Augenschein1146, um ihre Haftfähigkeit und Arbeitstauglichkeit festzustellen.1147 Der Anstaltsarzt notierte, dass Felicja Bubak über ein Gewicht von 57 Kilogramm verfügte.1148 Nur drei Monate später, am 7. Januar 1941, erfolgte eine weitere Untersuchung, weil Felicja Bubak während ihrer Haft »über alle möglichen Beschwerden, hauptsächlich in der Magengegend, aber auch am Herzen, [klagte], ohne dass ein objektiver Befund erhoben«1149 werden konnte. Der Lagerarzt stellte bei dieser Untersuchung fest, dass die Polin nur noch 45 Kilogramm bei einer »an sich kleinen Person«1150 wog. Mit der Befürchtung, es könne wegen des Gewichtsverlustes von 12  Kilo eine »plötzliche Verhandlungs- und Haftunfähigkeit«1151 eintreten, wendete sich die Untersuchungshaftanstalt an den Oberstaatsanwalt in Plauen, um das Verfahren gegen die Polin zu beschleunigen.1152 Am 29. Januar 1941 kündigte man Bubaks Entlassung aus der Haft an, weil ihre Rückführung beantragt worden 1143 Vgl. Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte vom 08.10.1940. Betreff  : Behandlung polnischer Strafgefangener, die wegen Arbeitsverweigerung oder Widersetzlichkeit verurteilt worden sind. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 61 Rückseite. 1144 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXVIII. 1145 Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte vom 08.10.1940. Betreff  : Behandlung polnischer Strafgefangener, die wegen Arbeitsverweigerung oder Widersetzlichkeit verurteilt worden sind. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 61. 1146 Vgl. Mitteilung des Leiters des Untersuchungsgefängnisses Plauen an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Plauen vom 08.02.1941. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 12. 1147 Vgl. Mitteilung der Geheimen Staatspolizei an den Leiter der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 04.07.1944. Betreff  : Überprüfung des französischen Zivilarbeiters Arbore, Guiseppe auf Haft-, Lagerund Arbeitsfähigkeit. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 223, Fol. 2. 1148 Vgl. Mitteilung des Anstaltsarztes an den Leiter des Untersuchungsgefängnisses Plauen vom 10.01.1941. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 12. 1149 Ebd. 1150 Ebd. 1151 Ebd. 1152 Vgl. ebd.

331

332 | 

Zwangsarbeit in Plauen

war.1153 Jedoch sollte sie bis zu ihrer Rückführung in die Heimat weiterhin in Haft bleiben. Am 8. Februar 1941 wandte sich die Haftanstalt wegen des Zustandes der Polin nochmals an die Gestapo Plauen. Mittlerweile war bei Felicja Bubak wegen körperlicher Schwäche eine Arbeitsunfähigkeit in der Landwirtschaft eingetreten.1154 Die Polin wird am 13. Februar 1941 Herrn Joram von der Plauener Gestapo übergeben und aus der Haft entlassen.1155 Ihr weiteres Schicksal ist nicht überliefert. Der Fall von Felicja Bubak zeigt, dass das Vorgehen der Gestapo gegen ›arbeitsunwillige‹ Ausländer, besonders wenn in der Erziehungshaft noch eine Haftverschärfung zur Disziplinierung eintrat, lebensbedrohlich sein konnte. Am schwersten wog der Entzug von Nahrungsmitteln, weil er den Ausländern die letzten Kraftreserven entzog und zur Arbeitsunfähigkeit führte. Der geschilderte Fall zeigt deutlich, dass Gestapo und Arbeitsverwaltung exekutive und judikative Funktionen bei der Bestrafung ausländischer Arbeitskräfte übernahmen, während die Justizbehörden beinah gänzlich ausgeschaltet wurden. Neben dem Kostentzug beinhaltete das ›harte Lager‹ für ausländische Arbeitskräfte auch den Einsatz bei schwerer Arbeit. Beschlossen wurde die sogenannte ›Gefangenenarbeit‹ in Sachsen am 22. Juni 1940. Der Generalstaatsanwalt in Dresden wies die Vorstände der Vollzugsanstalten an, »arbeitsscheue und widerspenstige Polen, die von den Verwaltungsbehörden eingewiesen werden, […] besonders scharf  – nötigenfalls durch strenge Hausstrafen  – zu Disziplin und fleißiger Arbeit anzuhalten.«1156 Die sächsische Verordnung geht auf eine Rundverfügung des Reichsministers der Justiz vom Jahresbeginn zurück und galt nicht nur explizit für polnische Arbeitskräfte, sondern für alle Gefangenen.1157 Noch im gleichen Jahr unternahmen die Justizbehörden den Versuch, den Arbeitseinsatz von Gefangenen effizienter zu gestalten. Deshalb sollte »[j]eder Gefangene […] im Arbeitsprozeß  – sowett [sic  !] der Vollzugszweck das irgend zuläßt,  – dahin gestellt werden, wo er das meiste leisten kann.«1158 Der berufsrichtige Einsatz sollte ausschließlich bei Technikern, Architekten, Ingenieuren 1153 Vgl. Haftentlassung von Felicja Bubak vom 29.01.1941. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, Fol. 13. 1154 Vgl. Mitteilung des Leiters der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Plauen, vom 08.02.1941. Betreff  : Schutzhäftling Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, nicht foliiert. 1155 Vgl. Entlassung Felicja Bubaks aus der Haft am 13.02.1941. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, nicht foliiert. 1156 Mitteilung des Generalstaatsanwaltes in Dresden an die Vorstände aller Vollzugsanstalten vom 22.06.1940. Betreff  : Gefangenenarbeit. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 59. 1157 Vgl. ebd. 1158 Mitteilung des Generalstaatsanwaltes Dresden an die Vorstände der Besonderen Vollzugsanstalten und der Gerichtsgefängnisse vom 30.09.1940. Betreff  : Einsatz von fachlich besonders gebildeten Gefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 60.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

und anderen technisch höheren Arbeitsfeldern erfolgen.1159 Wie eine nachfolgende Mitteilung des Generalstaatsanwalts in Dresden nahelegt, war die ›Gefangenenarbeit‹ bislang aber nur auf anstaltsinterne Anstellungen beschränkt. 1941 sollten die Vollzugsanstalten zusätzlich zu den technischen Berufen, Schriftsetzern, Buchdruckern, Tischlern, Bauhandwerkern, Schuhmachern und Schneidern auch diejenigen Gefangenen melden, die besondere Arbeitsfelder bedienten, für die in den Anstalten keine entsprechenden Einsatzgebiete gefunden werden konnten. Dazu zählten Chemiker und Physiker. Da jedoch Lehrer, Ärzte, Heilgehilfen und Ähnliche von der Meldung beim Generalstaatsanwalt ausgenommen waren1160, steht zu vermuten, dass hinter der Abfrage der Versuch stand, diejenigen Gefangenen zur Arbeit heranzuziehen, die kriegswichtige Berufsfelder bedienten. Dass die ›Gefangenenarbeit‹ nun nicht mehr nur auf anstaltsinterne Stellen beschränkt sein sollte, teilte der Generalstaatsanwalt des Oberlandesgerichtes Dresden dem Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen am 12. Dezember 1941 mit. Von ihm waren die Arbeitsämter eingeschaltet worden, um den Arbeitseinsatz der Gefangenen funktional zu gestalten. Denn »[d]ie Notwendigkeit des Arbeitseinsatzes von Gefangenen in Rüstungsindustrie und sonst für die Kriegs- und Volkswirtschaft wichtigen Betrieben macht es erforderlich, die Arbeitskraft jedes einzelnen Gefangenen voll auszunützen.«1161 Die Arbeitskräfte sollten im Folgenden »ausschließlich oder doch überwiegend den oben angeführten Zwecken«1162 dienen. Der Generalstaatsanwalt veranlasste die Vollzugsanstalten deshalb, mit den Arbeitsämtern zusammenzuarbeiten. Zweck der Maßnahme war es, »einem unnötigen Verbrauch von Arbeitskräften entgegenzuwirken. Die Arbeitskraft der Gefangenen muß stets wirksam eingesetzt, darf aber nicht an Arbeiten verschleudert werden, deren Ausführung für die jetzt notwendigen Kriegsaufgaben ohne Bedeutung ist.«1163 Um entsprechende Aufgaben für die Gefangenen ausfindig zu machen, besichtigte das Arbeitsamt Plauen im Januar 1942 hiesige Betriebe. Am 9. Januar besuchte Regierungsinspektor Künzel aus der Einsatzabteilung des Arbeitsamtes Plauen zusammen mit dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt die Firma Th. Horn, die eine Zweigstelle ihres Werkes in Leipzig nach Plauen verlegte. Sobald das Unternehmen seine Produktion aufgenommen habe, solle es sich beim Arbeitsamt und der Haftanstalt für den

1159 Vgl. ebd. 1160 Vgl. Mitteilung der Generalstaatsanwaltes Dresden an die Vorstände der selbständigen Vollzugsanstalten und der Gerichtsgefängnisse vom 07.05.1941. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 63. 1161 Mitteilung des Generalstaatsanwaltes des Oberlandesgerichtes Dresden an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 12.12.1941. Betreff  : Zusammenarbeit der Vollzugsanstalten mit den zuständigen Arbeitsämtern zum Zwecke eines wirksameren Arbeitseinsatzes der Gefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 90. 1162 Ebd. 1163 Ebd.

333

334 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Häftlingseinsatz melden.1164 Zur Übernahme einzelner Produktionsschritte durch die Untersuchungshaftanstalt kam es wahrscheinlich nicht. Dass Gefangene in den deutschen Justizanstalten während ihrer Haftstrafe zur Arbeit herangezogen wurden, war 1941 kein Novum. Schon 1938 wurden die Gefangenen in der Landwirtschaft zu Erntearbeiten eingesetzt, bevor die Reichsjustizanstalt selbst Güter in und um Plauen erwarb, um die Häftlinge darauf zu beschäftigen.1165 Grund für den Kauf und die ›Gefangenenarbeit‹ war sicher der Versuch, zum einen die Insassen gewinnbringend anzustellen und zum anderen die Versorgung der Anstalt zu sichern. Weiterhin agierten die Vollzugsanstalten nicht nur bei der Versorgung selbstverwaltend, sondern auch alle anderen Bereiche der internen Organisation bedienten sie aus eigener Kraft. So wurden ebenfalls Abrechnungs- und Schreibarbeiten durch Häftlinge erledigt.1166 Der Einsatz in der gewerblichen Industrie dürfte ab 1941 eine zusätzliche Einnahmequelle dargestellt haben. Aus den Vollzugsanstalten wurden durch die Hereinnahme kriegswichtiger Produktionen eigenständig im ›Ausländereinsatz‹ operierende Einheiten. Der Generalstaatsanwalt hatte zur Organisation des ›Arbeitseinsatzes‹ der Häftlinge verfügt, dass die Haftanstalten Aufträge in ihre Obhut übernehmen sollten.1167 Dies geschah in Plauen nur teilweise. Die ›Gefangenenarbeit‹ formte sich auch außerhalb der Haftanstalten heraus und folgte dem Vorbild des Häftlingseinsatzes in der Landwirtschaft.1168 Der gewerbliche Einsatz erfolgte ab 1941 in Kolonnen in den Industriebetrieben oder anderen Unternehmen, die mit der Rüstung in Verbindung standen. Die Entlohnung der Gefangenen sollte nach Tariflohn erfolgen und die Überwachung am Arbeitsplatz hatte die Anstalt zu übernehmen. Die Verpflegung lieferte das Gefängnis in die Arbeitsstätten, wobei hier auch Ausnahmeregelungen möglich waren. Häftlingskolonnen konnten in Gänze an andere Standorte versetzt werden. Als Unterbringung diente in Ausnahmefällen auch ein Amtsgerichtsgefängnis.1169 Ob der 1164 Vgl. ebd., Fol. 90 Rückseite. 1165 Vgl. Beschäftigung der Gefangenen bei der Ernte 1938. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 6, Fol. 3. Vgl. außerdem Erwerb landwirtschaftlicher Güter durch die Reichsjustizanstalt. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 6, Fol. 5 Rückseite. 1166 Vgl. Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte und den Beauftragten des Reichsministers der Justiz für die Straflager im Emsland vom 11.04.1940. Betreff  : Arbeitslöhne für mit Schreib- und Rechenarbeiten beschäftigte Gefangene. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 58. 1167 Vgl. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes des Oberlandesgerichtes Dresden an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 12.12.1941. Betreff  : Zusammenarbeit der Vollzugsanstalten mit den zuständigen Arbeitsämtern zum Zwecke eines wirksameren Arbeitseinsatzes der Gefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 90. 1168 Vgl. Beschäftigung der Gefangenen bei der Ernte 1938. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 6, Fol. 3. 1169 Vgl. Mitteilung der Rüstungsinspektion IV an das Kommando des Rüstungsbetriebes Dresden, Chemnitz, Leipzig, Halle und Reichenberg vom 23.07.1941. Betreff  : Arbeitseinsatz von Strafgefan-

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

Lohn an die Gefangenen ausgezahlt wurde, vermerkte die Rüstungsinspektion nicht. Zu vermuten steht, dass dies nicht erfolgte. Das Entgelt, das von den Unternehmen für die in Anspruch genommene Arbeitskraft aus den Haftanstalten zu entrichten war, unterschritt dasjenige der zivilen Ausländer, sofern sie nach Tarif bezahlt wurden. Grund dafür war, dass die Sozialabgaben entfielen.1170 Den gewerblichen Einsatz unterstützte der erzieherische Zweck der Schutzhaft. Die Häftlinge konnten, weil sie zu fleißiger Arbeit erzogen werden sollten, zwischen zehn und zwölf Stunden eingesetzt werden. Rücksichten entfielen gänzlich.1171 Im Februar 1941 hatte der Generalstaatsanwalt nochmals auf den effektiven und qualifizierten Einsatz der Gefangenen aus den Justizvollzugsanstalten hingewiesen. Parallel zu den Entwicklungen in der Beschäftigung ziviler Ausländer sollten auch die Häftlinge in der Plauener Untersuchungshaftanstalt auf ihre Eignungen überprüft und anhand des »Berufsverzeichnisses für die Arbeitseinsatzstatistik«1172 in die Berufs­gruppenkarteien der Haftanstalten aufgenommen werden. Die Gefangenenmeldungen an den Generalstaatsanwalt erfolgten ab diesem Zeitpunkt unter Angabe der für jeden Häftling gültigen Berufsgruppe.1173 Umgekehrt stellte die sächsische Justizbehörde in Dresden Anfragen an die Haftanstalten, sobald wegen Einberufungen Arbeitsplätze in kriegswichtigen Industrien oder Zulieferern unbesetzt waren, so zum Beispiel in Plauen im Januar 1942. Der Schlachthof hatte Arbeitskräfte an die Front abgeben müssen und gleichzeitig Aufträge zur Durchführung zusätzlicher Schlachtungen unter anderem für die Wehrmacht erhalten. Bereits eingesetzt waren Kriegsgefangene, doch der Arbeitskräftemangel war immer noch zu groß, um die Aufgaben erfüllen zu können. Deshalb rekrutierte der Generalstaatsanwalt nun zehn bis 15 Fleischer aus den Haftanstalten. Der Logistik wegen sollten die Meister oder Gesellen möglichst aus Plauen stammen.1174 Die Untersuchungshaftanstalt meldete auf das Gesuch aus Dresden drei deutsche Gefangene mit entsprechender Eignung. Eingesetzt wurde lediglich Otto Drechsler, da Fleischermeister Kurt Müller »an Ischias erkrankt und b. a. w. [als] arbeitsunfähig«1175 eingestuft wurde und Walter Pragenen in der Rüstungsindustrie. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 9, Fol. 137. 1170 Vgl. ebd., Fol. 137 Rückseite. 1171 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 140. 1172 Mitteilung des Generalstaatsanwaltes an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen. Betreff  : Erfassung von fachlich vorgebildeten Gefangenen durch eine Berufsgruppenkartei. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 91. 1173 Vgl. ebd. 1174 Vgl. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 29.01.1942. Betreff  : Gestellung fachlich vorgebildeter Gefängnisgefangener für Reichs- und Wehrmachtsschlachtung. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 99. 1175 Mitteilung des Vorstands der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Oberstaatsanwalt Dresden vom 04.02.1942. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 99 Rückseite.

335

336 | 

Zwangsarbeit in Plauen

ger kurz vor der Haftentlassung stand.1176 Otto Drechsler war wegen des »Verdachts des Verbrechens gegen § 1 Kriegswirtsch.-V. v. 4.9.1939«1177, sprich kriegsschädlichen Verhaltens, von der Staatsanwaltschaft Plauen inhaftiert.1178 Ihm standen eine längere Haft, Zuchthaus oder sogar die Todesstrafe bevor, da er beschuldigt wurde, »Rohstoffe oder Erzeugnisse, die zum lebenswichtigen Bedarf der Bevölkerung gehören, vernichtet, beiseitegeschafft oder [zurückgehalten] und dadurch böswillig die Deckung dieses Bedarfs gefährdet [zu haben]«1179. Solche Verstöße gegen die Kriegswirtschaftsverordnung vom 4. September 1939 sahen drakonische Strafen vor.1180 Da das Untersuchungsgefängnis in Plauen nur eine der geforderten zehn Arbeitskräfte stellen konnte, wurde der restliche Kräftebedarf durch die Häftlinge anderer Anstalten gedeckt. Bei der ›Gefangenenarbeit‹ im Schlachthof übernahm die Plauener Einrichtung die Koordination, Bewachung und Versorgung der Häftlinge. Die Generalstaatsanwaltschaft verfügte, dass alle verwendbaren Fleischer aus den Zuchthäusern Waldheim nach Plauen zum Einsatz überstellt werden sollten.1181 Angemerkt sei noch, dass ein Unterschied zwischen Gefängnis und Zuchthaus bestand, auf den nicht näher eingegangen werden soll. Das Untersuchungsgefängnis Plauen sorgte sich um die Umstände der Unterbringung der aus den Zuchthäusern Waldheim überstellten Personen, denn ein gemeinsamer Arbeitseinsatz mit Häftlingen aus Gefängnissen war nicht vorgesehen. Um diesen doch zu ermöglichen, wurden die Gefangenen angewiesen, Abstand zu den Häftlingen der Zuchthäuser zu halten.1182 Nachdem der Einsatz der Häftlinge aus der Untersuchungshaftanstalt in Plauen beim Schlachthof entsprechend den Vorgaben der involvierten Behörden verlaufen war, griffen weitere Einsatzträger auf das Arbeitskräftereservoir zu. Im Juli 1942 verfügte die Haftanstalt über 171 männliche und 56 weibliche Häftlinge, von denen 151 männliche und 35 weibliche zur Arbeit herangezogen wurden. 15 männliche Kräfte setzte die Maschinenfabrik G. Albert Müller zum »Drehen von Spindeln und Motorkappen, Wickeln von Motoren [und zur] Fertigung von Metallteilen für Maschinen«1183 ein. 22 Männer waren mit der Bearbeitung von Metallteilen für die VOMAG beschäftigt. 80 Männer und 27 Frauen stellte die elektrotechnische Fabrik Kurt Völckner an. Sie setz1176 Vgl. ebd. 1177 Ebd. 1178 Vgl. ebd. 1179 Kriegswirtschaftsverordnung. Vom 4. September 1939. In  : RGBl. I, Nr. 163, 04.09.1939, S. 1609. 1180 Vgl. ebd. 1181 Vgl. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes Dresden an den Vorstand der Zuchthäuser Waldheim und abschriftlich an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 11.02.1942. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 108. 1182 Vgl. ebd. 1183 Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an das Rüstungskommando Chemnitz des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 22.07.1942. Betreff  : Einsatz von Justizgefangenen in der Rüstungsindustrie. In. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78, Fol. 132.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

ten Lüsterklammern zusammen. Weitere ein bis zwei Männer setzten bei Schuhmacherobermeister Enders Schuhwerk für die Zivilbevölkerung instand. 17 Männer wurden im Schlachthof beschäftigt, um Schlachtungen für die Wehrmacht durchzuführen, acht Frauen fertigten für die Firma Guth & Lindert Wehrmachtsbekleidung und Kleidung für die Völker der Ostgebiete. Die verbleibenden 16 Männer arbeiteten in der Lehmgrube des Unternehmens F. A. Roßbach und stellten Ziegel her.1184 Weitere Unternehmen kamen hinzu und auch die Stadt nutzte in den letzten Kriegswochen die Arbeitskraft aus der Untersuchungshaftanstalt für die Beseitigung von Bombenschäden. Bis März 1945 war die Belegung der Untersuchungshaftanstalt Plauen von 227 auf 344 Personen angewachsen. Die Mehrzahl von ihnen war mit 293 Personen männlich. Während alle Frauen zu Kriegsende zusammen mit 118 Männern zu Arbeiten innerhalb der Anstalt herangezogen wurden, waren 175 auf Außenarbeitsstellen eingesetzt. 1945 hatten zehn Plauener Unternehmen einen Teil ihrer Produktion in die Untersuchungshaftanstalt verlegt, um Arbeitsgänge von den Häftlingen erledigen zu lassen. So waren 16 männliche Gefangene mit dem Zusammenlegen von Metallteilen für die Firma Alfred Rudert Nachfolger beschäftigt. Die Metallteile waren für die Wehrmacht bestimmt. Weitere 16 Männer bauten Motoren und Teile für Kampfwagen, U-Boote und andere Maschinerie der Wehrmacht. Außerdem erledigten sie Bohr- und Dreherarbeiten im Auftrag der Firma G. Albert Müller.1185 Zu vermuten steht, dass Albert Müller bereits 1942 in der Untersuchungshaft produziert hatte, da bei der vorherigen Aufstellung ähnliche Häftlingsarbeiten genannt wurden. Die Aufstellung vom 22. Juli gibt über die Arbeitsstätte allerdings keine genauen Auskünfte. Des Weiteren nutzte die Firma Gebrüder Spitzbarth 1945 die Arbeitskraft von 22 männlichen Häftlingen der Untersuchungshaftanstalt, um Verdunkelungsrollos herzustellen. Zwei Männer stellten solche auch für die Firma Tilger & Co. her. Zwölf Männer waren durch die Vogtländische Elektro-Industrie E. Süppel mit der Anfertigung von Sicherungskapseln und Passschrauben beschäftigt, acht Häftlinge besorgten das Abgraten von Flugzeugteilen für die VOMETALL. Weitere zwölf Männer arbeiteten Messingsockel für die Firma Carl Ramig auf. 55 Frauen beschäftigten die Firmen Rudert und Guth & Lindert zu Trennarbeiten für die Wehrmacht und für die Anfertigung von Bekleidung.1186 Auch das Unternehmen Guth & Lindert produzierte schon 1942 mit der Arbeitskraft aus dem Untersuchungsgefängnis. Vermutlich hatte der Betrieb zu diesem Zeitpunkt Produktionsteile in die Anstalt verlegt. 1184 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an das Rüstungskommando Chemnitz des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 22.07.1942. Betreff  : Einsatz von Justizgefangenen in der Rüstungsindustrie. In. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 25, nicht foliiert. 1185 Vgl. Aufstellung des Arbeitseinsatzes der Gefangenen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.03.1945. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. 1186 Vgl. ebd.

337

338 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Abschließend ist für die ›Gefangenenarbeit‹ noch festzustellen, dass die Firma Steiniger und der Schlachthof Häftlinge außerhalb der Anstalt beschäftigten. Steiniger holte beispielsweise 63 männliche Gefangene für Erdarbeiten auf das Gelände der VOMAG. Die meisten Gefangenen setzte mit 82 Männern das Stadtbauamt zu Bergungsarbeiten nach Bombenangriffen ein.1187 Damit kann für Plauen neben der Landwirtschaft und der Industrie ein weiteres Einsatzgebiet ausländischer Arbeitskräfte aufgedeckt werden. Auch Städte und Kommunen wurden während des Zweiten Weltkrieges zu Einsatzträgern und zwangen in diesem Falle Schutzhäftlinge sowie andere Gefangene zur Arbeit. Bereits nachgewiesen werden konnte, dass einzelne städtische Einrichtungen wie das Krankenhaus, der Schlachthof oder das Elektrizitätswerk und die Straßenbahn Ausländer zur Arbeit heranzogen und in verschiedenen Gemeinschaftslagern unterbrachten. Karola Fings wertet in ihrer Studie zu Kommunen und Zwangsarbeit diese Einsatzbereiche als klassische Gebiete des ›Ausländereinsatzes‹ in öffentlichen Versorgungseinrichtungen.1188 Mit dem Nachweis des Häftlingseinsatzes für die Trümmerbeseitigung kann die Ausweitung der Ausländerbeschäftigung auf Behörden durch den Bombenkrieg belegt werden. Ursprünglich lag die Beseitigung der Fliegerschäden im Aufgabenbereich der Polizeipräsidenten, da sie für den Luftschutz zuständig waren. 1941 ging die Verantwortung dann an die Städte und Gemeinden über, die dafür eigene Abteilungen in der Bauverwaltung einrichteten. Hier koordinierte man den Einsatz der Arbeitskräfte sowie deren Versorgung, Unterbringung und Abrechnung.1189 In Plauen oblagen diese Aufgaben dem Stadtbauamt, das Träger des Häftlingseinsatzes war.1190 Anders als bei ausländischen Zivilarbeitern waren die Häftlinge im Stadtbauamt nicht lokalen Handwerkern unterstellt, auf deren Rechnung sie arbeiteten1191, sondern wurden von den Wärtern der Haftanstalt zu den Einsatzorten gebracht.1192 Die Häftlinge waren nicht in jedem Fall in Kolonnen eingesetzt. In Plauen wurden Gefangene, wenn sie sich durch gute und zuverlässige Arbeit ausgezeichnet hatten, auch einzeln an Arbeitsstellen gebracht. Zu ihren Aufgaben zählten die Trümmerbeseitigung und die Bergung. Eine Überwachung erfolgte durch Wachtmeister und 1187 Vgl. ebd. 1188 Vgl. Fings, Karola (2000)  : Kommunen und Zwangsarbeit. In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 109. Im Folgenden zitiert als Fings (2000)  : Kommunen und Zwangsarbeit. 1189 Vgl. Fings (2000)  : Kommunen und Zwangsarbeit, S. 119. 1190 Vgl. Aufstellung des Arbeitseinsatzes der Gefangenen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.03.1945. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. 1191 Vgl. Fings (2000)  : Kommunen und Zwangsarbeit, S. 119. 1192 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt  – Vollzugsabteilung – vom 06.03.1945. Betreff  : Entweichen eines serbischen Häftlings von der Außenarbeitsstelle zur Trümmerbergung in der Staatsanwaltschaft Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

Hilfswachtmeister, die sie nicht nur auf dem Weg zum Einsatzort begleiteten, sondern auch während der Arbeit beaufsichtigten.1193 Karola Fings stellt in ihrer Studie fest, dass die meisten bei den Bauverwaltungen eingesetzten Zwangsarbeiter ab 1943 in die Industrie abgezogen wurden und den Behörden deshalb nicht mehr genug Kräfte für die Trümmerbeseitigung zur Verfügung standen. Neben ausländischen Zivilarbeitern nutzten die Städte außerdem Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und die Insassen der Justizanstalten, die spätestens 1944 ebenfalls zugunsten der Rüstungsindustrie abgezogen wurden.1194 Für Plauen dürfte die Situation etwas anders gelegen haben, denn hier setzten die Luftangriffe erst im September 1944 ein1195, sodass der Stadt ab diesem Zeitpunkt nur wenige Kräfte zur Verfügung gestanden haben dürften. Plauen hatte ursprünglich keine Kräfte für diesen Aufgabenbereich vorgesehen, nutzte Häftlinge aus der Untersuchungshaftanstalt im März 1942 vielmehr für die Schneeberäumung1196. Entsprechende Verbindungen zwischen Stadt und Justizbehörden, auf deren Grundlage der Einsatz der Häftlinge erfolgte, bestanden demnach schon längere Zeit. Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass das Stadtbauamt auch von der Arbeitskraft aus dem KZ profitierte. Zu Beginn des Jahres 1945 kamen die Häftlinge der SS-Baubrigade 8 aus dem KZ Sachsenhausen nach Plauen, um den Bahnhof von Trümmern zu beräumen. Zu ihren Aufgaben zählte auch die Bergung von Bombenopfern. Die KZ-Häftlinge hielten sich aber nur kurz in Plauen auf, denn die Baubrigade wurde nach Pilsen und dann weiter nach Salzburg abgeordnet.1197 Die SS-Baubrigaden werden an anderer Stelle noch einmal näher zu erläutern sein. Hier soll die Erwähnung des Einsatzes lediglich der Vervollständigung des Verfahrens der Stadt Plauen bei der Trümmerbeseitigung dienen. Ergänzend sei ebenfalls noch erwähnt, dass das Tiefbauamt ab November 1944 auf englische Kriegsgefangene zurückgriff.1198 Vermutet werden kann, dass die Soldaten ebenfalls zur Trümmerbeseitigung eingesetzt wurden. Nachdem nun die unterschiedlichen Einsatzgebiete der Justizgefangenen diskutiert wurden, soll noch einmal auf den spezifisch erzieherischen Aspekt der Schutzhaft eingegangen werden. Vorab wurde bereits erwähnt, dass die Beschäftigung der Häftlinge für die Einsatzträger zum einen finanziell günstig war und zum anderen keine Rücksichten bei den Arbeitszeiten bedeutete. Die Arbeitszeiten sollten zwischen zehn und zwölf Stunden täglich betragen, um die Arbeitsverweigerer zu erziehen. Schwere 1193 Vgl. ebd. 1194 Vgl. Fings (2000)  : Kommunen und Zwangsarbeit, S. 120. 1195 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 51. 1196 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 04.03.1942. Betreff  : Entweichung und Wiederergreifung der beiden Schutzgefangenen Danel und Zaborniak. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 76. 1197 Vgl. Zeugenaussage von Nikolai Wajlor zur SS-Baubrigade 8, Sachsenhausen, 1.1.0.7 / 87767705/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1198 Vgl. dazu bspw. Zentrale Namenskartei, Namensliste der in Plauen eingesetzten englischen Kriegsgefangenen, Ordner 45d, Fol. 66, 2.1.4.1 / 70954851/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

339

340 | 

Zwangsarbeit in Plauen

körperliche Arbeit war außerdem Teil des nationalsozialistischen Erziehungsgedankens.1199 Diese konnte in Plauen am besten auf den Außenarbeitsstellen gewährleistet werden. So wurden die Häftlinge zu Erdarbeiten bei der VOMAG eingesetzt1200, waren aber auch an anderen Bauprojekten beteiligt. So führten sie Erdarbeiten an der Artillerie-Kaserne durch1201, schnitten in der Lehmgrube der Ziegelei Roßbach Lehm1202 und hoben Gräben für Wasserleitungen aus1203. Um zu den Baustellen zu gelangen, wurden die Gefangenen am frühen Morgen auf dem Stellplatz der Haftanstalt versammelt und in ihre Arbeitskommandos eingeteilt. Mit jedem Arbeitskommando rückte ein Gefangenenoberwachtmeister aus. Ihm zur Seite standen je nach Personenstärke der Kolonne zwei Militärposten1204 oder Hilfswachtmeister aus dem Gefängnis.1205 Ab 1943 bediente sich die Haftanstalt bei der Beaufsichtigung der Gefangenen auf den Außenbaustellen der VOMAG zusätzlich des Werkschutzes des Unternehmens.1206 Festzustellen ist, dass die Zahl der aufsichtsführenden Beamten im Verlauf des Krieges abnahm. Waren es 1941 noch drei Wachhabende bei einer Arbeiterkolonne von 16 Personen1207, bewachten 1943 vier Deutsche 40 Häftlinge.1208 Abhängig war die Zahl der Aufseher wohl aber nicht nur von der zur Verfügung stehenden Zahl 1199 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXVII. 1200 Vgl. Aufstellung des Arbeitseinsatzes der Gefangenen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.03.1945. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. 1201 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 23.11.1941. Betreff  : Entweichen des Untersuchungshaftgefangenen Willi Richard Dimper. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 70. 1202 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 28.07.1942. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen. In  : StAC, best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 88. 1203 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 10.02.1943. Betreff  : Entweichung eines Gefangenen. In  : StAC, best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 99. 1204 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Werdau vom 07.10.1941. Betreff  : Entweichung eines Gefangenen auf der Außenarbeitsstelle in Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 65 Rückseite. 1205 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt  – Vollzugsabteilung – vom 06.03.1945. Betreff  : Entweichen eines serbischen Häftlings von der Außenarbeitsstelle zur Trümmerbergung in der Staatsanwaltschaft Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. 1206 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 23.06.1943. Betreff  : Entweichung eines Untersuchungsgefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 114. 1207 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Werdau vom 07.10.1941. Betreff  : Entweichung eines Gefangenen auf der Außenarbeitsstelle in Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 65 Rückseite. 1208 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 22.09.1943. Betreff  : Entweichen eines Polizeigefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 139.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

an Beamten, sondern auch von der Beschaffenheit der Arbeitsstelle. So wurde mit den Häftlingen, die in der Lehmgrube Einsatz fanden, bei einer Kolonnenstärke von zwölf Personen nur ein Wachmann entsandt. Grund dafür war, dass die Gefangenen in der Grube eingesetzt wurden und das Gelände von einer erhabenen Stelle durch den Posten bewacht werden konnte.1209 Die Aufsicht ging sogar über den An- und Abmarsch und die Überwachung bei der Arbeit hinaus. Selbst bei Toilettengängen folgten die Wachmänner den Gefangenen, um Fluchtversuche zu vereiteln. Sollten sie trotzdem einen solchen wagen, wurde, sofern genügend Aufsichten vorhanden waren, die Verfolgung aufgenommen. War eine Verfolgung aussichtslos, durfte von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden. So nutzte der Oberwachtmeister Hertel im Juli 1942 sein Gewehr, um auf den flüchtigen Polen Henry Osowski zu schießen. Um die anderen elf in der Lehmgrube tätigen Häftlinge nicht unbeaufsichtigt zu lassen, versuchte Hertel den Polen, der sich unerlaubt und zügig von der Arbeitsstelle entfernte, mit zwei Schüssen zu stoppen. Diese verfehlten allerdings ihr Ziel und Osowski konnte in das an die Ziegelei angrenzende Getreidefeld flüchten.1210 Auch unwegsames Gelände verhinderte die zügige Verfolgung flüchtiger Ausländer und rechtfertigte von Amts wegen den Gebrauch der Schusswaffe. So gab Gefangenenoberwachtmeister Max Bauer ebenfalls zwei Schüsse auf flüchtige Polen ab, die sich auf der Außenarbeitsstelle der Untersuchungshaftanstalt Chrieschwitz unerlaubt von ihrer Kolonne entfernt hatten. Tiefer Schnee hinderte die deutschen Beamten an einer schnellen Verfolgung der Flüchtigen.1211 Konsequenzen hatte das Handeln Bauers für ihn nicht. Der Oberstaatsanwalt in Plauen verfolgte die Angelegenheit auf Geheiß des Verwaltungsoberinspektors der Untersuchungshaftanstalt nicht weiter, wobei noch zu erwähnen ist, dass die Strafverfolgung eher zu klären versuchte, ob die deutsche Aufsicht die Flucht der Ausländer begünstigt hatte oder die Flüchtigen nicht in ausreichendem Maße verfolgt wurden.1212 Ein zu hartes Vorgehen gegen Ausländer wurde in keinem Fall diskutiert oder geahndet.

1209 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 28.07.1942. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen. In  : StAC, best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 88. 1210 Vgl. Mitteilung des Oberstaatsanwaltes beim Landgericht Plauen an die Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 20.08.1942. Betreff  : Verfahren gegen Gefangenenoberwachtmeister Max Hertel wegen gefährlichen Entweichenlassens eines Gefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 90. 1211 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 04.03.1942. Betreff  : Entweichung und Wiederergreifung der beiden Schutzgefangenen Danel und Zaborniak. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 76. 1212 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 21.03.1942. Betreff  : Entweichung zweier Polen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 76 Rückseite.

341

342 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Noch vor 7 Uhr morgens1213 rückten die Kommandos aus der Haftanstalt in Plauen aus, um sich zu Fuß auf den Weg zu den Baustellen zu begeben. Die Häftlinge wurden in »Drillichzeug«1214, der Anstaltskleidung, auf die Baustellen verbracht, um sie bei einer Flucht schneller als Gefangene identifizieren zu können.1215 Die Flucht erschweren sollte außerdem, dass die Gefangenen zum Teil barfuß arbeiteten. So wurde der Pole Henryk Osowski ohne Schuhe in die Lehmgrube der Ziegelei Roßbach zur Arbeit eingesetzt.1216 Um die auszuführenden Tätigkeiten weiter zu erschweren und dem erzieherischen Aspekt Ausdruck zu verleihen, erhielten die Häftlinge nur einfachstes Werkzeug. So musste beispielsweise der Lehm in der Ziegelei mit Stoßeisen von der Grubenwand abgegraben werden.1217 Um 12.30 Uhr erhielten Häftlinge und Aufseher eine Mittagspause1218, die Schichten endeten erst am Abend1219. Hinzu kommt die mentale Belastung der diskriminierenden Bestimmungen der Schutzhaft. Bei der polnischen Landarbeiterin Felicja Bubak vermerkten die Behörden, dass sie »seelisch derart unter der Haft [leide], daß nur hierdurch der starke Gewichtsverlust [zu erklären war.]«1220 Die geschilderten Vorkehrungen, die die Untersuchungshaftanstalt zur Vermeidung von Fluchtversuchen getroffen hatte, waren nicht unbegründet, denn die Außenarbeitsstellen boten gute Möglichkeiten, der Haft zu entkommen. Allein für das 1213 Vgl. Aktennotiz der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 06.10.1941. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 65. Vermerkt ist Meldung der Flucht des Strafgefangenen Joseph Van Oosthnyse von der Außenarbeitsstelle um 7.30 Uhr. Da die Gefangenen von der Haftanstalt zu den Einsatzstellen liefen, ist davon auszugehen, dass der Abmarsch einige Zeit vor der Meldung liegen muss. 1214 Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 28.07.1942. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen. In  : StAC, best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 88. 1215 Vgl. ebd. Vgl. außerdem Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Werdau vom 07.10.1941. Betreff  : Entweichung eines Gefangenen auf der Außenarbeitsstelle in Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 65 Rückseite. 1216 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 28.07.1942. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen. In  : StAC, best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 88. 1217 Vgl. Aussage des Oberwachtmeisters Max Hertel zur Entweichung des Gefangenen Osowski von der Außenarbeitsstelle der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 03.08.1942. In  : StAC, Best, 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 89. 1218 Vgl. Abschriften aus den Akten Svyda, GNr. 8425/42 vom 21.06.1943. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 112. 1219 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 09.07.1943. Betreff  : Entweichung eines Untersuchungsgefangenen und eines Schutzhaftgefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 126 Rückseite. 1220 Mitteilung des Leiters der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Plauen, vom 08.02.1941. Betreff  : Schutzhäftling Felicja Bubak. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642, nicht foliiert.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

Jahr 1943 sind neun Fluchtversuche ausschließlich ausländischer Arbeitskräfte aus dem Osten Europas aktenkundig. Im August 1942 hatte die Untersuchungshaftanstalt aufgrund der sich abzeichnenden Zunahme der Fluchtversuche bereits die Bewachungsvorschriften verschärft. So sollten Polen und Juden bei dem Versuch, den Vollzugsanstalten zu entweichen, wegen wiederholter Disziplinarverstöße hart bestraft werden. Der Generalstaatsanwalt in Dresden bestimmte dazu die Verhängung einer weiteren langen Freiheitsstrafe oder der Todesstrafe.1221 Hierbei handelte es sich wohl eher um Maßnahmen, die die Häftlinge von einem Fluchtversuch abschrecken sollten. Wie mit Häftlingen aus dem Osten Europas nach ihrem Aufgreifen verfahren wurde, kann nur vermutet werden. Da keine Todesfälle dokumentiert sind, wurden die Häftlinge wohl ins KZ überstellt. Im März 1943 verschärfte der Vorstand der Untersuchungshaftanstalt noch einmal die Bewachungsvorschriften. Von nun an sollten die Außenarbeitsstellen mit einer Leine umspannt werden und die Wärter erhielten Schießbefehl, sobald ein Gefangener die Markierung übertrat. Den Häftlingen wurde die Maßnahme durch einen Dolmetscher bekanntgegeben.1222 Dass auch dieses Vorgehen keinen Erfolg brachte, zeigt der Umstand, dass im Juni ein weiterer Häftling von der Außenarbeitsstelle der VOMAG entfloh. Der Tscheche Jaroslav Svejda nutzte die unübersichtliche Baustelle, um sich auf dem weitläufigen Gelände des Panzermonteurs von der Arbeit zu entfernen. Zum Erfolg der Flucht trug bei, dass mit 49 Gefangenen eine größere Gruppe Häftlinge inklusive anderer Zwangsarbeiter wie Kriegsgefangener auf der Baustelle tätig war. Durch die Hitze hatten viele der Arbeitskräfte Teile ihrer Kleidung abgelegt, sodass für den Aufsicht führenden Werkschutzmann der VOMAG eine Unterscheidung der ihm zugeteilten Kolonne von zwölf Arbeitskräften erschwert war. Außerdem hatten deutsche Mitarbeiter, deren Anleitung die Häftlinge auf der Baustelle unterstellt waren, einzelne Ausländer je nach Befähigung für Sonderarbeiten herausgezogen.1223 Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass sich die Werkschutzmänner zur Bewachung der Häftlinge nicht freiwillig meldeten, sondern von der Haftanstalt verpflichtet wurden.1224 1221 Vgl. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes in Dresden an die Vorstände der selbständigen Vollzugsanstalten und Gerichtsgefängnisse vom 15.08.1942. Betreff  : Polenstrafrechtspflege. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 92. 1222 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 04.03.1943. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen von der Aussenarbeit. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 104. 1223 Vgl. Erklärung des Werkschutzmannes der VOMAG, Paul Flügel, zum Entweichen des Untersuchungsgefangenen Svejda vom 22.06.1943. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 112 Rückseite. 1224 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 23.06.1943. Betreff  : Entweichung eines Untersuchungsgefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 114 Rückseite.

343

344 | 

Zwangsarbeit in Plauen

War ein Häftling geflohen, alarmierte entweder die Haftanstalt oder die danach ermittelnde Kriminalpolizei – Fahndungsstelle – ein »Überfallskommando der Schutzpolizei (Schupo)«1225, um den Gefangenen zu verfolgen.1226 Darunter ist vermutlich eine ähnliche Gruppierung zu verstehen wie der ›Erweiterte Werkschutz‹, der der Gestapo unterstellt war. Werkschutz und ›Erweiterter Werkschutz‹ fungierten zunehmend als paramilitärische Rollkommandos, waren teilweise scharf bewaffnet und gingen gegen disziplinlose Ausländer vor. Mit Einsetzen des Bombenkrieges wurden die Aktionen des Werkschutzes und seiner angegliederten Einheiten immer willkürlicher. Besonders Ostarbeiter litten unter den Ausschreitungen.1227 Dass die Bewachung der Häftlinge für die deutschen Werkschutzmänner und vor allem die deutschen Beamten aus der Untersuchungshaftanstalt Plauen ebenso wie die in Haft befindlichen zivilen ausländischen Arbeitskräfte eine psychische Belastung darstellen konnte, zeigt der Fall des Gefangenenoberwachtmeisters Max Bauer. Er war in der Untersuchungshaftanstalt beschäftigt und 1943 zur Aufsicht der Gefangenen auf der Baustelle der VOMAG eingesetzt. Schon 1942 waren ihm bei der Außenarbeit zur Beräumung der Landstraße in Chrieschwitz zwei Gefangene entflohen. Im März 1943 entkam ein weiterer auf einer Außenarbeitsstelle im Wald bei der Verlegung von Wasserleitungen.1228 Am 7. Juli 1943 meldete Bauer die Häftlinge Sedlaceck und Suwilla als flüchtig. Kurz darauf hat sich der Oberwachtmeister mit einem Kopfschuss aus dem Dienstgewehr selbst getötet.1229 Die Hintergründe des Selbstmords sind nicht weiter beschrieben. Es ist aber davon auszugehen, dass zum einen die der Flucht ausländischer Arbeitskräfte von den Außenarbeitsstellen folgenden Nachforschungen, die nicht nur zur Ergreifung der Flüchtigen führen sollten, sondern auch eine Beteiligung des deutschen Aufsichtspersonals prüften, eine ernome Belastung darstellen. So war die Flucht bei der Haftanstalt, beim Abwehrbeauftragten des Unternehmens, auf dessen Gelände die Häftlinge eingesetzt wurden, und beim Werkschutz zu melden.1230 Waren die betrieblichen Kräfte bei der Verfolgung der Flüchtigen nicht erfolgreich, wurde der Fall an die Kriminalpolizei und die Geheime Staatspolizei weitergegeben.1231 Die Untersuchungshaftanstalt unterrichtete dann ihrerseits 1225 Bericht des Verwaltungsoberinspektors der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 07.07.1943 zur Entweichung zweier Gefangener und dem Tod Max Bauers. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 122. 1226 Vgl. ebd. 1227 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 250–252. 1228 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 04.03.1943. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen von der Aussenarbeit. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 104. 1229 Vgl. Bericht des Verwaltungsoberinspektors der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 07.07.1943 zur Entweichung zweier Gefangener und dem Tod Max Bauers. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 122. 1230 Vgl. ebd. 1231 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

den Generalstaatsanwalt in Dresden über die Flucht. Eine Abschrift ging ebenso an die Oberstaatsanwaltschaft Plauen, die eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht der Wachmänner überprüfte.1232 Auf die Unterstützung ausländischer Arbeitskräfte standen empfindliche Strafen, die die deutsche Bevölkerung abschrecken und das Unterdrückungssystem gegenüber den Ausländern stabilisieren sollten.1233 Zum anderen wäre es auch denkbar, dass Max Bauer den Häftlingen in mehreren Fällen tatsächlich zur Flucht verholfen oder diese durch die Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht zumindest begünstigt hatte. Sicherlich war der Tod des Gefangenenoberwachtmeisters Folge der Überforderung durch den Häftlingseinsatz. Dass sich das Verhältnis der Wachhabenden zu den Häftlingen der Untersuchungs­ haftanstalt spätestens 1945 veränderte, zeigen die folgenden Beispiele. So war der Justizhilfswachtmeister Pomsel am 1. März 1945 mit dem Polizeigefangenen Dragoj­ luc Zivanovic im Gebäude der Plauener Staatsanwaltschaft zugegen, weil der Serbe die durch einen Bombenangriff verursachten Trümmer beseitigen sollte. Pomsel war für die Bewachung zuständig. Den Serben, »der bereits mehrere Tage gut gearbeitet hatte, [ließ Pomsel] in einem Dienstraum allein und ging selbst Kaffee trinken.«1234 Die Chance nutzte Dragojluc Zivanovic zur Flucht.1235 Ähnlich verhielt sich auch Aufseher Kurt Bühring. Am 10. März 1945 entwich der Polizeigefangene Leonhard Aerts, weil Bühring ihn unbeaufsichtigt an der Haustür zurückgelassen hatte. Bühring nahm den Flamen und einen weiteren Gefangenen mit, um aus dem Sauerstoffwerk Haselbrunn Sauerstoffflaschen und Holz für die Untersuchungshaftanstalt abzuholen. Da er ein weiteres Bündel Holz erhielt, das er privat nutzen wollte, ließ er Leonhard Aerts an der Haustür zurück, während Bühring sich das Bündel von einem anderen Gefangenen in die Wohnung tragen ließ. Als sie wieder zurückkamen, war der Flame geflohen. Durch die eingeleitete Fahndung der Polizei konnte Aerts aufgegriffen werden. Bestraft wurde er mit zwei Wochen strengem Arrest. Erleichtert wurde Aerts’ Flucht durch den Umstand, dass die mittlerweile überfüllte Haftanstalt nicht mehr genügend Häftlingskleidung stellen konnte und Gefangene deshalb Zivilkleidung trugen. Außerdem waren beinah alle Häftlinge außerhalb der HaftanPlauen vom 24.06.1943. Betreff  : Entweichung des Schutzhaftgefangenen Kroaten Jakic, Zarko, 17 Jahre alt. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 116. 1232 Vgl. Mitteilung des Oberstaatsanwaltes beim Landgericht Plauen an die Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 20.08.1942. Betreff  : Verfahren gegen Gefangenenoberwachtmeister Max Hertel wegen gefährlichen Entweichenlassens eines Gefangenen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29, Fol. 90. 1233 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 144. 1234 Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt – Vollzugsabteilung – vom 06.03.1945. Betreff  : Entweichen eines serbischen Häftlings von der Außenarbeitsstelle zur Trümmerbergung in der Staatsanwaltschaft Plauen. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. 1235 Vgl. ebd.

345

346 | 

Zwangsarbeit in Plauen

stalt zu Hilfs- und Aufräumarbeiten eingesetzt, sodass die Situation unübersichtlich war.1236 Die beiden Beispiele zeigen, dass sich die Strukturen des nationalsozialistischen Überwachungssystems mit fortschreitendem Krieg immer mehr aufweichten. Die deutschen Wachposten gingen ihren Aufgaben einerseits lässiger nach, während die Disziplinierungsorgane andererseits willkürlich Gewalt gegen Ausländer ausübten. Bühring nutzte die Arbeitskraft der Häftlinge sogar für private Zwecke, was für eine Selbstverständlichkeit des ›Arbeitseinsatzes‹ spricht. Zeichen der ausufernden Gewalt war die Überfüllung der Untersuchungshaft im März 1945, sodass nicht mehr genügend Anstaltskleidung zur Verfügung stand. Zurückgeführt werden kann die ausufernde Bestrafungspraxis der Sicherheitsorgane gegen Ausländer auf die Überforderung der Deutschen mit der Situation kurz vor Ende des Krieges. Die alliierten Bomben hatten die Städte beinah vollkommen zerstört, der ›Ausländereinsatz‹ war feste Institution in der Kriegswirtschaft, jedoch hatten die Behörden durch die Wirren des Krieges keinen Zugriff mehr auf die ausländischen Arbeitskräfte. Stellvertretend füllten nun paramilitärische Einheiten, die aus dem betrieblichen Strafsystem entstanden waren, diese Lücke aus. Bei der Bestrafung ging es mehr darum, ein Exempel zu statuieren.1237 Abschließend sei noch erwähnt, dass nicht nur Arbeitsbummelei und Arbeitsvertragsbruch zur Einweisung ausländischer Arbeitskräfte in die Untersuchungshaftanstalt Plauen führten. Auch Diebstähle1238, das Abhören feindlicher Sender1239 sowie Aktivitäten auf den aus den Subkulturen der Lager entstandenen Schwarzmärkten1240 waren Gründe für Festnahme und Inhaftierung. Für den Einsatz von Justizgefangenen in der Rüstungsindustrie lässt sich feststellen, dass die Justizbehörden in Konkurrenz zu den Arbeitsverwaltungsstellen getreten waren. Sie übernahmen einen Teil der Funktionen, die zuvor die Arbeitsämter innehatten. So verhandelten sie beispielsweise mit den Rüstungsbetrieben über Kontingente, Versorgung und Entlohnung der Häftlinge bei gewerblicher Arbeit. Weiterhin ist festzustellen, dass die deutsche Industrie, da die verfügbaren zivilen Arbeitskräfte nicht ausreichten, ab 1942 auf die Gruppe der Justizgefangenen zurückgriff, die eigent­lich 1236 Vgl. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt  – Vollzugsabteilung – Freiberg vom 10.03.1945. Betreff  : Entweichung und Wiederergreifung eines Polizeigefangenen bei der Außenarbeit. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert. 1237 Vgl. zu den Schlussfolgerungen Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 255. 1238 Vgl. Namensliste der im Untersuchungsgefängnis Plauen inhaftierten Franzosen, 1.2.2.1 / 11381849/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1239 Vgl. Namensliste der im Untersuchungsgefängnis Plauen inhaftierten Franzosen, 1.2.2.1 / 11381851/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1240 Vgl. Strafsache Angelo Dell’Angelo vom 29.03.1944. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 187. Dell’Angelo hatte über einen Tauschhandel im Lager ›Weißer Stein‹ versucht, mehr Brot für seine Lebensmittelmarken zu erhalten.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

außerhalb des Ermächtigungsbereiches der Arbeitsämter lagen. Jedoch waren sie durch die Haft den Gewerben entzogen worden und sollten auf diesem Wege in den Arbeitseinsatz zurückgeführt werden. Die Haftbestimmungen der Justizgefangenen wurden schon 1941 so abgeändert, dass sie nicht mehr vom Arbeitseinsatz ausgeschlossen waren. Neben der Notwendigkeit, die inhaftierten Arbeitskräfte der Rüstungsindustrie durch die Haft nicht zu entziehen, nutzten die Behörden die ›Gefangenenarbeit‹ auch, um erzieherische Aspekte zum Beispiel in der Bestrafung von Arbeitsbummelei und Arbeitsvertragsbruch einzubringen. Am Ende vermischten sich beide Elemente, sodass schwere Arbeit nicht nur ausschließlich den Schutzhäftlingen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen vorbehalten war. Zu vermuten steht, dass die Art der ›Gefangenenarbeit‹ nicht von der Nationalität des Häftlings abhing, darüber aber letztlich doch rassistische Elemente Eingang in den Strafvollzug fanden. Insgesamt erinnern die Umstände, unter denen die Häftlinge in der Untersuchungshaftanstalt lebten und arbeiteten, an die Inhaftierung in einem Konzentrationslager, wie noch zu zeigen sein wird. Vermutlich vermischten sich in der Untersuchungshaftanstalt Plauen, in der unter anderem die Gestapo Polizeihäftlinge unterbrachte, Maßnahmen des Strafvollzuges und der Erziehungshaft. Zu Kriegsende war die Anstalt überfüllt, da durch die Wirren des Krieges die Kontrollmechanismen nicht mehr ausreichend funktionierten, um eine ordnende Wirkung auf ausländische und deutsche Arbeitskräfte auszuüben. Außerdem wurden die Häftlinge vermehrt an Außenarbeitsstellen eingesetzt, die eine Flucht bzw. Fluchtversuche begünstigten. Die Gefangenen versuchten, die unübersichtliche Situation für sich auszunutzen. 4.3.2 Das Straflager ›Sachsenhof‹

Wie gezeigt werden konnte, bildeten sich im Verlauf des Zweiten Weltkrieges unterschiedliche Bestrafungssysteme für ausländische Arbeitskräfte heraus. Zentral war für die deutschen Unternehmen sowie die Arbeitseinsatzverwaltung die Disziplinierung von Arbeitsbummelei und Arbeitsvertragsbruch. Dazu schuf die Gestapo mit den Arbeitserziehungslagern ein neues Instrument der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. Es sollte Ungehorsam und Arbeitsunlust entgegenwirken.1241 Damit erhielt die Einrichtung, anders als die Untersuchungshaftanstalt Plauen, die wohl Bestrafung und Erziehung vermischte, einen rein erzieherischen Charakter. Außerdem sollte die AEL dafür Sorge tragen, dass die Arbeitskräfte für die Zeit der sogenannten ›Schutzhaft‹ den industriellen Produktionen nicht entzogen wurden. Die Arbeitserziehungshaft wirkte als Ersatz für die bisher gängige Schutzhaft.1242 Schalteten die Plauener Betriebe im Falle der Arbeitsbummelei die Gestapo ein, konnten sie ihre Arbeitskräfte entweder an das Untersuchungsgefängnis Plauen, an das KZ 1241 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXV. 1242 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 138.

347

348 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Sachsenhausen1243 oder bis Juli 1944 an das Arbeitserziehungslager Spergau1244 verlieren. Deshalb war die innerbetriebliche Bestrafung wohl gängiger als die Meldung bei der Gestapo. Da die innerbetrieblichen Disziplinierungsmaßnahmen allerdings eine gewisse Infrastruktur wie den Werkschutz erforderten, blieb bei kleineren Betrieben für eine Disziplinierung der Arbeitskräfte nur die Meldung an die Gestapo. Diese konnte nun eine kurzfristige Erziehungshaft oder die Einweisung in ein AEL verhängen. In schwersten Fällen, wie zum Beispiel bei Sabotage, wurde die Arbeitskraft ins KZ überstellt.1245 Wie am Beispiel der Untersuchungshaftanstalt gezeigt wurde, unterstützte die Rüstungsindustrie die Erziehungshaft, sofern sie die Häftlinge für ihre Produktion nutzen konnte. Um jedoch angelernte Arbeitskräfte im eigenen Unternehmen halten zu können und den Produktionsprozess nicht unterbrechen zu müssen, bildeten sich ab 1942 immer mehr innerbetriebliche Arbeitserziehungslager heraus. Ein weiterer Grund war der schlechte Ernährungszustand der Gefangenen, wenn sie aus der Erziehungshaft entlassen wurden.1246 Auf Anregung des RSHA sollten vorwiegend in Großbetrieben Straflager eingerichtet werden, in denen die Arbeitskräfte unter Haftbedingungen arbeiteten und untergebracht waren. Die Errichtung der Lager erfolgte in Zusammenarbeit mit der Gestapo und dem Werkschutz1247 und war gleichzeitig eine effektive Methode, andere Arbeitskräfte von der Zurückhaltung bei der Arbeit abzuschrecken. Wenn die vom Essensentzug und von der schweren Arbeit gezeichneten Delinquenten das Straflager nach drei bis maximal acht Wochen verließen, war das Ergebnis für alle Mitarbeiter sichtbar.1248 Die Arbeitserziehungslager wuchsen über den Zweiten Weltkrieg zu einem der wichtigsten Terrorinstrumente des RSHA. Das RSHA war für die Verhängung von Freiheitsstrafen außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig. Mit der Schutzhaft hatte es ein vermeintlich rechtsstaatliches Instrument geschaffen, auf dessen Grundlage sich die Arbeitserziehungslager entwickelten.1249 Entstanden waren die Lager bereits 1939. Vorläufer der AEL war das in diesem Jahr gegründete SS-Sonderlager Hinzert. Für Ausländer konnte die Arbeitserziehungshaft ab 1940 verhängt werden.1250 Sie er1243 Vgl. Mitteilung der Gestapo Plauen an das Polizeipräsidium Plauen vom 18.04.1944. Betreff  : Überführung des Schutzhäftlings Jan Bilski in die Krankenbaracke des Konzentrationslagers Sachsenhausen. In  : StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1086, nicht foliiert. 1244 Vgl. Aktennotiz der Untersuchungshaftanstalt Plauen über die Mitteilung der Gestapo Plauen vom 08.07.1944. Betreff  : Sperrung des Arbeitserziehungslagers Spergau. In  : StAC, Best. 30047 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 47, Fol. 123. 1245 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 352–353. 1246 Vgl. dazu den Fall von Felicja Bubak. 1247 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 359. 1248 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 179. 1249 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXIV. 1250 Vgl. ebd., S. XXXVI.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

fuhr kurz darauf eine Ausweitung auf alle Arbeitskräfte, wobei sich die Haftbedingungen durch den Einsatz der Ostarbeiter verschärften.1251 Es ist davon auszugehen, dass die Sowjets in den Lagern strenger bestraft wurden als Arbeitskräfte aus den europäischen Westgebieten oder Deutsche. Ebenfalls ab 1942 galt die Arbeitserziehungshaft auch für Frauen.1252 Wegen Arbeitsbummelei gerieten vor allem männliche Ostarbeiter und Polen häufiger in Haft als andere Arbeitskräfte. Deutsche Frauen sowie männliche Ostarbeiter und Polen gerieten ebenso häufiger wegen Arbeitsvertragsbruchs in die Arbeitserziehungshaft als beispielsweise Ostarbeiterinnen.1253 Die Haftart war allerdings nicht nur für Arbeitsbummelanten und Vertragsbrüchige vorgesehen, sondern auch für Arbeitsverweigerer. Dies betraf vor allem Belgier und Franzosen, die aus ihrer Heimat ins Reich verschleppt wurden. Zur Abschreckung der deutschen Bevölkerung inhaftierte man sie.1254 Ein solches Lager, das nur dem Zweck der Abschreckung diente, befand sich wohl auch in Plauen. Die Einordnung des als Straflager bezeichneten ›Sachsenhofs‹1255 erfordert einige Erläuterung. Seine Entstehung und seine Bedeutung werden nur schlaglichtartig im Bericht des belgischen Ministère de la Reconstruction zu Personenschäden aus dem Zweiten Weltkrieg vom 6. Juli 1952 beleuchtet. Fest steht, dass sich das Lager in der Morgenbergstraße 43 befand und rund 70 Insassen fasste. Ob es sich dabei ausschließlich um Belgier und Franzosen handelte1256, kann nicht eindeutig geklärt werden. Die Insassen waren wohl ausschließlich männlich, durchschnittlich 20 Jahre alt und zwischen dem 6. Mai und dem 12. Juli 1943 inhaftiert.1257 Die Gründe, die zur Festnahme der Männer führten, können nicht eindeutig belegt werden. Das Ministère de la Reconstruction vermutete Fahnenflucht und bezog sich dabei auf die Aussagen ehemaliger Häftlinge des Lagers in der Morgenbergstraße in Plauen.1258 Diese Angabe verkompliziert die Untersuchung des Straflagers im ersten Schritt, denn durch die Verwendung eines militärischen Terminus wird die Frage aufgeworfen, ob es sich bei den inhaftierten Belgiern und Franzosen nicht vielmehr um Kriegsgefangene handelte als um Zivilarbeiter. Das Lager hätte in diesem Fall der Wehrmacht unterstanden, die für die Bestrafung von Kriegsgefangenen zuständig war.1259 Wie noch zu zeigen sein wird, handelte es sich beim Betreiber des Straflagers aber um einen zivilen 1251 1252 1253 1254 1255

Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 178. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 353. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 359. Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, Seite 10. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 1256 Vgl. ebd. 1257 Vgl. ebd. 1258 Vgl. ebd. 1259 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 174.

349

350 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Träger. So legt es zumindest das Aufsichtspersonal nahe. Der Annahme, es könnte sich um ein Internierungslager für Kriegsgefangene gehandelt haben, steht außerdem die Bezeichnung des Lagers als Straflager1260 entgegen. Als Sonder- oder Straflager wurden vorwiegend Arbeitserziehungslager bezeichnet. Eine Erziehungshaft wurde, sofern kein AEL vor Ort bestand, auch in Konzentrationslagern oder, wie im Fall des Untersuchungsgefängnisses Plauen, in Polizeihaft ausgeführt.1261 Zur Einordnung des Lagers ist weiterhin festzustellen, dass es Teil eines Gemeinschaftslagers gewesen sein könnte, das ebenfalls unter ›Sachsenhof‹ firmierte. Gleichzeitig könnte das Straflager allerdings auch nur die Räumlichkeiten des Gemeinschaftslagers genutzt haben. Dass in der Morgenbergstraße 43 ein solches Gemeinschaftslager unterhalten wurde, belegen die Unterlagen des Gesundheitsamtes Plauen-Land. Die Deutsche Arbeitsfront, Kreisverwaltung Plauen, verzeichnete in ihrer Abteilung ›Gesundheit und Volksschutz‹ 59 italienische Militärinternierte, die beim Bahnbetriebsamt ›Sachsenhof‹ beschäftigt und im gleichnamigen Lager in der Morgenbergstraße 43 untergebracht waren. Das Dokument entstand im Zuge der Statusabänderung der IMI. Die vormaligen Kriegsgefangenen wurden in den Status von Zivilarbeitern versetzt.1262 Ein genaues Datum ist auf dem Schriftstück allerdings nicht vermerkt. Aufgrund der Sortierung in den Archivunterlagen ist es wohl zwischen dem 20. Oktober und 14. Dezember 1944 von der DAF erstellt worden oder bei ihr eingegangen. Die entsprechende Bestimmung zur Statusumwandlung der IMI stammt vom 3. bzw. 12. August. Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) hatte angeordnet, dass der Sonderstatus der Kriegsgefangenen in den von Zivilisten umgewandelt werden sollte1263, die dann als Zwangsarbeiter registriert und von den Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht in zivile Arbeitslager überführt werden sollten. Damit änderten sich Bewachung und Lebensbedingungen für die Italiener weitreichend. Den ehemaligen Militärinternierten sagte man beispielsweise höhere Lebensmittelrationen und freien Ausgang zu.1264 Die Aufstellung der ehemaligen IMI im Zuständigkeitsbereich der Plauener DAF diente wahrscheinlich der Registrierung der Arbeitskräfte. 1260 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, S. 10. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 1261 Vgl. ITS (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis, S. XXXIX–XL. 1262 Vgl. Verzeichnis der Lager mit ehemaligen italienischen Militärinternierten und deren zahlenmäßiger Umfang, eingegangen bei der Deutschen Arbeitsfront, Kreisverwaltung Plauen, Abt. Gesundheit und Volksschutz, Melanchthonstr. 1  – Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. 1263 Vgl. Anordnung des OKW vom 03.08.1944, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, NOKW-982, und Anordnung des OKW vom 12.08.1944, BArch, Best. R 43 II/682 b., Bl. 62. Zitiert nach Herbert, Ulrich (2001)  : Stellungnahme zur Frage der Entschädigung der Italienischen Militärinternierten, die in den Status von zivilen Zwangsarbeitern überführt wurden, Freiburg, https://www.zum.de/Faecher/ Materialien/lehmann/files/imi/Herbert%20IMI%20Entsch%C3%A4digung.pdf 09.11.2019, S. 3. 1264 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 84.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

Da italienische Militärinternierte erst nach September 1943 im Reich eingesetzt1265 und sie 1944 in den Status von Zivilarbeitern überführt wurden, ist davon auszugehen, dass die internierten Belgier und Franzosen im ›Sachsenhof‹ vor den Italienern untergebracht waren. Sie verließen Plauen schon im Mai 1943.1266 Obwohl es nicht mehr im Zusammenhang mit dem Straflager steht, bleibt festzuhalten, dass bei der Überführung der IMI in den Zivilstatus 1944 keine Verlagerung der Arbeiterschaft erfolgte. Die bei der DAF verzeichneten Italiener wurden weiterhin vom Bahnbetriebsamt beschäftigt und waren im Gemeinschaftslager untergebracht.1267 Den Eindruck, dass das Straflager ›Sachsenhof‹ schon im Mai 1943 einen militärischen Bezug besaß, verstärken die Beschreibungen der Zeitzeugen zur Unterbringung und zur Bewachung. Im Bericht der belgischen Behörden sagten die ehemaligen Häftlinge einheitlich aus, dass das Lager in der Morgenbergstraße von »fils de fer barbelés«1268 umgeben war. Ein Zeuge präzisierte die Beschreibung. So soll es sich dabei um einen 5 Meter hohen Zaun mit zwei Reihen Stacheldraht gehandelt haben.1269 Das Lager umfasste ein Gebäude, vermutlich eine Gaststätte, in dem die Häftlinge einquartiert waren. Genauer definiert, handelte es sich nach Aussage von Polydoor Keymeulen bei der Unterkunft um einen »salle de danse«1270, in dem ca. 70 Männer untergebracht waren.1271 Der Beschreibung nach ähnelten die Umstände im Lager denjenigen, die die Kriegsgefangenen im später noch ausführlicher vorzustellenden Lager des Betriebsamtes der Reichsbahn im Gasthof Mehltheuer vorfanden. Auch hier waren die Soldaten im Saal und der anschließenden Bierausgabe einquartiert.1272 Die Häftlinge im Straflager ›Sachsenhof‹ wurden durch die Umzäunung und besonders strenge Bestimmungen zum Verlassen des Lagers vollständig von der Außenwelt abgeschirmt. Die ständige Bewachung verhinderte vor allem den Kontakt zur Bevölkerung. Das Lager allein zu verlassen war den Männern nicht gestattet.1273 Im 1265 Vgl. ebd., S. 82–83. 1266 Vgl. ebd. 1267 Vgl. Verzeichnis der Lager mit ehemaligen italienischen Militärinternierten und deren zahlenmäßiger Umfang, eingegangen bei der Deutschen Arbeitsfront, Kreisverwaltung Plauen, Abt. Gesundheit und Volksschutz, Melanchthonstr. 1  – Plauen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. 1268 Abschlussbericht Nr. 99, S. 18. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. In deutscher Übersetzung sprechen die Zeitzeugen von einem Zaun mit Stacheldraht, der das Lager umgeben haben soll. 1269 Vgl. ebd. 1270 Ebd. In deutscher Übersetzung handelte es sich um einen Tanzsaal. 1271 Ebd. 1272 Vgl. Mitteilung des Vorstandes des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 12.01.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager in Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. 1273 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, S. 18. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6.

