Zwang und Willkür: Leben unter städtischer Herrschaft in der Lombardei der frühen Stauferzeit 9783205790525, 9783205784999

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Zwang und Willkür: Leben unter städtischer Herrschaft in der Lombardei der frühen Stauferzeit
 9783205790525, 9783205784999

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Ferdinand Opll

Z WA N G U N D W I L L K Ü R Leben unter städtischer Herrschaft in der Lombardei der frühen Stauferzeit

Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar

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Gedruckt mit Unterstützung durch:

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Wien

MA 7, Kulturabteilung der Stadt Wien, Wissenschafts- und Forschungsförderung Österreichische Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78499-9 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http ://www.boehlau.at http ://www.boehlau.de Umschlagabbildungen: Vorderseite: Trägerfigur (italienisch : telamone ; deutsch : Atlant) von der Domfassade zu Piacenza als Symbol des geknechteten Menschen im Mittelalter ; Foto : F. Opll. Rückseite : Landschaft am Nordufer des Po-Flusses gegenüber Parpanese in der Provinz Pavia ; Foto : F. Opll. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Druck : Prime Rate, 1047 Budapest

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Meinem verehrten Lehrer Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Heinrich Appelt zum Gedächtnis

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Grundlagen unseres Wissens – die Überlieferung . . . . . . . . . . . . Unsere Gewährsmänner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuverlässigkeit von Erinnerung vs. Vergessen und Verdrängen . . . Die chronologisch verwertbaren Angaben in den Zeugenaussagen vom 14. und 15. November 1184 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nennung des zeitlichen Abstandes von Ereignissen der Vergangenheit bis zur Gegenwart des Jahres 1184 . . . . . . 2. Nennung vergangener Ereignisse unter Bezugnahme auf historische Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwähnung bekannter Amtsträger der Städte . . . . . . . . 3.1 In den Zeugenverhören erwähnte Paveser Konsuln bzw. Podestà . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 In den Zeugenverhören erwähnte Piacentiner Konsuln und Podestà . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die fünf Orte zwischen Pavia und Piacenza . . . . . . Mondonico im 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . Monticelli (Pavese) im 12. Jahrhundert . . . . . . . Olmo im 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . Parpanese (Pieve di Parpanese/Pievetta Dogana Po) im 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Marzano im 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Zwang und Willkür : Allgemeine Erkenntnisse und Einsichten zum Leben unter städtischer Herrschaft – Individuelle Schicksale . . . . Allgemeine Erkenntnisse und Einsichten . . . . . . . . . . . . . Lokale Verwaltungsstrukturen und deren Organe . . . . . . . Regelungen betreffs der Ausübung von Herrschaft sowie jurisdiktioneller Vorgangsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . Belastungen der Beherrschten in Form persönlicher Dienstleistungen und/oder finanzieller Verpflichtungen . . . Herrschaftliche Regelungen betreffs wirtschaftlicher Normen Vorkehrungen betreffs der persönlichen Sicherheit . . . . . . Individuelle Schicksale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der »große« politische Rahmen und seine Bedeutung für die Leute im Contado . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geschichte(n) von unten aus dem Mittelalter – Ein Resümee . . . . . .

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Anhänge Anhang i : Die Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang ii : Die im November 1184 zu Pavia einvernommenen Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang iii : Die in den Verhören vom November 1184 zu Pavia erwähnten Konsuln von Pavia und von Piacenza . . . . . . . . Anhang iv : Wörtliches aus den Aussagen der Zeugen vom November 1184 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

»… faciebant hominibus plebis bonum et malum secundum quod eis placebat.« (Und sie fügten den Leuten des Pfarrortes Gutes oder Schlechtes zu, je nachdem, wie es ihnen gefiel.) Diese Bemerkung entstammt dem Mund eines gewissen Oberto de Alda, eines Mannes aus dem kleinen Ort Parpanese am Po, den man wegen seiner Funktion als Pfarrort auch ganz einfach als plebs (Pfarre) bezeichnete. Oberto charakterisiert damit in seiner Zeugenaussage, die er in einem Rechtsverfahren am 15. November 1184 in Pavia abgab, wie sich die vor vielen Jahren über seinen Heimatort gebietenden Herren von Fontana gegenüber ihren Untertanen zu verhalten pflegten. Zugleich leitet die Aussage in mancher Hinsicht auch über zu den Formen, wie sich – ganz allgemein – Herrschaft in dieser Epoche veränderte, in welcher Art und Weise nur wenig später Städte die Position adliger (und anderer) Herren ein- und übernahmen. Die Bemerkung macht in jeder Weise Eindruck, und das in vieler Hinsicht. Sie stellt geradezu eine Art Kondensat dessen dar, was Leben und Leiden der Menschen in den lombardischen Landgebieten des hohen Mittelalters ausmachte. Aus der Beschäftigung mit der Geschichte des mittelalterlichen Reiches unter Friedrich Barbarossa, die mein wissenschaftliches Dasein und Arbeiten seit beinahe vier Jahrzehnten stark prägt, wie zugleich aus dem Umgang mit städtischer Geschichte, zumal vergleichender Stadtgeschichtsforschung, die – hergeleitet von dem zuerst genannten Schwerpunkt meiner Studien, in weiterer Folge freilich sehr stark von meiner beruflichen Laufbahn am Wiener Stadt- und Landesarchiv als Wissenschaftler wie Archivar bestimmt – den zweiten Fokus meiner wissenschaftlichen Tätigkeit bildet, resultiert ein lebensbegleitendes Interesse an dem so vielfältigen Phänomen Stadt. Dass dabei eine eingehende Kenntnis der Entwicklung des italienischen Städtewesens im 12. Jahrhundert nicht gerade einen Nachteil darstellt, kann im Blick auf den hohen Stellenwert, den gerade diese Städtewelt im Kontext der Ausbildung der Kommune einnimmt, nicht weiter verwundern.

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Vorwort

Viel zu diesem lange währenden und weiter anhaltenden Interesse haben über die Jahrzehnte hinweg Persönlichkeiten beigetragen, die mir mit Rat (und Tat) zur Verfügung standen, die mir neues Wissen, weiterführende Erkenntnis wie auch wissenschaftliche Anregungen höchst vielfältiger Natur freigiebig angeboten haben. Nicht wenige von ihnen haben diese große Hilfsbereitschaft, diese Anteilnahme an dem eigenen Forschungsstreben gerade auch im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Buch erneut unter Beweis gestellt, und dabei sind insbesondere Vertreterinnen und Vertreter der historischen Wissenschaft an italienischen Universitäten zu nennen. Zu großer Dankbarkeit verpflichtet fühle ich mich in diesem Zusammenhang vor allem gegenüber Francesca Bocchi (Bologna), Renato Bordone (Torino), Aldo A. Settia (Pavia/Torino) sowie Rosa Smurra (Bologna). Darüber hinaus sind mit großer Dankbarkeit mehrere Persönlichkeiten zu nennen, die mich auf einer Reise in das Gebiet der fünf Orte zwischen Pavia und Piacenza, aber auch nach Pavia und Piacenza selbst, im Juni 2009 mit großem Entgegenkommen unterstützt haben : Paul Lizioli und Arabella Earle mit ihrem so wunderbaren Haus im Oltrepò Pavese unweit Casteggio, die mir den Aufenthalt anregend machten und mir ihr Wissen über lokale Gegebenheiten freigiebig zur Verfügung stellten ; Dott. Giovanni Zaffignani, dem für das Archivio Storico und die städtischen Sammlungen in der Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia zuständigen Kollegen, wo die im Mittelpunkt unserer Untersuchungen stehenden Dokumente im Original aufbewahrt sind und ich mit Unterstützung meiner Frau am 9. Juni 2009 eine Reihe von Fotos anfertigen konnte ; den Damen und Herren vom Archivio notarile di Pavia, wo sich das großartige ganzfigurige Barbarossa-Porträt des Bernardo Cane aus dem 16. Jahrhundert (S. 185) befindet, welches bisher nur wenig Beachtung fand ; Don Eugenio Portalupi von der Dompfarre Casale Monferrato, der mir am 10. Juni 2009 Zugang zu der im Chorumgang befindlichen Statue gewährte, die als Casaleser memoria für Kaiser Friedrich Barbarossa gelten dürfte (siehe unten S. 213). – Für die Anfertigung der unverzichtbaren Kartenskizze des behandelten Raumes zwischen Pavia und Piacenza (siehe unten S. 79) danke ich Hans-Michael Putz herzlich. Das im vorliegenden Buch behandelte Thema, wobei die städtische Herrschaft über den Contado die eine, das Leben der Leute des Contado unter dieser Herrschaft die andere Perspektive bildet und beide Aspekte von den

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Vorwort

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»großen« politischen Entwicklungen der frühstaufischen Reichsherrschaft gleichsam überwölbt, in manchem regelrecht gesteuert werden, ist ein faszinierendes. Es zeigt das machtvolle Ausgreifen Pavias über den Po nach dem Süden, zugleich das Drängen Piacenzas, dem gegenüber seine eigene Einflusszone nach Westen auszuweiten. Die Faszination der hier ausgewerteten Quellen ist allerdings nicht bloß im Kontext von Erkenntnissen zur Reichsgeschichte wie im Hinblick auf die Landherrschaft von Kommunen gegeben, sie leitet sich besonders auch daher, dass hier eben Nachrichten über das Leben der Menschen vor Ort selbst in großer und vielfältiger Fülle vor uns ausgebreitet werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde das abschließende Resümee mit Fragen nach den Möglichkeiten von »Geschichte(n) von unten« verbunden. Und dass im Buch Wiederholungen von bestimmten Sachverhalten mehrfach im Text vorkommen, ist der Besonderheit der Quellen geschuldet, lassen doch nicht selten ein- und dieselbe Aussage Erkenntnisse zu ganz unterschiedlichen inhaltlichen Kontexten zu. Aufbau und Gliederung des Buches, insbesondere aber die im Anhang gebotenen Nachweise entlasten das Werk von der Notwendigkeit einer Hinzufügung allzu häufiger Hinweise auf die Quellen. Sie erübrigen darüber hinaus auch die Beifügung eines Registers, da sowohl die im Mittelpunkt der Studie stehenden fünf Orte, Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano, einzeln Behandlung finden (S. 71 ff.) als auch die Analysen zu den Lebensumständen von deren Einwohnern kompakt in spezifischen Abschnitten des Buches (S. 117 ff.) zu finden sind. Das vorliegende Buch stellt in mancher Hinsicht auch eine Summe aus vielen Jahren, ja Jahrzehnten einer immer mehr angestiegenen Faszination für die historische Epoche des Hochmittelalters, zugleich die gerade in dieser Ära wurzelnde Bedeutung des Städtewesens wie schließlich auch das lebenslange Interesse am Leben von Menschen in vergangenen Epochen dar. Anteil an diesen meinen wissenschaftlichen Vorlieben hat über die Zeiten hinweg immer wieder der Wiener Verlag Böhlau genommen, und hier insbesondere sein Chef, Herr Dr. Peter Rauch. Der Großteil meiner auf die staufische Epoche konzentrierten Arbeiten, beginnend von meiner Dissertation (1974/78) bis zu meiner Habilitationsschrift (1984/86), vor allem aber meine Bearbeitung der Böhmer’schen Regesta Imperii für die Regierung Friedrich Barbarossas, ist in diesem Verlag erschienen. Peter Rauch war es auch, der

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Vorwort

mir mit seinem großen Verständnis für das hier Gestalt nehmende Projekt einer Geschichte von Menschen, die unter der Herrschaft von Städten auf dem sie umgebenden Land lebten, Mut gemacht hat, dieses Vorhaben zu realisieren. Er bestärkte mich darin nicht zuletzt deshalb, weil er wie auch ich uns dem Widmungsträger des Buches besonders verbunden fühlen. Die Anfänge meiner persönlichen Hinwendung zu dieser historischen Epoche wurden ja ganz maßgeblich von meinem verehrten Lehrer an der Universität Wien, dem großen Mediävisten und Herausgeber der Urkunden Kaiser Friedrich Barbarossas in der Diplomata-Ausgabe der Monumenta Gerrmaniae historica, Heinrich Appelt (25. Juni 1910–16. September 1998), geleitet und begleitet. Im Sommersemester 1971 lud er mich zur Mitarbeit an dieser großen Urkundenedition ein, meine Dissertation durfte ich unter seiner Betreuung den Fragen des Itinerars Friedrich Barbarossas widmen. Heinrich Appelt war es, der dann im Zusammenwirken mit der deutschen Regestenkommission unter Helmut Beumann nach Abschluss meines Studiums die Grundlagen für das große Vorhaben einer Neubearbeitung der Regesta Imperii für die Zeit des ersten staufischen Kaisers schuf, ein Projekt, an dem ich seit dem Jahr 1975 tätig bin und das in diesen Monaten mit seinem vierten Teilband vor dem Abschluss der chronologisch geordneten Regesten von der Geburt des Kaisers bis zu dessen Tod am 10. Juni 1190 steht. Über all das Wissenschaftliche hinaus war Heinrich Appelt für mich aber auch ein in vielem väterlich agierender Mentor, eine Persönlichkeit, zu der man immer kommen durfte, ein wahrhaft großer Mensch. Unvergesslich wird es mir bleiben, dass er es war, der mich geradezu ermunterte, das Wagnis auf mich zu nehmen, eine Biographie Friedrich Barbarossas abzufassen. Er hat die Entstehung des Manuskripts dieses Buches mit größtem Interesse und mit kritischer Anteilnahme begleitet, ihm sind wertvolle Hinweise zu verdanken. Dass die Barbarossa-Biographie mittlerweile in ihrer 4. mit aktualisierter Bibliographie ausgestatteter Auflage vorliegt und auch schon ins Italienische und ins Tschechische übersetzt worden ist und demnächst auch eine russische Ausgabe folgen soll, würde meinen verewigten Lehrer sicher freuen. Heinrich Appelt hätte in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert. Seinem Gedächtnis und diesem Anlass sei das vorliegende Buch gewidmet. Wien, zu Beginn des Jahres 2010

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Einleitung

Die mediävistische historische Forschung, und hier nicht zum Geringsten die Stadtgeschichtsforschung seit ihren wissenschaftlichen Anfängen im frühen 19. Jahrhundert, hat einen bemerkenswerten Verlauf mit markanten Änderungen sowohl im Hinblick auf die Annäherung an das Thema wie auch die jeweiligen Interessen genommen. Im Bewusstsein der Problematik jeglicher derartigen Verkürzung darf doch aus der Sicht eines nachhaltig und zugleich etliche Jahrzehnte lang auf das Thema »Stadt im Mittelalter« fokussierten Historikers festgehalten werden, dass es zunächst – und das eine lange Zeit hindurch vorwiegend – der rechtsgeschichtlich orientierte Zugang war, der im Vordergrund stand. Erst die Errungenschaften der Sozialökonomie sowie die Ausbildung und Ausbreitung wirtschafts- und sozialhistorischer Methoden wie Forschungsinteressen sollten ab dem späten 19. Jahrhundert und zumal im vergangenen Säkulum zu einer stärkeren, zugleich wünschenswerten und höchst notwendigen Diversifizierung führen. Einen bis heute fort wirkenden Höhepunkt stadtgeschichtlicher Forschungen in diesem umfassenderen Sinn bilden – bei aller Unterschiedlichkeit des Ansatzes – für den Bereich des deutschen Sprachraums, durchaus aber auch über diesen hinaus, bis heute die großen Werke von Edith Ennen und Hans Planitz.1 Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, einem Zeitraum, in dem auf dem Felde stadtgeschichtlicher, besser : stadtgeschichtswissenschaftlicher2 Bemühungen und Initiativen nicht zuletzt durch zunehmende internationale Vernetzung, zugleich das Fortführen bereits bestehender wie auch das Entstehen neuer Grundlagenwerke beachtliche Fortschritte haben erreicht werden kön-

1 Ennen, Frühgeschichte ; Planitz, Stadt. – Im Überblick ist hier insbesondere auch auf die Beiträge des Sammelbandes von Mayrhofer (Hg.), Stadtgeschichtsforschung, sowie auf Johanek, Tradition und Zukunft, S. 37 ff., zu verweisen. 2 Zu diesem Begriff vgl. Opll, Stadtgeschichtsforschung, S. 45 f.

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Einleitung

nen, ist dieser Prozess der Diversifizierung markant weitergegangen. Zu ihm, diesem Prozess, gehören neben dem Diskurs mit anderen Disziplinen, darunter der Archäologie, der Baugeschichtsforschung und der Kunstgeschichte, insbesondere auch das Eingehen auf neue Trends historischer Forschungen, wie etwa des cultural turn oder des iconic/pictorial turn. Nicht zuletzt mit der hohen Attraktivität von Arbeiten zur Alltagsgeschichte bzw. – präziser gesagt – zur Geschichte des Lebens in all seinen Ausprägungsformen in verschiedenen historischen Epochen hängt es zusammen, dass einschlägige Werke spätestens seit den 1980er-Jahren geradezu Konjunktur haben. Die Zahl an Werken zum »Leben im Mittelalter«3 ist in Entsprechung zur hohen Attraktivität dieser Thematik enorm gestiegen. Insbesondere auf diesem Forschungsfeld ist es unabdingbar, die angestrebten Einsichten aus möglichst vielfältigen Quellen und unter Berücksichtigung der Ergebnisse verschiedener anderer Disziplinen zu gewinnen. Gleichwohl stößt man bei derartigen Forschungen nicht selten auf durch die Quellenlage bedingte Grenzen der Erkenntnis. Dies trifft umso mehr zu, je früher das Zeitfenster für die Untersuchung gewählt wird, zugleich aber auch, je weiter das Untersuchungsfeld von den handlungsbefähigten Mitgliedern der jeweiligen Gesellschaft abgerückt wird. Eng mit diesem Phänomen verbunden ist nicht zuletzt das Faktum, dass die Forderung, Geschichte eben nicht (nur) aus der Sicht der Herrschenden, sondern nach Möglichkeit auch »von unten« zu betrachten, zwar eingefordert wird, aber seriös nur äußerst schwer zu verwirklichen ist, nicht selten – zumal für die mittelalterliche Epoche – ohne befriedigendes Ergebnis bleibt.4 3 In jedem Fall ist ein breiterer Zugang, wie er sich mit dem Begriff »Leben« verbinden lässt, jeder Annäherung unter dem letztlich nur allzu leicht missverständlichen Begriff »Alltag« vorzuziehen. Ersterer bietet nämlich die Möglichkeit, neben dem »Alltag« auch das »Fest«, neben den äußeren Formen des »alltäglichen« Daseins eben doch auch die aus dem Üblichen herausragenden Geschehnisse stärker in den Blick zu nehmen. 4 Die Forderung nach einer »Geschichte von unten« wurde seit den 1960er-Jahren als grundsätzliche Kritik an der im Wissenschaftsbetrieb dominierenden Politikgeschichte als »Geschichte der Herrschenden« stark von politisch linken Kreisen vertreten. Sie, diese Forderung, fand zunächst im Kontext eines Aufschwungs der historischen Sozialwissenschaften eine stärkere Beachtung, bildete als Grundidee aber dann durchaus auch im Zusammenhang der ab den späten Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hervortretenden Bemühungen um »Alltagsgeschichte« eine wichtige Leitlinie.

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Einleitung

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Für das Hochmittelalter, in Sonderheit für die frühstaufische Epoche, und vor allem im räumlichen Kontext Oberitaliens, der Lombardei, ist zunächst festzuhalten, dass hier im Vergleich mit dem Raum nördlich der Alpen eine durchaus beachtliche Qualität wie Quantität an Überlieferung(en) vorliegt. Zugleich gilt für diesen geographischen Raum das hier nicht weiter zu begründende Phänomen einer in vieler Hinsicht ebenso frühen wie beispielgebenden Entwicklung des Städtewesens, sei dies nun in konstitutioneller, in wirtschaftlicher, sozialer wie auch in kultureller Hinsicht. Erst vor wenigen Jahren wurde dies wieder in einem der Beiträge des hoch interessanten Sammelbands »Was machte im Mittelalter zur Stadt ?« mit folgenden Worten unterstrichen : »Ohne Berücksichtigung der italienischen Städte kann weder die Geschichte der Urbanisierung noch eine Geschichte der Staatsbildung im vormodernen Europa geschrieben werden.«5 Die Literatur zum italienischen Städtewesen des hohen Mittelalters ist praktisch unüberschaubar, setzt ebenfalls bereits im 19. Jahrhundert ein6 und ist gerade in den letzten Jahrzehnten durch eine ganze Reihe beachtenswerter Neuerscheinungen bereichert worden.7 Eine ganz spezielle Facette der italienischen Stadtgeschichte des hohen Mittelalters bildet das Phänomen der Stadt-Land-Beziehungen der sich ausformenden Kommunen, damit die Frage der städtischen Herrschaft in ihrem und über ihr Umland, ihr Territorium, das nach dem von den ursprünglich gräflichen, dann bischöflichen Rechtsansprüchen in der Grafschaft herzuleitenden Begriff des comitatus als städtischer Contado bezeichnet zu werden pflegt.8 5 Meier, Kommunen, S. 67. 6 Vgl. etwa Emiliani-Giudici, Storia dei comuni italiani, Voll. 1–3. 7 Anzuführen sind hier in Auswahl die folgenden Arbeiten (in chronologischer Abfolge) : Keller, Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft ; Bordone, La società urbana ; Ders., La società cittadina ; Chittolini, in : Lexikon des Mittelalters (1995), Sp. 2178–2183 ; Schulz, Denn sie lieben die Freiheit so sehr ; Occhipinti, L’Italia dei comuni ; Bocchi – Ghizzoni – Smurra, Storia delle città italiane ; Grohmann, La città medievale. – Hier ist auch auf das Großprojekt einer Ausstellung zum Thema »Die Staufer und Italien. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa« hinzuweisen, die im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim vom 19. September 2010 bis zum 20. Februar 2011 als gemeinsame Ausstellung der deutschen Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen zu sehen sein wird ; sie wird von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfried Wieczorek betreut werden, siehe vorläufig : www.staufer2010.de (Status : 29. September 2009). 8 Zum Stellenwert des Contado vgl. insbesondere : Chiappa Mauri (ed.), Contado e città, und Degrandi, La riflessione teorica.

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Einleitung

Neben der Ausbildung der Selbstverwaltung und -regierung der Städte, initiiert von der bürgerlichen Gemeinde, einem Prozess, der insbesondere im Aufkommen konsularischer Gremien zu dokumentieren ist, gehörte der Aufbau kommunaler Herrschaft über das Umland ohne Zweifel zu den herausragenden Elementen der Kommunebildung. Bei der bürgerlichen Gemeinde selbst handelte es sich um ein soziales Gefüge von höchst dynamischer Entwicklung, gekennzeichnet von einer weit gehenden Differenzierung innerhalb der Einwohnerschaft wie zugleich der Entstehung einer Elite von politisch Berechtigten. In einer im chronologischen Ablauf vielfach in sich gebrochenen Entwicklung, bei der zum einen das auf die karolingische Epoche zurückgehende Grafschaftssystem, zum anderen die bischöfliche Verfügung über die Diözese in einem ganz bezeichnenden Wechselspiel miteinander standen, war rings um die Städte – in Italien im Regelfall zugleich Bischofssitze – ein Landgebiet vorhanden, mit dem das städtische Zentrum in äußerst vielfältigen Beziehungen stand. Diese Beziehungen wurden in der städtischen Wirtschaft, vor allem im Zusammenhang mit der Versorgung der städtischen Bevölkerung, ebenso manifest, wie dies etwa auch im Hinblick auf Fragen der Wehrhaftigkeit oder auch auf Phänomene der Zuwanderung in die städtischen Zentren galt. Der Contado geriet während des 12. Jahrhunderts nach und nach immer stärker unter die Verfügung der Kommunen. Contadi waren bevorzugte Objekte der städtischen Expansionspolitik, und um die Herrschaft in diesen Landstrichen rang man mit den unterschiedlichsten lokalen wie regionalen Konkurrenten, darunter adeligen wie kirchlichen Herrschaftsinhabern ebenso wie den Kommunen des benachbarten Contado. Gegenüber Herrschafts- oder auch Zuständigkeitsbereichen kirchlicher Institutionen, des Bischofs ebenso wie der unterschiedlichen monastischen Einrichtungen, konnte sich die Kommune nicht zuletzt deshalb relativ gut durchsetzen, weil es vor allem bei den städtischen Kirchen – den Bischofskirchen9 ebenso wie den verschiede9 Hier sei auf die Studie von Rapetti, L’organizzazione distrettuale in Lombardia, S. 15–40, hingewiesen, die im Zusammenhang mit der Verfestigung der Mailänder Landherrschaft von Neuem auf die Bedeutung der Präfigurierung des Distrikts durch den Umfang der Diözese aufmerksam gemacht hat, vgl. a.a.O., S. 17 f.: »La ricomposizione territoriale del xii e della prima metà del xiii secolo avvenne infatti sulla dimensione della diocesi ed ebbe come protagonisti assoluti i comuni italiani.«

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nen Klöstern10 – gelang, in vielen Fällen deren Herrschaftsrechte zu übernehmen bzw. die kommunale Herrschaft gleichsam über diese zu stülpen. Gegenüber dem Adel sahen die Dinge etwas anders aus, doch befanden sich diese sozialen Gruppen spätestens im 12. Jahrhundert in einem vielerorts fassbaren Rückzugsgefecht gegenüber den Städten. Besonders eindrucksvolle Beispiele für adelige Familien mit überregionaler Bedeutung, die vor der Ausbreitung kommunaler Ansprüche in dieser Epoche deutlich zurückweichen mussten, bildeten für die Lombardei wie das westliche Oberitalien die markgräflichen Familien der Häuser Montferrat11 und Malaspina.12 Kleinere Adelshäuser zeigten sich nicht selten weitgehend in den Prozess kommunaler Expansionspolitik regelrecht verwoben, wie dies etwa für die Ritter von Fontana im Piacentino gezeigt werden kann.13 Mehrfach fand ein regelrechter Verdrängungsprozess von dereinst adeligen Positionen statt, wobei der Adel entweder seine früher zentrale Stellung regelrecht einbüßte14 oder seine Vertreter von den Kommunen dazu verhalten wurden, innerhalb der Mauern der Stadt selbst Wohnung zu nehmen, womit sie einer massiven Kontrolle durch städtische Organe unterlagen. Die Geschichte der städtischen Contadi wie auch die des Ausbaus der städtischen Herrschaft über diese Landgebiete zählt zu den Standardthemata in der internationalen Mediävistik, darunter vor allem natürlich der italienischen Forschung. Vor mehr als einem halben Jahrhundert hat Enrico Fiumi anhand toskanischer Beispiele die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Stadt und Contado im Zeitalter der Kommune (12.–14./15. Jahrhundert) 10 Siehe dazu etwa als Fallbeispiel die Entwicklung, welche die Stellung des Paveser Klosters S. Sepolcro im Zusammenhang mit seinen Herrschaftsansprüchen über S. Marzano nahm, unten S. 108 ff. 11 Vgl. Settia, in : Lexikon des Mittelalters 6 (1993), Sp. 799–802, sowie Soldi-Rondinini (ed.), Il Monferrato. 12 Vgl. Conti, in : Lexikon des Mittelalters 6 (1993), Sp. 163–164, sowie Fiori, I Malaspina. 13 Zur Bedeutung der Herren von Fontana im Kontext der Piacentiner Entwicklung vgl. die Hinweise bei Racine, Plaisance, Register s. v. Fontana, sowie auch unten im Zusammenhang mit der Ortsgeschichte der quinque loci (S. 71–116). – Der Ort Fontana ist mit dem heutigen Fontana Pradosa (im Mittelalter : Fontana Tederici), gelegen unmittelbar östlich von Castel S. Giovanni, Provinz Piacenza, zu identifizieren (Herrn Kollegen Aldo A. Settia danke ich vielmals für diese Identifizierung, die er mir am 1. April 2009 mitgeteilt hat.). 14 Vgl. dazu vor wenigen Jahren die Ausführungen bei Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 41 ff.

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untersucht, und er hat damit einen ganz zentralen Aspekt dieser spezifischen Stadt-Land-Beziehungen in den Mittelpunkt gerückt. Mit berechtigtem Nachdruck unterstrich er den untrennbaren Konnex, in dem all diese Kontakte zur städtischen Versorgungspolitik stehen, letztlich zur Verpflichtung der Regierenden zur Sicherstellung der Versorgung der Stadtbewohner. Fiumi ging es mit seinen hoch interessanten Ausführungen nicht zuletzt darum, den Antagonismus zwischen Kommune und Contado eben nicht als Konflikt zwischen zwei Wirtschaftsformen, d. h. zwischen Produzenten und Konsumenten, zu betrachten, sondern zu zeigen, dass es vom Grundsatz der Wirtschaftsführung her keinen Unterschied zwischen Stadt und Land gab. Wiewohl es durchaus wichtig und richtig ist, hier keinen unüberbrückbaren Gegensatz, eine permanente Frontstellung zu sehen, vielmehr darauf aufmerksam zu machen, in welcher Weise beide Seiten davon profitierten, bleibt im Hinblick auf die weiteren Schlussfolgerungen Fiumis Skepsis bestehen : Ob man nämlich den Gegensatz Stadt :Contado tatsächlich als einen Aspekt des Klassenkampfs zwischen Landbesitzern und Arbeitern betrachten und Fiumi in seiner Eloge auf die mit den Städten eng verbundenen Landbewohner und deren hohe Leistungen für die »fortune delle nostre repubbliche« Folge leisten darf, erscheint mehr als fraglich, bleibt problematisch. Aus den Quellen, die im Mittelpunkt unserer Untersuchungen stehen, wird in jedem Fall deutlich, wie dicht das soziale wie wirtschaftliche Netz zwischen den Städten und ihrem Contado gewoben war. Gut ist zu erkennen, dass städtische Bürger gar nicht selten selbst über Güter im Contado verfügten, woraus sich für sie wie auch für die gesamte Kommune ein vitales Interesse an diesen Landstrichen herleitete. Und die Städter hatten in den Orten des Contado vielfach Verwandte, was die Zusammenhänge und Berührungspunkte noch weiter intensivierte. Dennoch – und das ist mit Nachdruck zu unterstreichen – kann angesichts der Quellen kein Zweifel bestehen, dass die bürgerliche Gemeinde, die Kommune, den Contado stets als ihre ganz eigene Wirtschaftszone ansah, aus der sie Bedarfsgüter bezog wie auch Einnahmen lukrierte. – Ein anders gelagertes Konzept, das man in den letzten Jahren mit Erfolg für die Interpretation des Verhältnisses zwischen Stadt und Contado angewandt hat, ist das der Dynamik von Zentrum und Peripherie.15 15 Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 41.

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Aufbauend auf einer nun schon etliche Jahrzehnte währenden Beschäftigung mit der Zeit der Regentschaft des ersten staufischen Kaisers, Friedrich Barbarossas,16 kann auf eine besonders intensive, weit reichende Kenntnis der Überlieferungen zur frühstaufischen Epoche, in Sonderheit der städtischen Quellen des regnum Italiae, und hier des lombardischen Kernraums dieses Königreichs, zurückgegriffen werden. Gerade diese Quellen, Herrscherurkunden wie historiographische Überlieferungen, aber auch die für diesen geographischen Raum ebenso maßgeblichen wie zahllosen privaturkundlichen Zeugnisse aus dem kommunalen Bereich, haben seit Langem nicht nur das Interesse der Forschung, sondern auch den Fleiß von Editoren gefunden.17 Im Rahmen der Bearbeitung des 4., chronologisch letzten Bandes der Regesta Imperii für Friedrich Barbarossas Epoche waren die in Zeugenverhören vom November 1184 getätigten Aussagen18 aus einer ganzen Reihe von Gründen eingehender zu behandeln. Sie gehören zu einem für die italienische Überlieferung dieses Zeitraums durchaus häufig nachweisbaren Typ von Quellen, zeichnen sich freilich nicht nur durch ihren Umfang – verhört

16 Dabei sei auf die seit 1975 währende Bearbeitung der Regesta Imperii für die Zeit Kaiser Friedrichs I. (Band 4 dieses Werks, das die Jahre von 1181 bis zum Tod des Kaisers am 10. Juni 1190 umfassen wird, wird in absehbarer Zeit im Druck vorliegen). Vgl. dazu B.- Opll, Reg. Imp. i–iv. 17 Hinzuweisen ist hier für die Seite des Reiches neben der Edition der Herrscherurkunden (mg.ddf.i. Bd. 1–5) die in der vorigen Anmerkung angeführte Bearbeitung der Regesta Imperii. – Italienische Kolleginnen und Kollegen haben sich im Rahmen der Editionen der so ungeheuren Schätze an privaturkundlichen Überlieferungen ihres Raumes höchste Verdienste erworben. Dabei ist im Kontext der vorliegenden Studie anzuführen : für Piacenza sowohl die ältere als auch die jüngere Edition des Registrum Magnum der Kommune, vgl. Corna – Ercole – Tallone, Registrum Magnum, und Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Voll. i–iii ; für Pavia liegt aufgrund einer gegenüber Piacenza völlig anderen Überlieferungssituation zwar kein umfassendes städtisches Urkundenbuch vor, zu nennen ist hier aber neben der im Zentrum des vorliegenden Buchs stehenden Edition von Bollea (Documenti degli Archivi di Pavia) vor allem die Edition der Klosterurkunden des Paveser Petersklosters durch Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau (edd.), Le Carte. – Eine ebenso begrüßens- wie dankenswerte Initiative liegt mit der Internet-Publikation mittelalterlicher Urkunden des lombardischen Kernraums vor : Codice diplomatico della Lombardia medievale (secoli viii– xii) (siehe : http ://cdlm.unipv.it/ ), der mit Status vom Sommer 2009 Editionen für die Gebiete bzw. Städte von Bergamo, Brescia, Como, Cremona, Lodi, Mailand und Pavia aufweist, aber leider keine übergreifende Möglichkeit der elektronisch unterstützten Suche vorsieht. 18 Bollea, S. 72–194, Nrr. 45–58.

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wurden insgesamt 80 Personen –, sondern auch durch die Reichhaltigkeit an inhaltlichen Bezügen wie Details ganz besonders aus. Mit den in ihnen gebotenen Hinweisen auf mehrere in der sonstigen Überlieferung nicht bzw. eben nur unzulänglich erwähnte, direkt mit dem Herrscher in Verbindung stehende Geschehnisse mussten sie ganz selbstverständlich im Kontext der Regesta Imperii Beachtung finden. Sie, diese protokollierten Aussagen von exakt 80 Personen, bieten freilich viel mehr als »bloß« reichsgeschichtliche Angaben.19 Sie sind ganz außerordentlich interessante Quellen zum Leben der Menschen auf dem Lande zwischen den mächtigen Städten Pavia und Piacenza, damit zugleich für die Herrschaft der diese Landstriche dominierenden Kommune(n), wie sie in dieser Fülle und Aussagekraft sonst praktisch kaum vorliegen. Im Zentrum dieser Verhöre, die in 14 einzelnen Protokollen überliefert sind und in der vor 100 Jahren durch Luigi Cesare Bollea vorgelegten Edition mehr als 120 Seiten umfassen, steht die Frage, ob die in fünf Orten an der Grenze der Contadi von Pavia und Piacenza lebenden Menschen der Herrschaft der einen oder der anderen Kommune unterstehen, unterstanden haben, ja in Hinkunft unterstehen sollen. Wenn damit von den Städten des hier als »lombardischer Kernraum« bezeichneten Gebietes Pavia und Piacenza gleichsam in den Mittelpunkt gerückt werden, so handelt es sich um eine für das historische Interesse an dieser Epoche Kaiser Friedrichs I. nachgerade »ideale« Auswahl. Die eine Stadt, Pavia, war die längste Zeit staufisch gesinnt, die andere, Piacenza, dagegen vielfach eine im Verhältnis zum Reich »rebellische« Kommune.20 Eine höchst qualitätsvolle wie auch aussagekräftige Überlieferung liegt dabei ins19 Abgesehen von der Edition durch Bollea aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und Hinweisen auf den Streit in der stadtgeschichtlichen Literatur zu Piacenza schon während des 18. Jahrhunderts (Poggiali, Memorie storiche iv, S. 354 f.) war es Renato Bordone, der im Rahmen seines Vortrags auf der Reichenau-Tagung vom Oktober 1983 erstmals auf die Bedeutung dieser Überlieferung hingewiesen hat, Bordone, I comuni italiani della prima Lega Lombarda, S. 45 ff.; siehe zu Bordones später erschienenen einschlägigen Ausführungen unten S. 27 mit Anm. 8. – Wegen der »reichsgeschichtlichen« Bedeutung der in den Verhören enthaltenen Berichte wurden sie auch in die Regesta Imperii aufgenommen, vgl. dazu B.-Opll, Reg. Imp. iv, Regg. 2813 und 2819. 20 Als rasche Einführung in die Thematik vgl. die Ausführungen bei Opll, Stadt und Reich, S. 366–376 (Pavia) sowie S. 376–384 (Piacenza).

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besondere für die an einem der allerwichtigsten Poübergänge gelegene Stadt Piacenza vor, und sie hat demzufolge auch schon seit Langem das nachhaltige Interesse nicht nur der italienischen, sondern auch der internationalen Forschung auf sich gezogen. Ist dabei neben dem bedeutenden Rechtshistoriker Arrigo Solmi21 aus älterer Zeit mit Nachdruck auf die so verdienstvollen Studien Ferdinand Güterbocks22 hinzuweisen, so liegt auch auf dem Feld von Editionen der relevanten städtischen Urkunden durchaus Beachtliches vor. Im Fall von Pavia existiert dagegen kein eigentliches »Urkundenbuch«, gleichwohl sind einschlägige Editionen von Teilbeständen anzuführen.23 Für einschlägige Studien ist jedenfalls – ungeachtet der niemals völlig auszuschließenden Möglichkeit, dass sich auch heute noch ungehobene Schätze in den einschlägigen Archiven finden könnten – eine durchaus beachtliche Grundlage an Quelleneditionen gegeben. Und dem zur Seite ist der Hinweis auf das Vorliegen einer ebenso beachtlichen Zahl an einschlägigen Studien zu stellen. Für die Postadt ist dabei nicht nur die vor 30 Jahren erschienene beeindruckende Dissertation von Pierre Racine24 als bedeutende wissenschaftliche »Großtat« zu nennen, seit dem Jahr 1984 liegt auch eine mit maßgeblicher Unterstützung der Cassa di Risparmio di Piacenza herausgegebene, prächtig ausgestattete »Storia di Piacenza« für das Mittelalter vor, deren für unser Forschungsinteresse maßgebliche Teile von Pierre Racine und Piero Castignoli stammen.25 Ein Jahr danach hat sich dann auch Alfred Haverkamp mit den Beziehungen Piacenzas zum Reich auseinandergesetzt.26 Was die wissenschaftliche Beschäftigung mit der am Ticino gelegenen Stadt Pavia anlangt, so sind vor allem die bis in die Gegenwart hinein wirkenden Beiträge von Pietro Vaccari,27 die noch in den 1992 veröffentlichten dritten Band der von der Banca del Monte di Lombardia herausgegebenen »Storia di Pavia«28 aufgenommen wurden, zu nennen. Zu ebendiesem Band

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Solmi, Le leggi più antiche. Güterbock, Alla vigilia ; Ders., Piacenzas Beziehungen. Siehe dazu die Hinweise oben, Anm. 17. Racine, Plaisance. Storia di Piacenza, Vol. ii. Haverkamp, I rapporti. Vaccari, Pavia. Storia di Pavia, Vol. iii/1.

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hat auch der bis 2008 an der Universität Pavia lehrende Aldo Angelo Settia maßgebliche Beiträge beigesteuert. Der Versuch eines großen Überblicks zum Verhältnis zwischen »Stadt und Reich« im 12. Jahrhundert war schließlich auch die 1986 vorgelegte Habilitationsschrift des Verfassers gewidmet, in welcher den Städten Pavia und Piacenza – wie auch der Großzahl der sonstigen Städte des frühstaufischen Imperiums in den Gebieten der italienischen wie der deutschen und burgundischen Reichsteile – eigene Kapitel gewidmet wurden.29 Selten, ja höchst selten lassen sich – um an bereits früher Angedeutetes anzuschließen – für diese frühe Epoche Quellen fassen, die tatsächlich Einblick in Lebenssphären der »einfachen« Leute bieten, aus denen Erkenntnisse zum »alltäglichen« Dasein der Menschen abgeleitet werden können. Die Hervorhebung der beiden Epitheta »einfach« und »alltäglich« soll dabei deutlich machen, wie problematisch solche Zuschreibungen sind, wie viel an differenzierenden, erläuternden Bemerkungen notwendig ist bzw. wäre, um klar zu machen, was tatsächlich darunter zu verstehen ist. Dies kann und soll an dieser Stelle nicht geleistet werden, und dennoch : Selbstverständlich waren die im November 1184 zu Pavia einvernommenen Zeugen alles andere als »einfache« Leute. Sie30 waren vielfach als Amtsträger unterschiedlichen Ranges für die eine oder andere Kommune, für Pavia oder Piacenza, tätig gewesen, sie hatten vereinzelt sogar ein Studium hinter sich gebracht und verfügten in etlichen Fällen über einen wohl durchaus überdurchschnittlichen Bildungshorizont. Manche von ihnen waren in ihrem bis dahin geführten Leben sogar direkt mit dem kaiserlichen Hof in Berührung gekommen.31 Zugleich waren unter ihnen freilich nachgerade typische Contado-Bewohner, die in ihrer Jugend das Vieh gehütet hatten,32 die Abgaben unterschiedlichster Art zu entrichten hatten oder auch zu regelrechten Robotdiensten bei Arbeiten an Befestigungen oder für den Flussverkehr herangezogen worden waren.33 Größte 29 30 31 32

Opll, Stadt und Reich. Siehe dazu unten, Anhang ii, S. 229–240. Siehe dazu unten, S. 119–124. Davon spricht der Zeuge Sucio de Sigizo (Bollea, Nr. 57, S. 177) : … interrogato quomodo scit Respondit quia frater suus fuit factus consul per papiam et consulatum eum obtinere uidit et tunc erat paruus et custodiebat bestias et recordatur destructionem terdone … 33 Siehe dazu unten, S. 140–160.

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Bedeutung für ihr Dasein hatte die Zuordnung zur Pfarre, die im Ort selbst oder auch in einem Nachbarort gelegen sein mochte, und vielfach war das am nächsten gelegene Bauwerk mit religiöser Funktion eine – wohl bescheidene und eben nicht mit pfarrlichen Befugnissen ausgestattete – Kirche im Ort selbst.34 – Was das zweite unter den vorhin mit Anführungszeichen hervorgehobenen Epitheta, das Wort »alltäglich«, anlangt, so bieten die Zeugenverhöre einen gegenüber anderen Quellen sehr viel umfassenderen, vielleicht sogar »echteren« Zugang zu dem, was tatsächlich als der Alltag des mittelalterlichen Menschen zu gelten hat. Unsere Überlieferungen nehmen damit einen Rang ein, wie er sonst eher im Zusammenhang mit archäologischen Funden wie Befunden festzustellen ist.35 Schließlich ist ein weiterer Aspekt zu benennen, der bei einer Auseinandersetzung mit derartigen Quellen unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, der in gewisser Weise sogar in das Zentrum historischen Forschens überhaupt zielt : Es geht dabei um die Frage(n) der Quellenkritik, am Beispiel solcher Zeugenverhöre insbesondere solche nach der Zuverlässigkeit dieser Aussagen. Gerade mit Hinblick auf diese spezifische Form der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit historischen Zeugnissen des Gedächtnisses wie der Erinnerung hat es in allerjüngster Vergangenheit zum Teil überaus kritische Stimmen und Befunde gegeben, und auf diese ist im Kontext der vorliegenden Studie gleichfalls genauer einzugehen.

34 Zu den topographischen Verhältnissen in den Orten siehe unten S. 79–116. 35 Als Überblick zu den faszinierenden Methoden wie auch Erkenntnissen der Mittelalterarchäologie vgl. Graham-Campbell – Valor (edd.), Archaeology of Medieval Europe.

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Die in der Lombardei, diesem italienischen Kernraum des hohen Mittelalters, so reichhaltige Überlieferung aussagekräftiger historischer Dokumente bildet die feste Grundlage für gegenüber dem Raum nördlich der Alpen ungleich bessere Möglichkeiten zu Forschung und wissenschaftlich fundierter Analyse. Mit anderen Worten : Es ist sowohl dem hohen Ausmaß an Schriftlichkeit, insbesondere auf den Gebieten der Rechtsprechung wie der Verwaltung, wie es eben für diesen Raum in der mittelalterlichen Epoche kennzeichnend ist, zu verdanken wie auch den italienischen Archiven und deren Pflege über viele Jahrhunderte, dass sich der Historiker hier »wie die Maus im Käse«1 fühlen kann. Basisarbeit wie zugleich entscheidende Vermittlung für die Nutzung solch reicher Quellenfundi bieten nicht zum wenigsten Editionen, in denen in kritischer Auseinandersetzung mit Texten die authentische Form des Überlieferten dargeboten wird. Was nun die urkundliche Überlieferung anlangt, so ist für den oberitalienischen Raum insbesondere auf das eindrucksvolle Editionsunternehmen der »Biblioteca della società storica subalpina« mit ihren zahlreichen Bänden hinzuweisen. Ihr erster Band wurde 1899 im piemontesischen Pinerolo veröffentlicht und geht auf die Initiative des italienischen Historikers Ferdinando Gabotto (1866–1918) zurück. Noch unter Gabottos Leitung erschien 1909 ein Band, in dem Luigi Cesare Bollea eine regional auf die Geschichte von Voghera im Oltrepò Pavese südlich des Poflusses fokussierte Auswahl von Dokumenten aus den Jahren 929–1300 aus Archiven in Pavia publizierte. Dieser Band enthält auch die umfassenden Zeugenverhöre vom November 1184, welche die Grundlage der vorliegenden Ausführungen bilden.2 1 In einem Gespräch mit der unvergessenen italienischen Mediävistin Gina Fasoli (1905–1992), das sie mit dem Autor 1980 im Istituto italo-germanico di Trento führte, charakterisierte sie den Beruf des Archivars genau mit diesen Worten (»come topolino nel formaggio«). 2 Siehe dazu die Regesten zu den insgesamt 15 Stücken (eine Urkunde über die Einsetzung der

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Die Schwierigkeit der Verwendung der Bände dieses großartigen Editionsunternehmens besteht nun in einer vermeintlichen Äußerlichkeit, die allerdings bei genauerem Hinsehen sehr rasch in ihrer Tragweite erkennbar wird. Obwohl der im Mittelpunkt unserer Studie stehende, von Luigi Cesare Bollea bearbeitete Band ein Register der Orts- und Personennamen aufweist, wird darin ausschließlich auf die Nummer des jeweiligen Dokuments, nicht auf die betreffende Seite oder gar die Zeile auf der jeweiligen Seite verwiesen. Die Benutzung solch eines Bandes stellt somit den Forscher, zumal den unserer modernen, schnelllebigen Zeit, zunächst vor Heraus- und Anforderungen, auf die man sich nur mit guten Gründen und nach reiflicher Überlegung einlässt. Die Analyse des so reichen Quellenmaterials setzt voraus, diese mehrhundertseitigen Bände tatsächlich zu lesen, und nicht einmal dies ist für den durch ausgefeilte Editionstechniken, wie sie etwa bei den Bänden der Monumenta Germaniae historica Standard sind, verwöhnten Fachmann einfach. Die Bollea’sche Edition von urkundlichen Texten des 12. Jahrhunderts wird nämlich im Wesentlichen ohne graphische Gliederung des Schriftbildes, indistinkt, auch ohne die Verwendung der Großschreibung bei Eigennamen dargeboten. Letztlich muss also ein wirklich guter Grund vorliegen, sich der Mühe einer derartigen Texterfassung zu unterziehen, sei es, dass im Rahmen eines wissenschaftlichen Auftrags jemand konkret auf eine Thematik hingewiesen wird, die eben nur mittels solcher Quellen zu bearbeiten ist, sei es, dass ein umfassenderes Großprojekt zur Erschließung von Quellen zu einer bestimmten Epoche bzw. Region den Bearbeiter auf derartige Überlieferungen aufmerksam macht, oder sei es auch – und das kommt gar nicht so selten vor – der pure Zufall, der einen just auf solche Dokumente treffen lässt. Im Fall der vorliegenden Publikation stand der zweite der angeführten Beweggründe im Vordergrund, nämlich die viele Jahrzehnte währende Beschäftigung mit der Überlieferung zur Regentschaft Kaiser Friedrichs I. Barbarossa im Rahmen des Unternehmens der Regesta Imperii. mit der Durchführung der Verhöre und deren Protokollierung Beauftragten sowie 14 Zeugenverhöre) unten S. 219 ff. – In jüngerer Vergangenheit hat sich das Dipartimento Storico-geografico, Sezione di Scienze Paleografiche e Storiche del Medioevo der Universität Pavia, und hier insbesondere Ezio Barbieri, große Verdienste um die Rekonstruktion der nicht zuletzt infolge der Klosteraufhebung durch Kaiser Joseph II. in den 1780er-Jahren verstreuten urkundlichen Überlieferung für den Bereich des Oltrepò Pavese bemüht, vgl. dazu Barbieri, Fonti documentarie.

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Am 14. und 15. November 1184 führten Richter Capo von Piacenza3 und Guido de Pozzo4 von Pavia eine große Zahl von Zeugenverhören in Pavia durch. Beide waren von ihren eigenen Städten mit Erhebungen betreffs des Streits beauftragt worden, den diese Kommunen um fünf Orte führten. In ihrer Funktion als von ihren Städten bestellte potestates zur Behandlung und Abwicklung des anstehenden Rechtsverfahrens5 erhielten sie am 14. November durch Gottfried, den Kanzler Kaiser Friedrichs und Reichslegaten in Italien, die Bestätigung. Der Kanzler gab ihnen auch noch Siro Salimbene von Pavia und Gerardo Cossadoca von Piacenza zur Unterstützung bei. Konkret ging es um Fragen nach den Herrschaftsverhältnissen in fünf Orten, die nahe der Grenze zwischen den Herrschaftsgebieten von Pavia und Piacenza lagen und von beiden Städten als Teil ihres Contado reklamiert wurden, nämlich um Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano.6 Angesichts der unmittelbaren Beteiligung des kaiserlichen Kanzlers an diesen Maßnahmen war völlig klar, dass diese Belege in die Regesta Imperii aufgenommen werden mussten. Dieses auf Johann Friedrich Böhmer (1795–1863) zurückgehende große Werk zur Erschließung der Überlieferung der Regierungszei3 Vier Jahre zuvor wird ein wohl mit unserem Mann gleichzusetzender Richter Capo(ne) als Teilnehmer am Consiglio generale der Kommune Piacenza genannt, das am 25. Oktober 1180 tagte, vgl. dazu Castignoli, Il comune podestarile, S. 264. 4 Vier Jahre später, im Oktober 1188, war Guido von Pozzo als einer von fünf vom Kaiser delegierten Richtern – bei den vier anderen handelte es sich um : Siro Salimbene (von Pavia), Ido von Tortona, Arprand und Otto Cendadarius (von Mailand) – an einer für die Reichspolitik in Italien wichtigen Entscheidung beteiligt : Damals nahmen nämlich in der Bischofspfalz zu Pavia die beiden kaiserlichen Legaten Kapellan Licifredus und Wilhelm von Aachen den Verzicht der Stadt Crema auf jegliche Ansprüche auf die Insula Fulcherii entgegen, vgl. dazu Falconi, Carte Cremonesi 4, S. 83, Nr. 66 (künftig : B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nr. 3197). 5 Diese Art der Vorgangsweise findet sich nicht selten. Ein gutes, zeitlich unseren Dokumenten sehr nahe stehendes Beispiel findet sich im Rahmen der Beilegung eines Streits zwischen den Paveser Klöstern S. Pietro in Ciel d’Oro und S. Sepolcro, bei dem die beiden Äbte gemeinsam vier Personen zu Schiedsrichtern (potestates ad hanc causam cognoscendam et diffiniendam inter eos) bestellten und zugleich gelobten, dem Urteil dieser Männer genauso zu gehorchen, als würde es sich bei ihnen um Justizkonsuln bzw. Podestà handeln (ac si essent consules iusticie vel ordinarie potestates), vgl. dazu die Urkunde vom 30. Dezember 1183 bei Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau (edd.), Le Carte II, Nr. 78 (siehe : http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/ pavia-spietro2/carte/spca1183-12-30B ; Status : 27. Juni 2009). 6 Diese Konstituierung des für die zu führenden Zeugenverhöre zuständigen Gremiums wurde in einer eigenen Urkunde schriftlich festgehalten : Bollea, Nr. 44 [irrig : 46], S. 72 f.

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ten mittelalterlicher Herrscher hat sich in seiner bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Neubearbeitung zum Ziel gesetzt, neben den Herrscherurkunden und den erzählenden (historiographischen) Quellen in Form von Annalen und Chroniken nach Möglichkeit auch sogenannte »Reichssachen« mit zu berücksichtigen.7 Bei einer genaueren Lektüre des die vorliegende Untersuchung dominierenden Überlieferungskomplexes in der genannten Edition von Luigi Bollea wird jedenfalls sehr bald klar, dass hier keineswegs bloß Nachrichten zum November 1184 vorliegen, vielmehr in den Zeugenaussagen ein reiches Panorama der Fährnisse von Menschen im Umland bedeutender Städte der Lombardei während der für diese »Welt« so einschneidenden Epoche Kaiser Friedrich Barbarossas entfaltet wird. Tatsächlich hat sich die italienische Fachwelt schon mehrfach mit diesen Quellen auseinandergesetzt. Zu nennen sind dabei insbesondere Arbeiten von Renato Bordone, darunter eine erstmals bereits 1988 in dem Sammelband über »Die gelebte Zeit. Wahrnehmung, Verwendung, Vorstellung« erschienene Studie, die knappe anderthalb Jahrzehnte später, 2002, sodann in einem von ihm selbst unter dem Titel »Uno stato d’animo« publizierten Band in überarbeiteter Form erneut dargeboten worden ist.8 Und selbstverständlich ist auch in den großen Stadtgeschichten von Piacenza (1984) und Pavia (1992) dieser Quellenkomplex eigens angesprochen worden.9 In den im Spätherbst 1184 zu Pavia protokollierten Aussagen der verhörten Zeugen finden sich jedenfalls nicht nur zahlreiche Angaben zu früheren Geschehnissen, die mehrfach sogar direkt mit dem Kaiser in Verbindung standen, sondern eben auch Einblicke sonder Zahl in die subjektive wie objektive Wirklichkeit10 der Lebensverhältnisse der Menschen in den Landgebieten zwischen Pavia und Piacenza während etlicher Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts. 7 Darunter sind traditionell die Erwähnung des Herrschers in fremden, nicht von ihm selbst ausgestellten Urkunden, Nachrichten über die Tätigkeit von Reichslegaten und Zeugnisse ähnlicher mit der Reichspolitik in Verbindung stehender Maßnahmen bzw. Geschehnisse zu verstehen. 8 Bordone, Il tempo. 9 Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 176 mit Anm. 52, spricht hier allerdings in unzulässiger Verkürzung von einem Erfolg der Piacentiner Bemühungen, was von Settia, Il distretto pavese, S. 118 ff., insbesondere S. 140 mit Anm. 189, zu Recht korrigiert worden ist. 10 Durch die Möglichkeit des Vergleichs von Sachverhalten in den Aussagen verschiedener Zeugen ist hier sehr wohl die Möglichkeit einer Objektivierung gegeben.