351

352 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Lager, auf dem Weg zur und von der Arbeit sowie nachts wurden die Insassen bewacht.1274 Ihre Lebensbedingungen sind damit vergleichbar denen der KZ-Häftlinge. Wie der Bericht der belgischen Behörde festhält, führten im Straflager ›Sachsenhof‹ entweder Angehörige der Bahnpolizei oder ältere Soldaten Aufsicht.1275 Die Bewachung durch ältere Soldaten macht noch einmal einen potenziellen militärischen Bezug des Straflagers deutlich, kann aber auch lediglich darauf zurückgeführt werden, dass kein anderes Personal zur Verfügung stand. Die AEL waren vorwiegend in der Stadt auf Firmengeländen angesiedelt und – hier liegt der wichtigste Unterschied zu den KZ – die Bewachung übernahmen Aufsichtskräfte, die die Betriebe stellten. Sie gehörten oft nicht der Gestapo an.1276 Häufig handelte es sich um kriegsbedingte Reservisten oder auch Invaliden, die nicht mehr an die Front zurückkehren konnten. Der allgemein in der Wirtschaft herrschende Personalmangel zwang die Betreiber der Lager dazu, auf Aushilfskräfte, private Wachdienste, Kalfaktoren oder den Werkschutz zurückzugreifen.1277 Terror und Verfolgung ging hier nicht von staatlichen bzw. paramilitärischen Organisationen aus, sondern von zumeist firmeneigenen Wachmannschaften. Damit treten die AEL unmittelbar in die Erfahrungswelt der Bevölkerung ein.1278 Die Wachsoldaten oder Wachpolizisten im ›Sachsenhof‹ waren schwer bewaffnet. Sie trugen Pistolen oder Gewehre.1279 Die Bewachung schien damit vergleichbar derjenigen in den Ostarbeiterlagern zu sein, für die der Werkschutz, ausgestattet mit Waffen – ebenfalls Pistolen oder Gewehre –, zuständig war.1280 Eingesetzt wurden die Belgier und Franzosen aus dem AEL beim Maschinenbauunternehmen Arnold Ritter in Plauen1281. Zwei der drei Zeugen, die im Bericht des belgischen Ministeriums zum Beleg der Umstände im Straflager aussagten, berichten, dass sie für ungelernte Arbeitskräfte typische Positionen im Maschinenbauunternehmen bekleideten. Einer war als Hilfsarbeiter an einer Hobelmaschine eingesetzt, der andere berichtete vom Zwang, an einer Fräsmaschine zu arbeiten.1282 Die Arbeitszeit betrug mindestens zehn Stunden am Tag und die Häftlinge des Straflagers erhielten keine Entlohnung.1283 Bevor das Straflager ›Sachsenhof‹ aufgelöst wurde, so erinnerte sich René Gevaert, waren die Häftlinge sogar 20 Stunden im Arbeitseinsatz. Ein wei1274 Vgl. ebd., S. 18–19. 1275 Vgl. ebd. 1276 Vgl. Mommsen (2000)  : Vorwort, S. 8. 1277 Vgl. Benz (2005)  : Zwangslager, S. 14. 1278 Vgl. Mommsen (2000)  : Vorwort, S. 8. 1279 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, S. 18. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 1280 Vgl. Dornheim (2015)  : Sachs, S. 406–407. 1281 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, S. 19. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 1282 Vgl. ebd. 1283 Vgl. ebd. Vgl. außerdem Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 179.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

teres Indiz für den Umstand, dass es sich beim Straflager ›Sachsenhof‹ um ein Arbeitserziehungslager handelte, besteht darin, dass Polydoor Keymeulen beschreibt, dass sich das Lager in unmittelbarer Nähe zur Maschinenfabrik Arnold Ritter befand.1284 Die Nähe zum Unternehmen war für Arbeitserziehungslager typisch, sollten diese doch deutsche wie ausländische Mitarbeiter von der Zurückhaltung bei der Arbeit abschrecken. Der Bericht des Ministère de la Reconstruction beleuchtet weitere Haftbedingungen im Straflager ›Sachsenhof‹. Die Kleidung der Häftlinge wird als »Vêtements civils«1285 beschrieben. Vermutlich handelte es sich um eine improvisierte Anstaltskleidung. Die Häftlinge trugen einen blauen Arbeitsanzug und eine grau-weiße Armbinde1286  ; beides diente dazu, die Insassen des Straflagers zu stigmatisieren. Die Bekleidung ermöglichte es, sowohl im Unternehmen als auch außerhalb des Lagers deutlich erkennen zu können, dass die bei Arnold Ritter eingesetzten Franzosen und Belgier zum Straflager gehörten. Während die Kleidung einerseits ein schnelles Wiederaufgreifen im Falle der Flucht ermöglichte, führte sie andererseits dazu, dass die übrige Bevölkerung den Häftlingen zurückhaltend gegenübertrat. Das Erscheinungsbild verringerte damit nicht nur die Fluchtchancen, sondern führte auch zu Zurückweisung im Alltag. Da der Bericht aus Belgien den Zustand der Kleidung nicht explizit ausführt, ist davon auszugehen, dass die Bekleidung keine größeren sichtbaren Mängel aufwies oder sich zumindest in einem für ihre Träger annehmbaren Zustand befand. Daraus lässt sich schließen, dass Kälte und Nässe die Lebensumstände der Insassen des Straflagers ›Sachsenhof‹ nur bedingt beeinflussten. Während die vernommenen Zeugen auch die Versorgung im Straflager als passabel beschrieben, litt Jozef Rigole stärker unter den Haftbedingungen. Das Fehlen von Privatsphäre und vor allem die andauernde Bewachung sowie das Verbot, sich außerhalb des Lagers aufhalten zu dürfen, belasteten ihn schwer. Außerdem schilderte der Belgier, dass der Schlaf besonders schlecht und viel zu gering war.1287 Schlafentzug und Arbeit von bis zu 20 Stunden lassen auf ausgesprochen schlechte Haftbedingungen schließen. Ob es sich dabei um lagerinterne Strafen wegen Verfehlungen der Häftlinge handelte, kann nicht nachgewiesen werden. Die Zeugen bewerteten den Umgang der Wachmannschaften mit den Häftlingen als annehmbar.1288 Welche Funktion das Lager ›Sachsenhof‹ ausübte, machen die Schilderungen der Gründe deutlich, aus denen sich die Häftlinge im Deutschen Reich aufhielten. Keiner der drei von den belgischen Behörden zum Straflager ›Sachsenhof‹ vernommenen Zeugen verfügte vor seiner Inhaftierung über eine Anstellung in Plauen, denn sie kamen 1284 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, S. 19. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 1285 Ebd., S. 10. In deutscher Übersetzung beschreibt der Bericht ihre Kleidung als zivil. 1286 Vgl. ebd., S. 19. 1287 Vgl. ebd., S. 18–19. 1288 Vgl. ebd., S. 19.

353

354 | 

Zwangsarbeit in Plauen

gemeinsam am 5. Mai 1943 wohl in Begleitung der Bahnpolizei in die Stadt. Anhand ihres Alters – die Häftlinge waren 1912, 1921, 1922, 1923 und 1924 geboren1289 – lässt sich darauf schließen, dass die Arbeitsaufnahme nicht allzu weit zurückgelegen haben muss, denn 1942/43 wurden im Zuge des mit der Vichy-Regierung geschlossenen Abkommens der ›relève‹ junge Franzosen als Zivilarbeiter gegen in Kriegsgefangenschaft befindliche Soldaten ausgetauscht. Eine andere Möglichkeit, wie die Franzosen ins Deutsche Reich gekommen sein könnten, war die von deutscher Seite erpresste Dienstverpflichtung. Die Dienstpflicht in Frankreich galt für alle Männer im Alter von 18 bis 50 Jahren.1290 Im März 1942 erfolgte in Belgien ebenfalls die Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht für alle Männer zwischen 18 und 50 Jahren. Außerdem drohte die deutsche Militärregierung mit Verfolgung und Repressalien auch gegen die Familie, sofern sich Kräfte der Arbeitsverpflichtung ins Reich zu entziehen suchten. Ein halbes Jahr später wurden allen Verweigerern sowie den arbeitsvertragsbrüchigen Belgiern die Lebensmittelkarten entzogen.1291 Es folgte die Einweisung in Straflager. Dies entsprach auch der Methode, mit der deutsche und französische Behörden gegen Arbeitsverweigerer oder rückkehrende Arbeitsvertragsbrüchige vorgingen.1292 Die Gestapo agierte hier in Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern.1293 Bei den in Plauen im ›Sachsenhof‹ inhaftierten Ausländern könnte es sich also um Arbeitsverweigerer oder Arbeitsvertragsbrüchige gehandelt haben. Der Internationale Suchdienst des Roten Kreuzes verzeichnete den ›Sachsenhof‹ als Erziehungslager Nr. 34161294, das als Straflager geführt und durch die Firma Arnold Ritter betrieben wurde. Im Gegensatz zu den AEL, die in Unternehmen der Disziplinierung und Leistungssteigerung dienten, stammten die Häftlinge allerdings nicht aus dem Betrieb und kehrten nach Ende ihrer Haft nicht in ihn zurück. Aufgelöst wurde das Lager nämlich durch den Abzug der Häftlinge nach Zwickau am 12. Juli 1943. Dort wurden die Franzosen und Belgier in ein Ausländerlager im Stadt-

1289 Vgl. ebd., S. 12. 1290 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 213. Gesetzgebend waren hier Anordnung des GBA Nr. 10 zum Einsatz von Arbeitskräften der besetzten Gebiete vom 22.08.1942 sowie die Durchführungsbestimmungen vom 29.10.1942, in  : Der Bevollmächtigte für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten, Bd. 1, S. 97–102. 1291 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 60–61. 1292 Vgl. Scholtyseck (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern, S. 157. 1293 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 359. 1294 Vgl. Internationaler Suchdienst (Hg.)  : Verzeichnis der Haftstätten unter dem Reichsführer-SS (1933–1945). Konzentrationslager und deren Außenkommandos sowie andere Haftstätten unter dem Reichsführer-SS in Deutschland und deutsch besetzen Gebieten, unveröffentlichtes Manuskript, Archiv Arolsen, Bad Arolsen 1979. Siehe auch http://www.deutschland-ein-denkmal.de/ded/database/ detailViewFromSelection  ?reqEntryId=231 18.05.2016. Vgl. außerdem Auflistung der Erziehungslager im Dritten Reich, 1.1.0.7 / 87767112/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Umgang mit straffälligen ausländischen Zivilarbeitern |

teil Ebersbrunn verbracht.1295 Die Inhaftierung im ›Sachsenhof‹ hatte mehr als zwei Monate gedauert. Typisch für die Schutzhaft bzw. die Arbeitserziehungshaft waren allerdings drei, sechs oder acht Wochen.1296 Betrachtet man die Haftbedingungen, denen die Gefangenen im Straflager ›Sachsenhof‹ ausgeliefert waren, lässt sich feststellen, dass sie ähnlich denen des anfänglichen ›Ostarbeitereinsatzes‹ waren, was Bewachung und Härte der Arbeit betraf. Die Nationalsozialisten installierten ein alle Lebensbereiche der Arbeitskräfte umfassendes Überwachungssystem, das nicht nur auf die Ausländerlager beschränkt war. Ebenso entsprachen die langen Arbeitszeiten an Fräs- und Drehbänken den Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Die fehlende Entlohnung der Arbeit ist schließlich vergleichbar dem Einsatz von KZ-Häftlingen in der deutschen Rüstungsindustrie. Gleiches kann auch für die strenge Bewachung, die Kleidung und den Schlafentzug gelten. Die Arbeitserziehungslager traten im Zweiten Weltkrieg in Konkurrenz zu den Konzentrationslagern der SS, da die Gestapo über sie ihren regionalen E ­ influssbereich ausweitete. AEL lassen sich grundsätzlich in die Kategorie der K ­ onzentrationslager einordnen1297, wurden aber von der Gestapo und nicht durch die ›Inspektion der Konzentrationslager‹ bzw. das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt1298 verwaltet. Die Administration der AEL war demnach lokal beschränkt organisiert und damit gehörten die Einrichtungen nicht zum Terrorapparat Heinrich Himmlers. Arbeits­ erziehungslager waren dennoch »Zwangslager, in denen Menschen gegen ihren ­W illen unter Bewachung leben mussten, in denen Tätigkeiten und Verhaltensweisen erzwungen wurden, die nicht vom eigenen Willen oder rechtsstaatlichen Normen bestimmt waren.«1299 Zusammen mit den Konzentrationslagern handelte es sich um Orte, die »der Disziplinierung, Freiheitsberaubung, Ausbeutung und Vernichtung von Menschen dient[en]«.1300 Einen allgemeinen Befehl zur Einrichtung der Arbeits­ erziehungslager hatte es ebenso wenig gegeben wie eine reichsweite Kontrollinstanz, die sich mit ihrer Organisation beschäftigte. AEL waren vielmehr Ergebnis der Interessenbündelung zwischen Arbeitsverwaltung, Kommunen, Betrieben und der Gestapo.1301 Sie entstanden auch als Folge des Einsatzes sowjetischer Kriegsgefangener im Bergbau ab Herbst 1941. Die neuerliche Grubenarbeit der als Bolschewisten angese1295 Vgl. Abschlussbericht Nr. 99, S. 12. In  : StAC, Best. 33306 Sächsische Betreffe aus dem Belgischen Ministerium, Nr. 6. 1296 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 114. 1297 Vgl. Benz, Wolfgang (2005)  : Nationalsozialistische Zwangslager. Ein Überblick. In  : Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 1 Die Organisation des Terrors, München, S.  11. Im Folgenden zitiert als Benz (2005)  : Zwangslager. 1298 Vgl. Benz (2005)  : Zwangslager, S. 12. 1299 Ebd. 1300 Ebd. 1301 Vgl. ebd., S. 13.

355

356 | 

Zwangsarbeit in Plauen

henen und als nicht leistungsfähig geltenden Sowjets überformte die Erfahrungen mit dem Kriegsgefangeneneinsatz aus dem Ersten Weltkrieg. Entscheidendes Moment dafür war der Rassismus der Nationalsozialisten. In der Folge prägte sich das für das NS-Regime typische Straf- und Überwachungssystem aus, das der zivile Sektor übernahm. Die AEL ergänzten die betrieblichen Straflager.1302 Die Industrieunternehmen waren mit der aus ihrer Sicht zu langsam und umständlich agierenden Justiz unzufrieden und initiierten deshalb die Einrichtung der Erziehungslager. Zur Maßregelung ihrer Arbeitskräfte hätten sie sich sonst ausschließlich der Konzentrationslager bedient, die die Arbeitskräfte dem Produktionsprozess im Betrieb entzogen. Die Unternehmen waren folglich bereit, selbst ein Instrument der Repression zu schaffen, für das sie Wachpersonal und die notwendigen Finanzen stellten.1303 Zur Praxis der Arbeitserziehungslager lässt sich festhalten, dass die Maßnahmen der Disziplinierung der Niederhaltung der Industriearbeiterschaft dienten. Die Existenz der Arbeitserziehungslager erklärt, dass es während des Krieges zu keiner Zeit nennenswerte Widerstandsaktionen der Arbeiterschaft gegeben hat. Die Unternehmen störten sich nicht daran, dass die Häftlinge in den Arbeitserziehungslagern Haftbedingungen ausgesetzt waren, die sich von denen in den KZ wenig unterschieden. Repressalien und eine ausgesprochen schlechte Versorgung prägten die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Entscheidend war, dass die Unternehmen Denunziationen umsetzen und geringfügige disziplinarische Verstöße, ohne den Rechtsweg über die Gerichte beschreiten zu müssen, ahnden konnten.1304 Wichtig war ihnen zudem die Außenwirkung der Arbeitserziehungslager. Das geschundene Äußere der Häftlinge sollte der Abschreckung anderer Leistungsverweigerer dienen.1305 Im Falle des Straflagers ›Sachsenhof‹, das auch als Erziehungslager geführt wurde, handelte es sich um eine Sonderform der Arbeitserziehungslager, die ab 1943 auftrat. In den Strafarbeits- oder Erziehungslagern wurden geflohene Zivilarbeiter, nachdem sie wieder aufgegriffen worden waren, im Auftrag der Gestapo festgehalten. Geführt von Werkschutz oder Gemeinden, hatte sich diese Sonderform von Lagern durch die extrem hohe Zahl flüchtiger Zivilarbeiter und die gleichzeitigen Fahndungserfolge der Polizei herausgebildet. Eingerichtet wurden die Erziehungslager vor allem in leer stehenden Gebäuden wie Schulen, Fabriken, Garagen oder Lagerräumen. Die Ausstattung war dürftig, da die Lager schnell aufgebaut werden mussten und deshalb stets Provisorien waren.1306 Ihre Strukturen wurden in Plauen für den Arbeitseinsatz der IMI und später der zivilen Italiener genutzt.

1302 1303 1304 1305 1306

Vgl. Grieger (2010)  : Eine Zwischenbilanz, S. 93. Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 212. Vgl. Mommsen (2000)  : Vorwort, S. 7. Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 179. Vgl. Benz (2005)  : Zwangslager, S. 14.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

Angemerkt sei abschließend noch, dass das Plauener Umland über ein weiteres Erziehungslager verfügte, denn der polnische landwirtschaftliche Arbeiter Stefan Kosikewski war für seinen Fluchtversuch vom Landgut des Bauern Rudolf Sieler im August 1944 in eine entsprechende Einrichtung eingewiesen worden.1307 Um welches Lager es sich dabei handelte, konnte nicht ermittelt werden. Auch die näheren Umstände seiner Flucht und Ergreifung müssen undiskutiert bleiben. Festgestellt werden kann, dass das Straflager ›Sachsenhof‹ nicht die einzige Einrichtung seiner Art in Plauen war. 4.4 Der Einsatz von Kriegsgefangenen Während der Einsatz von Zivilarbeitern auf die Zwänge des Zweiten Weltkrieges zurückgeht und die logische Konsequenz aus den Dienstverpflichtungen der deutschen Bevölkerung darstellte1308, war der Kriegsgefangeneneinsatz von Anfang an in vollem Umfang von den Nationalsozialisten geplant. Er war außerdem nicht neu, sondern bereits aus dem Ersten Weltkrieg bekannt. Aus dieser Zeit stammten auch entsprechende international anerkannte Regeln, die das Reich, wenn auch nur aus Rücksicht auf die Staatengemeinschaft, beachtete. Zu diesen Regelwerken gehörte die Haager Landkriegsordnung, die die Arbeitskraft als Kriegsbeute deutete und dem Kriegsgefangeneneinsatz als rechtliche Grundlage diente.1309 Weiterhin wurden 1929 die Genfer Konventionen entsprechend bearbeitet. Sie regeln bereits seit 1868 das humanitäre Völkerrecht während eines bewaffneten Konflikts. Von besonderer Wichtigkeit waren die Genfer Konventionen für die Behandlung von Kriegsgefangenen, die sie in Artikel 27 regeln. Zum Einsatz dürfen demnach nur gesunde und für die Aufgaben geeignete Kriegsgefangene herangezogen werden. Ausgenommen waren Offiziere und ihnen Gleichgestellte. Außerdem durften die internierten Soldaten nicht zu Arbeiten herangezogen werden, die in direktem Zusammenhang mit den Kriegshandlungen standen.1310 Die ersten Soldaten, die festgenommen und ins Reich überführt wurden, waren polnische Kriegsgefangene. Durch die Genfer Konventionen geschützt, konnten sie lediglich in der Landwirtschaft und nicht in der Industrie eingesetzt werden.1311 Bereits ab September 1939 war ihre Arbeitskraft außerdem für Großprojekte im Eisenbahn- und Straßenbau vorgesehen, sobald die Ernte eingebracht war und sie in der Landwirtschaft nicht mehr benötigt wurden. Bis 1940 war die Nachfrage in der 1307 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 86, 2.1.4.1 / 70955193/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1308 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 219. 1309 Vgl. Kanther (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg, S. 11. 1310 Vgl. Pfahlmann (1968)  : Fremdarbeiter und Kriegsgefangene, S. 82–83. 1311 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 45.

357

358 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Industrie nach ausländischen Arbeitskräften allgemein eher gering. Die Betriebsstilllegungen halfen, dem Arbeitskräftemangel in rüstungswichtigen Bereichen entgegenzuwirken. Wurden jedoch größere Arbeiterkontingente benötigt, kam der Einsatz von Kriegsgefangenen in Betracht, da sie weniger Kosten verursachten und Bewachung wie Versorgung der Wehrmacht oblagen.1312 Im Oktober 1940 kamen dann französische und britische Kriegsgefangene aus dem Westfeldzug hinzu. Da sie ebenfalls internationalen Vereinbarungen unterstanden, blieb ihr Einsatz auf die Landwirtschaft beschränkt. Weiterhin wurden die Kriegsgefangenen im Baugewerbe und zu einem geringen Teil im Bergbau beschäftigt. Die deutsche Wirtschaft hatte bei den Franzosen und Briten sicherzustellen, dass ihre Einsatzgebiete nicht im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen standen. Eine Arbeitsaufnahme in der Rüstungsindustrie war nicht möglich, obwohl sie aus Sicht der Wirtschaft notwendig gewesen wäre.1313 Ähnlich wie die ausländischen Zivilarbeiter lassen sich die Kriegsgefangenen in Gruppen einteilen. So stellen die von der Wehrmacht internierten Soldaten, denen im Deutschen Reich der Schutz der Genfer Konventionen oder zumindest der Haager Kriegsordnung zugestanden wurde, die erste Gruppe dar. Doch auch hier existierten Abstufungen. Während den angloamerikanischen Kriegsgefangenen der volle Schutz der Genfer Konventionen zukam, standen Soldaten aus Frankreich und Jugoslawien nur teilweise unter ihrem Einfluss. Dagegen verweigerten die Nationalsozialisten den Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und Polen sowie den italienischen Militärinternierten jeden völkerrechtlichen Schutz. Ausschlaggegbend war, ob die Staaten den internationalen Regeln mit ihrer Unterschrift zugestimmt hatten.1314 Das Völkerrecht bestimmt, dass stets die Person und ihre Ehre zu achten seien. Die Kriegsgefangenen waren vor Gewalttaten, öffentlicher Neugier und B ­ eleidigung zu schützen, sollten in Häusern oder Baracken untergebracht werden, die die Aufrecht­ erhaltung der Hygiene zuließen, und ihre Ernährung sollte der der landeseigenen Reservetruppe entsprechen. Essensentzug und harte Arbeit schloss das Völkerrecht als Disziplinarmaßnahme aus. Weiterhin war ein Unterschied in der Behandlung nur aufgrund von Vergünstigungen zulässig. Das Völkerrecht beschrieb nur den Mindest­­ anspruch. Entsprechende Vergünstigungen konnten sich nach dem ­ militärischen Dienstgrad richten, nach körperlicher und seelischer Gesundheit, beruflicher E ­ ignung sowie dem Geschlecht. Wie bereits erwähnt, sollte der Arbeitseinsatz nur für die Mannschaftsgrade erfolgen. Ausgeschlossen waren Offiziere und keinesfalls durften Kriegsgefangene für gefährliche Tätigkeiten herangezogen werden. Sofern sie für Dritte tätig waren, stand ihnen Lohn zu. Die Versorgung und Unterbringung oblag jedoch in jedem Fall dem Staat. Nach Völkerrecht mussten die Kriegsgefangenen 1312 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 104. 1313 Vgl. ebd., S. 111–112. 1314 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 99–100.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

umfassend über diese Bestimmungen informiert werden und ihnen stand explizit das Recht auf Beschwerde zu.1315 Der Weg der Kriegsgefangenen von ihrer Festnahme an der Front bis zur Arbeitsstelle im Reich umfasste zahlreiche Stationen, die kurz vorzustellen sind. Nach der Festnahme wurden die Soldaten zuerst in den Frontlagern der Wehrmacht gesammelt, in Güterwaggons an die Grenze des Deutschen Reiches transportiert und hier auf Durchgangslager (Dulag) verteilt. Es folgten erste medizinische Überprüfungen auf Gesundheit, bevor sie erneut in Güterwaggons zu den Stammlagern (Stalag) in den einzelnen Wehrkreisen gelangten. Hier wurde neuerlich auf Gesundheit und Eignung für den Arbeitseinsatz geprüft, denn die Stalag dienten als Erfassungs- und Verteilungsstelle. Weiter ging es für die Kriegsgefangenen in die Außenlager, die sich in der Nähe ihrer Arbeitsstellen befanden.1316 An den Arbeitsstellen unterstanden die Kriegsgefangenen weiterhin der Kontrolle der Wehrmacht. Mit der Abänderung des Kolonneneinsatzes hin zum Einsatz kleinerer Arbeitskommandos der Gefangenen aus dem Westen ab 1941 entstanden der Wehrmacht erste personelle Probleme.1317 Als dann die sowjetischen Soldaten in Gefangenschaft gerieten und im Reich eingesetzt werden sollten, musste die Wehrmacht auf Ausweichpersonal zurückgreifen, um die Bewachung der stetig wachsenden Zahl an Kriegsgefangenen gewährleisten zu können. Deshalb wurden deutsche Arbeitskräfte aus den Betrieben, in denen die Kolonnen beschäftigt waren, in hilfspolizeilicher Funktion eingesetzt. Grundsätzlich verblieb die Aufsichtspflicht für die Sowjets jedoch bei der Wehrmacht.1318 Dieses Vorgehen erinnert an die bereits geschilderten Umstände beim Einsatz ausländischer Zivilarbeiter, denn zur Kontrolle im Betrieb und zur Disziplinierung verpflichtete die Gestapo den Werkschutz sowie den ›Erweiterten Werkschutz‹ in einer ebenfalls hilfspolizeilichen Funktion. Die paramilitärischen Verbände gingen vor allem gegen Ostarbeiter hart vor. Wie schon für den Kriegsgefangeneneinsatz in Sachsen festgestellt werden konnte, bildeten französische Soldaten die größte Gruppe. Haupteinsatzgebiete waren Landwirtschaft und Baugewerbe. Die Zahl der Kriegsgefangenen blieb über die ganze Zeit ihres Einsatzes in Sachsen annähernd konstant. Sie verzeichnete nur zwei Höhepunkte  : Ende 1941 und im Juli 1942. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich für den Kriegsgefangeneneinsatz im Rüstungskommando Chemnitz des Wehrkreises (WK) IV, Dresden, vermuten, zu dem Plauen gehörte.1319 In den Tagebüchern des RüKo 1315 Vgl. Internationale Vereinbarungen über die Behandlung der Kriegsgefangenen. Abkommen vom 29. Juli 1899 und 18. Oktober 1907. Ergänzung durch das Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929. Ratifiziert am 29. März 1934. In  : RGBl. II, 1934, S. 207–257. 1316 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 111. Vgl. außerdem Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 101–102. 1317 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 141. 1318 Vgl. ebd., S. 165. 1319 Vgl. Stammtafeln des Wehrkreiskommandos IV Dresden, der Standortkompanie z.b.V. Plauen i. Vogtl. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RH 53-4 Wehrkreiskommando IV Dresden, Nr. 19.

359

360 | 

Zwangsarbeit in Plauen

wird erstmals im Wochenbericht vom 2. bis 7. Dezember 1940 die Wichtigkeit des ›Ausländereinsatzes‹ unter Rückbezug auf die Kriegsgefangenen erwähnt. Um den Kräftebedarf besser decken zu können, wies das RüKo die Betriebe an, ihre freien Stellen mit ausländischen Zivilisten und vermehrt mit Kriegsgefangenen zu besetzen. Dies geschehe im Einvernehmen mit den Arbeitsämtern, bei denen bereits die zur Verfügung stehenden Facharbeitskräfte unter den Kriegsgefangenen erfragt werden konnten.1320 Gleichzeitig gab das RüKo zu Protokoll, dass man gegenüber den Arbeitsämtern den Einsatz von Kriegsgefangenen, obwohl dieser der Haager Konvention vom 27. Juli 1929 widersprach, gerechtfertigt habe. Die Betriebe lehnten den Einsatz allerdings ab, denn sie gingen davon aus, dass die mithilfe von Kriegsgefangenen produzierten Waffen nun nicht mehr gegen französische oder belgische Truppen, aus deren Reihen sich die Arbeitskräfte rekrutierten, eingesetzt werden könnten.1321 Die Infrastruktur zum Einsatz der Kriegsgefangenen im Wehrkreis IV bildete sich ab 1941 detailliert heraus. Ausländische Soldaten wurden allerdings schon zuvor zur Arbeit in der Landwirtschaft des Plauener Umlandes eingesetzt. Im August 1940 befanden sich französische Kriegsgefangene in Mechelgrün.1322 Zur Verteilung der Arbeitskräfte im Wehrkreis entstand am 8. April 1941 das Stalag 314, das am 17. Mai mit Fernschreiben des OKH in Dulag umbenannt und als solches eingesetzt wurde. Parallel dazu wurde am 28. April 1941 außerdem das Stalag 334 eingerichtet, das die Funktionen des Stalag 314 für die zweite Welle des Kriegsgefangeneneinsatzes übernehmen sollte. Es gehörte der Heerestruppe WK IV an und sein Ersatz stellender Truppenteil war in Glauchau stationiert. Aufgelöst wurde das Dulag auf Befehl des Oberkommandos des Heeres mit Wirkung zum 20. September 1944. Ersatz stellender Truppenteil war erneut das Landesschützen-Ersatz-Bataillon 4 in Glauchau.1323 Die ersten Anfragen, die Einsatzträger aus dem Rüstungskommando Chemnitz stellten, sind für die ersten drei Monate 1941 registriert. Das Rüstungskommando vermerkte, dass 116 Anträge auf Zuweisung von insgesamt 2.285 Kriegsgefangenen, davon 42 Anträge von Rüstungsbetrieben über 1.026 Kriegsgefangene, eingegangen waren. Jedoch standen jetzt schon keine weiteren Kräfte zur Verfügung, weshalb das Rüstungskommando den Betrieben empfahl, ab März 1941 nur noch zivile Ausländer bei 1320 Vgl. Wochenbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.–07.12.1940. Kräftebedarfsdeckung. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 15. 1321 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Oktober bis Dezember 1940. Einsatz von Kriegsgefangenen in Rüstungsbetrieben. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 18 Rückseite. 1322 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1323 Vgl. Stammkarten der Stammlager. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RH 49 Einrichtungen des Kriegsgefangenenwesens des Heeres, Nr. 10, Fol. 53, 82 und 117.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

den Arbeitsämtern zu beantragen. Am 28. Februar 1941 waren in Rüstungsbetrieben des Rüstungsbereiches Chemnitz 560 Kriegsgefangene, 77 männliche und 13 weibliche gewerbliche Ausländer eingesetzt.1324 Im Vergleich dazu sei der Kriegsgefangeneneinsatz und der ›Ausländereinsatz‹ ziviler Arbeitskräfte auf dem Höhepunkt des ›Ausländereinsatzes‹ im Juni/Juli 1944 erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 1.231 russische Kriegsgefangene, 3.598 Kriegsgefangene anderer Nationalität, 6.430 Ostarbeiter, 7.984 Ostarbeiterinnen, 17.355 zivile Ausländer anderer Nationalität und 2.127 weibliche zivile Ausländer abgesehen von den Ostarbeiterinnen im Rüstungskommando Chemnitz.1325 Nach Plauen wurden die Kriegsgefangenen ab 1941 über das Stalag Hartmannsdorf vermittelt. Der Wehrkreis IV war in acht Gebiete unterteilt worden, denen jeweils ein Stalag mit entsprechender Kennzeichnung zur Verfügung stand.1326 Von Hartmannsdorf aus führte der Weg ins Vogtland in die verschiedenen Lager der Einsatzträger. Im Dezember 1940 gab das Rüstungskommando Chemnitz interessierten Betrieben bekannt, wie sie Arbeitskräfte in Kriegsgefangenschaft korrekt beantragen konnten und welchen Richtlinien der Kriegsgefangeneneinsatz folgte. Auf dem Merkblatt heißt es, dass »[e]in kriegswichtiger Betrieb […] Kriegsgefangene anfordern [kann.]«1327 Demnach war der Kriegsgefangeneneinsatz schon Ende 1940 nicht mehr nur auf die Landwirtschaft beschränkt. Von den Stalag abgegeben werden sollten die Kriegsgefangenen in Arbeitskommandos. Ein Arbeitskommando umfasste in der gewerblichen Wirtschaft mindestens 20 internierte Soldaten. Hegten auch kleinere Betriebe Interesse am Einsatz von Kriegsgefangenen, sollten sie sich zu Gemeinschaften zusammenschließen und Arbeitskräfte beantragen. In diesem Fall wurden die Kriegsgefangenen in einer gemeinsamen Unterkunft untergebracht und, sofern Bewachung für jeden einzelnen Betrieb der Gemeinschaft gestellt werden konnte, an die jeweiligen Einsatzorte ausgesandt.1328 Das Merkblatt wies weiterhin an, dass Kriegsgefangene nach dem Haager Abkommen nur für diejenigen Arbeiten eingesetzt werden dürften, die auch von einem deutschen Arbeiter verlangt würden. Die Aufgaben dürften zudem »nicht in unmittelbarer Beziehung zu den Kriegshandlungen stehen. Kriegshandlungen sind ausser den Kampfhandlungen alle Massnahmen, die im Rahmen des Krieges unmit1324 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Januar bis März 1941. Kriegsgefangeneneinsatz. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 6, Fol. 19–19 Rückseite. 1325 Vgl. Ausländereinsatz im Juni und Juli 1944 im Rüstungskommando Chemnitz. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 20, Fol. 5 und 22. 1326 Vgl. Bestand Kriegsgefangene 1941–1944. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., RW 6, Nr. 450, Fol. 20. 1327 Rundschreiben Nr. 160/40 des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.12.1940. Betreff  : Merkblatt über den Einsatz von Kriegsgefangenen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 62. 1328 Vgl. ebd.

361

362 | 

Zwangsarbeit in Plauen

telbar auf eine Schädigung des Feindstaates abzielen.«1329 Demnach dürften Kriegsgefangene explizit nicht für die »Herstellung von Waffen, Gerät und Munition sowie ihren Transport zur Truppe oder sonst innerhalb des Reiches, […] Versorgung der Truppe mit Lebensmitteln und Bekleidung, […] Bau von Fabriken und Maschinen, durch die Waffen, Gerät und Munition hergestellt werden sollen, […] [und] Anlage von Geländeverstärkungen für Kriegszwecke«1330 eingesetzt werden. Das Rüstungskommando schloss zudem den Einsatz von belgischen oder französischen Kriegsgefangenen an den Stellen aus, an denen bereits belgische oder französische Zivilarbeiter oder Polen eingesetzt waren.1331 Anzufordern waren die Arbeitskommandos generell über das Arbeitsamt, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Betrieb befand. Zur Prüfung der Einsatzbedingungen verlangten die Arbeitsämter in Sachsen Angaben über »Betrieb, Zahl und Art der angeforderten Kriegsgefangenen, Bezeichnung der zu verrichtenden Arbeiten, Dauer der Arbeit, Arbeitsbedingungen, Regelung der Unterkunft und Verpflegung.«1332 Die finale Prüfung übernahm das Landesarbeitsamt in Dresden. Die Zuweisung der Arbeitskommandos oblag dann der Kommandantur der Stammlager. Das Rüstungskommando Chemnitz regelte im Dezember 1940 außerdem die Einsatzbedingungen für die Kriegsgefangenen im Betrieb. So hatte das Unternehmen an die Zahlmeisterei des Stalag, das die Zuweisung der Arbeitskommandos übernommen hatte, eine Vergütung für die ›Gefangenenarbeit‹ zu entrichten. »Das Entgelt […] [betrug] bei Zeitlohn 60% des tariflichen, ortsüblichen oder festgesetzten Lohnsatzes, bei im Stücklohn beschäftigten Kriegsgefangenen 80% des tariflichen, ortsüblichen oder besonders festgelegten Akkordlohnsatzes.«1333 Vom Entgelt abzuziehen waren die Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung. Dies galt nicht nur für die Zahl der Kriegsgefangenen, sondern auch für die Wachmannschaften. Für Unterkunft fielen 0,20  RM pro Tag und Mann an, für Verpflegung 0,80  RM für Tag und Mann, wobei hier noch einmal nach Langarbeitern gestaffelt werden konnte. Auch Nacht- und Schwerarbeit wurden höher veranschlagt. So konnte ebenfalls ein Verpflegungssatz von 0,90 RM, 1 RM oder 1,20 RM fällig sein. Der Einsatzträger bzw. das Stalag waren nicht dazu verpflichtet, Entgelt an die Kriegsgefangenen weiterzuleiten. Sie erhielten keinen Lohn, waren nicht kranken-, invaliden- oder rentenversichert  ; ledig­lich die Unfallversicherung musste beglichen werden. Hinzu kamen außerdem die Kosten, die der Wehrmacht durch den Transport der Gefangenen vom Stalag zur Arbeits­stelle oder von der Unterkunft zur Arbeitsstelle und zurück entstanden. Auch für die Unterkunft der Wachmannschaften mussten die Einsatzträger Sorge tragen. »Die Unterkunfts1329 Ebd. 1330 Ebd. 1331 Vgl. ebd. 1332 Ebd. 1333 Ebd., Fol. 62 Rückseite.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

räume müssen hygienisch einwandfrei sein und die Bewachung der Kriegsgefangenen ermöglichen (vergitterte Fenster, sicherer Türverschluss, nötigenfalls Umwehr mit Stacheldraht, Beleuchtung).«1334 Waren Unterkunft und Verpflegung der Kriegsgefangenen und der Wachmannschaften durch den Betrieb abgesichert, sollten an der Arbeitsstelle ebenfalls für den ›Kriegsgefangeneneinsatz‹ spezifische Vorkehrungen getroffen werden. Die internierten Soldaten durften nur in von der restlichen Produktion abgetrennten Bereichen in eigenen Abteilungen beschäftigt werden und waren direkt nach Ende der täglichen Arbeit in ihre Unterkunft zu überführen.1335 So sollte der Kontakt zu anderen Mitarbeitern, vor allem ausländischen Zivilarbeitern, verhindert werden. Die Bewachung im Betrieb wie auch außerhalb oblag ausschließlich der Wehrmacht. Die Entlohnung der Wachmannschaften übernahm sie allein. Jedoch ließ das Rüstungskommando an dieser Stelle die Möglichkeit offen, bei Bedarf Zivilpersonen zur Bewachung der Kriegsgefangenen heranzuziehen. »Diese Zivilpersonen können Gefolgschaftsmitglieder des Unternehmers sein. Sie müssen von der zuständigen unteren Verwaltungsbehörde als Hilfspolizisten verpflichtet werden.«1336 Damit wird deutlich, dass hier nicht nur eine Ähnlichkeit mit dem Werkschutz, sondern auch mit den Hilfswärtern auf den Außenarbeitsstellen der Untersuchungshaftanstalt Plauen bestand. Auch sie wurden von den unteren Verwaltungsbehörden zur Aufsicht verpflichtet. Dies erfolgte in den meisten Fällen nicht freiwillig. Im Merkblatt für den Einsatz von Kriegsgefangenen regelte das Rüstungskommando Chemnitz einen letzten Punkt, der im Kapitel zuvor bereits angesprochen wurde  – nämlich die Bekleidung. Der Einsatzträger war lediglich verpflichtet, Arbeitskleidung zu stellen. Für Schuhe und Wäsche war das Stalag zuständig. Aus dem Merkblatt geht hervor, dass die Kriegsgefangenen während der Internierung durch die Wehrmacht ausschließlich Uniform tragen sollten.1337 Die Wehrmacht stellte in den Stalag ausrangierte Wehrmachtsuniformen zur Verfügung oder den Kriegsgefangenen wurde das überlassen, was sie zum Zeitpunkt ihrer Festnahme am Leib trugen. Durch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft auf Grundlage des Völkerrechts ist allerdings davon auszugehen, dass die Kriegsgefangenen ihre Uniformen ablegten. Die westlichen Kriegsgefangenen erhielten, sofern sie durch die Genfer Konventionen geschützt waren, zuverlässig Unterstützung aus der Heimat. Dazu zählten auch Pakete, die den Kriegsgefangenen halfen, ihre Wäsche in Ordnung zu halten.1338 Bei den Kriegsgefangenen, die im Rüstungskommando Chemnitz nach den soeben dargelegten Haftbedingungen untergebracht wurden, handelte es sich ausschließ1334 Ebd. 1335 Vgl. ebd. 1336 Ebd., Fol. 63. 1337 Vgl. ebd. 1338 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 137.

363

364 | 

Zwangsarbeit in Plauen

lich um internierte Soldaten aus den westlichen Gebieten. Sowjets erfuhren, weil sie die Genfer Konventionen nicht ratifiziert hatten, eine andere Behandlung als zum Beispiel Engländer. Ein Unterschied bestand auch beim Umgang mit französischen Kriegsgefangenen. Da die Vichy-Regierung abseits der Genfer Konventionen Abmachungen mit den deutschen Nationalsozialisten getroffen hatte, konnten die Kriegsgefangenen aus Frankreich beispielsweise in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden, so wie es das Merkblatt des Rüstungskommandos Chemnitz im Dezember 1940 vorsah. 1941 war der Kriegsgefangeneneinsatz in der Rüstungsindustrie, obwohl er den Genfer Konventionen widersprach, im Deutschen Reich bereits zur Regel geworden. An dieser Stelle sei noch einmal kurz auf den Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen eingegangen, bevor die Lebens- und Arbeitsbedingungen Kriegsgefangener verschiedener Nationen in Plauen untersucht werden. Die Sowjets erfuhren bis 1942 eine besonders unmenschliche Behandlung. Die deutschen Truppen ließen sie nach der Festnahme im großen Stil verhungern oder vernachlässigten sie so weit, dass bis Jahresbeginn 1942 bereits rund 2  Millionen sowjetische Soldaten in deutscher Gefangenschaft verstorben waren. Grund dafür war, dass das Deutsche Reich sie bei seinen Nachkriegsplanungen nicht berücksichtigte. Obwohl sich die Nationalsozialisten Ende 1941 für den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen aus der UdSSR entschieden hatten, blieben sie Kriegsgefangene dritter Ordnung nach Westalliierten, Jugoslawen und Polen. Den Sowjets sollten nun ähnlich wie den zivilen Kräften die härtesten und gefährlichsten Arbeiten zufallen. Die Wehrmacht nutzte für ihren Einsatz die schon bestehenden Strukturen. So wurden die Sowjets in den gleichen Lagern wie Kriegsgefangene anderer Nationen untergebracht. Ihre Unterkünfte wurden allerdings vom restlichen Lager separiert. Die Sterblichkeit betrug aufgrund minimaler Versorgung 58 Prozent.1339 Selbst die Aufpäppelungsaktionen in der Landwirtschaft senkten die Sterblichkeitsrate nicht.1340 Ähnlich schlecht wie die sowjetischen Kriegsgefangenen waren die italienischen Militärinternierten gestellt, deren Einsatz in der deutschen Wirtschaft 1943 begann. Obwohl sie in das Kriegsgefangenenwesen und seine Verwaltungsstrukturen eingeordnet wurden, hatten die Nationalsozialisten sie aus außenpolitischen Gründen als Internierte bezeichnet. Die Umbenennung beschreibt bereits die rechtliche Situation der Italiener. Nach Ansicht der Deutschen waren sie nicht nach den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung oder der Genfer Konventionen zu behandeln, da sich die Italiener zum Zeitpunkt ihrer Festnahme nicht im Kriegszustand mit dem Deutschen Reich befanden. Formal sollten die IMI die gleiche Ernährung und Behandlung wie die Kriegsgefangenen der Westalliierten erfahren, doch war der Umgang mit ihnen ungleich härter. Grund dafür war das Italien-Bild, das entstanden war, nachdem die Südeuropäer gegenüber den Alliierten kapituliert hatten. Waren die italienischen 1339 Vgl. ebd., S. 103–104. 1340 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 172.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

Zivilarbeiter wegen hoher Löhne und langsamen Arbeitstempos schon nicht beliebt, galten sie nun als Verräter.1341 Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie sich der Einsatz Kriegsgefangener verschiedener Nationen in Plauen vollzog. Dazu werden das Lager der Reichsbahn in Mehltheuer, die Versorgung in der Land- und Forstwirtschaft und die Arbeit in der VOMAG sowie den Adoros Teppichwerken in Adorf i. V. untersucht. Zu beschreiben sind die Unterbringung, die Ernährung und die Arbeitsbedingungen, denen die Kriegsgefangenen ausgesetzt waren. Am Beispiel der VOMAG kann außerdem die Lagerorganisation untersucht werden. Die Arbeits- und Lebensbedingungen werden unter Rückbezug auf das eingangs beschriebene Merkblatt zum Einsatz der Kriegsgefangenen im Rüstungskommando Chemnitz zu schildern sein. 4.4.1 Kriegsgefangene und die Reichsbahn

Neben der Landwirtschaft war die Beschäftigung von Kriegsgefangenen bei der Deutschen Reichsbahn eines der ersten Einsatzgebiete, auf dem die ausländischen Arbeitskräfte herangezogen wurden. Für die Zeit des Zweiten Weltkrieges kann die Reichsbahn als typischer Träger des Kriegsgefangeneneinsatzes gelten. Dies lässt sich auch für Plauen feststellen und wurde bereits für IMI diskutiert. Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass die Italiener 1943/44 zuerst als Kriegsgefangene und dann als Zivilarbeiter bei der Reichsbahn in Plauen beschäftigt waren. Ihre Unterbringung erfolgte im ›Sachsenhof‹. Dass in der Plauener Peripherie allerdings schon vor den Italienern Kriegsgefangene beim gleichen Träger eingesetzt wurden, zeigen die Unterlagen zum Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ in Mehltheuer. Am 1. Dezember 1941 hatte der Vorstand des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen mit dem Pächter des Gasthofs einen Vertrag über die Anmietung mehrerer Fremdenzimmer zur Unterbringung der Wachmannschaften für das im Saal der Einrichtung befindliche Kriegsgefangenenlager geschlossen.1342 Das Kriegsgefangenenlager selbst bestand schon früher. Das Gesundheitsamt Plauen-Land ging bereits zwei Monate zuvor einer Anzeige zum bedenklichen Gesundheitszustand der in der Gaststätte untergebrachten Gefangenen nach. Der Gasthofbesitzer Koch hatte das Kriegsgefangenenlager beim Gesundheitsamt angezeigt, weil er eine Übertragung von Magen-Darm-Infektionen von den Kriegsgefangenen auf die Bevölkerung befürchtete. Ebenso wie bei den Ausländerlagern ziviler Arbeitskräfte war das Gesundheitsamt für die Überprüfung der Hygiene zuständig. Gesundheitsaufseher Riedel stellte bei seiner Kontrolle fest, dass die Kriegsgefangenen vollkommen von der Bevölkerung abgetrennt waren und keine 1341 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 104. 1342 Vgl. Mitteilung des Vorstandes des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 12.01.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager in Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert.

365

366 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Infektionen im Lager vorlagen, sodass keine Übertragungsgefahr auf die Bevölkerung bestand. Waren die Einsatzträger für die Reinigung der zivilen Ausländerlager zuständig, übernahm die Entlausung und Desinfektion der Kriegsgefangenen und des Lagers die Wehrmacht.1343 Die Hygienevorschriften schienen bei den Kriegsgefangenen ebenfalls denen zu ähneln, die bei den Italienerlagern der VOMAG festgestellt werden konnten. Ebenso wie in Barthmühle erfolgte die Desinfektion der Toiletten in Mehltheuer mit Chlorkalk.1344 Die Zuständigkeit für die Überwachung der Hygiene in den Kriegsgefangenenlagern weitete der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen auch auf die Unterkünfte der sowjetischen Kriegsgefangenen aus. Im Interesse der ›Volksgesundheit‹ sollte der örtlichen Polizeibehörde, die auch gesundheitspolizeilich zuständig war, von geplanten Kriegsgefangeneneinsätzen berichtet werden. Die Gesundheitspolizei hatte zusammen mit dem Gesundheitsamt Lager und Betriebe auf Einhaltung der Hygienevorschriften zu kontrollieren. Dies galt sowohl für einen geplanten Einsatz als auch für bereits mit sowjetischen Kriegsgefangenen belegte Einrichtungen.1345 Leider sind im Zuge des Besuchs des Gesundheitsamtes 1941 weder Nationalität der Insassen noch Belegungsstärke des Lagers überliefert. Dennoch kann das Lager stellvertretend für die Einrichtungen in Plauen stehen, in denen Kriegsgefangene untergebracht waren. Die Mehrzahl der Lager befand sich nämlich genau wie jenes in Mehltheuer in den Sälen von Gasthöfen. Bereits angeführt wurde das Beispiel der Gaststätte ›Sachsenhof‹. In den gesichteten Archivunterlagen zur Stadt Plauen konnte kein Lager ausfindig gemacht werden, in dem die Kriegsgefangenen in Baracken untergebracht waren, so wie es das Völkerrecht ebenfalls vorgesehen hatte. Damit wird die bereits bei der Diskussion der Unterkünfte ziviler Ausländer aufgestellte Vermutung gestützt, dass sich die Arbeitseinsatzverwaltung in der Stadt Plauen ausschließlich schon existierender Infrastrukturen zur Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte bediente. Jedoch lässt sich dies nur bedingt auf ein verspätetes Einsetzen der Ausländerbeschäftigung zurückführen. Kriegsgefangene gehörten zu den ersten Gruppen ausländischer Arbeitskräfte, die in der Plauener Wirtschaft zur Arbeit herangezogen wurden. Vermutet werden kann, dass genügend Lokalitäten in der Stadt zur Verfügung standen und der Kriegsgefangeneneinsatz unter dem Umfang des Einsatzes ausländischer Zivilarbeiter blieb. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass neben den 1343 Vgl. Aktennotiz zum Besuch des Gasthofbesitzers Koch in Mehltheuer am 27.10.1941. Kontrolleure des Gesundheitsamtes begutachteten den Zustand der Kriegsgefangenen im Gasthof Sächsisch Bayerischer Hof. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen, Nr. 954, nicht foliiert. 1344 Vgl. ebd. Vgl. zum Italienerlager in Barthmühle  : Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die Verhältnisse im Bahnhofshotel Barthmühle. 1345 Vgl. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 17.06.1942. Betreff  : Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen  ; hier  : Überwachung der Kriegsgefangenenlager durch die Gesundheitspolizei. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

Sälen in Gaststätten auch die Plauener Hindenburgkaserne als Kriegsgefangenenlager diente. Hier wurden mindestens 14 italienische Militärinternierte untergebracht.1346 Für das Kriegsgefangenenlager des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen in Mehltheuer lassen sich erst ab 1944 Aussagen über die Belegungsstärke treffen. Bierausgabe und Saal waren im Januar des Jahres von 74 englischen Kriegsgefangenen bewohnt, die bei Instandhaltungsarbeiten an der Gleisanlage der Reichsbahn eingesetzt wurden. Die für die Bewachung der Gefangenen zuständigen Mannschaften belegten zwei Fremdenzimmer im ›Sächsisch-Bayerischen Hof‹, sodass von vier bis sechs Personen ausgegangen werden kann. Die Personalstärke sollte allerdings erhöht werden, da 1944 das Bahnbetriebsamt 26 weitere Kriegsgefangene für die kriegswichtigen Arbeiten angefordert hatte.1347 Für die interne Organisation war der Lagerführer zuständig, der sich aus den Kreisen der Wehrmacht rekrutierte.1348 Im Oktober 1941 erfüllte diese Position Unteroffizier Liebender.1349 Die externe Organisation des Kriegsgefangenenlagers im Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ oblag dem Kontroll-Offizier des Stalag IV F, Hauptmann Schmidt. Er hatte seinen Sitz in der Wielandstraße 3 in Plauen. Er war unter anderem für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinien zum Kriegsgefangeneneinsatz verantwortlich. Im Zuge eines Streits zwischen dem ReichsbahnBetriebsamt Plauen und dem Bürgermeister von Mehltheuer über die Belegung der Fremdenzimmer im Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ wies Hauptmann Schmidt darauf hin, dass die Unterkünfte der Wachmannschaften keinesfalls außerhalb des Lagers befindlich sein durften.1350 Den Wachmannschaften war »aus abwehrmäßigen Gründen«1351 dauerhaft schneller Zugang zu den Kriegsgefangenen zu gewähren. Vermutlich hatten die Kriegsgefangenen, die das Lager in Mehltheuer belegten, während des Krieges gewechselt, obgleich der Einsatzträger mit dem Reichsbahn-Betriebsamt derselbe blieb. Die Räumlichkeiten im ›Sächsisch-Bayerischen Hof‹ waren 1941 wohl mit französischen Kriegsgefangenen belegt worden, bevor man sie durch 1346 Vgl. Mitteilung des Oberbürgermeisters der Kreisstadt Plauen – Polizeipräsidium – an das Amtsgericht Plauen vom 16.01.1946. Betreff  : Nachforschung über Bürger der vereinten Nationen. In  : StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 2255, nicht foliiert. 1347 Vgl. Mitteilung des Vorstandes des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 12.01.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager in Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. 1348 Vgl. Mitteilung des Bahnbetriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 02.02.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. 1349 Vgl. Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel über den Besuch im Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ Mehltheuer am 27.10.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1350 Vgl. Mitteilung des Stalag IV F Kontroll-Offiziers an den Oberreichsbahnrat Wünsche vom 21.04.1944. Betreff  : Verlegung der Unterkunftsräume im Kgf.Arb.Kdo Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. 1351 Ebd.

367

368 | 

Zwangsarbeit in Plauen

englische austauschte. Für die Kriegsgefangenen beider Nationalitäten dürfte es sich bei der Gleisinstandsetzung um eine schwere, kräftezehrende Arbeit gehandelt haben. Sie war vergleichbar den Bergungsarbeiten nach Fliegerangriffen, zu denen die Häftlinge der Untersuchungshaftanstalt Plauen herangezogen wurden. Aufräumarbeiten dürften vor allem für die englischen Kriegsgefangenen angefallen sein, die 1944 im Gasthof in Mehltheuer untergebracht waren. Der Gasthof lag an der Bahnlinie Leipzig–Hof1352, die aufgrund ihrer strategisch wichtigen Streckenführung sicher von den Fliegerangriffen der Alliierten betroffen war. Nachweislich beschäftigte die Reichsbahn in Plauen neben Franzosen und Engländern auch Italiener, die, wie bereits diskutiert, ab September 1943 in der Gaststätte ›Sachsenhof‹ untergebracht gewesen sein dürften. Auch ihnen kamen sicher Aufgaben zur Instandhaltung der Gleise zu. Die Auswertung der Zwangsarbeiterliste im Stadtarchiv Plauen ergab für die Stadt weitere Kriegsgefangene folgender Herkunft. Nach Häufigkeit sortiert kamen die in Plauen eingesetzten Soldaten aus Russland und der Ukraine, Belgien, Holland, Jugoslawien, Griechenland, Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Dänemark und Rumänien.1353 Im Folgenden soll nun ein weiteres früh bedientes Einsatzgebiet der Kriegsgefangenen beleuchtet werden. Die ersten internierten Soldaten wurden bereits 1940 und damit noch ein Jahr vor Beginn des Einsatzes beim Reichsbahn-Betriebsamt in der Plauener Peripherie zur Arbeit herangezogen. 4.4.2 Land- und forstwirtschaftliche Einsatzgebiete

Die ersten Kriegsgefangenen, die 1940 auf den Landgütern rund um die Stadt Plauen zum Einsatz kamen, stammten ausschließlich aus Frankreich. Im August verzeichnete das Gesundheitsamt Plauen-Land drei Franzosen in Mechelgrün.1354 Da nicht davon auszugehen ist, dass die Kriegsgefangenen wie zivile Ausländer bei den Bauern untergebracht waren, herrscht für ihre Unterkunft Klärungsbedarf. Einen Hinweis gibt die Beschwerde des Lagerführers aus dem in der Schützenhalle Pausa untergebrachten Kriegsgefangenenlager. Hier war eine unbekannte Zahl Kriegsgefangener unbekannter Nationalität einquartiert, die jeden Tag zur Arbeit auf die umliegenden Güter der Bauern ausrückten.1355 In der Schützenhalle war wohl ein Gemeinschaftslager für Kriegsgefangene entstanden, wie es das Rüstungskommando Chemnitz kleineren Betrieben 1352 Vgl. Mitteilung des Vorstandes des Reichbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 22.04.1944. Betreff  : Gefangenenlager Mehltheuer. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert. 1353 Vgl. StadtA Plauen, Auswertungstabelle zu Fremd- und Zwangsarbeitern, KrA Plauen, Zwangsarbeiter-Kartons und Einwohnermeldebücher. 1354 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1355 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

aus der Rüstungsindustrie im Dezember 1940 empfohlen hatte.1356 Mehrere Bauern, unter anderem Bauer Gläser aus Wallengrün, hatten die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen in Anspruch nehmen wollen. Da die Arbeitskommandos allerdings 20 Personen umfassten1357, auf den Höfen wohl aber nur einzelne internierte Soldaten zum Einsatz kamen1358, wurde die Unterkunft gemeinschaftlich unterhalten. Die Wachmannschaft bestand inklusive des Lagerführers aus vier Personen.1359 Es sprechen nun einige Indizien dafür, dass die vermutlich aus Frankreich stammenden Kriegsgefangenen in der Schützenhalle Pausa schlechten Arbeits- und Lebens­ bedingungen ausgesetzt waren. So schilderte der Lagerführer der Schützenhalle beispielsweise, dass die oft langen Wege zu den Arbeitsstellen zu Fuß zurückgelegt werden mussten. Da sich die Arbeitszeiten von 7 Uhr morgens bis teilweise 10 Uhr abends erstreckten1360, ist davon auszugehen, dass sich die Kriegsgefangenen durch die langen Anmarschwege noch deutlich länger außerhalb des Lagers befanden. Schwankungen in der Arbeitszeit waren sicherlich durch die Ernte bedingt. Da die Kriegsgefangenen sieben Tage in der Woche eingesetzt wurden, befürchtete der Lagerführer die Gefährdung der Gesundheit der Kriegsgefangenen, da ihnen keine Zeit blieb, ihre Kleidung zu reinigen oder instand zu setzen. Der Versuch, die Aufgabe an die Bauern abzugeben, scheiterte am Unwillen der Bauern. Sie gaben an, dass es ihnen egal sei, ob die Kriegsgefangenen nackt zur Arbeit kämen. Für die Instandsetzung der Kleidung und des Schuhwerks1361, die, sofern es sich um Arbeitskleidung handelte, den Einsatzträgern oblag1362, stellten die Bauern keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Die Bekleidung der Kriegsgefangenen war deshalb im Oktober 1940 bereits so abgetragen, dass sie teilweise barfuß zu den Arbeitsstellen ausrücken mussten.1363 Im späten Herbst bei schlechtem Wetter und niedrigen Temperaturen gefährdete dies die Einsatzfähigkeit vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1356 Vgl. Rundschreiben Nr. 160/40 des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.12.1940. Betreff  : Merkblatt über den Einsatz von Kriegsgefangenen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 62. 1357 Vgl. ebd. 1358 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1359 Vgl. ebd. 1360 Vgl. ebd. 1361 Vgl. ebd. 1362 Vgl. Rundschreiben Nr. 160/40 des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.12.1940. Betreff  : Merkblatt über den Einsatz von Kriegsgefangenen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 63. 1363 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

369

370 | 

Zwangsarbeit in Plauen

der Kriegsgefangenen sicher ausgesprochen stark. Davon abgesehen beanspruchte die schwere Feldarbeit die Füße zusätzlich und das fehlende Schuhwerk dürfte auch die Unfallgefahr deutlich erhöht haben. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass auch das Lager nicht sonderlich bemüht war, die Kleidung der Kriegsgefangenen in Ordnung zu bringen. Der Lagerführer versuchte diese Aufgabe, ebenso wie die Reinigung der Kleidung, auf die Bauern zu übertragen.1364 Der Grund für die Kompetenzstreitigkeiten könnte darin gelegen haben, dass der Lagerführer die Zuständigkeit ablehnte, weil die Kriegsgefangenen in der Kleidung zur Arbeit auf die Felder gingen und er sie deshalb wohl als Arbeitskleidung definierte. Die Bauern sahen die Zuständigkeit für die Instandsetzung der Bekleidung dagegen wohl beim Kriegsgefangenenlager, da die Wehrmacht grundsätzlich für Wäsche und Schuhe zuständig war.1365 Um zumindest die hygienischen Umstände im Lager zu verbessern, hatte der Lagerführer verfügt, dass die Kriegsgefangenen an einem Nachmittag freizustellen waren. An diesem Nachmittag erfolgten sehr zum Missfallen der Bauern und vor allem des für das Gebiet zuständigen Bauernführers Dittrich die Entlausungsprozedur, die Desinfektion des Lagers und die Reinigung der Kleidung.1366 Der Lagerführer setzte sich außerdem beim Kontroll-Offizier des Stalag IV F für die Einführung fester Arbeitszeiten für die Kriegsgefangenen ein, was wiederum auf die Ablehnung der Bauern und des Bauernführers traf.1367 Vermutlich setzte sich diese Forderung ebenfalls nicht durch. Schwere Arbeit von bis zu 13 Stunden, zu bewältigende lange Wege zu den Arbeitsstellen, das Fehlen von Schuhwerk sowie mangelnde Körperhygiene dürften den körperlichen Zustand der französischen Kriegsgefangenen, die in der Gaststätte ›Schützenhalle‹ in Pausa untergebracht waren, stark negativ beeinflusst haben. Auszugehen ist hier vom baldigen Einsetzen der Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Verletzung. Einzig die generell als gut geltende Ernährung in der Landwirtschaft dürfte die Sterblichkeitsrate der Kriegsgefangenen gesenkt haben. Allerdings muss für den Einsatz der Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft festgestellt werden, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen zu einem großen Teil von der persönlichen Einstellung der Bauern abhängig waren. Im Falle Pausas hatten sich die Bauern gegenüber den Kriegsgefangenen ausgesprochen streng gezeigt. Ihnen war offensichtlich wenig an der Erhaltung der Arbeitskraft gelegen, denn sie nahmen zerschlissene Kleidung in Kauf, ohne den Versuch zu unternehmen, sie zu ersetzen. Zusammenfassend scheinen die Einsatzbedingungen der Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft rund um Pausa 1364 Vgl. ebd. 1365 Vgl. Rundschreiben Nr. 160/40 des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.12.1940. Betreff  : Merkblatt über den Einsatz von Kriegsgefangenen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 63. 1366 Vgl. Beschwerde des Lagerführers der Schützenhalle Pausa an den Leutnant Dr. Michel in Plauen vom 13.09.1940. Betreff  : Hygiene im Kriegsgefangenenlager Schützenhalle, Pausa. In  : StAC, Best. 30086, Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1367 Vgl. ebd.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

ähnlich denen der Ostarbeiter in der Plauener Industrie gewesen zu sein. Jedoch muss für die Landwirtschaft die Einschränkung gemacht werden, dass die Arbeitszeiten wohl nach Arbeitsaufkommen variierten, sodass in Herbst und Winter von kürzeren Schichten oder sogar Arbeitsausfall ausgegangen werden kann. Bleibt noch die Nationalität der in Pausa untergebrachten Kriegsgefangenen zu klären. Es ist davon auszugehen, dass es sich um Franzosen gehandelt hat, was zum einen die politischen Gegebenheiten der ersten beiden Kriegsjahre nahelegen. Das Deutsche Reich hatte im Mai 1940 die westeuropäischen Nachbarn überfallen. Allein aus Frankreich verschleppte es 1,85 Millionen Kriegsgefangene nach Deutschland, die hauptsächlich in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Im Zuge der Abkommen ›transformation‹ und ›relève‹ erfolgte erst 1942 der Austausch durch französische Zivilarbeiter.1368 Im Gegensatz zu den Franzosen wurden andere zur gleichen Zeit vom Deutschen Reich überfallene Westeuropäer wie Norweger selten nach Deutschland überstellt. Dänen wurden vor allem als Bauarbeiter und weniger in der Landwirtschaft eingesetzt. Die niederländischen Kriegsgefangenen waren bereits im Sommer 1940 in den Zivilstatus überführt worden1369, weshalb davon auszugehen ist, dass es sich bei den internierten Ausländern in Pausa nicht um Niederländer gehandelt haben kann. Denkbar wäre noch, dass die Kriegsgefangenen aus Belgien stammten. Ausgeschlossen sind dabei aber Flamen, denn sie wurden kurz nach der Kapitulation Belgiens Ende Mai 1940 freigelassen. Dafür blieben die wallonischen Soldaten bis Kriegsende in deutscher Gefangenschaft und wurden zur Arbeit eingesetzt.1370 Dass im Plauener Land allerdings wohl ausschließlich Franzosen zur Arbeit gezwungen wurden, dafür spricht auch die weitere Korrespondenz des Gesundheitsamtes mit anderen landwirtschaftlichen Betrieben über die bei ihnen eingesetzten Kriegsgefangenen. So forderte der Amtsarzt beispielsweise den Bürgermeister von Oberpirk auf, die im Ort beschäftigten französischen Kriegsgefangenen entlausen zu lassen.1371 Auch die in Mechelgrün eingesetzten Kriegsgefangenen stammten aus Frankreich.1372 Die wegen der kürzeren Schichten im Herbst und vor allem in der Winterzeit frei werdenden Arbeitskräfte wollte in Plauen ab 1942 die Forstwirtschaft für den Holzeinschlag nutzen. Vorgesehen war eine Dienstverpflichtung deutscher Bauern für die Winterzeit. Außerdem sollten ausländische Arbeitskräfte hinzugenommen werden. Das Vorgehen lehnte das Arbeitsamt Plauen jedoch ab. Die Forstwirtschaft war 1368 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 48 und 64. 1369 Vgl. für Vorhergehendes ebd., S. 56–58. 1370 Vgl. ebd., S. 60. 1371 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Bürgermeister in Oberpirk vom 05.11.1940. Betreff  : Entlausung der französischen Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1372 Vgl. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert.