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Im Rahmen einer Detailuntersuchung ist es durchaus angebracht, ja vonnöten, nicht nur den Quellentypus eingehender vorzustellen, sondern darüber hinaus eine genauere Skizze von den konkret hier im Mittelpunkt stehenden Dokumenten und Texten vorzulegen : Aussagen, die aus dem Verhör von Zeugen resultierten, maß man bis weit in die frühe Neuzeit grundsätzlich ebensolche Beweiskraft zu wie Urkunden. Man stand dabei in einer Tradition juristischen Vorgehens, die bis in die Antike zurückverfolgt werden kann. Dass gerade auch bei der Ausbildung des regelrechten Zeugenverhörverfahrens ganz selbstverständlich die an der Universität Bologna konzentrierte Jurisprudenz eine eminent wichtige Rolle spielte und demnach derartige Verfahren insbesondere im mittelalterlichen regnum Italiae geradezu zu den Standards zählten, bedarf nicht wirklich einer ausführlicheren Erläuterung. Die historische Forschung hat sich demnach gerne und intensiv mit derartigen Zeugnissen auseinander gesetzt. Beginnend mit ersten, gerade auch methodisch wichtigen Annäherungen seit den 1970er-Jahren, und dabei sind Namen wie Emmanuel Le Roy Ladurie und Carlo Ginzburg zuvorderst zu nennen, ist die historische Analyse von Zeugenverhören zu einer höchst bedeutsamen methodischen Grundlage unterschiedlichster Ausformungen von »cultural studies« geworden. Die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Überlieferungstypus, ja -genre hat vor einigen Jahren in einem von Ralf-Peter Fuchs und Winfried Schulze herausgegebenen Sammelband ein äußerst konzentriertes und anregendes Kompendium entstehen lassen.11 Zu Recht wurde darin im Beitrag von Arnold Esch hervorgestrichen, dass der besondere Reiz der Quellengattung nicht zuletzt darin gelegen ist, dass hier »gewöhnliche Menschen zu Worte kommen, die sonst nie eine Chance hätten, in eine historische Quelle hineinzufinden und sich der Nachwelt vernehmlich zu machen«. 12 Nachdrücklich zu betonen ist der »eigentümliche Zeugniswert dieser Quellengattung«, ein Wert, der insbesondere in der Unmittelbarkeit der Aussage(n), den Einblicken in zumeist homogene soziale Gruppen solcher verhörter Zeugen, aber auch dem Phänomen geschuldet ist, dass die Verhörten vielfach eben auch Dinge berichten, die – weit über den betreffenden Anlass 11 Fuchs – Schulze (Hgg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. 12 Esch, Mittelalterliche Zeugenverhöre, S. 43.

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hinaus – Einblicke in Lebensumstände bieten, wie sie sonst kaum je zu fassen sind. Weiter Arnold Esch folgend, lässt solch eine Analyse von Zeugenverhören höchst bemerkenswerte Einblicke in Bereiche zu, wie etwa die Zeitwahrnehmung und Zeitrechnung, sozialgeschichtliche Innenansichten lokaler Führungsgruppen wie auch individuelle Lebensumstände. Gerade aus der Epoche des ersten Kaisers aus staufischem Hause, Friedrich Barbarossas, sind eine ganze Reihe von derartigen Zeugenverhören überliefert, die unsere Kenntnisse vom Reichsgeschehen, dabei durchaus auch von direkt mit dem Herrscher selbst in Verbindung stehenden Geschehnissen, ganz entscheidend bereichern, nicht selten überhaupt erst möglich machen. Aus der Arbeit an den Regesta Imperii für die Zeit Barbarossas lässt sich dabei ein eindrucksvoller Befund ableiten. Eine markante Häufung dieses Quellentyps ist insbesondere für die späteren Regierungsjahre des Kaisers festzustellen. Aber schon für frühere Epochen, etwa die 1160er-Jahre, liegen nicht minder interessante Zeugnisse für die Vornahme von Zeugenverhören vor : Der kaiserliche Legat und Vikar Azo, der auch als Rektor von Parma und Reggio fungierte, bediente sich damals etwa in Ausübung seines Amtes ganz selbstverständlich des im kommunalen wie kirchlichen Umfeld weit verbreiteten und üblichen Instruments des Zeugenverhörs für die Feststellung betreffs der Rechte im Gebiet des Hofes Meletolo.13 Was den Reiz von Zeugenverhören im Kontext der Reichsgeschichte in so besonderem Maße ausmacht und gerade für die Quellen, die im Mittelpunkt der vorliegenden Studie stehen, zu betonen ist, das sind Hinweise auf Handlungen des Kaisers selbst oder auch der in seinem Auftrag Tätigen, von denen wir nur deshalb wissen, weil sie im Zusammenhang mit zum Teil erst deutlich späteren Zeugenverhören, nicht selten gleichsam als »Nebenprodukt« der auf einen spezifischen Rechtsfall hin fokussierten Aussage, bekannt werden. Hinzuweisen ist dabei u. a. auf ein bei Muratori ediertes Zeugenverhör vom 30. August 1196, aus dem wir von Aktivitäten des Reichslegaten – entweder Rainalds von Dassel oder Christians von Mainz – in den 1160er-Jahren erfahren.14 Aus mehr als 30 Jahre nach dem Tod Barbarossas, nämlich 1221, durchgeführten Verhören von Zeugen stammt unsere Kenntnis über einen 13 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1210. 14 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1556.

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Aufenthalt des Kaisers bei Serravalle im Blegnotal im Mai 1176 unmittelbar vor der Schlacht von Legnano.15 Von Ereignissen aus den 1180er-Jahren erfahren wir gleichfalls durch mehrere Zeugenverhöre : Darunter sind Hinweise auf zwei Aufenthalte des Staufers in Como in den Jahren nach dem Frieden von Venedig in einem Zeugenverhör des Jahres 119516 ebenso zu nennen wie Angaben über die Behandlung des Rechtsstreits über Estenser Erbfragen zu Verona und Monselice im Herbst 118417 oder die Nachweise über Aufenthalte des Kaisers in Ceneda, dem heutigen Vittorio Veneto, zu Ende November/Anfang Dezember 118418 bzw. in der Abtei Leno unweit von Brescia in den ersten Tagen des Jahres 1185.19 Ein wichtiger Aspekt, der gerade bei der historischen Analyse und Auswertung von Zeugenverhören sehr genau zu beachten ist, besteht in der Unverzichtbarkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zuverlässigkeit der Erinnerung der befragten Zeugen, damit nach der Zuverlässigkeit, ja Historizität von deren Aussagen im einzelnen. Dieses Forschungsfeld ist in den letzten Jahrzehnten auf steigendes Interesse gestoßen, weshalb den damit verbundenen Fragen ein gesonderter Abschnitt gewidmet wird.20 In unseren Protokollen von Zeugenverhören aus dem November 1184 finden sich nun ihrem Gehalt nach in der Tat besonders vielfältige Aussagen. Mit deren Auswertung wurde zum Teil bereits im Rahmen der Regesta Imperii für die Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas begonnen,21 sie ist aber wegen der hohen Aussagekraft dieser Überlieferung entschieden weiterzuführen. Dies, eine noch ungleich stärker detaillierte Analyse, soll in der vorliegenden Studie unter Beachtung möglichst vielfältiger Aspekte geleistet werden. Zugleich muss freilich versucht werden, auch den äußeren Rahmen der »großen« Politik nicht nur mit einzubeziehen, sondern diesen zugleich nach sei-

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B.-Opll, Reg. Imp. 3, Nr. 2179. B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nrr. 2782 und 3005. B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nrr. 2825 und 2836. B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nr. 2832. B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nr. 2844. Siehe dazu das Kapitel »Zuverlässigkeit von Erinnerung vs. Vergessen und Verdrängen«, S. 44–70. 21 Siehe dazu B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1752 und 1753.

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Unsere Gewährsmänner

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ner Interaktion mit den Fährnissen menschlicher Lebenshorizonte in ihrer lokal geprägten Verortung eingehender zu befragen. Ziel ist es somit, das Beziehungsgeflecht dreier Ebenen zu weben : 1. der Reichspolitik und -geschichte, 2. der kommunalen Lebenswirklichkeit in ihrer so markanten Bestimmung durch die Konkurrenz mit dem jeweiligen Nachbarn und 3. den in diesem Bestimmungsrahmen eingespannten und von ihm maßgeblich bedingten Schicksalen in der kleinräumlichen, lokalen Erlebniswelt des Individuums.

Unsere Gewährsmänner Nachdem im vorigen Kapitel ein erster Einblick in die vorliegende Überlieferung geboten und der Quellentypus vorgestellt worden ist, auf dem unser Wissen beruht, sollen diese Quellen zunächst im Hinblick auf die in ihnen genannten Personen, zugleich unsere Gewährsmänner, detaillierter analysiert werden : Insgesamt handelt es sich bei den der Studie zugrunde liegenden Dokumenten um eine Gruppe von nicht weniger als 14 Protokollen über das Verhör zahlreicher Zeugen, die am 14. und 15. November 1184 in Pavia in Anwesenheit von Paveser Konsuln22 notariell23 festgehalten wurden. Mit der Leitung des gesamten Verfahrens waren Richter Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia24 von ihren Heimatstädten in der Form betraut

22 Am 14. November 1184 als anwesend genannt werden Guarnerio Comes de Abiatico (= Beatico, heute : Teil von Filighera an der Olona, Provinz Pavia) und Campanesio de Beccaria, Bollea, Nr. 46 [irrig statt : 44], S. 72 ; unter den als Zeugen einer Reihe unserer Zeugenverhöre vom 15. November genannten Personen wird dann mehrfach auch der Paveser Konsul dominus Bellono de Curte genannt, Bollea, Nrr. 49 (S. 109), 50 (S. 121), 51 (S. 129), 53 (S. 144), 54 (S. 155), 57 (S. 183) und 58 (S. 193). 23 Zu dem hohen Stellenwert, welchen das öffentliche Notariat in Italien hatte, vgl. insbesondere Meyer, Felix et inclitus notarius. 24 Dass Guido einmal (wann genau ?) auch als Konsul seiner Stadt fungierte, wird in einem in Pavia ausgestellten Dokument vom 6. Juli 1186 erwähnt, Barbieri, Notariato, S. 199, Nr. 14.

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worden, dass sie zu Podestà in dieser Causa gewählt worden waren.25 Beide, Capo und Guido de Pozzo, gehörten zur Zeit der Verhöre den konsularischen Gremien ihrer Heimatstädte nicht an, beide hatten für ihren Auftrag auch die Bestätigung vonseiten des kaiserlichen Kanzlers und italienischen Reichslegaten Gottfried erhalten. Die Aufgaben der Kanzler in frühstaufischer Zeit bestanden weniger in der Leitung einer Hofbehörde, es handelte sich bei ihnen vielmehr um politisch erfahrene, hoch gebildete Berater des Kaisers. Für den aus dem Haus der Grafen von Sprinzenberg-Helfenstein stammenden Gottfried ist die politische Erfahrung nicht nur in seiner Funktion als Reichslegat für Italien zu fassen, er, der von 1172 bis 1186 in der Reichskanzlei Barbarossas, eine Zeit lang (1185/86) auch in der König Heinrichs VI. gewirkt hatte und 1186 Bischof von Würzburg wurde, war am Abschluss der Friedensverträge von Venedig (1177) und von Konstanz (1183), der erste insbesondere mit der Kirche, der zweite mit der Lega Lombarda, entscheidend beteiligt gewesen.26 Kanzler Gottfried hatte den beiden seitens ihrer Heimatstädte mit speziell definierten Befugnissen in der Form als »Podestà« betrauten Männern dann noch zwei in öffentlichen Geschäften ihrer Kommunen sehr erfahrene Männer beigegeben : Siro Salimbene von Pavia27 war 1172, 1177 und 1179 Konsul in der Ticinostadt und ist schon 1174, damit in der Zeit, als Pavia aufseiten der Lega Lombarda und gegen das Reich stand, am kaiserlichen Hof nachzuweisen, 1183 war er in Nürnberg bei der Aussöhnung des Herrschers mit Alessandria/Cesarea zugegen, und 1185 ist er als kaiserlicher Hofrichter nachzuweisen ; der zweite Podestà war Gerardo Cossadoca von Piacenza, der bereits mehr dreißig Jahre zuvor, in den Jahren 1152, 1155 und 1161, als Konsul der Postadt28 tätig gewesen war. Zu ihren Notaren, denen die Aus25 Diese Vorgangsweise der Wahl von Schiedsrichtern durch die beiden Streitparteien war für den kommunalen Kontext durchaus kennzeichnend. Um hier auf ein Parallelbeispiel hinzuweisen, sei ein am 8. November 1160 in Pavia durch Rechtsspruch entschiedener Streit um das ministerium afloratorum denariorum Papie angeführt, in dem von electi arbitri ab ambabus partibus zu lesen ist, vgl. Barbieri, Notariato, S. 194 Appendice Nr. 11. 26 Vgl. dazu Appelt, Einleitung, in : mg.ddf.i. Bd. 5, S. 16–19. 27 Vgl. zu ihm die Hinweise unten in Anhang iii, S. 244. 28 Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611–614 ; am 25. Oktober 1180 nahm er am Consiglio generale der Kommune Piacenza teil, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 ; bereits am 11. März 1184 stand Gerardo Cossadoca dem kaiserlichen Legaten Kanzler Gottfried

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Abb. 1 : Notariatssignet des Notars Tommaso Palmano, aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 23 (siehe unten S. 222, Anhang I, Nr. 5) ; Foto : F. Opll.

fertigung der Protokolle anvertraut wurde, bestellten die beiden Podestà mit eigener Urkunde am 14. November die Paveser Notare29 Guglielmo Giruino30 und Tommaso31 Palmano (Abb. 1). Capo und Guido de Pozzo erteilten einander zugleich die Vollmacht, dass jeder von ihnen weitere Notare ihrer Städte mit der Ausfertigung der Zeugenverhöre beauftragen konnte. Bei diesen handelte es sich von Paveser Seite um die Notare Saraceno de

mit seinem Rat zur Seite, vgl. dazu B.-Opll, Reg. Imp. 4, 2754. – Mit einem am 22. Februar 1186 in Piacenza ausgestellten kaiserlichen Diplom wurden früher vorgenommene Veräußerungen von Klostergütern der Äbtissin Dota von S. Maria Teodota (S. Maria della Pusterla zu Pavia), namentlich solche für Gerardo Cossadoca und Oberto de Porta, für ungültig erklärt, mg.df.i. 932. 29 Zur Stellung der Notare in der Paveser Zivilgesellschaft der Epoche vgl. Barbieri, Notariato, S. 157–181. 30 Barbieri, Notariato, S. 60 mit Anm. 52, S. 68 mit Anm. 88, S. 70 Anmm. 92 und 93, und S. 71 Anm. 101, nennt zu 1170, 1174, 1180 und 1183, Ders., a.a.O., S. 158, zu 1167–1189 einen Paveser Notar Guglielmo, der mit dem in unseren Quellen bezeugten Notar identisch sein könnte. – 1183 lässt sich ein Notar Guglielmo de Sartirana nachweisen, der von 1167 an mehr als ein Vierteljahrhundert lang aktiv war, vgl. Barbieri, a.a.O., S. 77 f., S. 88 sowie S. 159. 31 Ein Thomas notarius sacri palacii ist 1166 nachweisbar : Barbieri, Notariato, S. 126.

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Burgo32 und Gualfredo de Ponziglione (Abb. 2) von Piacentiner Seite um Alberto de Castello und Guischa. Ein interessantes Faktum bei den 14 Protokollen ist darin zu sehen, dass bei elf davon am Schluss der Dokumente eigens Zeugen genannt werden, welche ihrerseits die Zeugenverhöre bezeugten. Bei diesen elf Dokumenten handelt es sich um nach den üblichen Standards ausgeführte Notariatsinstrumente, bei den restlichen drei dagegen um formlose Aufzeichnungen ohne Datierung und sonstiges Protokoll. Als Zeugen der elf Notariatsinstrumente traten an den beiden Tagen der Einvernahmen unterschiedliche Personengruppen auf. Bei den Zeugen der Protokolle vom 14. November ist es schwierig, Genaueres über die als Zeugen anwesenden (nicht : einvernommenen) Personen zu sagen, doch könnte nach dem Namen Martinus Boticella eine verwandtschaftliche Beziehung zu der Paveser Familie Butigella33 vorliegen, und der sprechende Name Johannes Caputpiperis (»Pfefferkopf«) ist wohl auf einen Paveser Großhändler zu beziehen. Die tags darauf, am 15. November, die Notariatsinstrumente bezeugenden Persönlichkeiten wurden von dem ausdrücklich als dominus bezeichneten Paveser Konsul des Jahres 1184 Bellono de Curte angeführt, und unter ihnen findet sich mit Caldera Cane ein weiterer Konsul seiner Heimatstadt, der freilich sein Amt schon in den Jahren 1168 und 1178 innegehabt hatte.34 Der erste Eindruck von dem Verfahren, wie er aus dem Dokument betreffs seiner Regelung hervorgeht, ist somit der, dass man streng um Ausgewogenheit, ja Parität bemüht war, ein Vorgehen, das angesichts des Streits, der um fünf Orte ging, an denen sowohl Pavia als auch Piacenza Ansprüche hatten bzw. auf die sie solche erhoben, durchaus angemessen und gerechtfertigt scheint. Freilich stimmt der Umstand, dass die Verhöre allesamt nicht an einem neutralen Ort, sondern eben in im Zentrum des städtischen Regiments

32 Saraceno ist zwischen 1180 und 1213 als Notar, bis 1187 auch dezidiert als sacri palacii notarius, 1194 zuletzt als imperialis notarius nachweisbar, vgl. Barbieri, Notariato, S. 28 ; vgl. insbesondere auch sein Auftreten in zwei Notariatsinstrumenten betreffs der Beilegung lokaler Streitigkeiten in Pavia am 25. Juni und am 26. Juli 1186, die Barbieri, a.a.O., S. 197–200 (Appendice Nrr. 13–14) ediert und a.a.O., S. 136 ff., ausführlich bespricht. 33 Siehe dazu unten, Anhang ii, s. v. Opizone Butigella (S. 237). 34 Siehe zu diesen Persönlichkeiten unten, Anhang ii und iii, S. 229 ff. und 240 ff.

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Abb. 2 : Notariatssignet des Notars Gualfredo de Ponziglione, aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 25 (siehe unten S. 228, Anhang I, Nr. 14) ; Foto : F. Opll.

von Pavia, im Palazzo Comunale, genannt broilum bzw. brolium, stattfanden,35 doch skeptisch betreffs ehrlichen Vermeidens jeglicher Parteilichkeit. Und darauf könnte auch noch eine weitere Beobachtung hinweisen : Mit Nachdruck war nämlich in der Urkunde über die Bestellung der das Verfahren leitenden Persönlichkeiten bestimmt worden, dass die von beiden Seiten, von Pavia wie Piacenza, nominierten Zeugen gleich an Zahl sein sollten. 36 Untersucht man die überlieferten 14 Protokolle allerdings dann eingehend und geht man davon aus, dass es sich dabei um die komplette Überlieferung zu diesem Verfahren handelt, so sieht die Sache anders aus : Bereits der Herausgeber der Dokumente, Luigi Cesare Bollea, hat das zahlenmäßige Missverhältnis der verhörten Zeugen natürlich gesehen, hat allerdings gemeint, dass man eben mit Verlusten betreffs der Protokolle über die Aussagen von

35 Darauf wird in den Dokumenten mehrfach hingewiesen, vgl. etwa Bollea, Nr. 44 [irrig : 46], S. 72 (in ciuitate papia in broilo consulum papie), bzw. Nr. 45, S. 74 (in vrbe papia in broilo consulum). 36 Bollea, Nr. 44 [irrig : 46], S. 73 : … ; dati enim testes ab utraque parte sunt equales numero …

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Piacentiner Zeugen zu rechnen hat.37 Die von Bollea aufgestellte Rechnung, der von 46 Aussagen zugunsten von Pavia, die von 45 Personen abgegeben worden wären, und nur von 33 Aussagen zugunsten von Piacenza spricht, ist im Übrigen nach abermaliger Überprüfung insofern zu korrigieren, als es sich tatsächlich um 48 propavesische Aussagen von 47 Zeugen handelt. Neun der 14 Protokolle enthalten die Aussagen dieser 47 Paveser Zeugen,38 nur fünf dagegen solche von der Seite der Piacentiner Zeugen, insgesamt 33 Personen. Darüber hinaus handelt es sich bei den längsten und detailreichsten Aussagen durchwegs um solche pro Pavia. Höchst bemerkenswert – vielleicht war dies aber auch dem Verhandlungsort geschuldet – ist des Weiteren der Umstand, dass man bei der Bestellung der das Verfahren leitenden Notare zwei Paveser Vertreter dieses Berufsstandes, nämlich Guglielmo Giruino und Tommaso Palmano, nominiert hatte. Die als Protokollanten tätigen Notare – Saraceno de Burgo und Gualfredo de Ponziglione für Pavia, Alberto de Castello und Guischa für Piacenza – waren zwar in Abstimmung zwischen den beiden Podestà aus beiden Städten genommen worden. Freilich wurde in den erhaltenen Dokumenten ausschließlich die »Paveser« Gruppe aktiv.39 Letztlich ist nicht mit absoluter Gewissheit zu entscheiden, ob die Disparität in einem Überlieferungsverlust begründet ist oder ob sie nicht doch auf dem nach dem Verhandlungsort gegebenen Vorteil für die Stadt am Ticino beruht. Interesse zieht auch der Umstand auf sich, dass das Verfahren – offenbar wegen der großen Zahl an zu verhörenden Zeugen – auf zwei Tage aufgeteilt wurde, sich dabei allerdings ebenfalls ein deutliches Missverhältnis erkennen lässt. Am Mittwoch, dem 14. November des Jahres 1184, erfolgte zunächst die Konstituierung der das Verfahren leitenden und protokollierenden Personen, worauf an diesem Tag noch die Aussagen von vier Zeugengruppen mit insgesamt 30 Personen, durchwegs solchen Paveser Herkunft bzw. Zuge-

37 Bollea, Nr. 45, S. 74 (Vorbemerkung) betont, dass er in den Archiven von Pavia und Piacenza vergeblich nach den Protokollen der fehlenden propiacentinischen Zeugenaussagen gesucht habe. 38 Pietro Cheno, Konsul von Parpanese, wurde zweimal verhört, siehe dazu unten, Anhang ii, S. 237. 39 Die beiden Piacentiner Notare, Alberto de Castello und Guischa, traten nicht in Erscheinung, als Notare tätig wurden ausschließlich Tommaso Palmano, Gualfredo de Ponziglione und Saraceno de Burgo, siehe dazu unten, Anhang i, Nr. 2–15.

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hörigkeit, aufgenommen wurden. Am Tag darauf, dem 15. November, folgten sodann die restlichen Verhöre. Zuerst wurden an diesem Donnerstag, festgehalten in fünf Dokumenten, noch einmal fünf Paveser Zeugengruppen mit Zugehörigkeit zur Ticinostadt befragt. Im weiteren Verlauf desselben Tages befragte man sodann Piacentiner Zeugen, insgesamt 33 Personen, deren Aussagen in fünf Protokollen festgehalten wurden. Insgesamt handelt es sich in jedem Fall um eine eindrucksvolle, hohe Anerkennung verdienende Leistung, zu welcher das mittelalterliche Rechtsverfahren in den Kommunen der frühstaufischen Lombardei fähig war. Am 14. November hatten 30 Verhöre stattgefunden, wobei 29 Personen, eine davon – der Paveser Zeuge Pietro Cheno – zweimal ihre Aussagen geleistet hatten, tags darauf waren 51 Zeugen, in Summe daher an zwei Tagen 80 Personen, einvernommen worden. Versucht man sich dieses Prozedere auch nach seinem Zeitaufwand zu vergegenwärtigen, so wird man wohl davon ausgehen können, dass – bei aller Unterschiedlichkeit der Länge einzelner Aussagen – im Schnitt mit mindestens zehn Minuten pro verhörtem Zeugen zu rechnen ist.40 Damit muss eine Intensität erreicht worden sein, die beinahe unglaublich ist, in jedem Fall auch von der physisch-psychischen Leistungskraft wie Belastbarkeit der Beteiligten ein bemerkenswertes Zeugnis ablegt. Unser ganz spezielles Interesse fesseln aber über all das bisher bereits Ausgeführte hinaus die an diesen beiden Tagen im Spätherbst verhörten Zeugen selbst, unsere eigentlichen Gewährsmänner, insgesamt 80 Personen, darunter 47, die als »Pavesen«, und 33, die als »Piacentiner« (Abb. 3) zu gelten haben.41 40 Gehen wir davon aus, dass am 15. November, der ganztägig für das Verfahren herangezogen worden sein dürfte, etwas mehr als acht Stunden lang verhört wurde, dann ergäben sich bei 51 verhörten Personen knappe zehn Minuten pro einzelnem Zeugen ; tags zuvor, am 14. November, muss man wohl auch den Zeitaufwand für die Konstituierung der das Verfahren leitenden/protokollierenden Personen in Rechnung stellen, sodass für die an diesem Tag verhörten 29 Personen (in insgesamt 30 Verhörvorgängen) wohl gleichfalls mit rund zehn Minuten (ergäbe fünf Stunden) zu rechnen ist. Bei einer Aufteilung auf den gesamten Tag könnte dann wohl die Konstituierung des Gremiums bereits am Vormittag des 14. November erfolgt sein, und ab dem Nachmittag wäre man an die Arbeit gegangen. Angesichts der zum Teil beachtlichen Länge der Aussagen scheint es freilich zweifelhaft, ob mit zehn Minuten pro Zeugen wirklich das Auslangen gefunden wurde. 41 Die Einzelbelege zu den folgenden Ausführungen finden sich zur einfacheren Handhabbarkeit in einer alphabetisch geordneten Liste sämtlicher verhörter Zeugen, unten S. 229–240 (Anhang ii).

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Was verbirgt sich aber hinter diesen Zuordnungen als »Pavesen« bzw. »Piacentiner« ? Es ist kaum anzunehmen, dass es sich bei ihnen um Bewohner der betreffenden Städte oder auch – was freilich im Einzelnen nicht wirklich zu verifizieren wäre – um Personen handelte, die in einer der beiden Städte geboren worden wären. Wenig wahrscheinlich ist es auch, dass es sich bei ihnen um Personen handelte, die durchwegs über das Bürgerrecht der einen oder der anderen Stadt verfügten, wiewohl solches nicht absolut auszuschließen ist.42 In jedem Fall verbirgt sich hinter der Bezeichnung als »Pavese« bzw. »Piacentiner« der Hinweis darauf, dass sich diese Leute eben der Herrschaft der einen oder der anderen Kommune zugehörig fühlten bzw. von der einen oder der anderen Kommune zur Aussage aufgefordert, als Zeugen nominiert worden waren. Damit war aber eben auch ihre Qualifikation für gerade dieses Verfahren untrennbar verbunden : Sie lebten in den allermeisten Fällen in den zwischen Pavia und Piacenza umstrittenen Landgebieten südlich des Po, sie profitierten von und/oder sie litten unter der Zugehörigkeit zur Herrschaft dieser Kommunen über ihren Contado, in dem sowohl die Ticino- als auch die Postadt eine große Fülle an Ansprüchen und Rechten für sich geltend machten. Sie alle, diese Gewährsmänner, repräsentierten eine soziale Gruppe, die man sehr gerne als »gewöhnliche Menschen«, »die Bevölkerung« schlechthin oder ähnlich zu bezeichnen pflegt. Es ist allerdings zu fragen : Waren sie das wirklich ? Waren sie tatsächlich nur (Er-)Leidende, Menschen, die dem Willen von Obrigkeiten mehr oder weniger hilflos ausgesetzt waren ? War ihr geistiger wie zugleich Erfahrungshorizont tatsächlich durch die lokale, höchstens regionale Wahrnehmung begrenzt ? Hatten sie in ihrem Lebensumfeld keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten ? Hat man sie als bloß passive, auf Einflüsse reagierende, niemals selbstständig agierende Gruppe zu verstehen ? Antworten auf diese Fragen zu versuchen, gar zu geben, bildet eine ganz entscheidende Voraussetzung für jegliches Bemühen um die historische Analyse solch einer Überlieferung. Zunächst ist nochmals auf die bereits ange-

42 Andenna, Formierung, Strukturen und Prozesse, S. 248, nimmt bei einem in manchem vergleichbaren Fall aus dem Umkreis von Novara an, dass die Brüder Lanfranc und Ugo von Lumellogno, die sich gegen die Unterordnung unter die Herrschaft der Kanoniker von S. Maria zu Novara zur Wehr setzten, »sehr wahrscheinlich ›cives novarienses‹« waren.

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Abb. 3 : Nennung von Piacentiner Zeugen (Ex parte placentie …), aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 25 (siehe unten S. 228, Anhang I, Nr. 14) ; Foto : F. Opll.

führte Bedeutung des hier untersuchten Materials in der Form von Zeugenverhören zurückzukommen. Tatsächlich ist die Unmittelbarkeit der Aussagen eindrucksvoll, bietet Einblicke in Lebenssphären, die uns ansonst für diese frühe Epoche kaum zugänglich und erkennbar sind. Man ist auch nur allzu leicht geneigt, mit Analysen der hier vorgelegten Art wissenschaftliche Ansprüche zu verbinden, die an die für ganz andere Epochen mit großem Erfolg angewandte Methoden einer »Geschichte von unten« gemahnen.43 Freilich ist hier Zurückhaltung, vielleicht sogar Skepsis geboten, handelt es sich – wie eine genauere Untersuchung der im November 1184 Verhörten zeigt – eben keineswegs nur um Personen eines eingeschränkten Wahrnehmungshorizonts, gar bloß um »einfache Leute«. Und dennoch : Was solch eine Studie leisten kann, das ist in jedem Fall eine nachhaltige Weitung unseres Wissens und unserer Kenntnis über die Rahmenbedingungen der Lebensverhältnisse 43 Siehe dazu die Hinweise oben, S. 14 mit Anm. 4.

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»beherrschter« Menschen in lokalem Kontext. Eine Untersuchung, wie sie hier vorgelegt wird, kann zwar vielleicht weniger als Beispiel für die Methoden einer »Geschichte von unten« gelten, sie bietet allerdings in einem ebenso reichhaltigen wie schillernden Ausmaß »Geschichten von unten«. Betrachtet man zunächst die Gruppe der »Paveser« Zeugen genauer, so ist Folgendes an Details hervorzustreichen : Unter den 47 Personen, die für die Kommune Pavia aussagten, von dieser wohl regelrecht nominiert worden waren, gibt es eine erkleckliche Zahl, die im Vergleich mit weiteren Überlieferungen durchaus historisch-individuelles Profil gewinnen.44 So lassen sich eine ganze Reihe von Zeugen als Vertreter der zwischen Pavia und Piacenza umstrittenen Ortschaften erkennen, etwa Ottone Rufino und Pietro Cheno, die beide als Konsuln von Parpanese aktiv gewesen waren und daher über ein hohes Ausmaß von Lokal- wie Detailkenntnissen verfügt haben müssen. Ähnliches dürfte für Dulciano de Parpanese gelten, und bei einem Zeugen aus geistlichem Stande, dem Priester Guido von S. Marzano, ist ebenfalls die Zuordnung zu einem dieser Orte völlig unmissverständlich gegeben. Was aber für die »Paveser Zeugen« noch viel auffälliger ist, das ist der Umstand, dass damals, im November 1184, eine ganze Reihe von Amtsträgern der Ticinostadt selbst als Zeugen aussagten, darunter vorwiegend ältere Leute, die allerdings durchwegs als Konsuln ihrer Stadt amtiert hatten : Zu nennen sind dabei – in alphabetischer Reihenfolge45 – Bertramo de Ser Siclerio, Konsul im Jahre 1170, Caldera Cane, der 1168 und 1178 als Paveser Konsul amtiert hatte, Giacomo Aviano, der 1167 und 1179 zum Kreis der Paveser Konsuln gehört hatte, und Opizone Butigella, Paveser Konsul der Jahre 1159, 1163, 1164, 1170 und 1179. Auch ein mit der Ausübung von Paveser Herrschaftsrechten im Umland betrauter Bote (nuncius) mit Namen Alberico46 wurde damals verhört. Die Familie »Hund« (Cane), die neben Caldera 1180 einen weiteren Angehörigen namens Giacomo unter den Konsuln ihrer Heimatstadt hatte, der im Übrigen gleichfalls zu den vernommenen Zeugen vom November 1184 zählte, war 1184 auch noch durch den Zeugen Rolando

44 Siehe dazu unten, Anhang ii (S. 229–240). 45 Die Einzelbelege finden sich im Anhang iii, unten S. 240–244. 46 Bollea, S. 73 Nr. 45, sowie seine Nennung a.a.O., S. 87 (Nr. 46) : nuncius papie … pignorauerat illos de monticello.

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Abb. 4 : Nennung des Zeugen Rolando Cane, Johanniterbruder, aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 23 (siehe unten S. 222, Anhang I, Nr. 5) ; Foto : F. Opll.

Cane, einen Johanniterbruder (frater hospitalis sancti Johannis de Jerusalem ; Abb. 4), der 1164 und 1178 Konsul von Pavia gewesen war, vertreten. Und selbst einer der Paveser Notare, die mit der schriftlichen Ausfertigung der Zeugenverhöre beauftragt wurden, nämlich Gualfredo de Ponziglione,47 wurde damals als Zeuge einvernommen. Insgesamt ist zu konstatieren, dass es sich bei den seitens Pavias nominierten und auch verhörten Zeugen keinesfalls um »einfache Leute« aus den Orten im städtischen Contado handelte, sich vielmehr darunter Geistliche und Amtsträger fanden, deren Aussagen in jedem Fall Gewicht beizumessen ist. Und selbst bei den »Paveser Zeugen«, über die nichts an weiteren Einzelheiten bekannt ist, ist eine größere Zahl von Personen zu fassen, die aus manchen der umstrittenen Orte selbst kamen und damit über Ortskenntnisse verfügten : So wurden etwa mit Giovanni de Luzano, Tedaldo Basso, 47 Zu Gualfredo siehe auch unten, S. 234.

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Giovanni Certano und Giovanni Cazo gleich vier Zeugen verhört, die aus Mondonico stammten. Dezidiert aus Olmo kam Calvo Clauso, und aus S. Marzano wurden neben dem bereits erwähnten Geistlichen, Priester Guido von S. Marzano, auch noch Guglielmo Deambrosio und der Bogenschütze (arcarius) Lanfranco einvernommen. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun den »Piacentiner Zeugen« zu, so fällt neben dem schieren Umstand einer zahlenmäßig deutlich kleineren Gruppe (33 Personen) doch auch auf, dass es hier vorwiegend Personen aus den umstrittenen Orten waren, kaum solche aus Piacenza selbst, die verhört wurden. Unter den Bewohnern der umstrittenen Orte sagten etwa aus Mondonico Andrea und Giovanni Basso, aus S. Marzano Enrico Orso, Oberto Mocio (Abb. 5) und Magister Rinaldo sowie aus Olubra Omodeo pro Piacenza aus. Olubra gehörte zwar nicht zu den umstrittenen Orten selbst, es geht aber aus etlichen Aussagen hervor, dass sich in Olubra der Sitz der für die Bewohner von Mondonico zuständigen Pfarre befand.48 Aus Mondonico wie auch aus S. Marzano kamen somit – das sei hier gleich festgehalten – sowohl »Paveser« wie auch »Piacentiner« Zeugen. Dies könnte vielleicht darauf hinweisen, dass damit allzu parteiische Aussagen relativiert werden sollten. In jedem Fall wird deutlich, in welcher Gemengelage Paveser wie Piacentiner »Untertanen« in diesen fünf Orten mit- und nebeneinander lebten. Mehrfach hat es den Anschein, als könnte man aus den Namen der Personen ableiten, dass zwischen der Gruppe von »Paveser Zeugen« und der namens Piacenzas Verhörten verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Derartiges könnte unter anderem für die »Piacentiner Zeugen« Oberto Alda und Guido Alda gelten, sagte doch ein Viviano de Alda für Pavia aus, und auch der »Piacentiner« Zeuge Lombardo Mangiavillano dürfte mit dem »Pavesen« Uberto Mangiavillano verwandt gewesen sein. Zu der weit verbreiteten Sippe der Piacentiner Familie de Fontana gehörte die Familie de Arcello/Arcellis, die mit Asmundo und Arduino unter den Zeugen aufscheint. Einer der für die Epoche Kaiser Friedrich Barbarossas nachweisbaren Konsuln der Postadt, nämlich Guglielmo (dominus) de Malaparte (Konsul 1149, 1153 ?, 1167 und 1182), und mit Burgundio Pocaterra wohl ein Verwandter des 1167 amtierenden Piacentiner Konsuls Oberto Pocaterra de Fontana figurierten gleichfalls unter den namens 48 Siehe dazu unten, S. 79–88 (Mondonico im 12. Jahrhundert).

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Abb. 5 : Nennung des Zeugen Oberto Mocio aus S. Marzano, aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 25 (siehe unten S. 228, Anhang I, Nr. 14) ; Foto : F. Opll.

Piacenzas Verhörten. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Interessen der Postadt in ungleich geringerem Ausmaß von Angehörigen des konsularischen Gremiums vertreten wurden, als dies für Pavia der Fall war. Um hier ein erstes Fazit zur Überlieferung zu ziehen : Ein archivalisch überlieferter Bestand von insgesamt 14 Zeugenverhören, die unter Beachtung der im lombardischen Kernraum während der frühstaufischen Epoche üblichen Rechtsnormen und unter Heranziehung wie Beteiligung bestens qualifizierter Fachkräfte im November 1184 niedergeschrieben wurden, gewährt äußerst lebensnahe Einblicke in die Verhältnisse auf dem flachen Land unter der Herrschaft zweier benachbarter, vielfach miteinander konkurrierender Kommunen. Sowohl die Herkunft von Zeugen Pavias wie auch Piacenzas aus ein- und demselben Ort wie auch Aussagen, die – gleich von welcher Seite – mehrfach durchaus übereinstimmende Angaben im Hinblick auf die herrschaftlichen Verhältnisse machen, lassen erkennen, dass gemischte Herrschaft und durchaus berechtigte Ansprüche beider Streitparteien gegeben waren, die nur schwer voneinander zu trennen waren. In markantem

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Bemühen um Wahrung einer – freilich nur scheinbaren – Neutralität und damit eines »gerechten« Schiedsverfahrens wurden in einer der am Streit beteiligten Städte, nämlich in Pavia, die Vorerhebungen zur Beilegung eines jahrzehntelangen Rechtsstreits sowie herrschaftlichen Ringens zwischen zwei der bedeutendsten Städte des regnum Lombardie (heute aufgeteilt auf die beiden Regionen Lombardia und Emilia-Romagna) geführt. Bevor wir uns diesem Geschehen und insbesondere den Erkenntnissen, die hieraus im Hinblick auf die Verhältnisse, wie sie sich auf dem flachen Lande zwischen zwei mächtigen Kommunen über viele Jahrzehnte hin entwickelt und ausgebildet hatten, eingehender widmen, sollen die im Anschluss gebotenen Ausführungen eine der seit Langem, in den letzten Jahren aber noch verstärkt diskutierte Frage im Rahmen von weiter gespannten Überlegungen aufgreifen.

Zuverlässigkeit von Erinnerung vs. Vergessen und Verdrängen Mündlichkeit – und um mündliche Aussagen geht es in den durch notarielle Protokolle überlieferten Zeugenverhören – »… ist unausweichlich an das natürliche Gedächtnis gebunden und damit extrem verformungsanfällig. Denn das Gedächtnis konstruiert und variiert fortgesetzt die Erinnerungen.«49 Diese ausgesprochen skeptische Haltung nimmt ein renommierter Vertreter der deutschen Mittelalterforschung in Studien der jüngeren Vergangenheit ein, und er setzt dabei noch weiter nach :50 »Mittelalterliche Zeugenaussagen sind für psychologische Gedächtnisforschung und damit für die Ereignisgeschichte ohnehin unbrauchbar. Ihnen fehlt gewöhnlich eine unabdingbare Voraussetzung : das Erfordernis der neutralen Vergleichsgruppen. Niemand vermag ihre Aussagen zu kontrollieren. Was an ihnen stimmte, was nicht, inwieweit die Zeugen vor ihrer Aussagen ihr Wissen austauschten, ›aushandelten‹ und – bewußt oder unbewußt – aufeinander abstimmten, verraten die erhaltenen Gerichtsprotokolle an keiner Stelle. … Wer sich in einem Fall zu-

49 Fried, ›… vor fünfzig oder mehr Jahren‹, S. 24. 50 Fried, a.a.O., S. 26.

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treffend erinnerte, konnte sich in anderem abgrundtief täuschen – ohne es zu bemerken und ohne dem späteren Historiker auch nur den Hauch einer Chance zu lassen, die Irrtümer zu durchschauen.«

Diese so markante Skepsis ist nun weniger im Zweifel an in der Forschung bereits vorliegenden Auswertungen derartiger Quellen, an spezifischen Einzelfällen begründet. Vielmehr werden hier aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen resultierende Einsichten – konkret geht es um Ergebnisse von kognitionswissenschaftlichen Untersuchungen zum Gedächtnis des Menschen – und Beobachtungen über die Kurzzeitigkeit des Erinnerungsvermögens thematisiert. Zu älteren Auffassungen, bei denen grundsätzlich vom Gegenteil, eben einer hohen Präzision, einem hohen Ausmaß an Erinnerungsvermögen gerade für die im Regelfall schriftlosen, jedenfalls schriftfernen sozialen Verhältnisse älterer Epochen ausgegangen wurde, stehen derartige Auffassungen diametral im Widerspruch. Aus Einzeluntersuchungen sind diese Überlegungen durch deren Urheber, den bedeutenden Frankfurter Mediävisten Johannes Fried, vor wenigen Jahren zu einem umfassenden Werk unter dem Titel »Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik« zusammengefasst worden. Ausgesprochen kritisch sieht dieses ebenso anregende wie zugleich hoch interessante Werk unter Bezugnahme auf Leopold Ranke die bei diesem und auch noch für die gesamte romantische Epoche hindurch kennzeichnende Hochschätzung des Gedächtnisses wie – generell – der mündlichen Überlieferung »des Volkes«.51 Was dagegen eingefordert wird, ist eine Öffnung insbesondere der Mediävistik hin zur Erinnerungsforschung, und dabei müssen – Johannes Fried folgend – andere Disziplinen, die sich mit vergleichbaren Phänomenen auseinandersetzen, um Rat gefragt werden : Ethnologie, (kognitive) Ethologie, (Kriminal-, Aussagen- und Neuro-)Psychologie und nicht zuletzt Neurophysiologie.52 Wiewohl damit ein weiter Horizont an möglichen wissenschaftlichen Zugängen zur Untersuchung historischer Zusammenhänge aufgetan wird, solch ein Vorgehen vom Prinzipiellen her in jedem Fall ein ganzes Bündel an neuen Einsichten und Erkenntnissen dar51 Fried, Schleier der Erinnerung, S. 59. 52 Fried, a.a.O., S. 76–78.

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bietet und nicht zuletzt das Postulat, im Rahmen von Gedächtniskritik zu Erkenntnisgewinn vorzustoßen,53 überaus berechtigt ist, bleibt dennoch ein für die Geisteswissenschaften nicht untypischer Eindruck bestehen : Lässt nämlich die Berücksichtigung von Ergebnissen anderer Wissenschaftsdisziplinen zum einen eine durchaus differenziertere Erkenntnis zu, so birgt dieser kritisch-differenzierte Blick zum anderen nicht selten die Gefahr, historische Überlieferungen, und gerade solche, die auf mündlicher Tradition beruhen und sich aus dem Gedächtnis wie der Erinnerung speisen, weitgehend jeglicher Glaubwürdigkeit zu berauben. Mit anderen Worten : Kritik und Skepsis dürfen nicht dazu führen, Überlieferungen allzu vorschnell jeglichen historischen Wert abzusprechen. Vielmehr – so will es mir scheinen – ist gerade das Erkennen eines »Schleiers der Erinnerung« ein ganz wesentlicher Schritt in die Richtung, sich intensiver und eingehender mit Zeugnissen menschlicher Erinnerung auseinanderzusetzen, als dies bisher geschah. Im Einzelfall, noch dazu in einem solchen, der das unglaubliche Ausmaß von immerhin 80 als Zeugen einvernommenen Personen zweier Streitparteien erreicht, erscheint es durchaus angebracht, sich eingehender dem Bemühen zu widmen, ob eine ins Detail gehende Auswertung dieser nur auf den ersten Blick wenig ergiebigen, ja vielleicht sogar unzuverlässigen Quellen nicht doch deren »Wahrheits«gehalt höher erscheinen lässt, als dies auf den ersten Blick der Fall sein mag. Wenn dabei der Begriff »Wahrheit« eigens angemerkt wird, so hat dies seinen guten Grund : Es ist ja einleuchtend, dass gerade bei solchen Streitfällen und den Bemühungen zu ihrer Beilegung mittels der Verhörung von Zeugen die je eigene Wahrheit der beiden Parteien im Vordergrund steht, letztlich das, was der Betreffende für wahr hält, die individuelle Wahrheit – all das natürlich nur dann, wenn man den Personen nicht bewusste Falschaussagen unterstellen will. Was nun den Aspekt »Wahrheit« anlangt, so ist für den hier untersuchten Quellenbestand jedenfalls mit Nachdruck zu unterstreichen, dass mehrfach festzustellen ist, dass sich Aussagen von Paveser Zeugen mit denen der Piacentiner Seite decken. Beispiele dafür bieten etwa die übereinstimmenden Erinnerungen betreffs der Einsetzung von Konsuln in Mondonico durch den kaiserlichen Podestà

53 So bei Fried, a.a.O., S. 385 ff.

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von Piacenza, Arnold Barbavaria,54 oder auch die gleichlautenden Aussagen von Zeugen beider Seiten im Hinblick auf die ursprüngliche Stellung von S. Marzano als Allod des Bistums S. Siro zu Pavia.55 In solchen Fällen der übereinstimmenden Aussagen von Zeugen beider Streitparteien ist jedenfalls ein höherer Objektivierungsgrad betreffs der Prüfung der inhaltlichen Zuverlässigkeit möglich. Wiewohl es sicher nicht möglich ist, aus derartigen Übereinstimmungen in den Aussagen ganz generell darauf zu schließen, dass sich sämtliche der verhörten Zeugen an die Wahrheit hielten, bleibt es umgekehrt doch auch problematisch, bei allen mit bewusster Verdrehung der Wahrheit bzw. bewusster Unwahrheit rechnen zu müssen. Selbst die Forderung nach der Einbeziehung neutraler Vergleichsgruppen an Quellen zur Prüfung der Historizität lässt sich – zumindest partiell – im Fall der Paveser Verhöre vom November 1184 erfüllen. Die zahlreichen Berichte der Zeugen über militärische Vergeltungsmaßnahmen, die der staufische Kaiser angesichts des Zusammenbruchs seiner Reichsverwaltung in der Lombardei an einem Michaelstag (29. September) gegen das Landgebiet von Piacenza setzte, Maßnahmen, zu deren Umsetzung er sich der Unterstützung nicht nur Paveser Truppen, sondern auch deutscher Kräfte und Söldner in der Form von Brabanzonen56 bediente, lassen sich nicht nur dem kaiserlichen Itinerar57 gemäß in das Jahr 1167 datieren, sie finden ihre Bestätigung auch in unabhängig davon überlieferten historiographischen Zeugnissen.58 Wie verhält es sich aber nun mit der Zuverlässigkeit der Erinnerung dieser 80 am 14. und 15. November 1184 in Pavia befragten Zeugen ? Ist deren Erinnerung zu trauen, sind die Angaben betreffs der zeitlichen Einordnung frü54 Bollea, Nr. 51, S. 127 f. (Aussage des Paveser Zeugen Tedaldo Basso aus Mondonico), und Nr. 55, S. 155 (Aussage des Piacentiner Zeugen Andrea de Mondonico). 55 Bollea, Nr. 50, S. 110 (Aussage des Paveser Zeugen, Priester Guido von S. Marzano), und Nr. 57, S. 178 ff. (Aussage des Piacentiner Zeugen Oberto Mocio de S. Marzano). 56 Brabanzonen werden ausdrücklich im Bericht des Piacentiner Zeugen Lonbardo Mangiavillano über die Verheerung von S. Marzano durch Brand und Plünderung im September 1167 erwähnt, vgl. Bollea, Nr. 57, S. 176 : … quod braibenzoni et uillani de terra papie arserunt partem loci sancti marciani et locum robauerunt. – Zu den Söldnertruppen der Brabanzonen vgl. Grundmann, Rotten und Brabanzonen. 57 Vgl. dazu generell Opll, Itinerar. 58 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1742–1746.

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herer Geschehnisse zuverlässig, oder sind sie eher zu falsifizieren, jedenfalls als exakte Datierungen auszuschließen ? Kann man denn nicht versuchen, die einzelne Aussage mit anderen, gleichzeitig, am selben oder am nächsten Tag im broilum der Ticinostadt gemachten zu vergleichen ? Und lassen sich betreffs der Datierung nicht noch weitere Angaben einbeziehen, eben nicht nur der Hinweis, etwas sei »vor 5, 10, 30 usw. Jahren« geschehen, sondern auch Angaben darüber, dass zum Zeitpunkt der berichteten Ereignisse die eine oder andere Person als Konsul von Pavia bzw. Piacenza fungiert hatte ? All das lässt sich tatsächlich bewerkstelligen, und dabei hat Renato Bordone in seiner Studie über das »Zeitgedächtnis« zur Zeit Barbarossas bereits die wichtigen, ja die richtigen Wege gewiesen.59 Um hier zunächst von seinen Ergebnissen den Ausgang zu nehmen, diese zugleich ein wenig zu resümieren : Auffällig, aber zugleich auch überaus kennzeichnend ist der Umstand, dass die Zeugen – Menschen, die ihr Leben im Rahmen der in vieler Hinsicht weit entwickelten Städte der stauferzeitlichen Lombardei bzw. ihres Umlandes führten, durchaus nicht unwichtige Positionen bekleideten und dennoch als typische Vertreter des »einfachen« Volkes zu gelten haben – Zeitangaben niemals mit dem Hinweis auf das jeweilige Kalenderjahr verbanden. Jegliche andere nur denkbare Möglichkeit stand im Vordergrund, bloß die Angabe des Jahres selbst, wie sie in den Sphären des gerade im lombardischen Raum äußerst fortschrittlichen Rechtslebens oder aber auch für Chronisten und Annalisten ganz selbstverständlich war, kam ganz einfach nicht vor. Um persönliche Erinnerungen zeitlich festzumachen, dafür bediente man sich anderer Mittel, die aus der individuellen Sicht der einzelnen Zeugen wie der Zeitgenossen ganz offenkundig nicht nur ausreichten, sondern eben auch den gewünschten Grad an Exaktheit repräsentierten. Tatsächlich dürfte hier das für die Forschung so hoch bewertete, durchaus verständliche Streben nach Rekonstruktion der »historischen Wahrheit«, damit verbunden das Ziel einer absoluten Überprüfbarkeit der Authentizität von Quellenaussagen an seine Grenzen stoßen.60 59 Bordone, Il tempo. 60 Bordone, a.a.O., S. 21 : »Appare evidente che, fatte le debite riserve e accertati gli inevitabili errori …, ci troviamo di fronte a forme di periodizzazione funzionali e a tecniche di computo e di memorizzazione largamente diffuse a tutti i livelli, pur prescindendo dall’uso del millesimo. Pretendere oggi di ricostruire quei meccanismi è impresa disperata per i profondi mutamenti

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Was außerhalb jeder Debatte steht, das ist der hohe Quellenwert derartiger Überlieferungen. Es setzt freilich eine intensive, gar nicht einfache, in manchem durchaus beschwerliche Beschäftigung mit dem Quellenfundus voraus, um diesen für die Bereicherung unseres Wissens um das historische Panorama heranziehen zu können. Will man diese Verhöre vom November 1184 über die klar in ihrem Zentrum stehende Angelegenheit des Rechtsstreits hinaus als historische Quellen zu den Verhältnissen im frühstaufischen Reichsitalien lesen und verwenden, so sind zuerst die in ihnen vorhandenen chronologischen Angaben einer ebenso ausführlichen wie gründlichen Kritik zu unterziehen.

Die chronologisch verwertbaren Angaben in den Zeugenaussagen vom 14. und 15. November 1184 Die eingehende Prüfung der zeitlichen Abgaben, die sich in diesen Texten finden, erfordert eine abermalige intensive Auseinandersetzung mit der in den letzten Jahren mit ausführlicher Begründung vertretenen Auffassung, dass die Erinnerung von Menschen – nicht nur in historischer Dimension, sondern ganz grundsätzlich – ungenau, wenig zuverlässig und schwer bzw. kaum überprüfbar sei, sie letztlich einen »Schleier«61 vor dem tatsächlichen Geschehen in der Vergangenheit ausbreite, diese mehr verdunkle als erhelle. Bezogen auf unsere Paveser bzw. Piacentiner Zeugnisse ist nochmals an das bereits Gesagte zu erinnern, dass keiner der verhörten Zeugen seine aus der Erinnerung geschöpften Berichte mit absoluten Jahreszahlen versehen hat. Was in den urkundlichen Überlieferungen des Mittelalters ganz selbstverständlich ist, die Nennung des auf den angelsächsischen Geschichtsschreiber Beda Venerabilis (gest. 735) zurückgehenden, sogenannten »Inkarnationsjahres«, d. h. der Jahre nach Christi Geburt, das spielte in der persönlichen Erinnerung der Bevölkerung dieser Epoche ganz offenbar überhaupt keine Rolle. Bei den von den Zeugen des Jahres 1184 gebotenen Zeitangaben sind im Wesentlichen drei Arten zu unterscheiden :62 1. die Nennung des zeitlichen

intercorsi a livello anche di consuetudini mentali : campo inesplorato e inesplorabile sulla cui soglia la prudenza invita ad arrestarci.« 61 Der Bezug auf das Werk von Fried, Schleier der Erinnerung, ist evident. 62 Hier vgl. insbesondere Bordone, Il tempo, S. 20–35.

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Abstandes von Ereignissen der Vergangenheit bis zur Gegenwart des Jahres 1184, 2. die Nennung vergangenen Geschehens unter Bezugnahme auf »historische Ereignisse« und schließlich 3. die Erwähnung bekannter, nach ihren Funktionsdaten zeitlich einordenbarer Amtsträger der Städte.

Ö .ENNUNGÖDESÖZEITLICHENÖ!BSTANDESÖVONÖ%REIGNISSENÖDERÖ6ERGANGENHEITÖBISÖZURÖ 'EGENWARTÖDESÖ*AHRESÖ

Häufig wird in den Aussagen der Verhörten mit der Nennung des Zeitabstandes operiert, der ein bestimmtes Ereignis in der Erinnerung des Einzelnen von der Gegenwart (des Jahres 1184) trennt. Solche Hinweise können von der Angabe, etwas sei im vergangenen Jahr passiert, über die Nennung von Zeitspannen, wie »seit vier Jahren« oder ähnlich, bis hin zur Angabe »vor 15, 18, 20, 24, 30, 36, 40, 46, 47, 50 und 60 Jahren« (Abb. 6) reichen. Wenn die Zeugen sich mehrfach im Hinblick auf den zeitlichen Abstand vom Geschehen nicht wirklich festlegen können/wollen, Angaben, wie »vor mehr als 12 und weniger als 16 Jahren« oder eben vielfach das beliebte »circa« einfügen, so mahnt dies durchaus dazu, als Historiker mit solchen Angaben nur sehr behutsam umzugehen. Zugleich verdeutlicht es freilich anhand der hier erkennbaren Unsicherheit der Befragten deren hohes Bemühen, möglichst wahrheitsgetreu Zeugnis abzulegen. Eine Prüfung der Genauigkeit solcher Angaben bedarf des Vergleichs mit anderen Formen chronologischer Hinweise, lässt sich freilich, wie noch zu zeigen ist, gar nicht selten tatsächlich bewerkstelligen. Und ohne Zweifel ist man auch gut beraten, derartigen Angaben zeitlicher Abstände nicht mit der Forderung nach absoluter Exaktheit zu begegnen, sie im Falle des Abweichens um ein oder auch mehrere Jahre von den wirklichen Verhältnissen eben keinesfalls gleich als historisches Zeugnis zu verwerfen.