371

372 | 

Zwangsarbeit in Plauen

deshalb vor allem auf die Bauern mit kleineren Betrieben angewiesen, die an einem Nebenverdienst im Winter interessiert waren. Der allgemeine Arbeitskräftemangel verstärkte sich in der Forstwirtschaft zusätzlich durch die Anordnung, für die Belange der Wehrmacht 1943 einen gesonderten Holzschlag durchzuführen.1373 Schon vor 1942 hatte sich die Plauener Forstwirtschaft der Arbeitskraft der Kriegsgefangenen bedient. Dabei nutzte sie die bereits durch den ›Ausländereinsatz‹ in der Landwirtschaft entstandenen Strukturen. So beschäftigte das Revier in Herlasgrün bereits im Januar 1941 neun Kriegsgefangene unter folgenden Bedingungen. Das Revier hatte pro Arbeitstag und Mann 0,64  RM an die Lagerverwaltung, in deren Einrichtung die Kriegsgefangenen untergebracht waren, zu entrichten. Dieser Betrag galt allerdings nur für das Winterhalbjahr. Im Sommer fielen wegen der verlängerten Arbeitszeiten von zehn oder mehr Stunden 0,80 RM pro Arbeiter und Tag an. Weitere Kosten entstanden den Forstwirtschaften durch die Wachmannschaften. Hier waren pro Posten und Woche 2 RM an die Lagerleitung zu entrichten. Davon bestritt das Lager Ausgaben zur Unterhaltung der Einrichtung. Dazu zählten Licht und Befeuerung.1374 Für die Verpflegung der Kriegsgefangenen fielen in Herlasgrün pro Person und Tag 2 RM an. In der Forstwirtschaft erhielten die Kriegsgefangenen »Frühkaffee mit Brot, Suppe etc., Frühstück, warmes Mittagessen […], Abendbrot[.]«1375 So üppig, wie der Forstamtmann die Ernährung der Kriegsgefangenen beschrieb, war sie sicherlich nicht. Die Versorgung musste jedenfalls auch an Sonntagen durch den Einsatzträger gesichert werden. Die Essenszubereitung übernahm eine Gastwirtschaft, die Kriegsgefangenen aßen im Wald, wo das Essen in einem Kübel durch einen Gefangenen bereitgestellt wurde. Der Häftling holte die Mahlzeiten in der Gastwirtschaft ab.1376 Im Vergleich dazu sei die Versorgung sowjetischer Kriegsgefangener in der Plauener Landwirtschaft im April 1943 geschildert. Soweit sie in Lagern untergebracht waren, sollten die Sowjets pro Woche 2.375 Gramm Brot, 400 Gramm Fleisch, wobei es sich um Freibankfleisch minderer Qualität handeln sollte, 100 Gramm rohes Schlachtfett oder 80 Gramm Knochenfett oder Talg erhalten. Hinzu kamen 100 Gramm Margarine für sieben Tage. Pro Zuteilungsperiode, die vermutlich vier Wochen umfasste, erhielten die Sowjets 300 Gramm Nährmittel, 250 Gramm Kaffee-Ersatz und 700 Gramm Zucker.1377 Die Lagerverpflegungssätze aus dem sowjetischen Kriegsgefangenenlager in Kleingera spezifizieren diese Angaben noch. Im April 1943 standen den Kriegsge1373 Vgl. Mitteilung des Oberforstmeisters in Plauen an die umliegenden Reviere vom 19.11.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1374 Vgl. Mitteilung des Forstamtmanns aus Herlasgrün vom 31.01.1941. Betreff  : Einsatzbedingungen der Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1375 Ebd. 1376 Vgl. ebd. 1377 Vgl. Mitteilung des Kontrolloffiziers Plauen über die Verpflegungssätze für russische Kriegsgefangene

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

fangenen zwar 2.375 Gramm Brot pro Woche zu, jedoch sollte es sich dabei um das ›Russenbrot‹ handeln. Zu dessen Herstellung wurden lediglich 1.781  Gramm Roggen- und Brotmehl verwendet. Der Rest wurde mit Füllmaterial bis zum gewünschten Gewicht aufgestockt.1378 Dazu nutzten die Deutschen beispielsweise Laub.1379 Unter dem Punkt ›Nährmittel‹ waren Teigwaren und Kartoffelstärkeerzeugnisse zusammengefasst. In einer Zuteilungsperiode erhielten die Kriegsgefangenen demnach 175 Gramm Teigwaren und 125 Gramm Kartoffelstärkeerzeugnisse. Außerdem waren für die Kriegsgefangenen im Lager Kleingera pro Zuteilungsperiode 28.000 Gramm Kartoffeln vorgesehen.1380 Diese Menge scheint fragwürdig zu sein. Vermutlich lag ein Tippfehler vor und gemeint waren 2.800 Gramm. Es ist davon auszugehen, dass durch die Gemeinschaftsverpflegung im Lager eine Differenz zwischen den behördlichen Bestimmungen und der Menge der ausgegebenen Lebensmittel bestand. Bei den Kriegsgefangenen kam vermutlich nur ein Bruchteil der für sie kontingentierten Lebensmittel an. Weiterhin verweist der Landrat, der die Lebensmittelzuteilung für die Kriegsgefangenen in Kleingera übernahm, explizit auf die mindere Qualität des Fleisches. An Hausschlachtungen seien die sowjetischen Kriegsgefangenen nicht zu beteiligen.1381 Dementsprechend kann auch auf eine mindere Qualität bei allen Lebensmitteln geschlossen werden. Fraglich ist besonders der Zustand der Kartoffeln und ob diese über die gesamte zeitlich nicht näher definierte Zuteilungsperiode genießbar waren oder bereits verdorben in das Kriegsgefangenenlager gelangten. In jedem Fall dürfte aufgrund der schlechten Versorgung die Arbeitsleistung der Kriegsgefangenen schnell abgefallen sein. Außerdem riefen die Lebensmittel minderer Qualität die bereits beschriebenen körperlichen Beschwerden hervor. Der Einsatz der vermutlich aus Frankreich stammenden Kriegsgefangenen in der Plauener Forstwirtschaft war für die Einsatzträger zeitlich nicht begrenzt. Sofern die Arbeitsleistung der Soldaten 80 Prozent der eines vergleichbaren deutschen Arbeiters betrug, konnte der Betrieb eine Schwerarbeiterkarte beantragen. Die Kriegsgefangenen in Herlasgrün leisteten 1941 durchschnittlich 70 bis 80 Prozent der Arbeit deutscher Betriebsmitglieder. Damit zeigte sich der Forstamtmann weitestgehend zufriein der Landwirtschaft vom 19.04.1943. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 7028, nicht foliiert. 1378 Vgl. Mitteilung des Landrates Plauen, Abteilung Ernährung, an die Leitung des sowjetischen Kriegsgefangenenlagers in Kleingera vom 02.04.1943. Betreff  : Lagerverpflegungssätze der in der Landwirtschaft beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 7028, nicht foliiert. 1379 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 172. 1380 Vgl. Mitteilung des Landrates Plauen, Abteilung Ernährung, an die Leitung des sowjetischen Kriegsgefangenenlagers in Kleingera vom 02.04.1943. Betreff  : Lagerverpflegungssätze der in der Landwirtschaft beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 7028, nicht foliiert. 1381 Vgl. ebd.

373

374 | 

Zwangsarbeit in Plauen

den, hatte er sogar Fachkräfte für Wald- und Erdarbeiten erhalten. Beschäftigt waren die Kriegsgefangenen im Revier bereits seit 1940. Dagegen war der Forstamtmann mit der Bewachung durch die Wehrmacht weniger zufrieden. Diese hätte sich nur schwer den Ansprüchen des Betriebs untergeordnet.1382 Es ist davon auszugehen, dass die hohe Arbeitsleistung der Kriegsgefangenen in Herlasgrün eher eine Ausnahme darstellte und auf die Zurverfügungstellung von Facharbeitern zurückzuführen ist. Qualifizierte Kriegsgefangene waren schon ab 1941 nur noch selten für die Forstwirtschaft verfügbar, weil die Arbeitskräfte mit entsprechender handwerklicher Berufserfahrung in die Rüstungsbetriebe überführt wurden.1383 Außerdem waren die westeuropäischen Kriegsgefangenen, wie gezeigt werden konnte, besser versorgt als die später hinzugekommenen sowjetischen. Die Forstwirtschaft in Herlasgrün bediente sich bei der Unterbringung ihrer Kriegsgefangenen der bereits durch den Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft entstandenen Strukturen. Da ein eigenständiges Lager mindestens zehn bis 20 Gefangene erforderte, nutzte die Forstwirtschaft das Lager, in dem die in der Landwirtschaft auf den umliegenden Gütern eingesetzten Kriegsgefangenen untergebracht waren. Hier standen den Internierten einfache Bettgestelle oder Bretteraufbauten sowie zwei Decken zur Verfügung.1384 Im Lager des Reviers Bergen-Neudorf wurden die Betten mit Strohsäcken ausgelegt.1385 Dies war sicherlich auch in Herlasgrün der Fall und damit unterschied sich die Ausstattung der Kriegsgefangenenlager nur bedingt von der in Lagern für ausländische Zivilarbeiter. Bis 1943 war die Arbeitsleistung der 45.000 deutschlandweit in der Forstwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen bis auf 25 oder 30  Prozent der »Normalleistung des deutschen Waldarbeiters«1386 gesunken, sodass das Oberkommando der Wehrmacht Ursachenforschung betrieb. Den Grund für die niedrige Leistung sah die Wehrmacht in den Umständen des Einsatzes. Die kleinen Trupps und die abgeschiedene Arbeit im Wald verleiteten die Kriegsgefangenen dazu, sich bei der Arbeit zurückzuhalten. Außerdem sei die hohe Zahl der ungerechtfertigten Krankmeldungen auffällig. Als krankgemeldet galten nach Ansicht des Oberkommandos nur diejenigen Arbeitskräfte, die ein ärztliches Attest vorlegen konnten.1387 Im Falle einer leichten Erkran1382 Vgl. Mitteilung des Forstamtmanns aus Herlasgrün vom 31.01.1941. Betreff  : Einsatzbedingungen der Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1383 Vgl. ebd. 1384 Vgl. ebd. 1385 Vgl. Mitteilung der Forstrevierverwaltung Bergen-Neudorf an das Forstamt Plauen vom 19.02.1941. Betreff  : Kriegsgefangeneneinsatz für den Holzeinschlag. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1386 Mitteilung des Oberkommandos der Wehrmacht an den Reichsforstmeister vom 23.03.1943. Betreff  : Ungenügende Arbeitsleistung der in der Forstwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1387 Vgl. ebd.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

kung hatte der Einsatzträger während der Ausfallzeit weiterhin für die Verpflegung aufzukommen, konnte allerdings die Entgeltzahlungen an das Stalag einstellen. Bei schweren oder andauernden Krankheiten wurde der Kriegsgefangene an das Stalag zurückgegeben und durch eine neue Kraft ersetzt.1388 Weil auch ein Interesse der Forstwirtschaft an der Erhöhung der Arbeitsleistung und der Herabsetzung des Krankenstandes vermutet wurde, wies das Oberkommando der Wehrmacht die Betriebe 1943 an, die Wachmannschaften durch eigenes Personal aufzustocken. Außerdem wurden die Kompetenzen der Wachmannschaften erweitert. Dem Oberkommando ging es nicht mehr nur um die Bewachung, sondern auch um die Überwachung der Arbeitsleistung. Nachlässige Kriegsgefangene sollten bei abweichendem Verhalten diszipliniert werden. Dazu waren die Arbeitskräfte den Wehrmachtdienststellen zu melden. Die Bestrafung erfolgte dann durch die Wehrmacht selbst und oblag nicht den Einsatzträgern.1389 Kriegsgefangene konnten zudem ebenso wie zivile Ausländer zur Bestrafung und zur Disziplinierung in die deutschen Justizvollzugsanstalten eingewiesen werden. Handelte es sich um französische oder belgische Kriegsgefangene, sollten sie ab Januar 1945 in das Zuchthaus Brandenburg (Havel)-Gören überführt werden. Dies galt auch für diejenigen französischen Kräfte, die von der Kriegsgefangenschaft beurlaubt waren.1390 Die Beurlaubung der Soldaten war im Zuge der ›transformation‹ erfolgt, durch die man die Kriegsgefangenen in den Zivilstatus überführt hatte.1391 Für alle anderen Kriegsgefangenen, abgesehen von denjenigen aus Frankreich und Belgien, war ab 1945 das in Sachsen gelegene Zuchthaus Waldheim zuständig. Wie zivile Ausländer wurden auch Kriegsgefangenen, befanden sie sich in einer Haftanstalt, zur Arbeit herangezogen.1392 Ähnlich wie bei den Gefangenenwachtmeistern der Untersuchungshaftanstalt Plauen stellte das Oberkommando der Wehrmacht mit der Initiative zur Erhöhung der Arbeitsleistung auch die Nachlässigkeiten der Wachposten bei der Bewachung und Meldung von Kriegsgefangenen unter Strafe. So sind »[u]ngeeignete Vorgesetzte und Wachmannschaften […] abzulösen, ggf. zu bestrafen. […] Gegen Drückeberger [unter den Kriegsgefangenen] muß scharf durchgegriffen werden.«1393 Das Ober1388 Vgl. Mitteilung des Forstamtmanns aus Herlasgrün vom 31.01.1941. Betreff  : Einsatzbedingungen der Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1389 Vgl. Mitteilung des Oberkommandos der Wehrmacht an den Reichsforstmeister vom 23.03.1943. Betreff  : Ungenügende Arbeitsleistung der in der Forstwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1390 Vgl. Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte und Vollzugsanstalten vom 05.01.1945. Betreff  : Strafvollzug an Kriegsgefangenen. Hier  : Zuständigkeit der Vollzugsanstalten. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 47, Fol. 128. 1391 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 64–65. 1392 Vgl. Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte und Vollzugsanstalten vom 05.01.1945. Betreff  : Strafvollzug an Kriegsgefangenen. Hier  : Zuständigkeit der Vollzugsanstalten. In  : StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 47, Fol. 128. 1393 Vgl. Mitteilung des Oberkommandos der Wehrmacht an den Reichsforstmeister vom 23.03.1943.

375

376 | 

Zwangsarbeit in Plauen

kommando der Wehrmacht hoffte, die Arbeitsleistung der Kriegsgefangenen durch Strafandrohung und Abschreckung zu erhöhen. Konformes Verhalten unter deutschen Aufsehern sollte ebenfalls durch Strafandrohung erreicht werden. Trotz der durch das Oberkommando der Wehrmacht überarbeiteten Bewachungsvorschriften für Kriegsgefangene konnte das Forstamt Plauen den gesonderten Holzschlag für die Wehrmacht1394 nicht leisten. Da im Oktober 1943 immer noch zu wenig Arbeitskräfte zur Verfügung standen, sollten die in den Wintermonaten wenig beschäftigten Bauern des Plauener Umlandes zusammen mit den auf ihren Gütern beschäftigten Kriegsgefangenen in die Forstwirtschaft übernommen werden. Damit nutzte das Forstwesen weiterhin die durch den Einsatz in der Landwirtschaft entstandenen Strukturen. Die Kriegsgefangenen verblieben in den bereits von den bäuerlichen Betrieben genutzten Lagern. Durch die Verpflichtung der Bauern und der Kriegsgefangenen profitierte die Forstwirtschaft von zusätzlichen Arbeitskräften.1395 Das Arbeitsamt Plauen hatte bereits im Vorjahr mitgeteilt, dass keine ausländischen Arbeitskräfte für die Forstwirtschaft zur Verfügung standen.1396 Für den Wintereinschlag verpflichtete das Forstamt 14 Arbeitskräfte aus landwirtschaftlichen Betrieben in Bergen, Werda, Poppengrün und Neustadt. Darunter befanden sich sechs Kriegsgefangene, die bis auf einen Serben alle aus Frankreich stammten.1397 Für den ›Kriegsgefangeneneinsatz‹ in der Land- und der Forstwirtschaft kann festgestellt werden, dass die beiden Bereiche ebenso wie die gesamte deutsche Wirtschaft immer essenzieller vom Arbeitskräftemangel betroffen waren. Zum Jahreswechsel 1943/44 konnte die Forstwirtschaft aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen und musste auf Kräfte aus der Landwirtschaft zurückgreifen. Dadurch kann auf eine erhöhte Beanspruchung der Ausländer, aber auch der deutschen Bauern geschlossen werden. Die Arbeit im Wald und auf den Feldern war körperlich anstrengend und zehrend. Erfolgte die Versorgung im Lager, ist von einer schlechteren Ernährungslage auszugehen. Durch die kleinen Arbeitskräftetrupps, die in der deutBetreff  : Ungenügende Arbeitsleistung der in der Forstwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1394 Vgl. Mitteilung des Oberforstmeisters in Plauen an die umliegenden Reviere vom 19.11.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1395 Vgl. Mitteilung des Oberforstmeisters der Stadt Plauen an die Prüfstelle für die sächsische Gemeinde-, Körperschafts- und Stiftsforsten bei der Landesforstverwaltung in Dresden vom 22.10.1943. Betreff  : Zusätzliche Arbeitskräfte für den Wintereinschlag aus der Landwirtschaft. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1396 Vgl. Mitteilung des Oberforstmeisters in Plauen an die umliegenden Reviere vom 19.11.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert. 1397 Vgl. Mitteilung der Forstrevierverwaltung Bergen-Neudorf an das Forstamt vom 11.12.1943. Betreff  : Anforderung von Hilfskräften für den Holzeinschlag 1943/44. In  : StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

schen Forstwirtschaft in den Wäldern eingesetzt wurden, waren die Kriegsgefangenen ebenso wie in der Landwirtschaft stark von den persönlichen Einstellungen ihrer Vorarbeiter und des Wachpersonals abhängig. Die forstwirtschaftlichen Einsatzträger im Plauener Umland zeigten sich 1940/41 zufrieden mit der Leistung der Kriegsgefangenen, was bestehende Ressentiments im Umgang überschrieben haben dürfte. Für den Zuständigkeitsbereich des Plauener Forstamtes ist festzustellen, dass die Kriegsgefangenenlager über eine ähnliche Ausstattung wie die der zivilen Italiener verfügten. Dagegen war der körperliche Zustand vor allem der in Pausa internierten und in der Landwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen schlecht. Schuhwerk und Kleidung der vermutlich aus Frankreich stammenden Soldaten waren zerschlissen, Schichten von bis zu 13 Stunden sowie An- und Abmarsch zu Fuß dürften kräfteraubend gewesen sein. Freizeit gab es ebenso wenig wie Wechselkleidung oder die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Körperhygiene. Ein schneller körperlicher Verfall und Arbeitsunfähigkeit dürften die Folge gewesen sein. Fielen Kriegsgefangene längere Zeit aus, zog die Wehrmacht sie bei ihren Einsatzträgern ab, schickte sie zurück ins Stalag und tauschte sie gegen eine arbeitsfähige Kraft aus. In der Folge dürften in den Stalag Siechenstationen entstanden sein, die Lebensbedingungen aufwiesen, wie sie vergleichbar bereits für das Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ geschildert wurden. In der Forstwirtschaft sank die Leistungsfähigkeit der Kriegsgefangenen aufgrund mangelnder Ernährung bis 1943 rapide ab. Außerdem waren 1942 die sowjetischen Kriegsgefangenen in den Arbeitseinsatz übernommen worden. Die von den lebensbedrohlichen Haftbedingungen gekennzeichneten Soldaten waren zu schwach für die schwere Arbeit im Forst, weshalb die Durchschnittsleistung der im Reich eingesetzten Kriegsgefangenen zusätzlich sank. Auch in der Landwirtschaft dürfte die Durchschnittsleistung durch den Einsatz sowjetischer Kriegsgefangener gesunken sein. Sofern sie lagerverpflegt wurden, besserte sich ihre körperliche Konstitution auch mit den veränderten Einsatzbedingungen nicht. Die Wehrmacht reagierte auf die abgesunkene Arbeitsleistung in der Forstwirtschaft, indem sie Häftlinge unter den Generalverdacht der ›Arbeitsbummelei‹ stellte. Hatten sich die Einsatzträger zu Beginn des Kriegsgefangeneneinsatzes noch zufrieden mit den Leistungen gezeigt, entstand nun ein Überwachungssystem, das demjenigen in den Industriebetrieben ähnelte. Strafandrohung und Abschreckung sollten für eine bessere Arbeitsleistung sorgen. Dass sich eine gesteigerte Überwachung und Disziplinierung positiv auf die Arbeitsleistung auswirkte, bleibt hier zu bezweifeln. Auch Kriegsgefangene konnten, wenn sie diszipliniert werden sollten, in die Maschinerie der deutschen Gefängnisse geraten, die sie wiederum bei schlechter Ernährung zu schwerer Arbeit in der Kriegswirtschaft einsetzte. Damit kann festgehalten werden, dass sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Land- und Forstwirtschaft im Laufe des Krieges aufgrund von mangelnder Ernährung und harter Arbeit deutlich verschlechterten. Wurden die Kriegsgefangenen in die deutschen Gefängnisse eingeliefert, waren sie den widrigen Haftbedingungen und dem Terrorapparat der Nationalsozialisten ausgeliefert.

377

378 | 

Zwangsarbeit in Plauen

4.4.3 Kriegsgefangene in der Industrie

Während für die Plauener Land- und Forstwirtschaft hauptsächlich französische Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz nachgewiesen werden konnten, bediente sich die lokal ansässige Industrie in größerem Umfang der Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion. Damit ist mit der Rüstungsproduktion ein drittes Einsatzgebiet für Kriegsgefangene im Deutschen Reich zu betrachten. Im Folgenden soll nun anhand der Überlieferung zur VOMAG untersucht werden, welche Arbeiten die 369 sowjetischen Kriegsgefangenen bei dem Panzermonteur ausübten, ob sie über eine berufliche Vorbildung verfügten und wie ihr Lager organisiert war. Die Überlieferung zu den Adoros Teppichwerken Uebel in Adorf i. V. gibt Aufschluss über die Arbeitszeiten Kriegsgefangener in der Rüstungsindustrie. Die über eine Rüstungsfertigung verfügenden Teppichwerke setzten in ihrer Produktion im Gegensatz zur VOMAG ausschließlich britische und amerikanische Kriegsgefangene ein. Wie bereits für ausländische Zivilarbeiter in der Industrie festgestellt werden konnte, glichen sich die Arbeitszeiten der Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter sowohl denen der Westarbeiter als auch denen der Deutschen an, da die Ausländer stets deutschen Vorarbeitern zugeteilt waren. Beendeten die Vorarbeiter ihre Schicht, galt dies oft auch für die ihnen unterstellten ausländischen Arbeitskräfte. Diese These wird für die Kriegsgefangenen in den Teppichwerken Uebel zu überprüfen sein. Eine erste deutliche Ausweitung der Beschäftigung von Kriegsgefangenen in der deutschen Industrie kann auf das Jahr 1942 datiert werden. Mit dem Russlandfeldzug brachten die Aktionen der Wehrmacht eine große Zahl an sowjetischen Kriegsgefangenen in die Frontlager.1398 Mit der Entscheidung für ihren Arbeitseinsatz wurden die sowjetischen Kriegsgefangenen, sofern sie in den Lagern der Wehrmacht überlebt hatten, nach und nach auf Stammlager im Reich und schließlich auf einzelne Firmen auch in der Rüstungsindustrie verteilt. Dem war ein langer Entscheidungsfindungsprozess vorausgegangen. Erst nach zähem Ringen zwischen Ideologie und wirtschaftlichen Bedürfnissen hatte sich die nationalsozialistische Regierung für den Einsatz der Kriegsgefangenen in der deutschen Wirtschaft ausgesprochen. In einem Rundschreiben vom 24. Dezember 1941 teilte Generalfeldmarschall Keitel den Arbeitsverwaltungsbehörden im Auftrag Hitlers mit, dass der »Arbeitseinsatz von Kr.Gef. noch erheblich an Bedeutung gewonnen«1399 habe. Grund für den gestiegenen Wert des Kriegsgefangeneneinsatzes in der Rüstungsindustrie war die Notwendigkeit, bisher als unabkömmlich beschäftigte Arbeitskräfte als Soldaten für die Front freizustellen. Die Kriegsgefangenen, hier im Besonderen die russischen, sollten die Arbeiter ersetzen.1400 1398 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 124. 1399 Vgl. Abschrift zum Rundschreiben IV g 3059/42 des Chef des Oberkommandos der Wehrmacht vom 24.12.1941. In  : StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert. 1400 Vgl. ebd.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

Damit war natürlich nicht die Arbeit an qualifizierten Positionen in den Rüstungsbetrieben gemeint. Die Beschäftigung sowjetischer Kräfte an Schlüsselpositionen war weiterhin ausgeschlossen. Wie anhand der in der VOMAG eingesetzten Kriegsgefangenen noch zu zeigen sein wird, waren ihnen wie den zivilen Ostarbeitern lediglich Hilfsarbeiten oder körperlich schwere Transportarbeiten vorbehalten. Erste Erfahrungen machte die Wirtschaft mit sowjetischen Kriegsgefangenen im Bergbau. Hier war die Zwangsarbeitergruppe vor allem von ihrer hohen Mortalität gekennzeichnet. Manfred Grieger definiert sechs Faktoren, die kumulativ zu einem erhöhten Sterberisiko führten. Diese waren »die unzureichende Ernährung, Infektions- und Seuchengefahr infolge mangelnder Hygiene, die schlechte medizinische Versorgung, die besonderen Unfallgefahren, die Repression und der Terror sowie der geringere Schutz vor dem Bombenkrieg[.]«1401 In den vorhergehenden Kapiteln wurden die Einflüsse bereits für die verschiedenen Gruppen ausländischer Zivilarbeiter überprüft. Dabei konnte Griegers Einschätzung bestätigt werden, dass die genannten Faktoren mit Einschränkungen auch das Sterberisiko unter den Ostarbeitern sowie bei Kriegsgefangenen anderer Nationen hoben. Gerade italienische Militärinternierte waren von der Rache des NS-Regimes am ehemaligen Verbündeten und tiefsitzenden Ressentiments in der deutschen Arbeiterschaft, die den Umgang mit den IMI am Arbeitsplatz negativ beeinflussten, betroffen.1402 Nach der Entscheidung für den Einsatz sowjetischer Kriegsgefangener erhielt auch die in der Panzerfertigung tätige VOMAG neue Arbeitskräfte. Zwischen Februar 1942 und Kriegsende beschäftigte das Plauener Unternehmen 369 sowjetische Kriegsgefangene. Die meisten unter ihnen verließen Plauen allerdings noch auf dem Höhepunkt des Bombenkriegs. Ab Dezember 1944 sank die Zahl der beschäftigten Kriegsgefangenen stetig.1403 Einer der Ersten, die ihre Arbeit bei der VOMAG aufnahmen, war Alexander Kurilow aus Sergejewska. Der am 30. August 1921 geborene Ukrainer arbeitete bis Ende 1943 als Spitzendreher.1404 Die sowjetischen Kriegsgefangenen waren im Schnitt mehrere Monate im Plauener Unternehmen eingesetzt, Kurilows Beschäftigungsdauer von über einem Jahr war dabei eine Ausnahme, wie der Fall Baran zeigt. Der als Transportarbeiter eingesetzte Iwan Baran verließ die VOMAG schon am Tag seiner Ankunft wieder.1405 Welche Gründe sich hinter dem Abzug der Kriegsgefangenen aus der VOMAG verbargen, kann nur vermutet werden. Eine mögliche Erklärung kann das Verfahren der Wehrmacht sein, arbeitsunfähige 1401 Grieger (2010)  : Eine Zwischenbilanz, S. 93. 1402 Vgl. ebd., S. 93–94. 1403 Vgl. Aufstellung der beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen bei der VOMAG vom 14.01.1946. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 133–170. 1404 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 12, 2.1.4.1 / 70955276/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1405 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 4, 2.1.4.1 / 70955268/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

379

380 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Kriegsgefangene vom Einsatzträger abzuziehen und in das zuständige Stalag zurückzuschicken. Einen Hinweis auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der VOMAG gibt der Fall von Nikolaj Filatow. Der Sowjet, geboren am 18. Dezember 1920 in Filosofka, verließ das Unternehmen knapp fünf Wochen nach seiner Ankunft in Plauen. Ab dem 30. Oktober 1943 als Bauarbeiter eingesetzt, gelang ihm am 3. Dezember als Einzigem die Flucht.1406 Das Verschwinden Filatows fällt mit dem Bericht des Rüstungskommandos Chemnitz im Januar 1944 zusammen, in dem es feststellte, dass die Arbeitskräfte der VOMAG wegen der Schwere der Arbeit bei der Panzerfertigung überlastet waren. Zahlreiche Krankmeldungen und anderweitig begründetes oder unbegründetes Fehlen waren die Folge. Die Überlastung resultierte aus der Anweisung, die Panzerproduktion um 50 Prozent zu steigern, während 300 Arbeitskräfte zu wenig zur Verfügung standen.1407 Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die beschwerliche Situation für die Arbeitskräfte der VOMAG nicht erst im Januar 1944 entwickelte, sondern schon in den Monaten zuvor spürbar war. Obwohl der Bericht des Rüstungskommandos lediglich auf die Facharbeiter in der Panzerfertigung abzielte, ist weiterhin davon auszugehen, dass die Arbeit in der VOMAG gerade für die stark diskriminierten Sowjets körperlich zehrend war und die Gesundheit schwer belastete. Wurden die sowjetischen Kriegsgefangenen in der Industrie ebenso schlecht ernährt, wie es für die Plauener Land- und Forstwirtschaft nachgewiesen werden konnte, ist davon auszugehen, dass Arbeitsunfähigkeit der Grund für die kurzen Dienstzeiten bei der VOMAG war. Besonders beschwerliche Arbeiten fielen für die sowjetischen Kriegsgefangenen im Bauwesen an. Julia Hildt stellte fest, dass gewerblich eingesetzte Kriegsgefangene aus der Sowjetunion hauptsächlich für Erdbewegungsarbeiten herangezogen wurden.1408 In der VOMAG waren 39 der 369 Kriegsgefangenen als Bauarbeiter eingesetzt.1409 Diese wurden vermutlich für die unternehmenseigenen Bauprojekte herangezogen. Zu diesen Projekten gehörte die Aushebung der Stollenanlagen im Zuge der Verbesse1406 Vgl. Aufstellung der beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen bei der VOMAG vom 14.01.1946. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 154. 1407 Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15 und 15 Rückseite. 1408 Vgl. Hildt, Julia (2010)  : Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion in Bonn. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 209. 1409 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 4, 2.1.4.1 / 70955268/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen bis Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 23, 2.1.4.1 / 70955287/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

rung des Luftschutzes. Da die Arbeiten in den Stollen 1943 aufgenommen wurden1410, ist eine Beteiligung der sowjetischen Kriegsgefangenen denkbar. Mit 55 Personen waren die meisten sowjetischen Kriegsgefangenen als Transportarbeiter eingesetzt.1411 Dazu bedurfte es keiner besonderen beruflichen Qualifikation. Die Kriegsgefangenen mussten schwere Lasten befördern, weshalb der Einsatz schwere körperliche Arbeit bedeutete. In der VOMAG transportierten die sowjetischen Kriegsgefangenen beispielsweise Späne.1412 Weitere 86 der 369 Soldaten wurden zu Hilfsarbeiten aller Art herangezogen. Während der Einsatz einiger Kräfte nicht genauer definiert war, war der Mehrzahl unter ihnen ein Aufgabenbereich zugewiesen worden. So waren die Kriegsgefangenen als Hilfsschlosser, Hilfselektriker, Hilfsfräser oder Hilfsdreher eingesetzt.1413 Außer als Bauarbeiter und Hilfskräfte nutzte die VOMAG die sowjetischen Kriegsgefangenen aber auch auf qualifizierteren Positionen, wie in der Gießerei, als Elektriker, Werkzeugschlosser, Abschneider, Autoschlosser, Gussputzer oder Zimmermann. Diejenigen Ausländer, die über keine dem Betrieb nützliche berufliche Vorerfahrung verfügten, führte die VOMAG einem Anlernprozess zu.1414 Es ist davon auszugehen, dass die im Unternehmen angelernten Ausländer nach Abschluss der Anlernphase als Hilfsarbeiter eingesetzt wurden und dabei unter Aufsicht eines deutschen Vorarbeiters standen. Für handwerklich vorgebildete Sowjets dürfte dies auch gegolten haben, jedoch war ihr Dienst nicht mehr nur auf Zuarbeit beschränkt. Auch für die Erfüllung bestimmter Organisationsaufgaben im Kriegsgefangenenlager wurden sie eingesetzt. So halfen sie in der Küche oder besetzten den Dolmetscherposten.1415 Unter den Kriegsgefangenen gab es außerdem einen Sanitäter1416, einen Schuster und andere Kräfte, die im Innendienst eingesetzt waren1417. Diese Kräfte 1410 Vgl. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Historische Erkundung VOMAG, S. 34. 1411 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 4, 2.1.4.1 / 70955268/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen bis Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 23, 2.1.4.1 / 70955287/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1412 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 21, 2.1.4.1 / 70955285/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1413 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 4, 2.1.4.1 / 70955268/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen bis Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 23, 2.1.4.1 / 70955287/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1414 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 5, 2.1.4.1 / 70955269/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1415 Vgl. Aufstellung der beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen bei der VOMAG vom 14.01.1946. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 133–170. 1416 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 17, 2.1.4.1 / 70955281/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1417 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 11, 2.1.4.1 / 70955275/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen  ; Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 17, 2.1.4.1 / 70955281/ ITS Digital Archive, Bad Arol-

381

382 | 

Zwangsarbeit in Plauen

waren für die Versorgung der anderen im Lager befindlichen sowjetischen Kriegsgefangenen verantwortlich. Wie bereits für die Ostarbeiter festgestellt werden konnte, besetzten Arbeitseinsatzverwaltung und Einsatzträger Positionen, die bedeutend für die Lagerverwaltung waren, ebenfalls mit Ausländern, die einerseits die Gepflogenheiten ihrer Landsleute berücksichtigen sollten und zum anderen Zeichen der Diskriminierung waren. Besonders gut ließ sich dieses Vorgehen bei der Krankenversorgung nachvollziehen. Das Arbeitsamt setzte in der speziell für Ostarbeiter vorgesehenen Krankenbaracke am Stadtkrankenhaus ausschließlich Ostpersonal ein. Oft verfügten die in der Lagerverwaltung oder mit der Versorgung ihrer Landsleute beschäftigten Ausländer neben einer beruflichen Qualifikation auch über entsprechende Sprachkenntnisse, wie anhand des Polenlagers in Steinicht nachgewiesen werden konnte. Als Dolmetscher setzte die VOMAG Aleksander Ibragimow, geboren am 25. November 1919 in Simferopol, über die gesamte Zeit ein, in der Kriegsgefangene beschäftigt waren.1418 Vermutlich führte er noch weitere Aufgaben in der Lagerverwaltung aus, da er sich mit den deutschen Bewachern verständigen und somit die Interessen der Lagerinsassen vertreten konnte. Für die VOMAG sind, obwohl es sich bei den sowjetischen Kriegsgefangenen um jene Kräfte handelte, denen das Reich den völkerrechtlichen Schutz der Genfer Konventionen rücksichtslos verweigerte1419, keine Todesfälle verzeichnet. Demnach ist davon auszugehen, dass auch für den Luftschutz der Kriegsgefangenen im Unternehmen Sorge getragen wurde. Wahrscheinlich wurden die Kriegsgefangenen für das Unternehmen mit Kriegsverlauf zu unverzichtbaren Arbeitskräften. Führten sie handwerksspezifische Arbeitsgänge aus, ist weiterhin davon auszugehen, dass ihr Einsatz nicht in Kolonnen erfolgte. Ausgenommen sind hier sicherlich die Bauarbeiter. Auf den Baustellen im Gelände der VOMAG waren sie wohl ähnlich wie die Häftlinge der Untersuchungshaftanstalt Plauen in größeren Gruppen eingesetzt. Dementsprechend konnten die sowjetischen Kriegsgefangenen, sofern sie als Elektriker oder Schlosser oder Gussputzer arbeiteten, bei der Belegschaft auf kollegiale Behandlung hoffen. Nichtsdestotrotz war der Einsatz beim Panzermonteur schwere körperliche Arbeit, die die Kriegsgefangenen auszehrte und schließlich in nur wenigen Monaten zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben könnte, so wie es das Rüstungskommando Chemnitz im Januar 1944 für die gesamte Belegschaft festgestellt hatte.1420 sen. Vgl. außerdem Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 18, 2.1.4.1 / 70955282/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 1418 Vgl. Aufstellung der beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen bei der VOMAG vom 14.01.1946. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen, Fol. 137. 1419 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 99. 1420 Vgl. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger. In BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18, Fol. 15 und 15 Rückseite.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

Wie bereits einleitend diskutiert wurde, war der Einsatz der Kriegsgefangenen aus dem Westen Europas schon ab 1940/41 nicht mehr nur auf die Landwirtschaft beschränkt. Obwohl die Beschäftigung der Ausländer in der Rüstungsindustrie dem internationalen Völkerrecht widersprach, wurden die sächsischen Rüstungsunternehmen nicht mehr daran gehindert, Kriegsgefangene in ihre Produktionen aufzunehmen.1421 Der Einsatz in der Industrie war im Verlauf des Zweiten Weltkrieges für Kriegsgefangene aller Nationen Usus geworden. Da die Überlieferung für die Plauener Industrie nur schlaglichtartig vorhanden ist, soll für die Betrachtung der Arbeitszeit der in der Rüstungsproduktion eingesetzten Kriegsgefangenen ein Unternehmen aus dem benachbarten Adorf herangezogen werden. Wie die in Plauen ansässigen Textilunternehmen nahmen auch die Adoros Teppichwerke Uebel eine Umstrukturierung ihrer Produktion erst relativ spät vor. Ob es sich bei der »Rüstungsfertigung in den höchsten Dringlichkeitsstufen«1422 um eine Betriebsverlagerung handelte oder die Teppichfabrik selbst eine Produktion aufgenommen hatte, soll an dieser Stelle nicht weiter von Belang sein. Es ist zu vermuten, dass die kriegswichtige Fertigung erst Mitte des Jahres 1944 aufgenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen Uebel vier britische Kriegsgefangene erhalten, die es in entsprechender Form einsetzte. Die Kriegsgefangenen arbeiteten im Juni 1944 von Montag bis Freitag jeweils von sieben bis 17 Uhr. Pro Tag stand ihnen eine Pause von 30 Minuten zu, die sie jedoch nicht täglich in Anspruch nahmen oder nehmen konnten. Die Abrechnung des Stundenzettels legt nahe, dass eine normale Schicht zehn Stunden abzüglich einer halben Stunde Pause umfasste. Die Kriegsgefangenen leisteten allerdings auch kürzere Schichten ab. So war der Kriegsgefangene George Wilson zusammen mit James Johnson und Charles Barnes am 19. Juni 1944 nur von 7 bis 12 Uhr im Einsatz, wohingegen der Kriegsgefangene Charles Wicks zehn Stunden ableistete.1423 Ende Juni 1944 wurde dann die Arbeitszeit der Kriegsgefangenen ausgeweitet. Nun waren auch an Samstagen Dienste abzuleisten, die bei den Briten die Zeit von 7 bis 12 Uhr umfassten. Gleichzeitig wurden die Pausenzeiten erweitert. Den Briten standen nun 90 plus 30 Minuten zu, die jedoch auch nicht an jedem Tag gewährt wurden.1424 Die Dienstzeiten 1421 Rundschreiben Nr. 160/40 des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.12.1940. Betreff  : Merkblatt über den Einsatz von Kriegsgefangenen. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5, Fol. 62. 1422 Mitteilung des Technischen Büros der Adoros Teppichwerke Uebel, Adorf, an die Organisation Todt, Einsatzgruppe Kyffhäuser, Baracken-Aktion in Dresden vom 03.01.1945. Betreff  : Unterbringung von Gefangenen, eingesetzt in Rüstungsfertigung. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1423 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 20.06.1944. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 14.–20.06.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1424 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 21.–27.06.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert.

383

384 | 

Zwangsarbeit in Plauen

blieben bis in den Juli 1944 annähernd beständig, bevor die Firmenleitung der Adoros Teppichwerke Uebel verfügte, dass den Kriegsgefangenen nun kein freier Tag in der Woche zu gewähren war. Ab 12. Juli 1944 wurden Johnson, Wilson, Wicks und Barnes an sieben Tagen eingesetzt. Verkürzte Dienste gab es lediglich am Wochenende, dafür entfielen Pausenzeiten.1425 Festzustellen ist für den Einsatz der Kriegsgefangenen in den Teppichwerken, dass die Kontinuität der Dienste wenige Wochen nach Arbeitsaufnahme zu schwanken begann. Waren zwischen dem 26. Juli und dem 1. August 1944 lediglich Wilson und Barnes an nur einem Tag der Woche für wenige Stunden eingesetzt1426, wechselten sich die Dienste der vier Briten in der ersten Septemberwoche beinah täglich ab.1427 Am 16. September wurden die englischen Kriegsgefangenen dann durch vier Amerikaner ersetzt.1428 Als Paul Marquez, Eugene Jeime, Thomas Seal und George Hill ihren Dienst in Adorf antraten, nutzte das Unternehmen den Personalwechsel, um die Arbeitszeiten ein weiteres Mal auszuweiten. Die Amerikaner wurden täglich elf Stunden eingesetzt, erhielten weniger Pausen und auch die Sonntagsarbeit blieb bestehen. Die Kriegsgefangenen wurden ab Oktober regelmäßig an Samstagen von 7 bis 12.30 Uhr und an Sonntagen von 9 bis 15 Uhr zur Arbeit herangezogen. Pausen standen ihnen bei elf Arbeitsstunden im Umfang von 90 Minuten zu. Waren sie lediglich von 7 bis 12.30 Uhr eingesetzt, betrug die Pause 30 Minuten.1429 Bis Jahresende variierten die Wochenendarbeitszeiten stark. Ab Oktober verlangte das Teppichwerk an Samstagen Anwesenheit von 8.30 bis 14 Uhr, an Sonntagen waren die Kriegsgefangenen von 8 bis 15 Uhr am Arbeitsplatz.1430 Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag und 1425 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 12.07.–18.07.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1426 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 26.07.–01.08.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1427 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 06.–12.09.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1428 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 13.–15.09.1944 und amerikanische Kriegsgefangene vom 16.–19.09.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1429 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 17.10.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 11.–17.10.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1430 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 14.11.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 08.–14.11.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert.

Der Einsatz von Kriegsgefangenen |

an Neujahr entfiel die Arbeit.1431 Die Arbeitszeiten der amerikanischen Kriegsgefangenen blieben bis einschließlich Februar 1945 weitestgehend konstant, während verschiedene Arbeitskräfte unterschiedlich oft eingesetzt wurden. Die Adoros Teppichwerke hatten bereits im Oktober 1944 zwei weitere amerikanische Kriegsgefangene für ihre Produktion erhalten1432, im Dezember beschäftigte das Unternehmen nur noch fünf Kriegsgefangene1433, bevor der Bestand vor Jahresende sogar auf acht anwuchs.1434 Im Januar 1945 war der Höchststand mit zehn amerikanischen Kriegsgefangenen in der rüstungswichtigen Produktion bei den Teppichwerken Uebel in Adorf erreicht.1435 Danach nahm die Zahl der Ausländer sukzessive ab. Im Februar 1945 waren nur noch sechs Amerikaner beschäftigt.1436 Durch den häufigen Personalwechsel dürfte der ›Kriegsgefangeneneinsatz‹ in den Teppichwerken behindert worden sein. Die Ausländer wurden von der Wehrmacht so schnell wieder abgezogen, dass sie sich vermutlich kaum in die Arbeitsprozesse hatten einarbeiten können, 1431 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 19.12.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 13.–19.12.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. Vgl. für Weihnachten 1944  : Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 27.12.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 20.–26.12.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. Vgl. zu Neujahr  : Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 02.01.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 27.12.1944–02.01.1945. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1432 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 10.10.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 04.–10.10.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1433 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 12.12.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 06.–12.12.1944. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1434 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 02.01.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 27.12.1944–02.01.1945. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1435 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 09.01.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 03.–09.01.1945. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert. 1436 Vgl. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 27.02.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 21.–27.02.1945. In  : StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert.

385

386 | 

Zwangsarbeit in Plauen

was zu einem langsamen Arbeitstempo und niedriger Arbeitsleistung geführt haben muss. Vergleicht man nun die von den englischen und amerikanischen Kriegsgefangenen in den Adoros Teppichwerken Uebel geleisteten Arbeitsstunden mit denen der Ostarbeiterinnen in der Tegewe in Plauen, lässt sich feststellen, dass sie sich einander annäherten. Berücksichtigt man die Pausen der Engländer und Amerikaner nicht, ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 64,5 Stunden, die damit sogar noch unter der der Ostarbeiterinnen gelegen haben dürfte. Dafür entfiel bei den Russinnen die Arbeit an Sonn- und Feiertagen, während die Kriegsgefangenen ab Juli 1944 sonntags herangezogen wurden. Allerdings muss für die Verfügbarkeit freier Zeit an Feiertagen bei den Ostarbeiterinnen eine Einschränkung gemacht werden, denn den Einsatzträgern wurde von der Arbeitseinsatzverwaltung die Möglichkeit eingeräumt, Arbeit anzuordnen. Die Anordnung galt dann für den gesamten Betrieb und schloss auch Deutsche ein. Anhand der Untersuchung zu den Arbeitszeiten der bei den Adoros Teppichwerken eingesetzten Kriegsgefangenen kann festgehalten werden, dass auch ihre Dienste denen deutscher Arbeitskräfte in der Industrie durchaus entsprochen haben können. Da die deutschen Industriearbeiter 1944 eine Ausweitung ihrer Arbeitszeit auf 72 Wochenstunden inklusive Pausen erfahren hatten, dürften ihre Arbeitszeiten denen der amerikanischen und englischen Kriegsgefangenen entsprochen haben. Weiterführend kann somit der Umfang der Arbeitszeiten wohl auch auf die sowjetischen Kriegsgefangenen in der VOMAG übertragen werden. Grund ist die allgemeine Abhängigkeit ausländischer Arbeitskräfte von deutschen Vorarbeitern oder Meistern. Zusammenfassend entsprach der ›Kriegsgefangeneneinsatz‹ in Plauen weitestgehend den Vorgaben der Arbeitseinsatzverwaltung. Ausgehend von der Landwirtschaft weitete er sich auf die Forstwirtschaft aus, die sich der bereits existierenden Strukturen bediente. Auch in der Rüstungsindustrie nutzten Plauener Unternehmen die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen. So wurden in der VOMAG sowjetische Internierte herangezogen, die nicht nur Hilfsarbeiten ausführten, sondern aufgrund handwerklicher Vorbildung vermutlich sogar als Fachkräfte eingesetzt wurden. Da es sich bei den Angaben aus der Zentralen Namenskartei des ITS sowie der Sammlung aus dem Stadtarchiv Plauen zum Einsatz der sowjetischen Kriegsgefangenen um Nachkriegsaufstellungen handelt, kann keine gesicherte Aussage darüber getroffen werden, ob die als Handwerker eingesetzten Ausländer tatsächlich Facharbeiter waren. Jedoch ließ die VOMAG auch den sowjetischen Kriegsgefangenen, ähnlich wie es schon für Ostarbeiterinnen in der Produktion von Osram nachgewiesen werden konnte, einen Anlernprozess zukommen, um sie effektiv einsetzen zu können. Dem wirkten die oft sehr kurzen Einsatzzeiten entgegen, wie sie in der VOMAG und in den Adoros Teppichwerken festgestellt wurden. Positiv auf die Arbeitsbedingungen besonders der sowjetischen Kriegsgefangenen dürfte sich zudem der Umstand ausgewirkt haben, dass sie bei qualifizierter Arbeit nicht in Kolonnen eingesetzt wurden. Dies galt jedoch nicht für die auf den Baustellen der VOMAG beschäftigten Sowjets. Vermutlich un-

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

terschied sich die körperliche Anstrengung in Land- und Forstwirtschaft nur bedingt von der in der Rüstungsindustrie. Gerade für die VOMAG meldete das Rüstungskommando aufgrund der schweren Arbeit in der Panzermontage essenzielle Personalausfälle. Angemerkt sei, dass die Kriegsgefangenen in der Land- und Forstwirtschaft sowie auf den Baustellen der VOMAG zusätzlich zur schweren Arbeit dem Wetter ausgesetzt waren. Außerdem waren die Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft nicht in der Nähe ihrer Arbeitsstelle untergebracht, sodass sie weite Anmarschwege bewältigen mussten. Hinzu kommt die mit 18 Stunden deutlich längere Arbeitszeit in den Sommermonaten, während die Kriegsgefangenen in der Industrie mit elf Stunden ganzjährig ähnliche Arbeitszeiten bestritten wie ihre deutschen Vorarbeiter. In der Landwirtschaft entfiel zudem freie Zeit an Sonn- und Feiertagen. Letztlich entschied bei den Kriegsgefangenen in und um Plauen wohl der Einsatzort mehr über ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen als ihre Nationalität, wobei die ausgesprochen schlechte Versorgung der Sowjets trotz Facharbeitereinsatz als negativ beeinflussender Faktor nicht zu vernachlässigen ist. Dass in der VOMAG inakzeptable Lebens- und Arbeitsbedingungen geherrscht haben müssen, dafür spricht außerdem die erfolgreiche Flucht eines sowjetischen Kriegsgefangenen. Schon bei den ausländischen Zivilarbeitern konnte festgestellt werden, dass besonders polnische Kräfte das Unternehmen in größerer Zahl verließen. 4.5 Der Einsatz von KZ-Häftlingen Als letzte und der stärksten Diskriminierung ausgesetzte Gruppe sind die KZ-Häftlinge zu betrachten. Auch sie fanden Einsatz in Plauen, wurden auf dem Stadtgebiet allerdings ausschließlich durch betriebsverlagerte Unternehmen genutzt. So trat Osram im Frühjahr 1944 mit dem SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt über den Einsatz von insgesamt 500 Häftlingen in den Verlagerungsstandorten Plauener Baumwollspinnerei und Industrie-Werke AG Plauen in Verhandlungen.1437 Die Plauener Verlagerungsstandorte gaben allerdings nach dem Krieg an, der Einsatz der KZHäftlinge sei auf Nachdruck der deutschen Behörden erfolgt. Während Osram beim SS-WVHA Vorabsprachen getroffen hatte, übernahm die Betriebsführung der Plauener Baumwollspinnerei die Feinabstimmung.1438 Ebenso wie Osram nutzte auch der Flugzeuggerätehersteller Dr. Th. Horn für seine Produktion in Plauen die Arbeitskraft aus dem KZ. Am 9. November 1944 nahm der Betrieb 50 Häftlinge in die Fertigung

1437 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 224. 1438 Vgl. Mitteilung Direktor Deimels und Frau Direktor Stümpfig an Rechtsanwalt Dr. Arthur Müller in Plauen vom 23.06.1945. Betreff  : Häftlingseinsatz in der Osram-Produktion. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489, nicht foliiert.

387

388 | 

Zwangsarbeit in Plauen

auf.1439 Als einziges Plauener Unternehmen bediente sich die VOMAG in ihrer in die Tüllfabrik Mehltheuer ausgelagerten Produktion der KZ-Häftlinge. Am 18. Oktober 1944 ging der erste von zwei Transporten ins Vogtland.1440 Im Folgenden sollen nun die Arbeits- und Lebensbedingungen der KZ-Häftlinge in den drei Lagern dargestellt werden. Da hier schon eine ganze Reihe von Publikationen existiert, soll der Fokus auf der Unterbringung, der Arbeitszeit, dem Lohn und der Ernährung liegen, um eine Vergleichbarkeit mit den Umständen herzustellen, denen die ausländischen Zivilarbeiter und die Kriegsgefangenen ausgesetzt waren. Die Bewachung der KZ-Häftlinge wird dann separat mit dem Werkschutz zu vergleichen sein. Die Entstehung der Konzentrationslager, ihre Funktion und Entwicklung sind bereits in die vorherigen Betrachtungen eingeflossen. Das KZ-System soll hier nicht noch einmal ausführlich beschrieben werden.1441 Bevor die einzelnen in Plauen produzierenden und KZ-Häftlinge beschäftigenden Unternehmen zu untersuchen sind, soll jedoch dargestellt werden, wie in der Praxis ein Betrieb Häftlinge für seine Produktion beantragen konnte. Außerdem ist zu klären, wie die weitere Organisation des Einsatzes gesteuert wurde. Denn mit wachsendem Arbeitskräftemangel im Kriegsverlauf wurden auch KZ-Häftlinge für die Rüstungsproduktion attraktiv. Zuvor wurden sie nur in den an die KZ angegliederten SS-eigenen Betrieben zur Arbeit gezwungen. Ihr Einsatz in der Privatwirtschaft war im September 1942 beschlossen worden, setzte sich aber erst durch, als im Herbst 1943 die Zahl der im Reich befindlichen zivilen ausländischen Arbeitskräfte stagnierte.1442 Verhandlungen zwischen SS und Industrie zum Einsatz in der Rüstungswirtschaft fanden allerdings schon ab 1941 statt. Der Erste, der auf KZ-Häftlinge in seiner Produktion zurückgriff, war der VW-Konzern. Ab Januar 1942 setzte er in seiner Leichtmetallgießerei nach einer Übereinkunft zwischen Geschäftsleitung der Volkswagenwerke und SS-Spitze die Arbeitskräfte aus dem KZ ein. Im Gegenzug zur Zurverfügungstellung der Kräfte hatte die SS Vorrechte bei der Belieferung mit Kradschützenwagen von VW erhalten.1443 Schon mit den Verhandlungen über einen potenziellen Einsatz der Häftlinge ging eine Radikalisierung der Arbeitskräftepolitik im NS-Staat einher. Aus der zuvor noch als kurzfristig proklamierten rüstungspolitischen Bestrebung wurde nun eine langfristige Planung, vor allem bei den Akteuren VW und IG Farben, die sich sogar auf die Nachkriegszeit bezog.1444

1439 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227. 1440 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 1441 Für einen detaillierten Überblick vgl. Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 9 Bde., München 2009. 1442 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 94–97. 1443 Vgl. Grieger (2010)  : Eine Zwischenbilanz, S. 94–96. 1444 Vgl. ebd., S. 95.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

Der Einsatz der KZ-Häftlinge erwies sich nach kurzer Zeit, ähnlich wie der der Kriegsgefangenen gegenüber dem anderer Zwangsarbeiter, als wirtschaftlich nicht lohnend für die Unternehmen.1445 Trotzdem setzte die umfassende Mobilisierung von KZ-Häftlingen als Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie im Sommer 1944 ein.1446 Hier lässt sich neuerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kriegsgefangeneneinsatz feststellen. Obwohl die Hereinnahme der internierten Soldaten in die Rüstungsfertigung als ungünstig empfunden wurde, meldete das Rüstungskommando Chemnitz schon im März 1941, dass ihm keine weiteren Kriegsgefangenen für den gewerblichen Einsatz zur Verfügung standen.1447 Hegte eine Firma nun Interesse, Häftlinge in ihrer Produktion einzusetzen, schaltete sie zuerst die für die Region zuständige KZ-Kommandantur ein. Von hier aus musste der entsprechende Antrag an das Amt D II im SSWVHA gestellt werden. Auf dem Gesuch vermerkt wurden die gewünschte Anzahl der Gefangenen, berufliche Vorbildung und das gewünschte Geschlecht. Erhielt der Antrag bei der Amtsgruppe Zustimmung, war das Unternehmen dafür zuständig, geeignete Unterkünfte zu stellen, die den Standards der SS entsprachen. So entstanden die KZ-Außenlager. Der An- und Abtransport zur Arbeitsstelle sowie die Bewachung der Gefangenen fielen in das Aufgabenfeld der SS. Wachpersonal konnte aber auch vom Unternehmen gefordert werden. Bezahlt wurden alle Aufseher aus einem Topf in der Amtsgruppe D. Die von der Firma zu entrichtende Gebühr für den ›Häftlingseinsatz‹ blieb allerdings nicht beim WVHA. Das Amt musste die Einnahmen an das Reichsfinanzministerium weiterleiten, da es sich bei den Konzentrationslagern um staatliche Einrichtungen handelte.1448 Alle Außenlager im Zuständigkeitsbereich der Plauener Behörden entstanden als Ableger des KZ Flossenbürg in der Oberpfalz.1449 Welches Hauptlager für die zu errichtenden Außenlager zuständig war, entschied die geographische Nähe.1450 Das Stammlager entstand 1938 nach dem Vorbild Dachaus und wurde bewusst nahe einem Steinbruch aufgebaut. Die Gründung war vor allem Überlegungen zum Arbeitseinsatz der Häftlinge geschuldet. Ziel war die Ausbeutung der Arbeitskraft. Bei den Ersten, die in Flossenbürg eingeliefert wurden, handelte es sich um die 1938 neu entstandenen Häftlingskategorien der ›Arbeitsscheuen‹ und ›Asozialen‹.1451 Als Teil des ersten SSGroßunternehmens, der Deutschen Erd- und Steinwerke (DESt) mussten die haupt1445 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 94–97. 1446 Vgl. Grieger (2010)  : Eine Zwischenbilanz, S. 95. 1447 Vgl. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Januar bis März 1941. Kriegsgefangeneneinsatz. In  : BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 6, Fol. 19–19 Rückseite. 1448 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 94–97. 1449 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 223. Vgl. außerdem  : Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227 und Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 11. 1450 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 97. 1451 Vgl. ebd., S. 88.

389

390 | 

Zwangsarbeit in Plauen

sächlich deutschen Internierten in Flossenbürg Naturstein abbauen sowie Ziegel und Klinkersteine herstellen. Neben dem KZ Flossenbürg war auch das KZ Mauthausen Teil der DESt.1452 Mit der Schaffung des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes und seiner Amtsgruppe D 1942 sicherte sich die SS, namentlich Heinrich Himmler und Oswald Pohl, die Verfügungsgewalt über die KZ-Häftlinge. Noch im gleichen Jahr strebte das WVHA nach Beteiligungen in der Rüstungsproduktion. Vorgesehen war der Aufbau SS-eigener Betriebe.1453 Durch Intervention Speers und die mangelnde Kenntnis der SS bei der Betriebsführung erfolgte fortan der ›Häftlingseinsatz‹ für die Rüstung in Privatunternehmen.1454 Ausgehend von den Stammlagern begann der Aufbau des weitverzweigten Außenlagersystems. Der Arbeitseinsatz in den KZ wurde von der Kommandantur und der Lager-SS gestaltet. Für die Bewachung und die innere Organisation entsendete das Stammlager entsprechend geschultes SS-Personal. Die Anleitung der Häftlinge bei der Arbeit erfolgte durch zivile Mitarbeiter des Rüstungsbetriebes. Die Haftbedingungen waren also stark an die persönliche Einstellung des SS-Personals und der deutschen Vorarbeiter gebunden. Sahen die Bewacher oder Vorarbeiter die Inhaftierten ganz im Sinne der NS-Ideologie als ›Asoziale‹ oder ›Arbeitsverweigerer‹, war ihr Vorgehen oft von ausgesprochener Brutalität gekennzeichnet. Die den KZ-Administrationen übergeordnete Institution, das WVHA, Amtsgruppe D II/1 für Häftlingseinsatz, nahm keinerlei Anteil am Schicksal der Häftlinge. Die Gewährung von medizinischer Versorgung, das Verbot von Misshandlungen durch das Wachpersonal oder eine bessere Ernährung wurden nur vereinzelt diskutiert, obwohl sie zu einem ökonomischeren Arbeitseinsatz der Häftlinge hätten beitragen können.1455 Weiterhin hingen die Lebensbedingungen der Häftlinge auch stark von der ausgeführten Tätigkeit ab. Waren sie in Rüstungsbetrieben eingesetzt, erfuhren sie oft Gewalt durch das Bewachungspersonal oder brutale Vorarbeiter. Die Häftlingskolonnen waren hier oft in überdachten Räumen untergebracht und erfuhren zumindest während der Arbeit in der Produktion einen gewissen Schutz vor den Übergriffen der SS. Jedoch war die Versorgung in der Industrie ebenso schlecht wie an anderen Stellen, an denen man KZ-Häftlinge einsetzte.1456 Bereits thematisiert wurden die Baukommandos, die man zur Beseitigung von Bombenschäden auf dem gesamten Reichgebiet heranzog. Bei den SS-Baubrigaden kam erschwerend hinzu, dass die Häftlinge 1452 Vgl. Vortrag des Abteilungsleiters im Stab W des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Dr. Volk, vom 23.5.1944. In  : BArch Berlin, Best. NS 3 SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt Nr. 718, Fol. 1. Zitiert nach Naasner (1998)  : SS-Wirtschaft und SS-Verwaltung, S. 281. 1453 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 94. 1454 Vgl. Führerbesprechung 20.–22.9.1942. In  : Boelcke, Willi A. (Hg.) (1969)  : Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942–1945, Frankfurt a. M., S. 186–187. Vgl. außerdem Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 94. 1455 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 91–94, 97. 1456 Vgl. ebd., S. 97.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

in ihrem unterernährten Zustand körperlich extrem anstrengender Arbeit nachgehen mussten. Während sie Fundamente aushoben, Gebäude errichteten oder Tunnel gruben, trieben die Wachhabenden sie mit Schlägen vermeintlich zu mehr Leistung an. In der Rüstungsproduktion bestand dagegen der Versuch, eine Leistungssteigerung bei KZ-Häftlingen ähnlich wie bei den ausländischen Zivilarbeitern durch zusätzliche Essensrationen zu erreichen. Jan Erik Schulte stellte in seiner Untersuchung zum SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt fest, dass durch die zusätzlichen Rationen ein deutlicher Unterschied in der Todesrate zwischen dem ›Häftlingseinsatz‹ in der Industrie und demjenigen bei den SS-Baubrigaden auftrat.1457 Grundsätzlich reagierte die Gestapo auf die hohen Todesraten und den ständig steigenden Bedarf an Arbeitskräften in der Industrie mit der Einweisung immer weiterer Personenkreise ins KZ.1458 Die Haftbedingungen für die KZ-Häftlinge änderten sich in den letzten Kriegsmonaten noch einmal entscheidend. Mit näher heranrückender Front wurden die Außen- und dann auch die Stammlager geräumt. Die Internierten wurden zu Fuß in das nächste Lager getrieben. Da nur noch Regionen in Betracht kamen, die noch nicht von den Alliierten besetzt waren, zogen sich die Märsche oft über Tage hin.1459 Für die Versorgung der Häftlinge fühlte sich auf dem Weg in vermeintlich sichere Gebiete keiner mehr zuständig  ; die Schutzlosigkeit vor der Witterung und den Gewaltausbrüchen der SS-Begleitkommandos forderte Todesopfer, deren Höhe in der Forschung unterschiedlich geschätzt wird. Auszugehen ist von einer Zahl, die zwischen einem Drittel und der Hälfte der Summe aller im Januar 1945 noch in den KZ befindlichen Häftlinge betrug. Aufgrund fehlenden Quellenmaterials können nur Schätzungen zu den Opferzahlen gemacht werden.1460 Im Folgenden soll nun nachvollzogen werden, wie die drei Außenlager auf dem Stadtgebiet und das der VOMAG im angrenzenden Mehltheuer entstanden. Hauptaugenmerk soll auf der Unterbringung, der Versorgung und der Entlohnung der KZHäftlinge liegen.

1457 1458 1459 1460

Vgl. ebd. Vgl. Lotfi (2000)  : KZ der Gestapo, S. 189–190. Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 100. Vgl. Orth, Karin (1999)  : Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte, Hamburg, S. 335. Im Folgenden zitiert als Orth (1999)  : Konzentrationslager. Karin Orth bezieht sich unter anderem auf die Schätzungen von Broszat, Martin (1982)  : Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933–1945. In  : ders.; Buchheim, Hans  ; Jacobsen, Hans-Adolf  ; Krausnick, Helmut (Hg.)  : Anatomie des SS-Staates, Bd. 2, S. 132 und Bauer, Yehuda (1989)  : The Death Marches January–May 1945. In  : Marrus, Michael Robert (Hg.)  : The Nazi Holocaust. Historical Articles on the Destruction of European Jews, Berlin, Bd. 9, S. 492. Vgl. dazu außerdem die eigene Berechnung Orths in Orth (1999)  : Konzentrationslager, S. 345–346.