Ö.ENNUNGÖVERGANGENERÖ%REIGNISSEÖUNTERÖ"EZUGNAHMEÖAUFÖHISTORISCHEÖ%REIGNISSE

Angaben konkreter zeitlicher Abstände von bestimmten Geschehnissen der Vergangenheit steht in den hier untersuchten Zeugenverhören eine größere Gruppe von Hinweisen gegenüber, die chronologische Einordnungen unter Zuhilfenahme der Erinnerung an aus der Sicht der Verhörten große, bedeu-

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Abb. 6 : Erinnerung eines Zeugen an ein Ereignis »vor ca. 20 Jahren« (et est circa XX annos), aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 26 (siehe unten S. 227, Anhang I, Nr. 13) ; Foto : F. Opll.

tende Ereignisse bieten. Untersucht man diese Gruppe genauer – und setzt man dann die dabei gemachten Erkenntnisse in Beziehung zu der bloßen Angabe der seit einem Geschehen vergangenen Jahre –, so wird nicht nur das chronologische Netz dichter und zuverlässiger als zuvor. Es zeigt sich auf diesem Wege auch sehr schön, welches »große« Geschehen aus der Sicht der Menschen auf dem flachen Landes zwischen Pavia und Piacenza Eindruck machte, aus ihrer Sicht letztlich epochemachend war. Ein Überblick zu solchen markanten, in gewisser Weise »epochemachenden« Ereignissen soll dies im Folgenden zeigen : Das jüngstvergangene Ereignis, das man für Datierungsangaben der Art : »Dies geschah zur Zeit … (hoc fuit tempore …)« heranzog, war die tregua facta Venecie, der während des mehrmonatigen Aufenthalts des Kaisers in Venedig aus Anlass des Friedens mit Papst Alexander III. im Sommer 1177 auf sechs Jahre geschlossene Waffenstillstand zwischen dem Reich und der Lega Lombarda, dem Städtebündnis in der Lombardei.63 Es erstaunt zwar, dass sich nirgendwo ein Bezug auf den diesen Waffenstillstand ablösenden Frieden mit den Kommunen, der im Juni 1183 in Konstanz geschlossen worden war, findet, dies mag aber auch dadurch zu erklären sein, dass die Nennung von derart kurz zurückliegenden Ereignissen eben auch durch die Angabe »im vergangenen Jahr« oder ähnlich ersetzt werden konnte. 63 Bollea, Nr. 54, S. 147. – Gegen Bordone, Il tempo, S. 29 f., ist zu betonen, dass der Zeuge völlig richtig vom »Waffenstillstand« (tregua) spricht, nicht vom »Frieden«. Offenbar wusste er durchaus darüber Bescheid, dass zunächst eben noch kein vollständiger Friede hatte geschlossen werden können ; vielleicht darf dies sogar so interpretiert werden, dass er eben von dem Frieden von Konstanz (1183), der ja eigenartigerweise in den Zeugenverhören überhaupt nie Erwähnung findet, wusste.

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Schreiten wir zeitlich von 1177 in die Vergangenheit zurück, so findet sich die Nennung der Schlacht von Legnano (29. Mai 1176), die allerdings ebenso wie die tregua facta Venecie nur von einem einzigen der Zeugen erwähnt wird.64 Sie dürfte somit – ganz im Unterschied zur Bedeutung dieser Schlacht im Rahmen der italienischen Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts, des Risorgimento – von breiteren Kreisen der Epoche selbst kaum eingehender memoriert worden sein. Ganz anders verhält es sich mit der obsidio Alessandrie, der Belagerung der 1168 gegen den Kaiser gegründeten Stadt am Tanaro vom Herbst 1174 bis zum April 1175, die nicht weniger als zwölfmal als zeitliche Referenz verwendet wird.65 Der hohe Rang dieser Belagerung in der allgemeinen Memoria der Epoche resultiert ohne Zweifel aus dem Umstand, dass dieses Geschehen aus der Sicht des Kaisers kein wirkliches Ruhmesblatt seiner Politik war, für die städtischen Kräfte der Lombardei dagegen die erste militärisch erfolgreiche Behauptung der eigenen Position gegenüber dem Reichsoberhaupt. Der Stadt am Tanaro galt aber darüber hinaus das besondere Interesse lombardischer Kommunen auch aus der Sicht der jüngst vergangenen Jahre seit 1177/80. Alessandria hatte ja erst ein Jahr vor den Verhören der Paveser und Piacentiner Zeugen, im März 1183, zu einem Ausgleich mit dem Reich gefunden. Die Stadt war damals in einem hoch interessanten Rechtsakt gleichsam neu begründet worden und hatte dabei den bezeichnenden Namen Cesarea – ein regelrechtes Fanal gegen den ursprünglichen, von dem Barbarossa so viele Jahre hindurch feindlich gegenüberstehenden Papst Alexander III. hergeleiteten Stadtnamen – erhalten.66 In unseren Zeugenverhören finden sich insgesamt drei Bezeichnungen für die Stadt am Tanaro : Nur ein einziges Mal, in der Aussage eines Piacentiner Zeugen, wird der erst seit einem Jahr in Verwendung stehende, die Aussöhnung mit dem Reich kennzeichnende Name Cesarea verwendet.67 Am häufigsten findet sich – wie kaum anders zu erwarten – der Gründungsname von 1168, Alessandria.68 Mehrere Paveser Zeugen folgen mit der Verwendung des seitens ihrer Kommune wie 64 65 66 67 68

Bollea, Nr. 55, S. 162 : prelium de legnano. Dazu siehe bereits Bordone, Il tempo, S. 30. Vgl. dazu Opll, Gründer. Bollea, Nr. 57, S. 177. Vgl. etwa Bollea, Nr. 46, S. 87, 54, S. 147, 149, 152, 153 und 154.

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auch der Deutschen lange Zeit hindurch und durchaus abwertend gebrauchten Namens Palea69 der – wenn man so will – politischen Vorgabe der Haltung der Ticinostadt. Wenn aber auch ein Piacentiner Zeuge Alessandria als Palea bezeichnete,70 so wird deutlich, wie vorsichtig man gegenüber allzu eindeutigen Interpretationen bleiben sollte. Einen erstaunlich großen Reflex im Gedächtnis der lokalen Bevölkerung hatte die Schlacht ausgelöst, welche die Piacentiner am 13. Juli 1172 gegen Markgraf Wilhelm von Montferrat bei Mombello71 im Monferrato schlugen. Dieses Faktum dürfte nicht zuletzt daraus resultieren, dass in dieser Schlacht der wegen seiner vielen Eingriffe in das Landgebiet zwischen Pavia und Piacenza den hiesigen Leuten wohl bekannte Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino sein Leben verlor.72 Ob allerdings sämtliche Hinweise auf das factum Montebelli 73 in unseren Quellen, insbesondere die Teilnahme am Paveser Heer in exercitu Montebelli 74 auf die Schlacht des Jahres 1172 im Monferrato zu beziehen sind, muss offen bleiben. Vor allem der Umstand, dass es Paveser Zeugen sind, die aussagen, ein Paveser Heer sei gegen Montebellum gezogen, mahnt zur Vorsicht : In der annalistischen Überlieferung zur Schlacht von Mombello (1172) werden nämlich ausschließlich Kontingente aus Piacenza, Mailand, Alessandria, Asti, Vercelli und Novara genannt, aber keine aus Pavia, das ja seit 1170 ebenfalls Mitglied der Lega Lombarda war. Dagegen ist gut bezeugt, dass Pavia unmittelbar nach der Rückkehr des Kaisers nach Italien im Herbst 1174 sich von Neuem auf dessen Seite stellte und für die Belagerung Alessandrias 1174/75 Truppen stellte. Bei den Hinweisen Paveser Zeugen auf den exercitus Montebelli dürfte es sich somit sehr viel wahrscheinlicher um Reminiszenzen an die Ereignisse vom April 1175 handeln, als es nach Abbruch der Belagerung von Alessandria durch Friedrich Barbarossa 69 Bollea, Nr. 50, S. 112 ; Nr. 53, S. 139, 140. – Zu diesem Namen vgl. auch B.-Opll, Reg. Imp. 3, Nr. 2110. 70 Bollea, Nr. 57, S. 175. 71 Dies ist nicht mit den Geschehnissen zu verwechseln, die sich im April 1175 in dem östlich von Voghera in der Provinz Pavia gelegenen Montebello zutrugen ; Mombello (Monferrato) liegt südlich des Po, westlich von Casale Monferrato in der Provinz Alessandria. 72 Vgl. u.a. Bollea, Nr. 55, S. 161 ; Nr. 56, S. 171 f.; vgl. zu dieser zeitlichen Einordnung insbesondere Bordone, Il tempo, S. 31. 73 Bollea, Nr. 46, S. 85. 74 Bollea, Nr. 47, S. 95, 96 und 100.

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zu Montebello (unweit Voghera) zum Abschluss einer concordia zwischen den Städten und dem Herrscher gekommen war. Im Gedächtnis geblieben waren sodann – bei weiterem zeitlichem Zurückschreiten – mehrere Ereignisse der so hochdramatischen Jahre 1167 und 1168. Der in anderen Quellen zum Jahr 1167 als Paveser Konsul belegte Giacomo Aviano sagte etwa aus, dass er in dem Jahr, in dem der »Kaiser nach Rom zog«,75 gemeinsam mit seinem – ebenfalls zu 1167 fassbaren – Konsulgenossen Rainaldo de Campese in den fünf umstrittenen Orten des Jahres 1184 als Vertreter der Paveser Herrschaft tätig war. Bei dem Romzug handelte es sich eindeutig um den zu Anfang des Jahres 1167 angetretenen, der im Gefolge des Ausbruchs einer furchtbaren Seuche wie auch der Gründung des lombardischen Städtebündnisses zu einem wahren Desaster der staufischen Reichspolitik werden sollte. Noch ungleich dramatischer, da von den Menschen im Landgebiet zwischen Pavia und Piacenza unmittelbar erlebt, ja erlitten, war die von etlichen Zeugen erwähnte Brandschatzung, zu der Barbarossa höchstpersönlich nach seiner Rückkehr aus Rom in das Piacentiner Umland zog, um Rache zu nehmen.76 Für zwei der Zeugen waren dezidiert die Gründung der Lega Lombarda, der societas civitatum Lonbardie, und die Rückkehr der 1162 aus ihrer Stadt ausgesiedelten Mailänder in ihre Heimatstadt – beides Teil der dramatischen Geschehnisse des Jahres 1167 – Anknüpfungspunkte für ihre persönliche Erinnerung.77 Noch weiter zurück, vor diese Zäsur des Jahres 1167, weisen die zahlreichen Anspielungen auf die Belagerung (ab 1158) und Zerstörung von Mailand (1162), ein Geschehen, das am häufigsten von allen von den im November 1184 verhörten Zeugen memoriert und als Zeithinweis verwendet wurde (Abb. 7).78 Tatsächlich muss die lombardische Metropole um 1184 – zumindest für die Städte Pavia und Piacenza sowie deren Landgebiete – schon als 75 Bollea, Nr. 45, S. 80 ; vgl. auch Nr. 45, S. 81, und Nr. 55, S. 163. 76 Siehe dazu unten, S. 122–124. 77 Bollea, Nr. 46, S. 84 f.; vgl. dazu Bordone, Il tempo, S. 29 (Gründung der Lega Lombarda). – Bollea, Nr. 45, S. 78, und Nr. 55, S. 164 : … postquam mediolanenses intrauere ciuitatem. 78 Hier alle Belege anzuführen ist praktisch nicht möglich, vgl. aber Bollea, Nrr. 45, 46, 47, 48, 49, 50, 53, 54, 55 und 57 (S. 74, 77, 78, 80, 87, 91, 94, 96, 98, 103 f., 106, 112, 118, 141, 146, 148 f., 162, 160 f., 163, 164 und 179 f.).

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Abb. 7 : Erinnerung eines Zeugen an die Belagerung von Mailand (eo anno quo Mediolanum fuit/obsessum), aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 26 (siehe unten S. 227, Anhang I, Nr. 13) ; Foto : F. Opll.

Synonym für die gesamte Lega Lombarda verstanden worden sein. Kaum anders ist es zu verstehen, dass einer der Zeugen eine Sitzung des Städtebundes, die 1173 in Lodi stattgefunden hatte, irrtümlich nach Mailand verlegt.79 – Ein einziges Mal wird auch auf die Zerstörung von Crema (Januar 1160) Bezug genommen.80 Noch weiter in die Vergangenheit zurück ist es aus der Ära Friedrich Barbarossas die Zerstörung von Tortona (1155), welche etliche Male als Datierungsmerkmal im Kontext des persönlichen Erinnerns unserer Zeugen genannt wird.81 Die Regentschaft des ersten staufischen Kaisers bestimmte nicht nur wegen ihrer für das individuelle Gedächtnis noch relativ gut überschaubaren Zeitspanne von etwa 30 Jahren vor den Verhören, sondern eben auch wegen der hohen Dramatik der Zeitläufe dieser Epoche und auch des Ausmaßes des politischen Eingreifens der Reichspolitik und -gewalt in die lokalen Verhältnisse ganz eindeutig den Zeithorizont der Zeugen. Weiter zurück finden sich im Kontext der Reichsgeschichte ausschließlich Reminiszenzen an die Ära Kaiser Lothars III. (1125–1137), des letzten Herrschers vor Barbarossa, der persönlich in Italien gewesen war und dort auch eingegriffen hatte.82 79 Bollea, Nr. 53, S. 142 ; vgl. dazu Bordone, Il tempo, S. 29. – Siehe dazu auch unten, S. 61 f. mit Anm. 106. 80 Bollea, Nr. 55, S. 162 ; vgl. Bordone, Il tempo, S. 33. 81 Bollea, Nr. 45, S. 81 ; Nr. 46, S. 86 ; Nr. 47, S. 91 und 94 ; Nr. 50, S. 117 ; Nr. 51, S. 125 ; Nr. 52, S. 130 f.; Nr. 53, S. 136 ; Nr. 54, S. 149 und 150 ; Nr. 57, S. 177. 82 Bollea, Nr. 53, S. 143 ; 56, S. 171 ; Nr. 58, S. 189.

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Andere Elemente des Erinnerns an zurückliegende Geschehnisse dieser Frühzeit – immerhin mehr als etwa 30 Jahre zurückliegend – finden ihren Anknüpfungspunkt ausschließlich in lokalen Ereignissen. Zu nennen sind dabei die nach chronikalischer Überlieferung zum 11./12. Juli 1149 datierbare Schlacht von Tabiano, die immerhin viermal Erwähnung findet und von einem Zeugen, der im Jahr dieser Schlacht Konsul der Val Tidone war, als ein Geschehen von »vor 30 Jahren« datiert wird.83 Man wird angesichts dieser geringen Abweichungen chronologischer Art, die niemals das Ausmaß eines Jahrzehnts überschreiten, von einer durchaus beachtlichen Gedächtnisleistung sprechen dürfen.84 Hinweise auf einen Piacentiner Feldzug gegen Parma vor 47 Jahren, bei dem Konsul Bigurra Cane für Piacenza fiel, führen noch weiter zurück.85 Spätestens jetzt wird das Gedächtnis brüchiger, werden die Aussagen weniger zuverlässig, und wir überschreiten bisweilen die Grenze hin zum legendenhaften Bericht über Ereignisse aus einer tatsächlich sehr frühen Epoche. Aus Erzählungen des Vaters bzw. von alten Männern und Frauen,86 die dies sogar zum Teil selbst wieder von alten Männern gehört haben – so wird in unseren Dokumenten von einem eindrucksvollen Geschehen aus wirklich »grauer Vorzeit« erzählt. Und dennoch : Nicht weniger als neun Zeugen, sowohl von Paveser wie von Piacentiner Seite, mit großer Wahrscheinlichkeit allesamt Einwohner eines der umstrittenen Orte, nämlich von S. Marzano, unter ihnen nicht nur der Priester dieses Ortes und ein – wie sein Titel magister nahelegt – Absolvent eines Studiums, wissen davon zu berichten, dass dereinst zur Entscheidung eines Rechtsstreits in einem placitum ein Duell ausgetragen worden sei. Streitpunkt war die Grenze zwischen den Grafschaften von Pavia und Piacenza.87 Eine auch nur annähernde zeitliche Einordnung 83 Bordone, Il tempo, S. 27. – Tabiano (Bagni) liegt unweit Salsomaggiore Terme südlich von Fidenza in der Provinz Parma. 84 Bordone, Il tempo, S. 27 : »In tutti questi casi che riguardano un periodo oggetivamente lontano nel tempo lo scarto fra la collocazione popolare e quella reale non supera comunque il decennio.« 85 Bollea, Nr. 55, S. 157 f. – Vgl. dazu die Hinweise bei Bordone, Il tempo, S. 26–27. 86 Einer der seltenen Hinweise auf den weiblichen Teil der Bevölkerung dieser Orte. 87 Vgl. u.a. Bollea, Nr. 50, S. 111 und 116 ; Nr. 53, S. 141 und 143 f.; Nr. 57, S. 180 ; siehe dazu Bordone, Il tempo, S. 27 f., sowie Settia, Il distretto pavese, S. 118 und S. 140 f., der auch darauf aufmerksam macht, dass den verhörten Zeugen nicht recht klar war, ob es dabei um

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dieses Geschehens, das in jedem Fall auf die Augenzeugen so großen Eindruck gemacht haben muss, dass man davon noch in deren Enkelgeneration zu berichten wusste, ist praktisch nicht möglich. Sollte die Austragung des Duells tatsächlich im Auftrag der beiden Kommunen selbst erfolgt sein, so wäre dies ein deutliches Signum für eine äußerst früh einsetzende kommunale Entwicklung. Freilich erfolgte – in Oberitalien ganz generell,88 und für Pavia im Speziellen – gerade in den Jahrzehnten bis in die 1140er Jahre eine rasante Ausweitung der kommunalen Rechtssphäre.89 Die Austragung eines Rechtsstreits unter Rückgriff auf die sehr traditionelle Form eines Duells, im konkreten Fall angesiedelt im Interessenfeld von Kommunen, das passt jedenfalls sehr gut in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, wohin auch die vagen Zeitangaben der 1184 verhörten Zeugen – sie berufen sich auf Erzählungen des Vaters, alter Leute, und diese hätten es ihrerseits wieder von alten Leuten gewusst – weisen. Tatsächlich kennen alle der Zeugen aus ihrer persönlichen Wahrnehmung den Grenzstein, den man nach dieser Entscheidung, die zugunsten Pavias fiel, an einem Ort namens Porta Pagana bzw. Porta Pegata, im Gebiet von Ziano Piacentino etwa zwei Kilometer südlich von S. Marzano, gesetzt hatte – letztlich ein materielles Relikt90 dieses wichtigen und noch immer memorierten Ereignisses aus »grauer Vorzeit«. Mehrere der Paveser wie der Piacentiner Zeugen kennen sogar den Namen des für Pavia siegreichen Duellanten, des Gastalden Pagano de Rovescala. Pagano führte den für die traditionelle Verwaltung königlichen oder auch geistlichen Besitzes in der Lombardei typischen Titel eines Gastalden, er nannte sich nach Rovescala, wo sich ja die für

eine Grenze zwischen den Grafschaften von Pavia und Piacenza oder bloß um lokale Besitzgrenzen im Raum von S. Marzano gegangen ist. Einige der Zeugen meinen, es sei um das Gebiet des Bistums Pavia oder auch von S. Marzano selbst gegangen. – Zuletzt vgl. Fried, ›… vor fünfzig oder mehr Jahren‹, S. 26 f., der Bordone aus meiner Sicht missversteht und dessen Verdikt ich mich nicht anschließen kann. 88 Sehr schön ist dies auch am Fallbeispiel von Lodi zu zeigen, vgl. dazu demnächst Opll, Gründer. 89 Vgl. dazu Vaccari, Pavia, sowie die entsprechenden Passagen in der Storia di Pavia, Vol. iii/1. 90 Settia, Il distretto pavese, S. 118 : »Le testimonianze che abbiamo riportato sembrano concordemente rimandare ad una situazione, vera o presunta, nella quale le circoscrizioni dipendenti dalle città avevano confini precisi e opportunamente materializzati sul terreno.«

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die Bewohner von S. Marzano zuständige Pfarre befand.91 Sein Kontrahent, der Piacentiner Duellant, blieb dagegen anonym – man ist durchaus an die moderne Redeweise »the winner takes it all« erinnert.92 Besonderes Interesse bei diesem so weit zurückreichenden Bericht verdient nicht zuletzt der Umstand, dass eben auch die Piacentiner Zeugen von einem Sieg der Paveser Seite erzählen, ja, einer von ihnen, Oberto Mocio de S. Marzano, betont so91 Siehe dazu unten, S. 109. 92 Bollea, Nr. 50, S. 110 f.: Der Paveser Zeuge Priester Guido von S. Marzano erinnert sich 40 Jahre zurück, hat von vielen Einheimischen, sowohl Männern wie Frauen, von dem Duell gehört. Er weiß zwar nicht, worum es dabei ging, hat aber gehört, dass danach ein Grenzstein an der Porta Pagana gesetzt wurde ; somit handelte es sich um eine Festlegung der Grenze zwischen S. Marzano und Piacenza. – Bollea, Nr. 50, S. 116 : Der Paveser Zeuge Domenico Arcario erinnert sich 40 Jahre zurück, hat von seinem Vater und anderen alten Menschen zu S. Marzano öfters gehört, es habe ein Duell wegen der Grenzen zwischen den Grafschaften von Pavia und Piacenza gegeben, wobei der für Pavia kämpfende Gastalde Paganus de Rovescala siegte ; darauf habe man bei der Porta Pagana einen Grenzstein zur Markierung der Grenze zwischen S. Marzano und Piacenza gesetzt. – Bollea, Nr. 50, S. 118 : Der Paveser Zeuge Alberico Roncio sagt über das Duell dasselbe aus wie Domenico Arcario. – Bollea, Nr. 53, S. 141 : Der Paveser Zeuge Guglielmo de Ambrogio von S. Marzano beruft sich auf Aussagen alter Leute von S. Marzano, die es abermals von alten Leuten des Ortes gehört hatten : Das Duell über die Grenze zwischen den beiden Grafschaften habe der Gastalde Paganus de Rovescala für Pavia gegen Piacenza gewonnen, und die Grenze sei dann am Beginn der Länder von S. Sepolcro in S. Marzano bei dem Ort, der Porta Pagana genannt wurde, fixiert worden. – Bollea, Nr. 57, S. 175 f.: Der Piacentiner Zeuge Enrico Orso de S. Marzano hat von alten Leuten des Ortes über die Grenze bei der Porta Pegata, wo ein Grenzstein die Grafschaften Pavia und Piacenza trenne, gehört, weiß aber nichts von einem Duell ; daher gehören S. Marzano und Mondonico zu Pavia. – Bollea, Nr. 57, S. 179 f.: Der Piacentiner Zeuge Oberto Mocio de S. Marzano beruft sich auf die comunis fama, dass S. Marzano ein Allod von S. Sepolcro zu Pavia war, das es wieder vom Bistum S. Siro her hat und das zur Pfarre Rovescala gehört ; alte Einwohner von S. Marzano und abermals die comunis fama berichten, es habe dereinst ein placitum zwischen Piacenza und Pavia über ihre Grafschaften stattgefunden, das durch ein Duell entschieden wurde, und der Grenzstein wurde zur Porta Pagana gesetzt ; im Duell siegte der Gastalde Pagano de Rovescala für Pavia, und er erhielt dafür von den Grafen von Rovescala ein Lehen, das seine Nachkommen noch heute innehaben. – Bollea, Nr. 57, S. 181 : Der Piacentiner Zeuge Andrea de Rodde sagt über das Duell, das der Gastalde Pagano de Rovescala focht, dasselbe aus wie Oberto Mocio, aber er weiß nicht, ob dies wegen der Grafschaften oder wegen des Territoriums von S. Siro ausgetragen worden sei. – Bollea, Nr. 57, S. 183 : Der Piacentiner Zeuge Rainaldo Magister aus S. Marzano sagt über das Duell, das der Gastalde Pagano de Rovescala focht, dasselbe aus wie Oberto Mocio, aber er habe nicht gehört, dass das Duell wegen der Grafschaften gefochten wurde, sondern vielmehr sei es wegen des Territoriums von S. Marzano ausgetragen worden.

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gar dezidiert, dass im Gefolge dieses Duells S. Marzano und Mondonico als der Paveser Herrschaft zugehörig betrachtet wurden.93 Bisweilen lassen sich Reminiszenzen an Ereignisse mit der Nennung des Abstandes an Jahren von diesen miteinander vergleichen, was eine wichtige zusätzliche Form der Prüfung der Zuverlässigkeit darstellen kann : Dabei gibt es zum Teil durchaus Übereinstimmungen, wenn sich etwa der Hinweis, etwas sei vor 24 Jahren geschehen und Mailand sei damals noch nicht zerstört gewesen, eindeutig auf das Jahr 1160 beziehen lässt.94 In einem anderen Fall heißt es, der Zeuge erinnere sich an die Zerstörung Tortonas, und das sei vor ca. 30 Jahren gewesen, womit sich 1154/55 als Datierung ergibt.95 Ganz offenkundig sah man es im Falle eines Verweises auf eines dieser ebenso »großen« wie historisch einprägsamen Ereignisse nicht unbedingt als erforderlich an, deren Datierung auch noch mit absoluten Zahlen zeitlich zusätzlich zu verorten.

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Neben dem Hinweis auf den zeitlichen Abstand bestimmter Geschehnisse von der Gegenwart – des Jahres 1184 – mittels der Nennung der Zahl von seither vergangenen Jahren oder der Bezugnahme auf wichtige, auch für den lokalen Lebenshorizont bedeutsame »große« Ereignisse ist schließlich noch ein drittes Datierungsmerkmal zu erwähnen, das gleichfalls ein gutes und – vor allem – überprüfbares weiteres Zeitgerüst aufzustellen möglich macht : die Nennungen von Amtsträgern in den beiden Städten Pavia und Piacenza, darunter insbesondere solche der Konsuln dieser Städte, durch die Zeugen. Eine Analyse dieser Belege in extenso zu führen stellt in der Summe eine bislang im Falle der Paveser Verhöre vom November 1184 zwar schon vor Jahren angeregte, aber bislang noch nicht wirklich umfassend genutzte Methode der Prüfung der Zuverlässigkeit der Zeitangaben der Zeugen. Man kann sich zu diesem Zweck auf Vorarbeiten sowohl für Piacenza als auch

93 Bollea, S. 176 : … ita quod sanctus marcianus et monsdonnicus remanent deuersus papiam. 94 Bollea, Nr. 47, S. 91 : … quod sit circa vigintiquatuor annos quod hoc fuit et quod Mediolanum non erat destructum. 95 Bollea, Nr. 50, S. 117 : … quod recordatur destructionem terdone quod est circa XXX annos.

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für Pavia stützen, welche die Zusammensetzung der jeweiligen konsularischen Gremien bzw. sonstigen an der städtischen Herrschaft Beteiligten im 12. Jahrhundert bieten. Im Falle Pavias liegen von Pietro Vaccari96 erstellte Listen der Konsuln sowie der Podestà der Stadt am Ticino vor, bei deren Benutzung allerdings zu beachten ist, dass sie ihre Angaben ganz maßgeblich aus den in dieser Studie behandelten Zeugenverhören des Jahres 1184 schöpft. Man wird somit Vorsicht walten lassen, keinen Zirkelschlüssen aufzusitzen. Für Piacenza kann man sich bis heute auf die von Ludovico Antonio Muratori bereits 1730 veröffentlichte »Chronica Rectorum Civitatis Placentiae«,97 eine Aufstellung aus dem späten 13. Jahrhundert, stützen. Man wird aber auch mit Gewinn die vor rund 30 Jahren erschienene große Studie von Pierre Racine98 als Hilfsmittel zur prosopographischen Struktur dieser Postadt heranziehen. Zu betonen bleibt gleichwohl, dass keinesfalls davon ausgegangen werden kann, dass die Konsullisten für die Städte vollständig sind, d. h. eine absolute Sicherheit betreffs der Ausübung solcher städtischer Ämter durch bestimmte Personen ist nicht zu erzielen. Darüber hinaus bereitet es auch immer wieder Schwierigkeiten, bei der Nennung desselben Namens als Konsul über die Zeitspanne von etlichen Jahrzehnten hinweg mehrere den selben Namen tragende Mitglieder ein und derselben Familie chronologisch voneinander zu trennen. Und dennoch : Eine eingehende Erfassung der Nennungen verbunden mit Vergleichen, wie sie aus den sonstigen chronologischen Angaben der Zeugen resultieren, bietet sehr wohl einen weiteren Fortschritt an Erkenntnis, lässt einen weiteren Schritt im Hinblick auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit der vorliegenden Aussagen zu.

3.1 In den Zeugenverhören erwähnte Paveser Konsuln bzw. Podestà

Aus den Reihen der Angehörigen des städtischen Regiments der Ticinostadt werden in den Zeugenverhören 26 verschiedene Konsuln erwähnt. Mehrere

96 97 98 99

Vaccari, Lista consoli ; Ders., Lista podestà. Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac. Racine, Plaisance. Siehe dazu die Einzelnachweise unten, S. 244–250 (Anhang iii).

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von diesen Personen gehörten ganz offenkundig denselben Familien an. 100 Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen diesen Konsuln bestanden darüber hinaus ganz ohne Zweifel auch zu einer ganzen Reihe der 1184 einvernommenen Zeugen. Ja, einige Angehörige des Paveser Stadtregiments wurden sogar selbst als Zeugen verhört.101 Ohne an dieser Stelle auf die einzelnen Persönlichkeiten genauer eingehen zu können – dazu dient das Verzeichnis unten im Anhang ii (S. 229 ff.) –, sei doch an dieser Stelle zumindest einer dieser Amtsträger exemplarisch genauer vorgestellt, und dies insbesondere deshalb, um die Schwierigkeiten zeitlicher Zuordnungen auf der Grundlage der Nennung bestimmter Amtsträger darzulegen. Es geht um den von mehreren Zeugen erwähnten Ferrando Albaricio, der als Podestà wie auch als Konsul von Pavia bezeichnet wird. Der Umstand, dass er es war, der sowohl die Bewohner von Parpanese wie auch die von S. Marzano bei Klagen gegen das gewaltsame Eingreifen von Piacenza in die Ortsherrschaft im Rahmen einer Vorsprache bei einer Zusammenkunft der Lega Lombarda in Lodi – nur ein einziger Zeuge spricht hier, freilich irrig, von Mailand102 – unterstützte, hatte ihn zu einer festen Größe im Gedächtnis etlicher unserer Zeugen werden lassen. Nur eine sehr eingehende Analyse sämtlicher vorliegender Berichte zu dieser Episode lässt auch eine Datierung des Geschehens zu. Während nämlich Ferrandos Wirken als Podestà von Pietro Vaccari zum Jahr 1179103 datiert wird, ergibt sich aus der Aussage des Paveser Zeugen Pietro Cheno104 unzweifelhaft, dass das parlamentum des Lombardenbundes in Lodi eindeutig im Jahr 1173 stattgefunden hat. Pietro weiß nämlich Folgendes zu berichten : Der Piacentiner Guglielmo de Malvicino kam in dem Jahr, als er im Monferrato verstarb, 100 Zu nennen sind Gisliciono und Roffredo de Burgo, Caldera und Rolando Cane, Gisliciono und Siro Salimbene, Bertramo de Ser Siclerio und Giacomo de Siclerio, Gisliciono und Paucopilo de Strata. 101 Giacomo Aviano, Konsul der Jahre 1167 und 1179, wurde als Zeuge einvernommen ; Caldera Cane wie auch Rolando Cane, beide Paveser Konsuln, befanden sich gleichfalls unter den Zeugen, und der Zeuge Giacomo Cane gehörte wohl derselben Familie an. Ohne dass auf seine vielfache Tätigkeit als Paveser Konsul in unseren Zeugenverhören hingewiesen wird, wurde auch Opizo Butigella im November 1184 befragt. 102 Vgl. dazu Bordone, Il tempo, S. 33. 103 Vaccari, Lista podestà, S. 64. 104 Bollea, Nr. 47, S. 94 f.

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also 1172 (Abb. 8),105 nach Parpanese, wo damals er, Pietro Cheno selbst, und Ottone Rufino als Ortskonsuln namens der Stadt Pavia amtierten. Gegen die von Guglielmo erhobenen Forderungen nach Unterordnung unter seine und damit Piacenzas Herrschaft erhoben Pietro und Ottone in Pavia Einspruch, und die damaligen Paveser Konsuln Siro Salimbene und Bernardo de la Monaca richteten mit Erfolg ein entsprechendes Protestschreiben an Piacenza. Ein Jahr später – somit im Jahre 1173 – griffen die Konsuln von Piacenza dann ihre Maßnahmen von Neuem wieder auf und gingen dabei sogar mit militärischer Gewalt gegen die Parpanesi vor. Die Bewohner des Ortes entsandten daraufhin eine Delegation gemeinsam mit Podestà Ferrando Albaricio von Pavia an die Rektoren des Lombardenbundes in Lodi106 und erhoben Klage, worauf die Piacentiner Konsuln sie vom bereits geleisteten Untertaneneid lösen mussten. Interesse beanspruchen auch eine Reihe von Mehrfachnennungen von Konsuln eines bestimmten Amtsjahres : So erwähnen die Zeugen des Jahres 1184 aus dem konsularischen Gremium von 1162 mit Armanno Cristiano, Bellono de Curte, Gisliciono Salimbene und Roffredo de Burgo, aus dem von 1172 mit Bernardo de la Monaca, Giacomo de Sicleriis, Gualterio Mediabarba und Siro Salimbene jeweils gleich vier Mitglieder, aus dem Stadtregiment der Jahre 1164 mit Paucopilo de Strata und Rolando Cane, 1168 mit Caldera Cane und Paucopilo de Strata und 1178 mit Caldera Cane und Rolando Cane jeweils zwei Mitglieder. Auch für Pavia lässt sich ja – genauso wie für andere lombardische Städte, darunter Piacenza oder auch Lodi107 – gut nachweisen, dass die dramatischen Ereignisse der Jahre, in denen die staufische Reichsherrschaft zusehends in die Krise geriet und schließlich mit der Lega Lombarda eine machtvolle Opposition gegen deren überzogene Forderungen Gestalt annahm, keinesfalls

105 Siehe zu ihm unten, Anhang iii, S. 247 f. 106 Am 20. Februar 1173 stellten die Rektoren der Lega Lombarda – genannt werden Vertreter von Cremona, Mailand, Brescia, Piacenza, Novara, Parma, Lodi, Reggio, Modena und Bergamo – in Lodi eine Urkunde für Abt Trasmondo von Chiaravalle aus, vgl. Vignati, CD. Laudense II, Nr. 60, Manaresi, Atti Milano, Nr. 86, sowie jetzt die online-Edition durch Grossi, Le carte del monastero di S. Maria di Chiaravalle II, Nr. 29 = http ://cdlm.unipv. it/edizioni/mi/chiaravalle-smaria2/carte/chiaravalle1173-02-20 (Status : 28. Mai 2009). 107 Dazu ausführlich bei Opll, Gründer.

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Abb. 8 : Erinnerung eines Zeugen an den Tod des Guglielmo de Malvicino in Mombello Monferrato (mortuus fuit in monteferrato), aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 26 (siehe unten S. 227, Anhang I, Nr. 13) ; Foto : F. Opll.

zu einem völligen Austausch der städtischen Führungsschichten führten. Vielmehr trachtete man offensichtlich in vielen Städten, einen Ausgleich der Interessen herbeizuführen. Zugleich wollte man wohl auch auf den Erfahrungsschatz von bereits seit Längerem als Konsuln fungierenden Persönlichkeiten nur ungern verzichten. Was sich anhand der identifizierbaren Paveser Konsuln in unseren Verhören gut belegen lässt, das ist eine relativ hohe persönliche Erinnerungsgenauigkeit der Zeugen, die bis in die frühen 1160er-Jahre zurückreicht. Man wird zwar in Rechnung stellen dürfen, dass manche der Konsuln nicht zuletzt auch deshalb stärker im Gedächtnis fortlebten, weil unter ihrer Amtsführung sich entweder besonders dramatische Ereignisse für das Schicksal ihrer Städte oder auch des Umlandes ihrer Städte zugetragen hatten oder auch persönliche Beziehungen bzw. verwandtschaftliche Bande von Zeugen zu diesen Repräsentanten des städtischen Regiments gegeben gewesen waren, von denen wir im Einzelnen nichts wissen. Dennoch bleibt der Befund bestehen, dass ihre Nennungen insgesamt einen Zeitraum abdecken, der mit den zeitlichen Angaben betreffs großer historischer Ereignisse als Stützen für das individuelle Gedächtnis auffällig korreliert. Im Hinblick auf die Rolle großer historischer Ereignisse in der Erinnerung der Menschen konnte schon vorhin 108 festgestellt werden, dass die persönliche Erinnerung vor der Belagerung/Zerstörung von Mailand (1162) nur noch wenige ältere Ereignisse kennt : die Zerstörung von Tortona (1155), so manches lokalgeschichtliche Ereignis aus den 1130er- bzw. 1140er-Jahren und die Epoche Lothars III. Somit ist eine erkennbare Grenze für das Erinnerungsvermögen auch unter diesem Aspekt um etwa 1160 anzusetzen.

108 Dazu siehe schon oben, S. 50–59.

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3.2 In den Zeugenverhören erwähnte Piacentiner Konsuln und Podestà

Untersucht man die zu den Angehörigen des städtischen Regiments der Postadt zählenden Konsuln und Amtsträger, welche in unseren Zeugenverhören Erwähnung finden, so ergibt sich das folgende Bild : Insgesamt liegen in den Zeugenaussagen Nennungen von 30 bzw. 31110 städtischen Amtsträgern der Postadt vor. Ähnlich wie dies bei den Paveser Konsuln der Fall ist, die in diesen Zeugenverhören Erwähnung finden, lassen sich auch zwischen den genannten Piacentiner Amtsträgern verwandtschaftliche Beziehungen erkennen. Mehrfach sind Verwandte der hier Genannten auch in den Reihen der in unseren Zeugnissen nicht erwähnten städtischen Konsuln von Piacenza nachweisbar : Die Familie Andito bzw. dell’Andito stellte neben dem in den Verhören erwähnten Alberto mit Folco in den Jahren 1152 und 1157 und mit Oberto in den Jahren 1154 und 1159 gleichfalls Konsuln. Die Speroni gehörten zu den Piacentiner Familien, die mit Friedrich Barbarossa Jahrzehnte hindurch in direktem Kontakt standen und deren Interessen stets ihren Brennpunkt im Poübergang samt -hafen ihrer Heimat hatten. 111 Der in den Zeugenverhören von 1184 nicht erwähnte Ugo Sperone war 1165 und 1171 Konsul und ist in der hochmittelalterlichen Geschichte nicht zuletzt auch deshalb bekannt, weil er sich zwischen 1177 und 1185 von der Kirche distanzierte und als Verfasser einer häretischen Doktrin hervortrat.112 Die Familie Leccacorvo stellte neben dem von den Zeugen genannten Burgundio in den Jahren 1163, 1171, 1173 und 1176 mit Stefano, 1177 dann mit Guglielmo Konsuln ihrer Heimatstadt. In welchem Verhältnis Arduino Confanonerio, Piacentiner Konsul in den Jahren 1165, 1183 und 1186, zu Confanonerius do109 Siehe dazu die Einzelnachweise unten, S. 244–250 (Anhang iii). 110 In Anhang iii (unten S. 244 ff.) finden sich insgesamt 34 Piacentiner Konsuln, doch werden dort auch die nicht in unseren Zeugenverhören vom November 1184 erwähnten Konsuln Oberto della Porta, Oddone Novello und Rinaldo Surdo angeführt ; im Hinblick auf Bigurra Cane, der im Zusammenhang mit seinem Tod in den Kämpfen gegen Parma in den 1130er oder 1140er-Jahren Erwähnung findet, ist es nicht absolut sicher, ob er tatsächlich Konsul von Piacenza war. 111 Güterbock, Piacenzas Beziehungen. 112 Racine, Plaisance I, S. 407 ff. – Gemeinsam mit seinen Verwandten Alberto, Raimundo und Ruffino Sperone wird Ugo als Teilnehmer des am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale erwähnt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265.

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minus stand, muss offen bleiben, doch dürften auch hier zumindest verwandtschaftliche Bande vorliegen, wenn nicht sogar Identität gegeben ist. Bei dem 1179 und 1186 als Konsul amtierenden Arnaldo Stretto könnte es sich durchaus um einen Sohn des Folco gehandelt haben. Die Familie Malaparte war ab etwa 1150 unter den Konsuln von Piacenza vertreten. Bei der ab 1132 nachweisbaren Familie Malvicino handelte es sich um einen Zweig der Familie Fontana, die im Umland Piacenzas zahlreiche Rechte und Besitzungen innehatte. Guglielmo de Malvicino selbst war einer der am häufigsten erwähnten Piacentiner Konsuln in den Zeugenverhören vom November 1184, und er tritt uns dabei als besonders tatkräftiger und energischer, freilich auch mit ausgeprägter Brutalität agierender Wahrer der Rechte Piacenzas über den Contado entgegen. Da er in der Erinnerung der 1184 befragten Zeugen einen derart tiefen Eindruck hinterlassen hat, er in den bei Muratori überlieferten Konsullisten aber nur zum Jahr 1160 als Konsul bezeugt ist, ist mit einiger Gewissheit davon auszugehen, dass er tatsächlich öfters – ganz sicher in seinem Todesjahr 1172 – dem konsularischen Gremium der Postadt angehörte. Er dürfte aber seine vielfältigen Aktivitäten der Herrschaftssicherung auch in Zeiten umgesetzt haben, da er das Amt des Konsuls nicht ausübte. Guido de Vurzano, einer der Piacentiner Zeugen, datiert jedenfalls eine seiner Aussagen mit dem Hinweis »zur Zeit, als Guglielmo de Malvicino und seine Genossen Konsuln waren, als er (= Guglielmo) zu Mombello starb«.113 Die schon mehrfach genannte Familie Fontana stellte mit Guidotto einen der 1184 erwähnten Piacentiner Konsuln, zugleich war diese Familie der ursprüngliche Verwandtschaftsverband, aus dem sich im 12. Jahrhundert mehrere der einflussreichen Familien der Postadt herleiteten, darunter die Malvicini, die Pocaterra und die Arcelli.114 Zu Letzteren zählte der in unseren Quellen bezeugte Konsul Pagano de Arcelli, dem in einem nicht weiter erkennbaren Verwandtschaftsverhältnis auch der für die Jahre 1170 und 1174 nachweisbare Piacentiner Konsul Arnaldo de Arcelli zur Seite zu stellen ist.

113 Bollea, Nr. 55, S. 161 : … in consulatu guililemi de malouicino … quando ipso mortuus fuit ad mombellum (Schlacht der Truppen der Lega Lombarda gegen Markgraf Wilhelm von Montferrat zu Mombello im Monferrato am 13. Juli 1172). 114 Vgl. dazu die Hinweise bei Racine, Plaisance, Register.

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Mehrfachnennungen von Angehörigen des konsularischen Gremiums von Piacenza in bestimmten Jahren liegen in den Zeugenverhören vom November 1184 für die folgenden Jahre vor : 1159 mit den urkundlich auch anderweitig bezeugten, von Barbarossa in Befolgung der Beschlüsse von Roncaglia in Piacenza aus den Kreisen der ansässigen Familien eingesetzten Podestà Alberto de Andito, Confanonerio dominus und Obertino dominus,115 1160 mit Ardicio de Ardizzone, Guglielmo de Malvicino und Pagano de Arcelli,116 1162 mit Guglielmo Siccamelica und dem dann bis 1164 tonangebenden deutschen Podestà Arnold Barbavaria von Dorstadt, 1167 mit dem schon 1159 als – damals unter direktem kaiserlichem Einfluss eingesetzt – Konsul tätigen Alberto de Andito und Guglielmo de Malaparte, sodann 1174 mit Alberto Sperone und Burgundio Leccacorvo, schließlich 1181 Giovanni de Malamena, Pagano de Arcelli und wohl auch Gislerio. – Angehörige von Piacentiner Familien, die Konsuln stellten, leisteten gleichfalls bei den Verhören vom November 1184 ihre Aussagen,117 Piacentiner Konsuln selbst wurden dagegen nur vereinzelt als Zeugen angehört.118 Auch hier möge – genauso wie bei den Beobachtungen zu den Paveser Konsuln in unseren Quellen – versucht werden, aus der Nennung von Piacentiner Konsuln Schlüsse auf die Korrektheit des durch die sonstigen chronologischen Hinweise der Zeugen gegebenen Zeitgerüsts zu ziehen. Hier, bei den Piacentinern, hat es den Anschein, dass sich Piacentiner Zeugen sogar noch eine Spur weiter zurück recht genau erinnern konnten, nämlich noch bis zum Ende der 1150er-Jahre. Besonders ragt dabei der präzise Hinweis des Piacentiner Zeugen Guglielmo de Malaparte hervor, der ja selbst in den Jahren 1167 und 1182 Konsul seiner Heimatstadt gewesen war, weist er doch in seiner Aussage überaus präzise auf die Zeit hin, als Confanonerio dominus,

115 Zu diesem Jahr vgl. Opll, Potestates. 116 Nach einer Zeugenaussage (Bollea, Nr. 56, S. 169) seien vor mehr als 20 Jahren einmal 13 Konsuln gleichzeitig in Piacenza im Amt gewesen, was sich mit einiger Gewissheit auf das Jahr 1160 beziehen dürfte ; die bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff., edierten Konsullisten weisen zum Jahr 1160 jedenfalls die außergewöhnlich hohe Zahl von zehn Konsuln auf. 117 Siehe dazu unten im Anhang ii die Zeugen Folco Ardizzone bzw. Burgundio Pocaterra (S. 232 und S. 231) und – im Anhang iii – die Konsuln Ardicio de Ardizzone bzw. Alberto Pocaterra (S. 245). 118 Dies gilt für Arduino de Arcelli, unten Anhang ii und iii, S. 230 f. und 245.

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Obertino dominus und Albertus de Andito potestates Placentie per dominum imperatorem waren. Da die drei Genannten auch in einer Originalurkunde des Jahres 1159 in dieser Funktion zu fassen sind, damit also ein von den Zeugenverhören des Jahres 1184 völlig unabhängiges Zeugnis119 vorliegt, wird man der Erinnerung des Zeugen hohe Präzision zuerkennen müssen. Einen massiven Schwerpunkt, ja eine Art von regelrechtem Gravitationszentrum im Gedächtnis der Piacentiner Aussagen – aber nicht nur dieser –, bildete die Ära des deutschen Podestà, der vom August/September 1162 an durch zwei Jahre in der Postadt amtierte. Er baute damals ein regelrechtes Terrorregiment auf und aus, das von Zwangsmaßnahmen, Ausbeutung wie auch von Korruption charakterisiert war. Der aus Sachsen stammende Arnold von Dorstadt, den bereits die Zeitgenossen offenbar wegen seines mehrfärbigen Bartes als »Barbavaria« bezeichneten, nimmt in den Aussagen beinahe aller Zeugen, die man 1184 in Pavia verhörte, einen ganz zentralen Stellenwert ein. An seine Ära, an die von ihm gesetzten Maßnahmen – daran erinnerte man sich nur allzu gut. Viele hatten unter der Rigorosität der Herrschaftsausübung dieser beiden Jahre schwer gelitten, diese Zeit war vielen deutlich im Gedächtnis geblieben. *** Wenden wir uns zuletzt nochmals der Frage zu, ob und in welcher Form sich Überschneidungen und Vergleichsansätze zwischen diesen drei Möglichkeiten der zeitlichen Angaben in den Zeugenverhören finden lassen, so ist Folgendes festzuhalten : Selbstverständlich hat man die Erinnerung an erst kurz zurückliegende Ereignisse als zuverlässiger anzusehen, als dies bei vielen Jahren, ja Jahrzehnten an zeitlichem Abstand der Fall sein mag. Und wenn dann dazu noch ein persönliches Moment kommt, wie einem Fall, da der Paveser Zeuge Girardo Mussino aussagt, dass es im kommenden Februar – also 1185 – drei Jahre sein werden, dass er in Miradolo120 wohne, so wird man dem nicht allein deshalb Vertrauen schenken dürfen. Girardo leitet seine gesamte Aussage nämlich damit ein, dass er Zeugnis über Verhältnisse für die Zeitspanne geben könne, als er

119 Bollea, Nr. 23, S. 33 ; vgl. Opll, Potestates. 120 Bollea, Nr. 47, S. 98. – Er lebte damit seit 1182 in dem heutigen Miradolo Terme nördlich des Po.

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selbst drei Jahre vor der Zerstörung Mailands (1159) nach Parpanese gezogen war – für ihn hatte also der Wechsel des Wohnortes eindeutig eine markante, sein persönliches Gedächtnis prägende Bedeutung und Wirkung. Die eingehende Untersuchung so vieler Zeugenaussagen macht es aber in mehreren Fällen möglich, eine Übereinstimmung von mindestens zwei der drei angeführten Datierungsspezifika – die Nennung der Zeitspanne, die seit einem Ereignis vergangen war, der Hinweis auf »historische« Ereignisse und die Erwähnung städtischer Amtsträger – aufzuzeigen. Und damit ist ein methodisch besonders wichtiger Weg zur Überprüfung der chronologischhistorischen Exaktheit der Angaben, zugleich der Zuverlässigkeit der Aussagen, markiert : Wenn etwa der seitens Pavias nominierte und befragte Zeuge Guglielmo Deambrosio von S. Marzano angibt, bestimmte Ereignisse hätten sich innerhalb der letzten zwölf Jahre zugetragen und dabei in einem Fall auf Maßnahmen der Paveser Konsuln Gualterio Mediabarba und Giacomo de Sicleriis rekurriert, die tatsächlich ihr Amt gemeinsam im Jahre 1172 ausübten, so zeigt sich hier eine markante Koinzidenz zeitlicher Hinweise.121 Wenn dieselbe Dauer von zwölf Jahren vor 1184 dann in der Aussage eines Piacentiner Zeugen, nämlich des Folco Ardizzone, Erwähnung findet und im Kontext dieser Angabe mit der Präzisierung »im selben Jahr« (eodem anno)122 auf Guglielmo de Malvicino und Ardicio de Ardizzone als Konsuln von Piacenza verwiesen wird, so scheinen diese Zeitmerkmale zunächst schwer miteinander zur Deckung gebracht zu werden können. Guglielmo war nach den bei Muratori überlieferten Piacentiner Konsullisten nämlich nur 1160 gemeinsam mit Ardicio als Konsul der Postadt tätig. Man hat allerdings zu berücksichtigen, dass unsere Quellen, die Paveser Zeugenverhöre vom November 1184, für die im 18. Jahrhundert erstellten Piacentiner Konsullisten keine Verwendung fanden und ihnen damit Ergänzungen und neue Erkenntnisse gegenüber diesen zu verdanken sind. Bei Guglielmo ist sein abermaliges Konsulat im Jahr 1172 nicht zuletzt dadurch eindeutig zu datieren, dass er in diesem Jahr in der Schlacht von Mombello Monferrato fiel. Das Datum dieser Schlacht aber, der 13. Juli 1172, ist auch durch andere Zeugnisse bekannt.123

121 Bollea, Nr. 53, S. 142. 122 Bollea, Nr. 55, S. 157. 123 Bordone, Il tempo, S. 31.

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Zuverlässigkeit von Erinnerung vs. Vergessen und Verdrängen

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Nicht immer wird man freilich absolute Exaktheit der Zeitangaben erwarten dürfen und können, und dennoch : Wenn etwa Pietro de Luzzano – er sagte als Paveser Zeuge und zugleich als Bewohner von Mondonico aus und betonte dabei, er erinnere sich 30 Jahre zurück, sei in Mondonico geboren worden und habe sein ganzes Leben daselbst zugebracht – den Hinweis auf die Erhebung von Konsuln in seinem Heimatort durch Konsul Caldera Cane von Pavia mit der Präzisierung, dies habe sich vor 14 bzw. vor weniger als 15 Jahren zugetragen,124 so lässt sich dies zwar nicht absolut genau mit Caldera Canes Zugehörigkeit zum konsularischen Gremium der Ticinostadt in den Jahren 1168 und 1178 zur Übereinstimmung bringen. Gleichwohl wird man der Gedächtnisleistung dieses Mannes aus Mondonico hohe Anerkennung zu zollen haben. Eine der besonders weit zurückreichenden Zeitangaben bietet uns der seit jeher in S. Marzano wohnhafte, als Paveser Zeuge nominierte Alberico Roncio, der betont, er könne sich noch an die Zerstörung von Tortona (1155) zurückerinnern. Wenn er dies mit dem Hinweis verbindet, dies habe sich vor 30 Jahren zugetragen, so wird man die minimale Abweichung von einem Jahr (1154 statt 1155) wohl kaum als Fehlleistung seines Erinnerungsvermögens qualifizieren dürfen.125 Versucht man somit ein Fazit zur Frage der Zuverlässigkeit der Erinnerung auf der Grundlage der Paveser Verhöre vom November 1184, so bleibt festzuhalten, dass sich die Menschen nicht an bestimmte Jahre, gar Jahreszahlen, sehr wohl aber an die seit bestimmten Geschehnissen (annähernd oder sogar genau) vergangene Zeitspanne erinnerten. Sehr viel breiteren Raum für das Gedächtnis des Einzelnen nahm jedenfalls das »große« Ereignis ein, das in die eigene, überschaubare Welt hinein Wirkung zeitigte, darunter insbesondere die wichtigsten Etappen der Maßnahmen der kaiserlichen Italienpolitik Friedrich Barbarossas. Je näher derartige Geschehnisse an die »kleine Welt« der Menschen in den Landgebieten zwischen Pavia und Piacenza heranrückten und je intensiver sie diese tatsächlich im wörtlichen Sinn betrafen, umso prägender war solches dann auch für das individuelle Gedächtnis. Dabei kommt insbesondere der Piacentiner Entwicklung mit ihren so 124 Bollea, Nr. 51, S. 126. 125 Bollea, Nr. 50, S. 117.

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dramatischen Ab- und Verläufen zur Zeit Kaiser Friedrichs I. ganz zentrale Bedeutung zu. Über die Fährnisse dieser Stadt unter dem ersten Kaiser aus staufischem Haus liegt nicht nur zeitgenössisches Schrifttum, darunter erzählende Quellen wie auch weitere Zeugenverhöre, vor. Sie, diese Fährnisse, sind auch vielen davon direkt oder indirekt Betroffenen im Gedächtnis haften geblieben. Wie anders wäre es zu erklären, dass etwa die Ära des von Barbarossa 1162 über Piacenza gesetzten deutschen Podestà Arnold Barbavaria von Dorstadt mit all ihren so brutalen Härten für die Postadt und ihr Landgebiet sich gleichsam wie ein roter Faden durch eine große Zahl der Zeugenverhöre vom 14. und 15. November 1184 verfolgen lässt ? Die dritte Variante, Berichte über frühere Geschehnisse zeitlich zu fixieren, bestand in den Hinweisen auf den bzw. die städtischen Amtsträger, die zur Zeit bestimmter Ereignisse im Amt waren. Setzt man die erwähnten Namen in Beziehung zu den für Pavia wie für Piacenza mehr oder weniger präzis zu rekonstruierenden Konsullisten dieser Epoche, so ergibt sich ein weiteres Zeitgerüst, das wünschenswerte Ergänzungen bietet. Dem Umstand schließlich, dass zwar nur selten die Möglichkeit gegeben ist, mehrere dieser Zeitangaben miteinander in Beziehung zu setzen und zu vergleichen, dies aber eben dennoch in einigen Fällen ein auffällig hohes Maß an Übereinstimmung bringt, ist besonderes Augenmerk zu schenken. Insgesamt stehen wir im Hinblick auf den Versuch, die historische Authentizität solcher Zeugenaussagen zu prüfen, gar zu erweisen, vor einem gar nicht so brüchigen Netz an zeitlichen Präzisierungen. Ohne deshalb völlig der Auffassung zu erliegen, derartige Aussagen für absolut »wahr« und für zeitlich mit höchster Gewissheit einzuordnen zu halten – eines ist zu unterstreichen : Eine detaillierte, eingehende und sämtliche Möglichkeiten der Quellenkritik berücksichtigende Analyse lässt daran zweifeln, ob man an dem generellen Verdikt festhalten kann, »mittelalterliche Zeugenaussagen« seien »für die Ereignisgeschichte … unbrauchbar«.126

126 Fried, ›… vor fünfzig oder mehr Jahren‹, S. 26.

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Quinque loci, fünf Orte, so wurde der Gegenstand des Streites zwischen Pavia und Piacenza kurz und bündig umschrieben (Abb. 9, S. 73). Dies ging so weit, dass bisweilen nur vier der fünf Orte namentlich angegeben wurden und dennoch von fünf Orten die Rede war.1 Man maß diesen Plätzen ihrer Bezeichnung nach keinerlei höhere Qualifikation bei, obwohl Hinweise auf Befestigungen am Ort, den Bestand von örtlichen Gotteshäusern und insbesondere verfassungsmäßige Besonderheiten, wie der mehrfach dokumentierte Bestand eines konsularischen Regiments, durchaus auf eine fortgeschrittene Entwicklung weisen. Man beließ es vielmehr bei dem nichtssagenden Begriff des locus, wenn von ihnen die Rede war. Gleichwohl rang man erbittert um die Vorherrschaft über diese. Wo lagen diese Plätze, und welche Bedeutung kam ihnen in einem über das Lokale hinaus reichenden Kontext zu ? Vier dieser fünf Orte – alle lagen im Hochmittelalter südlich des Po und damit im Grenzgebiet zwischen dem Oltrepò Pavese und dem Territorium von Piacenza –, nämlich Monticelli (Pavese), die Pfarre Parpanese, Mondonico und S. Marzano, sind eindeutig zu lokalisieren. Es handelt sich bei ihnen heutzutage um kleine Flecken in der Grenzregion der italienischen Regionen Lombardia und Emilia-Romagna bzw. – kleinräumiger gesehen – zugleich im Grenzraum zwischen den Provinzen Pavia und Piacenza. Der fünfte dieser Orte, der locus Ulmi, wird in den vorliegenden Editionen wie auch in der einschlägigen Literatur stets als Olmo bzw. Olmolo, gelegen »zwischen Pavia und Piacenza bzw. unweit der so wichtigen Via Francigena«, bezeichnet. Er besteht heute nicht mehr als eigener Ort, doch erinnert der Name für

1 So etwa in dem Eid des Pavesen Guido de Pozzo in Übereinstimmung mit dem Piacentiner Richter Capo, mit dem am 4. Februar 1185 in Portalbera südlich des Po das Urteil in dem Streit für den folgenden 1. Mai in Aussicht gestellt wurde, vgl. Bollea, Nr. 60, S. 195, und Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. I, S. 387 Nr. 175 (irrig zu : 1186 !).