391

392 | 

Zwangsarbeit in Plauen

4.5.1 Zwei KZ-Außenlager für Osram

Die erste Betriebsverlagerung nach Plauen vollzog die Osram K.G. u. GmbH Berlin 1943 mit ihrem Werk D in die Industrie-Werke1461 und die Plauener Baumwollspinnerei1462. Am 27. September 1943 informierten die Industrie-Werke den ›Selbständigen Sonderring beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition‹, dass »[d]ie Uebernahme einer Rüstungsfertigung von Osram […] perfekt geworden [ist.]«1463 Im Vorhinein hatten mehrere Besprechungen und Besichtigungen der Plauener Lokalitäten stattgefunden. Der Vertragsabschluss stand kurz bevor.1464 Verlagert werden sollten die Molybdänproduktion, die Fertigung von Wolframvorprodukten und die Herstellung verschiedener Glühlampentypen, die als kriegswichtige Erzeugnisse eingestuft waren.1465 Dafür beanspruchte das Berliner Unternehmen allein in den Industrie-Werken 3.500 Quadratmeter Werkfläche und 30 Mitarbeiter des aufnehmenden Betriebs zum Einsatz in der Produktion des zu verlagernden Werks D.1466 In den Räumen der Spitzenweberei in der Hans-Sachs-Straße, Plauen, nahm der Berliner Glühlampenhersteller noch einmal 1.000 Quadratmeter in Anspruch. In der Fertigung sollten monatlich 22.000 Arbeitsstunden geleistet werden. Die Initiative zum Umzug eines Teils des Werks D nach Plauen war von Osram ausgegangen.1467 Hinzu kam die Fläche in der Plauener Baumwollweberei, mit der die Industrie-Werke zusammenarbeiten wollten, um die 500 nach Plauen zu versetzenden Osram-Mitarbeiter unterbringen und versorgen zu können.1468 Üblicherweise erfolgte, nachdem die Räumlichkeiten für die Verlagerung gefunden waren, die Versetzung der benötigten Belegschaft vom Stammwerk an den neuen Standort. Die Industrie-Werke und die Baumwollspinnerei übernahmen die kaufmännische Leitung der neuen Produktionen, die technische 1461 Vgl. Verlagerungskennblatt der Firma Osram, Werk D, in die Industriewerke Plauen. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 254, Fol. 27. 1462 Vgl. ebd., Fol. 32. 1463 Mitteilung der Industrie-Werke Plauen an den Selbständigen Sonderring für Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : RÜ-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 1464 Vgl. ebd. 1465 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 223. 1466 Vgl. Mitteilung der Industrie-Werke Plauen an den Selbständigen Sonderring für Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : RÜ-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 1467 Vgl. Verlagerungskennblatt der Firma Osram, Berlin, in die Vogtländische Spitzenweberei, Plauen. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 490, Fol. 46 und 46 Rückseite. 1468 Vgl. Mitteilung der Industrie-Werke Plauen an den Selbständigen Sonderring für Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : RÜ-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

Oberleitung verblieb bei Osram. Da die Betriebsverlagerung zusätzlich zur Sicherheit vor alliierten Bombenangriffen auch der Ausweitung der Produktion dienen sollte1469, waren wohl mehr Arbeitskräfte nötig, als Berlin und die beiden Aufnahmebetriebe in Plauen stellen konnten. Weitere Arbeitskräfte wären von der Wehrmacht zu beziehen gewesen, Osram entschied sich allerdings für die Anfrage beim SS-WVHA. Das Berliner Unternehmen wich bei der Beantragung von Häftlingen für seine Plauener Fertigung vom üblichen Amtsweg ab. Laurenz Demps stellte fest, dass wohl gute Kontakte der Konzernspitze zu den für den ›Häftlingseinsatz‹ zuständigen Behörden bestanden haben müssen, denn Osram wandte sich mit seiner Anfrage direkt an den stellvertretenden Leiter der Amtsgruppe D des SS-WVHA.1470 Mit dem KZ Flossenbürg verhandelten Osram, die Industrie-Werke und die Baumwollspinnerei wegen seiner geographischen Nähe zu Plauen im August 1944 über die ersten Arbeitskräfte. Die Häftlinge sollten in Stammlagern durch Osram ausgesucht werden.1471 Die Wahl fiel auf Auschwitz, wo man alle weiblichen Häftlinge aus dem Quarantäneblock zum Zählappell antreten ließ und die Jüngsten aussuchte. Die ersten 250 Häftlinge, die für die Abreise nach Plauen ausgewählt wurden, waren zuvor aus Warschau nach Auschwitz deportiert worden.1472 Bevor die Betriebsverlagerung vollzogen werden konnte und die KZ-Häftlinge von der SS nach Plauen geschickt wurden, mussten die Plauener Unternehmen die Produktionsstätten und die Unterkünfte für die beantragten Häftlinge einrichten. Außerdem waren die für die Häftlinge zuständigen Aufsichtskräfte zu bestellen, die einen auf den Dienst vorbereitenden Kurs in Holleischen zu absolvieren hatten. Für die Industrie-Werke waren bei 300 Häftlingen 18 Aufsichtskräfte gefordert, in der Baumwollspinnerei sollten zwölf Aufsichtführende für 200 Häftlinge zuständig sein.1473 Im Mai 1944 hatten die Plauener Betriebe mit den notwendigen Vorbereitungen begonnen.1474 Entgegen der ursprünglichen Prognose stellte die Berliner Delegation bei einem weiteren Besuch in Plauen im Juli 1944 fest, dass die Verlagerung schon so weit vorangeschritten war, dass eine Arbeitsaufnahme in Aussicht stand. Im Juli 1944 hatte schon das Osram-Labor in der Spitzenweberei Plauen so weit eingerichtet werden können, dass es seinen Betrieb im Oktober, mit Vollauslastung im Dezember, aufnahm. Alle anderen Einrichtungen der Osram AG waren nicht fertiggestellt. Die Vertreter 1469 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 223–224. 1470 Vgl. Demps (1978)  : Die Ausbeutung von KZ-Häftlingen, S. 417. 1471 Vgl. Protokoll zum Besuch zweier SS-Angehöriger in Plauen am 14. und 15.08.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 129. 1472 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 9. 1473 Vgl. Protokoll zum Besuch zweier SS-Angehöriger in Plauen am 14. und 15.08.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 129. 1474 Vgl. Meldung von Osram an Industrie-Werke und Baumwollspinnerei Plauen vom 11.05.1944. Betreff  : Beginn der Installationsarbeiten. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 490, Fol. 62.

393

394 | 

Zwangsarbeit in Plauen

des Berliner Verlagerungsbetriebs setzten die Plauener Unternehmen bei ihrem Besuch davon in Kenntnis, dass für die zu verlagernden Produktionen ungarische Jüdinnen beim SS-WVHA beantragt wurden. Diese sollten mit zwei Transporten nach Plauen überstellt werden. Die ersten jeweils 100 Ungarinnen kamen planmäßig im August in die Produktionen der I-Werke und der Baumwollspinnerei. Für sie waren in den Industrie-Werken 49 bereits eingerichtete Arbeitsplätze vorgesehen, an denen die Frauen in zwei Schichten tätig sein sollten. Sobald die restlichen 200 Jüdinnen angekommen waren, setzte das Unternehmen sie an den Arbeitsplätzen in drei Schichten ein, bis weitere Geräte aufgebaut und einsatzbereit waren. Standen genügend Arbeitsplätze zur Verfügung, planten die Industrie-Werke zwei Schichten für die Häftlinge bei der Glühlampenherstellung, während deutsche Frauen die Füßefertigung übernahmen. Ähnlich war die Situation in der Baumwollspinnerei. Auch hier standen für die ersten 100 Ungarinnen lediglich 31 Arbeitsplätze zur Verfügung, die sie in einem Drei-Schicht-System bedienen sollten. Mit der Ankunft des zweiten Transports mit weiteren 100 Jüdinnen waren 61 Arbeitsplätze in drei Schichten zu besetzen, bis alle Geräte für die Glühlampenproduktion aufgestellt waren. Danach sollten die Häftlinge auch hier in zwei Schichten eingesetzt werden. Sowohl in den I-Werken als auch in der Baumwollspinnerei fehlten im Juli/August 1944 allerdings noch die deutschen Vorarbeiterinnen, die die KZ-Häftlinge anzuleiten hatten. Die Kräfte sollten zusammen mit Meistern über das Arbeitsamt Plauen beschafft werden.1475 Im August 1944 einigten sich Osram und die I-Werke darauf, das Dachgeschoss für die Unterkünfte der KZ-Häftlinge auszubauen. Sofern die Einrichtung rechtzeitig beendet werden konnte, sollten 150 Häftlinge in die I-Werke und 100 in die Baumwollspinnerei überstellt werden. Geplant war die Ankunft am 10. September 1944. In der Baumwollspinnerei zog das Lager auf Anregung von Osram in das zweite Obergeschoss des Fabrikgebäudes ein.1476 Am 18. September 19441477 wurden die entgegen dem Antrag beim SS-WVHA aus Polen, Russland, Italien, Frankreich, Jugoslawien und Kroatien stammenden Frauen1478 in den I-Werken und der Baumwollspinnerei erstmals zur Arbeit eingesetzt. Sie sollten ihre Unterkünfte reinigen. Eine Beschäftigung in der Glühlampenproduktion musste wegen des Verdachts auf Typhus zurückgestellt werden. Das KZ Flossenbürg hatte die Plauener Einrichtungen nach der 1475 Vgl. Protokoll zum Besuch der Osram AG in Plauen vom 21.–25.07., 29.07. und 01.08.1944. In  : A Rep. 231 Osram, Nr. 490, Fol. 133–134. 1476 Vgl. Protokoll zum Besuch zweier SS-Angehöriger in Plauen am 14. und 15.08.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 129. 1477 Vgl. Protokoll zum Besuch des für die Verlagerung nach Plauen zuständigen Osram-Mitarbeiters Dr. Straehler in Plauen vom 15.–19.09.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 400. 1478 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Plauen. 334 der 500 nach Plauen überstellten Frauen stammten aus Polen, 93 aus Russland, 60 aus Italien, fünf aus Jugoslawien, drei aus Frankreich und eine aus Kroatien.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

Ankunft der Häftlinge informiert, dass die Frauen zwar zur Arbeit herangezogen werden dürften, jedoch der Kontakt mit dem deutschen Anlernpersonal wegen der Ansteckungsgefahr unterbleiben müsse. Die Quarantäne wurde auf drei Wochen festgesetzt. Nachdem die Häftlinge bereits einige Zeit das von der Typhusepidemie betroffene Stammlager Auschwitz verlassen hatten, einigten sich Osram und die Plauener Aufnahmebetriebe darauf, die Quarantäne nur auf 14 Tage zu beschränken. Untergebracht wurden die Häftlinge in den jeweils in den Fabrikgebäuden eingerichteten Lagern, die KZ-Aufseherinnen wurden umgehend vom Betriebsarzt der Industrie-Werke, Dr. Reismann, gegen Typhus geimpft. Der Betriebsarzt übernahm außerdem die Betreuung der Häftlinge. Dies galt nicht nur für die Industrie-Werke, sondern auch für die Baumwollspinnerei, weil das Unternehmen über keinen eigenen Betriebsarzt verfügte.1479 Zwar erhielten die hauptsächlich als politische Schutzhäftlinge1480 internierten Frauen keine Medikamente gegen die vermutete Typhusinfektion, jedoch untersuchte der Betriebsarzt sie regelmäßig auf Symptome.1481 Damit kam ihnen in Plauen, anders als einleitend vermutet, sogar medizinische Versorgung zu. Außerdem ist festzustellen, dass Osram die KZ-Häftlinge in seinen Plauener Produktionsstandorten für einen, wenn auch sicherlich nur kurzen, Anlernprozess vorgesehen hatte. Damit war ein effektiverer Arbeitseinsatz der Häftlinge möglich. Gleichzeitig waren die Frauen damit von der persönlichen Einstellung des Anlernpersonals abhängig. Die ausgezehrten und vor allem jungen Frauen, die im Lager der IndustrieWerke interniert waren, erregten bei ihrer Ankunft das Mitleid der Aufseherinnen.1482 Darauf wird später noch einmal genauer einzugehen sein. An dieser Stelle ist der niedrige Altersdurchschnitt der KZ-Häftlinge festzuhalten, wie er bisher hauptsächlich für Ostarbeiterinnen festgestellt werden konnte. So kam beispielsweise Regina Grabicka am 14. Oktober 1944 aus Auschwitz in die Plauener Baumwollspinnerei. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade 14 Jahre alt. Mit ihr zusammen kam auch die 18-jährige Daniela Wawrzyniak nach Plauen. Damit vertraten die beiden jungen Frauen einen großen Teil der KZ-Häftlinge in der Plauener Baumwollspinnerei. 52 Personen waren jünger als 20 Jahre, 67 der Häftlinge bewegten sich zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr, 53 waren 25 bis 35 Jahre alt, 26 Frauen zwischen 35 und 45 Jahre und eine Frau

1479 Vgl. Protokoll zum Besuch des für die Verlagerung nach Plauen zuständigen Osram-Mitarbeiters Dr. Straehler in Plauen vom 15.–19.09.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 400. 1480 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Plauen. 1481 Vgl. Protokoll zum Besuch des für die Verlagerung nach Plauen zuständigen Osram-Mitarbeiters Dr. Straehler in Plauen vom 15.–19.09.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 400. 1482 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10.

395

396 | 

Zwangsarbeit in Plauen

hatte bereits das 45. Lebensjahr überschritten.1483 Festzuhalten bleibt der Eindruck, den die Geschäftsleitungen der Baumwollspinnerei und der Industrie-Werke zusammen mit dem für die Betriebsverlagerung zuständigen Dr. Straehler, Mitarbeiter bei Osram, nach der Ankunft der Häftlinge gewannen. Industrie-Werke und Baumwollspinnerei zeigten sich zufrieden. Wegen der Quarantäne sollten die nächsten Häftlinge erst im Oktober nach Plauen überstellt werden.1484 Beide Lager waren also im September 1944 mit knapp der Hälfte der Häftlinge belegt. Die Fertigstellung der Einrichtungen war erst kurz vor Ankunft der Transporte am 10. September erfolgt. Grund dafür waren die Bemühungen der Baumwollspinnerei, Baracken einzurichten.1485 Die Unterbringung im Fabrikgebäude wurde vom KZ Flossenbürg forciert. Nach einer Ortsbegehung legte man der Baumwollspinnerei diese Unterbringungsart nahe.1486 Was die Häftlinge in der Baumwollspinnerei und den I-Werken vorfanden, waren mit Gittern verschlossene Säle, die mit einer entsprechenden Zahl an Betten ausgestattet waren.1487 Die Betten bestanden aus drei übereinander gestellten Pritschen, darauf lagen mit Stroh gefüllte Matratzen und jeder Häftling erhielt eine Decke. Zwischen den Pritschen war gerade genug Platz, dass die Frauen hindurchgehen konnten. An den Schlafsaal in den Industrie-Werken angeschlossen befanden sich der Speiseraum sowie ein Waschraum.1488 In der Baumwollspinnerei dürfte die Ausstattung ähnlich gewesen sein. Die Häftlinge waren ebenfalls in einem Saal untergebracht, in dem die dreifach übereinander angeordneten Pritschen in vier Reihen in der Mitte des Raumes platziert waren. An der Fensterseite des Saals positionierte man Tische. Bei der Einrichtung des Raumes wurde der Standort der Betten sogar noch einmal verändert, da die Verantwortlichen einen helleren Bereich als Aufenthaltsraum schaffen wollten.1489 Abgesehen von praktischen Überlegungen, die zur Umstrukturierung des Raumes geführt haben könnten, scheint es so, als hätten 1483 Vgl. Außenkommando Plauen – Baumwollspinnerei/Osram, 13.09.1944–14.04.1945. In  : AGFl, Best. Plauen, Baumwollspinnerei. 1484 Vgl. Protokoll zum Besuch des für die Verlagerung nach Plauen zuständigen Osram-Mitarbeiters Dr. Straehler in Plauen vom 15.–19.09.1944. In  : LArch Berlin, Best. LArch Berlin, A Rep. 231 Osram Nr. 490, Fol. 400. 1485 Vgl. Antrag der Firma Graupner im Auftrag der Industriewerke und Plauener Baumwollspinnerei auf Zuweisung von Baracken beim Baubevollmächtigten des Reichsministeriums Speer im Bezirk der Rüstungsinspektion IV vom 08.11.1943. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 1486 Vgl. Aktennotiz zum Anruf Dir. Mockers bei Osram am 05.08.1944. Betreff  : Ungarische Jüdinnen. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 691, Fol. 14. 1487 Vgl. Aktennotiz zum Besuch von Osram in Plauen vom 28.–30.08.1944. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 691, Fol. 9. 1488 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1489 Vgl. Aktennotiz zum Besuch von Osram in Plauen vom 28.–30.08.1944. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 691, Fol. 10.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

die mit der Versorgung der Häftlinge betrauten Mitarbeiter der Baumwollspinnerei den KZ-Häftlingen empathisch gegenübergestanden. Die Aufseherinnen waren, anders als die Häftlinge, nicht in der Fabrik untergebracht, sondern in einer Dienstwohnung in der Nähe oder in einem von der Baumwollspinnerei genutzten Gemeinschaftslager.1490 Vergleicht man die Ausstattung der KZ-Außenlager von Osram in Plauen mit anderen Lagern für ausländische Zivilarbeiter, fällt auf, dass sich auf den ersten Blick Ähnlichkeiten ergeben. Die Beschreibung der Einrichtung in den I-Werken erinnert an die Gegebenheiten, die die zivilen Italiener in Thiergarten und Barthmühle vorfanden. Ein erster Unterschied bestand jedoch darin, dass den Zivilarbeitern zwei Decken gestellt wurden, während die KZ-Häftlinge nur eine erhielten. Außerdem hatte die VOMAG den Italienern keine Pritschen gestellt, sondern Holzbetten. Weiterhin war das Lager der KZ-Häftlinge durch Gitter von der Fabrik abgetrennt, sodass sich die Frauen nicht frei bewegen konnten, wohingegen alle ausländischen Zivilarbeiter über mehr oder weniger Bewegungsfreiheit verfügten. Obwohl auch die Ostarbeiterlager zu Beginn des Einsatzes ziviler Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten im Reich mit Stacheldraht und hohen Zäunen versehen waren, fiel diese Abgrenzung auf Initiative Sauckels kurz darauf weg. Auch den Ostarbeitern war es möglich, das Lager zu verlassen. Ihre Be- und Überwachung inner- und außerhalb der Lager und der Arbeitsplätze blieb bestehen. Den KZ-Häftlingen wurde lediglich in regelmäßigen Abständen ein kurzer Spaziergang im Freien unter Aufsicht genehmigt. Dabei konnten sie eine 150 Quadratmeter große Lauffläche in den Fabrikhöfen der Industrie-Werke und der Baumwollspinnerei nutzen.1491 Damit unterlagen die KZ-Häftlinge einer nicht zu vergleichenden Diskriminierung. Nachdem am 14. Oktober 1944 auch der zweite Transport aus Auschwitz und Bergen-­­ Belsen in Plauen angekommen war1492, begann für die KZ-Häftlinge der Arbeits­alltag in der Glühlampenproduktion. Die Häftlinge wurden in zwei Schichten zu je zwölf Stunden, später sogar zu 15 bis 16 Stunden, Arbeit herangezogen. Die Arbeit war körperlich nicht anstrengend, doch die Bedingungen, unter denen die Frauen arbeiten mussten, erschwerten den Alltag. Austretende Gase bei der Glühlampenherstellung und die Hitze, die die Tag und Nacht rotierenden Maschinen erzeugten, machten den Arbeitsplatz stickig.1493 Die Häftlinge wurden für ihre Arbeit nicht entlohnt. Der Betrieb, der ihre Arbeitskraft nutzte, musste allerdings eine Gebühr an die SS entrichten.1494 Die Abre1490 Vgl. ebd., Fol. 9. 1491 Vgl. ebd., Fol. 10. 1492 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Plauen. 1493 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1494 Vgl. Mitteilung von Osram an die Industrie-Werke AG vom 27.10.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert.

397

398 | 

Zwangsarbeit in Plauen

chung erfolgte monatlich und war nach Leistung und beruflicher Vorbildung der Häftlinge gestaffelt. Abgerechnet werden konnte der Einsatz von Hilfskräften und Facharbeitern sowie einer Halbtagsbeschäftigung und derjenigen ganztags. An die Dienststelle der Kommandantur Arbeitseinsatz im KZ Flossenbürg gingen pro Hilfskraft 4 RM pro geleistetem Arbeitstag. Davon ab gingen 0,60 RM oder 0,70 RM für die Verpflegung. Diesen Satz behielt das beschäftigende Unternehmen ein.1495 Dabei handelte es sich um Zulagen, die Schwer- und Schwerstarbeitern sowie Lang- und Nachtarbeitern gewährt werden konnten.1496 Aufgrund des Schichteinsatzes der KZ-Häftlinge auch in der Nacht kann davon ausgegangen werden, dass Flossenbürg Ernährungszulagen für Nachtarbeiter abrechnete. Möglich wäre außerdem, dass die Industrie-Werke und die Baumwollspinnerei Zulagen an jugendliche Häftlinge gewährten. Wie gezeigt wurde, war ein großer Teil der eingesetzten Frauen unter 20 Jahren. In den 4 RM, die an das Stammlager zu entrichten waren, war neben der Arbeitsleistung der Häftlinge auch die Aufwandsentschädigung für die Bewachung, die durch die SS gestellt wurde, enthalten. Beiträge an die Kranken-, Invaliden-, Arbeitslosenund Unfallversicherung entfielen für die Einsatzträger bei der Beschäftigung von KZ-Häftlingen. Auch an den freiwilligen Sozialleistungen, die ein Betrieb entrichten konnte, durften die Gefangenen nicht beteiligt werden.1497 Für besonders gute Leistungen konnten die Unternehmen den Häftlingen zusätzlich zu der Aufwandsentschädigung, die an das Stammlager zu entrichten war, Prämien gewähren. Diese umfassten in Abstufungen die Differenz zwischen der Aufwandsentschädigung an das stellende KZ und »dem Lohn eines mit gleichwertiger Tätigkeit betrauten freien Arbeitnehmers«1498. Ausgezahlt wurden die Prämien immer am Ende einer Arbeitswoche im Beisein des gesamten Arbeitskommandos, um alle Gefangenen zu höheren Leistungen anzuspornen. Die Häftlinge erhielten allerdings kein Geld, sondern Prämiengutscheine. Diese konnten sie in den Häftlingskantinen in zusätzliche Portionen investieren oder bei der SS sparen.1499 Damit war das Abrechnungssystem zur Entlohnung der Arbeitskräfte aus dem KZ ähnlich dem, das bei den Kriegsgefangenen angewendet wurde. Beide Gruppen erhielten wegen ihres Status als Häftlinge kein 1495 Vgl. Forderungsnachweis Nr. Flo. 654 über den Häftlingseinsatz bei der Plauener Baumwollspinnerei, Plauen für die Zeit vom 01.–31.10.1944. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 393,2, Fol. 197. 1496 Vgl. Verpflegungssätze für Justizgefangene, Häftlinge in Konzentrationslagern und in Polizeigefängnissen für die 70. Zuteilungsperiode vom 11.12.1944–07.01.1945. Zulagen. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert. 1497 Vgl. Mitteilung von Osram an die Industrie-Werke AG vom 27.10.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert. 1498 Ebd. 1499 Vgl. Mitteilung des Leiters der Verwaltung des Konzentrationslagers Flossenbürg, SS-Hauptsturmführer Kirsammer vom 17.07.1944. Betreff  : Gewährung von Leistungsprämien an Häftlinge. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

Entgelt. Die Einsatzträger mussten trotzdem für die genutzte Arbeitskraft zahlen, dies erfolgte entweder an die SS oder an die Wehrmacht. Weiterhin waren für beide Gruppen Prämien möglich, die in zusätzlichen Lebensmitteln ausgegeben werden konnte. Ebenfalls entfielen für beide Gruppen Einzahlungsbeträge für Sozialversicherungen, wobei den Kriegsgefangenen, anders als den KZ-Häftlingen, die Unfallversicherung gewährt wurde. Die Versorgung übernahmen bei den KZ-Häftlingen wie bei den ausländischen Zivilarbeitern die Einsatzträger. Während die Zivilarbeiter über die Werksküchen versorgt wurden, standen den KZ-Häftlingen in der Baumwollspinnerei und den I-Wer­ ken eigene Küchen zur Verfügung. Das Küchenpersonal wurde wie bei den Zivilarbei­ tern aus den Reihen der Zwangsarbeiter rekrutiert.1500 Für jeden Häftling waren in der Zuteilungsperiode vom 11. Dezember 1944 bis zum 7. Januar 1945 vorgesehen  : 8.000  Gramm Roggenmehl für Brot, 800  Gramm Fleischwaren, nach Möglichkeit sollte Freibank- oder Rindfleisch beschafft werden, 480  Gramm Margarine oder 80  Prozent der Menge an Speiseöl, 200  Gramm Schweinefleisch oder 160  Gramm Fleischschmalz, 250  Gramm Fleisch anstelle von Fett, 400  Gramm Quark oder 50  Prozent der Menge an Sauermilchkäse, 50  Gramm Kartoffelstärkeerzeugnis, 400 Gramm Brotaufstrichmittel, 320 Gramm Zucker, 150 Gramm Kaffee-Ersatz und 1  Liter entrahmte Frischmilch. Kartoffeln waren nicht mehr vorhanden. Sofern die Häftlinge in Sachsen eingesetzt waren, erhielten sie 300  Gramm Getreidenährmittel und 200  Gramm Teigwaren.1501 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass diese Zuteilungen nur für ›Normalarbeiter‹ galten. Zulagen konnten Lang-, Nachtund Schwerarbeitern sowie Jugendlichen gewährt werden. KZ-Häftlinge, die in der Landwirtschaft eingesetzt wurden, erhielten geringere Zuteilungen.1502 Anhand der vom Konzentrationslager Flossenbürg an die jeweiligen Außenlager versendeten Verpflegungs­sätze lässt sich feststellen, dass KZ-Häftlingen die gleichen Ernährungssätze zustanden wie den Gefangenen in Justiz- und Polizeigefängnissen.1503 Damit kann davon ausgegangen werden, dass die Untersuchungshaftanstalt Plauen die gleiche Kost ausgegeben hat wie die beiden Plauener KZ-Außenlager. Die Industrie-Werke erarbeiteten auf Grundlage der Verpflegungssätze Ernährungspläne für die Häftlinge. So gewährten sie den Frauen jeden Morgen entweder Tee 1500 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 224–225. 1501 Vgl. Verpflegungssätze für Justizgefangene, Häftlinge in Konzentrationslagern und in Polizeigefängnissen für die 70. Zuteilungsperiode vom 11.12.1944–07.01.1945. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert. 1502 Vgl. Verpflegungssätze für Justizgefangene, Häftlinge in Konzentrationslagern und in Polizeigefängnissen für die 70. Zuteilungsperiode vom 11.12.1944–07.01.1945. Zulagen. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert. 1503 Vgl. Verpflegungssätze für Justizgefangene, Häftlinge in Konzentrationslagern und in Polizeigefängnissen für die 70. Zuteilungsperiode vom 11.12.1944–07.01.1945. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert.

399

400 | 

Zwangsarbeit in Plauen

mit 3 Gramm Zusatz oder 9 Gramm vom Kaffee-Ersatz und dazu jeweils 30 Gramm Zucker. Für die Zubereitung des Mittagessens standen am Montag, dem 11. September 1944, 60 Gramm Fleisch, 400 Gramm Kartoffeln und 600 Gramm Gemüse zur Verfügung. Am Abend erhielten die Häftlinge dann noch einmal 30 Gramm Fleisch, 400  Gramm Kartoffeln. 40  Gramm Butter und 575  Gramm Brot.1504 Anhand des Speiseplans ist nicht zu ermitteln, für wie viele Personen die Portionsgrößen vorgesehen waren. Dass bei einem Häftling tatsächlich die Menge an Lebensmitteln ankam, scheint zu bezweifeln. Der Speiseplan lässt allerdings gut erkennen, dass mindestens einmal am Tag ein warmes Essen vorgesehen war. Zumeist wurde es mittags gereicht. Am Abend gab es Brot und Margarine.1505 In der nächsten Zuteilungsperiode verringerten sich die Versorgungssätze dann deutlich, im Januar/Februar 1945 erhielten die Häftlinge beispielsweise nur noch 0,25 Liter entrahmte Milch, 80 Gramm Zucker und 260  Gramm Roggenbrot. Wie schon bei den Ostarbeitern und den Kriegsgefangenen festgestellt werden konnte, wurde das Brot gestreckt. Dies galt auch für die KZ-Häftlinge.1506 Die Industrie-Werke erarbeiteten für die nachfolgende Zuteilungsperiode einen neuen Speiseplan. Montags und dienstags sollte den Häftlingen eine »dicke Suppe«1507 oder eine »Milchsuppe mit Mehl und Grütze«1508 zubereitet werden.1509 Dass es tatsächlich eine nahrhafte Suppe gab, steht zu bezweifeln. Obwohl die Häftlinge in alltäglichen Bereichen wie der Ernährung einer starken Diskriminierung unterlagen, hatte die Baumwollspinnerei sie dagegen beim Luftschutz berücksichtigt. Hier wurden die Frauen in einem separaten, vom restlichen Luftschutzkeller abgesperrten Bereich untergebracht.1510 Hierbei muss die Einschränkung vorgenommen werden, dass die Häftlinge in dem Verschlag eingesperrt waren und sich deshalb im Falle eines Brandes oder bei Ähnlichem nicht hätten in Sicherheit bringen können. Nachdem das Fabrikgebäude im April 1945 von einer Bombe getroffen und beinah vollständig zerstört wurde, diente der Verschlag im Luftschutzkeller als vorübergehende Unterkunft. Noch vor Kriegsende waren Osram für seine Produktion

1504 Vgl. Speiseplan vom 11.–17.09.1944. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert. 1505 Vgl. ebd. 1506 Vgl. Mitteilung der KZ-Lagerküchen, Abrechnung der 71. Zuteilungsperiode. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert. 1507 Küchenzettel für die Woche vom 05.–11.03.1945. In  : StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert. 1508 Ebd. 1509 Ebd. 1510 Vgl. Chronik der Plauener Baumwollspinnerei. In  : StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340, nicht foliiert, Bericht, S. 123.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

die Materialien ausgegangen, sodass die Häftlinge infolge des Bombenkriegs zu Aufräumarbeiten in der Stadt eingesetzt wurden.1511 Als letzter Punkt bleibt noch die Beziehung der deutschen Belegschaft zu den KZ-Häftlingen zu betrachten. Rolf Schmolling stellt in seiner Studie zu den beiden Plauener KZ-Außenlagern fest, dass keine Nachweise über gewährte Prämienscheine und deren Umsetzung in den Häftlingsküchen überliefert sind. Weiterhin stellt er fest, dass die Mitarbeiter der beiden Plauener Werke den KZ-Häftlingen gegenüber abweisend und zeitweilig grob waren. Nur zwei Meister fielen auf, die den Frauen Nahrungsmittel und Zeitungen zugesteckt haben sollen.1512 Dagegen haben die Aufseherinnen – nach Angaben der ehemaligen Gefangenen Halina Bajer-Suwalska soll das Bewachungspersonal gewechselt haben1513  – die Gefangenen misshandelt und streng bestraft.1514 Nach dem Fluchtversuch einer Insassin mussten die Häftlinge Appell stehen und erhielten Essensentzug.1515 Auch in der Baumwollspinnerei wurden am 9. Dezember 1944 zwei Fluchtversuche gemeldet.1516 Zur Strafe hatten sich alle Häftlinge nach dem Wiederergreifen der Flüchtigen die Haare zu scheren. Obwohl es keine Todesfälle gab1517, indizieren die Fluchtversuche, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den beiden Plauener KZ-Außenlagern als schlecht gelten können. Sicherlich waren sie im Vergleich zu denjenigen in Auschwitz eine Verbesserung für die Häftlinge, doch im Vergleich zu allen anderen bisher untersuchten ausländischen Arbeitskräften stellten sich hier die negativsten Haftbedingungen dar. Zwar war die Situation der Häftlinge in der Untersuchungshaftanstalt Plauen ähnlich – sie können durch den Schießbefehl, den die Wachposten erhalten hatten, sogar als lebensgefährlicher gelten –, jedoch war die Untersuchungs- oder Erziehungshaft zeitlich beschränkt. Dagegen bestand für die KZ-Häftlinge keine Hoffnung, aus den Internierungslagern der SS entlassen zu werden. 4.5.2 Betriebsverlagerung der VOMAG und Arbeitskräfte aus dem KZ

Ebenso wie der Glühlampenproduzent aus Berlin wollte auch die VOMAG einen Teil ihres Maschinenbestandes durch eine Betriebsverlagerung in Sicherheit bringen. 1511 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 225. 1512 Vgl. ebd., S. 224–225. 1513 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1514 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 224–225. 1515 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1516 Vgl. Mitteilung des KZ Flossenbürg an die Abteilungen II, III und IV, Arbeitseinsatz. Betreff  : Flucht der Häftlinge Krankowska und Iwanowska aus der Baumwollspinnerei Plauen. In  : AGFl, Best. Plauen. 1517 Vgl. Schmolling (2007)  : Plauen, S. 224.

401

402 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Dafür wählte sie keine andere Region, sondern das benachbarte Mehltheuer. Die notwendigen Räumlichkeiten stellte die ortsansässige Tüllfabrik.1518 Um ihre Produktion gegen den Arbeitskräftemangel abzusichern, nutzte auch die Vogtländische Maschinenfabrik KZ-Häftlinge im Verlagerungswerk. Näheres zu den Anträgen beim SSWVHA, das Rückschlüsse auf die Motivation des Unternehmens zum Häftlingseinsatz zuließe, ist nicht überliefert. Mit zwei Transporten trafen am 2. Dezember 1944 und 4. März des Folgejahres 344 Häftlinge zum Einsatz in der VOMAG-Produktion ein.1519 Vereinzelt ist auch eine Zahl von 200 Insassen überliefert. Für das Zweigwerk des Panzermonteurs lagerte die Tüllfabrik ihre Textilmaschinen aus, um Platz für die Drehbänke der VOMAG zu schaffen.1520 Hergestellt wurden vorwiegend Teile für Schützenpanzerwagen. Die Häftlinge arbeiteten an großen Revolverdrehbänken.1521 Die hauptsächlich aus Polen und Ungarn stammenden Jüdinnen1522 waren aus den Stammlagern Auschwitz und Bergen-Belsen zuerst in das Außenlager der SiemensSchuckert-Werke nach Nürnberg gekommen und von dort aus weiter nach Mehltheuer verschickt worden.1523 202 der Frauen und Mädchen stammte aus Polen, 138 aus Ungarn, eine aus Serbien und eine aus Frankreich. Ebenso befand sich eine deutsche Jüdin unter den KZ-Häftlingen. Bekleidet waren sie mit Häftlingsanzügen und Holzschuhen. Die kahl geschorenen Köpfe1524 stigmatisierten die Frauen zusätzlich als Häftlinge. Die Jüngste unter ihnen war die am 9. März 1930 geborene Polin Guta Kopel.1525 Weil sich die Massivbaracke, die als Unterkunft für die Häftlinge vorgesehen war, noch im Bau befand, wurde die erste Gruppe der Jüdinnen in den Räumen der Tüllfabrik in Mehltheuer untergebracht. In einem großen Saal schliefen sie lediglich auf Matratzen am Boden.1526 Der Saal befand sich ähnlich wie in den Industrie-Werken im Dachgeschoss der Fabrik. Weitere Häftlinge wurden vorerst im Garnschuppen unter1518 Vgl. Mitteilung der Reichsgruppe Industrie ›Werkluftschutz‹, Bereich Sachsen, an die Firma VOMAG Plauen vom 24.01.1945. Betreff  : Verlagerungswerk Tüllfabrik Mehltheuer. In  : AGFl, Best. Mehltheuer, Privatbestand Rolf Ballhause. 1519 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 1520 Vgl. Körner (1981)  : Mahn- und Gedenkstätten, S. 31. 1521 Vgl. Brenner, Hans (1998)  : Erinnerungen an Flucht und ständige Angst vor Faschisten. Die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen aus acht Nationen bei Osram und Vomag (Teil 2 und Schluß)  – Hunderte Frauen und Mädchen. In  : Freie Presse Plauen, 03./04.01.1998. Im Folgenden zitiert als Brenner (1998)  : Erinnerungen an Flucht. 1522 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 1523 Vgl. Brenner (1998)  : Erinnerungen an Flucht. 1524 Vgl. Körner (1981)  : Mahn- und Gedenkstätten, S. 31. 1525 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 1526 Vgl. Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 11.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

gebracht.1527 Im Januar hatte die VOMAG zum Bau der Massivbaracke Luftschutzanordnungen erhalten. So durfte die Baracke, weil sie zur Unterbringung der KZHäftlinge vorgesehen war, näher als 2.000 Meter an die Tüllfabrik angebaut werden. Gegen das Nebengebäude war sie mit einem Brandgiebel zu versehen, die Dachflächen der Baracke waren dunkel einzufärben, Gleiches galt für die Fassade. Weiterhin wies der Werkluftschutz die VOMAG an, Verdunkelungen mit Papier an den Innenseiten anzubringen. Bei Fliegeralarm sollten die Häftlinge aus der Baracke in massive Luftschutz-Deckungsgräben verbracht werden.1528 Die Baracke befand sich im Februar immer noch im Bau.1529 Die Häftlinge bezogen die Unterkunft vermutlich kurze Zeit später. Die interne Organisation des Lagers oblag der Lagerältesten Eugenia Lerner. Die am 5. Januar 1905 geborene Polin1530 setzte sich zum einen für die Aufrechterhaltung einer gewissen Ordnung im Lager und zum anderen für die gerechte Verteilung der Essensrationen ein.1531 Dieser Umstand machte die Haftbedingungen sowie die harte Arbeit in Mehltheuer erträglicher, wohingegen die brutalen Vorgehensweisen der Aufseherinnen die Lebens- und Arbeitsbedingungen massiv negativ beeinflussten. Im Vergleich zu den beiden zuvor diskutierten Außenlagern auf dem Plauener Stadtgebiet ist die Überlieferung zu den Aufseherinnen in Mehltheuer unvollständig. Anhand der Belegungsstärke, die mehr Häftlinge umfasste, als in den I-Werken untergebracht waren, müssten mindestens 18 Aufsichtskräfte eingesetzt worden sein. Im Januar 1945 wurden acht Kräfte aus Mehltheuer nach Venusberg versetzt und durch acht andere Frauen ersetzt. Hinzu kamen drei Aufseherinnen, die nach Angaben der ehemaligen Häftlinge durchgängig im Lager beschäftigt gewesen sein sollen.1532 Die Aufstellung wird durch die Untersuchung von Fotini Tzani ergänzt, die weitere sechs Aufseherinnen, unter ihnen die Erstaufseherin Auguste Breuer, die bis zur Auflösung des Lagers im Dienst war, benennt.1533 Aus den Akten des Bundesarchivs sowie den Studien von Tzani und Cziborra wird allerdings nicht deutlich, wie viele Aufseherinnen sich zur gleichen Zeit im Lager befanden. Auszugehen ist von mindestens elf. 1527 Vgl. Körner (1981)  : Mahn- und Gedenkstätten, S. 31. 1528 Vgl. Mitteilung der Reichsgruppe Industrie ›Werkluftschutz‹, Bereich Sachsen, an die Firma VOMAG Plauen vom 24.01.1945. Betreff  : Verlagerungswerk Tüllfabrik Mehltheuer. In  : AGFl, Best. Mehltheuer, Privatbestand Rolf Ballhause. 1529 Vgl. Mitteilung der Organisation Todt, Bauleitung Chemnitz, an den Landrat in Plauen vom 06.02.1945. Betreff  : Baupolizeiliches Gutachten für Baracke der VOMAG in Mehltheuer. In  : AGFl, Best. Mehltheuer, Privatbestand Rolf Ballhause. 1530 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 1531 Vgl. Brenner (1998)  : Erinnerungen an Flucht. 1532 Zu den im Januar 1945 von Mehltheuer abgezogenen Aufseherinnen und ihren Nachfolgerinnen vgl. Mitteilung des Arbeitslagers Mehltheuer an die Kommandatur des K.L. Flossenbürg vom 03.01.1945. Betreff  : Inmarschsetzung von Aufseherinnen. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,2, Fol. 10. Vgl. außerdem Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 22. 1533 Vgl. Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 108.

403

404 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Besonders zwei der drei Aufseherinnen, die von der Entstehung bis zur Auflösung des Lagers im Dienst gewesen sein sollen, folterten die Häftlinge. So übergoss die von den Jüdinnen nur ›Marianne‹ genannte Aufsicht die Häftlinge, die kaum bekleidet waren, mit kaltem Wasser. Laut Zeugenaussagen schikanierte die junge, kleine Frau mit braunem Haar und Gehfehler mit Vorliebe ältere Jüdinnen.1534 Einer der Häftlingsfrauen brach ›Marianne‹ sogar die Nase, als sie sie von einem »Wägelchen«1535, auf dem das Essen und die gefertigten Teile transportiert wurden, auf die Gleise stieß.1536 Welche der ermittelten Aufseherinnen sich hinter dem Namen verbarg, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Eine SS-Frau mit dem Vornamen ›Marianne‹ oder ›Marianka‹, wie sie auch genannt wurde1537, findet sich weder in den Unterlagen des KZAußenlagers noch in den Untersuchungen von Cziborra und Tzani.1538 In der Korrespondenz des Stammlagers in Flossenbürg ist lediglich Marianne Busalla nachzuweisen, die allerdings den I-Werken in Plauen zugeordnet werden kann. Sie beantragte im Januar 1945 ihre Versetzung.1539 Ob sie nach Mehltheuer versetzt wurde, kann nicht geklärt werden. Die 1919 geborene Frau1540 würde zumindest vom Alter her zur Beschreibung Chaja Goldsteins passen  : »›Marianka‹ war klein und hinkte ein bisschen, sie war jung, über 20 Jahre alt.«1541 Eine der ehemaligen Häftlinge macht in ihrer Aussage über die Lebensumstände im KZ-Außenlager Mehltheuer sogar Angaben zur beruflichen Bildung der Aufseherin, die ›Marianne‹ genannt wurde. Es »scheint, dass

1534 Vgl. Zeugenaussage von Bela Röhr bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel am 22.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 82. Vgl. außerdem Zeugenaussage von Lonia Lea Baum bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel. Protokoll vom 08.12.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 72 und Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1535 Zeugenaussage von Sara Kessel bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 19.05.1969. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1536 Vgl. ebd. 1537 Vgl. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1538 Vgl. Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 22 sowie Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 106–133. 1539 Vgl. Antrag von Marianne Busalla auf Versetzung vom 04.01.1945. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,2, Fol. 20. 1540 Vgl. Mitteilung des SS-Lehrgänge Holleischen an die Industriewerke Plauen vom 27.09.1944. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,1, Fol. 94. 1541 Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

sie vom Beruf Krankenschwester war.«1542 Sollte es sich um Marianne Busalla gehandelt haben, könnte das Versetzungsgesuch aus den I-Werken vom 4. Januar 1945 ihren Lebenslauf noch etwas näher beleuchten. Marianne Busalla hatte sich nach eigenen Angaben freiwillig zum Dienst bei der SS gemeldet.1543 Nach zwei Lehrgängen im SSSonderkommando Holleischen zur Vorbereitung auf ihren Einsatz im KZ1544 trat sie die Stelle in Plauen am 27. September 1944 an.1545 Als Grund für die Versetzung gab Busalla an, dass sie die Stelle als Aufseherin nur angenommen hatte, weil ihr die Möglichkeit, sich »dienstlich oft zu verändern, zugesichert wurde«1546. Dies war allerdings bei den I-Werken in Plauen nicht der Fall.1547 Ob sich eine andere Motivation hinter dem Gesuch verbarg, konnte nicht ermittelt werden. Der Antrag weist allerdings darauf hin, dass Busalla mit den Einsatzbedingungen in den I-Werken unzufrieden war. Unter Umständen hoffte sie auf einen Einsatz außerhalb des KZ. Die zweite Aufseherin, die unter den Häftlingen des KZ-Außenlagers als besonders brutal galt, wurde ›Zwiklinska‹1548 oder ›Cwiklińska‹1549 genannt. Bela Röhr erklärte, dass die zwischen 30 und 40 Jahre alte, blonde SS-Frau Ähnlichkeit mit einer polnischen Schauspielerin hatte, weshalb die Häftlinge sie nach ihr benannten.1550 Lonia Lea Baum gab an, dass die Aufseherin auch ›Trude‹ genannt wurde.1551 »Sie begoss die […] Frauen mit Unreichlichkeiten. Sie[, die Häftlinge,] wurden durch die Marianne und die Zwiklinska geschlagen und gepeinigt.«1552 Auch ›Cwiklińska‹ hatte es auf ältere Häftlinge abgesehen. Sie »war sehr schlecht und misshandelte […] [die Jüdinnen]. 1542 Zeugenaussage von Sara Kessel bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 19.05.1969. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1543 Vgl. Antrag von Marianne Busalla auf Versetzung vom 04.01.1945. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,2, Fol. 20. 1544 Vgl. Mitteilung des SS-Lehrgänge Holleischen an die Industriewerke Plauen vom 27.09.1944. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,1, Fol. 94. 1545 Vgl. Mitteilung der Industriewerke Plauen an die Personalabteilung des Konzentrationslagers Flossenbürg vom 29.09.1944. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,1, Fol. 100. 1546 Antrag von Marianne Busalla auf Versetzung vom 04.01.1945. In  : BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,2, Fol. 20. 1547 Vgl. ebd. 1548 Vgl. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1549 Vgl. Zeugenaussage von Bela Röhr bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel am 22.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 83. 1550 Vgl. ebd., Fol. 82. 1551 Zeugenaussage von Lonia Lea Baum bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel. Protokoll vom 08.12.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 72. 1552 Zeugenaussage von Sara Kessel bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landes-

405

406 | 

Zwangsarbeit in Plauen

[…] Sie schlug ohne jedwede Ursache.«1553 In den von Tzani und Cziborra aus den Aktenbeständen zum KZ Flossenbürg zusammengestellten Auflistungen der SS-Aufseherinnen lassen sich die durch die Zeuginnen gemachten Aussagen neuerlich keiner Frau zuweisen. Der tatsächliche Name der ›Cwiklińska‹ bleibt ebenfalls ungeklärt. Der Vollständigkeit halber sei noch auf die dritte Aufseherin, an die sich die ehemaligen Häftlinge erinnerten, eingegangen. Auch ihr richtiger Name konnte nicht geklärt werden. Die Häftlinge nannten sie ›stolze Genendel‹1554 oder ›Genändel‹1555. Sie »war groß, hatte eine stolze Haltung. War jung.«1556 Anders als ihre beiden Kolleginnen habe sich die ›stolze Genendel‹ »verhaeltnismaessig gut den Haeftlingen gegenueber verhalten.«1557 Ein Grund, warum sich im Lager in Mehltheuer weniger Aufseherinnen aufgehalten haben als in den Industrie-Werken, lag wohl darin, dass das Lager in Mehltheuer von Wachtürmen umgeben war, auf denen SS-Männer Wache hielten.1558 Damit wäre die Bewachung im Lager mit weniger Personal durchzuführen gewesen. Margaret Marketa Novak erinnerte sich, dass »[i]n Mehltheuer […] mehr SS-Männer waren, die uns beaufsichtigten, als SS-Frauen.«1559 Leider war für SS-Wachmannschaften keine Aufstellung der Personalstärke oder der eingesetzten Aufseher zu recherchieren. Angefügt sei noch, dass das Lager einem ersten und zweiten Lagerführer unterstand. »Der erste Lagerfuehrer hat Fischer geheissen. War etwa 170 cm gross, ungefaehr 40 Jahre alt, von normalem Koerperbau, dunkelhaarig. […] [D]er zweite Lagerfuehrer [war] [m]ittelgroß […], kleiner und dicker als der erste, dunkelhaarig, über 40 Jahre alt.«1560 Detailliertere Informationen stehen auch hier nicht zur Verfügung. Fischer stab der Polizei in Israel am 19.05.1969. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1553 Zeugenaussage von Bela Röhr bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel am 22.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 83. 1554 Vgl. Zeugenaussage von Lonia Lea Baum bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel. Protokoll vom 08.12.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 72. 1555 Vgl. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1556 Ebd. 1557 Zeugenaussage von Lonia Lea Baum bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel. Protokoll vom 08.12.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 72. 1558 Vgl. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1559 Vgl. Vernehmungsniederschrift des Deutschen Generalkonsulats in Los Angeles vom 08.05.1969. Betreff  : Überprüfung des Nebenlagers Mehltheuer/Vogtland. Vernehmung der Zeugin Margaret Marketa Novak. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, Fol. 179. 1560 Zeugenaussage von Milanow Ester bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

hat sich nach Angaben der ehemaligen Häftlinge jedoch bei der Auflösung des Lagers verdient gemacht. Er habe den Befehl zur Evakuierung nicht ausgeführt.1561 Ester Milanow schrieb die Widersetzung gegen den Befehl aus Flossenbürg dem zweiten Lagerführer zu, der bis zum Einmarsch der Amerikaner mit den Häftlingen im Lager verblieb. Sie weist explizit auf die Absicht des Mannes hin, so das Leben der Häftlinge schützen zu wollen. Obwohl sich die Jüdinnen gegenüber den Amerikanern für ihn aussprachen, wurde er in Haft genommen.1562 Zusammenfassend kann für die Bewachung im KZ-Außenlager der VOMAG in Mehltheuer festgestellt werden, dass sie wohl ähnlich brutale Vorgehensweisen, Schikanen und Gewalttaten gegen die weiblichen Häftlinge beinhaltete wie die in den Plauener Lagern in den Industrie-Werken und der Baumwollspinnerei. Schilderungen zum Verhältnis der deutschen Belegschaft zu den KZ-Häftlingen sollen an dieser Stelle entfallen. Es ist sicher auch hier davon auszugehen, dass die deutschen Arbeitskräfte weitestgehend Abstand von den Jüdinnen aus dem KZ gehalten haben, wobei einzelne Akte der Empathie nicht auszuschließen sind. Angemerkt sei allerdings noch, dass die Beschäftigung von KZ-Häftlingen in Mehltheuer wohl schon zeitgenössisch eine gewisse Brisanz besaß. So war es der Belegschaft der Tüllfabrik ab Herbst 1944 nicht mehr gestattet, den Haupteingang des Fabrikgebäudes zu benutzen.1563 Ob dies mit dem ›Häftlingseinsatz‹ begründet werden kann oder auf die Herstellung von Flugzeugteilen durch die VOMAG zurückzuführen ist, kann nicht mehr eindeutig beantwortet werden. Was das KZ Mehltheuer allerdings von den beiden Einrichtungen in der OsramProduktion in Plauen unterschied, war, dass es in Mehltheuer einen Todesfall unter den Häftlingen zu verzeichnen gab. Wohl schon im Februar 19451564 stirbt die am 30. Dezember 1904 geborene Sara Jatkowska. Aus der Belegungsstärke des KZ wird sie allerdings erst am 5. März ausgetragen.1565 Der Grund für ihren Tod war nicht zu ermitteln. Eine Tragik erhalten die Umstände jedoch, weil Jatkowskas Tochter ebenfalls im KZ-Außenlager in Mehltheuer interniert war.1566 Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Haftbedingungen in Mehltheuer ähnlich denen in den Plauener FrauenLandesstab der Polizei in Israel am 30.06.1969. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1561 Vgl. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1562 Vgl. Zeugenaussage von Milanow Ester bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 30.06.1969. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1563 Vgl. Körner (1981)  : Mahn- und Gedenkstätten, S. 31. 1564 Vgl. Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 25. 1565 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Mehltheuer. 1566 Vgl. Cziborra (2012)  : KZ Mehltheuer, S. 25.

407

408 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Konzentrationslagern gewesen sein müssen. Während für die Plauener Einrichtungen zwei Fluchtversuche als Indikatoren für schlechte Haftbedingungen gelten können, ist es in Mehltheuer der Tod von Sara Jatkowska. 4.5.3 Dr. Th. Horn und der Einsatz von KZ-Häftlingen

Als letztes KZ-Außenlager soll nun die Einrichtung diskutiert werden, die von dem Flugzeuggerätehersteller Dr. Th. Horn betrieben wurde. Im Gegensatz zu den Lagern in den I-Werken, der Baumwollspinnerei und in Mehltheuer handelte es sich bei der Einrichtung des Unternehmens mit Hauptsitz in Leipzig um ein reines Männerlager. Eine weitere Besonderheit und einen Unterschied zu den bisher betrachteten KZ-Außenlagern stellt die fachliche Vorbildung der Insassen dar. Dr. Th. Horn hatte wohl explizit Facharbeiter beantragt, die das KZ Flossenbürg organisierte. Wie Ulrich Fritz in seiner Untersuchung zu den Verhältnissen im KZ-Außenlager von Dr. Th. Horn in Plauen feststellte, liegen für diese Einrichtung nur wenige Informationen vor. Grund dafür waren die Verwirrungen, die aufgrund der drei Außenlager auf dem Stadtgebiet nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden. Gesichert ist, dass das Lager des Flugzeuggerätebauers eine Belegungsstärke von 50 Personen aufwies.1567 Die Flossenbürger Nummernbücher zeigen sogar 57 Überstellungen aus anderen Stamm- und Außenlagern nach Plauen.1568 Auf die Gründe wird gleich zurückzukommen sein. Anhand der Einträge in den Nummernbüchern lässt sich weiterhin erkennen, dass die Häftlingsgruppe nicht so homogen war wie in den drei Außenlagern der Baumwollspinnerei, der I-Werke und der VOMAG. Während dort zum größten Teil Frauen aus dem Osten Europas interniert waren oder, wie im Fall Mehltheuers, ausschließlich Jüdinnen, stammten die Männer bei Th. Horn aus verschiedenen Nationen. Das Lager umfasste 16 Sowjets, 15 Franzosen, zehn Polen, neun Protektoratsangehörige, einen Belgier, einen Holländer, einen Italiener, einen Jugoslawen und drei Deutsche. In der Mehrzahl waren sie ursprünglich als ausländische Zivilarbeiter registriert worden. Nur wenige Schutzhäftlinge wurden nach Plauen verbracht.1569 Weitere Hinweise zu den Lagerinsassen und zur Lagerorganisation gibt die Überstellungsliste der letzten 42 Insassen aus Plauen nach Lengenfeld. Das Lager bei Horn wurde am 27. März 1945 aufgelöst und die Häftlinge ins Arbeitslager nach Lengenfeld verbracht. Unter den 42 Männern befanden sich 38 Mechaniker. Diese übten Fachberufe wie Feinmechaniker, Automechaniker, Elektromechaniker oder Maschinenschlosser aus. Die verbleibenden vier wurden ebenfalls als Facharbeiter 1567 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227. 1568 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Plauen. 1569 Vgl. ebd.

Der Einsatz von KZ-Häftlingen |

registriert. Unter ihnen befanden sich ein Ingenieur, ein Schweißer, ein Dreher und ein Bäcker.1570 Entstanden war das KZ-Außenlager von Horn am 9. November 1944.1571 Die Häftlinge kamen unter anderem aus den Lagern Groß-Rosen, Flossenbürg und Buchen­ wald nach Plauen.1572 Die innere Organisation dürfte ähnlich der der anderen Außenlager angelegt worden sein. Ulrich Fritz stellte für Th. Horn 13 Aufseher fest, bis auf den für alle Plauener Lager zuständigen SS-Oberscharführer Dziobaka sind keine weiteren Personen namentlich überliefert.1573 Auffällig sind für das Lager von Horn schließlich die zahlreichen Todesfälle und Fluchtversuche. Hierin könnte nun auch der Grund liegen, warum in den Flossenbürger Nummernbüchern 57 Häftlinge mit der Überstellung nach Plauen verzeichnet sind. Sicher hatte das Stammlager versucht, die Verstorbenen zu ersetzen. Die Nummernbücher geben Hinweise auf sechs Todesfälle. Der Erste, der nur wenige Tage nach seiner Ankunft in Plauen am 6. November 1944 verstarb, war der Franzose Albert Rezongle. Er war zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre alt. So wie Rezongle fanden drei weitere Franzosen, ein Reichsangehöriger und ein Pole den Tod in Plauen.1574 Damit kann für das Außenlager der Firma Horn eine Todesrate von 12 Prozent ermittelt werden. Aufgrund der im Vergleich zu den anderen untersuchten Außenlagern hohen Sterblichkeit können schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen bei Horn angenommen werden. Diesen Verdacht stärkt die Tatsache, dass das Stammlager Flossenbürg ebenfalls zwei Fluchtversuche unter den Häftlingen des Außenlagers in Plauen verzeichnete. Am 6. Dezember 1944 entflohen die aus Russland stammenden Nikolaj Wasiljew und Alexej Schivez.1575 Das weitere Schicksal der beiden KZ-Häftlinge ist nicht überliefert. Vermutlich wurden sie aufgegriffen, was eine ausgesprochen harte Bestrafung wie Essensentzug, der unter Umständen auf das ganze Lager ausgeweitet wurde, zur Folge haben konnte. Ulrich Fritz führt in seiner Betrachtung zum Außenlager der Firma Dr. Th. Horn abschließend noch einen Zeitzeugenbericht an, der der oben gemachten Vermutung, es müsse sich um schlechte Haftbedingungen gehandelt haben, widerspricht.1576 Eine Bewertung ist im Falle des Außenlagers also schwieriger als bei den anderen auf Plauener Gebiet befindlichen Einrichtungen. 1570 Vgl. Überstellungen aus dem Arbeitslager Plauen (Dr. Th. Horn), zum Arbeitslager Lengenfeld, am 27.03.1945. In  : AGFl, Best. Plauen, Dr. Th. Horn (ursprünglich BArch Berlin, Best. ehem. ZStA, Dok/K 183/11). 1571 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227. 1572 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Plauen. 1573 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227. 1574 Vgl. Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. In  : AGFl, Best. Plauen. 1575 Vgl. ebd. 1576 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227.

409

410 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Die Auflösung des Lagers und die Versetzung nach Lengenfeld beendete das Martyrium der KZ-Häftlinge in Plauen. Lebensgefahr blieb jedoch weiter bestehen, denn auch das Lager in Lengenfeld wurde kurze Zeit später aufgelöst und die Häftlinge zu Fuß in Richtung Süden geschickt.1577 Wären die Männer im Plauener Lager verblieben, wäre die Todesrate vermutlich noch deutlich erhöht worden, denn das Unternehmen Horn hatte bereits mit einer Untertageverlagerung seiner Betriebsstätten begonnen.1578 Einer der Hauptgründe, warum die KZ-Häftlinge ab Herbst 1943 massenhaft zur Arbeit eingesetzt wurden, waren die Untertageverlagerungen. Durch die immer häufiger auftretenden Luftangriffe sollten die Produktionsmittel gefährdeter Firmen für eine sichere Weiterführung der Produktion unter die Erde verlegt werden. Dies galt vor allem für die Sicherung der Herstellung und Montage der sogenannten Vergeltungswaffe (›V2‹), die in vermeintlich bombensicheren Gebieten gewährleistet werden sollten.1579 Tunnel und Höhlen bildeten die neuen Produktionsstätten, die allerdings weitreichend ausgebaut oder überhaupt angelegt werden mussten. Für diese gefährlichen und körperlich anstrengenden Arbeiten hatte das WVHA KZ-Häftlinge vorgesehen.1580 Die Leitung der Projekte oblag dem am 1. März 1944 gegründeten ›Jägerstab‹1581. Das erste der Untertageprojekte, für dessen Bauaktivitäten das KZ Mittelbau-Dora schon am 28. August 1943 angelegt wurde, leitete noch eine Delegation um Hans Kammler aus der Amtsgruppe C (Bauwesen) im WVHA und der eigens dafür gegründeten Gesellschaft Mittelwerke GmbH.1582 Das Rüstungsministerium war für die Koordination und die Leitung des ersten Projektes und ab 1944 dann für die Abstimmung der Jagdflugzeugproduktion sowie deren notwendige Verlagerungen zuständig. Ausgeführt wurden die Bauprojekte durch speziell dafür gegründete SS-Baustäbe und seltener von privaten Bauunternehmen.1583 Auch die Organisation Todt, das Rüstungslieferamt des Speer-Ministeriums und die Industriebetriebe selbst führten Baustellen zur Verlagerung einzelner Produktionen. Dies galt nicht nur für die 1577 Vgl. ebd., S. 228. 1578 Vgl. Mitteilung der Organisation Todt, Einsatzgruppe Kyffhäuser an das Amt Bau-OT, Abt. Unterirdische Bauten vom 30.03.1945. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 3310, Fol. 334. 1579 Vgl. Orth (1999)  : Konzentrationslager, S. 243–244. 1580 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 96. 1581 Der Jägerstab war ein Gemeinschaftsprojekt des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, des Reichsluftfahrtministeriums, der Industrie und der SS. Ziel war die durch die Alliierten Anfang 1944 empfindlich getroffene Produktion von Jagdflugzeugen. Vgl. dazu Walter, Verena (2007)  : Jägerstab. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 580. Weiterführend siehe Wagner, Jens-Christian (2001)  : Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora, Göttingen. 1582 Vgl. Orth (1999)  : Konzentrationslager, S. 244. 1583 Vgl. Schulte (2000)  : Das SS-WVHA, S. 98 sowie Orth (1999)  : Konzentrationslager, S. 244.

Das deutsche Aufsichtspersonal |

Projekte unter Tage. Im letztgenannten Fall kamen vor allem ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene zum Einsatz.1584 Dass es in Plauen die Firma Horn war, die eine Untertageverlagerung anstrebte, und nicht die im Panzerprogramm der Regierung tätige VOMAG, hatte seine Ursache in dem Versuch des Wiederaufbaus der Ende 1943/Anfang 1944 zerschlagenen Luftfahrtindustrie. Außerdem sollten exponierte Betriebe mithilfe der Verlagerungen dezentralisiert werden. Die Maßnahmen zielten speziell auf die Förderung der als besonders wichtig empfundenen Luftrüstung ab. Im Zuge des lebensgefährlichen Häftlingseinsatzes bei der Aushebung von Tunneln und der Erweiterung von Höhlen entwickelte sich ein besonderer Umgang der deutschen Unternehmen mit den KZInsassen. Da die Lager und mit ihnen das WVHA fortwährend neue Arbeiter bereitstellten, war es den Betrieben beim Häftlingseinsatz bisher nicht auf die Erhaltung der Arbeitskraft angekommen. Die sogenannten Bauhäftlinge waren hauptsächlich Juden und erfuhren keinerlei Rücksichten. Im Todesfall wurden sie einfach ausgetauscht. Die Bedeutung der Arbeitskräfte änderte sich bei der Produktionsaufnahme der Betriebe unter Tage. Jetzt war wieder Interesse an einer Erhaltung der Arbeitskraft, vor allem im Falle von Facharbeiterhäftlingen, vorhanden, was sich positiv auf die Lebensbedingungen ausgewirkt haben muss. Die Todesrate sank bei Fertigstellung der Untertageprojekte deutlich.1585 In Plauen befand sich das unter dem Decknamen ›Azurit‹ laufende Projekt 1945 in der Anfangsphase, sodass noch keine Häftlinge zum Ausbau der Stollenanlage in Reinsdorf angefordert worden waren. Die Untertageverlagerung kam nicht über die Planungsphase hinaus.1586 4.6 Das deutsche Aufsichtspersonal Nachdem nun alle Gruppen ausländischer Arbeitskräfte untersucht wurden, soll abschließend noch ein weiterer ihre Arbeits- und Lebensbedingungen beeinflussender Faktor diskutiert werden. Wie bereits gezeigt, wurden die Bedingungen des ›Ausländereinsatzes‹ nicht nur durch Ernährung, Unterkunft, medizinische Versorgung, Kleidung und letztlich die alliierten Bombenangriffe beeinflusst, sondern maßgeblich durch den von den Nationalsozialisten aufgebauten Terrorapparat. Zu diesem zählten nicht 1584 Vgl. Orth (1999)  : Konzentrationslager, S. 247. 1585 Vgl. ebd., S. 246, 255. 1586 Vgl. Kostenübersicht zur Verlagerung der Firma Dr. Th. Horn, Plauen i. V., in die Stollenanlage in Reinsdorf. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 3310, Fol. 337–339 sowie Mitteilung von Architekt Emil Rösler an die Organisation Todt, Weimar, vom 22.01.1945. Betreff  : Antrag der Firma Dr. Th. Horn in Plauen auf Aufnahme ihres Bauvorhabens in Reinsdorf in die Liste der Programmbauten. In  : BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 3310, Fol. 340.