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eine Gruppe von drei Häusern zwischen Parpanese und Pievetta an den abgekommenen Ort. Während Parpanese, Monticelli und auch Olmo in ihrer Bedeutung eindeutig durch ihre Lage am bzw. nahe am Po zu charakterisieren sind, liegen Mondonico und S. Marzano schon etwas weiter südlich im hügeligen Vorland des Apennins, das erste zwischen Bosnasco und Rovescala in der Provinz Pavia, das zweite etwa zwei Kilometer südwestlich von Castel S. Giovanni und heute zur Gemeinde Borgonovo Val Tidone in der Provinz Piacenza gehörig. Parpanese, gelegen hart an der heutigen Grenze zwischen den Provinzen Pavia und Piacenza, freilich zu ersterer gehörig, war als einziger dieser Orte selbst Pfarrsitz. Nicht selten wird er ganz einfach als plebs bezeichnet, Ausdruck der kirchlichen Zentralitätsfunktion des Ortes. S. Marzano gehörte zur Pfarre Rovescala, Mondonico zu Olubra. Olubra, das heutige Castel S. Giovanni, ist als Ortsname heute verschwunden, doch lebt in dem heutigen Ortsnamen nicht nur das Patrozinium der Pfarrkirche von Olubra weiter,2 sondern es gibt in Castel S. Giovanni auch eine Piazza Olubra. Die Pfarrkirche S. Giovanni zu Olubra ist im Übrigen schon im 11. Jahrhundert als Lehensbesitz der Herren von Fontana zu fassen.3 Bis zum heutigen Tag spiegeln sich die im Zentrum dieser Publikation stehenden Streitigkeiten in dem Umstand, dass die Provinzgrenze Pavia/Piacenza, zugleich die der Regionen Lombardei und Emilia-Romagna, praktisch an einer Linie entlang verläuft, an der sämtliche der quinque loci liegen. Parpanese und Pievetta, heute zwei getrennte Agglomerationen weniger Gebäude, befinden sich auf Paveser (Parpanese) und Piacentiner (Pievetta) Gebiet, das abgekommene Olmo unweit davon. Monticelli Pavese ist infolge der Poregulierung des 15. Jahrhunderts an die Nordseite des Flusses »gewandert«, und die Provinzgrenze trennt Mondonico im Westen von S. Marzano im Osten. Begonnen hatten die Streitigkeiten ganz offenkundig im Kontext der großen Reichspolitik. Pavia als der Kommune, die gegen ihre großen Konkurrenten Mailand und Piacenza lange Zeit hindurch ebenso treu – freilich

2 Ausdrücklich von einer ecclesia Sancti Iohannis de Olobra ist in einer Urkunde des Klosters S. Pietro in Ciel d’Oro vom Januar 1174 die Rede, Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 103 Nr. 66, hier : S. 106. 3 Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 60.

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Abb. 9 : Nennung von vier der fünf umstrittenen Orte (in sancto marciano et vlmo et monticello et plebe de parpanese), aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 23 (siehe unten S. 222, Anhang I, Nr. 5) ; Foto : F. Opll.

aus dem Eigeninteresse heraus ganz selbstverständlich – aufseiten Friedrich Barbarossas stand, war es zum Zeitpunkt der größten Wirksamkeit der staufischen Reichsherrschaft in der und über die Lombardei im Sommer 1164 gelungen, in einem großen kaiserlichen Privileg seine Herrschaft gerade auch südlich des Po, im Oltrepò Pavese, nachdrücklich zu befestigen. In der Kaiserurkunde, die Barbarossa 1164 in Pavia selbst ausstellen ließ, erscheinen jedenfalls sämtliche der fünf Orte unter den Besitzungen der Ticinostadt. Eigenartigerweise wird 1184 nicht auf dieses Diplom rekurriert.4 An dieser Stelle sei auch auf das interessante Faktum aufmerksam gemacht, dass der Umstand der Ausdehnung des Paveser Herrschaftsgebietes über den Po hinaus nach Süden offenbar wegen der Position der Ticinostadt im Zug der europäischen Transversale der Via Francigena schon früh weit verbreitet und bekannt gewesen sein dürfte. Eine der frühen Europakarten, die aus der Zeit um 1200 stammt und gemeinsam mit der topographischen Beschreibung von Irland durch Gerald of Wales (Giraldus Cambrensis)5 in einer Handschrift der irischen Nationalbibliothek in Dublin überliefert ist, zeigt nämlich nicht nur den Po, der – aus den Alpen kommend – seinen Lauf dann annähernd parallel zum Alpenbogen nimmt und dem – nach Süden zu – dann der Mons Apenninus, der Apennin, zu folgen scheint. Der Bereich zwischen Alpen und Apennin, modern gesprochen das Gebiet der Lombardei und des Piemonts, ist durch die Einzeichnung von vier Orten, neben Susa Mailand, Pavia und Piacenza, geprägt. Für die Städte wählte der anonyme Zeichner Signaturen in der Form von zinnenbekrönten Mauern, und diese Signatur befindet sich für Piacenza südlich des Po, während sie im Fall von Pavia auf den Raum nördlich wie auch südlich des Flusses aufgeteilt ist. Es wäre durchaus denkbar, dies 4 mg.df.i. 455 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1393. 5 Zu Giraldus vgl. Bartlett, Gerald of Wales.

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als Widerhall des Umstands zu deuten, dass sich das städtische Territorium der Ticinostadt eben im Norden wie auch im Süden des Po erstreckte.6 Doch zurück zum eigentlichen Thema unserer Ausführungen, zu den topographischen wie herrschaftlichen Gegebenheiten der im Mittelpunkt unserer Untersuchungen stehenden Zone : Gut dokumentiert ist das Bestreben Pavias, den Bereich seiner unter städtischer Herrschaft stehenden Landgebiete nach dem Süden zu auszuweiten, damit die Zone zu vergrößern, aus der die Kommune sich versorgen konnte und woher sie Abgaben verschiedenster Art bezog. Darüber hinaus diente solch eine Expansion aber insbesondere der Stärkung der eigenen handelspolitischen Position an den überregionalen Straßenverbindungen. Gerade das Oltrepò Pavese zeichnet sich dadurch aus, dass hier ein überaus dicht geknüpftes Netz einander kreuzender, aber auch zueinander parallel laufender bzw. ineinander und miteinander verbundener überregionaler Verkehrsverbindungen gegeben war. An allererster Stelle ist der große, das gesamte oberitalienische Tiefland beherrschende Fluss Po zu nennen, der zu den herausragenden, letztlich alle anderen an Bedeutung bei Weitem überragenden Verkehrswegen zu zählen ist. Sein Stellenwert ist in den in der vorliegenden Studie untersuchten Quellen vielfach gut zu belegen, wenn wir etwa mehrfach von Schiffen hören, die sowohl auf dem Po wie auch auf dem Ticino eingesetzt waren und die man zum Transport von Getreide und anderen Gütern verwendete.7 Kennzeichnend ist es des weiteren, dass es zu den mehrfach in unseren Quellen belegten Verpflichtungen der Bewohner des städtischen Umlands gehörte, Engstellen des Ticino – genannt wird die clusa Ticini – von Gebüsch und Zweigen (frascas) freizumachen.8 Der Po, in welchen sich gerade im Abschnitt zwischen Pavia und Piacenza sehr viele Nebenflüsse sowohl von Norden wie auch – hier etwas weniger – von Süden in den Strom ergossen und ergießen, bildete somit zum einen Trennlinie, zum anderen Verbindung. In wirtschaftspolitischer Hinsicht war er von so hohem Interesse, dass bedeutende Städte an ihm bzw. unweit von ihm alles Erdenkliche daransetzten, ihn für sich nutzbar zu machen. Dies geschah nicht nur durch Nutzung als Verkehrsweg/Handelsstraße, dies zeigte

6 Zu dieser frühen Karte von Europa vgl. O’Loughlin, An Early Thirteenth-Century Map. 7 Siehe dazu die Hinweise unten, S. 128. 8 Siehe dazu die Hinweise unten, S. 148 f.

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sich auch im Bemühen darum, möglichst wichtige Übergänge über ihn im eigenen Einfluss zu wissen, insbesondere natürlich über Brücken gebieten zu können. Gerade seiner Pobrücke9 verdankte die Stadt Piacenza ja einen Gutteil ihrer überregionalen Bedeutung, war dies doch eine der bequemsten Möglichkeiten, den großen Fluss Oberitaliens trockenen Fußes zu überqueren. Es waren Kaufleute, Ritter, Pilger und wohl auch Bewohner des Umlandes des Flusses im Norden wie im Süden, die sich dieser Möglichkeit bedienten. Vor ihrer Errichtung im Jahre 1160 hatte es – und dies schon seit Langem – einen intensiv frequentierten Poübergang bei Piacenza gegeben, den sich eine Gruppe von Piacentiner Bürgern gegen die Ansprüche des Klosters S. Giulia zu Brescia schon im Februar 1157 beim Kaiser hatte sichern können. Ugo und Alberto Sperone gemeinsam mit anderen hatten damals den im Winter zweifellos mühevollen Weg über die Alpen auf sich genommen, um eine für sie günstige Entscheidung des Kaisers bei einem Hoftag im schwäbischen Ulm zu erlangen. Drei Jahre später – in einem politisch durchaus gewandelten Klima – errichteten die Piacentiner hier sodann eine Brücke, allerdings nicht als stabiler Bau, sondern in der Form einer Schiffsbrücke. Dies bot den großen Vorteil, sie im Falle eines Angriffs rasch abbrechen und nach Schwinden der Gefahr ebenso rasch wieder funktionsfähig machen zu können. Ihre Existenz war eine der wichtigsten Grundlagen für den markanten wirtschaftlichen Aufschwung, den Piacenza in dieser Epoche nahm, zugleich war sie wegen ihrer auch militärisch-strategischen Bedeutung dem staufischen Kaiser ein Dorn im Auge.10 Im Augenblick seines Triumphs über Mailand war es für den Herrscher dann im Mai 1162 allerdings offenbar ausreichend, die Herrschaft über Piacenza politisch gesichert zu wissen – der Bestand der Pobrücke wurde in dem damals geschlossenen Vertrag ganz offenkundig akzeptiert.11 In den Verhören vom November 1184 über die Rechte von Pavia und Piacenza im Hinblick auf die fünf Orte Monticelli (Pavese), Olmo, Parpanese, Mondonico und S. Marzano werden im Zusammenhang mit der Einhebung von Brückengebühren durch dazu ein-

9 Zum Folgenden vgl. Güterbock, Piacenzas Beziehungen. 10 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 912 und 920 ; vgl. Opll, Stadt und Reich, S. 380. 11 Im Vertrag zwischen dem Kaiser und den Bewohnern von Piacenza (mg.df.i. 362 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1078) wird die Brücke nicht erwähnt.

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gesetzte Paveser pontexani noch weitere Brücken genannt, die gleichfalls über den Po führten. Man wird mit einiger Sicherheit davon ausgehen dürfen, dass es sich auch dabei um Schiffsbrücken und eben keine stabilen Bauwerke handelte, die man relativ einfach ad hoc errichten, ebenso rasch aber auch wieder abbrechen konnte und die insbesondere für den lokalen Verkehr zwischen den Flussufern Bedeutung hatten.12 Der um diese Zeit, im Frühjahr 1162, von Barbarossa für Piacenza eingesetzte Podestà Aginulf aus dem Hause derer von Urslingen sollte in den wenigen Monaten seiner Amtsführung eine Reihe von Maßnahmen setzen, die in dieser Form ganz und gar nicht im Interesse des Kaisers, jedenfalls mit diesem keinesfalls abgestimmt waren, und dazu zählte die Übertragung des Pohafens an das Brescianer Kloster. Friedrich widerrief diese Entscheidung seines Podestà und verlieh die Rechte, die 1157 in die Hand einer Gruppe von Bürgern gekommen waren, nunmehr direkt an die Kommune – damals ein fest in die Reichsherrschaft integriertes bürgerliches Gemeinwesen. Pohafen und -brücke waren damit in die unmittelbare Einflusszone der Stadt gekommen, und die altehrwürdige Abtei in Brescia wurde ab sofort mit einem Jahreszins entschädigt. An der Entrichtung dieser Abschlagszahlung wurde in der Folge festgehalten. Sie erfuhr sogar in der Entscheidung, die Bischof Milo von Turin am 21. Mai 1174 in Mailand im Namen des päpstlichen Legaten Galdinus, fällte, Bestätigung – also in einer Epoche und in einem Umfeld weitab von jeglichem erkennbaren Einfluss vonseiten des Reiches –, und an sie hielt man sich noch in den 1190er-Jahren. Der Po mit seiner von der Bedeutung »Pfad« herzuleitenden Benennung repräsentierte die große West-Ost-Achse im Gewässernetz (Abb. 10). Pavia selbst, das ja nicht direkt am Po liegt, ist mit der großen Flussachse durch den aus den Alpen kommenden Ticino unmittelbar verbunden. Weitere bedeutendere Nebenflüsse, die sich von Pavia aus nach dem Osten von Norden her in den Po ergießen, sind die Olona und der Lambro, Schicksalsfluss von Lodi Vecchio, dessen Mündung einige Kilometer nordöstlich des heutigen Ortes Monticelli Pavese liegt. Die ihrer Schiffbarkeit wegen noch ungleich bedeutsamere Adda, der nächste nach Osten zu gelegene Zufluss in den Po, an dem sich ab dem Jahr 1158 Lodi Nuovo, die erste kaiserliche Stadtgründung in 12 Zu den Brücken siehe unten, S. 157–160.

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Abb. 10 : Buschwerk am Nordufer des Po gegenüber Parpanese ; Foto : F. Opll.

der Lombardei, zutragen sollte, liegt für die hier vorgelegte Untersuchung bereits außerhalb des Betrachtungsraums. Deutlich anders verhält es sich mit den Nebenflüssen, die von Süden her in den Po einmünden, steigt doch das Gelände hier im Süden viel steiler gegen die Berge an, als dies im Norden in den Raum von Mailand zu der Fall ist. Nur außerhalb des hier im Mittelpunkt stehenden Bereichs ist mit dem Tanaro, Schicksalsfluss der 1168 auf der Grundlage einer Initiative der Lega Lombarda entstandenen Stadt Alessandria, ein dem Ticino vergleichbarer Zufluss gegeben. Im Gebiet, das im Westen etwa mit Pavia, im Osten mit Piacenza zu begrenzen ist und wo unsere quinque loci liegen, sind dagegen die weitaus bescheideneren Ponebenflüsse des Tidone, der zwischen Castel S. Giovanni und Piacenza in den Po mündet, und der Trebbia, die nordwestlich bei Piacenza in den Po fließt, zu nennen. Die Verkehrsverhältnisse des Raums zwischen Pavia und Piacenza wären freilich unvollkommen beschrieben, würde man nicht auch das dichte Netz von Straßenverbindungen, darunter solche antiker Entstehungszeit,

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wie die Via Emilia, ins Auge fassen. Aus überregionalem Zusammenhang gesehen handelte es sich bei dieser Zone um ein Gebiet, in dem Nord-SüdVerbindungen zwischen Mailand und Genua mit West-Ost-Verbindungen zwischen dem Alpenbogen und dem Apennin, damit letztlich zwischen Westeuropa und dem Zentrum der Christenheit, der Stadt Rom, aufeinandertrafen, sich kreuzten, einander stimulierten und miteinander konkurrierten. In Piacentiner Überlieferungen der Zeit um 1170 ist vom Bemühen um die Sicherung des Piacentiner Einflusses auf die strata Romea, die spätere Via Francigena, damit auf einen wichtigen Abschnitt einer europäischen Transversale, ebenso die Rede wie auch im Hinblick auf die Genua-Straße, die strata de Janua.13 Konkret wird von den Piacentinern in einer konsularischen Verordnung von 1170/71 das eidliche Versprechen eingefordert, die strata Romea von den Grenzen gegen das Gebiet von Parma bis zu denen mit dem Paveser Territorium, aber auch die strata de Janua im Abschnitt über das Trebbia-Tal zwischen Rivergaro und Mezzano Scotti bei Bobbio zu schützen. Unsere quinque loci liegen nun nicht bzw. nur zum Teil unmittelbar an, gleichwohl nahe diesen überregionalen Verkehrswegen. Eine starke Herrschaftsposition in ihnen war für die beiden zueinander in Konkurrenz stehenden politisch-wirtschaftlichen Kräftezentren der Po- wie der Ticinostadt von vitalem Interesse. Interessanterweise geben die Zeugenaussagen Einblicke in die topographischen Verhältnisse in diesen fünf Orten, vermitteln damit einen Eindruck von deren funktionaler Bedeutung :14 In allen quinque loci (Kartenskizze S. 79) ist der Bestand eines örtlichen Gotteshauses nachweisbar, wobei einzig Parpanese selbst Pfarrrang besaß. Darüber hinaus wissen wir aber auch bei insgesamt vier der fünf Orte vom Bestand einer lokalen Burg : In Mondonico wird eine mit Gräben befestigte Burg der lokalen Herren des Ortes genannt, in Monticelli gelangte die Burg in der Mitte des 12. Jahrhunderts in die Verfügung des Paveser Klosters S. Salvatore, in Olmo lässt sich spätestens ab 1160 eine Burg der Paveser Familie Cane nachweisen, die Burg zu Parpanese wurde vor 1162 unter Mitwirkung der Ortsbewohner stärker befestigt. Über

13 Zum Folgenden vgl. Solmi, Le leggi più antiche, S. 68 f. 14 Siehe dazu unten bei der Behandlung der Orte (Mondonico : S. 79 ff.; Monticelli : S. 89 ff. ; Olmo : S. 97 ff. ; Parpanese : S. 102 ff., S. Marzano : S. 108 ff.).

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Kartenskizze : Die Lage der quinque loci im Grenzraum der heutigen Provinzen Pavia (Lombardei) und Piacenza (Emilia-Romagna) ; Kartographie : Hans-Michael Putz.

einen für Versammlungen geeigneten Raum verfügte man in S. Marzano im dort gelegenen Konversenhaus.

Mondonico im 12. Jahrhundert Aus Mondonico,15 gelegen in den hügeligen Ausläufern, welche von den Höhenzügen des Apennin nach Norden zum Po hin in die Ebene auslaufen, heute eine der großen »Weinkammern« der Zone, hatten sich im November des Jahres 1184 nicht weniger als sechs Personen über den Po nach Pavia begeben, darunter Giovanni de Luzano, Tedaldo Basso, Giovanni Certano und Guido Cazo als »Paveser« Zeugen, Andrea und Giovanni Basso als »Piacen-

15 Um den Anmerkungsapparat von allzu vielen Einzelbelegen zu entlasten, gleichzeitig aber auch im Sinne einer vereinfachten Zugänglichkeit der Quellen für den Leser, finden sich im Anhang iv, Teil 1, in alphabetischer Reihenfolge ausgewählte Zeugenaussagen zur Entwicklung der fünf Orte, siehe S. 250 ff. ; außerdem lassen sich die Aussagen einzelner namentlich angeführter Zeugen sehr einfach auch über Anhang ii in der Edition von Bollea auffinden, da sämtliche Zeugen dort (S. 229 ff.) in alphabetischer Reihenfolge angeführt sind.

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tiner« Zeugen. Sie sollten bzw. wollten16 dort vor den von Pavia und Piacenza nominierten und vom Kanzler des Kaisers und zugleich italienischen Reichslegaten Gottfried bestätigten beiden Podestà Zeugnis darüber ablegen, wie es um die Herrschaft in ihrem Heimatort in den letzten Jahrzehnten bestellt war. Je weiter in die Vergangenheit ihre Angaben zurückreichen bzw. zurückzureichen vorgeben, desto vager werden sie und desto schwieriger wird jede Prüfung historischer Wahrheit. Dennoch wird man den durch Zeugen belegten Hinweisen darauf, dass alte Leute stets betont hätten, Mondonico sei dereinst königlich gewesen, vom Grundsätzlichen her durchaus Glauben schenken dürfen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es sich exakt in das allgemein bekannte Bild der Herrschaftsentwicklung in Reichsitalien von ottonisch-salischer Zeit her fügt. Auffällig ist in jedem Fall, dass just ein in S. Marzano wohnhafter Piacentiner Zeuge namens Enrico Orso bei seiner Aussage die bei einem Duell ergangene Entscheidung über die Grenzen der Contadi der beiden rivalisierenden Städte zugunsten Pavias so interpretiert, dass sowohl S. Marzano als auch Mondonico genau deshalb unter Paveser Herrschaft stünden.17 Da sich freilich nicht eruieren lässt, wann dieses Duell ausgefochten wurde,18 lässt sich nicht mehr erkennen als eine wohl seit Längerem durch enge Verbindungen mit Pavia geprägte Entwicklung dieses Ortes. Selbst der Verweis auf den dem »Pavesen« Giovanni Certano durch Aussagen des dominus Artusio de Mondonico bekannten Umstand, es seien dessen Vorfahren, die in Piacenza ansässigen Herren von Mondonico, gewesen, welche die in Händen von S. Sisto zu Piacenza, also des dortigen Bistums, gelegene Ortsherrschaft ausgeübt hätten – diese Aussage wird im Übrigen auch durch den »Piacentiner« Zeugen Andrea de Mondonico bestätigt –, fügt sich gut in den üblichen Werdegang lokaler Herrschaft in der hochmittelalterlichen Lombardei. Diese lokalen Herren verfügten im Ort selbst über eine Burg, und die Bewohner der curtis19 seien verpflichtet gewesen, am Ausbau 16 Wurden sie nach Pavia zitiert, so wäre die erstgewählte Formulierung zutreffend, gingen sie dorthin aus freien Stücken, so gälte die zweite. 17 Bollea, Nr. 57, S. 175 f., hier : S. 176 : … ita quod sanctus Marcianus et Monsdonnicus remanent de versus Papiam … 18 Siehe dazu oben, S. 56–59. 19 Hier ist darauf hinzuweisen, dass zur Bezeichnung der Ortschaft noch der alte Begriff der – wohl königlichen – curtis Verwendung findet.

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von deren Gräben mitzuarbeiten. Ebendiese Mondonicesi hätten allerdings gleichzeitig das Fodrum an die Leute von Pavia abführen müssen.20 Sie, diese Herren von Mondonico, hätten früher – dies ohne genauere Datierungsangabe des betreffenden »Paveser« Zeugen Giovanni de Luzano, der gleichwohl betont, sich 30 Jahre lang zurückerinnern zu können – gemeinsam mit den Nachbarn (vicini) auch die Ortskonsuln in Mondonico eingesetzt, und weder Pavia noch auch Piacenza hätten darauf irgendwelchen Einfluss gehabt. Wenn dann mit Giovanni Basso ein weiterer Mann aus Mondonico, diesmal ein »Piacentiner«, zu Protokoll gibt, dass vor 31 Jahren (1153 ?) Boten der Konsuln von Pavia in seinen Ort gekommen seien, die Bewohner nach Bosnasco vorgeladen und dort zur Wahl von Konsuln gezwungen hätten, so ist es nicht ganz einfach, dieses Geschehen einigermaßen zuverlässig zu datieren. Vielleicht war dieses Paveser Eingreifen in Mondonico ja eine Reaktion darauf, dass die Ortskonsuln auf Befehl der Piacentiner Konsuln die Burg der früher hier dominierenden lokalen Herren zuerst hatten schließen und dann deren Tor hatten öffnen lassen, somit den örtlichen Herrschaftssitz unter ihre Gewalt gebracht hatten.21 Solches könnte sich durchaus noch in den 1150er-Jahren zugetragen haben, als der Piacentiner Einfluss vor Ort eine Zeit lang stärker gewesen sein mag. Andere Beobachtungen weisen allerdings darauf hin, dass das machtvolle Eingreifen Pavias sich doch eher in den frühen 1160er-Jahren und nicht schon 1153 zugetragen haben dürfte. Solch eine zeitliche Einordnung fügte sich nämlich bestens zu dem Umstand, dass Pavia spätestens parallel zur Entfremdung Piacenzas von der Reichsherrschaft (1159–1162) politischen Rückenwind für seine territorialpolitischen Interessen verspürte. Es könnte aber auch zusätzlich dadurch Bestätigung erfahren, dass der Piacentiner Guglielmo de Malvicino – er ist 1160 als Konsul seiner Heimatstadt bezeugt – den propiacentinischen Bewohnern von Mondonico dringend riet, in dieser Situation nachzugeben und die seitens der Ticinostadt erzwungene »Wahl« bzw. Einsetzung von Konsuln zu akzeptieren.22 Diese Haltung des 20 Bollea, Nr. 58, S. 184 f. 21 Bollea, Nr. 51, S. 124. 22 Bollea, Nr. 58, S. 187 (Aussage des Piacentiner Zeugen Giovanni Basso aus Mondonico) : … dicit quod circa XXI annos (1163 ?) est quod nuncii consulum papie uenerunt ad montedonnicum. et dixerunt ut irent ad consules aput bosonassium et si non iueritis mortui eritis et mittent uos in banno

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Piacentiner Konsuls des Jahres 1160 war umso auffälliger, als er doch nach der Aussage des »Piacentiner« Zeugen Giacomo currerius in allen anderen vier Orten, also in Monticelli Pavese, Olmo, Parpanese und S. Marzano, selber Konsuln einsetzte. Einem anderen aus Mondonico kommenden »Paveser« Zeugen, dem dereinst – tempore guerre (also wohl bis um 1162) – als Konsul seiner Heimatgemeinde fungierenden Guido Cazo, verdanken wir weitere interessante Einblicke in die lokalen Verhältnisse der frühen 1160er-Jahre. Guido bezeugt, er habe sich nach Pavia begeben und dort den Konsuln Bellono de Curte, Gisliciono Salimbene und Rofredo de Burgo – alle werden ausschließlich zu 1162 gemeinsam im Amt genannt – den Vorschlag unterbreitet, Mondonico der Zuständigkeit lokaler Kräfte und Kreise anzuvertrauen. Da die Paveser Konsuln betonten, dies weder namens Pavias noch gar namens des Kaisers tun zu können, hätten sie in der Folge mit dem kaiserlichen Kanzler23 Rücksprache gehalten. Gegen die Zusage einer Abgabe von 100 Scheffeln spelte, d. h. von Dinkel bzw. Pferdefutter, an den Kaiser und von 40 Pfund an die Konsuln von Pavia wurde sodann die gewünschte affidacio namens des Kaisers und Pavias durchgeführt. Für eine wohl nur kurze Zeitspanne dürfte somit die Ortsherrschaft über Mondonico in den Händen lokaler Kräfte gelegen gewesen sein.24

papie. et nos diximus quod non pergeremus. et statim nuncii … redierunt et dixerunt hominibus loci ut irent ad consules papie. sin autem si(a)tis in bannum. et dominus guilelmus de malouicino dixit nobis ego do uobis cons(c)ilium ut eatis et faciatis uoluntatem eorum antequam a(d)mit[t]atis res uestras. … et sic iuimus bosonassium ubi consules papie. erant. et fecerunt me et quendam alium iurare eligere consules per papiam in loco montisdonnici. 23 Wohl der bis zum 7. September 1162 in dieser Funktion nachweisbare Ulrich von Dürrmenz, vgl. Appelt, in : mg.ddf.i., Bd. 5, S. 18. 24 Bollea, Nr. 52, S. 134 f.: … tempore guerre ipsemet erat consul montisdonnici et iuit papiam ad consules videlicet ad dominum bellonum de curte et Gislicionum sal(l)imbene et ioffredum de burgo. et peciit ab eis ut affidarent locum montisdonnici. et ipsi dicerunt quod non poterant affidare ipsum locum nisi per papiam et non pro imperatore. unde dicit quod consules ipsi papie. iuerunt ad cancellarium imperatoris et denunciauerunt ei uerba subrascripta. et sic consules papie dixerunt ei quod bene affidarent ipsum locum ex parte imperatoris et papie. si darent imperatori. centum modios spelte. et sibi consulibus. per papiam. XL. libras. et sic ipsi consules affidauerunt ipsum locum ex parte imperatoris. et comunis papie. et ipse dedit pro ipsa affidacione. consulibus papie. XL. libras. et centum modios spelte eis dederunt. ut darent nunciis imperatoris … – Auf eine fortschrittliche Aus- und Durchbildung der Mondoniceser Gemeinde könnte auch die folgende Beobachtung hinweisen : In einer

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Aussagen von Persönlichkeiten, die am Ort selbst Ämter bekleidet hatten, ist ohne jeden Zweifel höheres Gewicht beizumessen. Dies gilt daher auch für die Informationen, die wir Giovanni de Luzano25 verdanken, der sowohl nach eigener wie auch fremder Aussage als pavesischer Konsul in seiner Heimatgemeinde Mondonico gewirkt hatte. Giovanni sagt aus, dass es ihm als Mondoniceser Konsul einmal sogar gelungen sei, Abgabenforderungen vonseiten Piacenzas mit Unterstützung Pavias abzuwehren, was wohl ebenso auf die frühen 1160er-Jahre, und zwar nach 1162, zu datieren ist. Damals war es nämlich der von 1162–1164 amtierende deutsche Podestà von Piacenza, Arnold Barbavaria, der alles Erdenkliche unternahm, den Einfluss der seiner Herrschaft unterstehenden Postadt über deren Umland auszuweiten. Das von ihm ausgeübte, auch anderweitig gut bezeugte regelrechte Terrorregiment 26 blieb den davon Betroffenen, darunter gerade den Bewohnern der quinque loci, lange im Gedächtnis. Dies alles geschah freilich nicht im Interesse der Kommune Piacenza, sondern im durchaus eigenen Interesse des Podestà bzw. dem des Reiches. Arnold ging es nicht bloß um Mondonico allein, sein Ziel war es, seine Herrschaft über sämtliche dieser fünf Orte auszudehnen. Der bereits erwähnte »Piacentiner« Zeuge Giacomo currerius sagte 1184 aus, dass Arnold Barbavaria die Leute aller fünf Orte zu sich nach Olubra kommen ließ und sie dort auf die Einhaltung und Befolgung seiner Befehle hin vereidigte. Die Verlegung dieser Maßnahme nach Olubra hing wohl nicht nur damit zusammen, dass dieser Ort eben für sämtliche quinque loci gut erreichbar war und zudem an der Verbindung von Piacenza nach dem Westen zu lag.

Urkunde vom Januar 1174, in der die Güter von S. Pietro in Ciel d’Oro in den Gebieten von Luzzano, Mondonico und Rovescala nach ihren Grenzen beschrieben werden, werden die klösterlichen Besitzungen fast durchgehend als angrenzend an den Besitz einer bestimmten Person qualifiziert ; nur gegenüber Mondonico heißt es stets, dass dorthin illi de Montedomnico die angrenzenden Nachbarn seien, und dies kommt sonst nur einmal bei dem Hinweis darauf vor, dass an ein anderes Grundstück illi de Cremona angrenzten, Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 103 Nr. 66, hier : S. 105 f. 25 Aus einer in Mondonico selbst am 17. und 20. Januar 1174 ausgestellten Urkunde, mit der eine Gruppe von Personen, darunter Albizo de Luzano und Giovanni de Luzano, die Güter des Paveser Petersklosters in den Gebieten von Luzzano, Mondonico und Rovescala eidlich nachweist, wird ein Haus des Albizo de Luzano in Mondonico erwähnt, siehe Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 103 Nr. 66, hier : S. 106. 26 Dazu insbesondere Güterbock, Alla vigilia.

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Im Hinblick auf die Mondonicesi kam Olubra als Sitz der für sie zuständigen Pfarre noch eine weitere Funktion zu, die man nach modernen Begriffen wohl als ein Qualitätsmerkmal zentralörtlicher Aufgaben bezeichnen muss.27 Die gleichfalls bezeugte Ortskirche in Mondonico selbst28 verfügte dagegen nicht über pfarrliche Rechte. Giovanni de Luzano wie auch der für Piacenza aussagende Zeuge Giovanni Basso, beide aus Mondonico, des Weiteren aber auch der Piacentiner Zeuge Girardo de Generassio und noch eine Reihe anderer gaben gleichlautend zu Protokoll, dass der erste ( ?) Eingriff vonseiten Pavias in Form der Einsetzung lokaler Konsuln durch Konsul Caldera Cane von Pavia erfolgt sei, wobei Caldera gemeinsam mit dem Konsul Armanno Cristiano tätig geworden sei. Dies sei vor 14 bis 15 Jahren geschehen, eine Angabe, die sich zwar mit der zu 1168 bezeugten Amtszeit des Caldera, nicht aber mit der des Armanno, der als Konsul des Jahres 1162 bezeugt ist, in Übereinstimmung bringen lässt. Vielleicht ließe sich dieses Dilemma in der Art aufklären, dass Armanno doch auch 1168 Konsul der Ticinostadt war. Für einen hohen Grad an Exaktheit des Gedächtnisses gerade des Giovanni de Luzano spricht in jedem Fall der Umstand, dass er nicht nur selbst als Konsul seiner Heimatgemeinde Mondonico fungiert hatte, sondern dieses Amt seiner Aussage nach auch mehrere Männer innehatten, die gleichfalls als Zeugen im November 1184 zu Pavia verhört wurden. Giovanni sagte nämlich aus, es sei vor 17 Jahren, also ca. 1167, gewesen, da hätten die Paveser Konsuln Caldera Cane und Armanno Cristiano den Leuten von Mondonico Abgaben abgepresst. Caldera Cane selbst, der ja ebenfalls als Zeuge verhört wurde, datiert dies mit der Angabe »16 Jahre und mehr«, und ihm verdanken wir auch eine zusätzliche, hoch interessante Information : Die Mondonicesi hätten sich nämlich bei einer Zusammenkunft in Bosnasco energisch gegen die Paveser Herrschaftsansprüche zur Wehr gesetzt, hätten betont, dass sie weder Pavia noch Pia27 Christaller, Die zentralen Orte. 28 Erwähnt in der Aussage bei Bollea, Nr. 58, S. 188. – Eine Urkunde vom 12. April 1173, mit der Prior Goffredo von S. Pietro in Ciel d’Oro zu Pavia über Güter in Mondonico verfügte, spricht von einer Kirche S. Stefano in Mondonico, vgl. Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 89 Nr. 58 ; in einem späteren Zeugnis vom 3. Mai 1187 ist die Rede von der ecclesia Sancti Stefani de Peceto de … loco Montedomnico, Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, a.a.O., S. 340 Nr. 191.

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cenza, sondern ausschließlich dem Kaiser unterstünden.29 Schließlich seien aber in Bosnasco zwei aus der Nachbarschaft (vicinia) unter Eid verpflichtet worden, Ortskonsuln namens Pavias für Mondonico zu wählen. Diesem Auftrag seien die namentlich nicht bekannten Männer durch die Wahl nicht nur des Giovanni de Luzano selbst, sondern eben auch des Giovanni doctor, des Giovanni Certano und des Giovanni Mangiavillano nachgekommen. Dass den Zeugen diese Geschehnisse noch so präsent waren, dürfte nicht zuletzt daher rühren, dass damals gleichzeitig vier Träger desselben Namens als Ortskonsuln wirkten, was sich dem Gedächtnis eingeprägt hatte.30 Von diesen vier Mondoniceser Konsuln wiederum zählte auch Giovanni Certano zu den in Pavia 1184 verhörten Zeugen, und die gleichfalls unter den Zeugen der Paveser Verhöre fassbaren Uberto Mangiavillano bzw. Lombardo Mangiavillano, der erste ein »Pavese«, der zweite ein »Piacentiner«, gehörten zweifelsohne zur Familie des Mondoniceser Konsuls Giovanni Mangiavillano. Ganz offensichtlich dürften diese vier lokalen Konsuln ihr Amt mehrfach bzw. mehrere Jahre hindurch und wohl auch schon vor 1167/68 ausgeübt haben. Jedenfalls werden sie in der Aussage des »Piacentiner« Zeugen Ansaldus doctor als consules ibi facti per Papiam bezeichnet, die mit Erfolg gegen Übergriffe des Piacentiner Podestà Arnold Barbavaria den Schutz der Ticinostadt anriefen, ein Geschehen, das nach der Amtszeit Arnolds auf 1162 bis 1164 zu datieren ist. Gleichfalls auf die turbulenten Jahre um sowie nach 1167 verweist im Übrigen das Zeugnis des – wie Giovanni de Luzano – für Pavia aussagenden Seilers Villano, der betont, er sei vor 16 Jahren (1168) gemeinsam mit den Paveser Konsuln Rinaldo de Campese und Giacomo Aviano in das Oltrepò gezogen, und dabei seien in Monticelli, aber eben auch in Mondonico Ortskonsuln eingesetzt worden. Da Rinaldo und Giacomo aber nur 1167 gemeinsam im Amt nachzuweisen sind, wird man diese Ereignisse wohl doch eher in dieses so hoch dramatische Jahr zu datieren haben. Angesichts der einander zum Teil widersprechenden, zum Teil ergänzenden Angaben wird man ge-

29 Bollea, Nr. 49, S. 105 : … postea de hominibus … de montedonnico uenerunt ad eos ad bosonassium ad querendum eis mercedem vt redderent eis bestias suas. dicentes quod male faciebamus quod eis malum dicebamus uel faciebamus quia non pertinebant papie. nec placencie. set tantum imperatori. 30 Bordone, Il tempo, S. 34, spricht vom »Konsulat der vier Johannes«.

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rade für diese von tief gehenden Erschütterungen der staufischen Reichsherrschaft gekennzeichneten Jahre 1167/68 vielleicht sogar ein mehrfaches Hin und Her der Herrschaftsausübung zwischen Pavia und Piacenza vermuten dürfen. Dabei mochte sich die Postadt wohl durchaus auch auf eine Tradition, wie sie zur Zeit des kaiserlichen Podestà Arnold Barbavaria grundgelegt worden war, berufen, während umgekehrt die Stadt am Ticino als traditionell kaisertreu agierende Kommune ins Hintertreffen zu geraten schien. Ohne die Entwicklungen im Einzelnen mit absoluter Präzision datieren und einordnen zu können : Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Umschwung zugunsten der Piacentiner Ansprüche erst mit der Entstehung der Lega Lombarda und dem damit verbundenen schweren Rückschlag für die staufische Reichsverwaltung in der Lombardei, einem echten Zusammenbruch, einer tiefen Zäsur, um 1167/68 kam. Der aus den Reihen der Herren von Mondonico stammende »Piacentiner« Zeuge Andrea de Mondonico betont, dass es vor der Ära des Arnold Barbavaria, also vor 1162, die Herren von Mondonico selbst gewesen seien, die am Ort das Sagen gehabt und auch Konsuln eingesetzt hatten, dass dann der deutsche Podestà der Postadt sich in Szene gesetzt habe und erst nach dessen Abgang sich die Stadt Piacenza habe durchsetzen können. Er, Andrea, verschweigt dabei jeden Hinweis auf die Rolle, die Pavia in Mondonico spielte, was aber angesichts seiner eindeutig »piacentinischen Identität« auch nicht weiter verwundert. Das Zeugnis eines weiteren Verhörten aus den Reihen der »Piacentiner«, das des Girardo de Generassio, bietet nicht nur Namen der von Arnold eingesetzten Konsuln,31 Girardo bezeugt darüber hinaus, dass es dann Andrea de Mondonico war, der nach dem Abzug des Arnold Barbavaria als erster von der Stadt Piacenza selbst eingesetzte Konsul seiner Heimatgemeinde amtierte. Keinesfalls kann jedoch davon die Rede sein, dass in Mondonico, das nach beiden Seiten hin, sowohl zu Pavia wie auch zu Piacenza, ganz unterschiedliche, in jedem Fall aber durchaus enge Beziehungen hatte, mit dem großen politischen Umschwung 1167/68 ein für allemal alles entschieden gewesen wäre. Dies war schon deshalb kaum möglich oder auch nur zu erwarten, da

31 Bollea, Nr. 58, S. 191 : Mazocco und Oddo de Baldo ; vgl. dazu die Aussage des Paveser Zeugen Tedaldo Basso (Bollea, Nr. 51, S. 127), der als Konsulgenossen dieser beiden noch Romano Basso und Lanfranco Rosso anführt.

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im Ort selbst sowohl Gruppen »Paveser« wie solche »Piacentiner« Prägung, Ausrichtung, Parteinahme, empfundenen und gelebten Zugehörigkeitsempfindens, ja gelebter Identität existierten. Darauf dürfte das Zeugnis des »Piacentiner« Zeugen Folco Ardizzone hindeuten, berichtet er doch davon, dass er vor etwa zwölf Jahren, also in den frühen 1170er-Jahren, zwar in Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano, nicht aber in Mondonico die bovateria genannte Zugtiersteuer namens der Kommune Piacenza eingehoben habe. Noch viel deutlicher zu ersehen ist die Gespaltenheit, welche eben gerade auch in Mondonico selbst herrschte, wenn der »Paveser« Zeuge Guido Cazo aus Mondonico unterstrich, dass die Piacentiner erst seit vier oder fünf Jahren – also seit 1179/80 – die Ortskonsuln einsetzten. Im ersten Jahr dieser vier aufeinander folgenden Konsulate hätten die Mondonicesi gemurrt und gegen Piacenza vorgebracht, diese Stadt dürfe sie nicht zur Annahme von Konsuln zwingen. Sie seien es auch nicht gewohnt, dass die Postadt hier bei ihnen in dieser Art und Weise vorgehe.32 Selbst nach mehr als einem Jahrzehnt Piacentiner Dominanz waren nicht alle Mondonicesi gewillt, diese Situation als gegeben hinzunehmen. Wie sehr in diesen letzten vier bis fünf Jahren vor den Zeugenverhören im November 1184 die Paveser Position in Mondonico freilich noch weiter ins Hintertreffen geraten war, davon gibt eine Episode beredtes Zeugnis, die dem Paveser Zeugen Uberto Mangiavillano, einem gebürtigen Mondonicesen, zu verdanken ist : Obwohl seit 1179/80 die Ortskonsuln von Mondonico grundsätzlich alternierend von Pavia bzw. Piacenza bestellt wurden, war die Postadt deutlich im Vorteil. So kam es einmal dazu, dass die Pavesen drei Leute aus Mondonico, die Wein transportierten, aufgriffen und dazu zwangen, das Konsulat namens der Ticinostadt zu übernehmen. Ein anderes Mal hätten Paveser Konsuln den Zeugen Uberto Mangiavillano selbst, der zuvor in diesen vier bis fünf Jahren schon einmal als von Piacenza bestellter Ortskonsul fungiert hatte, gezwungen, in seinem eigenen Hof in Mondonico die consolaria zu beschwören. Daraufhin sei ihm befohlen worden, in die Burg zu kommen

32 Bollea, Nr. 52, S. 134 : … a IIII.or annis infra. IIII.or consulatus continuj fuerunt facti in montedonnico per placenciam. … et dicit quod homines montisdonnici in primo consulatu ipsorum IIII. or consulatuum murmurabant et conquerebantur erga placenciam. dicentes quod non debebant eos cohercere de consulatu et quod non erant hoc soliti facere. uidelicet consulatum per placenciam.

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– diese war mittlerweile wohl zu einem nicht mehr (nur) von den Herren von Mondonico genutzten örtlichen Herrschaftszentrum geworden –, um dort die Anweisungen der Paveser Konsuln entgegenzunehmen.33 Mittlerweile war es freilich zu einem Umschwung der großen politischen Gegebenheiten gekommen. Der von der Lega Lombarda mit dem Kaiser 1177 auf sechs Jahre geschlossene Waffenstillstand hatte die Phase der politischen Frontstellung und kriegerischen Auseinandersetzungen beendet, und beide Seiten, der Kaiser wie das Städtebündnis, trachteten danach, ja mussten danach trachten, einem erneuten Wiederaufleben der Gegensätze vorzubeugen. Diese politische »Großwetterlage« wirkte sich durchaus auch im Kleinen, im lokalen Kontext, aus. Das Spiel der Kräfte war wieder freier geworden : Zum einen fehlte den Kommunen zusehends das einigende Band des gemeinsamen Widerstands gegen Kaiser und Reich, und die die politische Landschaft der Lombardei seit jeher beherrschenden kontrifugalen Interessen der Kommunen, welche ja im Regelfall die direkt benachbarten Konkurrenzstadt als erklärten Gegner betrachteten, begannen wieder die Oberhand zu gewinnen. Zum anderen bot aber gerade solch eine Situation stets Vorteile aus der Sicht der kleinräumigen Einheiten, wie eben gerade solcher Landgemeinden im Umland dominierender Städte. Deren Bewohner konnten von einem Wiederaufleben territorialer Konkurrenz der großen Städte in so mancher Hinsicht durchaus profitieren, die diversen Kräfte gegeneinander auszuspielen versuchen und dabei den eigenen Vorteil fördern. Ein definitives Ende, eine eindeutige Entscheidung war praktisch kaum zu erzielen. Aus der Sicht der Verhältnisse im Herbst 1184, als Kaiser Friedrich Barbarossa im September auf seinem sechsten und letzten Italienzug zunächst nach Mailand gekommen war, um noch im selben Monat nach Pavia weiterzuziehen und sich im Oktober über Cremona nach Verona zu dem seit Langem vorbereiteten Treffen mit Papst Lucius III. zu begeben, waren die Aussichten auf Erfolg für die Ticinostadt in jedem Fall besser. Und wie dies aus der Aufteilung der im November wegen der Angelegenheit der quinque loci verhörten Zeugen auf die beiden Städte wie auch der Zusammensetzung der mit dem ganzen Vorgang betrauten Persönlichkeiten ganz offenkundig wird, 33 Bollea, Nr. 51, S. 125.

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war Pavia eben tatsächlich im Vorteil. Was Mondonico anlangt, so setzte freilich Piacenza seine Bemühungen, Einfluss daselbst zu erlangen, auszubauen und zu sichern, weiter fort. Bereits einen Monat nach den Verhören konnten die Piacentiner Konsuln den Erfolg verzeichnen, dass Mondonicesi verpflichtet wurden, in der Postadt dauerhaft Wohnung zu nehmen bzw. sogar dort regelrecht den Bürgereid abzulegen.34 Der Konflikt war mit der Einvernahme der Zeugen im November 1184 also keineswegs zu Ende. Wenige Monate später, am 4. Februar 1185, verpflichtete sich der bei den Verhören gemeinsam mit dem Piacentiner Richter Capo als Schiedsrichter tätig gewesene Pavese Guido de Pozzo in Übereinstimmung mit seinem Piacentiner Kollegen in Portalbera südlich des Po eidlich dazu, das Urteil in dem Streit ihrer beiden Kommunen am darauf folgenden 1. Mai zu sprechen.35 Wiewohl dieses Urteil nicht überliefert ist, die Verhältnisse blieben weiterhin höchst umstritten. Dies zeigt noch eine Urkunde, die 33 Jahre nach den Ereignissen, am 10. Mai 1217, im Bistum Mailand ausgestellt wurde :36 In Gegenwart des Bischofs Folco von Pavia, anderer Geistlicher und Paveser Konsuln sprach man dem Piacentiner Podestà jedes Recht an den schon unter Friedrich Barbarossa so heftig umkämpften quinque loci ab. Schließlich zeigen Nachrichten aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, dass Pavia auch im Fall von Mondonico ganz offenkundig ältere Rechtsansprüche des Paveser Benediktinerklosters S. Bartolomeo in Strada genutzt hatte, um sich seines Einflusses auf Mondonico weiter zu versichern.37

Monticelli (Pavese) im 12. Jahrhundert Das38 heutige Monticelli Pavese liegt in einer mächtigen Flussschleife des Po an dessen nördlichem Ufer. Dies war allerdings erst die Folge einer Verlegung des Flusslaufs während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das 34 35 36 37 38

Bollea, Nr. 59, S. 194 f. (Urkunde der Piacentiner Konsuln vom 18. Dezember 1184). Wie oben S. 71 mit Anm. 1. Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. II, S. 476 Nr. 499. Settia, Il distretto pavese, S. 127. Zur Vorgangsweise betreffs der Belege und Nachweise in den Überlieferungen siehe schon oben, S. 79 mit Anm. 15.

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Monticelli des hohen Mittelalters war ebenso südlich des Po gelegen wie alle anderen der insgesamt fünf zwischen den Kommunen Pavia und Piacenza umstrittenen Orte, war damals Teil des Oltrepò Pavese.39 Das stauferzeitliche Monticelli bildete somit gemeinsam mit den ebenfalls ganz nahe am Po gelegenen Orten Parpanese und Olmo sowie den etwas südlich davon in den Ausläufern des in Richtung Apennin ansteigenden Hügelgeländes liegenden Orten S. Marzano und Mondonico eine Gruppe von Ortschaften unmittelbar an der damals noch nicht fixierten Grenze der städtischen Territorien von Pavia und Piacenza. Ob man das Faktum, dass sehr viel mehr »Piacentiner« als »Paveser« Zeugen über die Verhältnisse in Monticelli Aussagen trafen, so interpretieren darf, dass man für den unter den quinque loci am weitesten in Richtung Osten und damit auf Piacenza zu gelegenen Ort aus Gründen einer möglichst gerechten Vorgangsweise eine größere Zahl von Männern aus der Postadt hören wollte, muss letztlich offenbleiben. Nur zwei von Pavia nominierte Leute, nämlich der Seiler (cordarius) Villano und Caldera Cane, der zweimal, 1168 und 1178, als Konsul seiner Stadt gewirkt hatte und Angehöriger einer durchaus prominenten Familie seiner Heimatstadt war, trafen Aussagen mit Bezug auf Monticelli. In beiden Fällen standen – man ist versucht zu vermuten : naturgemäß – Nachweise für die Paveser Herrschaft über diesen Ort im Vordergrund, beide wurden mit einiger zeitlicher Präzision dargeboten. Caldera Cane hatte in seiner Funktion als Paveser Konsul, damit also entweder 1168 oder 1178, das Fodrum in Monticelli eingehoben. Der Seiler Villano, Vertreter eines für das Transportgewerbe sowohl zu Land wie zu Wasser wichtigen Gewerbes, war einst gemeinsam mit den Paveser Konsuln Rinaldo de Campese und Giacomo Aviano – beide sind für das Jahr 1167 gemeinsam in diesem Amt bezeugt – in die Orte des Oltrepò Pavese gezogen, wobei man in Monticelli Ortskonsuln einsetzte. 39 Mein besonderer Dank für den Hinweis auf dieses Faktum gilt Herrn Kollegen Aldo A. Settia (Mail vom 25. Februar 2009). Im Rahmen der Beschäftigung mit den Quellen fiel mir zwar auf, dass Monticelli als einziger der quinque loci nördlich des Po liegt, doch wäre die tatsächliche Begründung dafür nur dann klar geworden, wenn ich bei meinen eigenen Forschungen auch noch die gesamte Entwicklung der Polandschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart einbezogen hätte. – Vgl. dazu auch den versteckten Hinweis bei Barbieri, Fonti documentarie, S. 53 Anm. 3.

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Ungleich zahlreicher waren die »Piacentiner« Zeugen, die Aussagen im Hinblick auf Monticelli tätigten, und sie boten dabei auch tatsächlich weit in die Vergangenheit zurückreichende Angaben. Der größte erwähnte Zeitabstand von der Gegenwart des Jahres 1184 wird mit 47 Jahren angegeben, könnte sich also noch auf das letzte Regierungsjahr Kaiser Lothars III. (1137) beziehen.40 Was ist aber von diesen Zeugnissen zu halten, was sagen sie über die historischen Verhältnisse in Monticelli während des 12. Jahrhunderts aus ? Mit einiger Gewissheit41 darf man im Fall dieses nahe am Südufer des Po gelegenen Orts davon ausgehen, dass er zunächst – und diese zeitliche Qualifizierung ist nach Zeugenaussagen auf die Epoche der späten 1130er- und der 1140er-Jahre zu beziehen – unter Piacentiner Einfluss und Herrschaft stand. Vielleicht resultierte das ja doch auch aus der exponierten Lage, nicht allzu weit von der Postadt entfernt. Angeblich schon vor 47 Jahren waren Monticellesi gemeinsam mit den Piacentinern gegen Parma ins Feld gezogen, und sie sollen damals gefürchtet haben, dass Pavia mit Waffengewalt gegen sie und ihre Gemeinde vorgehen würde. Offenkundig ebenso früh – als Zeitangabe findet sich der Hinweis : »vor 46 Jahren«, also 1138 – setzte Piacenza in Monticelli eigene Ortskonsuln ein, was im Übrigen auf eine beachtenswert frühe Gemeindebildung hinzuweisen scheint. Der Umstand, dass der über diese Fragen verhörte »Piacentiner« Zeuge Lanfranco Cantarello sogar die Namen der so früh amtierenden Konsuln in Monticelli nennt, nämlich Guercio de Monticelli, Ardicio und Salvo, spricht in jedem Fall für die Zuverlässigkeit seines Zeugnisses.42 Auf die 1140er-Jahre, die Epoche, als das Reich und der damalige Herrscher Konrad III. im Regnum südlich der Alpen weitgehend absent waren,43 beziehen sich weitere Zeugnisse dafür, dass Piacenza in Monticelli Herrschaftsrechte ausübte. Konkret sagen nämlich der soeben erwähnte Lanfranco Cantarello wie auch Burgundio Pocaterra aus, dass sie vor 44 bzw. vor mehr als 40 Jahren persönlich gesehen haben, wie in Monti40 Bollea, Nr. 55, S. 157. 41 Diese Gewissheit ist nur deswegen nicht absolut, weil sie allein auf den Aussagen von Piacentiner Zeugen fußt und nicht anhand von Paveser Zeugnissen überprüft werden kann. 42 Siehe dazu die Quelle unten im Anhang iv, S. 251 f. 43 Die Quellen zur Regentschaft Konrads III. sind nunmehr bequem zusammengefasst in : B.Niederkorn – Hruza, Reg. Imp.