411

412 | 

Zwangsarbeit in Plauen

nur die KZ, die auf die SS zurückgingen, sondern auch Einrichtungen wie die Arbeitserziehungslager, die Justizgefängnisse und dergleichen mehr. Alle diese Lager wurden durch das Vorgehen gegen ›Arbeitsbummelei‹ und Arbeitsvertragsbruch bestimmt. Damit standen sie in engem Zusammenhang mit der Gestapo. Außerdem waren die ausländischen Arbeitskräfte, egal, welcher Gruppe sie angehörten, unter ständiger Beobachtung, die von der deutschen Belegschaft in Form des Werkschutzes mitgetragen wurde. Deutsche Industriearbeiter konnten demnach auch zur Bewachung von Justizhäftlingen, Erziehungslagerinsassen oder gar KZ-Häftlingen eingesetzt werden. Im Folgenden sollen nun die Rekrutierungsmöglichkeiten für Werkschutz und SS diskutiert und anhand von zwei Beispielen dargestellt werden. Über die Aufgaben des Werkschutzes wurden bereits einige Angaben gemacht, die noch einmal kurz zusammenzufassen sind. Zum einen wurden die Mitglieder des Werkschutzes verpflichtet, Aufsicht in den Ausländerlagern zu führen. Dieses galt vor allem für die Ostarbeiterlager.1587 Für Plauen konnte dies für die Mechanische Baumwoll-Weberei Herrmann Lang nachgewiesen werden. Hier waren es wohl hauptsächlich Vorarbeiter und Meister, die den Wachdienst durchführten.1588 Zum anderen war der Werkschutz auch für die Überwachung des ordentlichen Betriebsablaufes am Arbeitsplatz zuständig. Hier entwickelte sich im Zweiten Weltkrieg ein Klima, das von Drohungen und Gewaltakten der Werkschutzmänner geprägt sein konnte. Einen solchen Arbeitsalltag fanden sowohl deutsche als auch ausländische Arbeitskräfte im VOMAG-Zweigwerk in Weischlitz vor. Als besonders brutal gegenüber Ausländern fielen die beiden Werkschutzmänner Alfred Hermann Dreikorn und Willy Bruno Reußner auf.1589 Während Dreikorn nach eigenen Angaben zwar kein Mitglied der NSDAP war, gehörte er jedoch angeblich dem Reichssicherheitsdienst (RSD) an.1590 Als selbstständige Reichsbehörde gegründet, war der RSD ab 1934 für den Schutz Hitlers sowie anderer hochrangiger Politiker verantwortlich. Er wurde aus erfahrenen und bewährten Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei zusammengestellt und übernahm auch die Überprüfung hochrangiger SS-Offiziere.1591 Dass Dreikorn in seiner Funktion als Mitglied des RSD in Weischlitz als Werkschutzmann eingesetzt war, ist zu bezweifeln. Die Umstände klärt das Urteil, das am 10. November 1948 im Verfahren gegen Dreikorn und Reußner vor dem Landgericht Zwickau gesprochen wurde. Die Gestapo hatte Dreikorn 1943 angeworben, damit er für ihre »politische Abteilung«1592 tätig war. Die Staatsanwaltschaft Zwickau wies Dreikorn mindestens 1587 1588 1589 1590 1591

Vgl. Dornheim (2015)  : Sachs, S. 404–405. Vgl. Interview mit Anja Görgl, Min. 2  :03, siehe Anhang 1. Vgl. Anklageschrift Dreikorn und Reußner, VOMAG, Fol. 1. Vgl. ebd. Vgl. Rieß, Volker (2007)  : Reichssicherheitsdienst (RSD). In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 756. 1592 Beglaubigte Abschrift des Urteils in der Strafsache gegen Alfred Hermann Dreikorn und Willy

Das deutsche Aufsichtspersonal |

einen Einsatz für die Gestapo nach.1593 Die Politischen Abteilungen waren eigentlich in den Gefängnissen, AEL und KZ eingesetzt und terrorisierten die Häftlinge. Worauf die Staatsanwaltschaft abzielt, ist vermutlich der Einsatz Dreikorns als V-Mann.1594 Willy Bruno Reußner war bereits 1933 in die NSDAP eingetreten. 1887 und 1893 geboren, waren Dreikorn und Reußner während des Zweiten Weltkrieges Anfang bzw. Mitte 50. Zu ihren Aufgaben als Angehörige des Werkschutzes zählte explizit die Überwachung der im Betrieb eingesetzten tschechischen, sowjetischen, französischen und polnischen Arbeitskräfte. Als Wachmänner wurden Dreikorn und Reußner durch den Werkschutzleiter Miersch angewiesen und waren während ihres Dienstes in der VOMAG bewaffnet. Sie trugen Pistolen bei sich. Dass sie diese auch benutzten, ist nicht überliefert. Jedoch waren die Waffen Hilfsmittel, um die ausländischen Arbeitskräfte einzuschüchtern. Den in der VOMAG beschäftigten Tschechen Buritsch hatte der Werkschutz nach Feierabend am Bahnhof Weischlitz gestoppt und unter vorgehaltener Waffe zur Polizeiwache abgeführt. Dort sperrten ihn die Werkschutzmänner in den Keller, bevor sie ihn an die Gestapo übergaben.1595 Solche »Kontrollgänge zur Verfolgung ausländischer Zivilarbeiter«1596 führten die Werkschutzmänner regelmäßig durch.1597 Die beiden Männer schikanierten die ausländischen Zivilarbeiter fortwährend, vor allem aber mit spontanen Spinddurchsuchungen, denen, sobald sie Gegenstände fanden, die sie in irgendeiner Weise als verdächtig werten konnten, Prügel folgten.1598 Außerdem bestraften Dreikorn und Reußner Versuche der ausländischen Arbeitskräfte, ihre Situation im Werk der VOMAG zu verbessern. So hatten sich Anfang März 1944 drei der tschechischen Arbeitskräfte an die Werksleitung gewandt, weil die Ausländer festgestellt hatten, dass Teile der Gemeinschaftsverpflegung fehlten.1599 Die Werksleitung widmete dem Anliegen der Tschechen wenig Interesse. Nachdem die Ausländer das Werk am Ende ihrer Schicht verlassen hatten, wurden zwei von ihnen durch die Werkschutzmänner Dreikorn und Reußner festgenommen und der Gestapo übergeben. Diese inhaftierte sie für zwei Wochen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen.1600 Vermutlich handelte es sich dabei um eine vermeintlich erzieherische Maßnahme. Dafür spricht die Kürze der Haft. Bruno Reußner am Landgericht Zwickau vom 10.11.1948. In  : StAL, Best. 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 5030, Personalakte Dreikorn, Fol. 15. 1593 Vgl. ebd. 1594 Vgl. Boberach, Heinz (2007)  : Geheime Staatspolizei (Gestapo). In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 529. 1595 Vgl. Anklageschrift Dreikorn und Reußner, VOMAG, Fol. 2–3. 1596 Vgl. ebd., Fol. 5. 1597 Vgl. ebd. 1598 Vgl. ebd., Fol. 2. 1599 Vgl. ebd. 1600 Vgl. ebd., Fol. 2–3.

413

414 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Um Widerstand oder einen Fluchtversuch zu unterbinden, hatte der Werkschutz den Tschechen Schnürsenkel, Hosenträger und Gürtel abgenommen. Bevor die Delinquenten der Gestapo übergeben wurden, verprügelte der Werkschutz sie.1601 Dies sollte die ausländischen Arbeitskräfte einschüchtern und sie von weiteren Beschwerden abhalten. Vor allem die Drohung, die Ausländer bei der Gestapo zu melden, der ihre außerbetriebliche Bestrafung oblag, gehörte zum Alltag in der Weischlitzer Maschinenfabrik. Durch die Gewaltausschreitungen Dreikorns und Reußners wurde den Drohungen Nachdruck verliehen, sodass die ausländischen Zivilarbeiter in ständiger Angst lebten, ›gemeldet‹ zu werden. Darin ist der Versuch zu sehen, die Arbeitsleistung der Ausländer trotz schlechter Lebensbedingungen zu steigern. Gleichzeitig scheinen sich die Werkschutzmänner der VOMAG in einer Gewaltspirale befunden zu haben. Sie schlugen »bei kleinsten Übertretungen mit den Fäusten«1602 auf die vor allem aus Tschechien stammenden Ausländer ein. Zur Anwendung von Gewalt gegen ausländische Arbeitskräfte kamen außerdem Beschimpfungen. So bezeichneten Dreikorn und Reußner die Tschechen im Zweigwerk der VOMAG fortwährend als »tschechische Bande«1603 oder »Schweine«1604. Dies war wohl Ausdruck des diskriminierenden Menschenbildes, das die nationalsozialistische Rassenideologie hatte. Einen der schlimmsten Gewaltausbrüche erlebte der Tscheche Bluha, den die beiden Werkschutzmänner nach einer Spinddurchsuchung ins Gesicht schlugen, bis er stark blutete. Grund für die Schläge war, dass Bluha seinen Mantel in einen freien Spind gehängt hatte. Wenige Tage später setzten die Werkschutzmänner dem Tschechen neuerlich zu. Auf dem Werkshof verprügelten sie ihn mit Gummiknüppeln.1605 Dass die Ausschreitungen Dreikorns und Reußners nicht nur auf eine Überforderung der Werkschutzmänner mit ihren Aufgaben im Betrieb zurückgeführt werden können, sondern sie ihre Machtstellung gern ausnutzten, wird daran deutlich, dass Dreikorn mit Uniform und Pistole auch in seiner Freizeit und an Sonntagen gesehen wurde.1606 Grundsätzlich galt für die Eskalation der Gewalt, dass der Werkschutz mit der Situation des ›Ausländereinsatzes‹ überfordert war. Die massenhaft zur Arbeit herangezogenen ausländischen Arbeitskräfte erfüllten vor allem aufgrund ihrer körperlichen Konstitution die Anforderungen in den deutschen Betrieben nicht. Sie weiter zur Arbeit anzutreiben war kaum möglich. Erfüllte der Werkschutz damit seine Aufgabe nicht, konnte er ebenso wie alle deutschen Betriebsangehörigen beim Abwehrbeauftragten des Betriebes1607 und weiter bei der Gestapo gemeldet werden. Auch deutsche 1601 Vgl. ebd., Fol. 3. 1602 Ebd. 1603 Ebd., Fol. 3. 1604 Ebd. 1605 Vgl. ebd., Fol. 5. 1606 Vgl. ebd., Fol. 4. 1607 Vgl. ebd., Fol. 5.

Das deutsche Aufsichtspersonal |

Arbeitskräfte wurden in Arbeitserziehungslager, KZ oder Justizgefängnisse eingewiesen. Dies konnte bereits anhand der Schilderungen zur Untersuchungshaftanstalt Plauen deutlich gemacht werden. Der auf das deutsche Personal ausgeübte behördliche Druck kann jedoch nicht als Legitimation für die dargelegte Gewalteskalation dienen. Angemerkt sei noch, dass die Werkschutzmänner der VOMAG ebenfalls zur Aufsicht von Justizgefangenen herangezogen wurden. Dies erfolgte allerdings nicht auf freiwilliger Basis, sondern verpflichtend. Für die Werkschutzmänner Dreikorn und Reußner sei abschließend festgestellt, dass sie vom Landgericht Zwickau wegen »Verbrechen nach der Direktive Nr. 38 des alliierten Kontrollrats«1608 verurteilt und als »Belastete (Verbrecher)«1609 eingestuft wurden. Direktive 38 bestimmte die »Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen«1610. Dreikorn wurde am 20. Dezember 1948 in das Strafgefängnis Hoheneck eingewiesen, um die gegen ihn ausgesprochene Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten abzuleisten.1611 Willy Reußner verurteilte das Gericht zu einem Jahr Gefängnis.1612 Ähnliche Gewaltausbrüche lassen sich auch für die Plauener KZ-Außenlager feststellen. Ebenso wie die Werkschutzmänner gingen die Aufseherinnen brutal gegen die Häftlinge vor, wie schon am Beispiel des KZ-Außenlagers Mehltheuer beschrieben wurde. Im Folgenden soll die Situation in den beiden durch Osram betriebenen Außenlagern kurz dargestellt werden. Zuständig für die in den Industrie-Werken und der Plauener Baumwollspinnerei eingerichteten Flossenbürger Außenlager war SSObersturmbannführer Kögel.1613 Die Kommandoführung übernahm SS-Oberscharführer Dziobaka für die von Osram und VOMAG betriebenen Außenlager.1614 Jeder Einrichtung standen dann eine Oberaufseherin sowie weitere Erstaufseher und Zugführerinnen vor.1615 Unter ihnen taten sich die Oberaufseherinnen Else Tomaske und 1608 Beglaubigte Abschrift des Urteils in der Strafsache gegen Alfred Hermann Dreikorn und Willy Bruno Reußner am Landgericht Zwickau vom 10.11.1948. In  : StAL, Best. 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 5030, Personalakte Dreikorn, Fol. 16 Rückseite. 1609 Ebd., Fol. 14 und 14 Rückseite. 1610 Alliierter Kontrollrat (1946)  : Direktive Nr. 38 des alliierten Kontrollrats vom 12. Oktober 1946. http://www.verfassungen.de/de45-49/kr-direktive38.htm 10.03.2019. 1611 Vgl. Einlieferungsschein des Strafgefängnisses Hoheneck für Alfred Hermann Dreikorn vom 20.12.1948. In  : StAL, Best. 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 5030, Personalakte Dreikorn, Fol. 12. 1612 Vgl. Beglaubigte Abschrift des Urteils in der Strafsache gegen Alfred Hermann Dreikorn und Willy Bruno Reußner am Landgericht Zwickau vom 10.11.1948. In  : StAL, Best. 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 5030, Personalakte Dreikorn, Fol. 14 Rückseite. 1613 Vgl. Abschrift des Briefes der Plauener Baumwollspinnerei AG, Verwaltung Treuen, an Osram vom 25.08.1944. Betreff  : Besuchsbericht vom 25.08.1944. Textilfremder Sektor. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 490, Fol. 469. 1614 Vgl. Fritz (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn), S. 227. 1615 Vgl. Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 106–133.

415

416 | 

Zwangsarbeit in Plauen

Hildegard Naujokat als besonders brutal hervor. In den I-Werken zwang Naujokat die Häftlinge beispielsweise, nackt für Stunden im Lager zu stehen.1616 Wie die Werkschutzmänner in beispielsweise Justizanstalten konnten Aufseherinnen im KZ ebenfalls zu ihrem Dienst verpflichtet werden. Sie waren nicht zwingend Mitglieder der SS. Sie konnten sich einerseits aus eigener Initiative bei der SS bewerben, wurden andererseits vom Arbeitsamt oder durch die SS angeworben.1617 Usus war es auch, dass sie von den die Lager betreibenden Unternehmen gestellt wurden. Dies galt zum Beispiel für Dora Erna Zeh, die im August 1944 gemeinsam mit weiteren Frauen aus der Produktion der Industrie-Werke beim Arbeitsamt ihren Dienstverpflichtungsbescheid zum Dienst als Aufseherin im unternehmenseigenen Lager abholen musste.1618 Fünf bis sechs der 16 Frauen stammten aus dem Werk und wurden lediglich zum Vorbereitungskurs der SS geschickt, bevor sie ihre Aufgabe ausführten.1619 Die wenigsten unter ihnen dürften sich freiwillig zum Dienst im KZ gemeldet haben.1620 Vielleicht liegt darin der Grund dafür, dass auch die Aufseherinnen in der Baumwollspinnerei nach der Ankunft der Häftlinge Mitleid ihnen gegenüber zeigten. »[Die] Aufseherinnen waren freundlich, […] manche, besonders jüngere, kamen abends zu […] [den Häftlingen] und unterhielten sich mit [ihnen] […], sie sangen Lieder.«1621 Es ist auch denkbar, dass sich ein Teil der Aufseherinnen zu diesem Zeitpunkt noch in der Einarbeitungsphase befand. Den Frauen kamen zwischen sieben und 14 Tage zu, in denen sie sich an die Gewalt in den Konzentrationslagern gewöhnen sollten. Dass dieser Gewöhnungsprozess eintrat, lag daran, dass die Gewalt jeden Tag durch die Vorgesetzten ausgeführt und somit legitimiert wurde.1622 In jedem Fall wurde das Personal kurze Zeit nach der Ankunft der Häftlinge in Plauen ausgewechselt1623, was auf die engen Kontakte zwischen den Aufseherinnen und den Häftlingen zurückgeführt werden kann. Fotini Tzani stellt in ihrer Untersuchung fest, dass drei der in Plauen eingesetzten Aufseherinnen sogar ausgemustert wurden.1624 Ob es sich dabei um die beschriebenen jungen Frauen handelt, ist nicht nachzuweisen. 1616 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Elena Jarc vom 30.11.1971. In  : ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66 Band 1, Fol. 96. Else Tomaske wird auch mit dem Vornamen Ilse genannt. 1617 Vgl. Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 22. 1618 Vgl. Mitteilung der SED, Kreisvorstand Plauen, an die Spruchkammer Internierungslager Augsburg – Göppingen vom 14.08.1947. Betreff  : Dora, Erna Zeh. In  : ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217.66, Bd. 1, Fol. 48. 1619 Vgl. Aktennotiz zum Besuch von Osram in Plauen vom 28.–30.08.1944. In  : LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 691, Fol. 10. 1620 Vgl. Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 32. 1621 Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1622 Vgl. Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 6. 1623 Vgl. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1624 Vgl. Tzani (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit, S. 113, 123, 125.

Das deutsche Aufsichtspersonal |

Im Gegensatz zu den jungen Aufseherinnen, die die Nähe zu den Häftlingen suchten, war Oberaufseherin Else Tomaske in der Baumwollspinnerei brutal im Umgang mit den Jüdinnen. Die Häftlinge nannten sie »die alte Kuh«, weil sie »böse und wütend«1625, »dick, und ihr Blick stechend [war]. Sie sprach viel und laut, schrie oft. Häufig kam sie mit ihrem Schäferhund ins Lager. […] Die Oberaufseherin wohnte in der Stadt, trotzdem kam sie oft zu […] [den Häftlingen] tagsüber und auch nachts. Es war boshaft, wenn sie nachts mit ihrem Hund in den Schlafsaal kam und alle zum Appell geweckt hat.«1626 Else Tomaske kam als Ersatz für eine der Aufseherinnen, die aus dem Lager abgezogen wurden. Mit ihrer Ankunft haben sich die Lebensbedingungen für die Häftlinge in der Baumwollspinnerei deutlich verschlechtert. Neben den nächtlichen Appellen und ihrem Angst einflößenden Auftreten ging Tomaske brutal gegen die Häftlinge vor. So wurden die Jüdinnen willkürlich und grundlos mit Schlägen bestraft. Halina Bajer-Suwalska berichtete, dass sie »15 Schläge ins Gesicht«1627 erhielt, nachdem die Blockälteste sie bei Tomaske gemeldet hatte. »Die Oberaufseherin hatte so eine schwere Hand, dass […] [das] Gesicht eine Woche lang geschwollen war.«1628 Festzustellen ist für das deutsche Aufsichtspersonal, das mit der Be- und Überwachung ausländischer Arbeitskräfte betraut war, dass es im KZ wohl keinen Unterschied machte, ob die Aufseherinnen dienstverpflichtet wurden oder ihren Dienst freiwillig antraten. Wie gezeigt werden konnte, lebten die jeweiligen Vorgesetzten Gewalt gegen die Häftlinge aus, legitimierten damit diese Gewalt und machten sie allgegenwärtig. Im KZ taten sich, wie im Werkschutz auch, einzelne Persönlichkeiten durch besondere Brutalität oder Schikanen hervor, während sich andere zurückhielten. Hier darf noch einmal auf die Schilderungen der Häftlinge im Außenlager der VOMAG verwiesen werden. Während ›Marianne‹ und ›Cwiklińska‹ schlugen und schikanierten, hielt sich die ›stolze Genendel‹ gegenüber den Häftlingen zurück. Gleiches kann in Teilen für den Werkschutz übernommen werden. Auch in der VOMAG herrschte die Angst vor der alltäglich durch die Werkschutzmänner praktizierten Gewalt, die vor allem durch Alfred Dreikorn vorangetrieben wurde. Deshalb fanden auch hier Beleidigungen und Schläge eine gewisse Akzeptanz  – zumindest schritten andere Mitarbeiter des Unternehmens nicht gegen den Werkschutz ein. An dieser Stelle muss allerdings die Einschränkung gemacht werden, dass die Gewalt im KZ wohl lebensbedrohlich war, während die Ausschreitungen des Werkschutzes weniger stark auf die Sterblichkeit der ausländischen Zivilarbeiter einwirkten. Deshalb ist der Vergleich zwischen KZAufseherinnen und Werkschutz nicht auf allen Ebenen möglich, verdeutlicht jedoch, 1625 Erinnerungsbericht von Celina Wojnarowicz vom 14.11.2001. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 3. 1626 Bericht-Nr. 127  : Celina Wojnarowicz. Meine Erinnerungen aus dem KZ-Lager. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.26, S. 2. 1627 Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht 205. In  : AGFl, Best. Sammlung Celina Wojnarowicz, S.40.25, S. 10. 1628 Ebd.

417

418 | 

Zwangsarbeit in Plauen

dass das ausufernde ›System des Ausländereinsatzes‹ nicht nur die Behörden überforderte, sondern hauptsächlich diejenigen, die die diskriminierenden Gesetze gegenüber den Ausländern umsetzen mussten. Ob gerade bei den KZ-Aufseherinnen hinter der Zurückhaltung gegenüber den Häftlingen ein Widerstand gegen das System des Terrors zu sehen ist, müsste im Einzelfall geklärt werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass das deutsche Aufsichtspersonal einerseits sicherlich das Herrenmenschentum gegenüber den Ausländern von einer Machtposition aus auslebte. Andererseits gehörte die Gewalt zum Alltag des Terrorapparates, durch die Alltäglichkeit legitimiert und nicht zuletzt Ausdruck der Überforderung des Einzelnen mit dem Bild, das sich ihm im ›Ausländereinsatz‹ bot. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass es in den letzten Tagen vor dem Einmarsch der Amerikaner in Plauen zu Akten der Sympathie gegenüber den KZ-Häftlingen kam. So wurde bereits der Fall des ersten und des zweiten Lagerführers in Mehltheuer geschildert, die beide den Befehl zur Räumung des Lagers missachteten.1629 Dagegen wurden die Häftlinge aus den beiden Plauener Lagern auf Evakuierungsmärsche geschickt.1630

1629 Vgl. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967. In  : ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66, nicht foliiert. 1630 Vgl. Außenkommando Plauen – Baumwollspinnerei/Osram, 13.09.1944–14.04.1945. In  : AGFl, Best. Plauen, Baumwollspinnerei.

5 Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit in Plauen Obwohl die Bombardierung Plauens durch die Alliierten erst im letzten Kriegsjahr einsetzte, war sie ebenso intensiv wie in anderen Großstädten des Deutschen Reichs. Auch wenn das Vogtland weniger industriell geprägt war, hatten Amerikaner und Briten begonnen, vor allem die VOMAG und die Bahnhofsvorstadt unter Beschuss zu nehmen. Unter der Annahme, in der VOMAG würden neben Panzern noch andere sogenannte V-Waffen (Vernichtungswaffen) hergestellt, intensivierten die Alliierten ihre Angriffe bis Jahresbeginn 1945. Die letzten großen Angriffe im April 1945 haben schließlich dazu geführt, dass Plauen zu 75 Prozent zerstört war.1 Typisch für die letzten Kriegswochen war, dass die produzierenden Gewerbe aufgrund von fehlenden Rohstofflieferungen brachlagen, so auch in Plauen. Dementsprechend waren, wie die deutschen, auch die ausländischen Arbeitskräfte ohne Beschäftigung. Sofern ihre Lager noch nicht zerstört waren, hielten sich vor allem die Ostarbeiter dort oder in den Trümmern der Stadt auf, in denen sie vor Luftangriffen nicht geschützt waren.2 Öffentliche Luftschutzräume und Bunker durften sie nicht betreten, sodass sie den Bomben schutzlos ausgeliefert waren. In den letzten Kriegswochen starben so auch in Plauen viele Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter bei Bombardierungen, so wie die 21-jährige Lettin Irena Anna Ziemelis aus Riga. Nach dem Fliegerangriff am 23. Februar 1945 hat man sie auf dem Hauptfriedhof in Plauen beigesetzt.3 Ob und wo sie zu diesem Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis stand, konnte leider nicht recherchiert werden. Wie Ziemelis ist auch der 44-jährige Josef Savek einem Fliegerangriff zum Opfer gefallen. Er hat am 16. Januar 1945 den Tod gefunden.4 Zu diesem Zeitpunkt hatte die 3. Air Division der USAAF die Verkehrsanlagen rund um den Oberen Bahnhof bei ihrem zweiten Angriff auf Plauen unter Beschuss genommen. Innerhalb von 13 Minuten forderte unter anderem der flächendeckende Abwurf von Brandbomben in der Bahnhofsvorstadt 132 Opfer.5 Die beiden Italiener Aquino Tonchez und Renato Rocchi starben ebenfalls durch die alliierten Bombardements, die beim ersten Fliegerangriff auf Plauen am 12. September 1944 auf die Stadt niedergingen.6 In der Zeit von 1 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 6 und 47. 2 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 379. 3 Vgl. Amt für die Erfassung der Kriegsopfer, Irena Anna Ziemelis, 2.3.1.2. / 78541728/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 4 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954731/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. 5 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 55. 6 Vgl. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 /

420 | 

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit

12.50 Uhr bis 13.12 Uhr überflog die erste Division der USAAF das Plauener Stadtgebiet, das als Gelegenheitsziel der Amerikaner auf dem Weg nach Brüx und Ruhland beschrieben wurde. Vorgesehene Abwurfziele des Angriffs waren die VOMAG, das VOMAG-Panzerwerk, das Stadtgebiet und die Verkehrsanlagen des Oberen Bahnhofs. Schäden entstanden in der Südvorstadt, der Bahnhofsvorstadt und auf dem Betriebsgelände der VOMAG.7 Neben dem fehlenden Luftschutz war der Zusammenbruch der Versorgungslinien nach der Zerstörung der Ausländerlager ein existenzielles Problem für die ausländischen Zivilarbeiter geworden. Die Beschaffung von Lebensmitteln war ihnen nun kaum anders möglich als durch Diebstahl. Da das gesamte Überwachungssystem durch die Wirren der letzten Kriegstage ebenfalls zusammengebrochen war, hatte die mittlere SS- und Polizeiebene alle Verfügungsgewalt auf die einfachen Beamten übertragen. Ohne Urteil konnten Ausländer bei kleinsten Verfehlungen auf offener Straße gerichtet werden. So geschah es auch dem schon vorgestellten Polen Josef Kwistkowski. Er wurde bei einem Raubzug angetroffen und auf offener Straße angeschossen. Wahrscheinlich versuchte er, seinem Verfolger noch zu entkommen, wurde allerdings am Hals durch eine Schusswaffe verletzt und verblutete.8 Wegen der großen Not zogen ausländische Zivilarbeiter auf der Suche nach Lebensmitteln in Gruppen durch die Städte. Da sie als ›obdachlos‹ galten, mussten sie die Gestapo fürchten, weshalb sich die Ausländer nach und nach zusammenschlossen und bewaffneten. Gründe für die Bewaffnung sieht Ulrich Herbert in ihrem Überlebenswillen ebenso wie in der Wut gegen die deutschen Unterdrücker.9 Auch in Plauen formten sich solche unter Umständen als ›Banden‹ zu bezeichnenden Gruppierungen. Auf der Suche nach Lebensmitteln zog eine große Anzahl Ausländer durch Meßbach in Richtung Taltitz  ; sie brachen auf ihrem Weg in Grundstücke ein. In Meßbach trafen mit den Ausländern auch Deutsche ein, die ebenfalls bewaffnet waren und die Einbrüche bemerkt hatten. Im Zuge der Diebstähle erschossen die Deutschen einen der Ausländer  ; er wurde auf dem Grundstück von Bauer Wild beigesetzt. Später wurde sein Grab aufgelöst und seine sterblichen Überreste auf den kommunalen Friedhof in Thiergarten überführt.10 70954731/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.   7 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 51. Naumann bezieht sich auf den Bericht des Headquarters der 8. USAAF SMTICH 101 APO 634 vom 12.09.1944.   8 Vgl. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 144, 2.1.4.1 / 70955251/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.   9 Vgl. Herbert (1999)  : Fremdarbeiter, S. 385. 10 Vgl. Aussprache mit Frau Eichelkraut in Meßbach am 15.04.1965 zu den Gräbern der unbekannten Ausländer auf dem Friedhof Meßbach. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 27. Vgl. außerdem  : Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, vom 17.03.1965 mit Auszug aus dem Schreiben des Hauptfriedhofes Plauen vom 17.02.1965 an den Stadtrat Dörfer (Vorschlag zur Ausgestaltung der Ehrenmale anlässlich des 20. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus). In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 25–26.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit 

| 421

Da auch die KZ-Außenlager auf dem Stadtgebiet von den Bombardements betroffen waren und die Häftlinge außerdem den Alliierten nicht in die Hände fallen sollten, wurden diese Lager spätestens Anfang April 1945 geräumt. So wurden beispielsweise die Häftlinge aus der Baumwollspinnerei auf einen Evakuierungsmarsch geschickt. Sie legten zu Fuß die Strecke von Plauen nach Johanngeorgenstadt und weiter nach Karlsbad zurück, wo sie dann von den Alliierten befreit wurden.11 In den IndustrieWerken verfuhr man ähnlich. Das Gebäude war am 10. April 1945 von einer Bombe getroffen und teilweise zerstört worden. In der Folge gelang einigen Häftlingen die Flucht12, andere wurden auf den Weg nach Flossenbürg geschickt.13 Begleitet von mehreren SS-Wachmännern, unter denen sich auch Lagerführer und Oberaufseherin befunden haben sollen, begaben sich die verbliebenen Häftlinge zusammen mit 2.000 anderen auf den Weg. Noch vor Ankunft erklärte die Oberaufseherin den Häftlingen aus den I-Werken, dass sie frei seien. Sobald sie sich allerdings entfernen wollten, wurde auf sie geschossen.14 Dieses Vorgehen, zusammen mit der fehlenden Versorgung der Häftlinge und den langen Fußmärschen, muss zu unzähligen Todesopfern während der Evakuierung geführt haben. Am 16. April 1945 besetzten schließlich amerikanische Truppen die Stadt Plauen, womit der Krieg offiziell endete. Am 1. Juli löste die Rote Armee die Amerikaner in der Verwaltung Plauens ab.15 Die städtische Administration übernahm Kommandant Major Kotlow.16 Es ist nun anzunehmen, dass die ausländischen Arbeitskräfte, die aus den Ländern der Westalliierten stammten, bereits beim Einmarsch der Amerikaner die Stadt verließen, sofern ihnen nicht schon nach dem Zusammenbruch des ›Systems des Ausländereinsatzes‹ die Flucht in die Heimat gelungen war. Spätestens mit Übergabe Plauens an die Sowjets verbrachten die Amerikaner sicherlich alle Ausländer nach Westen. Zurück blieben die ehemaligen Ostarbeiter. Zusammen mit allen anderen nach Kriegsende im Reich befindlichen Ausländern wurden sie als ›Displaced Persons‹ (DPs) bezeichnet. Wegen fehlender Alternativen verblieben die DPs oft in ihren Lagern, aber ohne zu arbeiten. Wie bereits am Beispiel Meßbach gezeigt, bestand in der Bevölkerung eine gewisse Angst vor den umherziehenden Ausländern und so auch vor den DPs. Womöglich befürchteten die Deutschen Racheakte der ausgebeuteten Ausländer. Die Alliierten repatriierten nach ihrem Einmarsch im Deut11 Vgl. Außenkommando Plauen  – Baumwollspinnerei/Osram, 13.09.1944–14.04.1945. In  : AGFl, Best. Plauen, Baumwollspinnerei. 12 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Elena Jarc vom 30.11.1971. In  : ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66 Band 1, Fol. 96. 13 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Zofia Ciezkowska vom 23.11.1971. In  : ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66 Band 2, Fol. 217. 14 Vgl. ebd., Fol. 218. 15 Vgl. Naumann (2011)  : Plauen im Bombenkrieg, S. 205. 16 Vgl. Zusammenstellung aller in Plauen beigesetzten ausländischen Bürger vom 21.11.1949. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 1–2.

422 | 

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit

schen Reich den größten Teil der ehemaligen Zwangsarbeiter.17 In Plauen erging unter sowjetischer Kommandantur am 17. Juli 1945 die Anordnung zur Repatriierung aller Angehörigen der SU. So sollten auch alle Patienten in den Krankenhäusern so weit medizinisch versorgt werden, dass ein Rücktransport möglich war. Die Anordnung galt selbst für Schwerverletzte.18 Allerdings führte der Rücktransport vor allem für die vormaligen Ostarbeiter zu weitreichenden Problemen. Sie befürchteten, bei der Rückkehr in die Heimat als Verräter bestraft zu werden. Diese Angst war so groß, dass einige sich sogar das Leben nahmen. Für viele endete die Rückkehr erneut im Lager und mit anhaltender Diskriminierung. Bis Ende September 1945 waren die meisten DPs in ihre Heimatländer zurückgeführt.19 In Plauen setzte sich die sowjetische Kommandantur schon kurz nach Kriegsende vor allem für die Klärung der Identität der in Plauen anonym beigesetzten Ausländer ein. Dabei ging es vor allem um die Ermittlung verstorbener Angehöriger der Roten Armee sowie sowjetische Zivilisten. Auf mehrere Initiativen Major Kotlows erarbeitete die Friedhofsverwaltung 1949 Gräberlisten und sowjetische Gräber wurden geöffnet sowie die sterblichen Überreste umgebettet. Nachdem alle Friedhöfe im Landkreis Plauen bis Ende 1949 aufgearbeitet waren20, gab es bis in die 1960er Jahre keine weiteren Aktivitäten zur Aufarbeitung des ›Ausländereinsatzes‹. Im März 1966 begannen die städtischen Behörden mit der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers ›Holzmühle‹21 und 1965 hat man bereits des ›20. Jahrestags der Befreiung vom Faschismus‹ mit einem Ehrendenkmal gedacht. Im Zuge der Vorbereitungen für das Ehrendenkmal wurden Ermittlungen zu den Personalien weiterer unbekannt beigesetzter Sowjets in Meßbach aufgenommen.22 Erwähnt sei noch, dass sich die Plauener Behörden in den ersten Nachkriegsjahren mit den Verbrechen in den KZ-Außenlagern auseinandersetzen mussten. So traten im Zuge der Spruchkammerverfahren Internierungslager aus den von den Westalliierten besetzten Zonen an sie heran, wenn 17 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 211–212. 18 Vgl. Mitteilung des Ausweichkrankenhauses Herbartschule über die Entlassung von Anatoli Baranow auf Anweisung der russischen Militärregierung am 17.07.1945. In  : StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt, Fol. 114. Weitere Krankenakten russischer Patienten für den Rücktransport Fol. 115–131. 19 Vgl. Spoerer (2001)  : Zwangsarbeit, S. 212. 20 Vgl. Zusammenstellung aller in Plauen beigesetzten ausländischen Bürger vom 21.11.1949. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 1–2. 21 Vgl. Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, an den Direktor des Vogtländischen Kreismuseums vom 23.03.1966. Betreff  : Ermittlungssache  : In Plauen beigesetzte ausländische Bürger im Zweitraum 1939–1945, Lager Holzmühle. In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 23–24. 22 Vgl. Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, vom 17.03.1965 mit Auszug aus dem Schreiben des Hauptfriedhofes Plauen vom 17.02.1965 an den Stadtrat Dörfer (Vorschlag zur Ausgestaltung der Ehrenmale anlässlich des 20. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus). In  : StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister, Fol. 25–26.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit 

| 423

in Plauen eingesetztes SS-Wachpersonal verurteilt werden sollte.23 Als gebürtigen Plauener und zentrale Figur in Sachsen setzten die Sowjets Martin Mutschmann auf die Liste der »Hauptkriegsverbrecher« für das Internationale Militärtribunal in Nürnberg. Er sollte als Partei- und Verwaltungsfunktionär verurteilt werden. Die Westalliierten lehnten es ab, Mutschmann auf die Liste der Hauptkriegsverbrecher zu setzen, weshalb er vor ein sowjetisches Militärgericht gestellt und am 30. Januar 1947 zum Tode verurteilt wurde.24 Weitere Initiativen zur Aufarbeitung des ›Ausländereinsatzes‹ gab es bis zu den gegenwärtigen Bemühungen einzelner Personen und Organisation nicht. Da sich Plauen auch nicht an der Entschädigungsdebatte um die Zwangsarbeiter im Dritten Reich beteiligte, soll diese hier nicht weiter ausgeführt werden. Dass keine Ansprüche gegenüber Plauener Firmen geltend gemacht wurden, könnte daran liegen, dass viele der Unternehmen in der DDR zu Konglomeraten zusammengeführt wurden und deshalb kein Ansprechpartner mehr ausfindig gemacht werden konnte. Hier scheint der Ansatzpunkt gegeben, eine weiterführende Studie zur Wiedergutmachungsdebatte und Vergangenheitspolitik in Plauen anzusetzen, da die Diskussion die gegenwärtige Untersuchung an dieser Stelle zu weit führen würde. Die Gründe für das Fehlen einer weiteren Aufarbeitung liegen weiterhin in den zahlreichen Aktenvernichtungen. Zum einen gingen bereits im Zuge der Zerstörungen durch Bombenangriffe viele Unterlagen verloren. Das Rathaus wurde teilweise zerstört, ebenso wie das Verwaltungsgebäude der VOMAG. Zum anderen führte der Stadtarchivar im Zuge der Gründung verschiedener Volkseigener-Betrieb-Gemeinschaften die Unternehmensunterlagen der Plauener Betriebe zusammen. Dabei registrierte er alle vorhandenen personenbezogenen Akten aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich mit dem ›Ausländereinsatz‹ beschäftigten.25 Aus dem Verwaltungsarchiv erhielt sie das Stadtarchiv nicht mehr zurück. Vermutlich wurden sie vernichtet. Abschließend angeführt sei noch, dass die Zentrale Stelle Ludwigsburg gegen in Plauen tätige Angehörige der SS ermittelte. Gleiches gilt für die Landesregierung Sachsen. Das Kriminalamt Zwickau, Dienststelle Plauen, ermittelte gegen den Werkschutz der VOMAG im Zweigwerk Weischlitz. Das Landgericht Zwickau verhängte schließlich

23 Vgl. Mitteilung der SED, Kreisvorstand Plauen, an die Spruchkammer Internierungslager Augsburg – Göppingen vom 14.08.1947. Betreff  : Dora, Erna Zeh. In  : ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217.66, Bd. 1, Fol. 48. 24 Vgl. Schmeitzner, Mike (2015)  : Konsequente Abrechnung  ? NS-Eliten im Visier sowjetischer Gerichte 1945–1947. In  : ders.; Weigelt, Andreas  ; Müller, Klaus-Dieter  ; Schaarschmidt, Thomas (Hg.)  : Todesurteile sowjetischer Gerichte gegen Deutsche (1944–1947). Eine historisch-biographische Studie, Göttingen, S. 64, 74–77. 25 Vgl. StadtA Plauen, Best. Rat der Stadt Plauen, Innere Angelegenheiten, Übernahmen Verwaltungsarchiv DDR-Zeit, VA 00002/ Ü 03/16/ Abg. 806 und StadtA Plauen, Best. Rat der Stadt Plauen, Innere Angelegenheiten, Ü VA – Übernahmen Verwaltungsarchiv DDR-Zeit (VA 0005/ Ü 03/16/ Abg. 807).

424 | 

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Umgang mit Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit

Gefängnisstrafen gegen Alfred Hermann Dreikorn und Willy Bruno Reußner. Beide wurden als Belastete eingestuft.26

26 Vgl. Beglaubigte Abschrift des Urteils in der Strafsache gegen Alfred Hermann Dreikorn und Willy Bruno Reußner am Landgericht Zwickau vom 10.11.1948. In  : StAL, Best. 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 5030, Personalakte Dreikorn, Fol. 14–14 Rückseite.

6 Fazit

Die Vielfältigkeit der Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte in Plauen geht auf den Versuch zurück, Rassismus zu verrechtlichen und gleichzeitig den Arbeitskräftemangel zu lindern. Daraus entstand im Dritten Reich ein Institutionen- und Regelwirrwarr, das verschiedene Spannungsfelder hervorrief. Zugeständnisse an die Wirtschaft mussten stets durch Kompromisse bei der Ideologie erkauft werden. Dem Geltungswillen einzelner Persönlichkeiten entsprang die Vielzahl an am ›Ausländereinsatz‹ beteiligten Institutionen. Das Regime verzweigte die Kompetenzen im Verlauf des Krieges so zu weit. Besonders die stets auf Kurz- bis Mittelfristigkeit abzielende Politik der Nationalsozialisten führte zu einem System, dem es an entscheidender Effizienz fehlte. So blieb der Einsatz fachfremder ausländischer Arbeitskräfte, trotz aller Rationalisierungsmaßnahmen im Fertigungsprozess, ineffektiv und damit wohl teurer als die Beschäftigung deutscher Angestellter. Einher ging die behördliche Entwicklung mit dem Versuch, Mangelerscheinungen des Krieges und innenpolitische Probleme mithilfe von Expansion zu lösen. Dieses Vorgehen war nur so lange erfolgreich, wie die proklamierte Strategie der Blitzkriege immer neue Gebiete zum Deutschen Reich addierte. Mit dem Ende des schnellen Vorrückens der Wehrmacht musste sich die Politik umstellen. Die Nationalsozialisten setzten mit der Ernennung Fritz Sauckels zum ›Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz‹ auf eine Straffung der Strukturen. Er sollte die Gesetzgebung vereinheitlichen, um den ›Ausländereinsatz‹ erweitern und effizienter gestalten zu können. Da man das Facharbeiterpotenzial in Frankreich vermutete, wurden nur französische Kriegsgefangene als Erste berufsrichtig eingesetzt. Als die Erkenntnis hinzukam, dass auch unter den Ostarbeitern Fachkräfte vertreten waren, erfolgte auch hier ein qualifizierterer Einsatz. Die Umstellungen gingen mit der Einsicht einher, dass Ausbeutung im Zuge der sich stetig verschlechternden Lage der Wehrmacht nur bedingt zielführend war. Um die Kriegsproduktion voranzutreiben, musste die Arbeitskraft der Ausländer erhalten werden, denn die Reservoirs waren ausgeschöpft. Anwerbungen brachten noch weniger Erfolge als Deportationen. Die Partisanenbewegung bzw. der Widerstand in den besetzten Gebieten war zu einem ernsten Problem geworden. Gleichzeitig drängten auch die Ideologen auf ihre Berücksichtigung beim ›Ausländereinsatz‹ und die deutsche Bevölkerung forderte weiterhin das Gefühl der Überlegenheit ein, so fürchteten zumindest die Nationalsozialisten eine herannahende Kriegsmüdigkeit. In der Realität waren die ausländischen Arbeitskräfte in der Industrie zum festen Bestandteil der Belegschaften geworden. Die deutschen Kollegen nahmen durchaus die teilweise guten Arbeitsleistungen und für den Produktionsprozess wichtigen Kenntnisse der Ausländer wahr und die Unternehmen berücksichtigten diese. So

426 | 

Fazit

zahlte zum Beispiel die Tüll- und Gardinen-Weberei in Plauen ihren Ostarbeiterinnen 1943 eine Form von Weihnachtsgeld, bevor es gängige Praxis wurde. Je qualifizierter eine ausländische Arbeitskraft war, desto enger arbeitete die deutsche Belegschaft mit ihr zusammen und desto stärker war der Zwang zur Absprache geworden. Wie am Beispiel der Maschinenfabrik in Weischlitz deutlich wurde, vollzog sich diskriminierendes Verhalten des Werkschutzes gegenüber Ausländern nicht im Geheimen. Deutsche Angestellte konnten es beobachten. Gegen Kriegsende waren die deutschen Arbeitskräfte allerdings selbst zu Opfern des Werkschutzes geworden. Sie liefen ebenso wie die Ausländer Gefahr, zur Disziplinierung in KZ, AEL oder Justizgefängnisse eingewiesen zu werden. Möglichkeiten, in Akte der Diskriminierung und Misshandlung einzugreifen, waren kaum gegeben oder wurden auch deshalb nicht wahrgenommen, weil die Deutschen zu sehr mit ihrem eigenen Schicksal beschäftigt waren. Höhergestellte wie die Wachschutzmänner nutzten die angelegten Hierarchien zunehmend für sich aus und drohten mit Diffamierung auch deutscher Kollegen. Der ›Ausländereinsatz‹ war ein ständiger Balanceakt für die zuständigen Institutionen zwischen kriegswirtschaftlichen Erfordernissen und ideologischen Rücksichten. Bis zur Ernennung des GBA versuchten verschiedene Institutionen über den ›Ausländereinsatz‹ Einfluss auf die Politik zu nehmen und vor allem ihre Kompetenzen auszubauen. Der GBA beendete den Machtkampf in Teilen, weil er als Vermittler und Lenker zwischen die Institutionen trat. Trotzdem war auch er darauf bedacht, Wirtschaft und Ideologie in ein Gleichgewicht zu bringen. Diese Bestrebung nahm im ›totalen Krieg‹ ab und kam kurz vor Kriegsende vollkommen zum Erliegen. Die Ideologie diente dann nur noch dazu, Gewalt gegen Ausländer zu rechtfertigen. Oft war auch dies nicht mehr wichtig. Man kümmerte sich nicht mehr um das Schicksal der mittellosen ausländischen Arbeitskräfte. Diebstähle durch herumirrende Ostarbeiter wurden mit der Schusswaffe bestraft. KZ-Häftlinge erschoss man auf den Evakuierungsmärschen. Und dies galt nicht nur für bereits paramilitärisch organisierte Einheiten wie die SS oder den Werkschutz. Wie am Beispiel der plündernden Ostarbeiter in Meßbach gezeigt werden konnte, bewaffnete sich die Bevölkerung, weil man Angst vor Racheakten und den umherziehenden Horden hatte. Für die Westarbeiter war im Gegensatz zu den Ostarbeitern mit der Zerstörung der Lager die Möglichkeit gegeben, in Richtung Heimat aufzubrechen. Die Ostarbeiter blieben dagegen aus Angst vor der Roten Armee und den Konsequenzen des Verdachts auf Zusammenarbeit mit den Deutschen im Reich zurück. In gewissem Maße ist der These zuzustimmen, dass die Industrie keine andere Wahl hatte, als auf Kriegsgefangene, Häftlinge und Zivilarbeiter zurückzugreifen. Denn deutsche Spezialisten und Arbeitskräfte standen nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung. Durchaus Einfluss konnten die Industrien allerdings auf die Lebensumstände ›ihrer‹ ausländischen Arbeitskräfte nehmen. Eine angemessene Versorgung, der Verzicht auf drakonische Strafen und ein menschlicher Umgang waren im Bereich des Möglichen. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Plauener Betrieben und

Fazit 

| 427

Einrichtungen hingen stark von den jeweiligen Vorgesetzten und den mit der Aufsicht betrauten Persönlichkeiten ab. Dabei spielte die politische Gesinnung der Deutschen oft nur eine untergeordnete Rolle. Sobald ein persönlicher Kontakt zu den ausländischen Arbeitskräften bestand, traten sie aus dem Bild, das der Nationalsozialismus von ihnen als ›Untermenschen‹ gezeichnet hatte, heraus und sie wurden zu Mitmenschen. Akte der Empathie und Hilfe konnten auch für Plauen festgestellt werden. Sie waren dabei nicht auf eine spezifische Ausländergruppe beschränkt, sondern kamen den Ostarbeitern in der VOMAG ebenso wie den KZ-Häftlingen zu. Selbst für die schwer arbeitenden französischen Kriegsgefangenen in Pausa und Umgebung setzte sich der Lagerführer ein. In der Plauener Forstwirtschaft traten die Kriegsgefangenen durch ihre gute Arbeitsleistung aus ihrem Status als Gefangene heraus. Mit ihnen zeigte sich der zuständige Forstamtmann zufrieden. Den Status einer anerkannten Arbeitskraft einzunehmen war für Ausländer, die einzeln in Haushalten oder auf landwirtschaftlichen Gütern arbeiteten, einfacher als für solche, die in großen Gruppen in der Industrie eingesetzt wurden. Dies galt allerdings nicht für ›hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen‹. In den untersuchten Fällen wurden sie zwar als zuverlässige Arbeitskräfte angesehen, ein patriarchischer Haushaltsvorstand und rassistische Ressentiments verhinderten allerdings eine Verbesserung ihrer Lebensumstände. Sprachkenntnisse wirkten sich in jedwedem Fall positiv auf die Lebensbedingungen aus, ebenso wie fachrichtiger Einsatz nach dem erlernten Beruf. Besonders Frauen aus dem Ausland schienen zumeist die Erfahrung zu machen, dass sie für ihre gute Arbeitsleistung Anerkennung auch von der deutschen Belegschaft erhielten. Dies konnte am Beispiel der Ostarbeiterinnen bei Tegewe nachgewiesen werden. Jedoch setzten ihnen gegenüber rassistische Einstellungen deshalb nicht aus. So barg beispielsweise eine Schwangerschaft das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit und einer Herabsetzung der Lebensqualität – sofern beim ›Ausländereinsatz‹ überhaupt davon zu sprechen war. Die Plauener Behörden sahen für schwangere Ostarbeiterinnen und Polinnen mit der Entbindungsstelle eine Einrichtung vor, die dem als primitiv beschriebenen Vorgang der Geburt bei den ›Ostvölkern‹ gerecht werden sollte. Die Frauen verschuldeten sich infolge der Schwangerschaft bzw. Geburt und die Sterblichkeit der Mütter sowie der Kinder kann als hoch eingeschätzt werden. Dies galt natürlich nur für den Umstand, dass die Polinnen und Sowjets das Kind überhaupt austrugen und nicht Opfer einer Zwangsabtreibung wurden. Deutlich wurde bei der Betrachtung der Lebensumstände in der Untersuchungshaftanstalt, dass sie hier aufgrund vieler Fluchtversuche als schlecht bewertet werden können. Andererseits verdeutlichte der Umgang des Aufsichtspersonals mit den Häftlingen in den letzten Kriegswochen, wie sich ihr Verhältnis zum ›Häftlingseinsatz‹ verändert hatte. Durch Unaufmerksamkeiten und Nachlässigkeiten wurde die Flucht der Häftlinge billigend in Kauf genommen  – dahinter könnte eine gewisse Kriegsmüdigkeit vermutet werden. Gleichzeitig eskalierten in den letzten Kriegsmo-

428 | 

Fazit

naten vor allem Akte mit erzieherischem Anspruch gegenüber den ausländischen Arbeitskräften, weshalb die Untersuchungshaftanstalt Plauen Anfang 1945 Überfüllung meldete. Trotz aller Versuche des NS-Regimes, die Verhältnisse zwischen Deutschen und Ausländern zu reglementieren, waren es nicht die Gesetze, die den Umgang miteinander bestimmten, sondern Traditionen, Gewohnheiten, Vorurteile und Mentalitätsunterschiede. Es lässt sich vermuten, dass auch ein Gewöhnungseffekt eine Rolle spielte. Durch den alltäglichen Umgang wurden die diskriminierten Ausländer wieder zu Mitmenschen, denen man mit Empathie gegenübertrat. Hier kam es entscheidend auf die persönliche Einstellung des Bewachers an. Vorurteile gegenüber den ausländischen Arbeitskräften konnten im Laufe des Krieges abgebaut werden. Exemplarisch dafür kann der Einsatz der Ostarbeiter angeführt werden. Obwohl man sie bzw. ihre Nation als ›Untermenschen‹ verstand, setzten sich im Laufe des Krieges Arbeitgeber oder Meister, wie im Falle des VOMAG-Hauptwerkes, für eine bessere Versorgung ihrer Arbeitskräfte ein. Sicher stand das Interesse auch auf Seiten der Erhaltung der Arbeitskraft. Die diskriminierenden Bestimmungen in den Betrieben weichten auf. Insgesamt lässt sich für den ›Ausländereinsatz‹ in Plauen feststellen, dass er im sächsischen Vergleich eher unterdurchschnittlich ausgeprägt war. Durch die anfängliche Fixierung der Arbeitslenkungsbehörden auf die Landwirtschaft nahm die Ausländerbeschäftigung auf dem Stadtgebiet erst in der zweiten Kriegshälfte entscheidend zu. Trotzdem waren die Plauener Behörden bereits ab 1939 mit der Organisation des ›Ausländereinsatzes‹ beschäftigt, denn die Peripherie der Stadt war landwirtschaftlich geprägt und verzeichnete deshalb schon früher als die Stadt eine Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte. Den Bauern im Landkreis wurden kurz nach Kriegsbeginn Ausländer für die Arbeit auf den Gütern zugewiesen. Obwohl eine genaue Aufstellung fehlt, kann davon ausgegangen werden, dass polnische Landarbeiter die Ersten waren, die im Landkreis Plauen eingesetzt wurden. 1940 kamen dann französische Kriegsgefangene hinzu, die ebenfalls auf den Gütern zur Arbeit herangezogen wurden. Auch ihre Versorgung fiel in den Aufgabenbereich der städtischen Behörden. Erzieherische Maßnahmen der Nationalsozialisten wie das Pflichtjahr in der Landwirtschaft hatten bereits zu Berührungspunkten geführt. Dabei wurde deutlich, dass die Bauern zwischen deutschen Gehilfen und ausländischen Arbeitskräften zumeist keinen Unterschied machten. Die Unterstützung der Ausländer war für die Bauern sogar von so großer Bedeutung, dass sie rassische Vorbehalte zurückdrängte. Einzig am Fall der französischen Kriegsgefangenen in Pausa wurde deutlich, dass die Bauern nicht an der Versorgung der Arbeitskräfte interessiert waren. Dass die Ausländerbeschäftigung trotz der ab 1942 gestiegenen Bedeutung Plauens für die Rüstungsindustrie im Reichsvergleich nicht sonderlich ausgeprägt war, kann auf seine vorwiegend textile wirtschaftliche Prägung zurückgeführt werden. Die VOMAG war das einzige Unternehmen, das in den ersten Kriegsjahren intensiv an der Umstellung seiner Produktion auf die Rüstung arbeitete. Die textilen Unternehmen verloren immer mehr an Bedeutung, bis sie schließlich stillgelegt wurden. Die darauf

Fazit 

| 429

folgenden Betriebsverlagerungen in die textilen Produktionsstätten dauerten oft sehr lang und kamen für die Ausländerbeschäftigung in Plauen ab 1943/44 zum Tragen. Erst im letzten Kriegsjahr setzten Plauener Produktionen auch KZ-Häftlinge ein. Die Ausländerbeschäftigung stand also in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Prägung einer Stadt oder Region. Für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte in Plauen kann festgehalten werden, dass sie dort besonders schlecht waren, wo die lokalen Behörden Alltagsthemen selbst regelten. Die Bestimmungen der Reichsbehörden waren mit der Ernennung Fritz Sauckels und mit zunehmender Kriegsdauer weniger streng geworden. Um die Arbeitskraft der Ausländer zu erhalten, nahm die Diskriminierung auf Reichsebene ab, während sie vor Ort gleichbleibend stark, kurz vor Kriegsende sogar am stärksten war. Dies konnte am Beispiel der Entbindungsstelle im Rückkehrersammellager für Ostarbeiter und am Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ selbst ausführlich dargestellt werden. Auffällig ist außerdem, dass im Kreis Plauen in einigen Punkten des alltäglichen Lebens kein Unterschied in der Behandlung der Ostund der Westarbeiter bzw. der Arbeitskräfte aus neutralen oder verbündeten Staaten festzustellen ist. Italiener waren 1941 in ähnlichen Einrichtungen untergebracht wie in der Industrie eingesetzte Polen. Erst mit der Hereinnahme der Ostarbeiter differenzierte sich das Lagersystem heraus. Aktenkundig sind jedoch ausschließlich Lager in bereits bestehenden Strukturen wie Gasthöfen und Gaststuben. Über die Aufstellung von Baracken liegen nur für die KZ-Häftlinge Unterlagen vor. Jedoch berichten Zeitzeugen über die typische Form der Ausländerlager. Grund für eine etwaige geringe Zahl von Barackenlagern war die späte Ausprägung des ›Arbeitseinsatzes‹ in Plauen. Wie die Überlieferung zur Betriebsverlagerung von Osram in die Industrie-Werke und die Baumwollspinnerei nahelegt, konnten die Einsatzträger nicht mehr genügend Baumaterialien für die Errichtung der Barackenlager beziehen. Die Ostarbeiter stellten in Plauen die größte Gruppe der ausländischen Zivilarbeiter dar. Das Verhältnis zu Arbeitskräften anderer Nationalität lag deutlich über dem Reichsdurchschnitt. Ursache könnte sein, dass der ›Ausländereinsatz‹ in der Plauener Industrie erst spät und in direkter Abhängigkeit von den Betriebsverlagerungen Ausweitung gefunden hat. Offensichtlich konnte das Plauener Arbeitsamt nur auf Ostarbeiterkontingente zurückgreifen, während auch die großen Rüstungsunternehmen wie Osram hauptsächlich Ostarbeiter aus ihren Stammwerken in die vogtländische Großstadt versetzten. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte können in Plauen als durchschnittlich schlecht bezeichnet werden. Es gab einzelne Einrichtungen und Personen, die um das Wohlergehen der Ausländer bemüht waren, allerdings behandelten andere die ihnen von den Arbeitsämtern zur Verfügung gestellten Kräfte entsprechend dem rassistischen Weltbild der Nationalsozialisten. Anzeichen für schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen waren hohe Fluchtraten, viele Todesfälle, Rückführungsanträge bei Ostarbeitern oder Versuche, den Arbeitsplatz auf-

430 | 

Fazit

grund von Erkrankungen zu wechseln. Als Beispiele anzuführen sind die VOMAG, die Straßenbahn und die Elektrizitätswerke. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der VOMAG waren wohl vor allem für Polen schlecht. Für sie sind die meisten Fluchtversuche festzustellen. Aber auch russische Kriegsgefangene gingen den lebensgefährlichen Versuch einer Flucht ein. Eine weitere Gruppe, die ihrem Alltag in der VOMAG entrinnen wollte, war die der Ostarbeiter. Dies traf vor allem für den Fall zu, dass sie als Häftlinge des Strafvollzugs in Plauen auf den Baustellen des Unternehmens Steiniger eingesetzt waren. Der Baubetrieb führte mehrere Baustellen auf dem Gelände der VOMAG und hatte die Häftlinge beim Gefängnis der Stadt ausgeliehen. Mitarbeiter der VOMAG waren mit der Aufsicht der Häftlingskolonnen betraut, weil die Untersuchungshaftanstalt nicht genügend Personal stellen konnte. Im Falle der Häftlingskolonnen aus dem Plauener Strafvollzug muss angemerkt werden, dass die hohen Fluchtraten neben widrigen Lebens- und Arbeitsbedingungen einen weiteren Grund gehabt haben können. Es ist noch zu berücksichtigen, dass eine Außenarbeitsstelle auf dem weitläufigen Gelände der VOMAG bessere Bedingungen für eine Flucht bot, als sie in geschlossenen Werkshallen vorhanden gewesen sein mussten. Als Teil der Panzerproduktion waren die ausländischen Arbeitskräfte im Unternehmen härtester Arbeit ausgesetzt. Dies galt allerdings nicht nur für die VOMAG. Der Anstellung bei Straßenbahn und Elektrizitätswerken versuchte der Ostarbeiter Michail Schurawkow erfolglos zu entkommen. Mithilfe von Krankmeldungen wollte er eine Versetzung an eine andere Arbeitsstelle erreichen. Dem Wechsel stimmten die Plauener Arbeitseinsatzbehörden allerdings nicht zu. Bei allen drei Einrichtungen war es wohl die harte Arbeit, die die ausländischen Arbeitskräfte dazu veranlasste, die Arbeitsstellen trotz Androhung drakonischer Strafen unerlaubt zu verlassen. Die für den ›Ausländereinsatz‹ typischen Lebensbedingungen prägten sich in Plauen aufgrund der verzögerten Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte später aus, als es in anderen Großstädten der Fall war. Grund war hier neuerlich die erst spät einsetzende Kriegswichtigkeit der Plauener Industrie.

7 Quellen- und Literaturverzeichnis

Archivalien Bundesarchiv Berlin

BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,1  : Mitteilung der SS-Lehrgänge Holleischen an die Industriewerke Plauen vom 27.09.1944. Fol. 94. Mitteilung der Industriewerke Plauen an die Personalabteilung des Konzentrationslagers Flossenbürg vom 29.09.1944. Fol. 100. BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 348,2  : Mitteilung des Arbeitslagers Mehltheuer an die Kommandatur des K.L. Flossenbürg vom 03.01.1945. Betreff  : Inmarschsetzung von Aufseherinnen, Fol. 10. Antrag von Marianne Busalla auf Versetzung vom 04.01.1945. BArch Berlin, Best. NS 4 FL Konzentrationslager Flossenbürg, Nr. 393,2  : Forderungsnachweis Nr. Flo. 654 über den Häftlingseinsatz bei der Plauener Baumwollspinnerei, Plauen für die Zeit vom 01.–31.10.1944, Fol. 197. BArch Berlin, Best. R 2 Reichsfinanzministerium, Nr. 1589  : Vertragsentwurf für die Finanzierung der Sächsischen Zellwolle AG durch den Beauftragten für Wirtschaftsfragen, Sonderaufgabe  : Deutsche Rohstoffe vom 31.05.1935, Fol. 10–12. Zusatzvertrag zwischen der Deutschen Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft, Berlin und der Sächsischen Zellwolle Aktiengesellschaft, Plauen über die Vergabe von Darlehen am 27.07.1938, Fol. 95. BArch Berlin, Best. R 2 Reichsfinanzministerium, Nr. 16170  : Eingabe der IHK Plauen an das Reichswirtschafts- und Reichsfinanzministerium 1934, Fol. 16–19. BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 250  : Verlagerungen, Siemens-Schuckert-Werke, Plauen, Fol. 73. BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 251  : Verlagerungen, Siemens-Schuckert-Werke, Plauen, Fol. 31 und 63. BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 254  : Verlagerungskennblatt der Firma Osram, Werk D, in die Industrie-Werke Plauen, Fol. 27. Verlagerungskennblatt der Firma Osram, Werk D, in die Baumwollspinnerei Plauen, Fol. 32. BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 1404a  : Verlagerungen im Maschinenbau vom 25.01.1945, Fol. 1705, 1739 und 1741. BArch Berlin, Best. R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 3310  : Mitteilung der Organisation Todt, Einsatzgruppe Kyffhäuser an das Amt Bau-OT, Abt. Unterirdische Bauten vom 30.03.1945, Fol. 334. Kostenübersicht zur Verlagerung der Firma Dr. Th. Horn, Plauen i. V., in die Stollenanlage in Reinsdorf, Fol. 337–339. Mitteilung von Architekt Emil Rösler an die Organisation Todt, Weimar, vom 22.01.1945.

432 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Betreff  : Antrag der Firma Dr. Th. Horn in Plauen auf Aufnahme ihres Bauvorhabens in Reinsdorf in die Liste der Programmbauten, Fol. 340. BArch Berlin, Best. R 8119F Deutsche Bank, Nr. 2.956  : Aktenvermerk des Generalsekretariats der Deutschen Bank über den Vorstandsbericht der VOMAG vom 30.06.1939, Fol. 307. Aktennotiz des Generalsekretariats der Deutschen Bank vom 13.06.1940 zu den Umsätzen im ersten Vierteljahr 1940 bei der VOMAG, Fol. 379. Mitteilung der VOMAG an den Direktor der Deutschen Bank, Dr. Kessler, vom 19.08.1940. Betreff  : Erfolgsnachweis für Juni 1940, Fol. 395. Geschäftsbericht des VOMAG-Vorstandes für das Jahr 1940, Fol. 55. BArch Berlin, Best. 8121 Bank der Deutschen Luftfahrt AG, Nr. 350  : Jahresabschluss Dr. Th. Horn Plauen 1942, Fol. 268–269. Kreditprotokoll für Dr. Th. Horn Luftfahrtgeräte Plauen GmbH vom 01.02.1944, Fol. 246. BArch Berlin, Best. R 8121 Bank der Deutschen Luftfahrt AG, Nr. 402, nicht foliiert  : Prüfung des Jahresabschlusses der Vogtländischen Metallwerke G.m.b.H., Plauen i. V. vom 31. Dezember 1938 durch das Betriebswirtschaftliche Büro. Beglaubigte Abschrift des Vertrags zwischen dem Deutschen Reich und der Firma Vogtländische Metallwerke GmbH., Plauen i. V. vom 04.05.1940. Bundesarchiv, Abteilung Militär, Freiburg i. Br.

BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. R 20-4 Rüstungsinspektion IVa (Dresden) und IVb (Reichenberg), Nr. 17  : Festlegung der Ausweichplanung von Engpassfertigung in Sachsen zwischen der Rüstungsinspektion IVa und der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Fol. 37–39. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RH 49 Einrichtungen des Kriegsgefangenenwesens des Heeres, Nr. 10  : Stammkarten der Stammlager, Fol. 53, 82 und 117. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 3  : Wochenbericht 28.04.–04.05.1940. Wochenbericht 19.–22.05.1940. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 5  : Wochenbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.–07.12.1940. Kräftebedarfsdeckung, Fol. 14 Rückseite–15. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Oktober bis Dezember 1940. Einsatz von Kriegsgefangenen in Rüstungsbetrieben, Fol. 18 Rückseite. Rundschreiben Nr. 160/40 des Rüstungskommandos Chemnitz vom 02.12.1940. Betreff  : Merkblatt über den Einsatz von Kriegsgefangenen, Fol. 62–63. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 6  : Wochenbericht des Rüstungskommandos Chemnitz 02.–08.03.1941. Treibstofflage, Fol. 12 Rückseite.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 433

Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Januar bis März 1941. Kriegsgefangeneneinsatz, Fol. 19–19 Rückseite. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 7  : Besprechung der Gruppenleiter Luftwaffe am 25.041941 in Berlin bei RLM und LC. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 10  : Wochenbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 08.–14.02.1942. Bericht zum Besuch des OKH Heereswaffenamtes bei VOMAG am 10.02.1942, Fol. 15. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz von Januar bis März 1942. Betreff  : Arbeitsgebiet der Zentralgruppe Ic, Fol. 29–32 Rückseite. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 11  : Wochenbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 24.–30.5.1942, Fol. 20 Rückseite–25 Rückseite. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 13  : Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Oktober bis Dezember 1942. Anlage 15. Bericht zu überbetrieblichem Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch die DAF in Chemnitz am 01.12.1942, Fol. 80–81 Rückseite. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 14  : Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 12.01.1943. Anlage 1. Rundschreiben Nr. 4 des Rüstungskommandos Chemnitz des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 12.01.1943. Betreff  : 1.) Sabotageabwehr, 2.) Behandlung der Ostarbeiter und sowj. Kriegsgefangenen, Fol. 42. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 5. Bericht des Arbeitsamtes Zwickau vom 10.02.1943. Betreff  : Überbetrieblicher Erfahrungsaustausch über den Ausländer-Einsatz, veranstaltet durch das Arbeitsamt Zwickau am 09.02.1943, Fol. 50–50 Rückseite. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1943. Anlage 6. Bericht zur Veranstaltung der Gestapo Chemnitz über die Gefahrenabwehr bei dem verstärkten Einsatz ausländischer Zivilarbeiter vom 11.02.1943, Nr. 14, Fol. 51–52. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 16  : Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 07.07.1943. Anlage 2. Aktenvermerk zur Besprechung bei der Staatspolizei Chemnitz über die Behandlung von Ostarbeitern, Fol. 54–55. BArch/MArch, Best. 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 17  : Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Oktober bis Dezember 1942, Fol. 33 Rückseite. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 18  : Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Besichtigung der VOMAG am 11.01.1944, Fol. 9 Rückseite–10.

434 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Wochenbericht vom 17.–22.01.1944. Stand der SE-III-Aktion am 20.01.1944, Fol. 11 Rückseite–12. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über die gesamtrüstungswirtschaftliche Lage vom Januar 1944. Hier  : Abteilung 1.b) Sturmgeschütze und Panzerjäger, Fol. 15 und 15 Rückseite. Anordnung der Rü In IVa, Az. 66b 15 Abt. TB Nr. 634/44 vom 31.01.1944. Betreff  : Kürzung der Kohleversorgung durch Mitteldeutsches Braunkohlesyndikat, Fol. 22. Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte im Februar 1944, Fol. 33–34. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 08.03.1944, Fol. 38. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeitszeit zur Erledigung des ›Jäger-Programmes‹, Fol. 42–42 Rückseite. Tagesbericht des Rüstungskommandos Chemnitz vom 29.03.1944. Betreff  : Arbeit in den Rüstungsbetrieben am Karfreitag und Ostermontag, Fol. 42 Rückseite. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Betreff  : WT Heer, b) Neuanlauf, Fol. 53. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Betreff  : Ernährung und Bekleidung, Fol. 59. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Anlage 1. Bericht über die Dienstreise des Rüstungsinspekteurs am 06.01.1944. 1) Mitteldeutsche Spinnhütte G.m.b.H. in Celle, Werk Plauen, Fol. 60–60 Rückseite. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz, Januar bis März 1944. Anlage 3. Bericht über den Besuch der VOMAG Maschinenfabrik AG, Plauen durch Generaloberst Guderian am 12. Januar 1944, Fol. 64–65. Wochenbericht vom 10.–15.01.1944. Anlage 3. Bericht über die Besprechung im Arbeitsamt Plauen vom 12.01.1944, Fol. 66–68. Rundschreiben Nr. 14 der Rüstungskommission IVa des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion und des Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan an die Betriebsführer der kriegswichtigen gewerblichen Wirtschaft vom 23.03.1944. Betreff  : Urlaubssperre für ausländische Zivilarbeiter, Fol. 125. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 19  : Monatsbericht des Rüstungskommandos Chemnitz für Mai 1944, WT Luftwaffe, Fol. 32 Rückseite. BArch/MArch Freiburg i. Br., Best. RW 21-11 Rüstungskommando Chemnitz, Kriegstagebücher, Nr. 20  : Ausländereinsatz im Juni 1944 im Rüstungskommando Chemnitz, Fol. 5. Ausländereinsatz im Juli 1944 im Rüstungskommando Chemnitz, Fol. 22. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz Juni bis September 1944. Fliegeralarm, Fol. 43. Vierteljahresbericht des Rüstungskommandos Chemnitz Juni bis September 1944. Bombenschäden, Fol. 58.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 435

Landesarchiv Berlin

LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 489  : K-Anweisung Nr. 46/44 vom 29.08.1944. Betreff  : Erhöhung Arbeitszeit, Fol. 2. Mitteilung der Betriebsleitung in GU 896 vom 29.12.1944. Betreff  : Arbeitszeitregelung ab dem 8. Januar 1945, Fol. 5–5 Rückseite. Mitteilung Direktor Deimels und Frau Direktor Stümpfig an Rechtsanwalt Dr. Arthur Müller in Plauen vom 23.06.1945. Betreff  : Häftlingseinsatz in der Osram-Produktion, nicht foliiert. Mitteilung der Vogtländischen Spitzenweberei, Plauen an das VEB Glühlampenwerk, Plauen vom 23.07.1957. Betreff  : Unterlagen für Ihr Archiv, Fol. 16. LArch Berlin, Best. Osram, A Rep. 231 Osram, Nr. 490  : Verlagerungskennblatt der Firma Osram, Berlin, in die Vogtländische Spitzenweberei, Plauen, Fol. 46 und 46 Rückseite. Mitteilung von Osram an Rüstungskommando Chemnitz vom 03.05.44. Betreff  : Verlegung der Entwicklungslaboratorien in die Spitzenweberei Plauen, Fol. 63. Meldung von Osram an Industrie-Werke und Baumwollspinnerei Plauen vom 11.05.1944. Betreff  : Beginn der Installationsarbeiten, Fol. 62. Protokoll zum Besuch der Osram AG in Plauen vom 21.–25.07., 29.07. und 01.08.1944, Fol. 133–134. Mitteilung der GU 896 an die Industrie-Werke, Abt. I 897 vom 26.09.1944. Betreff  : Versetzung der Westarbeiterin Renée Taquet, Fol. 239. Protokoll zum Besuch des für die Verlagerung nach Plauen zuständigen Osram-Mitarbeiters Dr. Straehler in Plauen vom 15.–19.09.1944, Fol. 400. GU 896 – Niederschrift Nr. 9/44, Mitteilung der Plauener Baumwollspinnerei an die Berliner Werksleitung Osram vom 02.08.1944. Betreff  : Gewerbeaufsicht  : 1. Die Verwendung von Ostarbeiterinnen. 2. Langarbeiterzulage-Karten, Fol. 466. Abschrift des Briefes der Plauener Baumwollspinnerei AG, Verwaltung Treuen, an Osram vom 25.08.1944. Betreff  : Besuchsbericht vom 25.08.1944. Textilfremder Sektor, Fol. 469. LArch Berlin, Best. A Rep. 231 Osram, Nr. 691  : Aktennotiz zum Besuch von Osram in Plauen vom 28.–30.08.1944, Fol. 9–13 Rückseite. Aktennotiz zum Anruf Dir. Mockers bei Osram am 05.08.1944. Betreff  : Ungarische Jüdinnen, Fol. 14. Staatsarchiv Chemnitz

StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 1360, nicht foliiert  : Mitteilung des Vorstandes des Reichsbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 12.01.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager in Mehltheuer. Mitteilung des Bahnbetriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 02.02.1944. Betreff  : Kriegsgefangenenlager Mehltheuer. Mitteilung des Stalag IV F Kontroll-Offiziers an den Oberreichsbahnrat Wünsche vom 21.04.1944. Betreff  : Verlegung der Unterkunftsräume im Kgf.Arb.Kdo Mehltheuer. Mitteilung des Vorstandes des Reichbahn-Betriebsamtes Plauen an den Landrat in Plauen vom 22.04.1944. Betreff  : Gefangenenlager Mehltheuer. StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 6887  :

436 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Aufstellung zur Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in der Landwirtschaft zwischen 1939 und 1940, Fol. 17. StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 7028, nicht foliiert  : Mitteilung des Landrates Plauen, Abteilung Ernährung, an die Leitung des sowjetischen Kriegsgefangenenlagers in Kleingera vom 02.04.1943. Betreff  : Lagerverpflegungssätze der in der Landwirtschaft beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen. Mitteilung des Kontrolloffiziers Plauen über die Verpflegungssätze für russische Kriegsgefangene in der Landwirtschaft vom 19.04.1943. StAC, Best. 30048 Amtshauptmannschaft Plauen, Nr. 7086, nicht foliiert  : Einladung des Deutschen Frauenwerkes zum Austausch über Fragen bei der Beschäftigung französischer Haushaltsgehilfinnen vom 04.07.1941. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 6  : Beschäftigung der Gefangenen bei der Ernte 1938, Fol. 3. Erwerb landwirtschaftlicher Güter durch die Reichsjustizanstalt, Fol. 5 Rückseite. Erlass des Reichsministers der Justiz vom 30.12.1941. Betreff  : Erweiterung des Gemüsebaus der Vollzugsanstalten 1942, Fol. 11. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 9  : Mitteilung der Rüstungsinspektion IV an das Kommando des Rüstungsbetriebes Dresden, Chemnitz, Leipzig, Halle und Reichenberg vom 23.07.1941. Betreff  : Arbeitseinsatz von Strafgefangenen in der Rüstungsindustrie, Fol. 137. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 29  : Aktennotiz der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 06.10.1941. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Werdau vom 07.10.1941. Betreff  : Entweichung eines Gefangenen auf der Außenarbeitsstelle in Plauen, Fol. 65 Rückseite–66. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 23.11.1941. Betreff  : Entweichen des Untersuchungshaftgefangenen Willi Richard Dimper, Fol. 70. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 04.03.1942. Betreff  : Entweichung und Wiederergreifung der beiden Schutzgefangenen Danel und Zaborniak, Fol. 76. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 21.03.1942. Betreff  : Entweichung zweier Polen, Fol. 76 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 28.07.1942. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen, Fol. 88. Aussage des Oberwachtmeisters Max Hertel zur Entweichung des Gefangenen Osowski von der Außenarbeitsstelle der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 03.08.1942, Fol. 89. Mitteilung des Oberstaatsanwaltes beim Landgericht Plauen an die Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 20.08.1942. Betreff  : Verfahren gegen Gefangenenoberwachtmeister Max Hertel wegen gefährlichen Entweichenlassens eines Gefangenen, Fol. 90. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes in Dresden an die Vorstände der selbständigen Vollzugsanstalten und Gerichtsgefängnisse vom 15.08.1942. Betreff  : Polenstrafrechtspflege, Fol. 92–92 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 437

in Dresden vom 04.03.1943. Betreff  : Entweichen eines Untersuchungsgefangenen von der Aussenarbeit, Fol. 104. Abschriften aus den Akten Svyda, GNr. 8425/42 vom 21.06.1943, Fol. 112. Erklärung des Werkschutzmannes der VOMAG, Paul Flügel, zum Entweichen des Untersuchungsgefangenen Svejda vom 22.06.1943, Fol. 112 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 23.06.1943. Betreff  : Entweichung eines Untersuchungsgefangenen, Fol. 114–114 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei Plauen vom 24.06.1943. Betreff  : Entweichung des Schutzhaftgefangenen Kroaten Jakic, Zarko, 17 Jahre alt, Fol. 116. Bericht des Verwaltungsoberinspektors der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 07.07.1943 zur Entweichung zweier Gefangener und dem Tod Max Bauers, Fol. 122–122 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei, Außenstelle Plauen, vom 08.07.1943. Betreff  : Entweichen des Schutzhaftgefangenen Suwilla, Josef, geb. 31.07.1917 in Ponnewesch, Litauen, Fol. 124. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 09.07.1943. Betreff  : Entweichung eines Untersuchungsgefangenen und eines Schutzhaftgefangenen, Fol. 126–126 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt in Dresden vom 22.09.1943. Betreff  : Entweichen eines Polizeigefangenen, Fol. 139. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 30, nicht foliiert  : Aufstellung des Arbeitseinsatzes der Gefangenen in der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.03.1945. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt – Vollzugsabteilung – vom 06.03.1945. Betreff  : Entweichen eines serbischen Häftlings von der Außenarbeitsstelle zur Trümmerbergung in der Staatsanwaltschaft Plauen. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Generalstaatsanwalt – Vollzugsabteilung – Freiberg vom 10.03.1945. Betreff  : Entweichung und Wiederergreifung eines Polizeigefangenen bei der Außenarbeit. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 47  : Aktennotiz der Untersuchungshaftanstalt Plauen über die Mitteilung der Gestapo Plauen vom 08.07.1944. Betreff  : Sperrung des Arbeitserziehungslagers Spergau. Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte und Vollzugsanstalten vom 05.01.1945. Betreff  : Strafvollzug an Kriegsgefangenen. Hier  : Zuständigkeit der Vollzugsanstalten, Fol. 128. StAC, Best. 30067 Untersuchungsgefängnis Plauen, Nr. 78  : Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte und den Beauftragten des Reichsministers der Justiz für die Straflager im Emsland vom 11.04.1940. Betreff  : Arbeitslöhne für mit Schreib- und Rechenarbeiten beschäftigte Gefangene, Fol. 58. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes in Dresden an die Vorstände aller Vollzugsanstalten vom 22.06.1940. Betreff  : Gefangenenarbeit, Fol. 59. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes Dresden an die Vorstände der Besonderen Vollzugsanstalten und der Gerichtsgefängnisse vom 30.09.1940. Betreff  : Einsatz von fachlich besonders gebildeten Gefangenen, Fol. 60.

438 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Mitteilung des Reichsministers der Justiz an die Generalstaatsanwälte vom 08.10.1940. Betreff  : Behandlung polnischer Strafgefangener, die wegen Arbeitsverweigerung oder Widersetzlichkeit verurteilt worden sind, Fol. 61–61 Rückseite. Mitteilung der Generalstaatsanwaltes Dresden an die Vorstände der selbständigen Vollzugsanstalten und der Gerichtsgefängnisse vom 07.05.1941, Fol. 63–63 Rückseite. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes des Oberlandesgerichtes Dresden an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 12.12.1941. Betreff  : Zusammenarbeit der Vollzugsanstalten mit den zuständigen Arbeitsämtern zum Zwecke eines wirksameren Arbeitseinsatzes der Gefangenen, Fol. 90–90 Rückseite. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen. Betreff  : Erfassung von fachlich vorgebildeten Gefangenen durch eine Berufsgruppenkartei, Fol. 91–91 Rückseite. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 29.01.1942. Betreff  : Gestellung fachlich vorgebildeter Gefängnisgefangener für Reichs- und Wehrmachtsschlachtung, Fol. 99. Mitteilung des Vorstands der Untersuchungshaftanstalt Plauen an den Oberstaatsanwalt Dresden vom 04.02.1942. Mitteilung des Generalstaatsanwaltes Dresden an den Vorstand der Zuchthäuser Waldheim und abschriftlich an den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 11.02.1942, Fol. 108–108 Rückseite. Mitteilung des Vorstandes der Untersuchungshaftanstalt Plauen an das Rüstungskommando Chemnitz des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 22.07.1942. Betreff  : Einsatz von Justizgefangenen in der Rüstungsindustrie, Fol. 132–132 Rückseite. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 34, nicht foliiert  : Strafsache Franziska d. Adamczak vom 13.05.1942. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 187  : Strafsache Angelo Dell’Angelo vom 29.03.1944. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 223  : Straftakte Guiseppe Arbore, Fol. 1. Mitteilung der Geheimen Staatspolizei an den Leiter der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 04.07.1944. Betreff  : Überprüfung des französischen Zivilarbeiters Arbore, Guiseppe auf Haft-, Lager- und Arbeitsfähigkeit, Fol. 2. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1086, nicht foliiert  : Strafakte Jan Bilski. Mitteilung der Gestapo Plauen an das Polizeipräsidium Plauen vom 18.04.1944. Betreff  : Überführung des Schutzhäftlings Jan Bilski in die Krankenbaracke des Konzentrationslagers Sachsenhausen. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 1642  : Strafakte Felicja Bubak, Fol. 1. Mitteilung des Leiters an die Wirtschaftsverwaltung der Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 01.10.1940. Betreff  : Schmälerung der Kost von Felicja Bubak und Josefa Kutak wegen Arbeitsbummelei, Fol. 7. Mitteilung des Anstaltsarztes an den Leiter des Untersuchungsgefängnisses Plauen vom 10.01.1941, Fol. 12. Haftentlassung von Felicja Bubak vom 29.01.1941, Fol. 13.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 439

Mitteilung des Leiters der Untersuchungshaftanstalt Plauen an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Plauen, vom 08.02.1941. Betreff  : Schutzhäftling Felicja Bubak, nicht foliiert. Entlassung Felicja Bubaks aus der Haft am 13.02.1941, nicht foliiert. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 12040, nicht foliiert  : Gestapo-Akte von Alexander Radul, Festnahme am 21.09.1942. StAC, Best. 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 16052  : Strafakte Johann Valek, Fol. 1. Mitteilung der Gestapo an die Untersuchungshaftanstalt Plauen vom 09.03.1944. Betreff  : Überprüfung Johann Valek auf Arbeits-, Haft- und Lagerfähigkeit, Fol. 4. Mitteilung der Gestapo Plauen an den Polizeipräsidenten vom 30.03.1944, Fol. 6. StAC, Best. 30086 Gesundheitsamt Plauen-Land, Nr. 954, nicht foliiert  : Schnellbrief IV g 946/40, 5538 an die Landesregierungen, Regierungspräsidenten, Reichskommissare und staatlichen wie kommunalen Gesundheitsämter, ohne Datum. Betreff  : Schulung und Ausbildung von Gesundheitsaufsehern und Gesundheitspflegerinnen in der wissenschaftlichen Forschungsstelle für Läusefragen. Abschrift der Mitteilung des Reichsministers des Innern an die Landesregierungen vom 05.02.1940. Betreff  : Ärztliche Untersuchung und Überwachung der im Reichsgebiet eingesetzten polnischen Arbeitskräfte. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ärztliche Untersuchung und Überwachung der im Reichsgebiet eingesetzten polnischen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ankunft einer größeren Zahl von polnischen Arbeitern sowie Überwachung der polnischen Wanderarbeiter wegen Einschleppung von Ungeziefer. Anlage zur Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Landräte, Oberbürgermeister und Amtsärzte vom 14.02.1940. Betreff  : Ankunft einer größeren Zahl von polnischen Arbeitern sowie Überwachung der polnischen Wanderarbeiter wegen Einschleppung von Ungeziefer. Mitteilung des Amtsarztes des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat zu Plauen am 19.08.1940. Betreff  : Läuse bei ausländischen Arbeitskräften. Mitteilung des Gendarmerie-Postens Elsterberg an den Landrat in Plauen vom 29.09.1940. Betreff  : Entlausung polnischer Landarbeiter. Mitteilung des Gendarmerie-Postens Pausa an den Landrat zu Plauen vom 04.10.1940. Betreff  : Verdacht auf Läuse bei Zdzislaw Dudek. Meldung des Bürgermeisters von Oberpirk an den Landrat zu Plauen vom 14.10.1940. Betreff  : Läusebefall bei den Kriegsgefangenen im Lager. Mitteilung des Amtsarztes des Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Bürgermeister in Oberpirk vom 05.11.1940. Betreff  : Entlausung der französischen Kriegsgefangenen. Erörterungsbericht des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 25.11.1940. Betreff  : Verlausung der polnischen Landarbeiter im Rittergut Gutenfürst. Mitteilung des Reichsministers des Innern an die Reichsstatthalter, Landesregierungen und die Polizei vom 27.01.1941. Betreff  : Behandlung von Angehörigen der Feindstaaten und polnischen Arbeitern in den Krankenanstalten.

440 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abschrift des Erlasses I b 1939/689/41 des Reichsarbeitsministers vom 15.03.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung der für das Reichsgebiet angeworbenen polnischen Arbeitskräfte. Runderlass des Reichsministers des Innern vom 04.04.1941. Betreff  : Röntgenuntersuchung der neu einzusetzenden polnischen Zivilarbeiter. Mitteilung des Sächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit an die Leiter der Gewerbeaufsichtsämter vom 05.05.1941. Betreff  : Betreuung von Betriebs- und Gemeinschaftslagern. Mitteilung des Sächsischen Ministers des Innern an die Amtsärzte vom 12.05.1941. Betreff  : Seuchenpolizeiliche und gesundheitliche Überwachung von polnischen Zivilarbeitern  ; hier  : Fleckfieberepidemie. Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Langbein an die Plauener Bauern am 21.05.1941. Betreff  : Entlausung der polnischen Landarbeiter. Mitteilung des Regierungsmedizinalrates Dr. Müller an den Regierungspräsidenten in Zwickau am 23.05.1941. Betreff  : Kontrolle der polnischen Landarbeiter auf Läusebefall im Bereich des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land. Mitteilung des Oberwachtmeisters der Gendarmerie Jößnitz an den Landrat im Gesundheitsamt Plauen vom 18.06.1941. Betreff  : Erörterungen zum polnischen Arbeitslager im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb. Mitteilung des Gesundheitsaufsehers Riedel an den Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 25.06.1941. Betreff  : Besuch des Lagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht (Schwemme) in Trieb, Ortsteil Rentzschmühle am 24.06.1941. Mitteilung des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land an den Landrat des Kreises Plauen vom 26.06.1941. Betreff  : Besichtigung des Gemeinschaftslagers polnischer Zivilarbeiter im Hotel Steinicht in Rentzschmühle. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse im Ausländerlager der Sächsischen Zellwolle AG im Gasthof Thiergarten vom 01.07.1941. Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes Plauen an das Gesundheitsamt Plauen-Land am 19.07.1941. Betreff  : Italienerlager der Sächsischen Zellwolle AG im Gasthof Thiergarten. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an den Sächsischen Minister des Innern am 07.08.1941. Betreff  : Krankenhausbehandlung polnischer Arbeitskräfte auf Kosten der öffentlichen Fürsorge und deren Ersatz durch die Reichsarbeitsverwaltung. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 27.08.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung und Entlausung der in Kroatien und Serbien geworbenen Arbeitskräfte. Aufstellung des Gewerbeaufsichtsamtes über die hygienischen Verhältnisse in Arbeitslagern, hier Bahnhofshotel Barthmühle vom 09.09.1941. Notiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land, Gesundheitsaufseher Riedel, vom 18.09.1941. Betreff  : Kontrolle des Lagers für italienische Arbeiter in der Vomag im Hotel Barthmühle. Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel zur Kontrolle des Lagers Hotel Steinicht in Rentzschmühle bei Trieb vom 18.09.1941. Bericht des Gesundheitsaufsehers Riedel über den Besuch im Gasthof ›Sächsisch-Bayerischer Hof‹ Mehltheuer am 27.10.1941. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an u. a. die Reichsstatthalter in den Reichsgauen, die Gesundheitsämter vom 04.11.1941. Betreff  : Seuchenhygienische Überwachung von

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 441

Arbeitslagern. Weitergeleitet vom Sächsischen Minister des Innern an das Gesundheitsamt Plauen-Land am 07.11.1941. Abschrift zu IV g 3059/42, Oberkommando der Wehrmacht an die Arbeitseinsatzbehörden am 18.12.1941. Betreff  : Herstellung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der sowjetischen Kriegsgefangenen. Abschrift zum Rundschreiben IV g 3059/42 des Chef des Oberkommandos der Wehrmacht vom 24.12.1941. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an die Reichsstatthalter, den Preußischen Regierungspräsidenten, den Polizeipräsidenten in Berlin sowie den Oberbürgermeister von Berlin vom 10.01.1942. Betreff  : Überwachung französischer Arbeitskräfte auf Typhus. Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land vom 19.01.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten und Südosten  ; hier  : Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung von Fleckfieber. Mitteilung des Sächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit, des Sächsischen Ministers des Innern, des Präsidenten des Landesarbeitsamtes et al. u. a. an die Leiter der Gesundheitsämter vom 14.02.1942. Betreff  : Prüfung der hygienischen Verhältnisse von neu einzurichtenden Arbeitslagern von Betrieben. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 17.06.1942. Betreff  : Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen  ; hier  : Überwachung der Kriegsgefangenenlager durch die Gesundheitspolizei. Aktennotiz des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land vom 13.07.1942. Betreff  : Beschwerde von Elisabeth Porst über Ungeziefer bei russischem und ukrainischem Arbeiter auf dem Hof von Bauer Döscher in Zwoschwitz. Bestimmungen über die Krankenversorgung der Ostarbeiter vom 01.08.1942, erlassen durch den Reichsarbeitsminister. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 08.08.1942. Betreff  : Ostarbeiter  ; hier  : Rückführung Arbeitsunfähiger. Abschrift des Schnellbriefes des Beauftragten für den Vierjahresplan, des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 12.08.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter einschließlich Zweigstelle Nürnberg. Betreff  : Ostarbeiter  ; hier  : Krankenversorgung. Bestimmungen des Reichsarbeitsministers. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 14.08.1942. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern. Vom Sächsischen Minister des Innern an die Amtsärzte in Sachsen weitergeleitete Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 25.09.1942. Betreff  : Behandlung, Ernährung, Bekleidung und Unterbringung der fremdländischen Arbeiter in Deutschland. Schnellbrief des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 16.10.1942. Betreff  : Nichteinsatzfähige Ostarbeiter. Rundschreiben des Sächsischen Ministers für Wirtschaft, des Sächsischen Ministers des Innern, des Präsidenten des Landesarbeitsamtes und der DAF, Gauwaltung Sachsen an die Gewerbeaufsichtsämter, Gesundheitsämter, Arbeitsämter und Kreishauptabteilungen für Arbeitseinsatz der DAF vom 26.10.1942. Betreff  : Prüfung und Überwachung der hygienischen Verhältnisse in Arbeitslagern von Betrieben.

442 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Arbeitsämter vom 30.10. 1942. Betreff  : Unbegründete Rückführungen. Mitteilung des Amtsarztes des Stadtgesundheitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land vom 18.11.1942. Schnellbrief des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen im Auftrag des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Leiter der Arbeitsämter vom 12.12.1942. Betreff  : Stopp der Rückführungszüge für Ostarbeiter. Abschrift der Mitteilung des GBA vom 15.12.1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Betreff  : Rückführung schwangerer ausländischer Arbeitskräfte. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 19.12.1942. Betreff  : Ärztliche Fragen beim Arbeitseinsatz von Ostarbeitern  ; hier  : Hungerödeme. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 28.12.1942. Betreff  : Ausländereinsatz  ; hier  : Krankheitsvortäuschung. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 31.12.1942. Betreff  : Regelungen für schwangere Ostarbeiterinnen. Niederschrift über die Sitzung mit den Herren Leitern des Staatlichen und Städtischen Gesundheitsamtes, dem Kreisleiter, Kreisbauernführer, dem Leiter der Ortskrankenkasse Plauen, Kreisverwaltung der DAF, und dem Beratenden Arzt des Arbeitsamtes Plauen am 01.02.1943. Mitteilung der Deutschen Arbeitsfront Plauen, Abteilung »Gesundheit und Volksschutz« an die Ärzte im Kreis Plauen vom 08.02.1943. Betreff  : Behandlung und Betreuung schwangerer Ostarbeiterinnen, Rückführung erkrankter Ostarbeiter, totaler Kriegseinsatz der deutschen Bevölkerung. Mitteilung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter am 17.03.1943. Betreff  : Rückführung von Ostarbeitern  ; hier  : Errichtung eines Rückkehrersammellagers in Plauen. Mitteilung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 26.05.1943. Betreff  : Rückführung nicht-einsatzfähiger Ostarbeiter  ; hier  : Behandlung von offen Tuberkulösen und Auswirkung der Rückführungen auf die Stimmung in der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete. Beschwerde von Anna Renner wegen Wanzenbefalls der in der Holzmühle verkehrenden Russen vom 12.05.1944. Mitteilung des Amtsarztes aus dem Gesundheitsamt Plauen-Land an den Landrat zu Plauen über die Beschwerde des Gesundheitsaufsehers Riedel vom 14.06.1944. Betreff  : Abortgruben des Durchgangslagers Holzmühle laufen über. Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt Plauen-Land vom 04.07.1944. Betreff  : Einsatz ausländischer Hausgehilfinnen bei deutschen Familien. Anlage zur Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an das Staatliche Gesundheitsamt PlauenLand vom 04.07.1944. Betreff  : Einsatz ausländischer Hausgehilfinnen bei deutschen Familien. Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes an das Erla-Maschinenwerk Leipzig vom 04.10.1944. Betreff  : PAN GmbH, Plauen. Fragebogen des Staatlichen Gesundheitsamtes Plauen-Land zur Einrichtung des Lagers der Metallwarenfabrik Mylau in Obermylau vom 13.10.1944.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 443

Fragebogen des Gesundheitsamtes Plauen-Land an die Maschinenfabrik Weischlitz vom 13.10. 1944. Betreff  : Einrichtung des betriebszugehörigen Ostarbeiterlagers. Verzeichnis der Lager mit ehemaligen italienischen Militärinternierten und deren zahlenmäßiger Umfang, eingegangen bei der Deutschen Arbeitsfront, Kreisverwaltung Plauen, Abt. Gesundheit und Volksschutz, Melanchthonstr. 1 – Plauen. Ohne Datum. StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 2255, nicht foliiert  : Mitteilung des Oberbürgermeisters der Kreisstadt Plauen – Polizeipräsidium – an das Amtsgericht Plauen vom 16.01.1946. Betreff  : Nachforschung über Bürger der vereinten Nationen. StAC, Best. 30131 Amtsgericht Plauen, Nr. 5096  : Mitteilung der Familienfürsorge Plauen an das Jugendamt vom 20.08.1942. Betreff  : Pflichtjahr von Ilse Seyrich, Fol. 21. StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 426  : Erlass des GBA an die Präsidenten der Gauarbeitsämter und Reichstreuhänder der Arbeit, Betreff  : Ostarbeiter  ; Freistellung von Wehrfähigen aus dem Arbeitsprozeß vom 16.09.1944, Fol. 108. Mitteilung der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung  : Industrie an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen vom 26.09.1944. Betreff  : Heimarbeitsfähige Fertigung und Arbeitseinsatz der Frau, Fol. 74. StAC, Best. 30874 Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Nr. 430  : Mitteilung des Bezirksbeauftragten des Hauptausschusses Wehrmacht- und allgemeines Gerät beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition im Gau Sachsen an die Gauwirtschafts- und Wirtschaftskammern in Sachsen vom 14.09.1943. Betreff  : Umsetzung aus dem zivilen Sektor, Fol. 11. Mitteilung des Reichsministers für Rüstungs- und Kriegsproduktion an die Gauwirtschaftskammern vom 08.09.1943. Betreff  : Konzentration der Kriegswirtschaft, Fol. 25. Mitteilung der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen vom 01.11.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen, Fol. 33–34. Mitteilung der Wirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie an die Wirtschaftskammern Leipzig, Chemnitz, Plauen am 10.11.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen/Wäscheindustrie, Fol. 56–57. Mitteilung des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänders der Arbeit Sachsen an die Leiter der Arbeitsämter vom 30.11.1943. Betreff  : Gewinnung von Arbeitskräften für die vordringlichsten Fertigungen durch Auskämmung, Fol. 98. Bedarfsmeldungen der Unternehmen an die Arbeitsämter im Rüstungskommando Chemnitz vom 31.10.1943, Fol. 117 und 117 Rückseite. Mitteilung der Bezirksgruppe Sachsen der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie an die Rüstungsinspektion Dresden, das Landeswirtschaftsamt Dresen und das Gauarbeitsamt Sachsen vom 24.12.1943. Betreff  : Betriebsumsetzungen, Fol. 119–121. Liste der für Umsetzungen vorgesehenen Betriebe in der Rüstungsinspektion IVa vom 24.03.1944, Fol. 201–202. StAC, Best. 30919 Vereinigung Volkseigener Betriebe Baumwolle, Karl-Marx-Stadt, Nr. 340, nicht foliiert : Chronik der Plauener Baumwollspinnerei.

444 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

StAC, Best. 31024 Vogtländische Maschinenfabrik AG (VOMAG), Plauen/V., Nr. 1  : Bestellung von Zubehör bei den Siemens-Schuckert-Werken, Technisches Büro Plauen, im Juli 1938, Fol. 5. Geschäftsabwicklung mit der AEG (Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft, Abt. für Papierund Textilindustrie), Büro Plauen, Rädelstraße 1, Fol. 36. StAC, Best. 31024 Vogtländische Maschinenfabrik AG (VOMAG), Plauen/V., Nr. 10, nicht foliiert  : Zuteilungsschein für Eisen und Stahl für die VOMAG-Betriebs-AG, Plauen vom 13.01.1938. Bezugsschein zur Aufteilung von Eisen und Stahl, Kontroll-Nr. W L II B 807286/35138 vom 29.12.1938. Metallanforderungsschein für Wehrmachtsaufträge für die VOMAG im Bedarfsmonat Dezember 1939. Ausgestellt am 13.12.1939. StAC, Best. 31165 Vigogne-Aktien-Spinnerei Werdau und Nachfolger, Nr. 25, nicht foliiert  : Mitteilung des Arbeitsamtes Zwickau an die Vigogne-Aktien-Spinnerei Werdau vom 14.03.1944. Betreff  : Rückführung erkrankter Ostarbeiterinnen in die Heimat. StAC, Best. 31181 VEB Adorfer Teppichfabrik, Adorf/V. und Vorgänger, Nr. 42, nicht foliiert  : Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 20.06.1944. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 14.– 20.06.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 21.–27.06.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 12.07.–18.07.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 26.07.–01.08.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 06.–12.09.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz. Betreff  : Engländer-Stunden in der Zeit vom 13.–15.09.1944 und amerikanische Kriegsgefangene vom 16.–19.09.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 10.10.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 04.–10.10.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 17.10.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 11.–17.10.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 14.11.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 08.–14.11.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 12.12.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 06.–12.12.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 19.12.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 13.–19.12.1944.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 445

Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 27.12.1944. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 20.–26.12.1944. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 02.01.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 27.12.1944–02.01.1945. Mitteilung des Technischen Büros der Adoros Teppichwerke Uebel, Adorf, an die Organisation Todt, Einsatzgruppe Kyffhäuser, Baracken-Aktion in Dresden vom 03.01.1945. Betreff  : Unterbringung von Gefangenen, eingesetzt in Rüstungsfertigung. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 09.01.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 03.–09.01.1945. Mitteilung der Adoros Teppichwerke Uebel Adorf an den Fahrbereitschaftsleiter beim Landrat in Oelsnitz vom 27.02.1945. Betreff  : Arbeitsstunden der bei uns beschäftigten amerikanischen Kriegsgefangenen in der Zeit vom 21.–27.02.1945. StAC, Best. 31282 Teppichfabrik Zentrale AG (Tefzet), Oelsnitz/V. und Nachfolger, Nr. 330, nicht foliiert  : Antrag der Tefzet auf Genehmigung zur Beschäftigung von ausländischen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitnehmern beim Arbeitsamt Oelsnitz i. V. vom 25.08.1938. Bescheinigung des Arbeitsamtes Oelsnitz i. V. über den Eingang der Anträge aus der Teppichfabrik Oelsnitz auf Erteilung einer Beschäftigungsgenehmigung für ausländische Arbeiter vom 06.10.1938. Antrag für Lohn- und Unterstützungszahlungen der Teppichfabrik-Zentrale AG Oelsnitz i. V. beim Oberfinanzpräsidenten in Leipzig vom 17.10.1938. Antrag der Teppichfabrik-Zentrale AG auf Erteilung einer Genehmigung zur Auszahlung von Löhnen beim Oberfinanzpräsidenten in Leipzig vom 28.10.1938. Genehmigungsbescheid der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten in Leipzig über die Lohnzahlung in inländischer Währung an den Polen Paul Josef Weilbach vom 12.05.1939. Antrag der Tefzet AG Oelsnitz i. V. auf Genehmigung zur Beschäftigung von ausländischen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitern/Angestellten vom 03.06.1939 an das Arbeitsamt Oelsnitz i. V. StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG  ; Plauen und Nachfolger, Nr. 12, nicht foliiert  : Niederschrift über die Vertrauensratssitzung der Gapla am 14.03.1940. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 13.04.1943. Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gapla am 14.07.1943. StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 339, nicht foliiert  : Aufstellung der Arbeitspapiere unserer zur Fa. Gapla, Plauen versetzten Gefolgschaftsmitglieder. Mitteilung der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Zweigwerk Halberstadt, an die Firma Gardinenfabrik, Gapla, Plauen vom 21.09.1944. Betreff  : Arbeitspapiere. Aufstellung von 50 Ostarbeiter-Sparkarten. Vermutlich mit allen anderen Arbeitspapieren am 21.09.1944 an die Gardinenfabrik Plauen aus dem Stammwerk Junkers Halberstadt übersendet. Lohnblatt zum Gruppen-Akkord der Gardinenfabrik, Plauen, 1944/1945. Notiz der Lohnabteilung der Gardinenfabrik Plauen zur Berechnung von Verpflegung und Unterkunft bei ausländischen Zivilarbeitern.

446 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Auflistung der Urlaubsansprüche sowie Ausgaben für doppelte Haushaltsführung der in der Gardinenfabrik Plauen beschäftigten ausländischen Gastarbeiter 1943/1944. Notiz der Gardinenfabrik Plauen über die in das Stammwerk Halberstadt zurückversetzten Arbeitskräfte vom 28.02.1945. Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die der Firma Junkers Halberstadt zurückgegebenen Kennmarken und Ausweise vom 28.02.1945. Aufstellung der durch ausländische Arbeitskräfte vom 27.–30.03.1945 im Auftrag der Gardinenfabrik Plauen AG geleisteten Arbeitsstunden. Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die Arbeitsbücher der nach Halberstadt zurückversetzten ausländischen Arbeitskräfte vom 28.03.1945 an das Arbeitsamt Plauen. Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die Arbeitsbücher der nach Halberstadt zurückversetzten Ostarbeiter vom 04.04.1945 an das Arbeitsamt Plauen. Aufstellung der Gardinenfabrik Plauen über die Arbeitspapiere der nach Halberstadt zurückversetzten ausländischen Arbeitskräfte vom 06.04.1945. StAC, Best. 31288 Gardinenfabrik Plauen AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 882, nicht foliiert  : Bericht des Vorstandes der Gardinenfabrik AG Plauen vom 30.06.1941. StAC, Best. 31289 L. O. Hartenstein, Plauen-Lengenfeld/Dobenauwerk, Plauen, Nr. 21, nicht foliiert  : Telegramm an die Firma Tüll- und Gardinenweberei Plauen vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion am 14.10.1943. Betreff  : Stillegungsbescheid. StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 35, nicht foliiert  : Mitteilung der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen an die Industrie- und Handelskammer Plauen vom 25.01.1940. Betreff  : Versetzung nicht mit kriegswichtigen Aufgaben beschäftigter Arbeitskräfte in Rüstungsproduktion. Mitteilung der Wirtschaftskammer Plauen an die Industriewerke 1943. Betreff  : Umsetzung von Arbeitskräften in die Rüstungs-Industrie. Mitteilung der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen an die DAF-Plauen, Kreisobmann Schneider vom 03.09.1942. Betreff  : Angliederung von Wehrmachtsfertigung. Betriebsübersicht zu Produktion und Gefolgschaft der Industriewerke Aktiengesellschaft, Plauen bei der Gauwirtschaftskammer Sachsen, Abteilung Industrie 1943. Antwort der Industriewerke AG am 09.11.1943 auf das Schreiben der Wirtschaftskammer Plauen vom 22.10.1943. Betreff  : Gegenwärtiger Auftragsbestand. StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen & Nachfolger, Nr. 37, nicht foliiert  : Speiseplan vom 11.–17.09.1944. Verpflegungssätze für Justizgefangene, Häftlinge in Konzentrationslagern und in Polizeigefängnissen für die 70. Zuteilungsperiode vom 11.12.1944–07.01.1945. Verpflegungssätze für Justizgefangene, Häftlinge in Konzentrationslagern und in Polizeigefängnissen für die 70. Zuteilungsperiode vom 11.12.1944–07.01.1945. Zulagen. Mitteilung der KZ-Lagerküchen, Abrechnung der 71. Zuteilungsperiode. Küchenzettel für die Woche vom 05.–11.03.1945. StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 248, nicht foliiert  : Mitteilung der Baufirma Graupner, Plauen, an das Reichsministerium Speer, Abteilung Lagerausbau vom 30.10.1943. Betreff  : Lagerausbauten für die Firmen Plauener Baumwollspinnerei und Industrie-Werke AG, Plauen.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 447

Bescheinigung des Arbeitsamtes Plauen vom 26.01.1944 für die Plauener Baumwollspinnerei. Betreff  : Lagerunterbringung von 327 Arbeitskräften im Zuge der Betriebsverlagerung. Bescheinigung des Arbeitsamtes Plauen vom 26.01.1944 für die Industrie-Werke AG, Plauen. Betreff  : Lagerunterbringung von 484 Arbeitskräften im Zuge der Betriebsverlagerung. Mitteilung der Verwaltung der Plauener Baumwollspinnerei in Treuen an die IndustrieWerke, Plauen, Osram, Berlin, et al. vom 29.02.1944. Betreff  : Lagermäßige Unterbringung der aus Berlin nach Plauen zu versetzenden Arbeitskräfte. Abrechnung der durch die Belegschaft der Industriewerke für Osram geleisteten Arbeitsstunden vom 29.03.–29.04.1944. Gefolgschaftsplan der Industriewerke AG. Entlohnung nach der Übernahme durch Osram am 01.05.1944. StAC, Best. 31292 Industriewerke AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 275, nicht foliiert  : Mitteilung der Rüstungsinspektion IVa des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, Az. 33 Z.A. If c/z, an die Plauener Industriewerke AG vom 14.09.1943. Betreff  : Sicherstellung von ungenutzten gewerblichen Räumen für Zwecke der Rüstungsfertigung und Lagerung von Wehrmachtsgut. Bezirksgruppe Sachsen der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie an die Firmen Plauener Baumwollspinnerei und Industrie-Werke AG am 17.09.1943. Betreff  : Abzug von Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie. Mitteilung der Industrie-Werke Plauen an den Selbständigen Sonderring für Textilien beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vom 27.09.1943. Betreff  : RÜ-Verlagerung, Osram, Werk D, Berlin. Aktenvermerk über die am 29.10.1943 zwischen den Herren Dr. Mocker, Direktor Mocker, Baumeister Graupner einerseits und Herrn Stümpfig andererseits stattgefundene Besprechung. Bestellung für die Einrichtung der Ausländerlager bei Osram in Plauen an das Reichsministerium Speer, Abteilung Lagerausbau, z. H. Herrn Amtmann Möckel vom 30.10.1943. Antrag der Firma Graupner im Auftrag der Industriewerke und Plauener Baumwollspinnerei auf Zuweisung von Baracken beim Baubevollmächtigten des Reichsministeriums Speer im Bezirk der Rüstungsinspektion IV vom 08.11.1943. Mitteilung von Osram vom 13.12.1943. Betreff  : Herstellung von Metalldrahtglühlampen, Stabilisatoren und Glimmlampen in Plauen i. Vogtl. Besprechung zwischen Osram und Direktor Stümpfig der Plauener Baumwollspinnerei AG am 20.01.1944. Mitteilung des Leiters der Verwaltung des Konzentrationslagers Flossenbürg, SS-Hauptsturmführer Kirsammer vom 17.07.1944. Betreff  : Gewährung von Leistungsprämien an Häftlinge. Mitteilung von Osram an die Industrie-Werke AG vom 27.10.1944. Plauener Baumwollspinnerei an die Wirtschaftsgruppe Textilindustrie, Bezirksgruppe Sachsen, Untergruppe Vogtland in Plauen am 18.12.1944. Betreff  : Lettische und estnische Arbeitskräfte. StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 55, nicht foliiert  : Abrechnung der vom 01.02.–31.08.1944 bei der Tüll- und Gardinen-Weberei durch Friedrich Weber, Berlin, zur Miete in Anspruch genommenen Räumlichkeiten. Abrechnung der Lagerkosten in Gemeinschaftslager Plauen-Chrieschwitz für Tegewe, Abteilung Metall-Werke 2 vom 20.03.–30.04.1944.

448 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abrechnung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG über den Anteil der sozialen Einrichtungen der Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 für März, April, Mai und Juni 1944. Abrechnung der Lagerkosten im Gemeinschaftslager Plauen-Chrieschwitz für Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 vom 20.03.–30.04.1944. Abrechnung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG, Plauen, über die Einrichtung des Lagers ›Morgenberg‹, Plauen, Heubnerstr. 39, für Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 (Deckname für die Produktion Fr. Weber, Berlin) vom 08.04.–30.06.1944. Mitteilung der Tüll- und Gardinen-Weberei Plauen an die Firma Friedrich Weber, Berlin. Betreff  : Ausgelegte Löhne und Sozialversicherungsbeiträge vom 27.07.–23.08.1944. Abrechnung der Anteile an sozialen Einrichtungen der Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 für Juli, August, September 1944. Abrechnung der Anteile an sozialen Einrichtungen der Tegewe-Abteilung Metall-Werk 2 für Oktober 1944. Abrechnung der laufenden Kosten bei der Tüll- und Gardinen-Weberei AG Plauen, 01.– 31.10.1944. Aufstellung der Auslagen der Tegewe für Friedrich Weber, Berlin, vom 01.–30.11.1944. Mitteilung der Tüll- und Gardinen-Weberei AG, Plauen, an Friedrich Weber & Co., Berlin, vom 12.10.1944. Betreff  : Abrechnung. Abrechnung der laufenden Kosten bei der Tüll- und Gardinen-Weberei AG Plauen, 01.– 30.12.1944. StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 876, nicht foliiert  : Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 24.09.–07.10.1942. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 17.–30.12.1942. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 08.–21.04.1943. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 17.–30.06.1943. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 09.–22.09.1943. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.12.1943. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 13.–26.01.1944. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 04.–17.05.1944. StAC, Best. 31295 Tüll- und Gardinenweberei AG, Plauen und Nachfolger, Nr. 878, nicht foliiert  : Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 01.–15.07.1942. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 16.–29.07.1942. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen vom 17.–30.12.1942. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen vom 28.01.–10.02.1943. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 26.08.–08.09.1943. Lohnabrechnung der Ostarbeiterinnen bei Tegewe vom 09.–22.09.1943. Abrechnung zur Lohnwoche vom 04.–17.05.1944. Löhnung der Ausländer vom 04.–17.05.1944. StAC, Best 31453 Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA), Hauptniederlassung Chemnitz, Plauen und Zwickau, Nr. 323, nicht foliiert  : Geschäftsbericht des Vorstandes der Tüllfabrik Mehltheuer zum Jahr 1944 vom 25.06.1945. StAC, Best. 33295 Forstverwaltung der Stadt Plauen, Nr. 66, nicht foliiert  : Mitteilung des Forstamtmanns aus Herlasgrün vom 31.01.1941. Betreff  : Einsatzbedingungen der Kriegsgefangenen.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 449

Mitteilung der Forstrevierverwaltung Bergen-Neudorf an das Forstamt Plauen vom 19.02. 1941. Betreff  : Kriegsgefangeneneinsatz für den Holzeinschlag. Mitteilung des Oberforstmeisters in Plauen an die umliegenden Reviere vom 19.11.1942. Betreff  : Einsatz von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft. Mitteilung des Oberkommandos der Wehrmacht an den Reichsforstmeister vom 23.03.1943. Betreff  : Ungenügende Arbeitsleistung der in der Forstwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen. Mitteilung des Oberforstmeisters der Stadt Plauen an die Prüfstelle für die sächsische Gemeinde-, Körperschafts- und Stiftsforsten bei der Landesforstverwaltung in Dresden vom 22.10.1943. Betreff  : Zusätzliche Arbeitskräfte für den Wintereinschlag aus der Landwirtschaft. Mitteilung der Forstrevierverwaltung Bergen-Neudorf an das Forstamt vom 11.12.1943. Betreff  : Anforderung von Hilfskräften für den Holzeinschlag 1943/44. Staatsarchiv Leipzig

StAL, Best. 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 5030, Personalakte Dreikorn  : Einlieferungsschein des Strafgefängnisses Hoheneck für Alfred Hermann Dreikorn vom 20.12.1948, Fol. 12. Beglaubigte Abschrift des Urteils in der Strafsache gegen Alfred Hermann Dreikorn und Willy Bruno Reußner am Landgericht Zwickau vom 10.11.1948. Fol. 14–16 Rückseite. Archiv des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes, Bad Arolsen

Amt für die Erfassung der Kriegsopfer, Irena Anna Ziemelis, 2.3.1.2. / 78541728/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Auflistung der Erziehungslager im Dritten Reich, 1.1.0.7 / 87767112/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954730/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954731/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Auflistung der Sterbefälle ausländischer Arbeitskräfte in Plauen, Lutherisches Pfarramt, 2.1.4.1 / 70954732/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Aufstellung ausländischer Patienten im Hilfskrankenhaus Waldschule, 2.1.4.1 / 70954775/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Beschäftigung englischer Kriegsgefangener, Plauen, 2.1.4.1 / 70954870/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Anker Crail, Polizeipräsidium Plauen, 2.2.2.1 / 71866435/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Albert Amand Bille, 2.2.2.1 / 71486665/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Albert Amand Bille, 2.2.2.1 / 71486666/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Alexandra Pustakowa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 74400857/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Carolus Pede, 2.2.2.1 / 74150875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Carolus Pede, 2.2.2.1 / 74150876/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

450 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Hauptmeldebogen Galina Udot, 2.2.2.1 / 75448273/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Jaroslav Srutek, 2.2.2.1 / 75073538/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Jean Henri Maurice Beauliet, 2.2.2.1 / 71396133/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Jean Henri Maurice Beauliet, 2.2.2.1 / 71396134/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Julien Waaselin, 2.2.2.1 / 75572782/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Julien Waaselin, 2.2.2.1 / 75572783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Magdalena Abbeel, 2.2.2.1 / 71198721/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Marcel Gobert, 2.2.2.1 / 72392292/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Praskowja Lasarewa, Landratsamt Plauen, 2.2.2.1 / 73334499/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Praskowja Lasarewa, 2.2.2.1 / 76138737/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Prudence Minnaert, Polizeipräsidium Plauen, 2.2.2.1 / 73771486/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Renee Pede, 2.2.2.1 / 74150886/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Hauptmeldebogen Renee Pede, 2.2.2.1 / 74150887/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Liste der französischen Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen im Zweiten Weltkrieg, 2.1.4.1 / 70954777/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1944, 2.2.2.1 / 75812036/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Lohnabrechnung von Alexandra Pustakowa bei der Netzschkauer Maschinenfabrik Franz Stark & Söhne für 1945, 2.2.2.1 / 75811945/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954777/ ITS Digital Archive bis 2.1.4.1 / 70954783/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954777/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954778/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954779/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954780/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Medizinische Dokumente französischer Patienten im Stadtkrankenhaus Plauen, 2.1.4.1 / 70954781/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Mitteilung Dr. Schuberts über ausländische Patienten in Praxis und Klinik für Chirurgie, Plauen vom 18.01.1947, 2.1.4.1 / 70954776 und 2.1.4.1 / 70954776/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namensliste der im Untersuchungsgefängnis Plauen inhaftierten Franzosen, 1.2.2.1 / 11381849/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namensliste der im Untersuchungsgefängnis Plauen inhaftierten Franzosen, 1.2.2.1 / 11381851/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namensliste für verstorbene Angehörige der UdSSR und der Vereinten Nationen, die in der Kriegsperiode 1939–1945 umgekommen und auf deutschem Territorium begraben sind, Land Sachsen, Kreis Plauen, Ort Kauschwitz, Rückkehrerlager Holzmühle, 2.1.4.2 / 70993445/

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 451

ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993446/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993447/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993448/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993449/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993450/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993451/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993452/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993453/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993454/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993455/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993456/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993457/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, 2.1.4.2 / 70993459/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen beschäftigten Italiener und deren Unterkünfte, Ordner 45e, Fol. 99, 2.1.4.1 / 70955053/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Belgier, Ordner 45d, Fol. 3, 2.1.4.1 / 70954787/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Belgier, Ordner 45d, Fol. 14, 2.1.4.1 / 70954798/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Belgier, Ordner 45d, Fol. 58, 2.1.4.1 / 70954843/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Bulgaren, Ordner 45d, Fol. 61, 2.1.4.1 / 70954846/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 87, 2.1.4.1 / 70954872/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70954875/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 97, 2.1.4.1 / 70954882/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 101, 2.1.4.1 / 70954886/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 103, 2.1.4.1 / 70954888/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 114, 2.1.4.1 / 70954899/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 120, 2.1.4.1 / 70954905/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45d, Fol. 154, 2.1.4.1 / 70954939/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 39, 2.1.4.1 / 70954993/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 57, 2.1.4.1 / 70955011/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Franzosen, Ordner 45e, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955039/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Jugoslawen, Ordner 45e, Fol. 150, 2.1.4.1 / 70955105/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 2, 2.1.4.1/ 70955109/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namensliste der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 5, 2.1.4.1 / 70955112/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

452 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 17, 2.1.4.1 / 70955124/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 25, 2.1.4.1 / 70955132/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Niederländer, Ordner 45f, Fol. 40, 2.1.4.1 / 70955147/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiter, Ordner 45j, Fol. 90, 2.1.4.1 / 70955839/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiter, Ordner 45i, Fol. 115, 2.1.4.1 / 70955688/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiter, Ordner 45i, Fol. 132, 2.1.4.1 / 70955705/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955511/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 87, 2.1.4.1 / 70955513/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 98, 2.1.4.1 / 70955524/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45h, Fol. 133, 2.1.4.1 / 70955559/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 94, 2.1.4.1 / 70955667/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 98, 2.1.4.1 / 70955671/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 99, 2.1.4.1 / 70955672/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45i, Fol. 102, 2.1.4.1 / 70955675/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ostarbeiterinnen, Ordner 45j, Fol. 131, 2.1.4.1 / 70955880/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 43, 2.1.4.1 / 70955150/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 68, 2.1.4.1 / 70955175/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 73, 2.1.4.1 / 70955180/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 79, 2.1.4.1 / 70955186/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 83, 2.1.4.1 / 70955190/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 84, 2.1.4.1 / 70955191/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 85, 2.1.4.1 / 70955192/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 453

Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 86, 2.1.4.1 / 70955193/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 101, 2.1.4.1 / 70955208/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 106, 2.1.4.1 / 70955213/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 117, 2.1.4.1 / 70955224/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 113, 2.1.4.1 / 70955220/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 117, 2.1.4.1 / 70955224/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 126, 2.1.4.1 / 70955233/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 144, 2.1.4.1 / 70955251/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Polen, Ordner 45f, Fol. 156, 2.1.4.1 / 70955263/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Rumänen, Ordner 45g, Fol. 3, 2.1.4.1 / 70955267/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 4, 2.1.4.1 / 70955268/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 5, 2.1.4.1 / 70955269/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 6, 2.1.4.1 / 70955270/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 7, 2.1.4.1 / 70955271/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 8, 2.1.4.1 / 70955272/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 9, 2.1.4.1 / 70955273/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 10, 2.1.4.1 / 70955274/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 11, 2.1.4.1 / 70955275/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 12, 2.1.4.1 / 70955276/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 13, 2.1.4.1 / 70955277/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 14, 2.1.4.1 / 70955278/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 15, 2.1.4.1 / 70955279/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

454 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 16, 2.1.4.1 / 70955280/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 17, 2.1.4.1 / 70955281/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 18, 2.1.4.1 / 70955282/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 19, 2.1.4.1 / 70955283/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 20, 2.1.4.1 / 70955284/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 21, 2.1.4.1 / 70955285/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 22, 2.1.4.1 / 70955286/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen, Ordner 45g, Fol. 23, 2.1.4.1 / 70955287/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Tschechen, Ordner 45h, Fol. 60, 2.1.4.1 / 70955486/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen eingesetzten Ungarn, Ordner 45h, Fol. 84, 2.1.4.1 / 70955510/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in Plauen in Lagern untergebrachten Italiener, Ordner 45e, Fol. 137, 2.1.4.1 / 70955091/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993451/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993455/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der verstorbenen Zivil-Angehörigen der UdSSR im Kreis Plauen zwischen 1939 und 1945, 2.1.4.2 / 70993458/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte, 2.1.4.2 / 71012586/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte, 2.1.4.2 / 71012587/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte, 2.1.4.2 / 71012588/ ITS Digtial Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte,2.1.4.2 / 71012589/ ITS Digtial Archive, Bad Arolsen. Namenslisten der in der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte,2.1.4.2 / 71012590/ ITS Digtial Archive, Bad Arolsen. Personalkarte von Adriaan van Loon bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888746/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Personalkarte von Rene Verley bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888776/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Personalkarte von Yvon Liénhard bei der Sächsischen Zellwolle AG, Plauen, 2.2.2.1 / 75888893/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 455

Zentrale Namenskartei, Namensliste der in Plauen eingesetzten englischen Kriegsgefangenen, Ordner 45d, Fol. 66, 2.1.4.1 / 70954851/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Zeugenaussage von Nikolai Wajlor zur Baubrigade 8, Sachsenhausen, 1.1.0.7 / 87767705/ ITS Digital Archive, Bad Arolsen. Zentrale Stelle Ludwigsburg

ZSL, Best. Mehltheuer 410 (F) AR 3039, Nr. 66  : Zeugenaussage von Bela Röhr bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel am 22.11.1967, Fol. 82. Zeugenaussage von Hela Chaja Goldstein bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 28.11.1967, nicht foliiert. Zeugenaussage von Lonia Lea Baum bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel. Protokoll vom 08.12.1967, Fol. 72. Vernehmungsniederschrift des Deutschen Generalkonsulats in Los Angeles vom 08.05.1969. Betreff  : Überprüfung des Nebenlagers Mehltheuer/Vogtland. Vernehmung der Zeugin Margaret Marketa Novak, Fol. 177–181. Zeugenaussage von Sara Kessel bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 19.05.1969. Zeugenaussage von Milanow Ester bei der Untersuchungsstelle für N.S. Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei in Israel am 30.06.1969, nicht foliiert. ZSL Plauen lV 410 AR 3216_66 (B) Band 1–3. ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66 Band 1  : Mitteilung der SED, Kreisvorstand Plauen, an die Spruchkammer Internierungslager Augsburg – Göppingen vom 14.08.1947. Betreff  : Dora, Erna Zeh, Fol. 46–48. Vernehmungsprotokoll von Elena Jarc vom 30.11.1971, Fol. 95–97. ZSL Plauen Industrie 410 AR 3217_66 Band 2  : Vernehmungsprotokoll von Zofia Ciezkowska vom 23.11.1971, Fol. 215–218. Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

AGFl, Best. Mehltheuer  : Interview mit Mája Dohnalová, Min. 1  :13  :31–1  :17  :00. Nummernbücher der Häftlinge im Außenlager Mehltheuer des KZ Flossenbürg. AGFl, Best. Mehltheuer, Privatbestand Rolf Ballhause  : Mitteilung der Reichsgruppe Industrie ›Werkluftschutz‹, Bereich Sachsen, an die Firma VOMAG Plauen vom 24.01.1945. Betreff  : Verlagerungswerk Tüllfabrik Mehltheuer. Mitteilung der Organisation Todt, Bauleitung Chemnitz, an den Landrat in Plauen vom 06.02.1945. Betreff  : Baupolizeiliches Gutachten für Baracke der VOMAG in Mehltheuer. AGFl, Best. Plauen  : Nummernbücher der Häftlinge in den Außenlagern Plauens des KZ Flossenbürg. Außenkommando Plauen – Baumwollspinnerei/Osram, 13.09.1944–14.04.1945. Mitteilung des KZ Flossenbürg an die Abteilungen II, III und IV, Arbeitseinsatz. Betreff  : Flucht der Häftlinge Krankowska und Iwanowska aus der Baumwollspinnerei Plauen. AGFl, Best. Plauen, Dr. Th. Horn  :

456 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Überstellungen aus dem Arbeitslager Plauen (Dr. Th. Horn), zum Arbeitslager Lengenfeld, am 27.03.1945 (ursprünglich BArch Berlin, Best. ehem. ZStA, Dok/K 183/11). Sammlung Celina Wojnarowicz  : Erinnerungsbericht vom 14.11.2001, S.40.25. Erinnerungsbericht, S.40.26. Bericht-Nr. 127  : Celina Wojnarowicz. Meine Erinnerungen aus dem KZ-Lager, S.40.26. Erfahrungen von Halina Bajer-Suwalska, Bericht Nr. 205, S.40.26. AGFl, Best. S.40.236 Sammlung Gerhard Hoffmann  : Erinnerungsbericht von Gerhard Hoffmann an Herbert Mosheim vom 22.10.1945. Kreisarvchiv Plauen/Oelsintz i. V.

KrA Plauen, Zwangsarbeiter-Kartons und Einwohnermeldebücher. Stadtarchiv Plauen

StadtA Plauen, Auswertungstabelle zu Fremd- und Zwangsarbeitern. StadtA Plauen, Best. A 71, Rat der Stadt Plauen, Oberbürgermeister  : Zusammenstellung aller in Plauen beigesetzten ausländischen Bürger vom 21.11.1949, Fol. 1–2. Aufstellung der auf dem Russenfriedhof in Kauschwitz beerdigten sowj. Bürger vom 25.11.1949, Fol. 4–14. Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, an den Direktor des Vogtländischen Kreismuseums vom 23.03.1966. Betreff  : Ermittlungssache  : In Plauen beigesetzte ausländische Bürger im Zeitraum 1939–1945, Lager Holzmühle, Fol. 23–24. Mitteilung des Rates der Stadt Plauen, Kontrollstelle des Vorsitzenden, vom 17.03.1965 mit Auszug aus dem Schreiben des Hauptfriedhofes Plauen vom 17.02.1965 an den Stadtrat Dörfer (Vorschlag zur Ausgestaltung der Ehrenmale anlässlich des 20. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus), Fol. 25–26. Aussprache mit Frau Eichelkraut in Meßbach am 15.04.1965 zu den Gräbern der unbekannten Ausländer auf dem Friedhof Meßbach, Fol. 27. Mitteilung des VEB Grünanlagen und Bestattungswesen an den Oberbürgermeister Voigt vom 17.05.1967. Betreff  : Ermittlung aller in der Stadt verstorbenen und beigesetzten Ausländer im Zweiten Weltkrieg, Fol. 33–45. StadtA Plauen, Best. A 84, Rat der Stadt Plauen, Arbeitsamt Plauen  : Rückführungsantrag von Afanasi Ambrosenko beim Arbeitsamt Plauen, gestellt am 04.07.1944, Fol. 2. Mitteilung der Vertrauensärztlichen Dienststelle zum Gesundheitszustand von Afanasi Ambrosenko an das Arbeitsamt Plauen vom 07.07.1944 und 19.05.1944, Fol. 3–4. Mitteilung des Arbeitsamtes Plauen an die VOMAG vom 07.07.1944. Betreff  : Einsatzfähigkeit des Ambrosenko, Fol. 6. Mitteilung des Betriebsarztes der Sächsischen Zellwolle, Dr. Collin, an den Ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes Plauen vom 02.04.1943. Betreff  : Arbeitsunfähigkeit Masil Alekseenke, Fol. 7.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 457

Akte der Vertrauensärztlichen Dienststelle über den Gesundheitszustand von Masil Alekseenke vom 05.04.1943, Fol. 8. Akte der Vertrauensärztlichen Dienststelle über den Gesundheitszustand von Wasily Alexejenko, Fol. 9. Notiz von Dr. Rostowzew zur Vorstellung Wasily Alexejenkos im Arbeitsamt Plauen für die medizinische Untersuchung am 26.07.1944, Fol. 10. Untersuchungsbogen zur für die Abgabe eines ärztlichen Gutachtens über den Ostarbeiter Nikita Anufriew vom 19.02.1945, Fol. 11. Mitteilung des Betriebes August Peter, Plauen, Werkstätten für Holzbearbeitung, an das Arbeitsamt Plauen am 10.02.1945. Betreff  : Amtsärztliche Untersuchung, Fol. 12. Untersuchungsbogen des Vertrauensärztlichen Dienstes im Arbeitsamt Plauen für Iwan Barau, Fol. 14. Rückführungsantrag für Alexander Bresenin vom 07.02.1944 beim Arbeitsamt Plauen, Fol. 15. Rückführungsantrag für Dimitri Dolomanow vom 28.05.1943 beim Arbeitsamt Plauen, Fol. 23. Vertrauensärtzliches Gutachten für Iwan Dzebrznak vom 19.10.1942, Fol. 26. Mitteilung des Stadtkrankenhauses an Dr. med. Rostowzew und die Ortskrankenkasse Plauen. Vom 08.09.1944. Betreff  : Entlassung des Patienten Frolow aus dem Stadtkrankenhaus, Fol. 28. Mitteilung des Ärztlichen Ambulatoriums für Ausländer, Theaterstraße 7 in Plauen, an das Arbeitsamt Plauen vom 17.01.1945. Betreff  : Behandlung des Ukrainers Dmitr Porajko wegen Gelenkrheumatismus und allgemeiner Körperschwäche, Fol. 71. Rückführungsantrag für Petro Rublewsky vom 18.08.1944 beim Arbeitsamt Plauen, Fol. 74. Vertrauensärztliches Gutachten für Alexander Sandrak vom 08.02.1944, Fol. 80. Untersuchungsbogen von Michail Schurawkow, erstellt am 05.08.1944 beim Arbeitsamt Plauen, Fol. 104. Untersuchungsbogen des Vertrauensärztlichen Dienstes beim Arbeitsamt Plauen von Iwan Walujew, geb. 24.01.1894, Fol. 108. Ärztlicher Untersuchungsbefund der Ärztlichen Dienststelle des Arbeitsamtes Plauen zum Gesundheitszustand von Wladimir Wynoradnick vom 05.04.1942, Fol. 111. Mitteilung des Ausweichkrankenhauses Herbartschule über die Entlassung von Anatoli Baranow auf Anweisung der russischen Militärregierung am 17.07.1945, Fol. 114. Mitteilung der VOMAG an das Polizeipräsidium Plauen vom 14.01.1946. Betreff  : Beschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener, Fol. 132–170. StadtA Plauen, Akten-Rep. III, Kap. I, Sekt. VII, Nr. 53, Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen  : Statistischer Vierteljahresbericht der Kreisstadt Plauen, 1925–1938. StadtA Plauen, Rep. IV, Kapt. 3, Sekt. 25, Nr. 144, Verschiedene Angelegenheiten, die Ärzte des Stadtkrankenhauses betreffend  : Mitteilung des Rates der Kreisstadt Plauen an das Gesundheitsamt Plauen vom 30.07.1934, Fol. 134. StadtA Plauen, Best. Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Oberbürgermeister, Nr. 483  : Bericht des Wirtschaftsamtes Plauen an den Oberbürgermeister 1939, Fol. 1–7. StadtA Plauen, Best. PL 123, Statistisches Amt der Kreisstadt Plauen, nicht foliiert  : Mittlere Bevölkerungsziffer 1939.

458 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

StadtA Plauen, Best. Rat der Stadt Plauen, Innere Angelegenheiten, Übernahmen Verwaltungsarchiv DDR-Zeit, VA 00002/ Ü 03/16/ Abg. 806, nicht foliiert  : Monatliche Berichterstattung der VEB Vogtländische Baumwollweberei Veredlung Plauen an den Rat der Stadt, Abt. Innere Angelegenheiten, Sachgebiet Archivwesen vom 24.11.1964. StadtA Plauen, Best. Rat der Stadt Plauen, Innere Angelegenheiten, Ü VA – Übernahmen Verwaltungsarchiv DDR-Zeit (VA 0005/ Ü 03/16/ Abg. 807). StadtA Plauen, Best. VA 481 Ü 3/81 Akten des Rates des Stadtkreises Plauen, Oberbürgermeister, Nr. 481  : Monatsberichte an das Amt für Kommunalpolitik, Fol. 19. Monatsbericht des Oberbürgermeisters an das Amt für Kommunalpolitik vom 13.12.1938, Fol. 22. Privatbestand Gerd Naumann, Ausbildungsunterlagen des Lehrlings Friedrich Müller, Abteilung Arbeitsvermittlung im Arbeitsamt Plauen, nicht foliiert

Dienstbesprechung am 03.04.1941 im Arbeitsamt Plauen zum Arbeitseinsatz in Sachsen. Protokoll zur Dienstbesprechung im Arbeitsamt Plauen, Abt. Arbeitseinsatz, vom 10.06.1941. Betreff  : Ärztliche Untersuchung von polnischen Arbeitskräften und der Arbeitseinsatz in Sachsen. Niederschrift über die Besprechung der Abteilung Arbeitsbuch im Arbeitsamt Plauen am 22.10.1941. Privatbestand Christian Suhr, VOMAG-Archiv

Anklageschrift der Landesregierung Sachsen, Kriminalamt Zwickau, Dienststelle Plauen vom 22.09.1948. Betreff  : Anklage Alfred Hermann Dreikorns und Willy Bruno Reußners als Mitglieder des Werkschutzes der VOMAG, Zweigstelle Weischlitz, wegen Ausübung von Zwang, Drohung, Gewalttätigkeiten und sonstigen Unterdrückungsmaßnahmen gegen ausländische Zwangsarbeiter, Fol. 1–7. Publizierte Quellen Alliierter Kontrollrat (1946)  : Direktive Nr. 38 des alliierten Kontrollrats vom 12. Oktober 1946. http://www.verfassungen.de/de45-49/kr-direktive38.htm 10.03.2019. Appelt, W. (1931)  : Einblick in die Arbeit der Kunstschule. In  : Plauener Sonntags-Anzeiger, Nr. 2698 vom 27.09.1931. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, 1994, Bd. 4, Dokumentation 66, Blatt 2. Bein, Louis (1884)  : Die Industrie des sächsischen Voigtlandes, Bd. 2, Leipzig. Böhmert, Victor (1876)  : Stadt und Land im Königreiche Sachsen 1834 bis 1875. In  : Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus, 12. Jg., 1876, Hft.3 und 4, S. 296–306. Böhmert, Viktor (1886)  : Die sächsische Volkszählung vom 1. December 1885. In  : Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus, 32. Jg., Hft. 1 und 2, S. 1–269. Didier, Friedrich (1944)  : Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 459

Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten. Bd. I, Berlin. Engel, Ernst (1856)  : Die physische Beschaffenheit der militärpflichtigen Bevölkerung im Königreich Sachsen. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 2. Jg., Hft. 7 vom 07.08.1856, S. 114–115. Engel, Ernst (1856)  : Die Zahl der Gebäude, Familien-Haushaltungen und Bewohner in den Städten und Landgemeinden der neuen Gerichts-Amtsbezirke des Königreichs Sachsen. Nach der Zählung vom 3. December 1855. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 2. Jg., Hft. 11 und 12, 1856, S. 173–206. Falk, Rudolf (1941)  : Plauen, Kr. Plauen. In  : Keyser, Erich (Hg.)  : Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte, Bd. 2, S. 186–189. Forkel, Albert (o.J.)  : Aufgaben der Kunstschule für Textilindustrie zu Plauen als Höhere Fachschule für textiles Kunstgewerbe und der Vogtländischen Stickerfachschule zu Plauen als einfache Fachschule. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 56, Blatt 1–2. Forkel, Albert (1914)  : Verfassung, Schulgesetz und Hausordnung der Königl. Sächs. Kunstschule für Textilindustrie zu Plauen. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 57, Blatt 1–35. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Allgemeine Grundsätze des GBA. Das Programm herausgegeben am Geburtstag des Führers 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 27–39. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 1 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über Einsetzung der Gauleiter zu Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz in den Gauen. Vom 6. April 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 69–70. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 4 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über die Anwerbung, Betreuung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Vom 07. Mai 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 79–87. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 6 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über den Einsatz von Arbeitskräften der besetzten Gebiete. Vom 05. Juni 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 91–92. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung Nr. 7 über die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte nach Volkszugehörigkeit. Vom 18. November 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 93–94. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1942)  : Anordnung über die arbeitsrechtliche Behandlung von Arbeitskräften nichtdeutscher und nichtpolnischer Volkszugehörigkeit aus dem Reichskommissariat Ostland mit Ausnahme von Weißruthenien, aus dem Bezirk Białystok und aus dem Generalgouvernement einschließlich des Distrikts Galizien. Vom 28. Dezember 1942. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA, Bd. I, S. 134. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 11 über die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Ostarbeiter sowie die Gewährung von Prämien und Urlaub. Vom 23. Juli 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 103–104.