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celli die bovateria, eine Steuer auf Zugtiere, namens der Kommune Piacenza eingehoben wurde. Monticelli muss aus Sicht der Postadt vielleicht gerade auch deshalb ein interessantes Objekt für ihre territorialpolitischen Ambitionen gewesen sein, konnte man doch mit der Einbeziehung dieses Gebietes in die eigene Herrschaftszone am Ostende des von Pavia dominierten Gebietes Fuß fassen. Nach Pavia bestanden freilich – ganz offensichtlich viel – ältere Bande der Monticellesi. So weiß einer der Piacentiner Zeugen Folgendes zu berichten : Vor 50 Jahren, also noch in der ersten Hälfte der 1130er-Jahre, hätten Piacentiner Amtsträger in allen der fünf Orte Abgaben (colta) eingehoben, und damals sei der Abt des Paveser Salvatorklosters dabei gewesen, er habe aber keinerlei Einspruch dagegen erhoben.44 Rechte und Besitzungen in Monticelli sind für S. Salvatore, der in der westlichen Vorstadt von Pavia gelegenen Abtei, die unter Kaiser Friedrich Barbarossa dann als viel besuchte Pfalz des Reichsoberhaupts in der Stadt am Ticino diente,45 anhand einer beachtlichen Reihe urkundlicher Zeugnisse auch außerhalb der hier im Mittelpunkt stehenden Zeugenaussagen vom November 1184 nachzuweisen. So weit die von Cesare Luigi Bollea edierten Dokumente aus Paveser Archiven mit Bezug auf die Geschichte von Voghera belegen, erwarb und vergab das Salvatorkloster, beginnend ab dem Jahr 1131, mehrfach Güter und Ländereien in Monticelli.46 Am 13. April 1133 wurde im Hof von Sant’Antonino zu Piacenza, dort, wo die städtischen Versammlungen abgehalten zu werden pflegten und der Rat tagte, unter starker Beteiligung vonseiten Piacenzas ein Urteil zwischen S. Salvatore zu Pavia und einer Gruppe von Personen betreffs eines Streits um Güter in Monticelli gefällt, und dabei waren nicht nur Piacentiner, sondern auch Paveser Richter anwesend.47 Dieser Beleg spricht – wie auch die anderen bisher angeführten Beobachtungen – doch deutlich dafür, dass es vor Ort bereits in den 1130er-Jahren äußerst komplexe, in jedem Fall gemischte Herrschaftsverhältnisse gab. 44 Bollea, Nr. 55, S. 158 : … et hanc coltam colligerunt presente domino abbate sancti saluatoris de papia et non contradicente. et in sero ipse abbas misit de candelis ipsis coltoribus. 45 Zur Paveser Pfalz vgl. Opll, Stadt und Reich, S. 371. 46 Vgl. u. a. Bollea, Nrr. 9, 10, 11, 13, 16, 20, , 23, 25, 26, 31, 32, 35, 36, 43. 47 Bollea, Nr. 11, S. 17 ; bei der Nennung des Ausstellungsortes dieser Urkunde heißt es : … ubi erincus (sic = arengum) et consilium ciuitatis detinetur …

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Und dies sollte sich in den 1140er-Jahren weiter fortsetzen, liegt doch zum Jahr 1145 ein Zeugnis dafür vor, dass Konsuln von Piacenza, darunter Vogt Folco, Opizo, der Sohn des Oddo, und Rinaldo Surdo, gemeinsam mit namentlich nicht erwähnten Justizkonsuln von Pavia ein Urteil in einem Streit des Paveser Salvatorklosters und des Malvicino von Piacenza fällten.48 In ebendieser Urkunde aus der Mitte der 1140er-Jahre wird im Übrigen auch der Bestand eines castrum in Monticelli erwähnt, das ein gewisser Alberico Torto dann acht Jahre später mittels einer Urkunde, die am 19. November 1153 im Kloster S. Salvatore zu Pavia ausgestellt wurde, an Abt Cencio von S. Salvatore übertrug.49 Die herrschaftlichen Verhältnisse in Monticelli sollten sich unter dem 1152 neu gewählten Herrscher, Friedrich I., spätestens dann, als er 1158 mit Macht seinen gegen Mailand gerichteten zweiten Italienzug antrat, grundlegend ändern. Der Paveser Zeuge Pietro Cheno gibt unter dezidiertem Hinweis auf die Zeit »nach dem Eintreffen des Kaisers in der Lombardei und vor der Belagerung von Mailand«, also im Sommer 1158, an, dass damals die Pavesen in Monticelli das iuuaticum einsammelten.50 Solch eine Veränderung korrespondierte absolut mit der grundlegenden Umgestaltung der politischen Verhältnisse in der Lombardei um 1158, als Pavia – nicht anders als schon beim ersten Italienzug des Staufers 1154/55 – aufseiten Barbarossas stand, während Piacenza seit seinem Bündnis mit Mailand von 1156 eher zu den Gegnern der Reichsherrschaft zählte.51 Offenbar nur der vorübergehenden Verbesserung der Beziehungen zwischen der Postadt und dem Kaiser vom Sommer 1158 bis – spätestens – in das Frühjahr 1159 war es zuzuschreiben, dass im April 1159 die Piacentiner Konsuln Oddo Novello und Oberto della Porta im Auftrag der beiden Podestà Confaloniero und Alberto de Andito in S. Bartolomeo zu Piacenza einen Güterstreit des Paveser Klosters S. Salvatore entschieden.52 48 Bollea, Nr. 16, S. 24. – Zu diesen Konsuln siehe unten, S. 244 ff. (Anhang iii). 49 Bollea, Nr. 16, Nr. 24 (1145 Juli 7, in der Bischofspfalz von Piacenza), sowie Nr. 20, S. 30 (1153 November 19). 50 Bollea, Nr. 45, S. 77. – Zur Abgabe des iuuaticum siehe unten, S. 156 f. 51 Zur Entwicklung aus reichsgeschichtlicher Sicht siehe die Ausführungen unten, S. 174 ff. 52 Vgl. dazu Opll, Potestates, S. 32–45, sowie die – in meiner hier zitierten Arbeit übersehene – Edition dieser Urkunde bei Bollea, Nr. 23, S. 33.

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Als dann wenige Jahre später im Gefolge des Triumphs Friedrichs I. über Mailand (1162) auch die Postadt sich vollständig der staufischen Dominanz beugen musste und der Kaiser mit dem Sachsen Arnold von Dorstadt einen deutschstämmigen Podestà mit der Herrschaft in und über Piacenza betraute, entstand gerade auch für Monticelli und seine Bewohner eine schwierige, in herrschaftlicher Hinsicht in vielem unklare und nicht eindeutige Situation. Der deutsche Podestà geriet mit seinem Bemühen um die Ausweitung des Piacentiner Einflusses im Contado in Gegensatz zu der von allem Anfang der Herrschaft Barbarossas an stets reichstreuen Kommune am Ticino. Sein Bestreben, das sich letztlich kaum von der Ausrichtung der kommunalen Politik der Postadt in den 1140er-Jahren unterschied und in vielem praktisch dieselbe Stoßrichtung verfolgte, war andererseits zugleich Ausfluss der Maßnahmen der kaiserlichen Reichsverwaltung in der Lombardei. Ein besonders bezeichnendes Zeugnis zu diesen Jahren liegt mit der Aussage des Piacentiner Zeugen Folco de Porta vor : Folco konnte nämlich aus persönlichem Erleben berichten, dass er zur Zeit des Podestats des Arnold Barbavaria, also zwischen 1162 und 1164, gemeinsam mit anderen Piacentinern im Auftrag Arnolds in allen quinque loci das Fodrum einsammelte, Konsuln erhob und Gerichtsbarkeit ausübte, doch habe es dabei Streit gegeben.53 Gerade die Erwähnung von Streit macht in jedem Fall deutlich, dass entweder Pavia selbst seine Ansprüche betont haben muss, oder auch die Monticellesi die Paveser der Piacentiner Herrschaft vorzogen. Schon bald – Arnold Barbavaria musste ja 1164 aus Piacenza weichen, und die Reichsherrschaft über die Postadt war 1165 nur noch mit der Gewaltmaßnahme der Stellung von Geiseln wirklich aufrechtzuerhalten – konnte Pavia abermals an seine Position in der frühen Regierungszeit Barbarossas anknüpfen. Wie die übrigen vier unserer fünf Orte, so wurde auch Monticelli in dem großen Diplom, das Barbarossa am 8. August 1164 für Pavia ausstellen ließ, als Bestandteil des Herrschaftsgebietes dieser Stadt anerkannt. Datierbar durch Hinweise auf konkrete Paveser Konsuln, lässt sich auf der Grundlage der Zeugenverhöre vom November 1184 zeigen, dass Pavia noch 1167 und 1168 im Vollbesitz der Herrschaft über Monticelli stand, dort das Fodrum einhob und Konsuln einsetzte. Ebenfalls in diese Richtung weisen Urkunden, die im August 1166 53 Bollea, Nr. 55, S. 157.

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in Pavia betreffs Rechtsansprüchen des Paveser Salvatorklosters in Monticelli ausgestellt wurden.54 Die Zeitläufe waren allerdings für die Ticinostadt in diesen Jahren alles andere als günstig, war doch 1167 das Städtebündnis der Lega Lombarda gegen den Kaiser entstanden. Mit der Dominanz der staufischen Reichsherrschaft in der Lombardei war es spätestens mit dem Rückzug des Herrschers aus Oberitalien im März 1168 endgültig vorbei. Abermals nach der Nennung von Konsuln, diesmal des Piacentiners Guglielmo de Malvicino samt Hinweis auf das Jahr seines Todes wie dessen gemeinsam mit ihm im Amt befindlichen Konsulgenossen Burgundio Leccacorvo und Alberto Sperone, exakt in die Jahre 1172 bzw. 1174 datieren lässt sich der Bericht dreier Piacentiner Zeugen über die Einhebung von Abgaben wie auch die Einsetzung von Konsuln zu Monticelli im Rahmen der piacentinischen Herrschaft. Alle drei Zeugen, Burgundio Pocaterra, Folco Ardiciono und Ugo Bue, waren zudem persönlich in die Umsetzung der Maßnahmen involviert, was die Zuverlässigkeit ihrer Aussagen noch weiter untermauert. Keinerlei Wirkung zeitigte der Versuch der Monticellesi, sich gegen die Einsetzung von Ortskonsuln durch den Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino mit dem Hinweis zu wehren, sie unterstünden dem Kloster S. Salvatore zu Pavia und fürchteten deshalb ein gewaltsames Vorgehen der Pavesen gegen ihren Ort.55 Erst als sich die politische Lage im Großen von Neuem änderte, sollte sich die Waage wieder mehr Pavia zuneigen.56 Der Waffenstillstand zwischen Kaiser und Lombardenbund vom Sommer 1177 in Venedig, die Neugründung 54 Bollea, Nrr. 25–26, S. 36 und 37. 55 Und dazu fügt sich auch sehr gut, dass es am 27. August 1173 Piacentiner Schiedsrichter waren, die in einem Streit um Güter zu Monticelli zwischen dem Paveser Salvatorkloster und den Herren von Fontana in S. Bartolomeo zu Piacenza eine Urkunde ausstellten, vgl. Bollea, Nr. 31, S. 43. 56 Ob das Faktum, dass am 11. März 1174 in S. Siro zu Pavia, also in der dortigen Domkirche, ein Urteil über einen Streit der Abtei S. Salvatore zu Pavia und einigen Personen beurkundet wurde (Bollea, Nr. 32, S. 44), bereits für eine Verbesserung der Paveser Position in Monticelli spricht, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Wenn dann allerdings 1177 und 1178 in Pavia selbst weitere Urkunden über die Rechte des Salvatorklosters in Monticelli ausgestellt wurden und eine davon ausdrücklich einen Schiedsspruch des Robaldo Cristiano (zu dieser Familie siehe unten in Anhang iii s. v. Armanno Cristiano, S. 240 f.) nennt (Bollea, Nrr. 32 und 35, S. 44 und 49), so könnte dies doch auf eine – zumindest vorübergehende – Stärkung der Paveser Positionen weisen.

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von Alessandria unter dem »kaiserlichen« Namen »Cesarea« 1183, schließlich der den Waffenstillstand von Venedig nach der darin festgelegten Frist von sechs Jahren im Juni ebendieses Jahres zu Konstanz geschlossene Friede – das waren die wichtigsten Schritte bei diesen politischen Veränderungen. Für Monticelli bedeutete dies eine abermalige Wendung hin zu einer Bestärkung Paveser Herrschaftsansprüche.57 Piacenza sollte zwar nach den Verhören vom November 1184 ein Jahr später, 1185, abermals versuchen, in Monticelli Einfluss zu wahren, doch blieb es bei bescheidenen, letztlich auch folgenlosen Bemühungen : Konkret verpflichteten die Konsuln von Piacenza am 25. Februar 118558 den Musso di Facia Alamanna, der zuvor im Hinblick auf die Abmachungen Geheimhaltung geschworen hatte, seine Güter in Monticelli nicht an das Kloster S. Salvatore zu Pavia oder an eine andere Person aus Pavia oder dessen Umland zu veräußern. »Im Geheimen« wollte man also noch einmal versuchen, sich nicht völlig aus Monticelli verdrängen zu lassen – es sollte aber nicht gelingen. Der Konflikt war mit der bloßen Einvernahme der Zeugen im November 1184 keineswegs beigelegt. Einige Monate später, am 4. Februar 1185, verpflichtete sich der bei den Verhören gemeinsam mit dem Piacentiner Richter Capo als Schiedsrichter tätig gewesene Pavese Guido de Pozzo in Übereinstimmung mit seinem Piacentiner Kollegen in Portalbera südlich des Po eidlich dazu, das Urteil in dem Streit ihrer beiden Kommunen am darauf folgenden 1. Mai zu sprechen.59 Im 13. Jahrhundert zählte Monticelli dann unbestritten zum Paveser Territorium, wobei es der Kommune gelang, sich endgültig gegenüber dem Salvatorkloster durchzusetzen.60

57 Interesse verdienen in diesem Kontext zwei urkundliche Belege : Zum einen ein in Monticelli selbst ausgestelltes Dokument, mit welchem dem Kloster S. Salvatore zu Pavia Güter in Parpanese verkauft wurden (Bollea, Nr. 42, S. 69), zum anderen eine am 28. Mai 1183 in der Piacentiner Vorstadt im Kreuzgang von S. Brigida ausgestellte Urkunde, mit der Leute aus Monticelli dem Kloster S. Salvatore zu Pavia Güter in ihrem Ort selbst übertrugen, Bollea, Nr. 43, S. 71. 58 Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. I, S. 526 Nr. 254. 59 Wie oben, S. 71 mit Anm. 1. 60 Settia, Il distretto pavese, S. 127. – Die anhaltenden Bemühungen des Salvatorklosters zur Wahrung seiner Position in Monticelli belegt freilich auch eine Urkunde, die am 3. August 1170 in Monticelli ausgestellt wurde. In ihr bestätigten zahlreiche Männer des Ortes in die Hände des Abtes Lanfranco von S. Salvatore, dass ihr Gebiet unter der Jurisdiktion der Abtei stehe, siehe dazu Bollea, Nr. 167, S. 349.

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Olmo im 12. Jahrhundert Der61 locus Ulmi hat als einziger der fünf im Mittelpunkt dieser Studie stehenden Orte kein bis in die Gegenwart reichendes Nachleben gefunden, ja, sogar seine eindeutige Lokalisierung bereitet Probleme. In der einschlägigen lokalgeschichtlichen Literatur, den großen Stadtgeschichten von Pavia und Piacenza aus den 1980er- bzw. 1990er-Jahren, ist von Olmo die Rede, wobei entweder keine genaueren Angaben betreffs der Lage des Ortes geboten werden oder darauf hingewiesen wird, er befände sich nicht weit von der bedeutenden Via Francigena.62 Die 1984/85 durch Ettore Falconi und Renata Peveri vorgelegte Edition des Piacentiner Registrum Magnum verwendet in einem der Kopfregesten die Bezeichnung »Olmolo«.63 Mehrere Orte namens Olmo sind für den oberitalienischen Raum nachweisbar, doch befinden sie sich durchwegs weitab von der Zone zwischen Pavia und Piacenza.64 Tatsächlich waren solche auf den gleichnamigen Baum, die Ulme, weisende Ortsbezeichnungen gar nicht selten. Bis auf den heutigen Tag existiert am westlichen Ausgang von Stradella im Oltrepò Pavese, und zwar nördlich der Autobahn Turin – Piacenza, der Ortsname Casa dell’Olmo. Dieses Olmo liegt heutzutage an einer Provinzstraße, die über eine Pobrücke direkt nach Pavia führt und den großen Fluss unmittelbar unterhalb der Einmündung des Ticino überquert – aber auch dieser Ort kommt wegen seiner Lage mitten im Oltrepò Pavese und nicht an dessen Grenze zum Gebiet von Piacenza hin für eine Identifizierung mit unserem locus Ulmi nicht infrage. Dem großen Kenner der Paveser Geschichte, Aldo A. Settia, ist der Hinweis zu verdanken, dass es unweit nördlich von Castel S. Giovanni am rechten Ufer des Baches Carogna,65 der genau zwischen Parpanese und Pievetta in den Po einmün61 Zur Vorgangsweise betreffs der Belege und Nachweise in den Überlieferungen siehe schon oben, S. 79 mit Anm. 15. 62 Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 176 ; Settia, Il distretto pavese, S. 127 sowie S. 138–142. 63 Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. I, S. 387 Nr. 175. 64 Zu nennen sind von Osten nach Westen : Olmo nordwestlich bei Mestre, Provinz Venedig ; Olmo di Tribano südöstlich von Monselice, Provinz Padua ; Olmo al Brembo im oberen Bremba-Tal nördlich von Bergamo ; Olmo an der südöstlichen Ausfahrt von Lodi ; Olmo Gentile südöstlich von Alba, Provinz Asti. 65 Nach dem Namen (carogna = Aas, Kadaver) muss es sich dabei um ein übel riechendes Ge-

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det, drei unmittelbar nebeneinander gelegene Häuser mit dem Namen Olmo gibt. Deren Lage an der Grenze der Contadi von Pavia und Piacenza, sehr nahe an Parpanese wie auch unweit von S. Marzano und Monticelli, spricht eindeutig für eine Gleichsetzung mit unserem locus Ulmi.66 In die alte Hauptstadt des regnum Lombardie, nach Pavia, zogen im Spätherbst des Jahres 1184 Calvo de Clauso und Ambrogio Rosso aus Olmo, um dort Aussagen betreffs der Frage nach der herrschaftlichen Zugehörigkeit ihres Heimatorts zu machen. Beide waren »Paveser« Zeugen. Calvos Gedächtnis reichte seinen Angaben zufolge bis zur Zerstörung von Tortona, also bis 1155, das des Ambrogio 18 Jahre, also bis 1166, zurück. Vor mehr als 20 Jahren hatte Calvo bereits von den Leuten von Olmo gehört, dass der alte Ort (veter locus Ulmi) Pavia unterstanden sei, und diese Auffassung findet ja nicht zuletzt auch in der Kaiserurkunde für die Stadt Pavia vom 8. August 116467 ihre Bestätigung. Schon vier Jahre zuvor, um das Jahr 1160, jedenfalls noch vor der Zerstörung Mailands, ist in Olmo die Existenz einer Burg des Enrico Cane nachzuweisen, eines Mitglieds der in unseren Zeugenverhören von 1184 mit mehreren Mitgliedern nachweisbaren Paveser Familie Cane. Zur Mitarbeit an den Festungsgräben dieser Anlage waren im Auftrag des Paveser Stadtregiments nicht nur die Olmesi selbst, sondern auch die Bewohner des benachbarten Pfarrortes Parpanese, die von Monticelli und vielleicht auch die von S. Marzano verpflichtet.68 Unser Olmeser Zeuge Calvo Clauso selbst gab dann zu Protokoll, er habe vor nunmehr 18 Jahren, also 1166, Paveser Konsuln nach Olmo kommen sehen, die sich dort die lokalen Amtsträger, welche als Gastalden bezeichnet zu werden pflegten, unter Eid verpflichteten. Diese Gastalden wiederum hätten ihrerseits die Olmesi verpflichtet, den Befehlen der Konsuln von Pavia zu gehorchen. Gut zu diesem Zeugnis fügt sich die Aussage eines weiteren Paveser Zeugen, nämlich des 1168 und 1178 als Konsul der Ticinostadt nachweisbaren Caldera Cane, dass er in einem seiner Amtsjahre in Olmo das Fodrum rinne gehandelt haben. Unter Piacentiner Herrschaft, und zwar unter Guglielmo de Malvicino, mussten die S. Marzanesi einmal an diesem Wasserlauf arbeiten, vgl. Bollea, Nr. 57, S. 178 : … duxit homines de sancto marciano. et fecit eos claudere sapellos in carogna. 66 Mail von Aldo A. Settia an den Verfasser vom 25. Februar 2009. 67 mg.df.i. 455 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1393. 68 Bollea, Nr. 47, S. 91 und 96.

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namens Pavias eingehoben habe. Erst in den letzten Jahren, die Rede ist von »seit fünf Jahren«, hätten – so weiter unser Olmese Calvo – Boten der Stadt Piacenza gemeinsam mit den Herren von Fontana unter Androhung von Gewalt in Olmo Konsuln eingesetzt. Im vergangenen Jahr, also 1183, wären die Olmesi sogar gezwungen worden, an den Befestigungen der Stadt Piacenza mitzuarbeiten. Wenngleich neben Calvo Clauso und Ambrogio Rosso für keinen der anderen im November 1184 zu Pavia verhörten Zeugen erkennbar ist, dass er aus Olmo stammte, so liegt aus dem Mund anderer – und dabei sind auch die Aussagen etlicher Piacentiner Zeugen zu nennen – doch eine Reihe von Hinweisen auf die Verhältnisse in Olmo vor. Ohne dass wir dabei von einer Überlieferung sprechen könnten, die sich mit der für die anderen vier der quinque loci auch nur annähernd an Aussage- und Detailreichtum vergleichen ließe, so lässt sich dennoch ein Bild der Olmeser Gegebenheiten zeichnen, das eine Reihe von Parallelen mit Mondonico, Monticelli, Parpanese und S. Marzano aufweist : Die Zeugnisse reichen im Hinblick auf Olmo freilich nicht einmal annähernd so weit zurück, wie dies bei den übrigen Orten der Fall ist. Nur aus anderen Überlieferungen wissen wir davon, dass im Jahre 1136 ein Drittel von Olmo an die um 1100 gegründete Kirche S. Eufemia zu Piacenza gelangte,69 was vielleicht auch hier einen gewissen Ansatzpunkt für den späteren Einfluss der Kommune gebildet haben mag. Im Falle der Zeugenaussagen von 1184 über Olmo tritt deutlich zutage, dass die gemachten Angaben mehrfach nicht aus dem individuellen Wissen, der persönlichen Kenntnis stammen, sondern sich daher ableiten, das eine oder andere von anderen gehört zu haben. Es waren somit Informationen aus zweiter oder gar dritter Hand. So berichtet etwa der Piacentiner Zeuge Oberto de Alda zwar als Augenzeuge davon, dass zur Zeit der Piacentiner Konsuln Guidotto da Fontana und Pagano de Arcelli sowie des Paveser Konsuls Alberto Guastalittera und seiner Amtsgenossen den Leuten von Monticelli und Parpanese in einer gemeinsamen Aktion der Untertaneneid (sacramentum comunie) abverlangt worden sei, im Hinblick auf die Bewohner von Olmo dagegen kann er nur sagen, »er glaube«, dass dies dort auch so

69 Settia, Il distretto pavese, S. 127.

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geschehen sei.70 Im Übrigen ist eine Datierung gerade dieser Aussage sehr schwierig, ist doch Guidotto für die Jahre 1169 und 1173, Pagano 1160 und 1181 im Amt des Konsuls bezeugt, somit niemals in ein und demselben Jahr, und zu dem Paveser Konsul Alberto Guastalittera fehlt überhaupt jeder sonstige Beleg. – Im Vergleich mit den Verhältnissen in den anderen vier unserer quinque loci sind uns solche Phasen einer gleichzeitigen Herrschaftsausübung von beiden Städten insbesondere für die frühen Jahre der Lega Lombarda (ca. 1167–1174) wie dann erneut nach dem Waffenstillstand von Venedig (1177), vor allem von etwa 1179 an, bekannt. Ein weiterer Piacentiner Zeuge, der Läufer bzw. Bote Giacomo (Iacobus currerius), gibt an, dass in Olmo – ebenso wie in Monticelli, Parpanese und S. Marzano, nicht aber in Mondonico – unter dem zu 1160 und 1172 als Konsul von Piacenza fassbaren Guglielmo de Malvicino Ortskonsuln eingesetzt worden seien. Damit zu vergleichen ist nicht nur das Selbstzeugnis des Caldera Cane, der als Paveser Konsul (wohl 1168) Herrschaftsrechte für seine Kommune in Olmo ausübte. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Aussage des aus Olmo selbst stammenden Paveser Zeugen Calvo de Clauso, der zu berichten weiß, dass der exercitus Lonbardorum, das Heer der in der Lega Lombarda zusammengeschlossenen Städte, Olmo gleich zweimal in Brand gesteckt habe, dabei die Weinstöcke ausgerissen, die Bäume zerstört und die Kirche71 beraubt habe. Das eine Mal sei dies bei dem Kriegszug in das Paveser Gebiet geschehen, als die Legatruppen Bosnasco zerstörten, das zweite Mal, als das Heer nach Montebellum zog. Mit einiger Vorsicht wird man diese beiden Brandschatzungen von Olmo folgendermaßen datieren dürfen : Das erste Mal dürfte dies zwischen 1168 und 1170, d. h. nach dem Abzug des Kaisers aus der Lombardei und vor dem Beitritt Pavias zur Lega Lombarda, gewesen sein. Das zweite Mal könnte sich dies entweder auf das Jahr 1172 beziehen, als die Piacentiner gegen den Markgrafen von Montferrat nach Mombello zogen, oder auf 1175, als sich ein Heer der verbündeten Städte und das Heer des Kaisers wenige Tage nach dem Abbruch der Belagerung von Alessandria

70 Bollea, Nr. 54, S. 145 f. 71 Wir wissen also auch für Olmo vom Bestand eines Gotteshauses, das freilich keinesfalls Sitz einer Pfarre war. Der für Olmo zuständige Pfarrort dürfte das nahe gelegene Parpanese mit seiner plebs gewesen sein.

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im April einige Tage lang bei Montebello gegenüberstanden und schließlich ein erster Friede zwischen dem Reich und der Lega geschlossen wurde. In Fall von Kriegsgefahr, so auch bei diesen Ereignissen,72 suchten die Olmesi nach den Angaben der befragten Zeugen Zuflucht in Pavia, und auch das ist ein Fingerzeig dafür, dass man die Ticinostadt als natürliche Ortshoheit ansah. Für eine Phase stärkeren – oder gar : alleinigen – Piacentiner Einflusses auf Olmo spricht erst der Hinweis des Piacentiner Zeugen Folco de Porta, der davon zu berichten weiß, dass er vor 12 Jahren, also etwa um das Jahr 1172, im Namen der Postadt die Zugtiersteuer in Olmo, Monticelli, Parpanese und S. Marzano, nicht aber in Mondonico eingehoben habe. Der im Sommer 1177 zu Venedig abgeschlossene Waffenstillstand zwischen Barbarossa und den Kommunen der Lega Lombarda leitete für Olmo eine Phase ein, in der sowohl Pavia als auch Piacenza Herrschaftsrechte vor Ort beanspruchten. Man muss sich die Lage als äußerst schwankend vorstellen, d. h. von Jahr zu Jahr konnten die Einwohner von Olmo nicht sicher sein, wem sie nun tatsächlich unterstanden, wem sie Abgaben zu leisten und wessen Gebote sie zu befolgen hatten. Aus dem Mund des aus Olmo selbst kommenden Ambrogio Rosso erhalten wir Kunde davon, dass im Ort selbst die Meinung herrschte, dass man Pavia unterstehe und zum Distrikt dieser Stadt gehöre.73 Erst in den letzten fünf Jahren, also seit 1179, hätten – so weiter unser Gewährsmann Ambrogio – sowohl Piacentiner als auch Pavesen Ortskonsuln in Olmo »erhoben«, d. h. eingesetzt, und die bovateria eingehoben. Dabei hätten sich aber durchwegs die Piacentiner Ortskonsuln mit Gewalt durchzusetzen verstanden. Vielleicht darf aus diesem Zeugnis sogar geschlossen werden, dass die Olmesi mehrere Jahre hindurch doppelt belastet waren. 1184, im Jahr der Zeugenverhöre, war es die im Großen total veränderte politische Lage – bestimmt von der Neugründung von Alessandria in der Form der kaiserlichen Stadt »Cesarea« und dem Frieden von Konstanz aus dem Vorjahr wie auch dem sich anbahnenden Ausgleich mit Mailand –, welche die Pavesen als günstig ansahen bzw. in welcher sie die Zeit gekommen

72 Bollea, Nr. 53, S. 137 : … homines ulmi fugierunt semper papiam … 73 Bollea, Nr. 53, S. 139 : … semper audiuit a suis antecessoribus et uicinis et comunis fama loci est quod locus ulmi est papie. et de districto papie.

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sahen, sich ihrer zwanzig Jahre zuvor mittels kaiserlichen Privilegs abgesicherten Stellung nun im neuen politischen Kontext abermals zu versichern. Olmo war offenbar seit Längerem ein zutiefst pavesisch gesinnter Ort gewesen. Piacenza hatte stets zu Gewaltmitteln greifen müssen, wollte es seine Herrschaft hier zur Geltung bringen. – Wie auch alle übrigen der fünf Orte, so sollte auch Olmo dann in den Jahren und Jahrzehnten nach 1184 bis weit ins 13. Jahrhundert hinein der Herrschaft der Ticinostadt unterstellt bleiben. Die lokalen Herrschaftsrechte lagen dann in den Händen der Paveser Familie Cane, die ja schon im 12. Jahrhundert über eine Burg in Olmo verfügt hatte, mehrfach Konsuln ihrer Heimatstadt gestellt hatte und in unseren Zeugenverhören mit Caldera, Giacomo und Rolando unter den Befragten vertreten war.74

Parpanese (Pieve di Parpanese/Pievetta Dogana Po) im 12. Jahrhundert Parpanese75 ist heutzutage ein Weiler direkt am südlichen Ufer des Po, nicht ganz zwei Kilometer westlich des heutigen Pievetta Dogana Po, im Unterschied zu diesem aber zur Provinz Pavia, nicht zu der von Piacenza gehörig. Von diesem Weiler aus führt heute die Strada Statale Nr. 412 nach Pieve Porto Morone nach Norden über den Po. Parpanese war zur Zeit unserer Zeugenverhöre im späten 12. Jahrhundert als einziger der zwischen Pavia und Piacenza umstrittenen quinque loci Sitz einer Pfarre, ja, es wird sogar häufig einfach als plebs bezeichnet. Diesem Ort kam damit zweifellos eine höhere zentralörtliche Bedeutung zu als den übrigen vieren. Und dieses bestätigt sich durch mehrere Zeugenaussagen, darunter auch solchen von Einwohnern des Ortes selbst, die im November 1184 in Pavia gemacht wurden. Mehrfach wird zudem der Rang von Parpanese als Schiffsstation auf dem Weg von Pavia über den Ticino und den Po flussabwärts betont, eine Bedeutung, die dem Ort bereits im frühen 12. Jahrhundert, vor dem ersten Italienzug Lo-

74 Settia, Il distretto pavese, S. 127. 75 Zur Vorgangsweise betreffs der Belege und Nachweise in den Überlieferungen siehe schon oben, S. 79 mit Anm. 15.

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thars III., zukam.76 Ja, die Nennung einer Burg zu Parpanese, deren Gräben die Bewohner vor der Zerstörung Mailands, also vor 1162, sowohl im Eigeninteresse als auch im Auftrag der Paveser Konsuln ausbauten,77 bietet sogar noch genaueren Einblick in die topographischen Verhältnisse dieses Orts. Wie war es aber um die herrschaftliche Zugehörigkeit dieses Pfarrsitzes bestellt, wem – Pavia oder Piacenza – unterstanden die Parpanesi im Laufe dieses so bewegten Saeculum ? Antworten auf diese Fragen gaben im November 1184 unter anderem drei der Einwohner des Pfarrortes, darunter zwei, die im Ort selbst namens der Ticinostadt als lokale Konsuln fungiert hatten. Zeitlich weit zurück reicht ein Bericht, den der Paveser Zeuge Viviano de Alda unter Berufung auf seinen 100-jährigen – d. h. sehr alten – Vater und andere alte Leute aus Parpanese gibt : Es heißt dort, dass der Ort einst – man wird wohl an das frühe 12. Jahrhundert denken müssen – Pavia unterstand und die Piacentiner hier über keinerlei Rechte verfügten mit Ausnahme des Umstandes, dass die Herren von Fontana vor Ort einige Allodien und Besitzungen innehatten.78 Und über diese Capitanei von Fontana gibt ein gleichfalls aus Parpanese stammender Piacentiner Zeuge namens Oberto de Alda, wohl ein Verwandter des Viviano, Folgendes zu Protokoll : Diese Herren hätten in einer Zeit, da weder Pavia noch Piacenza über irgendwelche Rechte in plebe verfügten – hier ist an eine noch frühere Epoche, vielleicht sogar das späte 11. Jahrhundert, zu denken –, den Ansässigen je nach Gutdünken Gutes oder Schlechtes zuge-

76 Bollea, Nr. 56, S. 170 f. (Aussage des Calvo de Suprarivo) : … dicit quod tempore quo placentini. et papienses. et cremonenses. erant concordes. placentini. habebant duas scaranias in pado. quę stabant ad suprariuum (heute : Soprarivo am Po, nordwestlich von Piacenza, Provinz Piacenza). causa custodiendi naues que ibant per padum papie. et redibant. et quando ueniebant a papia. predicte scaranie guidabant illas naues a parpanese inferius. et quando ibant sursum. similiter guidabant illos usque ad parpanese. et hoc fuit tempore guerre que erant inter mediolanum ex una. et papiam atque cremonam ex alia parte. et tunc placentini. tenebant illas scaranias ut magis forent securi papienses. et cremonenses. quos adiuuabant de ipsa guerra. et hoc fuit ante aduentum regis lotharii. 77 Bollea, Nr. 47, S. 96 (Aussage des Viviano de Alda) : … uidit homines plebis ire ad laborandum fossatis castri de parpanese. pro comuni loci. et precepto consulum papie. et pater suusmet illuc iuit. et hoc fuit ante destructionem mediolani. 78 Bollea, Nr. 47, S. 98 : … audiuit a patre suo qui erat Centum annorum. et ab aliis ueteribus hominibus loci plebis. quod ipse locus plebis erat papie. et quod placentini olim nic[h]il habebant in ipso loco. preter dominos de fontana. qui habebant ibi duas clausuras per allodium. et aliud podere quod ibi habebant tenebant per papiensem episcopum.

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fügt,79 mit anderen Worten : eine uneingeschränkte, an keine Rechtsnormen gebundene Herrschaft ausgeübt. Kein Hinweis findet sich in den Zeugenaussagen des Jahres 1184 über das aus anderen Überlieferungen bekannte Faktum, dass Parpanese seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts zum Besitz des 1021 von Pfalzgraf Aginulfo von Lomello gegründeten Benediktinerklosters S. Bartolomeo in Strada zählte, sodass wir wohl davon ausgehen dürfen, dass sich der kommunale Einfluss hier schon früh über die klösterlichen Rechte geschoben, diese gleichsam überdeckt hatte.80 Aus den 1140er-Jahren erfahren wir – freilich aus dem Mund zweier Piacentiner Zeugen, des Lanfranco Cantarello und des Burgundio Pocaterra, wobei der erste sich ausdrücklich auf Aussagen anderer Leute beruft, die im Auftrag der Postadt in Monticelli tätig waren – von der durch Piacentiner Boten vorgenommenen Einhebung von Abgaben auf Zugtiere von den Parpanesi. Dass Paveser Konsuln am 10. April 1148 in S. Michele zu Pavia ein Urteil über Streitigkeiten betreffs Gütern in Parpanese ausstellten, mahnt allerdings zur Vorsicht im Hinblick auf eine ausschließlich piacentinische Herrschaft vor Ort.81 So wie das auch bei den anderen vier unserer quinque loci konstatiert werden kann, waren es dann spätestens nach dem ersten Italienzug Friedrich Barbarossas die Pavesen, welche im Kontext ihrer kaiserlich-staufischen Politik das Ruder (wieder) herumzureißen vermochten, Parpanese damit von Neuem bzw. nunmehr besser als zuvor ihrer Herrschaft einordnen konnten. Wenig später, 1159 oder 1160,82 waren es dann die Piacentiner, die ihren Konsul Guglielmo de Malvicino nach Parpanese entsandten, um dort namens ihrer Stadt Ortskonsuln einzusetzen, was ihm allerdings nur unter Anwendung von Gewalt gelang. Vor dieser Zeit, behauptet ein anderer der 1184 verhörten Zeugen, hätten die Ortsbewohner ihre Konsuln selbst erhoben.83 79 80 81 82

Bollea, Nr. 54, S. 150 : … faciebant hominibus plebis bonum et malum secundum quod eis placebat ; … Settia, Il distretto pavese, S. 127. Die Urkunde bei Bollea, Nr. 17, S. 26. Bollea, Nr. 54, S. 150 (Aussage de Guido de Alda) : … dicit quod circa tres annos ante destructionem mediolani. (1159) vidit quod Guilelmus de malouicino qui tunc erat consul placencie. (als Konsul bezeugt u. a. 1160) … 83 Bollea, Nr. 54, S. 146 : … vidit quod ipse Guilielmus de maolouicino uenit in plebe. et leuauit ibi consules per vim. et ultra eorum uoluntatem. dicentes ei quod non erant soliti facere nec debebant. nec ante illud tempus consules vnquam erant ibi facti. per aliquam ciuitatem. set vicini tantummodo erant soliti ibi leuare.

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Über die Jahre nach der Zerstörung Mailands (1162) berichten die Zeugen höchst unterschiedlich : Aussagen darüber, dass von da an durch etwa sechs bis sieben Jahre die Pavesen die Parpaneser Konsuln eingesetzt und die Zugtiersteuer eingehoben hätten, steht die im Vergleich mit den Entwicklungen in den anderen der fünf Orte durchaus glaubwürdige Angabe gegenüber, dass die Piacentiner in Parpanese weiterhin unter Anwendung von Gewalt Ortskonsuln installiert hätten. Datiert wird diese Phase in die Zeit bis hin zur Stellung von Piacentiner Geiseln, d. h. bis zum Jahr 1165.84 Danach hätte abermals Pavia seine Herrschaft unangefochten behaupten können. Beide Aussagen könnten durchaus zutreffen, ja, es mag sich tatsächlich so zugetragen haben, dass sowohl Piacenza wie auch Pavia gleichzeitig Konsuln einsetzten und Abgaben einhoben, die Ortsbewohner dann nicht selten doppelte Lasten zu tragen hatten. Bisweilen gelang es den Parpanesi aber in diesen alles andere als einfachen Zeiten doch, Schutz und Rückhalt gegen überzogene Piacentiner Ansprüche bei Pavia zu finden. So führte ein Protest gegen die Einhebung des Fodrum durch Abgesandte des Piacentiner Podestà Arnold in Pavia dazu, dass die Paveser Konsuln sich schriftlich an Arnold wandten und dieser schließlich nachgab.85 Bis etwa 1168, vielleicht sogar noch 1169, in jedem Fall nach 1164/65,86 lag die Herrschaft über Parpanese sodann eindeutig bei Pavia. Dies sollte sich mit der Entstehung der Lega Lombarda (1167) und dem Zusammenbruch der staufischen Reichsverwaltung in der Lombardei (1167/68) nach und nach wieder ändern. In der Erinnerung der 1184 einvernommenen Zeugen an die durchaus noch präsente Epoche der letzten anderthalb Jahrzehnte muss es einige Jahre lang – jedenfalls bis zur Zeit der Belagerung von Alessandria 84 Bollea, Nr. 54, S. 146 : … usque ad tempus quo placentini fuerunt in ostagiaria imperatoris. placentini singulis annis leuauerunt consules in ipsa plebe. et per vim contra eorum uoluntatem ; … 85 Bollea, Nr. 54, S. 147 f. (siehe dazu unten, Anhang iv, S. 253 f.). 86 Dieser terminus post quem ergibt sich zum einen aus dem kaiserlichen Diplom vom 8. August 1164 (mg.df.i. 455 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1393), in dem die fünf Orte ausdrücklich der Kommune Pavia bestätigt wurden. Andererseits wissen wir noch zu 1165 von der Stellung Piacentiner Geiseln an den Kaiser, vgl. dazu Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 151 ; im Übrigen versicherte sich die Postadt noch im Breve consulare von 1167 der Unterstützung der anderen Verbündeten, darunter namentlich Cremonas, im Hinblick auf die Befreiung der in Pavia und Biandrate gefangen gehaltenen Geiseln, vgl. Solmi, Le leggi più antiche, S. 60 Nr. 5.

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1174/75 – zu einer regelrechten Mischherrschaft vor Ort gekommen sein. Während wir nämlich für diese Zeitspanne mehrfach von der Einhebung herrschaftlicher Abgaben in Parpanese durch Piacentiner Beauftragte hören, wurden die Ortskonsuln zumindest eine Zeit lang alternierend von der Pound der Ticinostadt erhoben. Dabei fungierte interessanterweise einer der Piacentiner (!) Zeugen, Oberto de Alda, zwischen 1172 und 1174/75 zweimal als Parpaneser Konsul namens Pavias, was entweder Ausdruck dieser »Mischherrschaft« war, oder sich aus individuellen Lebensumständen Obertos herleitet, die uns im Detail freilich unbekannt sind.87 Wie sehr die Situation von Jahr zu Jahr, Monat zu Monat oder auch in noch kürzeren Abständen schwanken konnte, darauf weist der Bericht des Piacentiner Zeugen Guido de Alda von einem Ereignis nach der Belagerung von Alessandria hin : Guidotto de Fontana, 1169 und 1173 als Konsul von Piacenza zu belegen und zum Zeitpunkt des Geschehens als Piacentiner Ortskonsul in Parpanese tätig, ließ zwei der im Ort namens Pavias tätigen Ortskonsuln, Guido und Giovanni Luna, schwören, sie mögen sich fortan nicht mehr in die Geschäfte der Ortskonsuln einmengen. Als die beiden Männer darauf nach Pavia zogen und sich darüber beklagten, dass Guidotto sie als Konsuln abgesetzt habe, konnten die Konsuln von Pavia freilich nur versuchen, Trost zu spenden, aber keine wirkliche Hilfe bieten.88 Spätestens als es während des fünften Italienzugs Friedrich Barbarossas (1174–1178) der Reichspolitik nach und nach gelang, Formen des Ausgleichs mit dem Städtebund zu entwickeln, 1177 auch mit dem Papsttum Frieden zu schließen, verbesserte sich die Ausgangslage für die grundsätzlich stets aufseiten des Herrschers stehende Ticinostadt wieder nachhaltig, und sie konnte ihre Territorialpolitik von Neuem aufnehmen, ja sogar etwas forcieren. Aus Sicht der Reichspolitik war diese Phase von einer eindrucksvollen Anwendung und geschickten Umsetzung des uralten Herrschaftsprinzips des »Divide et Impera« durch den Herrscher89 gekennzeichnet, für die »kleine 87 Unter den Zeugen des Jahres 1184 befanden sich offenkundig sowohl Mitglieder der Familie, die sich als zu Pavia gehörig fühlten, als auch solche, die sich als Piacentiner empfanden ; siehe dazu unten im Anhang ii, S. 239 ff., bei Guido, Oberto und Viviano de Alda. 88 Bollea, Nr. 54, S. 151 : … ipsi consules dixerunt ; nos non habemus modo tempus quo ualeamus uos adiuuare. set forsitan ueniet tempus. 89 Vgl. dazu in einem etwas anderen geographischen Kontext Opll, Divide et impera.

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Welt« der Bewohner von Parpanese war der Wechsel der Verhältnisse durch eine – von Rückschlägen keineswegs verschonte – abermalige Aufwertung der Paveser Herrschaft geprägt. Eine weitere Episode aus der Zeit nach dem Abschluss des Waffenstillstands zwischen dem lombardischen Städtebund und dem Kaiser in Venedig (1177) beleuchtet die Verhältnisse vor Ort in diesen Jahren : Abermals der schon mehrfach als Gewährsmann angeführte Piacentiner Zeuge Oberto de Alda berichtet nämlich, er selbst sei in einem der Jahre, als weder Pavia noch Piacenza Konsuln in Parpanese erhoben hätten, von den »Nachbarn« (vicini) zum Konsul gemacht worden. Er habe dann die Bestätigung von dem Paveser Konsul Siro Salimbene und dessen Genossen erhalten, dafür aber gegen seinen Willen einen Eid ablegen müssen. Da Siro Salimbene nach dem Waffenstillstand von Venedig 1179 als Konsul seiner Heimatstadt Pavia bezeugt ist, dürfte sich diese Episode in diesem Jahr ereignet haben.90 Für den Pfarrort Parpanese mit seiner wirtschaftlich von der Schifffahrt geprägten, durchaus bedeutenden Stellung am Po waren somit für den gesamten Zeitraum von der Entstehung der Lega Lombarda bis zu der gerichtlichen Austragung der Streitigkeiten über Umfang wie Abgrenzung der Contadi von Pavia und Piacenza herrschaftlich instabile Verhältnisse gegeben. Manchmal konnte sich die eine, dann wieder die andere Seite stärker durchbzw. in Szene setzen. Bisweilen fand man zu einer Art Kompromissregelung in Form einer Mischherrschaft, die zum einen ein jahresweise alternierendes Modell, zum anderen ganz offenkundig auch ein gleichzeitiges Agieren von Paveser wie Piacentiner Ortskonsuln kannte, dann freilich Konflikte nicht selten regelrecht auslöste. Nur in Einzelfällen dürfte es den Parpanesi möglich gewesen sein, sich im Rahmen eines Ausspielens Paveser gegen Piacentiner Ansprüche einen kleinen eigenständigen Aktionsradius zu erarbeiten, und zeitweise amtierten dann selbstständige Ortskonsuln, erhoben von ihren »Nachbarn«. Zu vielfältig waren die herrschaftlichen wie zugleich auch die individuell-persönlichen Verflechtungen zwischen Parpanese und Parpanesi 90 Bollea, Nr. 54, S. 147 : … dicit in vno predictorum annorum. quibus ciuitates non leuauerunt consules in plebe. fuit factus consul per vicinos de plebe. et quadam vice cum esset in papia. consu[l p]apie videlicet sirus salimbene … et socii illum obertum in consulatu firmauerunt ; et sacramentum consulatus contra suam voluntatem iurare fecerunt. et iohannem lunam socium suum similiter. et hoc fuit tempore post treguam factam venecie.

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auf der einen Seite, den beiden mächtigen Kommunen mit ihren Landgebieten auf der anderen, als dass es möglich gewesen wäre, hier den aus lokaler Sicht auszufüllenden Rechts- und Politikraum auch nur ein wenig stärker, ja eigenständiger, gar autonom zu gestalten. Eine Lösung der das Leben vor Ort so schwer beeinträchtigenden Streitigkeiten konnte nur entweder pro Pavia oder pro Piacenza ausgehen. Der Konflikt war freilich mit der Zeugeneinvernahme vom November 1184 keineswegs abgeschlossen, entschieden. Wenige Monate Jahre später, am 4. Februar 1185, verpflichtete sich der bei den Verhören gemeinsam mit dem Piacentiner Richter Capo als Schiedsrichter tätig gewesene Pavese Guido de Pozzo in Übereinstimmung mit seinem Piacentiner Kollegen in Portalbera südlich des Po eidlich dazu, das Urteil in dem Streit ihrer beiden Kommunen am darauf folgenden 1. Mai zu sprechen.91 Das Urteil selbst ist leider nicht überliefert. Gerade was Parpanese anlangt, war das Paveser Interesse92 an diesem Poort des Oltrepò Pavese so massiv, dass sich die Ticinostadt auf längere Sicht zu behaupten und durchzusetzen vermochte, letztlich die Inhalte des Barbarossa-Diploms aus dem August 1164 auf Dauer Wirklichkeit werden lassen konnte. Im folgenden Saeculum war Pavia dann unbestritten Herr von Parpanese, wobei der kommunale Einfluss auch über denjenigen auf die daselbst begüterte Kirche S. Maria Vetere gesichert war.93

S. Marzano im 12. Jahrhundert Als94 einziger der zwischen Pavia und Piacenza lange wie heftig umstrittenen quinque loci trägt das unweit südlich von der wichtigen Verbindungsstraße von

91 Wie oben S. 71 mit Anm. 1. 92 Einen interessanten Hinweis auf die Lage bietet eine am 16. August 1182 in Monticelli ausgestellte Urkunde, mit der bestimmte Personen dem Paveser Kloster S. Salvatore Güter in Parpanese verkauften, Bollea, Nr. 42, S. 69. Das Dokument kann zwar keinesfalls als Nachweis dafür gelten, dass Pavia damals unumstritten über die Ortsherrschaft verfügt hätte, macht aber doch deutlich, mit welcher Intensität sich Paveser Kreise hier in Szene zu setzen wussten. 93 Settia, Il distretto pavese, S. 127. 94 Zur Vorgangsweise betreffs der Belege und Nachweise in den Überlieferungen siehe schon oben S. 79 mit Anm. 15.

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Piacenza nach dem Westen unweit des heutigen Castel San Giovanni gelegene S. Marzano seinen Namen nach einem Heiligen. Unter den gar nicht so wenigen Heiligen des Namens Marzano bzw. Marciano dürfte es sich bei dem Patron der hiesigen Kirche wohl um den vom Apostelfürsten Petrus zur Verbreitung des Evangeliums bereits im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung nach Syracus abgeordneten ersten Bischof dieser sizilischen Stadt handeln, dessen Fest am 14. Juni bzw. am 30. Oktober gefeiert zu werden pflegt. Wiewohl hier der Heilige, zugleich Titelheiliger des am Ort bestehenden Gotteshauses, sogar den Ortsnamen bestimmte,95 handelte es sich beim Gotteshaus selbst nicht um den Sitz einer Pfarre. Vielmehr gehörte S. Marzano während des 12. Jahrhunderts – dies bezeugen eine ganze Reihe von Zeugen, die man 1184 in Pavia einvernahm – stets zur Pfarre in Rovescala, einem etwa 5 km südwestlich von S. Marzano gelegenen Ort. Neben dem Bestand einer Kirche wissen wir auch noch von einem weiteren Gebäude in S. Marzano, nämlich einem Konversenhaus. Diese Gebäude war Schauplatz einer von dem Piacentiner Guglielmo de Malvicino nach 1167 zur Durchsetzung der Piacentiner Herrschaft über den Ort einberufenen Versammlung der Ortsbewohner, es muss also über entsprechende Räumlichkeiten verfügt haben.96 An den Ticino nach Pavia begaben sich im November 1184 eine ganze Reihe von S. Marzanesi, um dort im Verfahren zwischen den Kommunen Pavia und Piacenza Zeugnis über die herrschaftliche Situation, die Zugehörigkeit ihres Heimatortes zur Paveser oder Piacentiner Herrschaft, abzulegen. Vier von diesen Männern, darunter ein Geistlicher, nämlich der Priester der Dorfkirche namens Guido, und drei Laien, Gandolfo Abate, Guglielmo Deambrogio und der Bogenschütze (arcarius) Lanfranco, waren als Paveser, weitere drei (oder : vier ?), nämlich Enrico Orso, Oberto Mocio und Magister Rinaldo, vielleicht auch Andrea (de) Rodde, waren als Piacentiner Zeugen gekommen. Die paritätische Wahl von Ortszeugen könnte durchaus auf das Bemühen um möglichst gerechtes Vorgehen hinweisen, doch hatte dies – das sei gleich hinzugefügt – in jedem Fall seine Grenzen.

95 Aus dem Paveser Gebiet ist auch eine zum August 1180 bezeugte Kirche S. Marzano in Mete (Provinz Pavia, wo ?) zu erwähnen, vgl. Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 214 Nr. 130. 96 Bollea, Nr. 50, S. 112.

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Untertanen beider Städte sagten unter Berufung auf das Hörensagen von alten Leuten und auch auf den Abt des Paveser Klosters S. Sepolcro aus, dass S. Marzano praktisch seit jeher – einer der Zeugen konnte sich noch an die Epoche Kaiser Lothars III. zurückerinnern – Allod des Paveser Bistums S. Siro gewesen und von diesem als Lehen an das Kloster S. Sepolcro in Pavia ausgetan worden sei. Dem Kloster hätten die Ortsbewohner jedenfalls einen jährlichen Zins in der Form von zwölf Pfund Wachs gegeben.97 Eine grundsätzliche Entscheidung zwischen Pavia und Piacenza sei schon im Rahmen eines in grauer Vorzeit abgehaltenen Duells gefällt worden, wobei der Vertreter Pavias gesiegt habe und ein bis heute, 1184, sichtbarer Grenzstein im Gebiet etwas südlich von S. Marzano noch immer an dieses Geschehen erinnere.98 Dass die Ortsherrschaft über S. Marzano in früher Zeit – Priester Guido von S. Marzano nennt hier das Jahr 1144 (»vor 40 Jahren«) – in Händen des Paveser Klosters S. Sepolcro lag, das bestätigen durchaus auch Piacentiner Zeugen. Allerdings bleiben diese99 mit ihren Zeitangaben – »vor der Herrschaft des Podestà Arnold in Piacenza«, also vor 1162 – ziemlich vage. In einer für die Verhältnisse in der Lombardei durchaus kennzeichnenden Weise dürfte sich im Lauf der Zeit – und dabei wird man insbesondere an die Epoche der 1140er- und frühen 1150er-Jahre zu denken haben, als das Reich im Spiel der politischen Kräfte praktisch nicht existierte – die Kommune Pavia als Gravitätszentrum der Herrschaftsausübung im und über den Contado gegenüber dem städtischen Heiliggrabkloster nach und nach immer stärker in Szene gesetzt haben. Jedenfalls weiß der Piacentiner Zeuge Sucio de Sigizo, der sich seiner Aussage nach noch an die Zerstörung von Tortona (1155) erinnern konnte, dass Pavia in S. Marzano Konsuln eingesetzt habe. Dies sei damals geschehen, als sein Bruder als einer dieser Ortskonsuln fungierte, und er selbst habe damals noch als kleiner Bub das Vieh gehütet.100 97 Neben der im Anhang iv (S. 254) im Wortlaut abgedruckten Zeugenaussage vgl. zum Wachszins an das Paveser Heiliggrabkloster auch Bollea, Nr. 50, S. 110. 98 Zu diesem Duell vgl. Bordone, Il tempo, 27 f., sowie Fried, ›… vor fünfzig oder mehr Jahren‹, S. 26 f., und oben, S. 56–59 mit Anm. 92. 99 Bollea, Nr. 57, S. 178 (siehe unten im Anhang iv, S. 255 f.). 100 Bollea, Nr. 57, S. 177 : … dicit quod papienses. antea leuauerunt consules in sancto marciano. quam placentini. interro[gato]. quomodo scit. R[espondit]. quia frater suus fuit factus consul per pa-

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Abb. 11 : Das heutige Langhaus von S. Lanfranco (ehemals : S. Sepolcro) zu Pavia ; Foto : F. Opll.

Über die frühen Jahre des so energischen Eingreifens Friedrich Barbarossas in die Städtewelt der Lombardei, also etwa die Zeitspanne von 1154/55 bis 1158, erfahren wir im Hinblick auf die Verhältnisse in S. Marzano nichts Genaueres. Es ist wohl weiterhin von einer klösterlichen Dominanz vor Ort auszugehen, die freilich von steigendem Einfluss vonseiten der Ticinostadt begleitet war. Es war dann auch alles andere als ein Zufall, dass sich Abt Otto von S. Sepolcro im September 1158, schon bald nach dem Erscheinen Friedrich Barbarossas in der Lombardei und noch vor dem Ende der damaligen ersten Belagerung von Mailand, an den Kaiserhof begab und dort ein Schutzprivileg erwirkte, das dezidierte Bestimmungen über den Ort S. Marzano enthält. Das Kloster (Abb. 11) wurde mit diesem Diplom von jeglichen Abgaben befreit, welche die Piacentiner und deren Ritter von Fontana von seinem rechtmäßigen Besitz S. Marzano erhoben.101

piam. et consulatum eum obtinere uidit. et tunc erat paruus et custodiebat bestias et recordatur destructionem terdone. 101 mg.df.i. 225 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 582.