460 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1943)  : Anordnung Nr. 12 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über Familien- und Urlaubsheimfahrten ausländischer Arbeitskräfte. Vom 2. Oktober 1943. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 105–106. Generalsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (1944)  : Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 25. März 1944. Abgedruckt in  : Handbuch des GBA I, S. 206– 209. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 14/15. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 16. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 17. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 2/3. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 6, 7 und 8. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 9 Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich. Berlin 1944, Hft. 11/12. Gewerbeaufsicht des Reichsarbeitsministeriums (1922)   : Jahresbericht der sächsischen Gewerbe-Aufsichtsbeamten für 1921 nebst Jahresbericht des Bergamtes und der Berginspektionen. Dresden. Gewerbeaufsicht des Reichsarbeitsministeriums (1927)   : Jahresbericht der sächsischen Gewerbe-Aufsichtsbeamten für 1926, Dresden. Gewerkschaftskartell Plauen (1913)  : Die Gewerkschaftsbewegung in Plauen im Vogtland im Jahre 1912. Jahresberichte des Gewerkschaftskartells, des Arbeitersekretariats, des Bildungsausschusses, des Jugendausschusses, des Wirtschaftsausschusses für das Gewerkschaftshaus, der Bürgerrechtskommission und Berichte der Gewerkschaften, Plauen. G. H. (1939)  : Auch jetzt Spitzen und Stickereien. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 29.11.1939. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 102, Blatt 7. Grimm, Otto (1931)  : Kunst und Wissenschaft. Ausstellung von Arbeiten aus den Klassen und Werkstätten der Staatlichen Kunstschule für Textilindustrie. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 24.09.1931. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 66, Blatt 3. Grimm, Otto (1931)  : Vier Jahrzehnte Industrieschule in Plauen. Gedanken und Erinnerungen eines alten Mitarbeiters. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 238 vom 11.10.1931, S.  6. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 70, Blatt 2–3. Grävell, Walter (1920/1921)  : Die Wohnraumzählung vom 30. Mai 1918. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes, 66. und 67. Jg., S. 64–97.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 461

Heinze, Bruno (1942)  : Die Beschäftigung gewerblicher ausländischer Arbeiter. In  : Deutsches Arbeitsrecht, Hft. 10, S. 84–87. Hempel, Albert (1919/1920)  : Die neue Plauener »Zellenspitze«. In  : Sächsische Industrie, Nr. 16, S. 62–64. Himmler, Heinrich (1940)  : Rede vom 29.02.1940. Abgedruckt in  : Smith, Bradley F.; Peterson, Agnes F. (Hg.) (1974)  : Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, Frankfurt a. M., S. 134. Klein, Walter (1943)  : Die Ergebnisse der Volkszählung 1939. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes, 87./88. Jg. 1941/42, Dresden, S. 6. Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1910)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1911, Dresden. Königlich Sächsisches Statistisches Landesamt (1917)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1916/1917, Dresden. Kreisstadt Plauen (1941)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1941, Jg. 45, Plauen. Kreisstadt Plauen (1942/43)  : Adreßbuch der Kreisstadt Plauen i. V., Ausgabe 1942/43, Jg. 46, Plauen. Kuh, Felix (1900)  : Aus der deutschen Spitzenausstellung. In  : Malkowsky, Georg (Hg.)  : Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild, Berlin, S. 73–75. Küppers, Hans  ; Bannier, Rudolf (1942)  : Das Arbeitsrecht der Polen im Deutschen Reich. Private Wirtschaft und Öffentlicher Dienst, Berlin. Küppers, Hans  ; Bannier, Rudolf (1943)  : Einsatzbedingungen der Ostarbeiter sowie der sowjetrussischen Kriegsgefangenen, Berlin. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz in Sachsen. Mitteilungen des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dresden, 20.01.1939, Hft. 1. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz in Sachsen. Mitteilungen des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dresden, 20.02.1939, Hft. 2. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Textilarbeit, Textilwirtschaft in Sachsen. Ein berufs- und wirtschaftskundlicher Grundriß anläßlich der 3. wirtschaftskundlichen Fahrt des Landesarbeitsamtes Sachsen vom 26. bis 30. März 1939, Dresden. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz in Sachsen. Mitteilungen des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dresden, 25.05.1939, Hft. 5. Landesarbeitsamt Sachsen (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz in Sachsen. Mitteilungen des Landesarbeitsamtes Sachsen, Dresden, 20.08.1939, Hft. 8. Lommatzsch, Georg (1901)  : Die Ergebnisse der Arbeiterzählung im Königreiche Sachsen in den Jahren 1883–1900. In  : Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus, 47. Jg., Hft. 3 und 4, S. 103–129. Reichsführers-SS und Chef der deutschen Polizei (1942)  : Allgemeine Bestimmungen über Anwerbung und Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten. Anlage 1 des Runderlasses des Reichsführers-SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, S IV D Nr. 208/42 (ausl. Arb.) vom 20. Februar 1942. In  : Allgemeine Erlaß-Sammlung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Rubrik 2 A III f, S. 24–35, https://www.bundesarchiv.de/ zwangsarbeit/files/rd19-3_erl-osta-kennz-sw.pdf 23.11.2019. Wenjukov, M. (1865)  : Die Besiedlung des nordwestlichen Kaukasus in den drei Epochen seiner Kolonisation durch die Russen 1841, 1860 und 1863. In  : Petermann, A. (Hg.)  : Mittheilun-

462 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

gen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt über wichtige neue Forschungen auf dem Gesammtgebiet der Geographie, Gotha, Bd. 11, S. 417–419. Quecke, Hans (1941)  : Das Reichswirtschaftsministerium. Werdegang und Stand der Wirtschaftsverwaltung, Berlin. Reichsarbeitsblatt  : Reichstarifordnung für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die nicht im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, mit Ausnahme derjenigen, deren Arbeitsbedingungen Gegenstand von Staatsverträgen sind, vom 8. Januar 1940. In  : RABl. Nr. 2, 15.01.1940, Teil IV, S. 38–40. Verordnung zum Einsatz ausländischer Arbeitskräfte  ; hier  : Kosten der Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei Todesfällen, vom 22. Oktober 1940. In  : RABl. Nr. 31, 05.11.1940, Teil I, S. 528–530. Sonderaktion des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zur Hereinholung von Ostarbeiterinnen zugunsten kinderreicher städtischer und ländlicher Haushaltungen. Vom 8. September 1942. In  : RABl. Nr. 27, 25.09.1942, Teil I, S. 411–415. Anwendung des Mutterschutzgesetzes auf Ausländerinnen. Vom 11. Januar 1943. In  : RABl. Nr. 3, 25.01.1943, Teil I, S. 60. Anwendung des Mutterschutzgesetzes auf Ausländerinnen. Vom 30. April 1943. In  : RABl. Nr. 14, 15.05.1943, Teil I, S. 291. Mutterschutz für die außerhalb der Reichsgrenzen beschäftigten deutschen Frauen. In  : RABl. Nr. 33, 25.11.1943, Teil V, S. 546–547. Mutterschutz der Ausländerinnen. In  : RABl. Nr. 5/6, 25.02.1944, Teil V, S. 62. Reichsarbeitsministerium (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Berlin 1942, Hft. 5. Reichsarbeitsministerium (Hg.)  : Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich, Berlin 1942, Hft. 6. Reichsgesetzblatt  : Verordnung über die Abänderung der Verordnung über die Einstellung und Beschäftigung ausländischer Arbeiter. Vom 16. März 1925. In  : RGBl. I, Nr. 10, 20.03.1925, S. 25–26. Zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 5. Juni 1931. In  : RGBl. I, Nr. 22, 06.06.1931, S. 279–314. Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933. In  : RGBl. I, Nr. 29, 02.04.1933, S. 153–154. Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 7. April 1933. In  : RGBl. I, Nr. 33, 07.04.1933, S. 173. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vom 7. April 1933. In  : RGBl. I, Nr. 34, 07.04.1933, S. 175–177. Gesetz über Treuhänder der Arbeit. Vom 19. Mai 1933. In  : RGBl. I, Nr. 52, 20.05.1933, S. 285. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933. In  : RGBl. I, Nr. 86, 25.07.1933, S. 529–531. Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit. Vom 20. Januar 1934. In  : RGBl. I, Nr. 7, 23.01.1934, S. 45–56. Internationale Vereinbarungen über die Behandlung der Kriegsgefangenen. Abkommen vom 29. Juli 1899 und 18. Oktober 1907. Ergänzung durch das Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929. Ratifiziert am 29. März 1934. In  : RGBl. II, 1934, S. 207–257. Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs. Vom 1. August 1934. In  : RGBl. I, Nr. 89, 02.08.1934, S. 747.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 463

Erlaß des Reichskanzlers zum Vollzug des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1. August 1934. Vom 2. August 1934. In  : RGBL. I, Nr. 91, 02.08.1934, S. 751. Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen. In  : RBGl. I, Nr. 137, 29.12.1934, S. 1269–1271. Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht. Vom 16. März 1935. In  : RGBl. I, Nr. 28, 16.03.1935, S. 375. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 26. Juni 1935. In  : RGBl. I, Nr. 65, 27.06.1935, S. 773. Reichsflaggengesetz. Vom 15. September 1935. In RGBl. I, Nr. 100, 16.09.1935, S. 1145. Reichsbürgergesetz. Vom 15. September 1935. In  : RGBl. I, Nr. 100, 16.09.1935, S. 1146. Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. Vom 15. September 1935. In  : RGBl. I, Nr. 100, 16.09.1935, S. 1146–1147. Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz). Vom 18. Oktober 1935. In  : RGBl. I, Nr. 114, 19.10.1935, S. 1246. Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 4. Februar 1936. In  : RGBl. I, Nr. 16, 26.02.1936, S. 119. Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes. Vom 18. Oktober 1936. In  : RGBl. I, Nr. 96, 19.10.1936, S. 887. Gesetz über das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes. Vom 1. Dezember 1936. In. RGBl. I, Nr. 113, 03.12.1936, S. 995. Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung. Vom 22. Juni 1938. In  : RGBl. I, Nr. 96, 23.06.1938, S. 652. Verordnung über die Lohngestaltung. Vom 25. Juni 1938. In  : RGBl. I, Nr. 99, 28.06.1938, S. 691. Ausländerpolizeiverordnung. Vom 22. August 1938. In  : RGBl. I, Nr. 132, 25.08.1938, S. 1053– 1056. Dritte Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (Notdienstverordnung). Vom 15. Oktober 1938. In  : RGBl. I, Nr. 170, 18.10.1938, S. 1441–1442. Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben. Vom 12. November 1938. In  : RGBl. I, Nr. 189, 14.11.1938, S. 1580. Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbetrieben. Vom 12. November 1938. In  : RGBl. I, Nr. 189, 14.11.1938, S. 1581. Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung. Vom 13. Februar 1939. In  : RGBl. I, Nr. 25, 14.02.1939, S. 206–207. Erlaß des Führers und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren. Vom 16. März 1939. In  : RGBl. I, Nr. 47, 16.06.1939, S. 485–488. Kriegswirtschaftsverordnung. Vom 4. September 1939. In  : RGBl. I, Nr. 163, 04.09.1939, S. 1609–1613. Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung im Reich eingesetzter Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums. Vom 8. März 1940. In  : RGBl. I, Nr. 55, 29.03.1940, S. 555– 556. Verordnung über die Erhebung einer Sozialausgleichsabgabe. Vom 5. August 1940. In  : RGBl. I, Nr. 140, 08.08.1940, S. 1077. Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten. Vom 22. Dezember 1941. In  : RGBl. I, Nr. 142, 23.12.1941, S. 777–788.

464 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter. Vom 30. Juni 1942. In  : RGBl. I, Nr. 71, 02.07.1942, S. 419–424. Sechste Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels. Vom 29. September 1942. In  : RGBl. I, Nr. 100, 02.10.1942, S. 565–566. Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung. Vom 16. November 1942. In  : RGBl. I, Nr. 117, 17.11.1942, S. 649–653. Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz). Vom 17. Mai 1942. In  : RGBl. I, Nr. 53, 18.05.1942, S. 321–324. Ausführungsverordnung zum Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz). Vom 17. Mai 1942. In  : RGBl. I, Nr. 53, 18.05.1942, S. 324–328. Verordnung über die Gauarbeitsämter. Vom 27. Juli 1943. In  : RGBl. I, Nr. 72, 31.07.1943, S. 450. Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung der im Reich befindlichen Ostarbeiter und -arbeiterinnen. Vom 19. Juni 1944. In  : RGBl. I, Nr. 30, 08.07.1944, S. 147–148. Verordnung über Aufhebung der arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Sondervorschriften für Ostarbeiter. Vom 13. März 1945. In  : RGBl. I, Nr. 9, 07.04.1945, S. 39–40. Reichsorganisationsleiter der NSDAP (Hg.)  : Parteistatistik der NSDAP. Stand  : 1935. Bd. I  : Parteigenossen. Reichsministerium für Landwirtschaft und Ernährung (Hg.)  : Reichsministerialblatt der Landwirtschaftlichen Verwaltung, Jg. 1944, S. 633–635. Sächsischer Beobachter (1933)  : Der deutschen Mode entgegen. In  : Sächsischer Beobachter, Nr. 207, vom 26.07.1933. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 101, Blatt 2. Sächsisches Statistisches Landesamt (1923)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen, Dresden. Sächsisches Statistisches Landesamt (1927)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1924/1926, Dresden. Sächsisches Statistisches Landesamt (1928)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1927/1928, Dresden. Sächsisches Statistisches Landesamt (1930)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1929, Dresden. Sächsisches Statistisches Landesamt (1931)  : Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Sachsen 1930, Dresden. Sächsisches Statistisches Landesamt (1935)  : Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 1931/1934, Dresden. Schreiben von Otto Scheuch, ohne Datum. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 113, Blatt 1. Schreiben des Wirtschaftsministeriums an das Finanzministerium vom 13. Juni 1933, Betreff W 8  : 2 300. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 80, Blatt 1. Schreiben des Ministers für Wirtschaft an den Herrn Direktor der Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen vom 27.12.1935. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staat-

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 465

liche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 104, Blatt 1. Schuster, Horst (1937)  : Plauen als Standort der Textilindustrie, Plauen. Schütte, Marie (1920)  : Die Spitzenkünstlergruppe Plauen i. V. und die neue Maschinenspitze. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 08.04.1920. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 3, Dokumentation 31, Blatt 1. Städtisches Verkehrsamt und Verkehrsverein Plauen (1935)  : Plauen. Ein Wegweiser durch die Stadt und ihre Umgebung, Plauen. Statistisches Bureau des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern (1887)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1887, Dresden. Statistisches Bureau des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern (1901)  : Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1901, Dresden. Stothfang, Walter (1944)  : Zur Geschichte der Arbeitseinsatz- und Reichstreuhänderverwaltung. In  : Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz (Hg.)  : Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten, Bd. I, S. 15–18. Timm  ; Heimbürge (1942)  : Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland. Sonderveröffentlichung des Reichsarbeitsblattes, Berlin. U.S. Strategic Bombing Survey (Hg.)  : Motor Vehicles and Tanks, Plant Report No. 9  : Voigtländische Maschinenfarbrik AG, Plauen, erstellt am 08./09.06.1945. U.S. Stategic Bombing Survey (Hg.)  : Tank Industry Report, Second Edition January 1947, http://www.angelfire.com/super/ussbs/tankrep.html 24.10.2016. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1901)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1899 und 1900, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1904)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1901 und 1902, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1906)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1903 und 1904, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1909)  : Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i. V. auf die Jahre 1905, 1906 und 1907, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1925)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1928)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1914 bis 1923. Bd. 1, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1931)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1924 bis 1928, Plauen. Verwaltung der Kreisstadt Plauen (1937)  : Verwaltungsbericht der Kreisstadt Plauen auf die Jahre 1931, 1932 und das Jahr der nationalsozialistischen Revolution 1933, Plauen. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1910)  : Die Frauenabteilung der Kgl. Kunstschule. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 296 vom 22.12.1910, S.  18. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie PlauenVogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 4, Dokumentation 50, Blatt 2.

466 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1922)  : Widerliche Auftritte anläßlich einer Gründungsversammlung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 122 vom 27.05.1922. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1933)  : Die Kunstschule im Spiegel völkischer Kritik. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, vom 10.06.1933. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 100, S. 78–82. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1933)  : Aufgaben des deutschen Modeamtes. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 06.07.1933. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 101, Blatt 1. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1939)  : Die Modeschule Plauen. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 60. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 102, Blatt 2. Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt (1935)  : Sachsen als Textil-Standort. Hoher Anteil der Gardinen- und Spitzen-Fabrikation. In  : Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Nr. 152, vom 03.07.1935. Abgedruckt in  : Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Bd. 5, Dokumentation 108, Blatt 1. Volkszeitung für das Vogtland (1922)  : Knüppel-Kunze holt sich eine Abreibung in Plauen. In  : Volkszeitung für das Vogtland vom 22.05.1922. Abgedruckt in  : Naumann, Gerd (1995)  : Krise und politische Radikalisierung. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 27. Weinlig (1860)  : Zur Statistik der Handwerke in Sachsen. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 6. Jg., Hft. 9 und 10, S. 112. Weinlig (1863)  : Die Bevölkerung des Königreichs Sachsen nach ihrer Beschäftigung und ihrem Erwerbe. In  : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, 9. Jg., Hft. 5 und 6, S. 86–87. Zeichart, Emil (1921)  : Die Wahlen vom 19. Januar und 2. Februar 1919 und vom 6. Juni und 14. November 1920. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1920 und 1921, Jg. 66 und 67, S. 328–442. Zeichart, Emil (1924)  : Das Volksbegehren auf Auflösung des Landtages im Juni 1922 und die Neuwahlen vom 5. November 1922 nebst einer Untersuchung über die Wirkung des Frauenwahlrechts. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1923, Jg. 69, S. 180–185. Zeichart, Emil (1926)  : Die Gemeindewahlen vom 13. Januar 1924. In  : Zeitschrift des Sächsischen Statistischen Landesamtes 1924 und 1925, Jg. 70 und 71, S. 33–48. Quelleneditionen Boberach, Heinz (1984)  : Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938–1945, Bd. 3, Herrsching  :

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 467

Meldungen aus dem Reich (Nr. 18), 20.11.1939, S. 475–481. Meldungen aus dem Reich (Nr. 50), 07.02.1940, S. 731–739. Hubatsch, Walther (1962)  : Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939–1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, Frankfurt a. M.: Weisung Nr. 21 des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht Adolf Hitler an OKW vom 18.12.1940. Abgedruckt in  : Hubatsch (1962)  : Hitlers Weisungen, S. 84–88. Weisung Nr. 39 des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht Adolf Hitler an OKW vom 08.12.1941. Abgedruckt in  : Hubatsch (1962)  : Hitlers Weisungen, S. 171–174. Moll, Martin (1997)  : »Führer-Erlasse« 1939–1945. Edition sämtlicher überlieferter, nicht im Reichgesetzblatt abgedruckter, von Hitler während des Zweiten Weltkrieges erteilter Direktiven aus den Bereichen Staat, Partei, Wirtschaft, Besatzungspolitik und Militärverwaltung, Stuttgart  : Befehl des Führers und des Oberbefehlshabers der Wehrmacht vom 13. Juli 1941. Betreff  : Panzer-Programm im Rahmen der Umrüstung des Heeres Abgedruckt in  : Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, Dokumentation 97, S. 181–183. Befehl des Führers vom 24.12.1941. Betreff  : Zurverfügungstellung sowjetischer Kriegsgefangener für die Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Abgedruckt in  : Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, Dokumentation 126, S. 214–215. Befehl des Führers und des Oberbefehlshaber der Wehrmacht vom 10.01.1942. Betreff  : Rüstung 1942. Abgedruckt in  : Moll (1997)  : »Führer-Erlasse«, Dokumentation 131, S. 219–221. Literaturverzeichnis Abels, Heinz (2009)  : Einführung in die Soziologie. Band 2  : Die Individuen in ihrer Gesellschaft, Wiesbaden. Aly, Götz  ; Heim, Susanne (1991)  : Deutsche Herrschaft im »Osten«  : Bevölkerungspolitik und Völkermord. In  : Jahn, Peter  ; Rürup, Reinhard (Hg.)  : Erobern und Vernichten. Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945, Berlin, S. 84–105. Bähr, Johannes  ; Erker, Paul (2013)  : Bosch. Geschichte eines Weltunternehmens, München. Bartosz, Julian (1969)  : Ludzie ze znakiem P [Menschen mit dem Zeichen P], Warschau. Bauer, Yehuda (1989)  : The Death Marches January–May 1945. In  : Marrus, Michael Robert (Hg.)  : The Nazi Holocaust. Historical Articles on the Destruction of European Jews, Berlin, Bd. 9, S. 491–511. Benz, Wolfgang (1968)  : Vom Freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht. In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Hft. 4, S. 317–346 Benz, Wolfgang (2002)  : Art. Novemberpogrome. In  : ders. (Hg.)  : Lexikon des Holocaust, München, S. 162–163. Benz, Wolfgang (2005)  : Nationalsozialistische Zwangslager. Ein Überblick. In  : Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 1 Die Organisation des Terrors, München, S. 11–29. Bettelheim, Charles (1974)  : Die deutsche Wirtschaft unter dem Nationalsozialismus. München. Bischof, Günter  ; Karner, Stefan  ; Stelzl-Marx, Barbara (Hg.) (2005)  : Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges. Gefangennahme – Lagerleben – Rückkehr, München, Wien.

468 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Boberach, Heinz (2007)  : Geheime Staatspolizei (Gestapo). In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 528–529. Boelcke, Willi A. (Hg.) (1969)  : Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942–1945, Frankfurt a. M. Bories-Sawala, Helga (1996)  : Franzosen im »Reichseinsatz«. Deportation, Zwangsarbeit, Alltag, Frankfurt a. M. Borowsky, Peter  ; Vogel, Barbara  ; Wunder, Heide (1989)  : Einführung in die Geschichtswissenschaft I. Grundprobleme, Arbeitsorganisation, Hilfsmittel, Opladen. Bräuer, Helmut  ; Richter, Gert (1988)  : Karl-Marx-Stadt, Berlin. Brenner, Hans (1979)  : Zur Frage der Ausbeutung von KZ-Häftlingen durch den Osram-Konzern 1944/1945. In  : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Hft. 10, S. 952–965. Brenner, Hans (1998)  : Erinnerungen an Flucht und ständige Angst vor Faschisten. Die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen aus acht Nationen bei Osram und Vomag (Teil 2 und Schluß) – Hunderte Frauen und Mädchen. In  : Freie Presse Plauen, 03./04.01.1998. Broszat, Martin (1961)  : Nationalsozialistische Polenpolitik. 1939–1945, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Nr. 2, Stuttgart. Broszat, Martin (1982)  : Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933–1945. In  : ders.; Buchheim, Hans  ; Jacobsen, Hans-Adolf  ; Krausnick, Helmut (Hg.)  : Anatomie des SS-Staates, Bd. 2, S. 11–133. Brüchert, Hedwig (2011)  : Ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Osthofen während des Zweiten Weltkrieges, Worms. Brühl, R.; Charisius, A. et al. (1985)  : Art. Konskription. In  : Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 1, Berlin, S. 392–393. Bundesarchiv (2010)  : Freiwillige Zwangsarbeit  ? Die Expansion nach Westen, http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/auslaendisch/freiwillige/index.html 16.12.2015. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2013)  : Laufende Stadtbeobachtung  – Raumabgrenzungen, https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Stadtentwicklung/StadtentwicklungDeutschland/staedte-gemeinden/staedte-gemeinden-node.html 23.11.2019. Bundeszentrale für politische Bildung (2012)  : Nationalsozialismus  : Krieg und Holocaust. Informationen zur politischen Bildung, Hft. 316, http://www.bpb.de/izpb/159818/karten 26.10.2016. Büttner, Wolfgang (1994)  : Der Weberaufstand. In  : Zeit Online, 03.06.1994, http://www.zeit. de/1994/23/der-weberaufstand 15.09.2016. Curio, Claudia (2007)  : Arier, Arisch. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 414. Cziborra, Pascal (2012)  : KZ Mehltheuer. Lippenstift statt Lebensmittel, Bielefeld. Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert W.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.) (2006)  : »Schlagen gut ein und leisten Befriedigendes«. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Bonn 1940–1945, Bonn. Demps, Laurenz (1978)  : Die Ausbeutung von KZ-Häftlingen durch den Osram-Konzern 1944/45. In  : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Hft. 5, S. 416–437. Dietz, Wolfgang  ; Schaaf, Michael  ; Sonnabend, Holger et al. (2003)  : Art. Industrielle Revolution. In  : Der Brockhaus  : Geschichte. Personen, Daten, Hintergründe, Mannheim, S. 389–390. Dietz, Wolfgang  ; Schaaf, Michael  ; Sonnabend, Holger et al. (2003)  : Art. Soziale Frage. In  : Der Brockhaus  : Geschichte. Personen, Daten, Hintergründe, Mannheim, S. 823–824.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 469

Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit (2019)  : Fritz Sauckel (1894–1946) https://www. dz-ns-zwangsarbeit.de/alltag-zwangsarbeit-1938-1945/materialien/biografien/fritz-sauckel/ 03.03.2019. Dornheim, Andreas (2015)  : Sachs. Mobilität und Motorisierung, Hamburg. Ebner, Jakob (2015)  : Art. Dreher. In  : ders. (Hg.)  : Wörterbuch historischer Berufsbezeichnungen, Berlin, S. 156–157. Eichholtz, Diedrich (1999)  : Unfreie Arbeit – Zwangsarbeit. In  : ders. (Hg.)  : Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939–1945, Berlin, S. 129–155. Eichholtz, Dietrich (2000)  : Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft (unter besonderer Berücksichtigung der Rüstungsindustrie). In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NSZwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 10–40. Eichholtz, Dietrich (2003)  : Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945. Bd. I 1939– 1941, München. Eichholtz, Dietrich (2007)  : Eisernes Sparen. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 488–489. Engelbrecht, Peter (2003)  : »Rassisch minderwertiger Nachwuchs«. Abtreibungen an Zwangsarbeiterinnen in Oberfranken 1943–1945. In  : Geschichte quer, Hft. 3, S. 36–38. Engeli, Jacques (2006)  : Frankreich 1940. Wege in die Niederlage, Baden. Erhardt, Willy (1995)  : Das Glück auf der Nadelspitze. Vom Schicksalsweg der vogtländischen Stickereiindustrie, Plauen. Fings, Karola (2000)  : Kommunen und Zwangsarbeit. In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 108–129. Finn, Wolfgang (2007)  : Vom Zunderschwamm zum Zündholz. Zur Entwicklung der Zündholzindustrie in Neustadt/Rennsteig im 19. Jahrhundert. In  : Braune, Gudrun  ; Fauser, Peter (Hg.)  : Handwerk, Hausgewerbe, Industrie. Beiträge zur historischen Arbeitswelt in Thüringen. Thüringer Hefte für Volkskunde, Bd. 14, Erfurt, S. 51–87. Fischer, Cornelia  ; Fischer, Thomas (1991)  : Die Entwicklung der psychiatrischen Betreuungspraxis in Plauen unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1933–1945, Leipzig. Flämig, Rüdiger (1994)  : Die Staatliche Kunst- und Fachschule für Textilindustrie Plauen-Vogtland in ihrer regionalen und nationalen Bedeutung bis zu ihrer Zerstörung, Leipzig. Förster, Jürgen (2004)  : Geistige Kriegsführung in Deutschland 1919 bis 1945. In  : Echternkamp, Jörg (Hg.)  : Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Erster Halbband  : Politisierung, Vernichtung, Überleben, München, S. 469–640. Frank, Claudia (1988)  : Der »Reichsnährstand« und seine Ursprünge. Struktur, Funktion und ideologische Konzeption, Hamburg. Frankenstein, Roger (1981)  : Die deutschen Arbeitskräfteaushebungen in Frankreich und die Zusammenarbeit der französischen Unternehmen mit der Besatzungsmacht, 1940–1944. In  : Długoborski, Waclaw (Hg.)  : Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel. Achsenmächte und besetzte Länder, Göttingen, S. 211–223. Frei, Norbert  ; Ahrens, Ralf  ; Osterloh, Jörg  ; Schanetzky, Tim (2011)  : Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht, München. Fried, John E. (1945)  : The Exploitation of Foreign Labor by Germany, Montreal. Frieser, Karl-Heinz (1996)  : Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940, München. Fritz, Ulrich (2007)  : Plauen (Dr. Th. Horn). In  : Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Flossenbürg. Das Konzentrationslager und seine Außenlager, München, S. 227–228.

470 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Gehrig, Astrid (1996)  : Nationalsozialistische Rüstungspolitik und unternehmerischer Entscheidungsspielraum. Vergleichende Fallstudien zur württembergischem Maschinenbauindustrie, München. Geotechnik Hundhausen (2000)  : Politprojekt Historische Erkundung VOMAG Plauen. Weiterführung der Historischen Erkundung des ehemaligen VOMAG-Geländes in Plauen, Ditzingen. Glauning, Christine  ; Nachama, Andreas (Hg.) (2016)  : Zwischen allen Stühlen. Die Geschichte der italienischen Militärinternierten 1943–1945, Berlin. Glier, Erich (1932)  : Die sächsische Spitzen- und Stickereiindustrie seit 1914. Niedergang und Existenzkampf einer deutschen Mode- und Exportindustrie, Plauen. Goschler, Constantin (2012)   : Die Auseinandersetzung um Anerkennung und Entschädigung der Zwangsarbeiter. In  : Knigge, Volkhard (Hg.)  : Zwangsarbeit  : Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Begleitband zur Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Essen, S. 234–245. Götze, Kurt (1940)  : Kunstseide und Zellwolle nach dem Viskose-Verfahren, Berlin. Grieger, Manfred (2010)  : Industrie und NS-Zwangsarbeitssystem. Eine Zwischenbilanz. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 87–101. Grosche, Günter (1965)  : Die Stadt Zwickau in Sachsen. Wirtschaftliche Entwicklung und städtisches Wachstum in Vergangenheit und Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Struktur und Standortdynamik der Industrie, Potsdam. Guillet, Laurent (2014)  : Le plus long jeu de piste historique du monde. Il s’appelait Joseph, Limerzel. Hachtmann, Rüdiger (2012)  : Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront. 1933– 1945, Göttingen. Hasse, Stephan (2008)  : Art. Erosion. In  : Gießerei-Lexikon, Berlin, S. 340–341. Herbert, Ulrich (1998)  : Statistische Tabellen zur Zwangsarbeit im »Dritten Reich«. In  : Barwig, Klaus  ; Saathoff, Günter  ; Weyde, Nicole (Hg.)  : Entschädigung für NS-Zwangsarbeit. Rechtliche, historische und politische Aspekte, Baden-Baden, S. 337–340. Herbert, Ulrich (1999)  : Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn. Herbert, Ulrich (2001)  : Stellungnahme zur Frage der Entschädigung der Italienischen Militärinternierten, die in den Status von zivilen Zwangsarbeitern überführt wurden, Freiburg, https://www.zum.de/Faecher/Materialien/lehmann/files/imi/Herbert%20IMI%20 Entsch%C3%A4digung.pdf 09.11.2019. Hernla, Werner (2001)  : Die »Holzmühle« im Syratal – ein Idyll  ? In  : Das Vogtland-Jahrbuch. Durch Land und Zeit. Ein Streifzug durch Geschichte und Gegenwart der vogtländischen Region, 18. Jg., S. 123–126. Hildt, Julia (2010)  : Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion in Bonn. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 193–214. Hockert, Franziska (2012)  : Zwangsarbeit bei der Auto Union. Eine Fallstudie der Werke Audi und Horch in Zwickau, Hamburg.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 471

Hoffmann, Katharina (2000)  : Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 130–147. Homze, Edward L. (1967)  : Foreign Labor in Nazi Germany, Princeton. Hopmann, Barbara  ; Spoerer, Mark  ; Weitz, Birgit  ; Brüninghaus, Beate (1994)  : Zwangsarbeit bei Daimler-Benz. In  : Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 78, Stuttgart. Hubert, Peter (1992)  : Uniformierter Reichstag. Die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933–1945, Düsseldorf. Hücker, Franz-Josef (2016)  : Verlegt an einen unbekannten Ort. Euthanasieverbrechen unterm Hakenkreuz. In  : Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Hg)  : Nassauische Annalen, Jg. 127, Wiesbaden, S. 259–276. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (2019)  : KMU-Definition des IfM Bonn. https://www. ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-des-ifm-bonn/ 23.11.2019. Internationale Arbeitsorganisation ILO-Berlin  : Die ILO und Deutschland. https://www.ilo. org/berlin/ILO-und-Deutschland/lang--de/index.htm 23.11.2019. Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Das nationalsozialistische Deutschland und die Juden 1933–1939. 1938  – »Das schicksalhafte Jahr«. http://www.yadvashem. org/yv/de/holocaust/about/01/crucial_year.asp 15.08.2016. Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem (2016)  : Lexikon des Holocaust, http:// www.yadvashem.org/yv/de/holocaust/lexicon.asp 15.08.2016. International Labour Organization  : International Labour Office. http://www.ilo.org/global/ about-the-ilo/who-we-are/international-labour-office/lang--en/index.htm 26.08.2016. International Tracing Service (2017)  : Vom Hilfsmittel zum Weltdokumentenerbe, https://www. its-arolsen.org/archiv/sammlung/ 13.01.2017. International Tracing Service des Comité International de la Croix-Rouge (1969)  : Vorläufiges Verzeichnis der Konzentrationslager und deren Außenkommandos sowie anderer Haftstätten unter dem Reichsführer-SS in Deutschland und deutsch besetzten Gebieten (1933– 1945), Bad Arolsen. Interview mit Ulrich Herbert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 04.07.2005. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/interview-wer-sprach-vom-fremdarbeiter-1255581.html 17.07.2016. Jeffreys, Diarmuid (2011)  : Weltkonzern und Kriegskartell. Das zerstörerische Werk der IG Farben, München. Jensen, Uffa (2007)  : Reichsnährstand. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 750. Jersak, Tobias (2004)  : Entscheidungen zu Mord und Lüge. Die deutsche Kriegsgesellschaft und der Holocaust. In  : Echternkamp, Jörg (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 9  : Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Erster Halbband  : Politisierung, Vernichtung, Überlegen, München, S. 273–355. Jordan, Stefan (2013)  : Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft. Paderborn. Kanther, Michael (2004)  : Zwangsarbeit in Duisburg 1940–1945. Duisburger Forschungen, Bd. 49, Duisburg. Karlsch, Rainer  ; Schäfer, Michael (2006)  : Wirtschaftsgeschichte Sachsens im Industriezeitalter, Leipzig. Keil, Lars-Broder  ; Kellerhoff, Sven Felix (2003)  : Deutsche Legenden. Vom »Dolchstoß« und anderen Mythen der Geschichte, Berlin.

472 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Kiesewetter, Hubert (2007)  : Die Industrialisierung Sachsens. Ein regional-vergleichendes Erklärungsmodell, Stuttgart. Kißener, Michael (2005)  : Das Dritte Reich, Darmstadt. Kocka, Jürgen  ; Siegrist, Hannes (1979)  : Die hundert größten deutschen Industrieunternehmen im späten 19. und frühen 20.  Jahrhundert. Expansion, Diversifikation und Integration im internationalen Vergleich. In  : Horn, Norbert  ; Kocka, Jürgen (Hg.)  : Recht und Entwicklung der Großunternehmen im 19. und 20. Jahrhundert. Wirtschafts-, sozial- und rechtshistorische Untersuchungen zur Industrialisierung in Deutschland, Frankreich, England und den USA. Göttingen, S. 55–117. Kogon, Eugen (2003)  : Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München. Körner, Gerhard (1981)  : Mahn- und Gedenkstätten des antifaschistischen Widerstandskampfes in den Kreisen Plauen-Oelsnitz-Klingenthal, Plauen. Kotowski, Albert S.  (2010)  : Die Rekrutierung der Zwangsarbeiter im besetzten Polen. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 19–32. Kroener, Bernhard R. (1988)  : Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen Wehrmacht, Bürokratie und Kriegswirtschaft 1939–1942. In  : ders.; Müller, Rolf-Dieter  ; Umbreit, Hans (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 5  : Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereiches. Erster Halbband  : Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen, Stuttgart, S. 693–989. Kukowski, Martin  ; Boch, Rudolf (2014)  : Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart. Laser, Rudolf (1995)  : 1944/45. Plauen  : Eine Stadt wird zerstört, Plauen. Leh, Almut (2013)  : Interviews in 27 Ländern. Die Entstehung einer Sammlung. In  : Apostolopoulos, Nicolas  ; Pagenstecher, Cord (Hg.)  : Erinnern an Zwangsarbeit. Zeitzeugen-Interviews in der digitalen Welt, Berlin, S. 97–109. Lenzen, Manuela (2015)  : Was ist Sozialdarwinismus  ? Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/214188/was-ist-sozialdarwinis mus 12.07.2016. Lexikon der Ernährung (2001)  : Protein-Energie-Mangelsyndrome, https://www.spektrum.de/ lexikon/ernaehrung/protein-energie-mangelsyndrome/7272 23.11.2019. Lotfi, Gabriele (2000)  : KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart/ München. Łuczak, Czesław (1974)  : Polscy robotnicy przymusowi w Trzeciej Rzeszy podczas II wojny światowej [Polnische Zwangsarbeiter im Dritten Reich während des Zweiten Weltkrieges], Posen. Madajczk, Czesław (1988)  : Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939–1945, Köln. May, Herbert (Hg.) (2008)  : Zwangsarbeit im ländlichen Franken 1939–1945. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Bad Windsheim. Meyer, Winfried (Hg.) (2001)  : Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg. Formen, Funktion, Rezeption, Potsdam. Mommsen, Hans (1999)  : Der Mythos von der Modernität. Zur Entwicklung der Rüstungsindustrie im Dritten Reich, Essen.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 473

Mommsen, Hans (2000)  : Vorwort. In  : Lotfi, Gabriele (Hg.)  : KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart/München, S. 7–10. Mommsen, Hans  ; Grieger, Manfred (1996)  : Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf. Moritz, Horst (2007)  : Das Erfurter Handwerk in der Industrialisierung (1948–1914). Ein Überblick. In  : Braune, Gudrun  ; Fauser, Peter (Hg.)  : Handwerk, Hausgewerbe, Industrie. Beiträge zur historischen Arbeitswelt in Thüringen. Thüringer Hefte für Volkskunde, Bd. 14, Erfurt, S. 17–50. Moritz, Horst (2007)  : Zwischen Tradition und Wandel. Das Handwerk in der Industrialisierung (1850–1914). Ein Literaturbericht. In  : Braune, Gudrun  ; Fauser, Peter (Hg.)  : Handwerk, Hausgewerbe, Industrie. Beiträge zur historischen Arbeitswelt in Thüringen. Thüringer Hefte für Volkskunde, Bd. 14, Erfurt, S. 7–16. Müller, Rolf-Dieter (1999)  : Albert Speer und die Rüstungspolitik im totalen Krieg. In  : Kroener, Bernhard R.; Müller, Rolf-Dieter  ; Umbreit, Hans (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 5  : Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs, Zweiter Halbband  : Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942–1944/45, Stuttgart, S. 273–773. Naasner, Walter (Hg.) (1998)  : SS-Wirtschaft und SS-Verwaltung. »Das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt und die unter seiner Dienstaufsicht stehenden wirtschaftlichen Unternehmungen« und weitere Dokumente, Düsseldorf. Naumann, Gerd (1995)  : Daten zur Geschichte der NSDAP in der Stadt Plauen. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 101–105. Naumann, Gerd (1995)  : Die Entwicklung der Bevölkerungszahl der Stadt Plauen von 1871– 1946. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 96. Naumann, Gerd (1995)  : Die Wirtschaft Plauens zwischen 1933 und 1939. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 70–94. Naumann, Gerd (1995)  : »Eine Hochburg des Nationalsozialismus, die an der Spitze aller Großstädte marschiert«. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 7–8. Naumann, Gerd (1995)  : Hürden und Grenzen im Ringen um ein Stück vom kleiner gewordenen Kuchen. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 13–20. Naumann, Gerd (1995)  : Krise und politische Radikalisierung. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 21–42. Naumann, Gerd (1995)  : Plauen 1933–1945. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 42–69. Naumann, Gerd (1995)  : Ursachen und Gründe. In  : Röder, Curt (Hg.)  : Plauen i. V.: 1933–1945, Plauen, S. 8–12. Naumann, Gerd (2007)  : Plauen im Bombenkrieg. In  : Unger, Brigitte  ; Pöllmann, Werner et al. (Hg.)  : Der Vogtlandatlas. Regionalatlas zur Natur, Geschichte, Bevölkerung, Wirtschaft und Kultur des Sächsischen Vogtlandes, Chemnitz, S. 50–52. Naumann, Gerd (2008)  : Die näheren Umstände des Todes der Plauener Arbeiter Kurt Hummel und Martin Groh im Jahre 1930. In  : Verein für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde (Hg.)  : Mitteilungen des Vereins für vogtländische Geschichte, Volks- und Landeskunde, Jg. 14, Plauen, S. 42–64. Naumann, Gerd (2011)  : Plauen im Bombenkrieg 1944/1945, Plauen.

474 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Neumann, Franz (1977)  : Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus, Köln, Frankfurt a. M., erste Neuausgabe. Neumann, Franz (2018)  : Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933–1944, Hamburg, zweite Auflage der Neuausgabe. Niethammer, Lutz (1980)  : Einführung. In  : Niethammer, Lutz (Hg.)  : Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der »Oral History«, Frankfurt a. M. Nipperdey, Thomas (1993)  : Deutsche Geschichte 1866–1918. Arbeitswelt und Bürgertum, Bd. 1, München. Oltmer, Jochen (Hg.) (2006)  : Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs. Paderborn, München u. a. Online-Redaktion des Vogtland-Anzeigers (2014)  : Neoplan bleibt erhalten, doch Bus-Bau ist Geschichte. https://www.vogtland-anzeiger.de/vogtland/neoplan-bleibt-erhalten-doch-busbau-ist-geschichte-artikel10386088 23.11.2019. Orth, Karin (1999)  : Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte, Hamburg. Papendieck, Axel Joachim (2010)  : Praktische Organisation. Wie wird die Arbeit richtig geteilt  ? Berlin. Pätzold, Kurt  ; Weißbecker, Manfred (2002)  : Geschichte der NSDAP. 1920–1945, Köln. Pfahlmann, Hans (1968)  : Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft. 1939–1945, Darmstadt. Pingel, Falk (1978)  : Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im Konzentrationslager, Hamburg. Potthoff, Heinrich (1991)  : Die Sozialdemokratie von den Anfängen bis 1945. In  : ders.; Miller, Susanne (Hg.)  : Kleine Geschichte der SPD. Darstellung und Dokumentation 1948–1990, Bonn, S. 13–174. Renner-Palat, Andrea (2010)  : Die rechtliche Lage und die strafrechtliche Behandlung der polnischen Zwangsarbeiter im Dritten Reich 1939–1945. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 33–62. Rieß, Volker (2007)  : Reichssicherheitsdienst (RSD). In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 756. Robert-Koch-Institut (2015)   : Art. Tuberkulose. In   : RKI  – Ratgeber für Ärzte, http:// www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tuberkulose. html#doc2374486bodyText5 30.11.2016. Robert-Koch-Institut (2019)  : Art. Typhus abdominlias, Paratyphus. In  : RKI  – Ratgeber für Ärzte, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Typhus_ Paratyphus.html 23.11.2019. Robert-Koch-Institut (2016)  : Art. Skabies (Krätze). In  : RKI – Ratgeber für Ärzte, http://www.rki. de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Skabies.html#doc2374546body Text13 27.01.2017. Röder, Curt (1998)  : Plauen 1945 … und die schweren Nachkriegsjahre, Plauen. Rössler, Mechtild (Hg.) (1993)  : Der »Generalplan Ost«. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik, Berlin.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 475

Rusiński, Władysław (1949/1955)  : Położenie robotników polskich w czasie wojny 1939–1945 [Die Situation der polnischen Arbeiter in der Zeit des Krieges 1939–1945]. 2 Bde., Posen. Sächsischer Landtag (o.J.)  : Freistaat Sachsen https://www.landtag.sachsen.de/de/landtag/sachsen-europa/freistaat-sachsen-235.cshtml 28.02.2019. Schaible, Sylvia (2001)  : »Zweckentsprechende, mit Stacheldraht versehene Umzäunungen«. Zwangsarbeit in Bamberg. In  : Geschichte quer, Hft. 9, S. 29–31. Schaller, Karlheinz (2003)  : »Radikalisierung aus Verzweiflung«. Geschichte der Chemnitzer Arbeiterschaft vom Ersten Weltkrieg bis zur Inflation (1914 bis 1923), Bielefeld. Schiller, Thomas (1997)  : NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«. Lagerzeitungen für Fremdarbeiter im Zweiten Weltkrieg  : Entstehung, Funktion, Rezeption und Bibliographie, Hamburg. Schilling, Heinz (2003)  : Kleinbürger. Mentalität und Lebensstil, Frankfurt a. M. Schmeitzner, Mike (2015)  : Konsequente Abrechnung  ? NS-Eliten im Visier sowjetischer Gerichte 1945–1947. In  : ders.; Weigelt, Andreas  ; Müller, Klaus-Dieter  ; Schaarschmidt, Thomas (Hg.)  : Todesurteile sowjetischer Gerichte gegen Deutsche (1944–1947). Eine historisch-biographische Studie, Göttingen, S. 63–102. Schmidt, Hannes (1988)  : Zur Geschichte der Israelischen Religionsgemeinde Plauen i. V. Plauen. Schmitz-Berning, Cornelia (1998)  : Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin. Schmolling, Rolf (2007)  : Plauen (Baumwollspinnerei und Industriewerke AG. In  : Benz, Wolfgang  ; Distel, Barbara (Hg.)  : Flossenbürg. Das Konzentrationslager und seine Außenlager, München, S. 223–225. Schneider, Michael (1999)  : Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn. Scholtyseck, Joachim (2010)  : Einleitung. In  : ders.; Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuer Untersuchungen, Essen, S. 7–18. Scholtyseck, Joachim (2010)  : Fremdarbeiter aus westeuropäischen Ländern in Bonn im Zweiten Weltkrieg. In  : ders.; Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuer Untersuchungen, Essen, S. 145–172. Scholtyseck, Joachim (2011)  : Aufstieg der Quandts. Eine deutsche Unternehmerdynastie, Mün­chen. Schramm, Manuel (2001)  : Konsum und regionale Identität. Die Regionalisierung von Konsumgütern im Spannungsfeld von Nationalisierung und Globalisierung, Stuttgart. Schreiber, Gerhard (1990)  : Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943–1945. Verraten – verachtet – vergessen, München. Schreiber, Waltraud (2009)  : Zeitzeugengespräche führen und auswerten. In  : Schreiber, Waltraud  ; Árkossy, Katalin (Hg.)  : Zeitzeugengespräche führen und auswerten. Historische Kompetenz schulen, Neuried. Schröder, Joachim (2010)  : Stadtverwaltung und NS-Zwangsarbeit. Das Beispiel Düsseldorf. In  : Dahlmann, Dittmar  ; Kotowski, Albert S.; Schloßmacher, Norbert  ; Scholtyseck, Joachim (Hg.)  : Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, Essen, S. 117–134. Schulte, Jan Erik (2000)  : Das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt  – Zentrale der Zwangs-

476 | 

Quellen- und Literaturverzeichnis

arbeit von KZ-Häftlingen. In  : Winkler, Ulrike (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 85–107. Schumann, Silke (2002)  : Zivile ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der Region Chemnitz. Zu den quantitativen Dimensionen des nationalsozialistischen Zwangsarbeitereinsatzes. In  : Sächsisches Staatsministerium des Innern (Hg.)  : Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939–1945. Beiträge eines Kolloquiums in Chemnitz am 16. April 2002, Halle/ Saale, S. 49–56. Seeber, Eva (1964)  : Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft. Die Deportation und Ausbeutung polnischer Bürger unter besonderer Berücksichtigung der Lage der Arbeiter aus dem sogenannten Generalgouvernement (1939–1945), Berlin. Seidel, Hans-Christoph (2010)  : Der Ruhrbergbau im Zweiten Weltkrieg. Zechen – Bergarbeiter – Zwangsarbeiter, Essen. Seidler, Franz W. (1998)  : Die Organisation Todt. Bauen für den Staat 1938–1945, Bonn. Singer, Hedwig (1998)  : Entwicklung und Einsatz der Organisation Todt (OT), Osnabrück. Spoerer, Mark (2001)  : NS-Zwangsarbeiter im Deutschen Reich. Eine Statistik vom 30. September 1944 nach Arbeitsamtsbezirken. In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 49. Jg., Hft. 4, S. 665–684. Spoerer, Mark (2001)   : Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939–1945, Stuttgart/München. Spoerer, Mark (2002)  : Zwangsarbeit im Dritten Reich und Entschädigung. Verlauf und Ergebnisse einer wissenschaftlichen und politischen Diskussion. In  : Sächsisches Staatsarchiv Leipzig (Hg.)  : Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939–1945. Beiträge eines Kolloquiums in Chemnitz am 16. April 2002, Halle/Saale, Dresden, S. 89–106. Staatsministerium für Kultus des Landes Sachsen (2017)  : PEGASUS  – Schulen adoptieren Denkmale. http://www.schule.sachsen.de/pegasus/index.htm 25.09.2017. Steinbacher, Sybille (2000)  : »Musterstadt« Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien, München. Suhr, Christian (1997)  : Die Entwicklung der Vogtländischen Maschinenfabrik AG Plauen zum Großunternehmen und ihre verschiedenen Produktionszweige. In  : Verein zur Förderung des Plauener Spitzenmuseums e.V. (Hg.)  : Mitteilungen des Vereins zur Förderung des Plauener Spitzenmuseums e.V. Jahresschrift für das Jahr 1997, Plauen, S. 20–24. Szurgacz, Herbert (1971)  : Przymusowe zatrudnienie Polaków przez hitlerowkiego okupanta w latach 1939–1945 [Zwangsbeschäftigung von Polen durch die nationalsozialistischen Besatzer in den Jahren 1939–1945], Warschau. Thamer, Hans-Ullrich (2005)  : Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz. Bundeszentrale für politische Bidung, http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39551/wirtschaft-und-gesellschaft  ?p=all 18.12.2017. Tzani, Fotini (2001)  : Zwischen Karrierismus und Widerspenstigkeit. SS-Aufseherinnen im KZ-Alltag, Bielefeld. Umbreit, Hans (1999)  : Erster Teil  : Die Deutsche Herrschaft in den besetzten Gebieten 1942– 1945. In  : ders.; Kröner, Bernhard R  ; Müller, Rolf-Dieter (1999)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 5  : Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs, Zweiter Halbband  : Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942–1944/45, Stuttgart, S. 3–272.

Quellen- und Literaturverzeichnis 

| 477

Voigt, Karsten (2009)  : Kampfbünde der Arbeiterbewegung. Das Reichsbanner Schwarz-RotGold und der Rote Frontkämpferbund in Sachsen 1924–1933. Köln, Weimar, Wien. Volkmann, Hans Erich (1979)  : Die NS-Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges. In  : Deist, Wilhelm  ; Messerschmidt, Manfred et al. (Hg.)  : Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 1, Stuttgart, S. 177–370. Vorländer, Herwart (1986)  : NS-Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk des deutschen Volkes. In  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 34, Hft. 3, S. 341–380. Wagner, Jens-Christian (2001)  : Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora, Göttingen. Wagner-Kyora, Georg (2005)  : »Menschenführung« in Rüstungsunternehmen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. In  : Echternkamp, Jörg (Hg.)  : Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 9  : Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Zweiter Halbband  : Ausbeutung, Deutungen, Ausgrenzungen, München, S. 383–474. Walter, Verena (2007)  : Jägerstab. In  : Benz, Wolfgang  ; Graml, Hermann  ; Weiß, Hermann (Hg.)  : Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, S. 580. Weber, Hermann (1972)  : Max Hölz. In  : Stolberg-Wernigerode, Otto zu (Hg.)  : Neue Deutsche Biographie, Bd. 9, S. 338–339. Weinberg, Gerhard L. (1993)  : Der Überfall auf die Sowjetunion im Zusammenhang mit Hitlers diplomatischen und militärischen Gesamtplanungen. In  : Foerster, Roland G. (Hg.)  : »Unternehmen Barbarossa«. Zum historischen Ort der deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1933 bis Herbst 1941, München, S. 177–185. Weinke, Annette (2006)  : Die Nürnberger Prozesse, München. Wenge, Nicola (2006)  : Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. http://www. bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ravensbrueck/60677/das-system-der-nationalsozialistischen-konzentrationslager  ?p=all 17.06.2016. Werner, Constanze (2006)  : Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW, München. Werner, Oliver (2017)  : Rezension zu Schumann, Silke  : Kooperation und Effizienz im Dienste des Eroberungskrieges. Die Organisation von Arbeitseinsatz, Soldatenrekrutierung und Zwangsarbeit in der Region Chemnitz 1939 bis 1945, Göttingen 2016, in  : H-Soz-Kult 12.01.2017 https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24897 23.11.2019. Wildt, Michael (2012)  : Vorwort. In  : Hockert, Franziska  : Zwangsarbeit bei der Auto Union. Eine Fallstudie der Werke Audi und Horch in Zwickau, Hamburg, S. 7. Winkler, Ulrike (2000)  : »Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen« – Zwangsarbeit in deutschen Haushalten. In  : dies. (Hg.)  : Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte, Köln, S. 148–168. Zander-Seidel, Jutta (1998)  : »Er trug – denkt euch – ’ne rote Feder  !« Vestimentäre Gesinnungszeichen der Revolution von 1848/49. In  : Doosry, Yasmin  ; Schoch, Rainer (Hg.)  : 1848 – Das Europa der Bilder. Bd. 2  : Doosry, Yasmin  ; Schoch, Rainer  : Michels März  : Germanisches Nationalmuseum, 08.10.1998–10.01.1999. Nürnberg, S. 34–41. Zarusky, Jürgen  ; Zückert, Martin (Hg.) (2013)  : Das Münchner Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive, München.

8 Abkürzungsverzeichnis ABM Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ÄD Ärztliche Dienststelle/Ärztlicher Dienst ADCA Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt AEL Arbeitserziehungslager AGFl Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg AOK Allgemeine Ortskrankenkasse BArch Bundesarchiv BdF Befehl des Führers ČSR Tschechoslowakische Republik DAP Deutsche Arbeiterpartei DDR Deutsche Demokratische Republik DESt Deutsche Erd- und Steinwerke DNVP Deutschnationale Volkspartei DP Displaced Person Dulag Durchgangslager DVP Deutsche Volkspartei EdF Erlass des Führers FDL Fernbediente Drehringlafetten FTE Formations des travailleurs étrangers GBA Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz Gestapo Geheime Staatspolizei GU Deckname für die Produktion von Osram in Berlin GU 896 Deckname der Osram-Verlagerung in die Plauener Baumwollspinnerei GULag Glavnoje Upravlenyije Lagerej (Zwangsarbeitslager-System des NKVD) HJ Hitlerjugend IHK Industrie- und Handelskammer ILO International Labour Organization IMI Italienische Militärinternierte IMT International Military Tribunal/Internationales Militärtribunal ITS International Tracing Service KAPD Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands Kgf.Arb.Kdo Kriegsgefangenenarbeitskommando KPD Kommunistische Partei Deutschlands KZ/KL Konzentrationslager/zeitgenössische Abkürzung für Konzentrationslager LAA Landesarbeitsamt MArch Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv MSPD Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands NKVD Narodny Kommissariat Vnutrennych (Volkskommissariat des Innern) in der Sowjetunion NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Partei Deutschlands

Abkürzungsverzeichnis 

| 479

OBdW Oberbefehlshaber der Wehrmacht OKH Oberkommando des Heeres OKL Oberkommando der Luftwaffe OKW Oberkommando der Wehrmacht OMR Obermedizinalrat OT Organisation Todt RABl. Reichsarbeitsblatt RAD Reichsarbeitsdienst RAF Royal Air Force RAM Reichsarbeitsministerium RFSS Reichsführer SS RFSSuChdDtP Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei RGBl. Reichsgesetzblatt RLM Reichsluftfahrtministerium RLM, LC Reichsluftfahrtministerium, Abteilung Technisches Amt (LC) RM Reichsmark RM.f.R.u.K. Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion ROI Regierungsoberinspektor RSD Reichssicherheitsdienst RSHA Reichssicherheitshauptamt Rü In Rüstungsinspektion Rü Kdo/ Rü Ko Rüstungskommando SA Sturmabteilung Schupo Schutzpolizei SD Sicherheitsdienst SE Sondereinziehung SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS Schutzstaffel StAC Staatsarchiv Chemnitz StadtA Plauen Stadtarchiv Plauen Stalag Stammlager STO Service du travail obligatoire SU Sowjetunion UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken uk-gestellt Unabkömmlich gestellt USAAF United States Army Air Forces USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands V 1, V 2 Vergeltungswaffen WHW Winterhilfswerk WK Wehrkreis WT Wehrtechnik WVHA Wirtschaftsverwaltungshauptamt ZNK Zentrale Namenskartei des Digital Archive des Internationalen Suchdienstes

9 Anhänge

Zeitzeugeninterviews Anhang 1: Interview mit Anja Görgl am 27. Dezember 2013:

Frau Anja Görgl stand dem Interview zum Thema Zwangsarbeit in Plauen während des Zweiten Weltkrieges skeptisch gegenüber. Sie satnd der Erforschung der Umstände rund um die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte sehr skeptisch gegenüber, erzählte aber doch offen und detailliert über ihr Erlebtes. Frau Görgl hatte darum gebeten, das Interview in einem Café zu führen. Die Reserviertheit legte sich nach kurzer Zeit und die Zeitzeugin berichtete durchaus emotional über die Anstellung ihres Großvaters in der Mechanischen Baumwoll-Weberei Herrmann Lang. Als Webermeister war er Vorgesetzter in der Produktion und musste zudem Aufgaben des Wachdienstes übernehmen. Frau Görgl war es wichtig, ihren Großvater als ehrenwerten, guten Menschen und einfachen Arbeiter darzustellen, der um das Wohl der ihm untergeordneten Arbeitskräfte bemüht war. Das Interview wurde halboffen narrativ lebensgeschichtlich geführt. Bei Anja Görgl wurden neben der offenen Eingangsfrage weitere Fragen gestellt. Die entsprechenden Passagen fanden teilweise Eingang in die Arbeit, weshalb ihre Transkription beigegeben ist. Frage  : Erzählen Sie doch einfach, wie das damals so war. Anja Görgl (0  :06)  : »Ja, wie gesagt, mein Großvater war dort [in der Baumwollweberei, K.L.] Webmeister und eines Tages hieß es, es kommen Ostarbeiter. Mit so einem blauen Zeichen, mit ›Ost‹ reingestickt und die wohnten dann in einer Baracke an der Klopstockstraße. Das war der Fußballplatz. Da waren die untergebracht. Das waren große Familien. Man hat denen natürlich erzählt, dass sie hier große Bauernhöfe kriegen. (0  :42) […] (0  :52) Belogen wurden sie, auf gut Deutsch. Und die haben sie dann in diese Baracke gestopft mit Kind und Kegel. Und die wurden dann früh mit dem LKW abgeholt und in die Plauener Baumwollweberei gefahren und mussten dort arbeiten  ; ziemlich lang und fleißig. Wie das früher so war, ohne Hörschutz, mein Großvater hat am Ende selber auch nichts mehr gehört. Diese Dezibel in so einer Weberei, das kann man sich ja vorstellen. Das war ganz schrecklich. Und jedenfalls abends sind die [Ostarbeiter, K.L.] mit dem LKW in diese Baracke gebracht worden. Da musste jeden Abend, das habe ich noch ganz klar in Erinnerung, ein Meister, also ein Vorgesetzter der Weberei, mit Gewehr – kein Revolver, ein Gewehr – musste sie dort nachts bewachen. (2  :03) […] (2  :17) Und da, das fiel natürlich auch meinem Großvater zu. Und es hieß  : ›Oh, heute gute Polizei‹, wenn der Opa kam. Der war sehr christlich

Anhänge 

| 481

und sehr fromm und hilfsbereit. Also, die waren glücklich, wenn mein Großvater kam. Eines Tages habe ich gesagt, also, ich will mal mit dahinter, weil da Kinder sind. Und da habe ich dann Spielsachen von mir und ausgewachsene Anziehsachen und, ich weiß nicht mehr, was ich da alles zusammengepackt hab. Und dann hat er [der Großvater, K.L.] mich auch mal mit hinter genommen, obwohl das alles verboten war. (2  :55) […] (3  :09) Und dann hatten die [Ostarbeiter, K.L.] auch nur eine Feuerstelle. Das war ein grimmiger Winter. Dort haben die sich alle gewärmt. Also, das war ein trauriges Dasein. Das friert mich jetzt noch. Das ging nun immer so weiter, immer so weiter und eines Tages, in die Wohnung durften wir niemanden mitnehmen, das war bei Todesstrafe verboten. (3  :36) […] (3  :41) Und eines Tages, sonntags Vormittag klingelt es. Da weiß ich noch, die Ludmilla, das war eine Lehrerin, die konnte auch Deutsch. Die hat das alles so ein bisschen gemanagt. Hat die bei uns geklingelt – Wollmantel an, Hut auf, Stockschirm bei sich  ; das sehe ich noch vor mir –, na, wir haben sie dann reingebeten und meine Großmutter ist vor Angst gestorben, weil das nun nicht erlaubt war. (4  :12) […] (4  :18) Und sie [Ludmilla, K.L.] hat die ›gute Polizei‹, also meinen Großvater, gebeten, dass ihr Vater schwerst erkrankt war, und er [der Großvater, K.L] soll doch sehen, dass er Hilfe holt. Wie auch immer. Und das hat mein Großvater wohl auch gemacht. Wie er das aber gemacht hat, das kann ich nicht mehr sagen. Ich bin dann auch nicht mehr mit in das Lager gekommen. Und jedenfalls ging das dann so weiter, und dann kam nun das Kriegsende. Und dann wurde aber, das sollte ich als Kind alles nicht so hören, ich glaube, die sind, wie ich das so mitgekriegt hab, alle erschossen worden. (5  :00) […] (6  :02) Und dann weiß ich noch, die Ludmilla, – ich hatte ja als Kind alles zu spielen bekommen, das Puppenhaus, die Puppenstube, das Schlafzimmer obendrauf, Wohnzimmer, Badezimmer – die konnte sich nicht satt sehen. Sowas hat die noch nie in ihrem Leben gesehen gehabt. (6  :19) […] (6  :28) Und da war ein Mann dabei, das war ein Kunstmaler. Der hat wunderschöne Bilder gemalt. Also, das ging mir aber nicht aus dem Kopf, die ganzen Jahre, dieses Erlebnis. (6  :40) […] (8  :36) [Die Baumwollweberei, K.L.] auf der Hammerstraße, das Gebäude steht jetzt noch. (8  :39) […] (8  :52) Also, wenn man von vorne hinter geht Richtung Chrieschwitz auf der linken Seite. (8  :57) […] (9  :05) Im Garten war dann hinten, das war Grünanlage gewesen, da haben die sich mal ein bisschen Kartoffeln angebaut, mein Großvater. Das durften die so ein bisschen bebauen. Und da saßen die zur Pause auch mal draußen auf der Bank. Da ist jetzt die Tankstelle drauf.« (9  :24) Frage  : Woher stammten die Informationen, wie mit den Ostarbeitern umzugehen war und welche Strafen auf engeren Kontakt standen  ? Anja Görgl (10  :09)  : »Ich wusste das nur von meinem Großvater. Der hat gesagt, wenn die mal zu lang auf der Toilette waren, dann wurde mal oben [über die Kabinentür, K.L.] ein Eimer Wasser drüber geschüttet. Da hat er [der Großvater, K.L.] sich immer alteriert. Da gab es natürlich auch große Nazis, die dann richtig ihren Hass auf die ausgekippt haben und böse waren.« (10  :28)