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Nach der Zeugenaussage des aus dem Ort selbst stammenden Piacentiner Zeugen Oberto Mocio kam dann zur Zeit des Podestà Arnold Barbavaria (1162–1164) der Abt von S. Sepolcro gemeinsam mit Konsuln von Pavia nach S. Marzano, um den Ortsbewohnern mitzuteilen, dass sie von nun an der Stadt Pavia zu Diensten sein sollten.102 Dies war die Konsequenz aus einer vielfach nachweisbaren Entwicklung, bei der Kommunen auf dem Weg des Einwirkens auf eines ihrer Klöster die städtische Herrschaft über das Umland auszubauen verstanden. Man wird vermutlich davon ausgehen dürfen, dass die S. Marzanesi damit sehr wahrscheinlich vom Regen in die Traufe kamen.103 Zuvor hatten sie den Piacentiner Ansprüchen noch mit Unterstützung des Reiches vorübergehend einen Riegel vorschieben können, nun waren sie gezwungen, eine (abermalige ?) Ausweitung der Paveser Position zu akzeptieren. Tatsächlich soll Pavia in der Folge drei- oder viermal Konsuln in S. Marzano eingesetzt haben, und zweimal sei von Paveser Vertretern das Fodrum von den S. Marzanesi eingehoben worden. Ein anderer Piacentiner Zeuge, nämlich Folco de Porta, sagt dagegen aus, er selber habe zu ebendieser Zeit, also unter der Herrschaft des Arnold Barbavaria, im Auftrag dieses deutschen Podestà gemeinsam mit anderen das Fodrum im Piacentino, dem Territorium der Postadt, eingehoben und Gerichtsbarkeit über die quinque loci ausgeübt. Obwohl es deswegen Streit gab, habe er von allen Orten Erträge erzielen können. Wie man die Angaben des aus S. Marzano kommenden Paveser Zeugen Guglielmo Deambrogio im Hinblick auf eine zeitweise Pfandherrschaft Bischof Ugos von Piacenza (1155–1166) über diesen Ort zu verstehen hat – es heißt, der Bischof habe diesen Ort per Placenciam verpfändet und dafür von den S. Marzanesi sechs Pfund Piacentiner Münze erhalten104 –, wird nicht

102 Bollea, Nr. 57, S. 178 (vgl. auch die ähnlich lautende Aussage des Andrea de Rodde, Bollea, a.a.O., Nr. 57, S. 180 f.) : … set tempore predicti arnaldi abbas sancti sepulcri uenit in loco sancti marciani. cum consulibus papie. et habuit de hominibus loci et dixit eis non potestis stare sicut usque modo stetistis opus est ut faciatis seruicium papie. et leuauerunt ibi consules per papiam … 103 In diesem Zusammenhang drängt sich der aus den deutschen Verhältnissen der mittelalterlichen Epoche bekannte Satz »Unterm Krummstab ist’s gut leben.« geradezu auf. 104 Bollea, Nr. 53, S. 142 : … dicit quod episcopus ugocionus placencie. affidauit locum sancti marciani. per placenciam. et pro ipso fiducia audiuit quod homines sancti marciani. debebant dare ipso episcopo. sex libras placentinorum …

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völlig klar. Allerdings leiteten die Piacentiner daraus in jedem Fall Herrschaftsansprüche ab, da derselbe Zeuge berichtet, dass sie den Bewohnern seines Ortes Rinder wegnahmen, wogegen sein Vater dann allerdings erfolgreich beim Bischof von Piacenza intervenierte. Die Verhältnisse in S. Marzano müssen in der ersten Hälfte der 1160er-Jahre von einem Hin und Her, einem Auf und Ab zwischen Piacentiner und Paveser Herrschaftsansprüchen geprägt gewesen sein. Einmal – es heißt, dies sei ein oder zwei Jahre nach der Zerstörung von Mailand, somit 1163 oder 1164, gewesen – versuchte sogar der unter den Zeugen vom November 1184 befindliche Priester von S. Marzano, Guido, selbst die Herrschaft über seinen Heimatort übertragen zu bekommen. Persönlich zog Guido nach Piacenza und erwirkte dort von Bischof Ugo, dass ihm in öffentlicher Versammlung und in Gegenwart der Piacentiner Konsuln gegen die Zahlung von sieben Pfund alter Piacentiner Münze die Ortsherrschaft verpfändet wurde. Sowohl seine persönliche Involvierung in dieses Geschehen wie auch der Vergleich mit anderen Überlieferungen, welche von einer Stärkung der bischöflichen Stellung in Piacenza in diesen Jahren zu berichten wissen, sprechen für die Zuverlässigkeit dieses Berichts.105 Am 27. September 1162, gleich zu Beginn seiner Amtstätigkeit in Piacenza, hatte Arnold von Dorstadt als neuer Podestà der Postadt Bischof Ugos Rechtsansprüche im Einzelnen anerkannt.106 Wenngleich sich dabei auch kein dezidierter Hinweis auf bischöfliche Rechte in S. Marzano findet, eines ist klar : Bischof Ugos Position erfuhr unter dem Podestat des Deutschen (zunächst) prinzipielle Anerkennung. Freilich war auch das nur vorübergehend wirksam, musste Bischof Ugo, der im Schisma aufseiten Papst Alexanders III. und damit gegen den Kaiser stand, doch aus seiner Bischofsstadt weichen und starb an der Kurie im Exil.107 Gegen Ende der Amtszeit Arnolds von Dorstadt wiederum, als im Sommer 1164 nach einer ersten Formierung städtischen Widerstands im Rahmen der Lega Veronese 105 Bollea, Nr. 50, S. 111 f.: … dicit quod ipsemet presbiter iuit ad episcopum ugocionem placencie. et dixit ei ut affidaret locum sancti. marciani. et ipse dixit quod affidaret si sibi pecuniam daret. vnde presbiter ex pacto dedit ei septem libras. placentinorum. ueterum. et ipse episcopus in concione publica affidauit locum sancti marciani. et fecit consules placencie ipsum locum similiter affidare. 106 Corna – Ercole – Tallone, Registrum Magnum, S. 365 Nr. 287 ; Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. I, S. 556 Nr. 273. 107 Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 149.

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die Lage für das Reich immer schwieriger wurde, setzte der Kaiser selbst in seinem Diplom für die treue Ticinostadt vom 8. August 1164 ein Signal, indem er deren Herrschaft über den Contado – unter Einschluss der Nennungen »unserer« quinque loci, und damit eben auch von S. Marzano – die Bestätigung erteilte.108 Der eigentliche Umschwung der Verhältnisse in S. Marzano, der Wechsel von Paveser zur Piacentiner Vorherrschaft über den Ort, sollte mit dem Krisenjahr 1167 kommen. Ein Piacentiner Zeuge aus S. Marzano, Oberto Mocio, beteuert, dass die Piacentiner vor 18 Jahren in S. Marzano eine Steuer auf Zugtiere (bovateria) eingehoben hätten. Umgekehrt sagt der zwar nicht aus S. Marzano stammende, kurz vor 1167 aber dort wohnhaft gewesene Piacentiner Zeuge Lombardo Mangiavillano aus, er habe gesehen, dass die Pavesen damals drei Jahre hindurch die Ortskonsuln von S. Marzano erhoben und ebendiese bovateria eingehoben hätten. Offenbar schwankten die Verhältnisse auch hier, und man wird den Zusammenbruch der staufischen Reichsverwaltung in der Lombardei im Jahre 1167 als den chronologischen Rahmen für den Umbruch anzusehen haben. Diese tiefe Zäsur leitete gerade auch für die S. Marzanesi eine spürbare Veränderung für ihr Leben ein. Hatten 1167, ja sogar noch 1168 Paveser Konsuln Herrschaftsrechte vor Ort ausüben können, so war es in den frühen 1170er Jahren eben nicht nur der Beitritt Pavias zur Lega Lombarda (1170), sondern auch das zunehmend von Gewaltmaßnahmen begleitete Einwirken vonseiten Piacenzas, das die Zuordnung zur Paveser Herrschaft aufweichte, ja beendete. In S. Marzano war man – ebenso wie in Monticelli und Parpanese – über diese Entwicklung alles andere als erfreut, zumindest einzelne der Bewohner murrten gegenüber Maßnahmen der Piacentiner Beauftragten, ja leisteten sogar Widerstand. Dies trug sich 1172109 zu, und man berief sich darauf, der Herrschaft des Klosters S. Sepolcro zu Pavia zu unterstehen, nicht der der Kommune Pavia. Man wird diese Vorgehensweise als diplomatisch gar nicht so ungeschickten Versuch zu werten haben, in diesem schwierigen

108 mg.df.i. 455 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1393. – Hier war dann keine Rede mehr von irgendeiner Berücksichtigung der Herrschaftsansprüche des Paveser Heiliggrabklosters. 109 Das Jahr ergibt sich aus dem Hinweis darauf, dies sei geschehen, als Konsul Guglielmo de Malvicino starb (siehe dazu Bordone, Il tempo, S. 31).

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Netz divergierender Kräfte einigermaßen bestehen zu können.110 In ebendiesem Jahr 1172, so berichtet es der Paveser Zeuge Guglielmo Deambrogio aus S. Marzano, hätten die Paveser Konsuln Gualterio Mediabarba und Giacomo de Sicleriis Ortskonsuln in S. Marzano erhoben, beide Male seien diese aber vonseiten Piacenzas wieder abgesetzt worden.111 Es kennzeichnet die Situation aufs Beste, wenn Lombardo Mangiavillano, einer der Zeugen Piacentiner Zugehörigkeit, der früher selbst in S. Marzano gewohnt hatte, im November 1184 berichtet, dass die S. Marzanesi einmal sogar den geradezu verzweifelten Versuch unternommen hätten, direkt bei den Konsuln von Pavia gegen eine der Piacentiner Gewaltmaßnahmen Protest einzulegen. Vertreter von Piacenza hatten ihnen nämlich Pfänder im Wert von zehn Schilling zu je zwölf Pfennigen abgenommen. Alles, was die Vertreter des städtischen Regiments der Ticinostadt damals tun konnten, war, den zum Contado ihrer Stadt gehörenden Leuten das Folgende zu empfehlen : »Lasst sie (= die Piacentiner) dies tun, verzichtet auf die Pfänder. Es wird die Zeit kommen, da wir euch werden helfen können und jeder auf seine Rechnung kommen wird !«112 Auch nach der Belagerung von Alessandria (1174/75) – Pavia hatte infolge seines raschen Übertritts auf die Seite des Kaisers wenigstens zeitweise seine Position wieder besser zur Geltung bringen können – sollte sich die Lage der Ticinostadt im Hinblick auf die Durchsetzung ihrer Ansprüche im Grenzraum gegen den Contado von Piacenza hin nicht wirklich bessern. Gerade während der letzten fünf Jahre – so betonen die Zeugen –, also im Zeitraum 1179–1184, gab es in S. Marzano eine Art von Doppelherrschaft mit deutlichem Übergewicht der Postadt. Zufriedenstellend war dies für niemanden, weder für Pavia noch auch wirklich für Piacenza und schon gar nicht für die S. Marzanesi, die unter all dem wohl am meisten zu leiden hatten. Das mit den umfassenden Zeugenverhören vom November 1184 eingeleitete Verfahren unter Beteiligung des Reiches in Person Kanzler Gottfrieds sollte mit

110 Bollea, Nr. 55, S. 167. 111 Bollea, Nr. 53, S. 142. 112 Bollea, Nr. 57, S. 176 : … vnde consulibus papie querimoniam deposuimus. Et ipsi dixerunt sinite eos facere quia ueniet tempus quo quisque in sua racione stabit. et pignora dimit[ti]te et nolite ea excutere. quia bene uobis excuciemus.

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dem wenige Monate später, im Februar 1185,113 gefällten Rechtsspruch auch für S. Marzano und seine Einwohner die weit ins 13. Jahrhundert hinein nachweisbare Unterstellung unter Pavia, die endgültige Zugehörigkeit zum Contado der Postadt besiegeln. Der Ticinostadt sollte es damit endgültig gelingen, die städtische Herrschaft gleichsam im Wege derjenigen über das Kloster S. Sepolcro zu befestigen.114

113 Wie oben, S. 71 mit Anm. 1. 114 Settia, Il distretto pavese, S. 127.

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Zwang und Willkür Allgemeine Erkenntnisse und Einsichten zum Leben unter städtischer Herrschaft – Individuelle Schicksale

Allgemeine Erkenntnisse und Einsichten Eingekreist und dominiert von den immer wieder von roher Gewalt begleiteten Maßnahmen, welche die jeweilige Herrschaft über den Heimatort zur Geltung brachten,1 so verlief das Leben der Ortsbewohner im städtischen Umland, dem Contado. Mannigfaltig sind die Hinweise, welche die Zeugenverhöre des Jahres 1184 in dieser Hinsicht bieten, und wiewohl es praktisch unmöglich ist, regelrechte, gar vollständige Lebenszyklen von Individuen nachzuzeichnen, ebenso wie ja auch eine chronologisch abgesicherte Entwicklungsgeschichte ihrer Heimatorte nicht mit absoluter Gewissheit aufzustellen ist,2 eines steht außer jedem Zweifel : Selten sind für das hohe Mittelalter so eindrucksvolle Überlieferungen vorhanden wie in derartigen Aussagen einzelner Menschen. Selbstverständlich war jede dieser Aussagen durch eine ganz prägnante Fragestellung, nämlich die Frage, wie aus der Sicht des Einzelnen Herrschaft vor Ort erlebt wurde, wer sie ausgeübt hat und welcher Maßnahmen sich die »Herren« dabei bedient haben, geprägt und bestimmt, und dennoch : Gerade diese Fragen sind es, welche die Menschen dazu veranlassten, viele Aspekte ihres eigenen individuellen Lebens, und dies in einer zum Teil enormen zeitlichen Tiefe, darzulegen, vor den Verhörenden wie auch heutigen Forschen1 Hoch interessante Ausführungen zur Frage der Ausbildung von Herrschaftsformen im ländlichen Gebiet und deren Wandlungen vom 10. bis zum 13. Jahrhundert sind den Beiträgen in dem Band : Dilcher – Violante (Hgg.), Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsform, zu verdanken. 2 Siehe dazu die Ausführungen oben S. 71 f.

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den, zugleich vor dem an vergangenen Lebensverhältnissen interessierten Publikum auszubreiten. Und dass in diesen Quellen, der Epoche wie deren rechtlichen und sozialen Gegebenheiten absolut entsprechend, praktisch ausschließlich Männer zu uns sprechen, sei an dieser Stelle gleichfalls vermerkt. Von den Schicksalen der weiblichen Ortsbewohner wissen wir nichts. So weit zu erkennen ist, ist überhaupt nur an wenigen Stellen die Rede von Frauen, und dabei werden explizit mulieres, also Ehefrauen, genannt : Einmal heißt es im Zusammenhang mit dem in grauer Vorzeit in oder bei S. Marzano ausgetragenen Duell (Abb. 12) wegen Grenzstreitigkeiten zwischen Pavia und Piacenza, dass der Zeuge dies aus dem Munde vieler Männer und Frauen des Ortes gehört habe.3 Bei einem zweiten Beleg weist ein anderer unserer Gewährsmänner darauf hin, dass er selbst und seine Genossen wegen eines gemeinschaftlich begangenen Mordes von den Piacentinern geächtet worden seien ; man habe ihnen ihre Güter entzogen, das Heiratsgut der Ehefrauen sei aber nicht angetastet worden.4 Ein anderes Mal gibt der Piacentiner Zeuge Giovanni de Basso aus Mondonico zu Protokoll, dass er dem Giovanni Orabono, der mit seiner Frau und seinen Kindern nach Piacenza übersiedelt sei, gefolgt sei, weil die Ehefrau des Giovanni seine eigene Mutter gewesen sei. Die Frau muss also nach dem Tod des Vaters unseres Zeugen in zweiter Ehe den Giovanni Orabono geheiratet haben, Giovanni de Basso selbst damit zu dessen Stiefsohn geworden sein.5 Bereits im Verlauf der bisher dargebotenen Ausführungen wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ereignisse der »großen« Politik auch in diesem kleinräumigen, lokalen Rahmen durchaus wahrgenommen wurden.6 Wenn die Erinnerung der Zeugen immer wieder mit dem Hinweis auf solche »großen Ereignisse« regelrecht datiert zu werden pflegte, so nimmt dies in einem Gebiet, das Schauplatz so vieler derartiger Geschehnisse und reich an Dramatik war, auch nicht weiter wunder. Waren es 7 für die Zeit vor der Herrschaft Friedrich Barbarossas, also vor dem Jahr 1152, in Entsprechung zur langjährigen Absenz der Reichsgewalt aus dem regnum Italie eher Vorfälle 3 4 5 6 7

Bollea, Nr. 50, S. 111. Bollea, Nr. 47, S. 97. Bollea, Nr. 58, S. 185. Zu diesem Rahmen der »großen Politik« siehe insbesondere unten, S. 173 ff. Siehe dazu oben, S. 50 ff.

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Abb. 12 : Duellszene, Mosaik des 12. Jahrhunderts im Deambulatorio des Doms von Sant’Evasio zu Casale Monferrato ; Foto : F. Opll.

lokalen Zuschnitts, darunter insbesondere Auseinandersetzungen zwischen den Kommunen selbst, die dabei genannt wurden, so spannt sich der Bogen unter der Herrschaft des ersten Kaisers aus staufischem Hause von der Zerstörung Tortonas (1155) über die von Mailand (1158–1162), im Weiteren die »Hoch«zeit des Einflusses der Reichsgewalt auf die städtische Herrschaft in den Kommunen der Lombardei, vor allem die Jahre des Podestats des Arnold von Dorstadt in Piacenza, die tiefe Zäsur der Jahre 1167/68 mit der Entstehung der Lega Lombarda, die Rückkehr der Mailänder in ihre Stadt und den weitgehenden Zusammenbruch der staufischen Reichsverwaltung in der Lombardei bis hin zur Belagerung von Alessandria (1174/75) und dem in Venedig 1177 abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen Barbarossa und dem Städtebündnis. Geschehnisse, von denen man aus der lokal geprägten individuellen Perspektive des Oltrepò Pavese ganz unmittelbar Kenntnis haben konnte, darunter etwa direkte Kontaktaufnahmen mit dem kaiserlichen Hof in Pavia, blieben den Zeugen nicht nur fest im Gedächtnis, sie waren zugleich »Hö-

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hepunkte« im Leben des Einzelnen. Das beste Beispiel dafür bietet ohne Zweifel ein von mehreren der im November 1184 in Piacenza Einvernommenen, darunter den Mondoniceser Ortskonsuln Guido Cazo und Giovanni Certano, gebotener Bericht :8 Vertreter von Mondonico, darunter die soeben erwähnten Ortskonsuln, seien 11629 zur Abwehr von Ansprüchen des Piacentiner Podestà Arnold Barbavaria auf die Herrschaft über ihren Ort nach Pavia gezogen, um dort Hilfe und Unterstützung zu suchen. Die Vertreter der Ticinostadt erachteten es freilich als unabdingbar, in dieser Angelegenheit sofort mit dem kaiserlichen Kanzler Rücksprache zu halten – dies im Übrigen ein deutlicher Hinweis darauf, wie fest selbst die Kommune Pavia damals in das staufische Verwaltungs- und Herrschaftssystem eingebunden war. In einer zwischen dem kaiserlichen Hof und der Ticinostadt abgestimmten Vorgangsweise, aber offenkundig auch unter Bedachtnahme auf die Wünsche der Mondonicesi selbst,10 wurden die Herrschaftsrechte über Mondonico sodann an die Ortsbewohner bzw. deren örtliche Konsuln in Form einer Pfandleihe übertragen. Der Vorteil für das Reich wie die Stadt Pavia bestand darin, dass die Mondonicesi im Gegenzug 100 Scheffel Pferdefutter an den Kaiser und 40 Pfund an die Konsuln von Pavia zu entrichten hatten. Interessant ist es, dass nach der Aussage des Giovanni Certano aus Mondonico die Herren von Mondonico einen Anteil in der Höhe von zehn Pfund erhielten, was offenbar einen Reflex auf deren frühere Verfügung über die Ortsherrschaft darstellte.11 – Aus der übergeordneten Sicht des Reiches bietet die damals getroffene Regelung einen wirklich derailreichen Einblick in die Art und Weise, wie die Reichsherrschaft die Mobilität ihrer Truppen zu sichern wusste. Den größten Eindruck auf die Menschen im Contado der beiden Städte musste es freilich machen, wenn sie des Kaisers persönlich ansichtig wurden, 8 Bollea, Nr. 51, S. 124, S. 126, S. 127 und S. 129 ; Nr. 52, S. 133 und S. 134 f.; von Abgaben in Form des Pferdefutters (spelta) berichten auch Piacentiner Zeugen : Bollea, Nr. 54, S. 148 ; Nr. 55, S. 157 ; Nr. 58, S. 188 f., S. 190 f. und S. 192 f. 9 Die zeitliche Einordnung ergibt sich aus der Nennung der damaligen Paveser Konsuln, nämlich dominus Bellono de Curte, Gisliciono Salimbene und Roffredo de Burgo (Bollea, Nr. 52, S. 134 f.), die das Amt des Konsuls 1162 gemeinsam bekleideten, siehe zu ihnen unten, Anhang iii/1, S. 240 ff. 10 Wahrscheinlich kam der Vorschlag für die dann letztlich eingeschlagene Vorgangsweise von den Vertretern von Mondonico selbst. 11 Bollea, Nr. 52, S. 133. – Zu den Herren von Mondonico siehe oben, S.79 ff.

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wenn der Herrscher auf seinen zahllosen Zügen durch die Lombardei tatsächlich einmal vor Ort war. Pavia selbst war ja unter den Städten südlich der Alpen der am häufigsten von Friedrich I. aufgesuchte Ort, hier hatte er zu S. Salvatore in der westlichen Vorstadt eine in zahllosen Zeugnissen fassbare Pfalz. In Pavia hatte schon im Frühjahr 1155 eine festliche Krönung des Königs stattgefunden, hier wurde nach der Zerstörung von Mailand im Frühjahr 1162 in demonstrativer wie unter höchstem Prunk der Triumph über die Lombardenmetropole gefeiert. Auch in Piacenza lässt sich Barbarossa mehrere Male nachweisen. Dennoch ist sein Verhältnis zu dieser vielfach gegen das Reich opponierenden Stadt bis in die Zeit des letzten Italienzuges des Staufers (1184–1186), als im Gefolge des Friedens von Konstanz und der Aussöhnung mit Mailand sich die Lage komplett umgekehrt hatte, niemals wirklich als gut zu bezeichnen.12 Das Herrschaftsgebiet der Pavesen im Süden des Po, das Oltrepò Pavese, war mehrfach Station des kaiserlichen Itinerars, wobei dies im Regelfall eher für dessen westlicher gelegene Teile in Richtung auf Tortona und Alessandria zu galt. Schon 1155 bei der Belagerung und folgenden Zerstörung von Tortona dürfte der König – zum Kaiser wurde er erst am 18. Juni dieses Jahres in Rom gekrönt – hier mit seinem Heer durchgekommen sein ; höchst dramatisch gestaltete sich Barbarossas Aufenthalt in dieser Zone zwischen dem Herbst 1174 und dem April 1175, als er vergeblich versuchte, Alessandria durch eine sechsmonatige Belagerung in die Knie zu zwingen, und schließlich in Montebello einen Frieden mit der Lega Lombarda schließen musste. Der Kaiser kam aber zumindest einmal sogar in das eigentliche Umfeld unserer quinque loci, das östliche Oltrepò Pavese sowie den Westteil des Piacentiner Contado, und dieser Aufenthalt war sowohl für den Herrscher selbst wie auch für die Bewohner dieser Landstriche von höchster Dramatik. Ohne wirklich genauere Kenntnisse über den tatsächlichen Weg zu haben, den Barbarossa im September 1167 durch das Gebiet von Piacenza nach Pavia nahm, eines steht fest : Der Kaiser, der damals nach der Katastrophe vor Rom, wo eine Seuche sein Heer schwer dezimiert hatte und seine politischen Ambitionen eines Vorgehens gegen Alexander III. hatte scheitern lassen, in höchste Bedrängnis geraten war, sah sich in diesen dramatischen Tagen und Wochen gemeinsam mit seiner Gemahlin Beatrix gezwungen, die üblichen Verkehrs12 Zu den Befunden, wie sie sich aus dem kaiserlichen Itinerar ergeben, vgl. Opll, Itinerar.

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wege zu meiden. Auf äußerst mühevollen, beschwerlichen Wegen musste er trachten, den überlegenen Truppen der Städte auszuweichen, um das treue und sichere Pavia zu erreichen.13 Der kaiserliche honor14 war aufs schwerste getroffen, die Demütigung des Staufers unvorstellbar groß. In einer hochdramatischen Szene warf er im Rahmen einer städtischen Versammlung in Pavia den feindlichen Kommunen den Fehdehandschuh hin.15 Aus Sicht der Ticinostadt bot die Situation durchaus den Vorteil, die den Feinden vom Kaiser angedrohte Vergeltung mit der effizienteren Durchsetzung eigener Herrschaftsansprüche im Contado zu verbinden. In gewisser Weise schien sich Pavia gerade damals die Gelegenheit zu bieten, der kaiserlichen Privilegierung vom August 1164 nunmehr vollends Geltung zu verschaffen. Zu Ende September, am Michaelstag des Jahres 1167 (29. September),16 fiel der Kaiser persönlich mit Truppen, in denen Pavesen, Deutsche, der Markgraf von Montferrat und Söldner17 standen, zu einem Vergeltungszug in den Piacentiner18 Contado ein. Zahlreichen unserer 1184 in Pavia verhörten Zeugen, Pavesen wie auch Piacentinern, hat sich gerade dieses Geschehen fest ins Gedächtnis eingebrannt. Ihren Angaben,19 die ja auch durch Nachrichten erzählender Quellen bestätigt werden, verdanken wir detailreiche Einblicke in die damaligen Vorkommnisse. 13 14 15 16

Zu den Einzelheiten des Weges vgl. Opll, Itinerar, S. 42 ff. Vgl. dazu Görich, Ehre Friedrich Barbarossas. B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1724. Der Tag des Erzengels Michael spielte im Zusammenhang mit der Festlegung von Terminen in der Lombardei dieser Epoche eine wichtige Rolle, vgl. dazu im Breve consolare von Piacenza aus dem Jahr 1181/82, ed. Solmi, Le leggi più antiche del Comune di Piacenza, S. 71 Nr. 7 ; des Weiteren war St. Michael auch ein wichtiger Zinstermin, vgl. dazu etwa den Hinweis in einer Urkunde des Abtes Olrico von S. Pietro in Ciel d’Oro vom 11. Oktober 1184 : Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 317 Nr. 177. 17 Zu diesen Truppen vgl. Grundmann, Rotten und Brabanzonen. 18 Interesse verdient der Umstand, dass als Zielgebiet dieser militärischen Aktion durchgehend (d. h. sowohl von Paveser wie auch von Piacentiner Zeugen) von placencia (Bollea, Nr. 50, S. 118) bzw. placentinam (Bollea, Nr. 53, S. 140) gesprochen wird, und tatsächlich richteten sich die Maßnahmen ja gegen das Gebiet der sich zusehends gegen das Reich stellenden Postadt. Im Zuge dieser Kampfhandlungen nahmen dann allerdings eben durchaus auch Orte Schaden, die Pavia als zu seiner Herrschaft gehörig betrachtete (Mondonico, S. Marzano). 19 Bollea, Nr. 50, S. 118 ; Nr. 51, S. 123 f. und S. 125 f.; Nr. 52, S. 131 und S. 133 ; Nr. 53, S. 140 und S. 144 ; Nr. 55, S. 156, S. 159, S. 166, S. 167 und S. 168 ; Nr. 57, S. 175, S. 176, S. 179 und S. 182 ; Nr. 58, S. 188 f., S. 190 f. und S. 193.

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Abb. 13 : Erwähnung der Brandschatzung des Kaisers im Gebiet von Piacenza am 29. September 1167 (tempore quo imperator fecit arsalliam) durch einen der Zeugen, aus : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico, Doc. 25 (siehe unten S. 228, Anhang I, Nr. 14) ; Foto : F. Opll.

Die unter persönlicher Teilnahme des Kaisers durchgeführte Brandschatzung im Piacentiner Contado, die arsallia in Placentina (Abb. 13), wie sie in den Quellen bezeichnet wird,20 war ein Ereignis von solch einer Dramatik, dass es den Augenzeugen, aber auch denen, die nur davon gehört hatten, mehr als eineinhalb Jahrzehnte später noch immer ganz klar vor Augen stand. Dies leitete sich nicht zuletzt auch daher, dass dabei eben mehrere der quinque loci direkt betroffen wurden. Sie erlitten Zerstörung, Brandschatzung und Plünderung. Ohne wirklich entscheiden zu können, ob es sich um Streifscharen handelte, die eben die Gunst der Stunde nutzten und dabei nicht wirklich zu differenzieren wussten, ob es sich um Orte handelte, die unter Paveser oder unter Piacentiner Herrschaft standen – die Konsequenzen für die Ortsbewohner waren in jedem Fall gravierend : Man litt schwer unter diesem kaiserlichen Eingreifen. Einzelheiten – die Wegführung von Menschen, Tieren, aber auch von Glocken21 aus den Orten, Plünderung von Besitz, den man erst später mühsam wieder zurückerwerben konnte, und mehrere Häuser bzw. größere Teile der Orte, die in Brand gesteckt wurden – sind insbesondere aus Mondonico und S. Marzano überliefert. Mit Grintorto (Grognumtortum)22 wurde an diesem 29. Dezember 1167 ein eindeutig im Piacentiner Contado gelegener Ort zerstört, und vielleicht war dies dem Umstand geschuldet, dass der Kaiser auf seiner mühevollen Flucht von der ligurischen Küste über den Apennin nach Pavia wenige Wochen zuvor hier Widerstand, jedenfalls mangelnde Unterstützung hatte er20 arsallia : Bollea, Nr. 50, S. 118 ; Nr. 53, S. 144 ; Nr. 55, S. 156 ; Nr. 57, S. 175–176 ; Nr. 58, S. 193. 21 Dazu vgl. auch B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1752. 22 Gelegen südöstlich von Borgonovo Val Tidone, Provinz Piacenza ; vgl. dazu Bollea, Nr. 55, S. 156, S. 159 und S. 166–167 ; Nr. 57, S. 179 ; Nr. 58, S. 193, und auch die historographische Überlieferung, B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1742.

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fahren müssen. Ob man die durch so viele der Zeugen des Jahres 1184, und zwar sowohl solche Paveser wie auch Piacentiner Zugehörigkeit, erwähnten Schäden, die Mondonico und S. Marzano betrafen, deshalb als bloße »Kollateralschäden« bezeichnen darf, bleibt dennoch ungewiss. Wie sieht es aber über diese »großen« Ereignisse, die allesamt in Berührung zur Reichsgeschichte standen, hinaus mit den durch diese Zeugenverhöre möglich gemachten Einblicken in individuelle Lebensverhältnisse aus ? Wie war es um den tatsächlichen Alltag der Menschen im Contado bestellt ? Kann es uns gelingen, bei detaillierter Analyse solcher Überlieferungen mehr über das »Leben« in der Lombardei des 12. Jahrhunderts zu erfahren, als dies bisher möglich war ? Es gehört zu den ganz wichtigen Erkenntnissen der Forschung zur Geschichte des Alltags wie auch der historischen Forschung ganz generell, dass es im Regelfall die »besonderen« Ereignisse sind, von denen Quellen berichten, während das Alltägliche insbesondere in erzählenden Quellen im Regelfall ausgeblendet bleibt. Katastrophen, Umstürze, Kriege, große politische Veranstaltungen, wie Hof- und Reichstage, Kongresse und auch Festlichkeiten – all das erachtet die Historiographie als berichtenswert, von ihnen sind Annalen und Chroniken voll. Genau solche einschneidenden Ereignisse bestimmen ja auch sehr deutlich das Erinnerungsvermögen unserer Zeugen vom November 1184. Und wenngleich durchaus zu Recht davon zu sprechen ist, dass es sehr viel mehr das mit der Ausübung von Gewalt verbundene Geschehen war, das die Menschen bewegte und sich in ihr Gedächtnis einprägte, so finden sich doch in unseren Zeugenverhören vereinzelt auch Hinweise auf Naturkatastrophen, darunter den großen Schneefall im Winter 1178/79 oder das Hochwasser, das den Po zu Anfang der 1170er Jahre über seine Ufer hatte treten lassen.23 Das so besonders Faszinierende an den Aussagen von Zeugen in diesem großen Rechtsverfahren des Spätherbsts 1184 ist aber ohne Zweifel darin zu sehen, dass hier eben der Alltag der Menschen lebendig wird, ihre Sorgen, Bedrückungen und Belastungen, ungleich seltener ihre Freuden.24 Zeugnisse

23 Bordone, Il tempo, S. 22, der allerdings darauf aufmerksam macht, dass die historiographisch bezeugten schweren Regenfälle, die 1180/81 auf das Oltrepò Pavese fielen, von unseren Zeugen eben nicht erwähnt werden. 24 Die schönen, vielleicht sogar freudigen Aspekte des Lebens scheinen in den vorliegenden

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Abb. 14 : Darstellung eines Wagenmachers an einer der Säulen im Dom von Piacenza, 12. Jahrhundert ; Foto : F. Opll.

zu Festen und Feierlichkeiten stehen vielfach im Mittelpunkt einer an Zahl und Ausmaß kaum mehr überblickbaren Flut an Arbeiten zum Thema »Alltag«, und das hängt natürlich gleichfalls mit dem schon angesprochenen Phänomen zusammen, dass aus dem »Alltag« herausragende Ereignisse vielfach besser überliefert sind, als Informationen über diesen selbst vorliegen. Hier, bei unseren Zeugenverhören, stehen wir allerdings vor einer Überlieferung, die uns – in einer ebenso interessanten wie eigenartigen Parallele zu Erkenntnissen, wie wir sie der Archäologie25 verdanken – wirklich Aspekte des Alltäglichen erkennen lassen.26 Zeugnissen am ehesten im Zusammenhang mit Kirchgang (dazu siehe unten S. 171 f.) und Religiosität durchzuschimmern. 25 Dazu vgl. jetzt im Überblick Graham-Campbell – Valor (edd.), The Archaeology of Medieval Europe. 26 Um solch eine Rekonstruktion ging es mir auch vor Jahren in meinem Buch Opll, Leben im mittelalterlichen Wien.

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Für den Alltag von zentraler Bedeutung war nicht zuletzt dessen wirtschaftliche Grundlage. Wir haben uns also zu fragen : Wovon lebten die Menschen in den lombardischen Contado-Gebieten der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ? Wie war es um ihre Lebensgrundlagen bestellt, wie sicherten sie ihr tägliches Brot ? Ohne dass unsere Zeugen stärker ins Detail gehende Angaben über die Arbeit auf dem Felde, die Viehzucht, gar über handwerkliche Tätigkeiten (Abb. 14, S. 125) machten, so ist doch die Zahl an indirekten Hinweisen darauf, wie man den Lebensunterhalt bestritt, gar nicht so gering. Schon die vielfältigen Abgaben, die man der jeweiligen Herrschaft zu leisten hatte, sprechen hier eine deutliche Sprache : Wenn wir von Weide- und Feldabgaben hören, so weist dies auf die zentrale Bedeutung von Landwirtschaft und Viehzucht27 hin. Unter den Feldfrüchten spielte nicht nur Brotgetreide – auf dieses weist indirekt auch die Nennung von Mühlen im Contado – eine große Rolle. Im Zusammenhang mit der Nennung des bevorzugten Zufluchtsortes im Fall unruhiger Zeiten erfahren wir von zwei Männern aus Parpanese, dass sie sich zwar im Regelfall in das Gebiet von Pavia geflüchtet hätten, einmal aber in Piacenza Zuflucht suchten, weil sie dort Getreide und Gemüse eingelagert hatten.28 Futter für die Tiere, und hier insbesondere Dinkel als Pferdefutter, war nicht minder wichtig, und darauf weisen etwa die bereits erwähnten Abmachungen der Bewohner von Mondonico mit Pavia bzw. dem Reich deutlich hin.29 Für diese bis in unsere eigene Gegenwart hinein so ideal für den Weinbau geeigneten Landstriche geradezu selbstverständlich ist es, dass hier dem Weinanbau wie der Weinproduktion ein wichtiger Stellenwert zukam. Die Nennungen bestimmter Weinmaße oder auch Berichte über Transport von Wein bieten hier in den Zeugenverhören entsprechende Hinweise.30 Maßnahmen der städtischen Herrschaft, wie etwa das von den Paveser Konsuln verhängte Verbot, Ge-

27 Der Piacentiner Sucio de Sigizo aus S. Marzano berichtet – als Zeitangabe – dezidiert davon, dass er im Kindesalter das Vieh gehütet hat, Bollea, Nr. 57, S. 177. 28 Bollea, Nr. 47, S. 97 : … tempore guerre homines plebis fugiebant in terra papie. preter semel quod ipse et quidam suus patruus et rainerius notarius fugierunt placenciam. ab hoc quod incaneuauerant ibi eorum granum. et legumina. 29 Siehe dazu oben, S. 82. 30 Bollea, Nr. 47, S. 97 f. (Maße) ; Nr. 51, S. 125 und S. 128 (Weintransport).

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treide aus ihrem Contado ausführen zu lassen,31 trafen die Bewohner dieser Landstriche ebenso unmittelbar wie auch hart. Einwohner unserer fünf Orte mussten damals im Auftrag Pavias die Wasserstraßen bewachen. Dabei wurden sie mehrfach Zeugen einer Umgehung dieses Verbots durch ihre eigenen Leute, ohne eingreifen zu können bzw. auch zu wollen.32 Ein Wirtschaftszweig, der in unseren Quellen, den Aussagen vom November 1184, nicht gesondert genannt wird, den es aber aufgrund der so starken Verbindung dieser Landstriche mit den vielfältigen Fluss- und Bachläufen in jedem Fall gegeben haben muss, das ist der Fischfang. Nicht nur als die herausragende Fastenspeise, auch ganz allgemein im Rahmen der Nahrungsversorgung muss der Fischfang in den Gewässern der Zone eine wichtige Rolle gespielt haben. Aus den im Rahmen der vorliegenden Studie eingesehenen Quellen ist hier in jedem Fall auf eine Urkunde des Jahres 1159 zu verweisen, welche Piacentiner Konsuln im Auftrag von Podestà ihrer Stadt in einem Rechtsstreit zwischen dem Paveser Salvatorkloster und einem gewissen Solerio Merelli in Monticelli ausstellten. Dort wird nämlich ausdrücklich hervorgehoben, dass der Fischfang im Po (piscatio in aqua padi) zu den Herrschaftsrechten der Abtei gehörte.33 Schwierig ist es, ein auch nur annähernd zuverlässiges Bild im Hinblick auf Handwerk und Gewerbe in unseren quinque loci zu zeichnen. Ohne Zweifel wird man außerhalb der Städte in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle eher davon auszugehen haben, dass im Vordergrund das Haushandwerk stand, wie es im Kontext der bäuerlichen Wirtschaftsführung eigenständig betrieben wurde. Ob die mehrfach bezeugten Mühlen,34 die ja ein unabdingbares Element im Rahmen der Weiterverarbeitung des Getreides waren, im Rahmen eines eigenen Gewerbes betrieben wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit ausmachen. Mühlen stellten beachtliche Vermögensobjekte dar, 31 Eine durch Piacenza verhängte Getreidesperre ist im Breve consolare von 1181/82 zu fassen, vgl. dazu Solmi, Le leggi più antiche del Comune di Piacenza, S. 71 Nr. 7. 32 Vgl. dazu Bollea, Nr. 45, S. 79 und S. 80 ; Nr. 46, S. 83 ; Nr. 47, S. 100 ; Nr. 48, S. 102 und S. 103. – Der Seiler Villano beleuchtet die Situation in seiner eigenen Zeugenaussage ganz markant (Bollea, Nr. 48, S. 102) : … tempore quo blaua erat interdicta ne extraheretur de terra papie. ipse cum quibusdam aliis suis sociis custodiebat aquam per papiam. et tunc per multas vices uidit. de hominibus quinque locorum portare blauam de papia. 33 Bollea, Nr. 23, S. 33. 34 Bollea, Nr. 49, S. 108 ; Nr. 54, S. 148 f. und S. 152 ; Nr. 57, S. 175.

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die in jedem Fall eine große Rolle im Zusammenhang mit der Einforderung herrschaftlicher Abgaben spielten. Im Übrigen dürfte ein Hinweis auf Mühlen in ripa plebis de parpanese35 darauf hindeuten, dass es sich bisweilen auch um Schiffsmühlen gehandelt haben könnte. Unsere Zeugen wissen im Rahmen ihrer Aussagen mehrfach von Schiffen (Abb. 15) – so wie es aussieht, insbesondere Schiffen auf dem Po und dem Ticino – zu erzählen. Auch dabei kann nicht mit Gewissheit gesagt werden, ob dahinter die Existenz eines regelrechten Transportgewerbes zu sehen ist oder ob es sich um Transportmittel im Besitz einzelner Bauern, vielleicht auch von Ortsgemeinden bzw. von Personenverbänden handelte.36 An Festen und Feierlichkeiten dürfte das Leben in dieser Welt im Kleinen, einer Welt, die von vielfältigen Verpflichtungen gegenüber der Herrschaft wie auch den Mühen der Existenzsicherung in einer stark von Landwirtschaft und Viehzucht bestimmten Lebensumwelt geprägt war, eher arm gewesen sein. Am ehesten wird an bescheidene Freuden im Zusammenhang mit der religiös-kirchlichen Lebenssphäre zu denken sein, und dabei hat man den Hinweisen, die aus unseren Quellen betreffs der Pfarrzugehörigkeit der Einwohner dieser kleinen Orte zu eruieren sind, großes Augenmerk zu schenken.37 Zu ihrer Pfarrkirche nach Rovescala zogen die Bewohner von S. Marzano, zu der in Olubra die Leute von Mondonico.38 Anlass für den Besuch der Pfarrkirche war natürlich insbesondere die Messfeier an Sonntagen wie zu den hohen Kirchenfesten.39 Der Ortspriester von S. Marzano, Guido, der ja auch selbst als Zeuge im November 1184 fungiert, berichtet, dass er selbst zu Tauffeiern wie auch zu den gemeinschaftlichen Gebeten in die Pfarrkirche 35 Bollea, Nr. 54, S. 152. 36 Zur Nennung von Schiffen : Bollea, Nr. 48, S. 103 ; Nr. 53, S. 140 ; Nr. 54, S. 149 ; Nr. 56, S. 171. 37 Zum Folgenden siehe die Hinweise bei der Behandlung der fünf Orte, oben S. 71 ff. 38 Der Augenschein des Verfassers anlässlich eines Besuches in diesem Gebiet am 10. Juni 2009 zeigt, dass die Entfernungen zu den Pfarrorten gar nicht so gering sind. Insbesondere fällt auf, dass das näher an Olubra, dem heutigen Castel S. Giovanni, gelegene S. Marzano den weiteren Weg nach Rovescala, die von Mondonico den weiteren Weg nach Olubra nehmen mussten. 39 Zu nennen sind neben dem Oster-, dem Pfingst- und dem Weihnachtsfest vielleicht auch die Feiertage von lokal verehrten Heiligen, darunter insbesondere der des hl. Marciano (Marzano) im gleichnamigen Ort (siehe dazu oben, S. 108 f.).

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Abb. 15 : Darstellung eines Schiffs bzw. Bootes auf einem der Mosaiken des 12. Jahrhunderts im Deambulatorio des Doms von Sant’Evasio zu Casale Monferrato ; Foto : F. Opll.

nach Rovescala zog.40 Für die Mondonicesi bildete in ebendieser Hinsicht Olubra, das heutige Castel S. Giovanni, den Angelpunkt ; dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man von der zuständigen Pfarre das für die Vornahme liturgischer Handlungen unerlässliche Chrisam zu holen pflegte. Das in den Quellen als crisma bezeichnete Öl41 diente für liturgische Salbungen, insbesondere bei der Taufe. Die Spendung des Sakraments der Taufe wie auch Begräbnisse waren starke, lebensbestimmende Bande für die S. Marzanesi wie die Mondonicesi, die sie immer wieder nach Rovescala bzw. Olubra führten. Wenn einmal bezeugt ist, dass der Archipresbyter von Olubra auch nach Mondonico ad cadeuera kam,42 so könnte dies auf das Vorhandensein eines Ortsfriedhofs – wohl bei der hiesigen Kirche gelegen – hinweisen. Ob man dem Gottesdienst in der Pfarrkirche (Abb. 16, S. 131) regelmäßig

40 Bollea, Nr. 50, S. 110. 41 Bollea, Nr. 51, S. 127 ; Nr. 57, S. 176. 42 Bollea, Nr. 51, S. 127.

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beiwohnte, ist nicht bezeugt. Jedenfalls gab es in dem pfarrlich zu Rovescala gehörenden S. Marzano einen eigenen Ortspriester namens Guido, der uns schon mehrfach als Zeuge der Verhöre vom Herbst 1184 begegnet ist, und in dem zum Pfarrsprengel von Olubra zählenden Mondonico lebte gleichfalls ein namentlich allerdings nicht bekannter Ortspriester – Alternativen für den Besuch der heiligen Messe mochten somit gegeben sein. Den Zehent für S. Marzano nahm nicht die Pfarre Rovescala ein, sondern dieser stand dem lange Zeit über die Ortsherrschaft gebietenden Heiliggrabkloster in Pavia zu.43 Dagegen ging diese Abgabe für Mondonico an den Erzpriester in Olubra.44 Die Bewohner von Parpanese waren die Einzigen unter den quinque loci, die eine eigene Pfarrkirche im Ort hatten, und dieser kam eine so hohe Bedeutung zu, dass der Begriff plebs durchaus als Synonym des Ortsnamens Verwendung fand. Im Hinblick auf die Einwohner von Olmo und das im Mittelalter noch südlich des Po gelegene Monticelli sind betreffs der pfarrlichen Zugehörigkeit keine Angaben in unseren Zeugenverhören überliefert, doch scheint für beide eine Unterstellung unter die relativ nahe gelegene Pfarre Parpanese wahrscheinlich zu sein. Verpflichtungen, die gegenüber der Herrschaft bestanden, wie daraus resultierende Abgaben und Dienstleistungen, spielten im Leben unserer fünf Orte eine äußerst prägende Rolle. Sie ziehen sich nicht nur wie ein rotes Band durch sämtliche der von unseren 80 Einzelpersonen getätigten Aussagen, sie zogen sich wohl auch durch deren individuelles Leben wie ein solches rotes Band. Im Folgenden möge ein strukturierter Überblick zu den verschiedenen Formen geboten werden, wie Maßnahmen der Herrschaftsausübung in das Leben des Einzelnen hinein wirksam wurden, diesem einen Rahmen gaben, es zugleich aber auch prägten und bestimmten. Im Wesentlichen ging es dabei um45 43 Bollea, Nr. 53, S. 143 ; Nr. 57, S. 176 f. 44 Bollea, Nr. 51, S. 129. 45 Um den Anmerkungsapparat von allzu vielen Einzelbelegen zu entlasten, gleichzeitig aber auch im Sinne einer vereinfachten Zugänglichkeit der Quellen für den Leser, finden sich im Anhang iv/2 in alphabetischer Reihenfolge ausgewählte Zeugenaussagen zu den verschiedenen Fährnissen des individuellen Lebens, siehe S. 257 ff.; außerdem lassen sich die Aussagen einzelner namentlich angeführter Zeugen sehr einfach auch über Anhang ii in der Edition

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Abb. 16 : Die mittelalterliche Pfarrkirche zu Vigolo Marchese unweit von Castell’Arquato mit dem dortigen Baptisterium, 11. Jahrhundert ; Foto : F. Opll.

• den Aufbau lokaler Verwaltungsstrukturen mittels Organen, welche vor Ort die von der Herrschaft vorgegebenen Maßnahmen umsetzten, • Regelungen betreffs der Ausübung von Herrschaft sowie jurisdiktioneller Vorgangsweisen, • diverse Belastungen der Beherrschten in Form persönlicher Dienstleistungen und/oder finanzieller Verpflichtungen, • herrschaftliche Regelungen betreffs wirtschaftlicher Normen und • Vorkehrungen betreffs der persönlichen Sicherheit.

Lokale Verwaltungsstrukturen und deren Organe Gleichsam wie ein Relikt aus der Vergangenheit, zugleich aber in der Lombardei des 12. Jahrhunderts noch durchaus üblich und gängig – so mutet die von Bollea auffinden, da sämtliche Zeugen dort (S. 229 ff.) in alphabetischer Reihenfolge angeführt sind.

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in unseren Zeugenverhören vom November 1184 zumindest für den Ort Olmo noch bezeugte Funktion des gastaldio an. Bei Gastalden handelte es sich um die für die langobardische Epoche kennzeichnenden Verwalter der königlichen Güter, als deren Hauptaufgaben die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen und jurisdiktionellen Belange der curtes regiae zu nennen sind. Angesichts des Umstandes, dass die Zeugen des Jahres 1184 von Mondonico sagen, der Ort sei »einst« königlich gewesen, sie im Fall von S. Marzano betonen, der Ort sei Allod des Paveser Bistums gewesen und vom Bischof an das Kloster S. Sepolcro als Lehen ausgetan worden, und über Monticelli berichten, dass hier das Paveser Salvatorkloster die Herrschaft innegehabt hätte, wird man wohl in Summe davon ausgehen dürfen, dass es sich bei den meisten dieser Orte ursprünglich um Königsgut gehandelt hat. 46 Die Betrauung von Gastalden mit lokalen Administrativ- und Jurisdiktionsaufgaben passt daher durchaus ins Bild.47 Bei gastaldiones handelte es sich allerdings nicht nur der Bezeichnung nach um Relikte einer früheren Verfassungsentwicklung, sie gehörten zudem auch untrennbar zu einer als grundherrschaftlich geltenden Sphäre mittelalterlichen Rechtslebens. Die für das hohe Mittelalter charakteristische Bildung einer neuen Form von Organen für die Ausübung von Verwaltungsaufgaben wie Gerichtsbarkeit, von Herrschaft im lokalen Kontext also, zeigte sich im Auftreten von consules. Diese Funktionäre übten ihre Befugnisse im Namen der sie durch Wahl bestimmenden Teile der Bevölkerung eines Gemeinwesens aus, ja sie leiteten sie regelrecht von dieser Wahl her. Dieses neue Modell der Verfassung von Gemeinden erlebte seit dem frühen 12. Jahrhundert insbesondere im Rahmen der bedeutenderen Städte Italiens, der Kommunen, einen regelrechten Siegeszug. Die konsularischen Gremien selbst, der Zahl ihrer Mitglieder nach noch länger nicht völlig eindeutig definiert, repräsentierten nicht nur die wachsende Autonomie und Unabhängigkeit im Inneren, 46 Siehe dazu die Ausführungen bei der Behandlung der fünf Orte, S. 71 ff. 47 Welche Rolle der Gastalde insbesondere bei der klösterlichen Güterverwaltung noch in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts spielte, davon gibt die am 3. Mai 1178 in Pavia ausgestellte Urkunde Auskunft, mit der zwei Mönche von S. Pietro in Ciel d’Oro den Giovanni Xutus de Voghera für zehn Jahre mit dem Gastaldiat betreffs der Güter des Klosters in Voghera und in dessen Gebiet betrauten, siehe : Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 171 Nr. 104.

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im Regelfall gegenüber dem städtischen Bischof, sie vertraten diese Ideen und Herrschaftskonzeptionen auch nach außen, gegenüber dem Reich, und wurden damit vielfach zu Trägern der Opposition gegen Friedrich Barbarossa. Dennoch bleibt solch ein knapp skizziertes Bild nicht nur lückenhaft, sondern regelrecht unvollkommen, und man läuft Gefahr, geradezu den Eindruck eines Gegensatzpaares zwischen »modernem, ja demokratisch« agierendem Bürgertum hie, »restaurativem, ja autokratisch« agierendem Kaisertum dort zu erzeugen. Die Realität war zweifellos weit vielschichtiger und differenzierter, war nicht zum wenigsten eben immer wieder auch von ganz spezifischen politischen Konstellationen bedingt und bestimmt. Was unsere Zeugenverhöre sehr deutlich zeigen, das ist die Ausbreitung des neuen konsularischen Modells weit über den Rahmen der großen Kommunen hinaus auf das Land bis hinein in die Landgemeinden im Contado dieser Kommunen.48 Und tatsächlich dürfte es sich hier nicht (nur) um eine Art von Nachahmung gehandelt haben, spricht doch der Umstand des frühen Auftretens von Ortskonsuln in unseren quinque loci sehr viel eher dafür, dass es eben auch durchaus quasi-autochthone Entwicklungen außerhalb der Kommunen gab. Wie weit dabei allerdings Möglichkeiten regelrechter Wahlvorgänge seitens der Ortsbewohner selbst bestanden, ist schwer zu entscheiden. Generell dürften die Möglichkeiten der lokalen Bevölkerung – und es wird keineswegs klar, um welche sozialen Kreise derselben es dabei ging – zu »politischer« Mitwirkung, gar zu Mitsprache, doch eher eingeschränkt gewesen sein. Wenn von der Bestellung lokaler Konsuln die Rede ist, so haben daran entweder noch die traditionellen Herrschaftsinhaber, wie die Herren eines bestimmten Ortes, Anteil, oder es ist eine der beiden ihr Umland beherrschenden Kommunen Pavia bzw. Piacenza, welche die Ortskonsuln »erhebt«.49 Um dies genauer zu verdeutlichen : Aussagen betreffs der Ver-

48 Derartige Ortskonsuln sind auch aus anderen Orten des Paveser Contado bekannt, vgl. dazu etwa die Nennung lokaler Konsuln aus Coira sowie aus Fiorano, Mentirate und Torredano aus dem Jahr 1170, ed. Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, Nrr. 28 und 32 (siehe : http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/carte/spca1170-02-13 ; Status : 22.4.2009). 49 Das Leitvokabel dafür ist leuare.

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hältnisse in Mondonico50 weisen darauf hin, dass früher die hiesigen Ortsherren gemeinsam mit den »Nachbarn« die Ortskonsuln eingesetzt und weder Pavia noch Piacenza darauf Einfluss genommen hätten, doch habe sich das später grundlegend geändert. Für Monticelli weiß ein Piacentiner Zeuge zu berichten, dass seine Heimatstadt dort bereits vor 46 Jahren, also um 1138, Konsuln eingesetzt habe, und er nennt auch deren Namen, verfügt also offenbar über ein ziemlich genaues Erinnerungsvermögen.51 Aus Olmo als einzigem der fünf Orte erfahren wir von der offenbar sehr lange andauernden Wirksamkeit von Gastalden als lokale Amtsträger ; ausdrücklich heißt es, dass in Olmo erst seit wenigen Jahren Piacentiner Boten im Zusammenwirken mit den Herren von Fontana Ortskonsuln eingesetzt haben.52 Für Parpanese ist eine zeitlich leider nicht exakt einzuordnende Epoche zu fassen, da die Parpanesi ihre Ortskonsuln selbstständig erhoben, doch im Regelfall dominierte auch in diesem Pfarrort die eine oder die andere der beiden um die Vorherrschaft ringenden Kommunen Pavia und Piacenza.53 Und ein ebensolches Schwanken zwischen Jahren, da Pavia, und Jahren, da Piacenza die lokalen Konsuln regelrecht einsetzte, war auch für den letzten unserer quinque loci, für S. Marzano, typisch.54 Unser Interesse zieht ein – wie dies so oft bei den Zeugenaussagen der Fall ist – eher beiläufiger Hinweis auf sich, der auf militärische Organisationsformen der Einwohner von Parpanese weist, wie sie sonst eher aus den bedeutenden Kommunen des Landes bekannt sind. Es ist der namens Piacenzas befragte Guido de Alda, Angehöriger eines größeren Familienverbandes, der berichtet, dass einige Männer aus Parpanese über Waffen verfügten, und diese hätten unter dem Kommando eines eigenen Bannerträgers (con50 Dieser Hinweis ist Giovanni de Luzzano aus Mondonico zu verdanken, der sich 30 Jahre zurückerinnert (Bollea, Nr. 51, S. 122 f.; vgl. zu diesem Ort auch Nr. 58, S. 187 und S. 188). 51 Bollea, Nr. 55, S. 157 f. 52 Bollea, Nr. 53, S. 138. 53 Von exemplarischer Bedeutung ist für Parpanese die Aussage des Piacentiner Zeugen Oberto de Alda (Bollea, Nr. 54, S. 145 ff.) 54 Für unsere Kenntnis der Verhältnisse in S. Marzano sind insbesondere die Aussagen des örtlichen Priesters Guido wie des Guglielmo de Ambrogio von Paveser Seite, von Piacentiner Seite die des Folco de Porta, des Folco Ardizzone, des Enrico Orso, des Lombardo Mangiavillano, des Sucio de Sigizo und des Oberto Mocio (zu all diesen Personen siehe die Hinweise unten, Anhang ii, S. 229 ff.) von Bedeutung.