482 | 

Anhänge

Frage  : Können Sie sich noch an die Nationalitäten der Bewohner des Lagers in der Klopstockstraße erinnern  ? Anja Görgl (10  :58)  : »Nein, ich glaube, das waren nur Ukrainer.« (11  :02) Frage  : Können Sie sich noch erinnern, wo die Ostarbeiter versorgt wurden  ? In der Weberei oder im Lager  ? Anja Görgl (13  :25)  : »Also, ich weiß nur, dass es sehr wenig war. Aber es gab ja für uns als Bevölkerung auch nicht gerade viel zu essen. Ja, also, die haben schon Mittag irgendeine Wassersuppe, Krautsuppe gekriegt, nehme ich an. Und dann halt ein bisschen Brot. Es ging immer nur um einen Runzen [Endstück, K.L.] Brot.« (13  :42) Anhang 2: Interview mit Uta Reuter am 14. Januar 2014

Frau Uta Reuter, geb. Reiche stand dem Interview zum Thema Zwangsarbeit in Plauen während des Zweiten Weltkrieges sehr offen gegenüber. Durch die Anstellung ihres Vaters Robert Reiche als Gießereimeister in der VOMAG und ihrer älteren Schwester als Krankenschwester in der VOMETALL kam sie in Kontakt mit ausländischen Arbeitskräften. Sie berichtete unbefangen über das Rückkehrersammellager ›Holzmühle‹ sowie das Lager ›Weißer Stein‹. Ihre Ausführungen wirkten klar. Sie gab dem Gesagten die Verteilerkontrollkarte für Ost und Gemüse der Familie Robert Reiche, die Wehrpass-Notiz von Robert Reiche sowie eine Bescheinigung der VOMAG über die Beschäftigung von Robert Reiche als Notstandsarbeiter seit dem 19. Juli 1945 bei. Ab und zu vermischte sich allerdings Erlebtes mit Erzähltem. Frage  : Erzählen Sie doch, wie das bei Ihnen früher so war. Uta Reuter  : »[…] (4  :53) Und dann, da meine große Schwester hat in der VOMETALL gearbeitet. Meine beiden Geschwister waren – mein Bruder war 14 Jahre, 16 Jahre älter und meine Schwester 14 Jahre älter. Ich war, sozusagen, der Nachzügler. Mein Bruder war dann schon eingezogen, der hat sich mit 17 Jahren schon gemeldet an die Front, also, der war dann Elitesoldat, weil der – wir hatten ja die Ahnentafeln bis weit in – germanischer Abstammung, die richtige Größe und so, ne, da ist der  ; und meine Schwester war Krankenschwester und hat – war in der VOMETALL. Und die VOMETALL, wenn Sie jetzt die Trockentalstraße runterfahren. Da ist doch die große Kreuzung. Auf der rechten Seite geht es zum Media Markt und die linke Seite ist ein Plus-Markt und ein Parkplatz. Und dieses Terrain, mit dem Parkplatz, das war die VOMETALL. Und die VOMETALL war, sozusagen, ein Zweig von der VOMAG. Und da sind hauptsächlich Aluminiumteile hergestellt worden, die sie für die Flugzeugindustrie gebraucht haben. Und mein Vater selber war dienstver[…] – also war – der war als ganz Junger im Ersten Weltkrieg und war dann verwundet und ist aber, weil er Gießereifach hatte – der war Meister in der VOMAG in der Gießerei – und dadurch, ähm, dadurch habe ich, ähm, dadurch haben wir miterlebt, wie die Ostarbeiter in der VOMAG waren. Weil die hauptsächlich doch hatten die in der VOMAG

Anhänge 

| 483

und VOMETALL. Und, in der VOMAG war, also mein Sohn sammelt auch solches Zeug, da stand drin, also, beziehungsweise es waren bis zu 2.000 Ostarbeiter. (6  :35) Von ’41, da waren bloß so um die 200, und dann so ’44 bis 2.000. Und die Ostarbeiter, die haben, wenn Sie sich in Plauen auskennen – wenn Sie jetzt von der Trockentalstraße, oder sagen wir Siegener Straße rechts die Straßberger Straße Richtung Straßberg fahren, da kommen Sie an den, an den, äh – ach, wie heißt jetzt gleich wieder die Straße  ; komm ich jetzt nicht drauf. (7  :11) […] (7  :17) Ja, beim ›Weißen Stein‹, da geht es, geht die Straße runter zur Elster. Und da ist jetzt Neoplan. [Vermutlich meint Uta Reuter den Leuchtsmühlenweg, K.L.]. Ne. Und, wenn Sie da runter  – also, an der Kreuzung links war ein Lager, so Baracken, und rechts. Und das waren, aber mit Bretterblanken war das zugemacht. Und da – wie soll ich jetzt weiter, wie soll ich sagen – also, und in den  ; und die VOMAG-Arbeiter haben eben versucht, den Ostarbeitern, sagen wir mal so, eben schon einiges immer – Essen, Kleidung und so weiter – zuzustecken. Und der, der  ; und zum Beispiel mein Vater  ; (9  :01) wenn wir Kohlen gekriegt haben zuhause, dann hat mein Vater veranlasst, dass von den Ostarbeitern jemand kam, freiwillig, und sollte die Kohlen für uns schippen  ; in den Keller. Und, dann kam oft der Blockwart vorbei, und hat dann geschimpft und hat dann gesagt, zu meiner Mutter, äh  : ›Was erlauben Sie sich diese Ost… diese Leute, die haben in ihrem Lager zu bleiben.‹ Und, äh  : ›Wie kommen Sie dazu  !‹ Dann hat meine Mutter sich rausgeredet und hat gesagt  : ›Na, hören Sie mal, mein Sohn ist an der Front, meine Brüder sind alle an der Front. Diese Leute werden ja wohl für uns arbeiten dürfen.‹ Und damit war es dann gut. (9  :14) Aber die Gegenseite war so. Meine Mutter hatte einen riesen Topf Eintopf gekocht. Und wir hatten Obst im Keller. Und eingekochtes Obst. (9  :33) Und, vor allen Dingen die, meine Mutter hat dann von anderen Leuten auch Kleidung gesammelt (9  :38) und durch die Gießerei hat mein Vater immer die Gießereischuhe – da haben wir immer gesagt Kuhle-Schuhe – und zwar waren das so Lederschuhe, die hatten so wie Holzsohlen und als Verschluss waren so die Schnallen, die bei, wie manchmal bei den Hausschuhen. Und dann hatten, waren die Schuhe für die Leute dabei und Anziehsachen und Essen. Und, mein Vater hat, sozusagen, die Leute zum Arbeiten zu uns geholt, damit sie die Sachen, die haben die dann übereinander angezogen, dass sie die für ihre Mithäftlinge, oder, ähm, Mit-, ähm, was mitbringen konnten. (10  :21) Oder eben auch Seife, war ja immer, äh, äh, das, was es sein sollte. Und ein Anlaufpunkt war der Laden, wie ich Ihnen gesagt hab, hier, über, bei, von, in der Antonstraße 49, Dasovic. (10  :42) [Dasovic Eßwarenhandlung befand sich laut Adreßbuch der Kreisstadt Plauen 1942/43, S. 155, in der Antonstraße 49, K.L.] Das war ein Jugoslawe, der, aber wo das dann mit dem Krieg losging, äh, und mit dem, mit dem, ähm, also, eben, wo das dann mit den Ostarbeitern losging, ist der fort. Ist der, also, sozusagen, ist der, da hat man den nicht mehr gesehen. Der ist untergetaucht, sagen wir mal so. Und die Frau war ja deutscher Abstammung und die hat ihren Laden geführt. Ich glaub, der Laden ist jetzt sogar zugemauert. (11  :13) Als das ist, das war ein ganz schön großer Laden, ne. Und die Frau Dasovic hat auch ein großes Hinterhaus. Und da haben sich die, ich sag

484 | 

Anhänge

wiederholt eben Ostarbeiter. Die haben sich, dort war eben, sozusagen, wie ein Treffpunkt, oder, äh, ein Informationspunkt. Und wenn, wenn, wenn jetzt, wenn wir, äh, als meine Mutter, zum Beispiel, hat, wie gesagt, also  : ›Hier, du gehst jetzt rüber zur Frau Dasovic, holst ein Pfund Zucker. Du willst …‹ – wir haben ja die Lebensmittelkarten gehabt – ›Holst für die Lebensmittelkarten, für die Abschnitte …‹ – die hat sie mir gleich abgeschnitten – ›für die Marken ein Pfund Zucker. Du sagst, du willst ein Pfund Zucker.‹ Und das waren vielleicht die Marken für zwei Pfund Zucker, oder drei Pfund Zucker. Dann hat die – und andere Leute wussten das auch, ne, also das war so geheim  – und dann hat die Frau Dasovic, meinetwegen Mehl, oder, vor allen Dingen Zucker, hat die dann dadurch, die hat die Marken gehabt, die konnte sie aufkleben, hat da einen Beweis gehabt, aber der Zucker war ja da, weil den niemand genommen hat – und konnte dann den Ostarbeitern, den Frauen, Mehl und so geben. (12  :38) […] (12  :56) Es gab schon Bewachung, aber so straff, so streng, dass sie, dass sie, wie soll ich sagen, wie in einem KZ war es nicht. So, also, so, wie ich es von meinen Eltern her weiß. Da haben die [Ostarbeiterinnen, K.L.] schon, die hatten auch mal ein wenig, es gab da auch – das weiß ich von meinem Vater, der hatte einen Kollegen gehabt –, die sind dann schon an den Zaun, ne. Und dann, äh, das durch den Zaun geschoben, ne. Bei der Bretterblanke war ein Brett los, die wussten genau, welches Brett das ist, und dann haben die das da hinterlegt. Aber es kam auch, ähm, es sind auch welche raus. Denn mein Vater hat sie dann ja auch mitgebracht. Da hat er gesagt  : ›Ich brauch heute drei‹ oder zwei, und dann sind die mit. (13  :46) Und, wie gesagt, bei der Frau Dasovic war sozusagen ein Treffpunkt, ne. Und meine … dadurch, dass meine, meine Schwester war ja eben Krankenschwester […] in der VOMETALL und die, wenn jetzt, ähm, wenn jetzt jemand krank geworden ist oder Hilfe brauchte in dem Lager, ne. Dann kam manchmal die Frau Dasovic, hat bei uns geklingelt, auch wenn es abends spät war, ne, meistens, wenn es dunkel war. Dann hat die [Frau Dasovic, K.L.] zu meiner Mutter gerufen  : ›Ach, ich hab mir wieder in die Finger geschnitten.‹ Weil meine Mutter hat ja, war für den Block, da gab’s einen Blockwart und einen Sanitäter, und meine Mutter war für den Block als Sanitäter zuständig sozusagen. Und da hat die [die Mutter, K.L.] immer eine Tasche gehabt, weil Verbandssachen und so war ja auch knapp. Hat ja nur derjenige gekriegt, der dazu bestimmt war. Und da hat die [Frau Dasovic, K.L.] ja ›Ich hab mich wieder geschnitten‹ gerufen und dann wusste meine Mutter genau, ach, da ist was. Dann ist, entweder die Frau Dasovic hat nur Verbandszeug haben wollen, dass da jemand verletzt war, beziehungsweise, es kam ja auch die, die jungen Frauen  ; ob das jetzt russische waren oder Polen oder tschechische – die kamen ja schon schwanger nach Plauen. Also die kamen ja mit dem Transport schon schwanger. Als die die aufgefangen haben, waren die ja nun schon schwanger und haben dann, waren dann, haben es dann verborgen und versteckt (15  :35) und da, wenn dann so ein Fall war, dann, und meine Schwester war zuhause, dann hat meine Mutter, die hat ja oben, oben waren die vier Mädchenzimmer und, ne. […] Meine Schwester ›Elfriede, komm‹ und ›Die Frau Dasovic braucht ein Pflaster‹, ne. Dann ist meine Schwester mit, die hat ja auch

Anhänge 

| 485

so eine Tasche immer gehabt, und hat, und ist mit der Frau Dasovic mit […] dann ist die aber auch schon in das Lager, hier in die Leuchtsmühle, jetzt weiß ich es, ne, Leuchtsmühlenweg ist die da mit hinter. Und hat dann, wenn da meinetwegen eine Geburt, oder es ist was schiefgelaufen, oder einem ging es schlecht, oder so, dann haben die [die Ostarbeiter, K.L.] schon jemanden geschickt. Die hatten da schon ihre Verbindung. (16  :27) Und da ist die [die Schwester, K.L.] mit und hat, so gut es ging, geholfen.« Frage  : Und sie [die Schwester, K.L.] ist da nie angehalten worden, vom Wachposten oder so ähnlich  ? (16  :48) Uta Reuter  : »Also, wissen Sie, auf der Straßberger Straße war nie was. Also, habe ich, weiß ich nicht. Da waren keine Wachposten. Also, das waren eben Ostarbeiter und, klar sind die bewacht worden, aber, die haben schon ihre Schleichwege gewusst, ne. (17  :07) Jedenfalls hat meine Schwester schon ihr Leben, und für die ganze Familie  ; also, das war schon mit einem Bein im KZ, kann man schon sagen, ne. Wenn sie da geholfen haben, ne. Und, und, große Schwester, wie gesagt, die war ja nun 20 Jahre [alt, K.L.]. (17  :25) […] (17  :37) Und, bei der Frau Dasovic, bei dem Lebensmittelladen, da war immer wie, na, wie eben ein Stützpunkt, oder eben wie eine Anlaufadresse, ne. Und die, und die Nachbarschaft und so, die Leute, und vor allem haben ja die dann auch Milch gebraucht und solches Zeug, ne. Und da hat jeder eben, wer eben mit den Marken, mit den Lebensmittelmarken, hat eben, dann eben, hat die das dann gemanaget, ne. (18  :08) […] (18  :10) Wir sind als Kinder geschickt worden, ›Tut nur da, tut nur mal, aber du nimmst, du willst nur ein Pfund  !‹ Das haben wir eingebläut gekriegt. Wir haben auch eingebläut gekriegt  : ›Du darfst nicht mit Ostarbeitern reden.‹ – ›Du darfst nicht mit Fremden reden.‹ – ›Du darfst nicht sagen, was du eingekauft hast.‹ – ›Du darfst …‹ Wir mussten immer still sein. (18  :32) […] (20  :29) Und ich musste aber auch schon, also mit fünf/sechs Jahren, ich musste meinem Vater in die VOMAG Essen tragen, ne. (20  :35) […] (26  :06) In der Stickerei gab es ja dann kein, gab es ja kein … kein Material mehr. Stoff, Garne, alles zu viel. Und da waren die Aufträge dann so wenig, dass gar nicht mehr immer gestickt werden konnte. Na jedenfalls ist meine Mutter, äh, dienstverpflichtet worden. Die musste SA-Binden und SA-Fahnen steppen, ne. Und auch meine, also, die, also wer, ne, dann ist das Hakenkreuz so rauf gesteppt worden. Und die, und, ne, die Fahnen eben (26  :39) – und, äh, die, und, wenn dann meine Mutter, die fertigen Sachen musste sie dann in eine Zentrale bringen, ne. Und dann war ja meine Mutter nicht zuhause, und manchmal ist wegen den Bomben, ist meine Großmutter oftmals zu ihrem Sohn nach Pöhl, oder zum anderen Sohn nach Schleiz. Und dann war keiner zuhause. Und, damit ich nicht alleine bin wegen der, na, eben wegen Fliegeralarm, hat mein Vater mich mit in die VOMAG genommen, früh. (27  :14) Und da hat der mich eben in den Keller gesetzt. Frühs um sechs musste ich da mitgehen und da hatte ich mein, mein Schild um den Hals, meinen kleinen Koffer, für den Kopf so ein kleines Kopfkissen und meinen Teddy, oder was ich dann nun mithaben wollte. Und da waren wie, hier ist der, ist der, als Luftschutzkeller ausgewiesen.

486 | 

Anhänge

Aber da gibt es ja so viele Stollen, und da waren hier auf der, wenn man reinkam, auf der linken Seite waren ganz lange, schmale Kisten aufgestellt. Die waren vielleicht zwei/drei Meter lang und vielleicht so, jetzt würde ich sagen, fünfzig mal fünfzig im Durchmesser und die waren aufgeschichtet, wie eine Treppenstufe, ne. Meinetwegen unten drei, dann zwei, dann eins und dann hat mich mein Vater immer auf so eine Kiste gesetzt. ›Da bleibst du sitzen. Du sprichst mit niemandem. Du tust, bleibst sitzen, du gehst nicht fort. Du weißt auch nichts. Ich hol dich ab.‹ Und an der rechten Seite, also wie hier, wo hier Sitzbänke sind. So, und das war sicher ein anderer Stollen. Und hier waren dann Drehbänke oder Hobelbänke. Und da haben die Ostarbeiter auch dran gearbeitet. Ne. Also, irgendwelche Teile gedreht. (28  :50) Und die standen ja dann mir mit dem Rücken gegenüber. Und hier in dem Gang lang, in dem Gang, sind immer die Wachposten gelaufen. Meistens waren das auch oft verwundete Soldaten. Die schon, meinetwegen nur einen Arm hatten, oder eben schlecht gelaufen sind, oder die eben nicht mehr für den Frontdienst geeignet waren. Die sind da als Aufsicht, als Wachposten langgelaufen. Und wenn ich dann, hab ich, ich sollte zwar auf der obersten Kiste sitzen bleiben, bin dann aber doch immer ein bisschen weiter runter. Und dann hab ich manchmal solche Späne von denen genommen und habe damit einen Ring ran gesteckt, an den Finger, oder wie, na, wie damit gespielt, ne. Und wenn ich mein Brot ausgepackt hab und ich hab was essen wollen, dann haben sie [die Ostarbeiter, K.L.] sich oft umgedreht. Und dann hab ich gesehen, dass, dass, dass die eben so auf mein Brot geguckt haben. Dann hab ich mein Brot mal kurz hingelangt, und dann haben die sich mal einer umgedreht, ins Brot gebissen, und dann hab ich es wieder zurückgezogen. Und der Wachposten so war, dann war eben, hab ich mich ganz ruhig verhalten und hab mein Brot festgehalten. (30  :10) Und dann hab ich aber manche Tage, habe ich selber gar nichts gegessen, ne. Und dann haben die aber oftmals wegen meinem Brot oder meinem Apfel, meine Mutter hat mir immer den Apfel schon zerschnitten gehabt, in so kleine Spalten, dann hab ich mal so ein Stück Apfel hingelangt. Dann haben die sich aber oft, dann wenn der Posten vorbei war, ganz schnell gewechselt. (30  :35) […] (33  :10) Es waren nicht sehr viele Frauen in dem Lager unten in der, im Leuchtsmühlenweg. Es waren aber, will ich sagen, äh, hauptsächlich in der VOMETALL haben die dann mit gearbeitet, die Frauen  – wo so kleiner Teile gemacht worden, so Aluminiumsachen, ne. Und, ähm, die, die, in der VOMAG, wie gesagt, waren eben hauptsächlich Männer  ; vereinzelt, also weniger Frauen. (33  :43) (37  :31) Ein Teil [der Ostarbeiter, K.L.] ist aber, äh, wo die VOMAG zerbombt war, mussten die ja dann noch, äh, mit aufräumen. [Verweis auf den Einsatz der Ostarbeiter am Ende des Krieges zur Trümmerbeseitigung und eventuell nach Kriegsende zur Demontage der deutschen Werke, hier im Speziellen der VOMAG durch die Rote Armee und die sowjetischen Besatzer, K.L.] Und die sind dann erst nach und nach mit fortgeschafft worden. [Hinweis auf die Rückführung der Ostarbeiter in die Sowjetunion, K.L.] (37  :46)

Anhänge 

| 487

(41  :39) Zu den Ostarbeitern oder Kriegsgefangenen gehörten ja auch Franzosen. Und die Franzosen waren hauptsächlich in, auf Gütern. Und zwar im Volksgut, in Reusa waren Franzosen und hier unten in Pirk gab es auch Franzosen. Und, wenn Sie runterzu fahren, ganz links, ist so, so, fast, so ein kleines Häuschen mit, mit, äh, Bretterblanke. Das ist allerdings jetzt erst die letzten Jahre so äh, weil da, da sind Leute reingezogen, die haben es zugemüllt. Jedenfalls, die Frau Baumann, die da gewohnt hat, die hatte mich mal mit zu sich genommen, weil die hat als einzige in Pirk Telefon gehabt und eine Puppenstube zum Wohnen und hat einen ganz gepflegten Garten gehabt. Und der Garten, weil der am Hang ist, waren lauter Terrassen. Und da hat sie, hab ich gesagt  : ›Na, aber Ihr Garten ist ja so schön angerichtet.‹ – ›Ja, ich versuche das auch weiterhin so in Ordnung zu halten. Den hat mir ein Franzose angelegt.‹ Sag ich  : ›So, ein Franzose  ?‹ – ›Ja, das waren ja Kriegsgefangene, die waren im Gut und der hat, zuhause haben die einen Weinberg und da haben die auch solche Terrassen.‹ Und da hat der ihr den Terrassengarten angelegt. (43  :13) […] (44  :07) Und, ähm, wo, wo dann der Krieg eben zu Ende war, und, da kamen ja erst die Amis und, äh, die sind die Trockentalstraße runtergefahren. (44  :25) […] (45  :20) Und jedenfalls kamen, hieß es, es kommen die Amis und wir müssen in den Keller. [Der Keller des Wohnhauses war für den Luftschutz ausgebaut, K.L.] Waren wir wieder im Keller und da war es dann ruhig. Ach, na meine Mutter, die hat immer ein bisschen das Sagen gehabt für die anderen Leute. Die war auch eine sehr energische Frau. Und ich mit meiner Mutter zur Seite raufgeschlüpft und ich wollte vor an das, wollte die sehen. Und dann haben die Amerikaner, haben die Volksreserve ausgeräumt und haben das, das Zeug von den Lkws runtergeworfen. Und wenn man dann hinrennen wollte und wollte sich etwas wegnehmen, entweder die, die daneben hergelaufen sind, die sind draufgetreten, oder die sind drübergefahren. Dann hätte es passieren können, als Kind, wenn man was haben wollte, da wäre man mit unter die Räder gekommen. Aber ich war schlau und hab nun so eine Schachtel erwischt. Da waren Kekse und Zeug. Meine Mutter ist ja hinter mir hergekommen, die hatte ja Angst um mich gehabt. Die hat mir die Schachtel aus den Händen gerissen. ›Um Gottes Willen, wir nehmen von diesen Leuten nichts.‹ Und hat sie wieder zurückgeworfen, ne. (46  :38) Und das, und, äh, hat sie gesagt  : ›Wenn ich sehen würde, dass mein Sohn als Galionsfigur auf so einem Jeep sitzt.‹ Die hatten wirklich die, die Soldaten, die hier eben im Umfeld von Plauen, ausgezogen, Schilder umgehängt und haben sie auf die Autos vorn draufgebunden, dass sie sie als, zur Schande durch Plauen gefahren. Und, wie gesagt, und dann die Amis ja erst einmal die VOMAG bombardiert, also die hochgesprengt. (47  :19) […] (47  :33) Und dann kamen ja, nach einem Vierteljahr, kamen ja die Sowjets. (47  :45) […] (51  :24) Und meine Schwester, die ist natürlich abgeholt worden von den russischen Truppen, ne. Und, aber, muss ich sagen, jetzt nicht, äh, wir waren natürlich erst erschrocken, ne. Aber die haben in Plauen Transporte zusammengestellt, ’47, Ende ’46. Wo die ganzen, ähm, äh, KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene, Ostarbeiter und vor allen Dingen viele, viele Kinder zurückgebracht wurden nach Russland, ne. Und da, hat meine Schwester, wenn

488 | 

Anhänge

die dann heimkam, da hat die, hat die, um ihre Koppel rum, Feldflaschen, hat unsere Mutter unseren großen Einwecktopf voll Tee gekocht, Kamillentee und was wir eben noch so im Garten hatten, es gab ja nix, ne. Und dann hat sie die Flaschen ringsum, so viel sie rangebracht hat, dass sie den Kindern unterwegs mal einen kleinen Schluck, was zu trinken geben konnte. (52  :32) […] (52  :35) Als Krankenschwester mitgefahren. (52  :37) […] (52  :56) Kam aber immer wieder. (52  :57) (57  :28) In der VOMAG gab es trotz der Bombenangriffe nur einen Toten und vier Verletzte. Das stimmt schon, aber die Kriegsgefangenen und die, also, was Ostarbeiter waren, durften nicht in die Luftschutzkeller. Die mussten, die mussten weiterarbeiten. Die durften nicht. Und, wenn, äh, wenn dann so ein, so ein Bombenangriff vorbei war, dann hab ich das ja miterlebt. Wenn ich auf meinen Kisten da saß und hab auf meinen Vater gewartet, dann haben die ja die Verletzten in den Luftschutzkeller gebracht. Dann haben die den durchgetragen. (58  :03) (1  :03  :56) Und die haben in der VOMAG ja Fachkräfte gebraucht. Weil da, die konnten ja, so ein, wie soll ich sagen, verschiedene Berufszweige konnten sie nicht von Ostarbeitern arbeiten lassen, ne. Also, will ich sagen, an die Schlüsselstellungen, sag ich mal jetzt, an die Schlüsselpositionen, da waren schon, also, Deutsche und richtiges, eben Fachpersonal – ausgebildete Leute, ne. (1  :04  :20) (1  :06  :20) Naja, will ich sagen, äh, wenn ich, also bei meinem Vater, da, auch wenn die die Kerne gemacht haben [gegossen, K.L.], na, die [ausländischen Kräfte, K.L.] haben das schon gelernt gekriegt. (01  :06  :38) […] (01  :06  :43) Also, wie man jetzt vielleicht sagen würde, Anlernling. (01  :06  :45) Also, wie eine Art Umschulung. Die kamen und, es ist ja auch drauf gesehen, will ich sagen, viel zu essen haben sie nicht gekriegt. Aber sie haben schon die Stärksten genommen, die Kräftigsten.« (01  :07  :03) Frage  : Welchen Altersdurchschnitt schätzen Sie  ? (01  :32  :42) Uta Reuter  : »Also, wenn ich so, äh, ich hab immer gedacht, es [Ostarbeiter in den Stollenanlagen der VOMAG, K.L.] könnte mein Bruder sein. Wie mein Bruder, ne. Also, schauen Sie, ich war so sechs Jahre, fünf, sechs Jahre. Ich bin ins siebte Jahr dann gegangen, ’45. (1  :32  :58) Wo die letzten schweren Angriffe waren. Ich war sechseinhalb Jahre. Also, es waren Jüngere. Also, ich will mal sagen, zwischen 20 und vielleicht 40. 20, also höchstens. Es waren Junge.« (1  :33  :17) Anhang 3: Interview mit Frauke Thomsen am 23. Dezember 2013

Frauke Thomsen freute sich sehr auf das Interview. Sie hatte am Freitag zuvor das Foto der ukrainischen Hausgehilfin, die bei ihr und ihrer Familie in den Jahren 1942 bis 1945 gearbeitet hatte, kopieren lassen. Frau Thomsen hatte zudem weitere Fotos herausgesucht und gleich zu Beginn des Interviews von ihrer Krankengeschichte erzählt. Während des Gespräches, das in ihrem mit massiven, alten Holzmöbeln eingerichteten Wohnzimmer stattfand, kamen Hausmeister und Handwerker vorbei. Frau Thomsen war aufgeschlossen und erzählte detailreich. Während des Gespräches erinnerte sie

Anhänge 

| 489

nach und nach Details, die sie erlebt hatte. Am Ende vermischte sich allerdings Erinnertes deutlich mit Gehörtem oder Gelesenem, weshalb einige Aussagen fraglich sind. Immer wieder folgte der Verweis auf ihren älteren Bruder, der nach der Ukrainerin, genannt Katja, gesucht hatte und sich intensiv mit der Geschichte der Familie auseinandersetzt. Aufgrund der Konstitution Frau Thomsens wurde das Interview im Gegensatz zu allen anderen nicht im freien Stil geführt. Erst mehrere Nachfragen konnten die Zeitzeugin auf das Thema fokussieren. Frage  : Frau Thomsen, Sie hatten vorab am Telefon erzählt, dass bei Ihnen ein ukrainisches Dienstmädchen beschäftigt war. Wie kam es dazu  ? Frauke Thomsen (im Folgenden T.)  : »Wir haben noch in Montevideo gewohnt und kamen dann nach Plauen. Ja, also, meine Urgroßmutter, die ist Chefin geworden, weil ihr Mann sehr früh gestorben ist. Der ist Ende des Jahrhunderts gestorben, nicht. Und sie hatten zusammen diese Firma Dr. A. Nitzsche, Bleicherei, Färberei, Appretur und der Zweck war angeblich auch ein bisschen, dass sie gerne ihren Sohn – Herbert hieß der – mein Vater – dass er jetzt diesen Betrieb leiten sollte. War aber nichts. Er wurde dienstverpflichtet ins Auswärtige Amt, weil er ebenso gut Spanisch sprach und sehr beeindruckend für uns Kinder, wenn da drei so Offiziere kommen und mit uns Kindern spielen und zaubern können, nicht. Ja, das war alles sehr traurig. Er wurde eingezogen aufgrund einer mehrteiligen, nein, einer Denunziation seines Schwagers. Das erste Mal wurde sie nicht angenommen, das zweite nicht, na ja und das dritte Mal war es so weit und er musste in den Volkssturm. Das müssen ja alle, die da gelebt haben und das war das Letzte, was noch möglich war für die Nazis. Ja, schlecht und recht. Und in Berlin, da waren zwar Verwandte, aber das nützte ja nichts. Und ich wusste nicht, wo die gingen. Jetzt soll, laut eines Vorgesetzten, er, mein Vater, hinter einem Munitionshaufen gesessen haben und das war sein Ende. Das haben wir lange nicht glauben wollen. Meine Mutter wollte es nie glauben. Es hat sich nichts gerührt. So, erst mal das. Das schwere Leben meiner Mutter, muss ich sagen, war die Urgroßmutter, die Großmutter aus Münster, die Großmutter aus Plauen – das war die Mutter meines Vaters – na ja, dann hatte sie noch mehr, uns vier Kinder und noch jemanden, auch aus Westfalen, die bei uns zu Besuch waren, ein Mädchen. Also, es war schon erstaunlich, wie sie das Ganze geschafft hatte. Was wollen wir jetzt wissen, und Katja, ich nehme an, dass meine Eltern beantragt haben, dass sie so eine Hilfe brauchen.« (2  :09 Min.) Frage  : Und die kam dann direkt als Haushaltshilfe zu Ihnen  ? T.: »Als Zwangsarbeiterin.« Frage  : Ja, aber meistens hatten sie ja schon eine Bestimmung, zu der sie eingesetzt wurden. T.: »Ach so, ja, ich habe ja mit Schrecken eben vor gar nicht langer Zeit gelesen, dass die ja auf der Straße teilweise eingefangen wurden. Mein Gott. Das ist ja furchtbar.

490 | 

Anhänge

Na ja, die Ukraine ist ja groß. Sie hat sich sehr bewährt, sie hat unheimlich geholfen. Den letzten schweren Angriff haben wir in Greiz erleben dürfen, bei Freunden und da war sie dabei. Sie war patent und konnte nicht besser sein, wobei sie, sobald der Krieg zu Ende war, haben die Russen natürlich auch eingemischt – das ist jetzt Sparkasse geworden, in der Neundorfer Straße – in der Kommandantur und da war sie in der Küche. Und laut meinem Bruder hätte sie eine nähere Bekanntschaft, Liebschaft, Techtelmechtel – aber das ist alles nicht das richtige Wort, aber jemanden gefunden, einen Hochrangigen, Offizier oder so, mit dem sie also gut zurechtkam und der sie geschützt hat. Aber ’47 musste sie weg. (3  :16 Min.) Und da die, und das bin komischerweise ich, die das von meiner Mutter weiß, meiner Mutter gesagt, ich komme, ich kann nicht schreiben, ich komme nie wieder, ich muss sterben. Die sind alle von Väterchen Stalin vernichtet worden, weil sie den anderen nichts erzählen sollten, sagen wir mal. Das ist aber nur eine Vermutung. Tja, das war dann das Ende und ’63 sind meine Mutter und ich, eine Reise haben wir gemacht, und gesucht, ob wir was erfahren. Da hat die Dolmetscherin wohl gesagt  : ›Die kann nicht mehr leben.‹ Und so haben wir es dann gelassen. Und dann kam viele Jahre später der große Bruder aus Bielefeld jetzt und wollte was über das Rote Kreuz, aber keiner hat etwas erfahren.« (4  :00 Min.) Frage  : Hat er versucht, hat in Bad Arolsen eine Anfrage gestellt  ? T.: »Ja, denke ich. Ja, nun, das war unsere Katja. Jeder trauert ihr nach. Sie sehen ja selbst, sie sieht ein wenig pummelig aus, so eine Seele von Mensch. Und wenn ich den jetzigen Bewerber für die Ukraine sehe, da krieg ich die Wut. Was wollen sie denn da. Der ist doch bei uns 20 Jahre bestimmt schon. Aber es wiederholt sich immer alles irgendwie.« (4  :26) (zeigt auf das Foto der ukrainischen Zwangsarbeiterin) »Den Namen wollte ich Ihnen noch sagen, den er [der Bruder, K.L.] rausgekriegt hat. Wir Kinder wussten nie den Nachnamen. Und er sagt, Lasarewa.« (4  :35) Frage  : Wo wurde das Foto denn aufgenommen  ? Wissen Sie das  ? T.: »Nein, das weiß ich nicht. Da sag ich einfach nichts dazu. Ich war glücklich, dass ich das wenigstens immer hatte dann. Als Erinnerungsstück. Denn sonst wusste ich ja, es ist nichts zu machen. Und wir wissen ja selbst alle, nicht nur Hitler, nicht nur andere – wer war noch so ein Lump – Napoleon, also, die haben ja alle gemordet.« (5  :02) Frage  : Wie war das denn  ? Sie haben gesagt, dass sie 1942 erst nach Plauen gekommen sind  ? T.: »Für immer. Die Mutter meines Vaters, die war auch mit in dem Betrieb, Nietzsche, der jetzt platt gemacht wurde und gar nicht mehr da ist.« Frage  : Und wie hatten Sie denn – Sie waren ja neu in Deutschland, neu im Reich – wurde Ihnen gesagt, wie sie mit der Katja umzugehen hatte  ? T.: »Das weiß ich nicht mehr. Es war so viel. Es fängt an, am Ende vielleicht des Krieges, aber, lassen Sie mich überlegen, ich bin ’44 in die Schule gekommen. Wir wussten das nicht.« (5  :44 Min.) […] (6  :03 Min.)

Anhänge 

| 491

Frage  : Und Katja wurde bei Ihnen im Haushalt so richtig als Familienmitglied aufgenommen  ? T.: »Da muss man sagen, sie hat also ein kleines Zimmer oben gehabt.« (6  :14 Min.) Frage  : Sie hat also auch mit im Haus gewohnt  ? T.: »Ja.« (6  :20 Min.) […] (7  :21 Min.) Frage  : Hat Katja irgendeine Bezahlung bekommen  ? Oder war ihre Arbeit für Kost und Logis. T.: »Eine nette Geschichte habe ich mir gemerkt. Dass sie glücklich war, dass sie endlich mal schöne Unterwäsche hatte. Ich kann es richtig verstehen. Das war alles. Also, ich glaube nicht, dass sie groß Geld bekommen hat. Aber sie wurde sehr gut behandelt. Es wurde ihr ja auch gedankt.« (7  :47 Min.) Frage  : Sie wurde also richtig zum Familienmitglied  ? T.: »Jawohl.« Frage  : Können Sie ungefähr einschätzen, wie alt Katja war  ? T.: »[…] Ja. Ich sag mal um die 30.« (8  :03 Min.) Frage  : Hat sie Ihnen eigentlich was aus ihrer Heimat erzählt  ? T.: »Ich war trotz alledem noch etwas zu klein. Wenn ich jetzt noch weiß, dann müsste ich mal meinen Großen fragen.« (8  :16 Min.) […] (8  :52 Min.) Frage  : Was waren Katjas Aufgaben  ? T.: »Das Tollste, was sie so geleistet hat, da hat meine Mutter, sie hatte die Freunde in Greiz. Und es stand bevor, scheinbar, dieser letzte große Angriff. Und da war die Katja dann auch sofort und die konnte auch mit Pferden umgehen und den Wagen anspannen. Das hat sie alles arrangiert. Sie hat uns dorthin gefahren und uns auch wieder zurückgebracht. Zurückgebracht so, dass sie als Vorhut kucken sollte, was war kaputt und was nicht und wie es den Großeltern, den Urahnen ging. Und dann sind wir wieder alle geholt worden nach Plauen.« Frage  : Also war Katja mit Ihnen in Greiz  ? T.: »Ja, sie war eben eine Vertrauensperson.« (9  :00 Min.) Anhang 4: Interview mit Volker Freitag am 30. Dezember 2013

Das Interview mit Volker Freitag – Jahrgang 1938, 1944 eingeschult, lebte mit seinen Eltern in der Bülowstraße – fand in einem Café in Plauen statt. Herr Freitag stand dem Thema der Befragung sehr aufgeschlossen gegenüber und hatte Interesse daran, bei der Erforschung der Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkrieges behilflich zu sein. Er erzählte ruhig und detailliert. Auch hier wurde ein freier Stil bei der Durchführung des Interviews gewählt.

492 | 

Anhänge

Einleitende Frage  : Herr Freitag, was können Sie denn über die Zeit in Plauen – über die Fremd- und Zwangsarbeiter erzählen  ? (0  :13 Min.) Volker Freitag  : »Ja, ich hatte Ihnen ja schon geschrieben, ich bin Jahrgang ’38, das heißt, in den Kriegsjahren bin ich als Kind aufgewachsen. Und, äh, als Kind nimmt man verschiedene Dinge anders wahr, als wenn man als Erwachsener die eine oder andere Situation verstandesgemäß begreifen oder handeln muss. (0  :39 Min.) […] (0  :48 Min.) Meine ersten Eindrücke reichen eigentlich sehr weit zurück. ’42, da war ich vier Jahre alt. Der Vater war nicht da, ich habe noch zwei Geschwister, dann wurde noch mein Bruder geboren. Mein Großvater kümmerte sich um uns Kinder. Und da hat mich das schon beeindruckt, was damals hier in Plauen so los war. Das ist jetzt nicht abwertend gemeint, aber ich muss sagen, beeindruckt hat mich beispielsweise an Hitlers Geburtstag, da sind – haben wir einen Stadtgang gemacht. Da können Sie sich gar nicht vorstellen, wie das auf ein Kind wirkt, wenn Sie die Neuendorfer Straße heruntergehen und links und rechts ein Fahnenmeer. Unsäglich. Das ist natürlich beeindruckend. Das begeistert erst einmal. (1  :43 Min.) Es kommt dann hinzu, wie gesagt, mein Großvater war, oder ich war an seiner Hand, waren wir am Stadion draußen. So, wie das Stadion heute noch steht, so sah es damals nicht ganz aus. (2  :00 Min.) […] (2  :10 Min.) Da waren die sogenannten Reichsjugendfestspiele. Und das war auch sehr beeindruckend. Und dort, wo heute die Vorplätze sind, die Nebenspielplätze, dort war das sogenannte große Maifeld. Dort wurde die Hitlerjugend aufmarschieren lassen, die dann ins Stadion ein… also interessante Erlebnisse. (2  :29 Min.) Das zuerst. Da hat man als Kind noch gar nicht so recht begriffen, dass Krieg ist. Sondern das war erst einmal beeindruckend. (2  :40 Min.) […] (4  :03 Min.) Und dieses Westviertel [der Stadt an der Bülowstraße, heute Robert-Blum-Straße, K.L.] war ja mit drei Kasernen gespickt. Es gab also sehr enge Kontakte zunächst erst einmal zu den dort stationierten Soldaten.« (4  :13 Min.) (43  :40 Min.) Frage  : Können Sie aufgrund der geographischen Nähe Ihres Wohnhauses zur Roonstraße, in der sich die Industrie-Werke befanden, die über zahlreiche Zwangsarbeiter verfügten, etwas erzählen  ? Volker Freitag  : (44  :40) »Das Lager erstreckte sich über das Areal, das am Hang liegt, bis rüber zu den I-Werken. Und, äh, dort in den I-Werken ist mir noch geläufig, dort wurden auch Flugzeugkanzeln hergestellt, die dann später gelagert waren und wir haben das Plexiglas mit dem Hammer rausgeklopft und angezündet. Das hat ganz schöne Fackeln gegeben. Dort in dem Lager waren Fremdarbeiter und wir als Kinder sind dort an den Gartenzaun hin. Und sind mit denen auch quatschenderweise – was dort gesprochen wurde, weiß ich nicht mehr. Kolonnen habe ich nicht gesehen, aber ich habe die Leute in dem Lager rumlaufen sehen. (45  :22 Min.) Ich hab, mir ist auch noch sehr deutlich in Erinnerung, die Kappen, die die aufhatten mit ihrem roten Stern dran. (45  :29 Min.) Und, äh, da hat man dann auch gesagt, nicht mit denen einlassen  ; nichts nehmen. Die wollten ein Stück Brot haben und haben gebastelt. (45  :43 Min.)

Anhänge 

| 493

Ich weiß, mir hat mal einer so ein kleines gebasteltes Flugzeug, Holzflugzeug, aus drei, vier kleinen Holzstückchen zusammengezimmert und bemalt, wie sie das mit Kohle gemacht haben, oder was, weiß ich nicht. Auf jeden Fall, es war auch ein Hakenkreuz dran. (46  :06 Min.) Und, äh, ein kleiner Propeller vorne und zwei Nägel, an denen sich die zwei Rädchen, die sich nicht drehten. (46  :19 Min.) Der hat mir das vorgemacht, aber wir haben nichts genommen. (46  :24 Min.)«

10 Personenregister Adamczak, Franziska d. 317, 318 Ambrosenko, Afanasi 291 Anufriew, Nikita 289, 290 Arbore, Guiseppe 324 Bajer-Suwalska, Halina 417 Bakumez, Narija 229 Bauer, Max 341, 344 Bickel, Theodor 50 Bogdanenka, Ewgenia 260, 315, 316 Brandeß, Theodor 93 Brenner, Hans 24 Breuer, Auguste 403 Bubak, Felicja 325 – 327, 329, 331, 332, 342 Carpentier, Lucien 157 Collin, Horst 241, 297, 300, 301, 309, 313 Crail, Anker 198 Demps, Laurenz 24, 393 Dreikorn, Alfred Hermann 412 – 415, 417, 424 Eijmers, Martinus 222, 223, 226 Erhardt, Willy 50, 72 Flämig, Rüdiger 50 Forkel, Albert 241 Frank, Hans 105 Frickart, Wilhelm 187, 189, 197 Fritsch, Eugen 84, 87 Fritz, Ulrich 24, 408, 409 Frymann, Daniel.  siehe Claß, Heinrich Gevaert, René 157, 352 Glauning, Hans 86, 87 Glier, Erich 50, 55, 65, 70, 81 Goebbels, Magda 70 Goehle, Artur 87 Göring, Hermann 16, 106 Göschel, Helmut 30, 241, 284, 299, 301, 304, 309, 312 Groh, Martin 84 Gruber, Kurt 82

Guderian, Hans 171 Guillet, Laurent 7 Hanoldt, Arno 87 Hanusch, Karl 70, 89 Hempel, Albert 69 Herbert, Ulrich 16, 19, 98, 101, 132, 144, 214, 246, 330 Hernla, Werner 24, 261, 315 Heß, Arthur 82 Heß, Kurt 30, 225, 241, 244 Himmler, Heinrich 106, 355, 390 Hindenburg, Paul von 86 Hitler, Adolf 72, 85, 86, 89, 112, 113, 115, 378, 412 Hitzler, Alfons 84, 171 Hölz, Max 70, 71, 81 Hummel, Kurt 84 Ibragimow, Aleksander 382 Jatkowska, Sara 407 Joram, Kurt 30, 332 Keymeulen, Polydoor 351, 353 Kowalewski, Ryszard 218 Lasarewa, Praskowja 30, 240, 242 – 244 Lemberg, Karl 273 Lenk, Georg 82 Lesage, André Jules 215 Ley, Robert 86 Liénhard, Yvon 213, 215 Loon, Adriaan van 209, 212 Mildenstrey, Richard 87 Minnaert, Prudence 220 Müller, Friedrich 38 Mutschmann, Martin 82, 121, 423 Naujokat, Hildegard 416 Naumann, Gerd 35, 47, 63, 88, 93

Personenregister 

Pede, Carolus 188, 236 Pede, Renee 236 Pohl, Oswald 390 Pustakowa, Alexandra 225, 232, 234, 244 Rath, Ernst Eduard vom 94 Raymond, Jean 226 Reiche, Robert 203, 278 Reußner, Willy Bruno 412, 413, 415, 424 Rogowenko, Natalia 233 Rostowzew, Georg 284, 290, 291, 297 Rublewsky, Petro 290, 291, 324 Sandrak, Alexander 291 Santerre, Joseph 7 Sauckel, Fritz 113, 115, 117, 154, 158, 179, 182, 204, 211, 216, 239, 240, 258, 309 Schlotte, Max 87, 88 Schmolling, Rolf 24, 401 Schubart, Artur 290, 291, 298

Seyß-Inquart, Arthur 157 Speer, Albert 110, 113, 127, 130, 390 Spengler, Georg 84 Spoerer, Mark 9, 12, 15, 98, 107, 132, 224, 226, 227, 311, 314 Svejda, Jaroslav 343 Tailpiedeinen, Jean-Christophe 7 Thomsen, Frauke 30, 240, 242, 244 Thomsen, Herbert 30 Thoß, Willy 84 Todt, Fritz 113 Tomaske, Else 415, 417 Valek, Johann 329, 330 Verley, Rene 213 Wörner, Eugen 88, 94, 95 Wynoradnick, Wladimir 290, 291, 298

| 495

11 Sachregister Abwehrbeauftragter 321 Adoros Teppichwerke Uebel Adorf 23, 365, 378, 383, 385 Albert Müller Maschinenfabrik 184, 336, 337 Alfred Rudert Nachfolger Metallwaren 337 Arbeitsamt 26, 101, 103, 105, 122 – 124, 139, 144, 148, 154, 167, 171, 239, 240, 258, 261, 263, 285, 291, 292, 309, 322, 333, 354, 360, 362, 376, 394, 416 Arbeitsbummelei 319, 321, 322, 324, 325, 327, 330, 346, 349, 377, 412 Arbeitserziehungslager 7, 15, 31, 319, 320, 329, 348, 350, 352, 354 – 356, 413, 415 Spergau 348 Arbeitskommando 361 Arbeitsvertragsbruch 175, 214 – 216, 218, 319, 325, 327, 329, 330, 346, 349, 412 Arnold Ritter Maschinenbauunternehmen 352 – 354 Ärztliches Ambulatorium für Ausländer 285 August Peter Werkstätten für Holzbearbeitung 289 Auschwitz, Konzentrationslager 114, 144, 176, 393, 395, 397, 401, 402 Auskämmung 113, 127 Ausländerlager 30, 119, 122, 124, 183, 184, 187, 193, 200, 206, 251, 263, 264, 267, 272, 300, 302, 366, 420 Ausflug 184, 284, 291 Bahnhofshotel Barthmühle 185, 187, 189, 191, 192, 195, 196, 205 Gasthof Thiergarten 186, 189, 196, 268, 271 Gemeinschaftslagers Plauen-Chrieschwitz 201 Hotel Steinicht (Schwemme) 188, 190, 205, 268, 269, 278 Immerda 200 Klopstockstraße 205 Loge 284, 290, 291 Morgenberg 200, 201 Rothenburg 184

Weißer Stein 28, 183, 184, 188, 192, 194, 203, 204, 236, 294, 295 ausländische Zivilarbeiter 8 – 10, 13, 23 – 25, 28, 30 – 32, 37, 38, 99, 101, 109, 132, 133, 137, 139 – 141, 143, 145, 153, 155, 160 – 164, 166, 168, 176, 182, 183, 187, 199, 211, 217, 235, 262, 274, 332, 360, 363, 413 Balten 107 Belgier 177, 209, 213, 349 Franzosen 162, 176 – 178, 184, 209, 214, 257, 349, 354 Französinnen 302 Italien 147 Italiener 101, 140, 177, 184 – 186, 188 Niederländer 101, 209, 212 Ostarbeiter 14, 17, 25, 31, 103, 107, 115 – 119, 141, 147 – 149, 154, 158, 159, 164, 166, 168, 169, 174, 180, 181, 183, 192, 207, 210, 212, 223, 225 – 227, 229, 235 – 237, 254, 257, 258, 263, 265, 273, 275, 277, 281, 289, 291, 292, 296, 303, 324, 328, 344, 419 Ostarbeiterinnen 25, 26, 30, 148, 154, 168, 180, 200, 227, 228, 230, 231, 233, 234, 239, 242, 261, 274, 299, 300, 302, 305, 309, 310, 313 Polen 105, 107, 109, 116, 145, 146, 157, 162, 174, 175, 182, 188, 192, 211, 214, 218, 227, 229, 236, 246, 248, 250, 252, 253, 257, 264, 266, 273, 282, 285, 317, 328 Polinnen 154, 253, 261, 299, 305, 309, 313 Sowjetunion 158 Spanier 324 Tschechen 103 Tschechoslowakei 158 Westarbeiter 13, 107, 149, 153, 163, 167, 173, 181, 192, 210, 222, 226, 273, 294 Westarbeiterinnen 200 Auto Union 20, 157, 160, 161, 166, 175 Bauernführer 370 Baugewerbe 358, 359, 380 Bergbau 358, 379

Sachregister 

Bergen-Belsen, Konzentrationslager 144, 176, 397, 402 Buchenwald, Konzentrationslager 409 Dachau, Konzentrationslager 114 Deutsche Arbeitsfront 85, 86, 115, 116, 121 – 125, 138, 171, 173, 186, 187, 198, 225, 241, 258, 263, 277, 291, 302, 322 Deutsche Erd- und Steinwerke 389 Deutsche Volkspartei 74 Deutschnationale Volkspartei 74, 75 Displaced Persons 32, 421 Dr. Th. Horn 22 – 24, 32, 171, 333, 387, 408 – 411 Durchgangslager 359 Dulag 314 360 Entschädigungsdebatte 423 Erla-Maschinenwerk Leipzig 22, 151, 196 Erster Weltkrieg 17, 47, 54 – 56, 59, 63 – 67, 69, 70, 74, 83, 97 – 99, 102, 248, 356, 357 E. Süppel Vogtländische Elektro-Industrie 337 Euthanasie 117 Evakuierungsmarsch 421 Fahrzeugbau 126, 128, 131, 134, 142 F. A. Mannen 50 F. A. Roßbach Ziegelei 337, 340 – 342 Fliegerhorst Plauen-Kauschwitz 174, 196 Flockenbast 292 Flossenbürg, Konzentrationslager 23, 32, 389, 393, 394, 396, 398, 399, 404, 407 – 409 Formations des travailleurs étrangers 110 Forstamt Plauen 376 Forstwirtschaft 365, 371, 373, 374, 377 Franz Stark & Söhne Netzschkauer Maschinenfabrik 225, 297 Freiwilliger Arbeitsdienst 85, 87, 90 Fremdsprachenverlag 23, 25, 30, 150, 197, 198 Friedrich Weber & Co., Berlin 22, 223 Gardinenfabrik Plauen AG 29, 30, 165, 199, 200, 207, 211, 225 Gasthof Mehltheuer 365, 367, 368 Geheime Staatspolizei 104, 106, 108, 119, 149,

| 497

151, 199, 291, 317 – 322, 324 – 330, 332, 344, 348, 354, 355, 391, 412 – 414, 420 Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz 26, 37, 113, 116 – 118, 131, 154, 158, 183, 186, 210, 215, 216, 239, 257, 277, 289, 293, 299, 300, 307, 311, 314 Generalgouvernement 105, 107, 108, 111, 114, 122, 227, 282 Generalplan Ost 111 Genfer Konventionen 104, 151, 180, 357, 358, 363 Gesundheitsamt 92, 122 – 124, 148, 206, 263, 312, 365 Gewerbeaufsichtsamt 116, 122 – 125, 168, 185, 206, 263 Gewerkschaften 84 – 86, 101 Ghetto 14, 108, 114 Groß-Rosen, Konzentrationslager 144, 409 Guth & Lindert Bekleidung 337 Haager Kriegsordnung 358, 361 Hausindustrie 44, 45, 97 Hausweberei 51, 55 Heinkel- und Messerschmitt-Werke 23 Herrmann Lang Baumwoll-Weberei 185, 193, 205, 207, 412 Hilfskrankenhaus Waldschule 284 Hitlerjugend 82 Holocaust 94, 95, 108 Holzmühle 25, 31, 264, 422 Behelfskrankenhaus 256 Entbindungsstelle 261, 283, 299, 301, 302, 304, 305, 312, 315 Rückkehrersammellager 24, 154, 260, 262, 265, 269, 290, 291, 295, 297 Höppner, Gebrüder 290 Industrie-Werke AG 22, 129, 130, 187, 202, 222, 223, 226, 237, 387, 392 – 396, 398 – 400, 404, 415, 416, 421 Internationales Militärtribunal 16, 17, 423 International Labour Office 16 International Labour Organization 17 Italienische Militärinternierte 151, 350, 356, 364, 365

498 | 

Sachregister

Juden 92 – 96, 99, 101, 104, 107 – 109, 114, 116, 227, 343, 394, 402, 411 Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG 23, 166, 199, 211, 219, 220 Karstadt 129, 165 Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands 71 Kommunistische Partei Deutschlands 71, 72, 74, 75, 78 – 81, 84, 87, 97 Konskription 105, 108, 156, 158 Konzentrationslager 7 – 9, 14, 16, 17, 19, 24, 32, 94, 101, 104, 106, 114, 132, 144, 175, 176, 223, 312, 318, 320, 322, 324, 339, 343, 348, 355, 356, 387, 388, 390, 391, 413, 415, 421, 422 Aufseher 406, 409, 423 Aufseherinnen 32, 393, 395, 397, 403 – 405, 415 – 418 Krankenkasse 292 Kriegsgefangene 8, 9, 14, 23, 31, 32, 99, 132 – 135, 137, 138, 141, 144, 145, 150, 174, 183, 250, 359, 361, 365, 411 Belgien 138, 368, 371 Bulgarien 368 Dänemark 368 Frankreich 110, 138, 139, 146, 179, 246, 358 – 360, 364, 367 – 369, 373 Griechenland 368 Großbritannien 147, 358, 367, 368, 383 Holland 368 Jugoslawien 368 Polen 104, 138, 157, 246, 357, 368 Rumänien 368 Russland 368 Sowjetunion 104, 112, 115, 138, 144, 147, 261, 364, 372, 378 – 380, 386 Tschechen 368 Ukraine 368 Ungarn 368 USA 385 Kulmhof-Chelmno, Vernichtungslager 114 Kunstschule für Textilindustrie 68 – 70, 88, 89, 241 Kurt Völckner elektrotechnische Fabrik 336 Landwirtschaft 23, 25, 31, 45, 98 – 100, 104, 109, 110, 131, 134, 135, 137, 140, 142, 148, 149, 162,

176, 252, 309, 317, 334, 338, 357 – 360, 370, 372, 377, 399 Lutherisches Pfarramt Plauen 279 Mauthausen, Konzentrationslager 390 Metallwarenfabrik Mylau 244, 309, 310, 312 Mittelbau-Dora, Konzentrationslager 410 Mitteldeutsche Spinnhütte 208 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei 48, 57, 59, 66, 72, 74, 78 – 82, 84, 86 – 88, 121, 412, 413 Novemberpogrome 94, 95 Nürnberger Gesetze 114 Organisation Todt 110, 123, 410 Oskar Keßler Bauunternehmen 180 Osram 22 – 24, 32, 129, 130, 144, 168, 174, 180, 200, 204, 219, 222, 236, 237, 277, 387, 392, 394, 395, 400, 415 Ostarbeiterabgabe 109, 117, 227, 229, 230, 232, 234 Ostarbeiter-Erlasse 115, 271 PAN GmbH Plauen 151, 196 Panzer-Programm 169 Plauener Baumwollspinnerei 22, 129 – 131, 168, 187, 195, 200, 202, 207, 222, 236, 277, 387, 392 – 401, 415 – 417, 421 Plauener Straßenbahn 291 Polen-Erlasse 106, 115, 263, 280 Reichsarbeitsdienst 123, 238 Reichsarbeitsministerium 35, 105, 123, 135, 163, 280 Reichsbahn 23, 25, 31, 146, 149, 169, 185, 258, 365 Reichsbahn-Bahnbetriebsamt Plauen 351 Reichsbahn-Betriebsamt Plauen 147, 365, 367 Reichsfinanzministerium 389 Reichsführer SS 106, 116 Reichsnährstand 115, 198, 251, 263 Reichspost 149, 169 Reichssicherheitsdienst 412 Reichssicherheitshauptamt 106, 328, 348

Sachregister 

Repartiierung 422 Rote Armee 117, 421, 422 Rückkehrersammellager 25, 31, 154, 257, 260, 262 Rüstungskommando Chemnitz 128, 169, 171 – 173, 175, 182, 321, 359, 361, 362, 368, 389 Sachsenhausen, Konzentrationslager 339, 348 Sachsenhof 365, 366, 368 Gemeinschaftslager 350 Straflager 7, 31, 39, 319, 349, 351 – 356 Sächsische Elektrizitätswerken 291 Sächsische Zellwolle AG 22, 29, 147, 162, 163, 176, 186, 195, 208, 212 – 214, 217, 297 Schlachthof Plauen 335, 337 Schützenhalle Pausa 368 – 370 Schutzhaft 104, 318, 320, 322, 327, 335, 339, 342, 347, 348 Schutzstaffel 84, 85, 87, 103, 108, 114, 119, 355, 389, 390, 393, 397, 398, 416, 420, 421 Schwangerschaft 24, 229, 300, 303, 305, 307, 310 – 312, 315, 316 Schwangerschaftsabbruch 312 Service du travail obligatoire 110, 179 Sicherheitsdienst der SS 107, 109, 318 Siemens-Schuckert-Werke 23, 55, 402 Sozialdemokratische Partei Deutschlands 72, 74, 79 – 81, 84, 88 Spergau, Arbeitserziehungslager 329 Spitzenweberei Plauen 393 SS-Baubrigade 339, 390 SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt 387, 389, 393, 402 Amt C 410 Amt D 390 Stadtbauamt 338, 339 Stadtkrankenhaus Plauen 93, 149, 250, 264, 283, 288, 291, 292, 294, 295, 300, 382 Stammlager 359, 363, 375, 377 Stalag 314 360 Stalag 334 360 Stalag Hartmannsdorf 361 Stalag IV F 367, 370 Straßenbau 357

| 499

Sturmabteilung 81, 85, 87, 108 Telegrafenbauamt 149 Teppichfabrik Zentrale AG Oelsnitz i.V. 142, 143 Textilindustrie 22, 27, 29, 44, 45, 47, 49 – 55, 57, 58, 63 – 65, 73, 81, 97, 108, 120, 125 – 127, 129 – 131, 134, 142, 160, 216, 218, 275 Tüllfabrik Mehltheuer 176, 388, 402 – 404, 406, 407, 415, 417, 418 Tüll- und Gardinenweberei AG Plauen 30, 200, 223, 225, 227, 228, 230, 233, 234, 274 Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland 74, 75 Untersuchungshaftanstalt Plauen 31, 151, 317, 320, 324 – 328, 330, 333 – 336, 339 – 343, 345, 347, 413, 415 Untertageverlagerung 32, 410, 411 Vernichtungslager 114 Vertrauensärztlicher Dienst des Arbeitsamtes Plauen 290 – 292, 295, 296 Vigogne-Spinnerei Werdau 259 Vogtländische Maschinenfabrik AG 20, 22 – 24, 28, 29, 32, 56, 71, 81, 135, 142, 144, 147, 149, 150, 155, 160, 162, 166, 167, 169 – 171, 173, 175 – 185, 192, 194, 197, 198, 206, 214, 218, 277, 291, 294, 295, 336, 338, 340, 343, 344, 365, 378 – 380, 382, 386, 388, 403 Vogtländische Metallwerke GmbH 22, 178, 179, 182, 184, 194, 294, 324, 337 Völkisch-sozialer Block 48, 57, 72, 78 Wehrmacht 14, 26, 30, 104, 107, 108, 110 – 113, 116, 119, 126, 130, 135, 137, 158, 165, 166, 169, 171, 172, 174, 186, 218, 238, 241, 337, 358, 363, 366, 367, 370, 374, 375 Weltwirtschaftskrise 56, 59, 66, 81, 100, 103, 169 Werkschutz 32, 115, 155, 321, 344, 348, 356, 412 – 414, 417, 423 Wirtschaftsamt 273 Wirtschaftsverwaltungshauptamt 114

12 Ortsregister

Adorf 383 Barthmühle 147, 184 – 187 Belgien 14, 99, 107, 157, 353, 354, 408 Bergen 376 Bergen-Neudorf 374 Brandenburg (Havel)-Gören 375 Chemnitz 29, 46, 63, 73, 128, 133, 135, 138, 160 – 163, 165, 360, 361 Chrieschwitz 341, 344 Dresden 63, 79, 128, 130, 161, 291, 332, 335, 343, 345 England 44, 55 Flossenbürg 24, 421 Frankreich 7, 14, 16, 44, 107, 110, 142, 156, 157, 167, 354, 371, 394, 402, 408 Glauchau 360 Görschnitz 250 Greiz 242, 244 Großbritannien 16, 56 Großfriesen 246 Gutenfürst 249 – 251, 272, 317 Halberstadt 166, 219 Haselbrunn 345 Herlasgrün 372, 374 Holland 408 Holleischen 393, 405 Italien 150, 158, 177, 394, 408 Jocketa 191 Johanngeorgenstadt 421 Jößnitz 264 Jugoslawien 394, 408

Karlsbad 421 Kauschwitz 24, 154, 257, 283, 301 Kleingera 373 Kroatien 394 Leipzig 22, 63, 78, 79, 128, 160, 161, 163, 171, 214, 267 Lengenfeld 408, 410 Linda 250 Łódź 108, 282 Mechelgrün 246, 360, 368, 371 Mehltheuer 24, 144, 147, 175, 365, 367, 402, 404 Meßbach 420 – 422 Mylau 309 Neustadt 376 Niederlande 157 Nürnberg 402 Oelsnitz i.V. 23 Pausa 146, 250, 377 Polen 98, 99, 102 – 105, 107, 114, 142, 143, 156, 394, 402, 408 Poppengrün 376 Reichenbach 250 Schönheide 329 Serbien 402 Sowjetunion 16, 17, 26, 98, 102, 103, 109, 111, 112, 156, 181, 408 Syrau 283, 301 Taltitz 420 Thiergarten 84, 147, 187, 420 Trieb, OT Rentzschmühle 146, 269 Ungarn 98, 402 USA 16, 50

Ortsregister 

Waldheim 336, 375 Wallengrün 369 Warschau 393 Weischlitz 155, 264, 413 Werda 376

Zittau 128 Zwickau 40, 73, 79, 128, 157, 160, 175, 354, 412, 415 Zwoschwitz 270

| 501

Dank

Zuallererst möchte ich mich bei meinem Betreuer und Erstgutachter Apl. Prof. Dr. Andreas Dornheim bedanken. Ohne ihn wäre die vorliegende Arbeit nicht möglich gewesen. Er war es, der mich auf das Thema »Zwangsarbeit« für die Zeit des Zweiten Weltkrieges und die bestehende Forschungslücke in der Geschichte der Stadt Plauen aufmerksam machte. Professor Dornheim gab stets wichtige inhaltliche wie fachliche Impulse und ließ meiner Forschung gleichzeitig Raum, um sich individuell entwickeln zu können. Ganz herzlich möchte ich mich ebenso bei Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Lenz bedanken, der die Zweitbetreuung der vorliegenden Arbeit übernahm. Er führte die Studie mit hilfreichen Ratschlägen aus der einen oder anderen Krise und trug somit entscheidend zu ihrer Fertigstellung bei. Mit seiner Expertise stand der vorliegenden Arbeit ebenfalls Gerd Naumann zur Seite. Als Mitarbeiter des Vogtlandmuseums gab er wichtige Hinweise zu Quellen und Ereignissen und stellte den Kontakt zu wichtigen Partnerinnen und Partnern her. Stellvertretend für die Kennerinnen und Kenner der vogtländischen Geschichte sei Christian Suhr genannt, der mir besonders wichtige Quellen aus seinem Privatbestand zur Verfügung stellte. Für ihre gewissenhafte Arbeit und Unterstützung möchte ich ebenfalls Doris Meijler, Leiterin des Stadtarchivs Plauen, danken. Sie und ihre Mitarbeiterinnen füllten Überlieferungslücken mit in den Beständen des Stadtarchivs noch nicht erschlossenem Schriftgut. Ihrer tiefgehenden Recherche verdankt die Arbeit ihre Quellenstudien. Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Staatsarchivs Chemnitz sei ein herzlicher Dank ausgesprochen. Sie machten mich ebenfalls auf noch nicht tiefenerschlossenes Schriftgut aufmerksam, ohne das die Arbeit nicht hätte geschrieben werden können. Für ihre Unterstützung bedanke ich mich außerdem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, der Arolsen Archives, der Bundesarchive in Berlin und Freiburg i. Br. sowie des Landesarchivs Berlin. Ein besonderer Dank gebührt den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die ihre ganz persönlichen Erinnerungen, Erfahrungen und Gedanken mit mir teilten und so entscheidend zu der vorliegenden Studie beitrugen. Mein persönlicher Dank gilt schließlich den Personen, die stets ein offenes Ohr für meine Anliegen hatten und Probleme auch bis spät in die Nacht mit mir diskutierten. Dr. Janina Rojek stand mir mit ihrer besonnenen Art zur Seite, wenn der Weg steinig war. Sarah Böhmler und Carolin Zölch danke ich stellvertretend für alle, die sich mit meiner Studie auf meine Bitte hin auseinandergesetzt haben, für ihre Korrekturvorschläge. Sie und andere haben viel Zeit in die Verbesserung meiner Arbeit investiert. Ein besonderer Dank gebührt aber meiner Familie, ohne die die Arbeit nicht denkbar gewesen wäre. Ute und Sven Lippert, Lutz Mönnich, Christine und Klaus Lukat

Dank 

| 503

haben nie an der erfolgreichen Fertigstellung gezweifelt und mich stets darin unterstützt. Abschließend sei Harald S. Liehr, Julia Roßberg und dem Team des Böhlau Verlages für ihre Arbeit gedankt. Ohne sie wäre die Studie nicht von diesen Buchdeckeln eingefasst. Wiesbaden, im September 2019