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fanonerius) gemeinsam mit den Pavesen an einem Feldzug teilgenommen.55 Das Führen einer eigenen Fahne gehörte aber zu den Merkmalen jeglicher kommunalen Verfassungsentwicklung, die gerade für deren frühe Phasen als echtes Leitfossil gelten dürfen.56 Paveser wie Piacentiner Konsuln repräsentierten – je nach Lage der Dinge – aus der Sicht der Bewohner dieser fünf Landgemeinden die Ortsherrschaft, deren Anordnungen man sich zu fügen hatte. Mondonicesi, Monticellesi, Olmesi, Parpanesi wie S. Marzanesi waren auf sich allein gestellt praktisch niemals in der Lage, sich mit Erfolg gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Es mangelte ihnen in jedem Fall an effizienten Bündnispartnern : Die traditionellen Ortsherrschaften, seien es solche geistlicher Prägung (Bischöfe oder Klöster) oder solche weltlichen Zuschnitts (lokale Herren), waren im Laufe des 12. Jahrhunderts nach und nach völlig in die Abhängigkeit der Kommunen geraten. Diese beiden, Pavia und Piacenza also, gegeneinander auszuspielen, dafür reichte wiederum das viel zu bescheidene Machtpotenzial in den kleinen Contado-Orten keineswegs aus.57 Sie waren und blieben Spielball in der Hand der über die tatsächliche Macht verfügenden Kräfte. In ganz spezieller Form galt dies für die Ortskonsuln der quinque loci, an deren Nominierung die Einwohner selbst nur vorübergehend mitzuwirken vermochten und die immer mehr zu seitens der Po- wie der Ticinostadt mit der Ausübung der kommunalen Herrschaft im Contado betrauten Amtsträgern wurden. Sie vertraten trotz ihrer Bezeichnung mit dem für die kommunale Entwicklung der Epoche als regelrechtes konstitutionelles Leitfossil geltenden Begriff consules im Regelfall viel mehr die Ansprüche der großen Kommunen, als dass sie für die Interessen ihres lokalen Wirkungsbereichs hätten tätig werden können. Unmittelbar mit den quasihoheitlichen Aufgaben dieser Ortskonsuln bzw. auch früherer Formen der Ortsherrschaft verbunden waren Belastungen, die den Bewohnern der quinque loci im Zusammenhang mit Einquartierung 55 Bollea, Nr. 54, S. 153. 56 So führten die Lodesen bereits in den Städtekämpfen der Mitte der 1120er-Jahre eine Fahne mit sich, vgl. dazu Caretta, Il gonfalone, S. 51–60. 57 Im Fall des Falles gehorchte man derjenigen der beiden Kommunen, die über mehr Macht verfügte, und die Angst (timor) war allgegenwärtig, vgl. dazu Bollea, Nr. 46, S. 88 : … set timore magis consulibus placencie obediebant.

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und Verpflegung von Boten, Abgesandten und Beauftragten der Herrschaft erwuchsen. Um das Recht auf Einquartierung (albergaria) war es bereits in einem Tauschgeschäft zwischen den Markgrafen Malaspina58 und Pallavicino59 gegangen, das nach einer Zeugenaussage vor etwa 60 Jahren, damit wohl noch unter der Herrschaft Kaiser Heinrichs V., durchgeführt worden war.60 Markgraf Malaspina habe damals Anspruch auf das Beherbergungsbzw. Einquartierungsrecht in dem gesamten Gebiet bis nach Arena61 hin erhoben. Nicht mit letzter Sicherheit zu klären ist es, ob unter der albergaria ein reiner Dienst oder doch schon eine Abgabe zu verstehen ist : Die Aussage des Giovanni de Appolinare, der 1162 im Auftrag der Paveser Konsuln nach S. Marzano gezogen war, dort auf Kosten der Einwohner Quartier genommen und Ortskonsuln erhoben hatte,62 weist eher auf eine »Naturalleistung« hin. Und für die 1120er-Jahre wird man wohl in jedem Fall hier noch eine ganz bezeichnende Herrschaftsverpflichtung in Form des zu leistenden Dienstes der Beherbergung des Signore zu sehen haben. Dagegen könnte der in einem Bericht des Piacentiner Zeugen Burgundio Pocaterra erwähnte Aufenthalt seines Vaters gemeinsam mit dem Markgrafen in Monticelli ad faciendum albergarias durchaus so verstanden werden, dass dabei Abgaben eingehoben bzw. Dienstleistungen in Geld abgelöst wurden.63 Zur Beherbergung herrschaftlicher Abgesandter gehörte deren Verköstigung, und auch daraus resultierten für die Ortsbewohner Kosten. Zudem hatten diese Aufwendungen mit großer Wahrscheinlichkeit etwas schwer zu Kalkulierendes an sich, wurden sie doch offenbar häufig im Zusammenhang mit wohl nicht immer vorhersehbaren Aufenthalten derartiger Abgesandter fällig.64 Ausdrücklich 58 Zu den Malaspina siehe schon oben, S. 17 mit Anm. 12. 59 Zu den Pallavicino vgl. Chittolini, in : Lexikon des Mittelalters Bd. 6, Sp. 1862 – 1862 (s. v. »Pelavicino«). 60 Bollea, Nr. 55, S. 161. – Vgl. zu dieser Episode Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 36. 61 Das heutige Arena Po unweit östlich von Portalbera im Oltrepò Pavese, Provinz Pavia. 62 Bollea, Nr. 48, S. 102. 63 Bollea, Nr. 55, S. 166. 64 Ein gutes Beispiel dafür gibt die Aussage des Roberto de Malaraza (Bollea, Nr. 56, S. 170) : … dicit quod cum esset cum consulibus placencie. aput olubram. et non recordatur cum quibus consulibus. neque pro quo negotio illi de sancto marciano videlicet consules loci pro comuni loci dederunt duos anseres adiutorium prandio consulum qui gustauere olubre. … dicit quod modo est tercius consulatus quod fuit cum bosone pellato consule comunis placencie. in monticello. ad leuandum consules. et quiete

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Abb. 17 : Bekrönung des Portals der Klosterkirche von S. Pietro in Ciel d’Oro zu Pavia ; Foto : F. Opll.

im Kontext herrschaftlicher Eingriffe des Piacentiner Konsuls Guglielmo de Malvicino in dem Jahr, als er zu Mombello starb, somit zum Jahr 1172, ist bezeugt, dass er in allen fünf Orten vier Tage lang verweilte und die homines dieser Orte namens ihrer jeweiligen Gemeinden die Kosten für die Verpflegung – und dabei sicher nicht nur die für den Konsul allein, sondern eben auch seine Gefährten – tragen mussten.65 Und schließlich sei hier auch noch auf einen aussagekräftigen Beleg für die Inanspruchnahme des Gastungsrechtes durch das Paveser Peterskloster (Abb. 17) aufmerksam gemacht : In einer Urkunde, die Prior Goffredo von S. Pietro in Ciel d’Oro am 12. April 1173 ausstellen ließ und in der es um die Vergabe von Gütern in Mondonico ging, wurde der mit diesen Gütern investierte Rainaldo de Polo nicht nur zur Leis-

leuauit … et in sero ibi iacuerunt. et consules monticelli eos spixiauerunt. Jtem dicit quod aliquotiens iuit ad monticellum pro ambaxatis consulum placencie. et consules monticelli eum spisiauerunt. 65 Bollea, Nr. 56, S. 171 f.: Et stetit in ipsis locis circa quatuor dies ut sibi uidetur. et homines locorum pro comuni suorum locorum expensas comedendi faciebant …

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tung diverser Naturalabgaben verpflichtet, sondern hatte auch den »Herrn«, also den Abt des Klosters, gemeinsam mit zwei weiteren Personen zu bestimmten Anlässen zu beherbergen.66

Regelungen betreffs der Ausübung von Herrschaft sowie jurisdiktioneller Vorgangsweisen Die Ausübung der Gerichtsbarkeit war höchster Ausdruck von Herrschaft, kam es dabei doch nicht bloß zur Umsetzung der Zwing- und Banngewalt, sondern war damit auch ein hohes Ausmaß an sicherheitspolitischer Regelungskompetenz verbunden. Welche finanziellen Konnotationen der Ausübung von Jurisdiktion im Einzelnen zukamen, ist aus den uns vorliegenden Zeugenverhören des Jahres 1184 zwar nicht abzuleiten, dennoch dürfte es hier genügen, zum einen auf die Eintreibung von Gerichtsgebühren, zum anderen auf die von Strafen und Bußgeldern aufmerksam zu machen. In unseren Quellen werden Hinweise auf die Ausübung von Herrschaft sowie von jurisdiktionellen Befugnissen unter einer ganzen Reihe von Begriffen geboten, und allesamt bilden sie einen wichtigen Teil des politischen Rahmens, innerhalb dessen sich das Leben der »Beherrschten« zutrug : In der Aussage des Paveser Zeugen Alberico Roncio, eines Mannes, der sein Leben lang in S. Marzano zugebracht hat, heißt es, es habe eine Zeit gegeben, da hätten weder die Piacentiner noch die Pavesen in seinem Heimatort Konsuln erhoben oder ihnen irgendeine Zwangsgewalt auferlegt. 67 Sehr eindrucksvoll kommen die zur Umsetzung herrschaftlicher Befugnisse gegebenen Strukturen in einem weiteren »Paveser« Zeugnis zum Ausdruck, wenn der Olmeser Zeuge Calvo de Clauso schildert, wie die Paveser Konsuln die Gastalden in seinem Ort zur Befolgung ihrer Anordnungen verpflichtet haben ; darauf haben diese wiederum ihrerseits die Ortsbewohner dazu verhalten, ebendiesen Anordnungen der Paveser Konsuln Folge zu leisten – in beiden Fällen ist von distringere … adinplere eorum precepta die Rede.68

66 Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 89 Nr. 58. 67 Bollea, Nr. 50, S. 118 : … nec eis fecissent aliquod districtum … 68 Bollea, Nr. 53, S. 136.

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Konkret mit Leben erfüllt wurden derartige grundsätzliche Regelungen im Fall diverser Verbrechen bzw. Vergehen, deren gerichtliche Sühnung sodann in einem geregelten Verfahren den Konsuln der »großen« Kommunen in die Hand gegeben war : So wurde etwa ein Streitfall, bei dem der Paveser Zeuge Giovanni Marracio gemeinsam mit Nachbarn (vicini) gegen den Piacentiner Zeugen Oberto de Alda aus Parpanese wegen einer Bürgschaft (fideiussio) stand, vor den Paveser Konsuln in einem Ausgleichsverfahren beigelegt.69 In eine ähnliche Richtung, wie gerichtliche Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten abliefen, weist der von den Zeugen mehrfach verwendete Begriff des racionem facere.70 Aus dem Munde einiger Zeugen hören wir auch von konkreten Verbrechen und deren Sühne : Der Paveser Zeuge Viviano de Alda hatte sich gemeinsam mit Verwandten der Ermordung eines gewissen Mormanno schuldig gemacht, worauf sie von den Piacentinern gebannt und ihnen alle Besitzungen mit Ausnahme der Mitgift ihrer Frauen entzogen worden waren.71 Höchst aufschlussreich sind die Angaben des Piacentiner Zeugen Giacomo currerio, der im Auftrag der Konsuln von Piacenza einem Bauern von Monticelli wegen eines von diesem verübten Mordes zwei Ochsen wegnahm. Nach einigem Hin und Her, wobei offensichtlich an die Piacentiner Konsuln ein Blutgeld in der Höhe von vier Pfund bezahlt und auch noch weitere Güter des Mörders beschlagnahmt worden waren, konnte der Fall schließlich friedlich beigelegt werden.72 Dem Bericht des 1184 bereits hoch betagten Paveser Zeugen Lanfranco Arcario aus S. Marzano über die Tötung eines Mannes durch Berclerio und dessen Bruder Oberto ist schließlich zu entnehmen, dass das Sühnegeld in diesem Fall zum Teil an »Herrn« Guglielmo de Malvicino, den wohl bekannten Piacentiner Konsul der Jahre 1160 und 1172, zum Teil an die Söhne des Opfers ging.73 Ein weiterer Mord in Monticelli wurde gleichfalls in der Form gesühnt, dass 69 Bollea, Nr. 47, S. 93 : … placitaverunt cum ipso Uberto sub consulibus Papie … 70 Bollea, Nr. 47, S. 97 : Der Paveser Zeuge Viviano de Alda musste sich seiner eigenen Aussage nach einmal vor den Piacentiner Konsuln wegen eines nicht näher beschriebenen Rechtsfalls gegenüber dem Piacentiner Giovanni Bigolo verantworten. 71 Bollea, Nr. 47, S. 97. – In der Aussage des Paveser Zeugen Pietro Cheno ist von einem homicidium Uberti de Alda die Rede, was wohl darauf hinweist, dass Oberto gleichfalls an dem von Viviano begangenen Tötungsdelikt beteiligt war (Bollea, Nr. 45, S. 95). 72 Bollea, Nr. 56, S. 173 : … saxiuerunt res illius qui homicidium fecerat … 73 Bollea, Nr. 53, S. 144.

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die Piacentiner Konsuln Ochsen und Vieh beschlagnahmten, was dann gegen Bezahlung von 50 solidi wieder ausgelöst wurde.74 Bei der Ahndung von Diebstählen – dies die zweite konkrete Form gerichtlich zu sühnender Missetaten, die in unseren Zeugenverhören erwähnt wird – dürfte es durchaus vorgekommen sein, dies im Rahmen eines Duells, damit dem Prinzip eines Gottesurteils folgend, durchzuführen. Lanfranco Arcario aus S. Marzano weiß von solch einem Geschehen, bei dem die beiden Gegner das Duell vor den Konsuln von Piacenza ausfochten. Und man wird auch kaum fehlgehen, dass sich der mit den konkreten Namen der Kontrahenten versehene Bericht eines Piacentiner Zeugen aus S. Marzano, nämlich des Oberto Mocio, über ein Duell, das wegen des Vorwurfs des Diebstahls in Piacenza vor den dortigen Konsuln zur Austragung gelangte und dem Oberto persönlich beiwohnte, auf ganz genau denselben Fall bezieht.75

Belastungen der Beherrschten in Form persönlicher Dienstleistungen und/oder finanzieller Verpflichtungen Wir wenden uns nun im Folgenden den Erscheinungsformen von Herrschaft zu, die ebenso unmittelbare wie direkte, ebenso als belastend wie zugleich wohl als lästig empfundene Auswirkungen auf das Leben der Menschen in den Landgebieten der Kommunen Pavia und Piacenza hatten. Und auch hier gelten von Neuem Beobachtungen, die schon zuvor gemacht werden konnten und die sich insbesondere auf die möglichen Varianten von Forderungen der Herrschaft beziehen, entweder als Dienstleistung, Natural- oder eben Geldabgabe.76 Hervorzuheben ist in jedem Fall die große Bedeutung, welche der Einhebung von Getreideabgaben in ganz Norditalien schon seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts zukam, und dies sollte durch das demografische Wachstum der Städte im 12. und 13. Jahrhundert noch weiter ver74 Bollea, Nr. 55, S. 161. 75 Bollea, Nr. 53, S. 144, und Nr. 57, S. 179. 76 Die verschiedenen Formen herrschaftlicher Verpflichtungen dürften zum Teil wohl auch gleichzeitig nebeneinander bestanden haben. Im Regelfall wird man dabei aber mit einer Entwicklung zu rechnen haben, die von der Naturalabgabe in älterer Zeit zu der Geldleistung verlief.

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stärkt werden.77 Von dieser ganz spezifischen Form einer Getreideabgabe an die Kommunen (blava) waren auch die Einwohner des von uns behandelten Gebietes zwischen Pavia und Piacenza betroffen. So weiß etwa der Paveser Zeuge Ambrogio, Sohn des Uberto Rosso, aus Olmo zu berichten, dass ihm zu der Zeit, als der Kaiser die Belagerung von Alessandria einleitete (Herbst 1174), von den Piacentinern ein Schiff mit blaua entwendet wurde, die er selbst mit anderen nach Pavia transportieren wollte.78 Große Bedeutung in diesen vielfach von Unsicherheit und Not, von echter Gefahr für das eigene Leben des Einzelnen bestimmten Zeiten wie Gebieten kam jeglichen Formen von militärischen Verpflichtungen zu.79 Solche fanden in den Aussagen der 1184 verhörten Zeugen vielfach Niederschlag, und ihnen soll daher entsprechendes Augenmerk geschenkt werden : Solche Verpflichtungen umfassten die Mithilfe bei der Anlage, dem Ausbau oder der Reparatur von Festungsanlagen, in Sonderheit von städtischen Befestigungen, eine Mithilfe, die entweder in Form persönlicher Arbeitsleistung erbracht oder auch in Form zweckgebundener finanzieller Beiträge geleistet werden konnte. In den in unseren Quellen behandelten Landstrichen zwischen Pavia und Piacenza stand – zumindest vom Grundsatz her – noch bis in die »Gegenwart« des Jahres 1184 hinein die tätige Mithilfe in Form persönlicher Arbeit im Vordergrund. Freilich war dies den Bewohnern der quinque loci zusehends lästig und unangenehm, und eine Ablöse in Form finanzieller Beiträge wurde eindeutig vorgezogen. Derartige Befestigungsarbeiten konnten von den jeweiligen Ortsbewohnern auch an Anlagen des eigenen Ortes geleistet werden, oder man arbeitete eben an auswärtigen Festungen, insbesondere an deren Gräben. Erfahren wir von Arbeiten an Festungsanlagen innerhalb eines unserer fünf Orte, so konnten diese sowohl im Eigeninteresse als auch im Auftrag einer der beiden Kommunen, Pavias oder Piacenzas also, ausgeführt werden. In früheren Zei77 Vgl. dazu Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 38. 78 Bollea, Nr. 53, S. 140 f. – Auf diese Naturalabgabe weist auch die Aussage eines Zeugen über die Verhältnisse im Seprio aus der Zeit um 1170 hin ; dort heißt es, dass nach der (ersten) Zerstörung von Lodi (1111) Mailänder Boten hier »Getreide eingesammelt« (colligere blavam) hätten, vgl. dazu Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 42 f. 79 Belege dazu werden in Auswahl unten im Anhang iv/2 unter den Abschnitten »Befestigungsarbeiten« sowie »Militärische Dienstleistungen« (unten S. 263 f.) geboten.

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ten waren derartige Dienstleistungen ganz offenkundig durchaus auch vonseiten lokaler Ortsherren eingefordert worden, wie wir dies etwa aus Mondonico erfahren. Dass sich die Einwohner mehrerer unserer quinque loci an Befestigungsarbeiten an einer Burg innerhalb eines anderen dieser Orte zu beteiligen hatten, ist ebenfalls nachweisbar : Leute aus Parpanese, darunter der Paveser Zeuge Giovanni Marracio, arbeiteten um das Jahr 1160 im Auftrag der Konsuln von Pavia gemeinsam mit Leuten aus Olmo selbst, darüber hinaus aber auch aus Monticelli und vielleicht sogar aus S. Marzano, an den Gräben der Burg des Enrico Cane zu Olmo mit, eine Aussage, die auch durch einen weiteren Paveser Zeugen, Viviano de Alda, bestätigt wird.80 Und dennoch : Befestigungsarbeiten an Anlagen in den Orten selbst mochten aus der Sicht der jeweiligen Bewohner noch am ehesten als Beitrag zum eigenen Schutz empfunden und verstanden werden, wenngleich sie natürlich ebenfalls Belastungen darstellten. Ungleich unangenehmer waren solche Arbeiten dann, wenn sie außerhalb der eigenen Heimatgemeinde erbracht werden mussten, wenn es um den Ausbau der Festungsanlagen in anderen Orten des Contado oder gar die Mitarbeit an den städtischen Befestigungen von Pavia oder Piacenza ging. Leuten von Mondonico wurde – nach der Aussage des aus Mondonico stammenden Paveser Zeugen Uberto Mangiavillano – zur Zeit des Piacentiner Podestats des Arnold Barbavaria (1162–1164) anbefohlen, an den Befestigungsgräben von Zenevredo, einem Ort im Paveser Contado unweit von Stradella bzw. Bosnasco,81 mitzuarbeiten.82 Ein weiterer 80 Bollea, Nr. 47, S. 91 und S. 96. – Im Übrigen besaß ein weiteres Mitglied der Familie Cane namens Manzone Cane in Miradolo Terme (Die Regalien zu Miradolo übertrug Friedrich Barbarossa am 8. August 1164 an die Kommune Pavia, siehe : mg.df.i. 455.) eine von Gräben geschützte Festung, an deren Ausbau im Auftrag der Paveser Konsuln Leute von Monticelli arbeiten mussten (Bollea, Nr. 46, S. 87). 81 Zenevredo gehörte zu den Besitzungen des Klosters S. Pietro in Ciel d’Oro zu Pavia, welche sich diese Abtei auf der Grundlage einer auf den Namen Kaiser Heinrichs V. aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts angefertigten Fälschung von Kaiser Friedrich I. am 11. Februar 1159 in Pavia bestätigen ließ (mg.df.i. 258). Fünf Jahre später, im August 1164, bestätigte ebendieser Herrscher sodann alle Regalien an diesem Ort der Kommune Pavia, vgl. mg.df. i. 455 von 1164 August 8. – Von Besitzungen des Klosters S. Maria Teodota zu Pavia in Zenevredo erfahren wir aus einem Güterverzeichnis dieser Abtei vom Februar 1174, Barbieri, Documenti inediti, S. 70 Nr. 8, sowie mit Hinweis auf weiterführende Literatur Ders., Fonti documentarie, S. 60 Anm. 72. 82 Bollea, Nr. 51, S. 125.

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Mondonicese, Tedaldo Basso, der 1184 gleichfalls von der Kommune Pavia als Zeuge nominiert wurde, weiß von dieser Episode vom Hörensagen, fügt aber hinzu, dass Podestà Arnold die Leute von Mondonico auf Bitten des Detesalva de Monaca83 nach Zenevredo geschickt habe.84 17 bzw. 14 Jahre lag es 1184 zurück, dass Leute aus Parpanese im Auftrag Pavias am Befestigungsgraben zu Gambalò gearbeitet hatten.85 Arbeitseinsätze dieser Art gab es für die Bewohner unserer fünf Orte aber nicht nur im Hinblick auf Festungsanlagen vor Ort oder im Contado. Große Bedeutung kam der Mitwirkung am Ausbau bzw. der Reparatur der städtischen Befestigungen von Pavia und Piacenza selbst zu, wobei im Vordergrund der Nachweise solche für den Einsatz in der Postadt stehen.86 Häufig87 waren es die Bewohner von S. Marzano, die von den Piacentinern zu Arbeiten an den Befestigungsgräben der Postadt herangezogen wurden, aber auch die anderen Orte bzw. deren Bewohner mussten hier mitarbeiten. Schon unter dem Konsulat, das zur Zeit der Zerstörung von Crema im Amt war, somit im Jahre 1160, waren Bewohner von Monticelli an Arbeiten in einem bestimmten Abschnitt der Piacentiner Stadtgräben beteiligt.88 Und genau an diesen »alten Gräben«, den fossata vetera Placencie, die später eingeebnet wurden,89 hatten auch S. Marzanesi mitgewirkt, wobei sie dies – zumindest teilweise – in der Form von Geldleistungen taten. Oberto Mocio aus S. Marzano, dem wir Nachrichten dazu verdanken, hatte selbst seinen Anteil an den Zahlungen entrichtet, und er bietet auch den Hinweis, sie seien dazu von den Piacentiner 83 Zeuge in mg.df.i. 735 aus dem Jahr 1178 ; offenbar ein Verwandter des Paveser Konsuls Bernardo de la Monaca, zu ihm siehe unten, Anhang iii, S. 241. 84 Bollea, Nr. 51, S. 128. 85 Siehe dazu die Aussagen des Giovanni Marracio, der von 17 Jahren, wie des Viviano de Alda, der von 14 Jahren spricht, Bollea, Nr. 47, S. 91 und S. 96. 86 Die Mitarbeit an den fossata Papie wird nur einmal, durch den Paveser Zeugen Viviano de Alda, erwähnt, und dabei handelte es sich wohl um einen Dienst, der im Zusammenhang mit dem Zufluchtsrecht der Parpanesi in Pavia stand ; in jedem Fall spricht Viviano davon, dass er und seine Nachbarn, die nach Pavia geflohen und dann an den Gräben gearbeitet hatten, von Alberto Granarolo, dem damaligen massarius der Paveser Konsuln, dafür bezahlt wurden, Bollea, Nr. 47, S. 96. 87 Dieser Befund ergibt sich aus den zahlreichen Hinweisen in den Zeugenaussagen, was freilich auch trügen könnte. 88 Bollea, Nr. 55, S. 162. 89 Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 145.

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Konsuln mit Gewalt gezwungen worden. Ob solche Zahlungen fallweise oder sogar regelmäßig eingefordert wurden, ist schwer zu sagen. Bemerkenswert ist die Aussage des Piacentiner Zeugen Guido de Vurzano, der jedenfalls 1172 als mit Herrschaftsaufgaben namens Piacenzas Beauftragter in mehreren der fünf Orte fungierte : Er betont, dass nach dem Tod des Piacentiner Konsuls Guglielmo de Malvicino (13. Juli 1172) noch ausständige Geldbeträge für die den Bewohnern von Monticelli, Parpanese, Olmo und S. Marzano zugewiesenen Abschnitte an den Piacentiner Gräben einzutreiben waren.90 Die gar nicht seltenen Hinweise darauf, dass man die Leute zu derartigen Befestigungsarbeiten nur durch Androhung (oder Anwendung ?) von Gewalt verhalten konnte,91 machen deutlich, dass man solche Arbeiten offenbar nicht nur deswegen scheute, weil man sich einer der beiden Kommunen gegenüber nicht dazu verpflichtet fühlte. Solche Arbeiten waren – gleich wer sie einforderte – ganz generell äußerst schwer und belastend. Bezeichnend dafür ist etwa eine durch den Paveser Zeugen Viviano de Alda überlieferte Episode : Ein Piacentiner Bote hatte den Bewohnern von Parpanese anbefohlen, sich zu den Stadtgräben von Piacenza zu begeben, wo ihnen ein bestimmter Abschnitt zugewiesen wurde. Obwohl ihnen die Paveser Konsuln verboten hätten, diesem Befehl nachzukommen, hätten sie dies wohl doch getan, wenn nicht ein Wassereinbruch in den Graben sie an den Arbeiten gehindert hätte. Man habe daraufhin den Konsuln von Piacenza 20 solidi an Ablöse übergeben, doch habe Konsul Gotemtesta angeordnet, dass sie zuvor wenigstens zwei Ladungen Erde in den Graben schütten sollten.92 Insbesondere während der letzten fünf bis vier Jahre vor den großen Zeugenverhören im November 1184 übte die Postadt großen Zwang auf die Bewohner von S. Marzano aus, beim Ausbau der städtischen Befestigungen mitzuwirken. Mit Gewalt wurden die S. Marzanesi nach der Aussage ihres Ortspriesters Guido zu den Stadtgräben nach Piacenza geholt, und die dortigen Konsuln wiesen ihnen einen gegenüber früheren Zeiten um 50% größeren Abschnitt am Graben zu. Die Bauern (villani) des Ortes konnten sich von

90 Bollea, Nr. 55, S. 161. 91 Bollea, Nr. 53, S. 144 : contra eorum uoluntatem ; Bollea, Nr. 48, S. 102, sowie Nr. 57, S. 174 und S. 178 : per uim. 92 Bollea, Nr. 47, S. 97.

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der persönlichen Arbeitsleistung zwar freikaufen, die dafür zu entrichtende Summe war freilich deutlich höher, als dies zuvor der Fall gewesen war. 93 Erst im Jahr vor den Zeugenverhören, also 1183, hatten nach Aussage des aus S. Marzano stammenden Paveser Zeugen Alberico Roncio abermals Leute aus dem Ort ad fossata Placencie ziehen müssen, und das hatten sie nur aus Angst vor den Herren von Fontana und den Piacentinern getan, nicht aus Verbundenheit.94 Sie waren nämlich der Überzeugung, dass sie nicht dazu verpflichtet waren, dies für Piacenza tun zu müssen. Die Mitwirkung an Befestigungsarbeiten zählte somit in mannigfacher Hinsicht zu den militärischen Verpflichtungen der Bewohner des Contado. Sehr viel prägnanter kommt der militärische Charakter von Pflichten gegenüber der Herrschaft jedoch im Rahmen der Beteiligung von Leuten aus unseren quinque loci an der Zerstörung und Einebnung der Gräben der Lombardenmetropole Mailand im Rahmen ihrer endgültigen Niederlage gegen das Reich95 (1162) zum Ausdruck.96 Dieser Triumph über Mailand97 war ja zugleich ein Sieg, den die aufseiten des Kaisers stehenden Städte, darunter insbesondere Pavia, auf ihre Fahnen heften konnten. In der Aussage des Paveser Zeugen Giovanni Marracio zeigt sich dies deutlich, da er die Beteiligung der Parpanesi an der Zerstörung der Mailänder Stadtgräben nicht nur als Ausfluss eines Beschlusses des Ortsverbandes, sondern auch in Zusammenhang mit einem ausdrücklichen Befehl der Paveser Konsuln sieht. Er selbst, Giovanni, habe den Paveser Boten, der damals nach Parpanese gekommen sei, gesehen, und er habe seinen Anteil an den Arbeiten durch eine entsprechende Zahlung geleistet.98

93 Bollea, Nr. 50, S. 113 : … dicit quod ipsi villani dederunt massario fossatorum pro faciendis ipsis tribus pedibus fossati tres libras placentinorum. – Zuvor hatten sie für zwei pedes nur 20 solidi bezahlt, die finanzielle Ablöse war also noch weit stärker angehoben worden. 94 Bollea, Nr. 50, S. 120 f.: … timore dominorum de Fontana et Placentinorum et non amore … 95 Zu den Einzelheiten der Kämpfe gegen Mailand von 1158 bis 1162 vgl. jetzt Berwinkel, Verwüsten und Belagern. 96 Vgl. etwa Bollea, Nr. 47, S. 91, S. 94 und S. 96 (Leute von Parpanese) ; Nr. 48, S. 103 f. (Leute von Monticelli). 97 Das Hochgefühl spiegelte sich nicht zuletzt in einer ganzen Reihe von Bezugnahmen auf dieses Geschehen in der Datierung diverser Urkunden ; zu diesem Phänomen vgl. Jarnut, Barbarossa und Italien, S. 259. 98 Bollea, Nr. 47, S. 91.

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Höchster Ausdruck der für die »Untertanen« bestehenden militärischen Verpflichtungen gegenüber der Herrschaft war die direkte Beteiligung an regelrechten Kampfhandlungen in Form der Stellung von Mitkämpfenden (Abb. 18). Nachzuweisen ist dies bereits für die Epoche vor dem Herrschaftsantritt Kaiser Friedrich Barbarossas, als Einwohner unserer Orte in den Städtekämpfen der Epoche vor allem auf der Seite der Postadt standen – bzw. stehen mussten. So bezeugt der 1184 offenkundig schon hochbetagte Piacentiner Zeuge Lanfranco Cantarello, dass vor 47 Jahren, somit 1137, die Bewohner von Monticelli, wo Piacenza um diese Zeit auch schon Ortskonsuln einsetzte, aber auch die von Parpanese im Piacentiner Heer gegen Parma zogen. Bei diesem Feldzug sei der Piacentiner Konsul Bigurra Cane gefallen.99 Der zeitlich am weitesten zurückliegende Kriegszug der Kommune Piacenza war der von Nuceto, der nach Aussage des Zeugen vor mehr als 45 Jahren stattfand, nach der historiographischen Überlieferung sich 1131 zutrug.100 Wie dieser Kriegsdienst im Einzelnen aussah, ergibt sich aus mehreren Aussagen der Zeugen, die die Stellung von Transportmitteln sowie insbesondere von Pferden unterstreichen. Und wenn der Piacentiner Zeuge Guido de Monte, der sich noch an Ereignisse von vor 50 Jahren zurückerinnerte, angibt, er habe mit eigenen Augen gesehen, wie dereinst ein Piacentiner Konsul mehreren namentlich genannten Hofleuten (curtesii) von Monticelli befohlen habe, Pferde für den Kampf gegen Parma zu stellen, und zugleich hinzufügt, dass von diesen Hofleuten beinahe alle über Hausbesitz in Piacenza verfügt hätten, so bietet dies gleichfalls einen äußerst lebensnahen Einblick in die Lebensverhältnisse im Contado dieser Epoche.101 Die Wiederaufnahme einer aktiven Italienpolitik vonseiten des Reiches ab dem Regierungsantritt Friedrich Barbarossas ließ eine andere, zugleich viel weitere Dimension an militärischen Verpflichtungen für die Bewohner unserer Orte entstehen. Das am Po gelegene Piacenza beteiligte sich nur temporär am staufischen Vorgehen gegen Mailand, wobei dies im Besonderen 99 Bollea, Nr. 55, S. 157 f. – Dass man sich dabei gerade an den Tod des Konsuls Bigurra Cane erinnerte, ist ein Phänomen, das in unseren Quellen auch im Zusammenhang mit dem Tod des Guglielmo de Malvicino in der Schlacht zu Mombello im Monferrato am 13. Juli 1172 bezeugt ist. 100 Bordone, Il tempo, S. 27. 101 Bollea, Nr. 55, S. 159.

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Abb. 18 : Kampfszene, Mosaik des 12. Jahrhunderts im Deambulatorio des Doms von Sant’Evasio zu Casale Monferrato ; Foto : F. Opll.

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für die Phase der ersten Konfrontation Barbarossas mit der Lombardenmetropole im Jahre 1158 gilt. Guglielmo de Malaparte, einer der Piacentiner Zeugen des Jahres 1184, der mehrfach als Konsul seiner Stadt amtiert hatte, hatte seiner eigenen Aussage nach vor 25 oder 26 Jahren, als er als Konsul der Kommune für das Gebiet jenseits der Trebbia fungierte, im Auftrag der Piacentiner Konsuln Bogenschützen als bezahlte Söldner rekrutiert, die im Dienst des Kaisers gegen Mailand kämpfen sollten. Einen Teil des Solds hatten die Bewohner von vier der fünf Orte, nämlich von Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano, aufzubringen.102 Ganz anders sah dies für die am Ticino gelegene, ehrwürdige Krönungsstadt Pavia aus, die sich – nicht zuletzt ihrer beständigen, traditionellen Gegnerschaft zu den Kommunen Piacenza und Mailand wegen – von allem Anfang an auf die Seite des Staufers gestellt hatte. Mit eigenen Paveser Truppen, und dabei insbesondere unter Inanspruchnahme der militärischen Verpflichtungen der Bewohner des Paveser Contado, wurde das Vorgehen des Herrschers gegen Mailand unterstützt. Dabei gewinnen wir im Zusammenhang mit der Stellung von Truppen aus unseren quinque loci zum Teil überaus detaillierte Einblicke in die Organisation dieser Militäreinsätze : So weiß der Paveser Zeuge Magister Ardizzone als Augenzeuge davon zu berichten, dass die im Auftrag Pavias aus Monticelli und Parpanese rekrutierten Männer dem Kommando von Ortskonsuln ihrer Orte unterstellt waren.103 Mehrfach erwähnt wird die Stellung von Bogenschützen (arcatores), die sich im Paveser Auftrag an den Kämpfen gegen Mailand beteiligten. Transportmittel stellten – wie schon vor der Ära Barbarossas – die Leute von S. Marzano im Kampf gegen Mailand.104 Gleichfalls stark mit persönlichen Dienstleistungen bzw. Arbeitsverpflichtungen verbunden war eine weitere Pflicht, die den Bewohnern der fünf Orte

102 Bollea, Nr. 55, S. 163 ; Nr. 54, S. 146 (Parpanesi zahlen 10 solidi für die Stellung von Bogenschützen). 103 Bollea, Nr. 46, S. 87 : … iurato testatur quod uidit homines monticelli. et plebis. ad destructionem mediolani. per consules papie. et etiam quod Janacius de monticello. qui tunc erat consul monticelli. preerat illis de monticello. et rainerius notarius. et otto ruffinus qui tunc erant consules plebis. preerant illis de plebe in ipso [oste et ips]emet ardicionus ibi interfuit. et uidit. 104 Ausdrücklich erwähnt wird die Beteiligung an den Kämpfen cum bubus et carriolis u. a. bei Bollea, Nr. 53, S. 141.

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im Dienste der städtischen Herrschaft auferlegt war. Es ging dabei um die Heranziehung der Contado-Bewohner zu Zwecken der Freimachung einer Engstelle am Ticino, diese Arbeiten wurden somit ausschließlich im Dienste Pavias erbracht.105 So weiß etwa der tatsächlich durch beachtenswert genaue Gedächtnisleistungen unter den 1184 verhörten Zeugen hervorstechende Priester an der Ortskirche von S. Marzano, Guido, zu berichten, er habe vor etwa 14 Jahren, also 1170, einen Boten der Stadt Pavia in S. Marzano gesehen, der die Leute seines Ortes dazu verhielt, zur Engstelle des Ticino (clusa Ticini) zu ziehen und dort Laub und Gebüsch zu entfernen. Während dieses eine ganze Woche lang dauernden Arbeitseinsatzes seien die S. Marzanesi des Abends immer zum Essen und Schlafen in das Vallombrosanerkloster S. Sepolcro gezogen, das ja westlich außerhalb der Stadt unweit des Salvatorklosters mit der staufischen Pfalz lag. Auch aus Parpanese und Olmo hören wir davon, dass dort Arbeiten an der clusa Ticini eingefordert wurden.106 Der seit dem Zeitraum drei Jahre vor der Zerstörung von Mailand (1159) in Parpanese wohnhafte Girardo Mussino gibt an, dass man vor 18 Jahren zu diesen Arbeiten herangezogen worden sei, was somit auf das Jahr 1166 weist. Auch diese Verpflichtungen konnten gegebenenfalls durch Geld abgelöst werden. Militärische Verpflichtungen waren teuer, unangenehm und auch persönlich belastend. Sie wurden zwar kaum ununterbrochen von den Bewohnern des Contado eingefordert, im Falle unserer quinque loci mussten sie allerdings zum Teil über Jahre hinweg geleistet werden und stellten sich immer wieder als Notwendigkeit. Bürden, die dagegen ständig auf den Einwohnern von Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano lasteten, das waren die in mannigfaltiger Form beanspruchten Leistungen, die entweder in Form von persönlicher Arbeit oder – und das sehr viel häufiger – in Form von Geldabgaben zu erbringen waren. Nicht anders als dies im Zusammenhang mit der Bestellung lokaler Konsuln oder auch der Erfüllung militärischer Verpflichtungen zu beobachten ist, gingen die städtischen Herren, die das Stadtregiment von Pavia und Piacenza repräsentierenden Konsuln, auch dabei gar nicht selten mit Gewalt vor, erzwangen von den Bewohnern der Orte im Contado regelrecht die Befolgung diverser Verpflichtungen. 105 Dazu siehe unten Anhang iv/2 unter »Robotdienste« (S. 264 f.). 106 Bollea, Nr. 47, S. 98 ; Nr. 53, S. 136 und S. 139.

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An dieser Stelle scheint es erforderlich und auch angebracht, wenigstens in knapper Form auf die hohe Bedeutung der geradezu als revolutionär zu bezeichnenden Aus- und Weiterbildung der fiskalischen Maßnahmen während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts einzugehen. Dabei ist mit Nachdruck auf die enge Wechselwirkung zwischen der kaiserlich-staufischen Fiskalpolitik107 im regnum Italie und den gleichzeitigen, davon maßgeblich stimulierten Anstrengungen der Kommunen zum Aufbau eines organisierten Systems an Steuern und Abgaben hinzuweisen.108 Wahrscheinlich wird man aus der Sicht des Reiches zweierlei in Rechnung zu stellen haben : Zum einen verfügten schon die traditionellen Herrschaftsträger im Süden der Alpen, dabei insbesondere die Bischöfe, aber auch der Adel, über ein gegenüber den Verhältnissen im regnum Theutonicum ungleich effizienteres System von Abgabenleistungen der Untertanen, ein System, das während des 12. Jahrhunderts parallel zum Aufstieg der bürgerlichen Kräfte im Rahmen der Kommunen nicht nur neue Träger fand, sondern auch weiter ausgebaut wurde. Letzteres war nicht zuletzt deshalb eine unabdingbare Notwendigkeit, wenn die öffentlichen Leistungen der Kommune, etwa im Hinblick auf den Ausbau und die Erhaltung der Verkehrswege oder auch des Marktwesens, intensiviert werden sollten. Zum anderen konnte es aber für den aus dem deutschen Gebiet des Reiches kommenden Herrscher gar keine Frage sein, dass er im Süden der Alpen vorwiegend an Abgaben in Form von Geld Interesse zeigte. Naturalabgaben waren deswegen nicht weniger bedeutsam, ein Transfer der hier erzielten Einnahmen zu geographisch anders gelagerten Vorhaben war für diese freilich ungleich schwieriger. Das Ausmaß, welches die Zwangsmaßnahmen der Reichsgewalt in den 1160er-Jahren annahm, die Härte, mit der vorgegangen wurde, wird insbesondere in der Zusammenschau zwischen der urkundlichen Überlieferung

107 Dazu ist bis heute vor allem auf die beiden grundlegenden Werke von Brühl, Fodrum, und Haverkamp, Herrschaftsformen, hinzuweisen. 108 Wichtige Anregungen verdanke ich hier der Studie von Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 5–42, insbesondere S. 28 : »Parebbe quindi probabile che fosse la pressione della fiscalità imperiale ad accelerare l’evoluzione tecnica di una prassi già in uso, ma non ad introdurla, …«. – Etwas störend wirkt es freilich, dass Frau Mainoni mit der Nennung bestimmter Jahreszahlen (z. B. mehrfach : Zerstörung von Mailand 1161) etwas sorglos umgeht.

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aus Piacenza, welche Ferdinand Güterbock zugänglich gemacht hat,109 mit den Aussagen des anonymen Fortsetzers der von Otto und Acerbus Morena verfassten Lodeser Geschichte Friedrichs I. deutlich.110 Die Schilderung des Anyonymus setzt mit der Regelung der Herrschaftsverhältnisse in der Lombardei ein, die der Kaiser vor seiner Rückkehr nach Deutschland im September 1164 vornahm. In der Folge bietet er ein ebenso detailreiches wie eindrückliches Bild von dem Terrorregiment, das die Vertreter der Reichsgewalt in den folgenden beiden Jahren – bis zur abermaligen Rückkehr des Kaisers nach Italien im Herbst 1166 – ausübten : Erwähnt wird etwa, dass man mehr als siebenmal so hohe Abgaben eintrieb, wie man sie dem Reich zu Recht schuldig war. Dabei wurde niemand verschont, und so litten alle – Bischöfe, Markgrafen, Grafen, Städte, Konsuln, Capitanei und praktisch alle Lombarden, reich und arm (tam magnos quam parvos) – gleich. Von jeder Herdstelle mussten jährlich drei Schilling der alten bzw. der Reichsmünze (solidos veteris vel imperialis monete) entrichtet werden, wobei Edle ebenso wie Bauern zu zahlen hatten. Von jeder Mühle an schiffbaren Flüssen mussten die Mühlherren 24 alte Pfennige entrichten, die Mühlherren von Mühlen an anderen Gewässern hatten drei Schilling alter Münze zu bezahlen. Den Fischern wurde ein Drittel ihres Fangs abgenommen. Für die Lombarden war all dies nur schwer zu ertragen, waren sie doch – abermals nach der Aussage unseres Anonymus – gewohnt, »gut und reichlich und ohne die Zuchtgewalt eines anderen in ihrer Freiheit zu leben und zu verbleiben und ihre Angelegenheiten nach eigenem Gutdünken und Willen zu regeln«.111 Die im Mittelpunkt dieses Buches stehenden Zeugenaussagen belegen nun freilich, dass es umgekehrt lombardische Städte und deren konsularisches Regiment im Hinblick auf das je eigene Landgebiet, den Contado, in keiner Weise anders hielten. Mittels eines ausgefeilten Systems an höchst unterschiedlichen Herrschaftsmaßnahmen, die von fiskalischen Belastungen des Landgebiets der Kommune über die Heranziehung der Bewohner des flachen 109 Güterbock, Alla vigilia. 110 Güterbock (Hg.), Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer ; jetzt auch online verfügbar unter : http ://bsbdmgh.bsb.lrz-muenchen.de/dmgh_new/app/web ?action=loadBook&bookId=00000687. 111 Güterbock (Hg.), Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer, 178–179 ; vgl. dazu auch Laudage, Friedrich Barbarossa, 244.

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Landes zu persönlichen Dienstleistungen, insbesondere solchen militärischer Art, bis hin zu massiven Eingriffen in ohnehin nur bescheidene Formen von Selbstverwaltung reichten, übten Kommunen in vieler Hinsicht ganz ähnlich Zwang und Willkür gegenüber dem ihrer Herrschaft unterworfenen bzw. zu unterwerfenden Umland aus. Ohne hier auf jedes der vielfältigen Details eingehen zu können, die uns in den Aussagen der im November 1184 verhörten Zeugen zu den Fragen der Belastungen durch Abgaben dokumentiert sind, mögen doch die wesentlichen Formen dieser Dienste und/oder Abgaben vorgestellt und kommentiert werden.112 Am häufigsten Erwähnung in unseren Quellen findet die Leistung des fodrum, einer Abgabe, der in der frühstaufischen Epoche gerade auch aus der Sicht der Reichsgewalt höchste Bedeutung beigemessen wurde. Ursprünglich wohl eine Abgabe in der Form von Pferdefutter, hatte sie sich in Italien ab dem 10. Jahrhundert zu einer gastungsrechtlichen Abgabe für den im Lande weilenden König entwickelt. Die geistlichen und weltlichen Herren im regnum Italie, dann auch die Kommunen brachten diese Abgaben in der Form auf, dass man sie in einem Umlagesystem von den jeweiligen Untertanen, Hintersassen oder Bürgern erhob. Welchen Stellenwert man dieser Geldleistung – zu einer solchen war das Fodrum im 12. Jahrhundert durchgehend geworden – in der Epoche Friedrich Barbarossas beimaß, davon zeugt nicht zum wenigsten die Aufnahme des Fodrum in die Salvationsklauseln zahlreicher Herrscherdiplome, d. h. der Kaiser behielt sich den Anspruch auf diese Abgabe vielfach auch bei Schenkungen vor.113 Die Aussagen unserer Quellen114 bewegen sich nun nicht auf der Ebene des Reiches und seiner Politik, sondern hier geht es um die tatsächlich von den Bewohnern des Contado im Auftrag ihrer jeweiligen kommunalen Herren aufzubringenden Gelder.115 Gleichwohl unterstreichen mehrere der Zeugen

112 Belege zum Folgenden werden in Auswahl unten im Anhang iv/2 (Aussagen zu Fährnissen des persönlichen Daseins, siehe S. 257 ff.) dargeboten. 113 Zum Fodrum vgl. Brühl, in : Lexikon des Mittelalters 4, Sp. 601 f. 114 Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 45 f., zeigt auf, dass etwa auch das Fiskalsystem von Cremona auf dem Fodrum und dem iuvaticum/giogatico (dazu siehe unten S. 156 f.) basierte, während er bei Pavia auch die bovateria (siehe dazu unten S. 156) anführt. 115 Grundsätzlich ist jedoch zu betonen, dass die Städter ebenso verpflichtet waren, dem Kaiser das Fodrum zu entrichten, vgl. dazu Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 26 f.

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ausdrücklich, dass das Fodrum zu dem Zweck erhoben wurde, um es dem Kaiser zu geben. Ob die Abgabe nur dann erhoben wurde, wenn der Herrscher persönlich in der Lombardei weilte, scheint zweifelhaft.116 Hinweise darauf, dass das Fodrum durch die Kommunen mehrmals eingehoben wurde,117 sprechen sehr viel eher dafür, dass ganz offensichtlich der Trend zu einer regelmäßigen Einforderung dieser Abgabe gegeben war. Barbarossa selbst kämpfte mit Erfolg gegen eine solche Einschränkung seiner wichtigsten Einnahmequelle aus Reichsitalien und konnte sich damit im Frieden, den er 1183 mit der Lega Lombarda in Konstanz am Bodensee schloss, auch durchsetzen. Als Bemessungsgrundlage waren zwei Varianten üblich : entweder die Einhebung per libram oder per extimationem.118 Eigens Erwähnung findet auch die Erhebung dieser Abgabe auf der Grundlage des Besitzes von Mühlen, so etwa für die am Po gelegenen Orte Monticelli und Parpanese,119 und selbstverständlich konnte auch die Herdstelle Basis für die Einhebung des Fodrum sein.120 Wie hoch die bei diesen Einhebungen erzielten Summen121 waren, dazu liegen in unseren Zeugenaussagen unterschiedliche Angaben vor : Wenn etwa Guido de Gazo aus Mondonico, ein Paveser Zeuge, von einem fodrum centum solidorum spricht, das seiner Erinnerung nach freilich nie tatsächlich abgeliefert wurde, so bleibt diese Angabe letztlich unklar.122 Sehr viel kon116 Bollea, Nr. 47, S. 98 : … fodrum causa dandi imperatori post destructionem mediolani ; Bollea, Nr. 54, S. 151 : … consules papie tempore quo imperator erat in lonbardia collegerunt fodrum vnum in ipsa plebe. 117 Bollea, Nr. 53, S. 143 (S. Marzano). 118 Belege dafür finden sich in unseren Zeugenverhören mehrfach : Der Paveser Zeuge Girardo Mussino bezeugt, er habe persönlich gesehen, dass einmal in Parpanese namens Pavias fodrum … fuit collectus (!) per libram (Bollea, Nr. 47, S. 99) ; ein weiterer Paveser Zeuge, Guido, Priester der Kirche von S. Marzano, sagt aus, quod uidit consules papie. per duas uices. colligere fodrum in loco sancti marciani. unum quorum fodrorum dicit eos colligisse per libram et aliud per extimationem (Bollea, Nr. 50, S. 110) ; vgl. zu diesen Belegen Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 30 mit Anmm. 113 und 114. 119 Bollea, Nr. 49, S. 108 ; vgl. dazu auch Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 24 f. 120 Bollea, Nr. 51, S. 126 ; Nr. 52, S. 131. – Zur Einhebung des Fodrum in der Toscana, der Romagna und den Marken auf der Grundlage der Herdstelle vgl. Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 29 f. 121 Sehr schön zeigen die von Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 28 f., angeführten Beispiele, wie stark die Einnahmen aus diversen Abgabenarten schwankten, damit zugleich, wie schwierig es ist, eine Grundlage für den Vergleich und eine Bewertung zu finden. 122 Bollea, Nr. 52, S. 134.

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kreter sind Nennungen, dass das Fodrum, das Alberto Pocaterra in der Zeit des Podestats des Arnold Barbavaria für Piacenza in Mondonico einhob, pro Herdstelle drei solidi betragen habe.123 Der aus Parpanese stammende Piacentiner Zeuge Guido de Alda gab 1184 zu Protokoll, dass die Paveser Konsuln in der Zeit vor der Zerstörung Mailands, also vor 1162, in Parpanese insgesamt 12 Pfund an Einnahmen aus dem Fodrum erzielt hätten. Er selbst, Guido, habe dabei seinen Anteil in der Höhe von 12 Pfennigen124 entrichtet, eine Angabe, die nach dem gängigen Münzsystem von 1 Pfund (libra) = 240 Pfennige (denarii) = 20 Schilling (solidi) auf insgesamt 240 Zahlende in Parpanese weisen könnte, womit zumindest ein Annäherungswert im Hinblick auf die Einwohnerzahl des Ortes gegeben sein könnte.125 Der unter Podestà Arnold Barbavaria gemeinsam mit anderen Leuten der Postadt mit der Einhebung des Fodrum betraute Folco de Porta nennt in seiner Zeugenaussage exakte Zahlen betreffs der Einnahmen, die er aus dem Titel des Fodrum in den fünf Orten erzielte, und diese schwanken zwischen 8 Pfund und 8 solidi (aus Monticelli) und 3 Pfund und 3 solidi (aus S. Marzano). Ein Vergleich zwischen der Höhe des in Parpanese (3 Pfund 4 solidi) und in Marzano (3 Pfund 3 solidi) eingehobenen Fodrum mit den Werten, wie sie zuvor unter Paveser Herrschaft mit insgesamt 12 bzw. 10 Pfund126 hatten erzielt werden können, scheint rein zahlenmäßig zunächst auf eine drastische Erhöhung dieser Abgaben hinzuweisen. Unter Berücksichtigung der zwischen Paveser Münze und Reichsmünze bestehenden Relation von 40 :100127 und bei einer Umrechnung auf das Silbergewicht128 zeigt sich jedoch, dass man 123 Bollea, Nr. 51, S. 126 f.; Nr. 52, S. 131. 124 Vgl. auch B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1367 : Am 7. Juli 1164 begann man mit der Einforderung von Steuereiden (sacramenta tributaria) in dem dem Lütticher Bischof (Heinrich) unterstehenden Mailänder Gebiet. Dabei hatte jeder pro Hufe als jährliche Abgabe drei solidi Imperialen, pro Joch Ochsen 22 Imperialen und pro Feuerstelle zwölf Pfennige zu entrichten. 125 Bollea, Nr. 54, S. 151 : Diese Rechnung setzt allerdings voraus, dass jeder dieselbe Geldsumme als Anteil am gesamten Fodrum des Ortes bezahlt hätte ; zugleich ist schwer abzuschätzen, inwieweit diese Zahlungen eben auch von nicht unbedingt am Ort selbst wohnenden vicini geleistet wurden. 126 Vgl. Bollea, Nr. 54, S. 151, und Nr. 53, S. 140 f. 127 Opll, Stadt und Reich, S. 563 Anm. f. 128 Opll, Stadt und Reich, S. 562 f.: 4 Pfund Paveser Münze = 1 Mark = 390 Pfennig Imperia-

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die Forderungen offenbar sogar zurückgeschraubt hatte. Folco de Porta gibt mit seinem Hinweis darauf, dass es in allen fünf Orten – zumindest anfangs – Streit wegen seines Eingreifens in die herrschaftlichen Verhältnisse gegeben habe,129 vielleicht auch eine Erklärung für dieses Phänomen : Wahrscheinlich sah es der deutsche Podestà angesichts des in manchen der quinque loci manifesten Widerwillens und Widerstands gegen seine Herrschaft als vernünftiger an, sich (zunächst ?) mit geringeren Forderungen zufriedenzugeben. – Für Mondonico liegt zwar keine Vergleichssumme betreffs der Höhe des Fodrum zu anderen Zeiten vor, die Ortsbewohner setzten sich aber in anderer Form zur Wehr : Die vier noch von Pavia bestellten Ortskonsuln, die vier »Giovanni«,130 zogen nach Pavia und erhoben Klage gegen diese Maßnahmen vonseiten des kaiserlichen Podestà der Postadt. Ausgestattet mit einem Schreiben der Paveser Konsuln begaben sie sich sodann zu Arnold Barbavaria, und dieser stellte ihnen tatsächlich das bezahlte Fodrum wieder zurück. Das Fodrum war zwar ohne jeden Zweifel für die Bewohner des Contado die am meisten belastende Abgabe, und von dieser Abgabe führte der Weg ja auch zu den direkten Steuern in Form der »estimi«,131 sie war aber keineswegs die einzige. Schon seit Langem – in unseren Quellen beziehen sich die frühesten Hinweise auf die 1130er Jahre – waren sogenannte coltatores mit der Einhebung der colta (abgeleitet von : collecta) genannten Abgabe beschäftigt.132 So weit zu sehen ist, wurde diese Abgabe ausschließlich im Auftrag der Piacentiner Herrschaft eingehoben, dies allerdings nicht nur in der Frühzeit, sondern bis weit in die Ära Kaiser Friedrich Barbarossas hinein.133 Über die Art der Erhebung der colta ist aus unserer Überlieferung nichts weiter bekannt.134

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len ; daher entsprechen 12 Pfund Paveser Münze 1.170 Pfennig Imperialen, und die 3 Pfund 4 solidi Imperialen an Einnahmen aus Parpanese entsprechen 768 Pfennig Imperialen. Bollea, Nr. 55, S. 157 : … tunc posuimus fodrum in predictis locis unde lis est (siehe zum Fodrum auch unten, Anhang iv/2, S. 258–260). Bollea, Nr. 58, S. 190 ; dazu Bordone, Il tempo, S. 34. Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 26 ff. Zur colta vgl. die Hinweise bei Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 14, S. 18 sowie S. 28 mit Anm. 103. Über die Höhe der colta liegt nur ein einziger Hinweis vor (Zahlungen der Leute von S. Marzano 1172 in der Höhe von 5 Pfund Piacentiner Münze), vgl. Bollea, Nr. 50, S. 120. Arnold Barbavaria hob jedenfalls in seiner Amtszeit als Piacentiner Podestà (1162–1164) von

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Von einer Abgabe, die nach ihrer Bezeichnung als camparicia wohl von den Felderträgnissen eingehoben wurde, erfahren wir aus der Zeit des Arnold Barbavaria, der sie gemeinsam mit dem Fodrum in Mondonico einheben ließ. Ebenso mit den im Contado vorherrschenden Wirtschaftsformen von Landwirtschaft und Viehzucht verbunden waren weitere Abgabenformen, die von den verhörten Zeugen als Ausdrucksformen der kommunalen Herrschaft über den Contado wie auch als hohe individuelle Belastungen angeführt wurden. Davon war die bovateria135 eine bereits in den 1140er-Jahren seitens Piacenzas von den Bewohnern von Monticelli und Parpanese eingetriebene Abgabe, die vom Grundsatz her wohl auf Zugtiere ausgerichtet war. Während einer der Amtszeiten des Piacentiner Konsuls Folco Stretto versuchten die Piacentiner, diese Maßnahmen auch in S. Marzano umzusetzen, doch konnte der Priester dieses Ortes erfolgreich dagegen in Piacenza protestieren.136 Eine Vorstellung von der hohen Bedeutung dieser Einnahmen für den jeweiligen städtischen Haushalt gibt der Hinweis, dass 1170 nicht weniger als 36% der Piacentiner Einnahmen aus der bovateria stammten.137 Für Parpanese ist in den Jahren nach 1175 während einer Art von Doppelherrschaft der beiden Städte – abwechselnd oder vielleicht auch gleichzeitig – die Einhebung der bovateria auch namens Pavias bezeugt. Es hat beinahe den Anschein, als sei die lokale Bevölkerung bisweilen gezwungen gewesen, ein und dieselbe Abgabe sowohl an die Stadt am Po als auch an die am Ticino zu entrichten.138 Eine der bovateria eng verwandte Abgabenart, mit der die Bewohner der quinque loci belastet waren, war das iuvaticum (italien.: giogatico = Pflüge-

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den Handwerkern der Postadt eine collecta ein, vgl. dazu jetzt Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 18 ; 1170 stammten 22,5% der städtischen Einnahmen aus dem Titel der colta, was zwar weniger war als bei der bovateria (siehe dazu unten Anm. 137), gleichwohl noch immer recht beachtlich, vgl. dazu Mainoni, a.a.O., S. 29 mit Anm. 107. Dazu vgl. Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 45 f.; Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 36, betont, dass die bovateria nur schwer vom iuvaticum zu trennen ist, dass es sich bei beiden um fixe bäuerliche Abgaben handelte, die der Tendenz nach jährlich eingehoben wurden. Bollea, Nr. 53, S. 141. Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 29 mit Anm. 107. Bollea, Nr. 54, S. 147.

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lohn),139 das sich daraus entwickelt hatte, dass Bauern Zugtiere für die Bearbeitung der Äcker zur Verfügung stellten. Da die Einsammlung des iuvaticum durchgehend im Zusammenhang mit der Ausübung Paveser Herrschaftsrechte, und zwar in sämtlichen der fünf Orte, genannt wird, könnte es sich vielleicht auch bloß um die Paveser Variante der im Piacentiner Einflussgebiet als bovateria bezeichneten Abgabe gehandelt haben. Wie strikte man auf die fristgerechte Abführung dieser Einnahmen an die Kommune achtete, davon spricht der Paveser Zeuge Adamo Portonario, der insgesamt sechs Mal von den Paveser Konsuln in die fünf Orte entsandt wurde, um das iuvaticum einzutreiben. Er entledigte sich dieser Aufgabe in der Form, dass er die jeweiligen Ortskonsuln unter Eid verpflichtete, die Gelder einzusammeln und bis zu einem bestimmten Termin nach Pavia abzuliefern.140 Die Angabe eines weiteren Paveser Zeugen, des Calvo de Clauso aus Olmo, der sich daran erinnerte, dass sein Vater 12 Paveser Pfennige aus dem Titel dieser Abgabe zu entrichten hatte, könnte im Vergleich mit der Nachricht darüber, dass Guido de Alda in Parpanese aus dem Rechtstitel des Fodrum ebenfalls 12 Pfennige gezahlt hat,141 darauf hinweisen, dass die Summe von 12 Pfennigen eine Art von Standardgröße für Abgaben repräsentierte. Direkt auf die Viehzucht verweist eine Abgabe, die allerdings nur ein einziges Mal erwähnt wird, nämlich das pastoricium, bei dem es sich um eine Weideabgabe, eine Abgabe in Zusammenhang mit der Nutzung von Weiden, gehandelt haben dürfte. Es war der Paveser Konsul Caldera Cane, der aus Anlass seines letztlich erfolgreichen Versuchs, Mondonico unter die Herrschaft seiner Heimatstadt zu bringen – Geschehnisse, die sich um 1167/68 zutrugen und nicht ohne heftigen Widerstand der Mondonicesi abliefen –, diese Abgabe eintreiben und nach Bosnasco schaffen ließ.142 Unser Interesse verdient zuletzt eine Abgabenart, die zugleich wichtige Einblicke in die lokalen Verkehrsverhältnisse bietet : das pontaticum. Ebenso wie im Fall der colta mit den coltatores gab es für dessen Einhebung eigene Amtsträger, die als pontexani bezeichnet zu werden pflegten. Brücken waren 139 Vgl. Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 45 f., und Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 36. 140 Bollea, Nr. 49, S. 108. 141 Siehe dazu oben, S. 154 mit Anmm. 124–125. 142 Bollea, Nr. 49, S. 105 ; Nr. 51, S. 122 f.

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gerade für die Landstriche zwischen Pavia und Piacenza mit dem den gesamten Raum dominierenden Wasserlauf des Po, daneben aber auch zahlreichen größeren und kleineren Nebenflüssen desselben, die von Norden und Süden her in ihn einmündeten, von ganz besonderer Bedeutung. Bekannt ist dabei insbesondere die große Pobrücke in Piacenza, welche die Kommune im Jahre 1160 errichtete. Zeitlich nicht mit Sicherheit einzureihen ist der Hinweis eines der Piacentiner Zeugen vom Herbst 1184 namens Roberto de Malaraza, der zur Zeit der Belagerung von Mailand (schon 1158 ?) gemeinsam mit einem Kollegen pro restis pontis Padi de Placencia, offenkundig also zum (Wiederauf-)Bau der Pobrücke von Piacenza, von den Einwohnern von Monticelli, Parpanese, Olmo und S. Marzano Abgaben einsammelte.143 Das pontaticum wurde aber nicht nur von den Piacentinern eingehoben, auch die Pavesen taten sich dabei energisch und umfassend hervor. Der als Zeuge namens Pavias im November 1184 verhörte Simone de Casasco war seiner Aussage nach seit 20 Jahren als Diener (serviens) der Paveser Konsuln tätig und hatte dabei in deren Auftrag gemeinsam mit anderen auch das pontaticum in sämtlichen der quinque loci – somit nicht nur in den direkt am Po gelegenen Orten – eingehoben. Mehrfach gibt es in unseren Quellen Hinweise darauf, dass diese Abgabe – zumindest zu manchen Zeiten – in Form einer Getreideabgabe eingehoben wurde,144 was sich wohl im Laufe der Zeit zu einem Brücken»geld« umwandeln konnte. Die von den Zeugen genannten Brücken sind generell sehr schwer zu lokalisieren.145 Nach den Inhalten unserer Zeugenaussagen muss es sich jedenfalls sowohl bei der Brücke zu Balbianum wie auch bei der bei Cerreta146 um solche über den Po gehandelt haben. Nach der Aussage des Gio143 Bollea, Nr. 56, S. 169. 144 Bollea, Nr. 46, S. 86 f.; Nr. 47, S. 91 f.; Nr. 54, S. 152. – Vgl. dazu die Hinweise bei Mainoni, Rivoluzione fiscale, S. 37. 145 Herr Kollege Aldo A. Settia (früher : Universität Pavia), der mir seine genauen Kenntnisse der Zone in besonders freundlicher Weise zur Verfügung gestellt hat, macht in einer Mail vom 1. April 2009 darauf aufmerksam, dass der Po gerade in diesem Abschnitt seines Verlaufs über die Jahrhunderte hinweg zahllose Richtungsänderungen zeigte, wodurch sich die Topographie seiner Ufer, und hier wieder vor allem die des rechten, südlichen Ufers, immer wieder geändert hat. 146 Bollea, Nr. 54, S. 152 : Balbianum dürfte sehr wahrscheinlich im Bereich der Einmündung

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vanni Marracio hoben nämlich die Paveser Brückenbeauftragten vor mehr als 14 Jahren, als die Pobrücke in der Mitte unterbrochen war, in Parpanese das pontaticum ein,147 eine Angabe, die der mit den Parpaneser Verhältnissen gleichfalls bestens vertraute Viviano de Alda dahingehend ergänzt, dass diese Brücke bei Balbianum lag.148 In einem später durchgeführten und protokollierten Verhör erzählt der Piacentiner Zeuge Guido de Alda, ebenfalls in Parpanese wohnhaft, er habe gesehen, wie die pontexani der Paveser Pobrücke, damals gelegen zu Cerreta, nach Parpanese gekommen seien, um das pontaticum einzuheben. Da man vor Ort ein Eingreifen der Herren von Fontana gegen die Ausübung dieser Paveser Herrschaftsrechte befürchtete, sei dann der örtliche Erzpriester Ricardo mit den Brückenbeauftragten übereingekommen, ihnen die Abgaben in Form von Getreide, das dieser selbst einheben ließ, zu übergeben.149 Es hat angesichts der Betonung, dies habe sich zugetragen, als die Paveser Brücke über den Po bei Cerreta lag, den Anschein, als sei die Pobrücke von Parpanese – um diese muss es sich letztlich gehandelt haben – eben kein festes Bauwerk gewesen. Es wird sich sehr viel eher um eine Schiffsbrücke gehandelt haben, welche den Vorteil hatte, nicht nur billiger hergestellt werden zu können, sondern auch einfach und unkompliziert an anderer Stelle – einmal eben bei Balbianum, dann bei Cerreta – wieder aufgebaut werden konnte. Von weiteren Brücken, die gleichfalls unter der Obhut Paveser pontexani standen erfahren wir aus dem Munde eines dieser Brückenbeauftragten : Der Paveser Zeuge Siro Mussino gab nämlich zu Protokoll, er habe bereits seit der Zeit vor der Zerstörung von Tortona (1155) 15 Jahre lang als pontexanus

des Bachs Scuropasso in den Po nördlich des Ortes Barbianello, damit nordwestlich von Stradella, Provinz Pavia, zu suchen sein ; auf die Lage von Cerreta dagegen weist heute noch der Ortsname S. Giacomo della Cerreta südwestlich von Belgioioso nördlich des Po, Provinz Pavia, und die Brücke führte wohl aus diesem Bereich in den von S. Cipriano Po jenseits des Flusses an dessen Südufer (Herrn Kollegen Aldo A. Settia danke ich vielmals diese Identifizierungen, die er mir am 1. April 2009 mitgeteilt hat.) – Versteckte Hinweise auf die Lage von Balbiano finden sich auch bei Barbieri, Fonti documentarie, S. 58. 147 Bollea, Nr. 47, S. 91 f. 148 Bollea, Nr. 47, S. 96. 149 Bollea, Nr. 54, S. 152.

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bei den Brücken zu Coirane,150 zu Bozola151 und zu Portalbera152 gewirkt und in dieser Zeit jährlich das pontaticum in allen fünf Orten (Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese, S. Marzano) eingesammelt.153 Obwohl die Lokalisierung dieser Brücken infolge der seit dem 12. Jahrhundert so vielfältigen Veränderungen im Lauf des Po alles andere als einfach ist, ist dennoch festzuhalten, dass es sich auch dabei – wie schon bei den Anlagen bei Balbianum und Cerreta – durchwegs um solche über den Po gehandelt hat. Wir müssen daher davon ausgehen, dass man den großen Fluss bereits in dieser Epoche an etlichen Stellen überbrückt hat, wird gleichwohl im Regelfall von Schiffsbrücken, nicht von stabilen Bauten auszugehen haben.

Herrschaftliche Regelungen betreffs wirtschaftlicher Normen Zu den wichtigen Parametern im Hinblick auf die herrschaftliche Zugehörigkeit unserer fünf Orte zählte ganz eindeutig die Verwendung von Münze und Maß154 entweder der einen oder der anderen Herrschaft. Es ist insbesondere den Aussagen zweier Paveser Zeugen vom Herbst 1184 zu verdanken, dass wir darüber genauer Bescheid wissen : Viviano de Alda und Calvo de Clauso aus Olmo. Der mit den Verhältnissen in Parpanese bestens vertraute Viviano de Alda gibt Folgendes zu Protokoll : In Verwendung stehen das Paveser Maß und 150 Dieser Name findet sich heute in Corana nördlich von Voghera und westlich von Cervesina, Provinz Pavia, wo die Brücke der Autobahn Mailand–Genua den Po überquert (Herrn Kollegen Aldo A. Settia danke ich vielmals diese Identifizierung, die er mir am 1. April 2009 mitgeteilt hat.) ; sie ist damit in jedem Fall recht auffällig abseits der sonstigen Orte gelegen, die im Kontext unserer Zeugenverhöre Erwähnung finden. 151 Da dieser Ort keinesfalls mit Bozzole am Po nördlich von Valenza, Provinz Alessandria (läge viel zu weit abseits der Zone um unsere quinque loci), identifiziert werden kann, käme unter Umständen die cascina Bozzola im Gebiet von Robecco Pavese südlich von Bressana für eine Lokalisierung infrage, was dann allerdings relativ nahe an der Brücke von Balbianum gelegen wäre (Herrn Kollegen Aldo A. Settia danke ich vielmals dafür, dass er mir diese Darlegungen am 1. April 2009 übermittelt hat). 152 Portalbera südlich des Po, nordöstlich von Stradella, Provinz Pavia. 153 Bollea, Nr. 46, S. 86. 154 Belege zum Folgenden siehe unten, Anhang iv/2 (S. 263) ; zur Bedeutung der Ausbreitung des kommunalen Systems der Münzen und Maße über den Contado vgl. auch Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 45 f.

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die Paveser Münze und nicht das Piacentiner Weinmaß. Früher habe man auch das Paveser Getreidemaß verwendet, jedoch sei dies nun durch das Piacentiner abgelöst worden und auch der Großteil des Getreides gehe nach Piacenza. In Parpanese ist somit nicht zuletzt auch anhand der verwendeten Maße und der in Gebrauch stehenden Münze das Schwanken der Herrschaftsverhältnisse aufs Beste dokumentiert. Und aus Olmo liegt dazu in der Aussage des Calvo de Clauso ein nicht minder aussagekräftiges Zeugnis vor : Es heißt dort nämlich, dass die Olmesi unter sich – also im lokalen Umkreis – die Paveser Münze verwendeten, bei den Getreidemaßen stünden aber beide Arten, sowohl das Paveser wie auch das Piacentiner Maß, in Gebrauch. Welch zentrale Position die Paveser Münze in Olmo habe, sei auch von der folgenden Beobachtung abzuleiten : Wenn die Leute von Olubra nach Olmo kamen, um hier etwas von der lokalen Bevölkerung einzukaufen, sei es mehrfach vorgekommen, dass die Olubresi gerne die Piacentiner Münze hätten verwenden wollen. Die Olmesi hätten sie jedoch gebeten, ihnen nach Möglichkeit lieber Paveser statt Piacentiner Münzen zu geben, da sie diese dann auch leichter in ihrem Gebiet, das eben Pavia unterstünde, verwenden könnten. Stellt man diesen äußerst detaillierten Angaben eine Analyse der in den Zeugenverhören sonst gebrauchten Münz- und Maßangaben zur Seite, so ist zunächst zu betonen, dass neben der häufigen Nennung von Münzen der einen bzw. der anderen Stadt insbesondere die Reichsmünze, die libra imperialis, Erwähnung findet. Paveser wie Piacentiner Münze können dabei als Indikatoren im Hinblick auf die zum jeweiligen Zeitpunkt gültige herrschaftliche Zugehörigkeit unserer quinque loci gelten.155 Unser spezielles Interesse beanspruchen Nachweise für die Verwendung der libra imperialis : Sie beziehen sich in konzentrierter Form auf die Ära des Piacentiner Podestà Arnold 155 Bollea, Nr. 50, S. 113 : Leute von S. Marzano entrichten ihre Beiträge zu den Befestigungsarbeiten an den Stadtgräben von Piacenza in Piacentiner Münze. – Bollea, Nr. 50, S. 120 : Leute von S. Marzano bezahlen die colta an Piacenza in Piacentiner Münze. – Bollea, Nr. 55, S. 157 : Unter Podestà Arnold Barbavaria von Piacenza wurde das Fodrum in allen fünf Orten in Piacentiner Münze entrichtet. – Bollea, Nr. 53, S. 140 f.: Der Vater des Zeugen Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano sammelte als Ortskonsul das Fodrum für Pavia in der Höhe von 10 Pfund Paveser Münze ein. – Bollea, Nr. 54, S. 148 : Der Piacentiner Zeuge Oberto de Alda aus Parpanese bezahlt ein Strafgeld in der Höhe von 4 Pfund Paveser Münze an die Stadt Pavia.

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Barbavaria (1162–1164), des deutschen, aus dem sächsischen Dorstadt stammenden Beauftragten Friedrich Barbarossas für die Herrschaftsausübung in der Postadt. Nach der Aussage des Piacentiner Zeugen Oberto de Alda aus Parpanese kamen unter der Herrschaft Arnolds einmal Piacentiner Boten, darunter Alberto Pocaterra, nach Parpanese und ließen dort sechs Einwohner, darunter auch Oberto de Alda selbst, schwören, das Fodrum in der Höhe von 3 Pfund Imperialen zu entrichten. Die Parpanesi verwehrten sich dagegen letztlich erfolgreich, indem sie die Unterstützung von Pavia suchten – Arnold musste ihnen das Fodrum zurückzahlen.156 An anderer Stelle heißt es freilich, dass unter Arnold Barbavaria das Fodrum aus sämtlichen der quinque loci in Piacentiner Münze entrichtet worden sei.157 Eine Erklärung dieses Sachverhalts ist auf verschiedene Weise denkbar : Entweder es trog die verhörten Zeugen des Jahres 1184 die eigene Erinnerung, oder das Fodrum wurde zu verschiedenen Zeiten einmal in Piacentiner, dann wieder in Reichsmünze entrichtet. Diese kaiserliche Münze – imperialis bzw. libra imperialis – war 1162 in Parität zur alten Mailänder Münze eingeführt worden. Sie stand nach Piacentiner Zeugnissen auch noch 1167 und sogar 1170 in der Postadt in Verwendung, liegen doch für diese beiden Zeitpunkte Nachrichten über die Höhe der jährlichen Gehälter für die Konsuln und den Kämmerer vor, die beide Male in kaiserlicher Münze angegeben sind.158 Noch in den 1180erJahren war sie als Leitwährung im lombardischen Raum anzusprechen. Da aus der frühstaufischen Epoche Zahlenangaben betreffs Abgaben, Regalienzinsen, Strafgeldern usw. in höchst unterschiedlichen Werteinheiten, in Pfund der jeweils lokalen Münze, in Imperialen sowie auch in Mark vorliegen, ist eine Umrechnung in das Silbergewicht (Mark) unabdingbare Voraussetzung für jeglichen Vergleich. Nur auf diese Art und Weise kann es gelingen, wenigstens Relationen abschätzen, einigermaßen verlässliche Vorstellungen von den tatsächlichen Gegebenheiten gewinnen zu können.159 156 Bollea, Nr. 54, S. 147 f. 157 Bollea, Nr. 55, S. 157. 158 Solmi, Le leggi più antiche del Comune di Piacenza, S. 32. – An dieser Stelle ist ein Vergleich mit den diversen Abgaben, welche unsere fünf Orte an die Herrschaft zu bezahlen hatten, von Interesse, zeigt sich dabei doch eine durchaus beachtliche Höhe der Jahreseinkommen der Mitglieder von Stadtregiment und -verwaltung in Piacenza. 159 Siehe dazu schon oben, S. 154 f. mit Anm. 128.

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Vorkehrungen betreffs der persönlichen Sicherheit Aus all dem bisher Ausgeführten ist ein durchaus engmaschiges Netz zu erkennen, welches die Herrschaft zur Durchsetzung ihrer Ansprüche über unsere Orte im Contado gezogen hatte. Dieses Netz hatte es vom Grundsatz her schon seit alter Zeit gegeben, also in der in den Angaben der Zeugen vom November 1184 nur undeutlich und vage memorierten »grauen Vorzeit«, als ihre Orte als königliche curtes, bischöfliche und klösterliche Allodien bzw. Besitz bestanden hatten oder auch unter der Dominanz lokaler Ortsherren gestanden waren. Sich aus diesem Netz zu befreien, ein geringeres Ausmaß an Belastungen, am besten gar keine, auf sich nehmen zu müssen, war letztlich nicht möglich. Dennoch ist zweierlei deutlich zu erkennen : Zum einen hatte es ganz offenbar in dieser »grauen Vorzeit« weniger Belastungen für die Bewohner der quinque loci gegeben, und insbesondere ab der Ära Kaiser Friedrich Barbarossas hatte sich dies deutlich gewandelt, war die – modern gesprochen – »Steuerschraube« kräftig angezogen worden. Zum anderen ist es allerdings auch unverkennbar, dass die Ortsbewohner selbst im Laufe des 12. Jahrhunderts in einem zwar bescheidenen, dennoch gut erkennbaren Rahmen ein nachhaltiges Plus an Gestaltungsmöglichkeiten gewonnen hatten, sich gar nicht so selten im Spiel der (herrschaftlichen) Kräfte auch der Vorteile dieses Spiels zu bedienen wussten, indem man den einen gegen den anderen Herrschaftsträger regelrecht »ausspielte«. Die Vielfalt an Belastungen in der Form von Abgaben und Verpflichtungen zu persönlichen Dienstleistungen bildete freilich nur die eine Seite der Medaille. Dem allen stand doch auch eine Gegenleistung der Herrschaft gegenüber, die etwa im Hinblick auf den Bau oder die Erhaltung und Reparatur von Brücken bereits vorher angeklungen ist. Vor allem aber garantierte die Herrschaft ein in dieser Epoche gar nicht so selbstverständliches Ausmaß an Rechtssicherheit wie auch an persönlicher Sicherheit. Wenn etwa die Gerichtsbarkeit zu den besonders nachhaltig gewahrten und beanspruchten Rechten der jeweiligen Inhaber der Herrschaft gehörte, so ist dies nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass es dabei möglich wurde, den herrschaftlichen Zugriff auf die Bewohner des Contado in besonders effizienter Weise zu intensivieren. Indem die Kommune die Appellationsgerichtsbar-

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keit160 ausübte, fungierte sie im Verhältnis zu den lokalen Möglichkeiten der Rechtsprechung praktisch als zweite Instanz. Andererseits mochte diese Möglichkeit, Rechtsstreitigkeiten aller Art vor den Konsuln der einen wie der anderen Stadt austragen zu können, doch umgekehrt aus der Sicht der Leute im Contado auch von Vorteil sein. Wenngleich man Urteilsfindungen und -sprüche im Hinblick auf lokale Fälle in den beiden Kommunen nicht a priori als unparteiisch, gar als durchwegs »gerecht« wird ansehen dürfen, so war dabei zumindest der ganz enge, lokale Rahmen, in dem all das doch noch viel prägnanter gegeben war, gesprengt und verlassen. Es ist vor allem ein ganz spezifisches Vorrecht der Bewohner im Contado, das in unseren Zeugenaussagen vom November 1184 – dort freilich als Beleg für die Zugehörigkeit zur Herrschaft der einen oder der anderen Kommune – immer wieder hervorgestrichen wird, nämlich das der Zuflucht in Zeiten äußerer Bedrohung in die durch entsprechende Befestigungen wohl geschützte Kommune oder zumindest in andere Gemeinden innerhalb von deren Contado. Und darin, in dieser Möglichkeit der Zuflucht in Zeiten der Gefahr, bestand auch einer der wenigen Vorteile, welche die Untertanen im Gegenzug für ihre vielfältigen Leistungen an die betreffenden Herren für sich beanspruchen konnten. So weiß etwa der aus Mondonico gebürtige Paveser Zeuge Giovanni de Luzano zu berichten, dass die Mondonicesi zu Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen (Abb. 19) sowohl in das Paveser wie das Piacentiner Land zu flüchten pflegten, allerdings habe der Großteil im Gebiet Pavias Zuflucht gesucht, sei nach Rovescala oder nach Nigrinum geflüchtet.161 Giovanni betont dabei, dass diese Orte ihrer Nähe zu Mondonico wegen als geeignet angesehen wurden, und tatsächlich ist ja auffällig, dass man in den für S. Marzano zuständigen Pfarrort Rovescala, und eben

160 Darauf weist Grillo, Comuni urbani e poteri locali, S. 45 f., im Zusammenhang mit der Paveser Herrschaft hin ; dies gilt freilich – nach den Zeugenaussagen vom November 1184 – ebenso für die von Piacenza. 161 Bollea, Nr. 51, S. 124 ; vgl. auch die gleichlautende Aussage des Piacentiner Zeugen Girardo de Generassio, Bollea, Nr. 58, S. 192 f. – Nigrinum ist mit dem heutigen San Damiano al Colle südwestlich von Mondonico (etwa auf dem halben Weg nach Rovescala) zu identifizieren (Herrn Kollegen Aldo A. Settia danke ich vielmals diese Identifizierung, die er mir am 1. April 2009 mitgeteilt hat, wobei er auf seinen Beitrag : Settia, Il distretto pavese, S. 138 und S. 141, hingewiesen hat.).

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Abb. 19 : Fußsoldaten in Rüstung, Mosaik des 12. Jahrhunderts im Deambulatorio des Doms von Sant’Evasio zu Casale Monferrato ; Foto : F. Opll.

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nicht in den Sitz der Pfarre für Mondonico, nach Olubra, flüchtete. Ein aus Olmo stammender Zeuge berichtet, dass die Olmesi, darunter auch er selbst, in Zeiten des Krieges mit all ihren Angehörigen und Habseligkeiten Zuflucht in Pavia gesucht hätten.162 Nach dem Zeugnis des Dulciano de Parpanese seien die Parpanesi, mit ihnen auch der Großteil der Monticellesi, während der guerra imperatoris nach Pavia und auch in das Gebiet dieser Stadt geflüchtet und hätten sich am Kampf gegen Piacenza beteiligt.163 Der Paveser Zeuge Viviano de Alda bietet Identisches, erwähnt aber, dass er ein einziges Mal gemeinsam mit einem Verwandten und dem Notar Rainerio in Piacenza Zuflucht suchte, dies deshalb, weil sie damals dort ihr Getreide und Gemüse eingelagert hatten.164 Der mit Viviano offenkundig verwandte Oberto de Alda aus Parpanese weiß davon zu erzählen, dass zur Zeit der Zerstörung von Tortona (1155) gleichfalls fünf Personen aus den meliores des Ortes, nämlich der Notar Amizo, Giovanni und Pietro de Alda – offenkundig Verwandte des Zeugen –, Pietro Ratelino und Bellono, in Piacenza Zuflucht suchten.165 Die anderen seien dagegen nach Pavia geflohen. – Die Bewohner von S. Marzano schließlich flüchteten sich in Kriegszeiten nach den Angaben des dort ansässigen Gandolfo Abate größtenteils nach Pavia, nur zum Teil nach Piacenza.166 Resümierend lässt sich festhalten, dass im Hinblick auf das Zufluchtsrecht – wie schon betont, einer der aus der Sicht der Bewohner des Contado wohl ganz entscheidenden Gegenleistung, welche die Herrschaft für vielfältige, durchaus beschwerende Belastungen garantierte – doch auch die Zweckmäßigkeit im Vordergrund stand, d. h. man suchte in den Orten Zuflucht, die nahe lagen und die man möglichst rasch erreichen konnte. Gleichwohl spiegeln die Hinweise darauf, dass die einen in Kriegszeiten nach Pavia, die anderen nach Piacenza flüchteten, wohl auch das Phänomen der Zugehörigkeit zur Herrschaft der einen oder der anderen Kommune wider, wobei sich durchaus auch Bewohner ein und desselben Ortes als Paveser oder auch als Piacentiner Untertanen empfinden mochten. 162 Bollea, Nr. 53, S. 137 und S. 140. 163 Bollea, Nr. 46, S. 85 ; vgl. auch die Aussage des Ardizzone magister (Bollea, Nr. 46, S. 87). 164 Bollea, Nr. 47, S. 97. 165 Bollea, Nr. 54, S. 149. 166 Bollea, Nr. 50, S. 114.

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Individuelle Schicksale Vielfältig und an Einzelheiten besonders reichhaltig sind die Einblicke, welche uns dieses große Corpus an Zeugenverhören vom November 1184 gewährt, und bereits die bisher unter dem Aspekt des »Lebens unter der Herrschaft« gebotenen Ausführungen haben uns ein großes Maß an Erkenntnissen eröffnet, wie sie für das hohe Mittelalter nicht allzu häufig vorliegen dürften. Wenn hier im Weiteren doch noch tiefer »gebohrt« werden soll, versucht wird, noch näher an die Lebensverhältnisse der beherrschten Leute im Contado der beiden lombardischen Städte heranzukommen, so sind dem selbstverständlich Grenzen gesetzt, und dennoch : So manches ist zu eruieren, das es wert erscheinen lässt, auch dargestellt zu werden. Wir kommen noch einmal an den Anfang dieses Kapitels zurück und erinnern daran, in welchem hohen Ausmaß das Leben der Bewohner unserer fünf Orte eingekreist und dominiert von den Maßnahmen ablief, welche die jeweilige Herrschaft über den Ort zur Geltung brachte. Von den vielfältigen Formen der eingetriebenen Abgaben und eingeforderten persönlichen Dienstverpflichtungen war schon die Rede, doch sei hier nochmals mit großem Nachdruck auf das zum Teil bzw. zeitweise kaum vorstellbare Ausmaß an Gewalt und Terror hingewiesen, mit der Herrschaft tatsächlich ausgeübt und umgesetzt wurde. Die Hinweise auf die vis der Herrschaft, insbesondere die der beiden Kommunen und ganz offenkundig noch einmal gesteigert unter dem Podestat des Arnold Barbavaria über Piacenza in den Jahren 1162 bis 1164, ziehen sich wie ein roter Faden durch sämtliche Zeugenaussagen, die im November 1184 in Pavia zu Protokoll gegeben wurden. Dazu haben sich nun tatsächlich einige individuelle Zeugnisse erhalten, welche die Not des »einfachen« Mannes167 nur allzu deutlich machen, zugleich aber nahelegen, dass Gewalt und Terror keinesfalls nur von einem der verschiedenen Herrschaftsträger ausgingen, sondern ganz offensichtlich die generell übliche Methode zur Durchsetzung herrschaftlicher Ansprüche darstellten. Der Piacentiner Zeuge Giovanni Basso aus Mondonico, der sich bis zur Schlacht von Tabiano (1149) zurückerinnerte und aus dessen Familie mit Tedaldo Basso auch ein Paveser Untertan dieses Ortes kam, weiß erschüt167 Zu diesem Begriff der »einfachen« oder »kleinen« Leute siehe schon oben, S. 22 und 39.

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ternde Einzelheiten über die Geschehnisse des Herbstes 1167 zu berichten :168 Bevor der Kaiser damals nämlich am Allerheiligenfest (1. November 1167) Montalbo169 zerstört habe, habe er gemeinsam mit Pavesen auch Mondonico verwüstet, ein Geschehen, das im Vergleich mit anderen Überlieferungen wohl in den Kontext der Brandschatzung im Gebiet von Piacenza am 29. September 1167 gehört.170 Die Truppen hätten den Ort damals ausgeraubt und geplündert. Sogar die Glocken aus dem Turm der Ortskirche171 habe man ihnen weggenommen, und nur eine davon habe man später gegen Entrichtung von 12 solidi Paveser Münze wieder zurückerwerben können. Giovanni hat offenbar nicht zuletzt deshalb eine so genaue Erinnerung an die Vorkommnisse, weil er auch ganz persönlich davon betroffen war : Er versteckte sich nämlich damals in einem Haus, wurde dort aber von einigen Leuten aus Broni172 ausgeraubt. Nur weil er sich auf einen von deren Angehörigen, nämlich den dominus Raziono von Broni, den er offensichtlich kannte, als seinen Fürsprecher berief, habe man ihm zumindest das Notwendigste – genannt werden dezidiert Stiefel (Abb. 20), weite Hosen und ein wertloses Hemd – belassen. Aus seinem Versteck habe er damals die berittenen Paveser Truppen sehen und hören können, und diese hätten laut gerufen : »Reiten wir nach Pavia, reiten wir nach Pavia (cavalere Papie, cavalere Papie) !« Gemeinsam mit seinen Nachbarn habe er bei diesem Kriegszug all sein Hab und Gut verloren, allerdings betont er, er habe dabei keinen Deutschen gesehen, sondern ausschließlich Pavesen. Gerade im Rahmen der Eintreibung von Abgaben war es nicht selten angedrohte bzw. auch ausgeübte Gewalt, verbunden mit dem Ausstoßen von Drohungen, womit man die Bewohner der quinque loci »gefügig« zu machen trachtete. Und dies galt insbesondere dann, wenn die Herrschaftsansprüche 168 Zum Folgenden Bollea, Nr. 58, S. 188 ; vgl. auch B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1752 und 1753. 169 Dieser Ort liegt nordwestlich von Pianello Val Tidone und südöstlich von Borgonovo Val Tidone in der heutigen Provinz Piacenza. 170 Zu diesen Ereignissen siehe auch oben, S. 121–124. 171 Es wäre durchaus vorstellbar, dass diese Glocken nicht nur kirchliche Funktionen hatten, sondern auch im Rahmen des Gemeindelebens (Aufruf zu Versammlungen) eine Rolle spielten, vgl. dazu Bordone, Rumori d’ambiente, S. 133–153. 172 Aldo A. Settia hat mir am 1. April 2009 freundlicherweise bestätigt, dass bronne mit Broni unweit westlich von Stradella, Provinz Pavia, zu identifizieren ist.

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Abb. 20 : Darstellung von Schuh- bzw. Stiefelmachern (Inschrift : Hec est colonna cordoanneriorum) an einer der Säulen im Dom von Piacenza, 12. Jahrhundert ; Foto : F. Opll.

beider Städte an ein- und demselben Ort aufeinanderprallten. Gewaltsam wurden nicht nur Abgaben erhoben oder die Arbeit an den Stadtbefestigungen erzwungen, auch die Erhebung von Konsuln lief nicht selten so ab, dass die Ortsbewohner unter Androhung von Gewalt schwören mussten, die Ortskonsuln namens der einen oder der anderen Stadt zu bestellen bzw. von diesen Kommunen bestellte Ortskonsuln anzuerkennen. Zu den Amtsträgern, die in ganz besonderer Weise zur Gewalt neigten und deren Jähzorn noch Jahre nach seinem Tod gefürchtet war, gehörte nach dem Zeugnis mehrerer der 1184 Verhörten der Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino. Guglielmo war ja vielen auch wegen seines dramatischen Todes in der Schlacht von Mombello am 13. Juli 1172 im Gedächtnis geblieben. Selbst ein Piacentiner Zeuge, nämlich Oberto Mocio aus S. Marzano, bezeugt, mit welcher Brutalität und Härte Guglielmo bei der Eingliederung seines Ortes in die Herrschaft der Postadt vorgegangen war :173 Nach einer Phase, da die S. Mar173 Bollea, Nr. 57, S. 178 ff.; ein anderer Piacentiner Zeuge, Andrea de Rodde, gleichfalls aus

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zanesi auf Betreiben ihres traditionellen Ortsherrn, des Abtes von S. Sepolcro zu Pavia, sich der Herrschaft der Ticinostadt untergeordnet hatten, und dies habe sich in der Ära des Piacentiner Podestà Arnold Barbavaria zugetragen, sei – so Oberto Mocio – mehrere Jahre später Guglielmo de Malvicino persönlich im Ort erschienen und habe hier gewaltsam Ortskonsuln »gemacht«. Erzürnt habe Guglielmo die Bewohner des Ortes damals vor die Wahl gestellt, sie könnten entweder unter der Herrschaft des Paveser Heiliggrabklosters bleiben und sich von diesem gegen Pavia in Schutz nehmen lassen, oder sie müssten sich eben Piacenza unterordnen. Dass Guglielmo so vorzugehen pflegte, das bestätigte auch der S. Marzaneser Ortspriester Guido in seiner Aussage :174 Es sei in den Jahren nach dem Wiederaufbau von Mailand und vor der Belagerung von Alessandria, das Guido im Übrigen als »Pavese« mit dem Namen Palea bezeichnet, also zwischen 1167 und 1174/75, gewesen, als Guglielmo in S. Marzano erschienen sei, die Ortsbewohner im dortigen Konversenhaus zusammengeholt und ihnen befohlen habe, sich seinen Befehlen zu fügen. Als sich dort einige ausdrücklich dieser Anordnung nachzukommen weigerten, habe Guglielmo seinen Stab – wohl das Zeichen seiner Herrschaftsbefugnisse – zur Hand genommen und erklärt, er werde denjenigen, die sich weigerten, mit diesem Stab den Schädel einschlagen. Darauf hätten sich alle gefügig gezeigt. Nach der Erinnerung des Ortspriesters sei dies das erste Mal gewesen, dass Piacenza in S. Marzano die lokalen Konsuln bestellt habe. Die Geschichte des Priesters lässt sich zeitlich sehr exakt einordnen, muss sie sich doch in jedem Fall vor dem Tod des Guglielmo de Malvicino in der Schlacht zu Mombello im Juli 1172 zugetragen haben. Gewalt und Terror betrafen die Leute unserer Orte somit häufig, ja immer wieder, und dennoch können sie nicht als für ihr alltägliches Leben ausschließlich bestimmend angesehen werden. Beides, Gewalt wie Terror, trat fallweise und anlassbezogen in ihr Leben ein, hatte auf ihr Gedächtnis eine zumindest ebenso prägende Wirkung, wie sich dies auch im Zu-

S. Marzano, spricht ebenfalls von der Gewaltherrschaft des Guglielmo de Malvicino, datiert dies jedoch in die Zeit vor der Zerstörung von Mailand, was eher wenig wahrscheinlich ist (Bollea, Nr. 57, S. 180 f.). 174 Bollea, Nr. 50, S. 112.

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sammenhang mit Berichten der Historiographie über »große Ereignisse« feststellen lässt. Das alltägliche Leben in Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano war von wirtschaftlichen Tätigkeiten bestimmt, die wohl nur schwer Ergebnisse erbrachten, welche über die Existenzsicherung weit hinaus reichten. Und dies machte es zugleich schwer, den Forderungen der Herrschaft nach der Entrichtung von Abgaben nachzukommen. Von den Wirtschaftsformen, die hier im Vordergrund standen, war bereits die Rede, sodass hier nur abermals auf das Vorherrschen bäuerlicher Lebensformen zu verweisen ist. Ob daher die unter den Zeugen genannten Personen, die ein Studium absolviert hatten – anzuführen sind der Paveser Zeuge Ardizzone magister, der für Piacenza testierende Rinaldo magister aus S. Marzano und wohl auch der Piacentiner Zeuge Ansaldo doctor, aber auch weitere, in den Aussagen genannte Personen, wie der Parpaneser Ortskonsul Notar Rainaldo und ein Notar Amizo, gleichfalls aus diesem Pfarrort175 –, ihren »Lebensmittelpunkt« tatsächlich in den Orten des Contado hatten, oder ob es sich bei ihnen um Personen aus den beiden Kommunen selbst handelte, die in der einen oder anderen Form mit diesen Orten in Verbindung standen, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Schließlich zählten auch Geistliche zu den Mitgliedern der örtlichen Gesellschaft, wie dies für den namentlich bekannten und auch testierenden Ortspriester Guido von S. Marzano sowie einen nur anonym erwähnten Priester von Mondonico176 gilt. Aus Olubra, dem für Mondonico zuständigen Pfarrort, erfahren wir von einem Erzpriester,177 ein Erzpriester namens Ricardo178 ist auch für den einzigen Pfarrort der quinque loci, Parpanese, nachweisbar. Pfarrer, die für die Bewohner unserer Orte von Bedeutung waren, gab es darüber hinaus jedenfalls in Olubra, wohin die Mondonicesi gehörten, und in Rovescala, wo die für die S. Marzanesi zuständige Pfarrkirche war. Mit den Kirchen – seien es nun die in den fünf Orten bestehenden Gotteshäuser, unter denen nur das in Parpanese Pfarrrang bekleidete, oder auch die Pfarrkirchen in Olubra und Rovescala – waren ganz offenkundig die wenigen 175 Siehe dazu neben der alphabetischen Liste der Zeugen in Anhang ii (S. 229 ff.) auch Bollea, Nr. 47, S. 97, und Nr. 54, S. 149. 176 Bollea, Nr. 51, S. 127. 177 Bollea, Nr. 51, S. 127 ; vgl. Nr. 58, S. 187 und S. 193. 178 Bollea, Nr. 54, S. 152.

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freudigen, freilich auch so manche traurigen Aspekte der Lebensführung der Einwohner von Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano verbunden. Zu Taufen wie zu Begräbnissen begaben sich die Menschen in ihre Pfarrkirchen. Hinweise auf die Existenz eigener Ortskirchen in den Orten, die zu auswärtigen Pfarren gehörten, wie auch der Nachweis dafür, dass man für S. Marzano das Chrisam aus der Pfarrkirche in Rovescala holte, sind wahrscheinlich so zu interpretieren, dass der sonntägliche Gottesdienst bisweilen (auch) in diesen Gotteshäusern zelebriert zu werden pflegte. Von Festen, feierlichen Zeremonien, feierlich begangenen Anlässen, gar von Vergnügungen dieser Menschen im Contado wissen wir sonst nichts. Die wenigen Höhepunkte des Lebens, die für dessen positive Seite zu vermerken sind, waren im Kontext des religiös-kirchlichen Lebens angesiedelt. Selbst der Gang zum sonntäglichen Gottesdienst – darauf war die mehr als karg bemessene Zeit einer gewissen Erholungs- und Ruhepause beschränkt – unterlag einem für die Epoche charakteristischen recht strengen Reglement. So weiß der für Pavia testierende Zeuge Calvo de Clauso aus Olmo zu berichten, dass die um Olmo herum lebenden Menschen, die uicini ulmi, in wohl geordnetem Zug, einer nach dem anderen, an Sonntagen bei der Messe ihr Opfer in der Höhe von einem Paveser Pfennig, einer Kerze und einem Brot gaben.179 Selbst die Bestellung der Ortskonsuln – ein Ereignis, das nicht selten von herrschaftlichen Gewaltmaßnahmen begleitet war – kann nicht als solch ein festlicher, gar freudiger Höhepunkt im Ortsleben gesehen werden. Die levatio der Konsuln verlief im Regelfall unter Zwang, bisweilen sogar tumultuös, und auf eine auch nur einigermaßen feierliche Gestaltung solch einer Zeremonie, wie sie in den großen Kommunen offenbar doch eher üblich war,180 weist praktisch nichts hin. Ein beschwerliches, ein schweres, ein hartes Leben – so sah der Lebensbogen bezogen auf das Individuum aus. Sich in diesen 179 Bollea, Nr. 53, S. 138 : … quod uicini ulmi unus post alium ordine in dominicis diebus faciunt caritatem ecclesie et dant pro caritate unum denarium papie et unam candelam et unum panem et dant de uitulo cum oritur unum denarium papie … 180 Der Paveser Zeuge Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano erinnerte sich daran, wie sein Vater und ein gewisser Isembardo einst – jedenfalls vor dem Jahr 1167 – in der Bischofskirche S. Siro zu Pavia zu Ortskonsuln von S. Marzano namens der Ticinostadt erhoben wurden, Bollea, Nr. 53, S. 140.

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Verhältnissen zurechtzufinden, unter solchen Rahmenbedingungen sein Leben zu führen, ja zu fristen, das muss alles andere als einfach gewesen sein. Dennoch gab es gar nicht so wenige alte Menschen in den Orten, die zum Zeitpunkt der am Sitz der Kommune Pavia am 14. und 15. November 1184 gemachten und protokollierten Zeugenaussagen auf eine Vergangenheit von bis zu 60 Jahren zurückblicken konnten, somit wohl bereits ihr achtes oder gar neuntes Lebensjahrzehnt erreicht hatten. In Mondonico, in Monticelli, in Olmo, in Parpanese und in S. Marzano – in all diesen Orten gab es Menschen, die den so schwierigen Lebensbedingungen zu trotzen verstanden, die es auf die eine oder andere Weise schafften, den Unbilden herrschaftlicher Forderungen wie auch den wohl nicht immer einfachen klimatischen Gegebenheiten in diesen Landstrichen standzuhalten.

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Die Art und Weise wie zugleich die Häufigkeit, mit der die am 14. und 15. November 1184 im Palazzo Comunale zu Pavia verhörten 80 Männer eine Vielzahl an »großen« politischen Ereignissen aus ihrem persönlichen Lebensbogen als maßgebliche Fixpunkte ihrer persönlichen Erinnerung anführten, wirft die Frage auf, wie es um diesen »großen« politischen Rahmen bestellt war. Ein tiefer gehendes Verständnis der Lebenssituation dieser Menschen ist nur dann möglich, wenn dieser äußere politische Rahmen auch für die vorliegende Studie eingehender skizziert wird. Tatsächlich waren die Geschehnisse der – wenn man so will – »großen« Politik der Epoche selbst für diese außerhalb der eigentlichen Schauplätze der Politik, im Contado, lebenden Menschen gar nicht so weit entfernt. Angesichts der hohen Bedeutung der auf die Lombardei konzentrierten politischen Maßnahmen der Reichsgewalt waren die Menschen in Mondonico, Monticelli, Olmo, Pavese und S. Marzano immer wieder ganz unmittelbar mit Maßnahmen der staufischen Politik konfrontiert. Intention der nun folgenden Ausführungen ist es im Wesentlichen, eine auf die beiden Kontrahenten des Herbstes 1184, die Kommunen Pavia und Piacenza, abgestellte Entwicklungsgeschichte der italienischen Reichspolitik unter Friedrich Barbarossa zu geben. Tatsächlich handelt es sich ja gerade bei diesen historischen Prozessen um einen ganz zentralen Aspekt dessen, was bis zur Gegenwart die Faszination des ersten Kaisers aus staufischem Hause ausmacht. Friedrich I. Barbarossa, der ohne jeden Zweifel zu den Herrscherpersönlichkeiten der mittelalterlichen Geschichte zählt, die noch heute, und das in tatsächlich weiten Kreisen des interessierten Publikums, bekannt sind, ja, »die man kennt«, hat insbesondere seit dem 19. Jahrhundert eine den jeweiligen Zeitumständen angenäherte, ja angepasste aktuelle politische, sogar ideologische Konnotation erfahren. Dies ist nicht nur im Zusammenhang

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mit der nationalsozialistischen Ideologie der 1930er- und 1940er- Jahre1 zu belegen und zu greifen, das galt schon in ganz besonderer Weise für den Prozess der italienischen Staatswerdung im Risorgimento, ist aber durchaus auch im Umfeld gegenwärtiger politischer Strömungen nicht unbekannt.2 Solche hier nur knapp eingefügten Verweise sollen und können von unserem eigentlichen Interesse freilich nicht ablenken : der Beschäftigung mit den tatsächlichen Bedingungen, unter denen Menschen im Contado-Gebiet zwischen Pavia und Piacenza in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts lebten. Und dennoch – sie sind aus dem Erklärungsansatz für die Faszination, welche gerade diese Epoche bis heute besitzt, nicht wegzudenken. Die politische Situation südlich der Alpen hatte um die Mitte des 12. Jahrhunderts einen Status erreicht, der ohne die großen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und auch religiösen Veränderungen seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert nicht zu verstehen ist. Die Herrschaft des aus dem regnum Theutonicum stammenden Kaisers hatte insbesondere während der salischen Epoche eine Reihe dramatischer Krisen durchlebt, Krisen, die in ganz besonders prägnanter Weise stets auch die Grundlagen der Herrschaft im Süden des Alpenbogens erschütterten. Selbstverständlich trug der Investiturstreit mit seinen so schweren politischen Verwerfungen im Hinblick auf das bislang maßgebliche Prinzip, herrschaftliche Maßnahmen auf der festen Grundlage der Einflussnahme auf die Besetzung der bischöflichen Positionen durchzusetzen, auch im deutschen Reichsgebiet zu einer nachhaltigen Verringerung von Macht und Durchsetzungsvermögen des Reichsoberhaupts bei. Südlich der Alpen verband sich dies aber zugleich mit ganz besonders dynamischen, tief greifenden religiös-sozialen Veränderungen. Dabei ist etwa auf die gesellschaftliche Bewegung der von der lombardischen Metropole Mailand ausgehenden »Pataria« hinzuweisen. Deren Anhänger, der niedere Klerus ebenso wie die – insbesondere, aber nicht nur – städtische Bevölkerung, kämpften vehement gegen solch eine Art der Verfügung der weltlichen Gewalt über Bischofssitze an.3 Eine anhaltende Schwäche der Reichsgewalt 1 Seinen deutlichsten Ausdruck findet dies insbesondere in der Bezeichnung des Russland-Feldzugs im Zweiten Weltkrieg als »Unternehmen Barbarossa«. 2 Eine grundsätzliche Stellungnahme dazu durfte ich im Rahmen eines Zeitungsartikels in der Zeitung »Il Sole 24 Ore« im Sommer 2008 abgeben, vgl. Opll, Barbarossa e camicie verdi. 3 Vgl. dazu Zumhagen, Pataria.

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– die epochale Auseinandersetzung mit dem Papsttum konnte letztlich erst im Wormser Konkordat des Jahres 1122 gelöst werden –, parallel dazu ein sozialer wie wirtschaftlicher, bald auch politischer Aufstieg neuer Gesellschaftsschichten im regnum Italie trugen entscheidend dazu bei, dass sich insbesondere das Bürgertum Italiens vermehrt in Szene zu setzen vermochte. Es kam zur Entfaltung der kommunalen Bewegung. Ohne diese Entwicklung allein oder gar ausschließlich am Nachweis des Aufkommens eines konsularischen Regiments festmachen zu wollen, eines bleibt in jedem Fall klar : Die frühen Nennungen von consules in einer Stadt4 – bzw. auch außerhalb derselben bei Gemeindebildungen innerhalb städtischer Landgebiete5 – stellen in jedem Fall höchst bedeutsame Indizien, regelrechte Leitfossile für eine Beobachtung all dieser Wandlungen dar. Nach dem Tod Heinrichs V., zugleich dem Aussterben der salischen Dynastie, war es interessanterweise der staufische Gegner des 1125 neu gewählten Königs Lothar III., Konrad, der versuchte, sich mittels Eingreifens in der Lombardei, man müsste wohl besser von einem politischen Zusammengehen mit lombardischen Kräften sprechen, eine bessere Ausgangsposition in dem mittlerweile ausgebrochenen Konflikt mit Lothar6 zu schaffen. Noch in der zweiten Hälfte der 1120er-Jahre gelang es dem späteren Konrad III.,7 dem Onkel und Vorgänger des ersten Stauferkaisers, sich just in Mailand zum rex Italie krönen zu lassen. Es konnte freilich überhaupt keine Rede davon sein, dass dies auch nur bescheidene politische Konsequenzen gehabt hätte. Weder war damit eine Unterstellung von lombardischen Kommunen unter das Reich verbunden noch ergaben sich daraus irgendwelche sonstigen Folgewirkungen, die sich für die staufischen Avancen günstiger hätten auswirken können. Das Reich war – trotz der Italienzüge Lothars III. – keine maßgebliche Kraft im Süden der Alpen (mehr), und dies sollte sich unter dem 1138 gewählten Konrad III., dem ersten König aus staufischer Familie, noch wei4 Eine Übersicht dazu bei Opll, Stadt und Reich, S. 565. 5 Und dafür bieten ja nicht zuletzt die im Rahmen dieser Studie behandelten Orte an der Grenze des Paveser und Piacentiner Contado gute Beispiele, siehe dazu oben, S. 71 ff. 6 Die Quellen zur Regierungszeit Lothars III. sind erfasst bei B.-Petke, Reg. Imp. 7 Die Quellen zur Regierungszeit Konrads III. sind erfasst bei B.-Niederkorn-Hruza, Reg. Imp.

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ter verschärfen. Als Befund ist festzuhalten, dass sich die Entwicklung in der Lombardei, und um diesen Kernraum des regnum Italie geht es hier ja im Speziellen, de facto reichsfern, in jedem Fall kaum von politischen Willensäußerungen des Reiches gesteuert oder auch beeinträchtigt vollzog. Und an diesem Befund vermögen auch die wenigen peripheren, vorübergehenden Eingriffe des Reiches, im Wesentlichen in Form von Privilegienerteilungen,8 nichts zu ändern. Zugleich – und das ist an dieser Stelle mit Nachdruck hervorzustreichen – war es diese Epoche vom späten 11. Jahrhundert bis um etwa 1150, in der die Kommunebildung eben auch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung sondergleichen führte, ein Aufschwung, der aus der Sicht der obersten Reichsgewalt praktisch ohne irgendeine Möglichkeit ablief, davon in irgendeiner Form zu profitieren. Wenn wir diese allgemein gehaltenen Bemerkungen und Hinweise fortan stärker auf die Geschichte der beiden Städte Pavia und Piacenza fokussieren, dann soll sich der Blick im Folgenden abwechselnd auf die eine und dann wieder auf die andere Stadt richten : Die Stadt am Ticino, Pavia,9 lebte um die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert in einem Herrschaftsdreieck, das nach deutlichem Rückgang der Einflussnahme des Königtums – wesentliche Daten bzw. Ereignisse waren dabei schon die Erhebung gegen Heinrich II. im Jahre 1004 und zwanzig Jahre später die Zerstörung der innerstädtischen Kaiserpfalz gewesen – vom aufstrebenden Bürgertum, noch immer dem königlichen Pfalzgrafen und, sehr viel weniger markant, dem Bischof der Stadt bestimmt war. Erste Nachweise für die Existenz einer konsularischen Stadtregierung datieren aus dem ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts. Als politische Konstante konnte über die Zeiten hinweg im Regelfall der Gegensatz zur Lombardenmetropole Mailand gelten, Allianzen mit dieser Stadt waren selten und im Regelfall ganz spezifischen Konstellationen geschuldet. Geradezu als symptomatisch kann die Entwicklung unter Lothar III. gelten, als die Ticinostadt sich kaum

8 Vgl. dazu die Ausführungen zu den einzelnen Städten des regnum Italie bei Opll, Stadt und Reich, S. 178–480. 9 Zur Paveser Geschichte im behandelten Zeitraum ist zu verweisen auf : Vaccari, Pavia, Opll, Stadt und Reich, S. 366–376, sowie Storia di Pavia, Vol. iii/1.

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aus besonderer »Reichstreue« gegen den staufischen Gegenkönig Konrad wendete. Vielmehr war dafür ohne jeden Zweifel maßgeblich, dass Konrad sich just in Mailand und eben nicht am traditionellen Ort, in der Michaelskirche zu Pavia, zum rex Italie hatte krönen lassen. Als sich im Gefolge von Bemühungen Bernhards von Clairvaux wenige Jahre später das Verhältnis des Reichs, d. h. Lothars III., zu Mailand nachhaltig zum Besseren wandte, war dies für die Stadt am Ticino fatal. Lothar ging gegen Pavia mit Waffengewalt vor, und die Stadt musste ihren Widerstand gegen das Reichsheer mit 2.000 Pfund Strafe büßen. Wenngleich also die Verhältnisse immer wieder schwankten, darf dennoch festgehalten werden, dass man im Regelfall von einem beständigen Gegensatz Pavias gegenüber Mailand ausgehen durfte, was im Kontext des mailändischen Antagonismus gegenüber Städten wie Cremona oder Lodi in gewisser Weise zwei Parteien unter den lombardischen Kommunen entstehen ließ. Diese Parteien waren freilich nicht in Erz gefügt, konnten je nach Situation und Gunst wechseln und wurden insbesondere von Eingriffen der Reichsgewalt immer wieder regelrecht »durchgemischt«. Zu der »mailändischen« Gruppe unter den lombardischen Kommunen zählte in der hier in Rede stehenden Epoche zwischen 1100 und 1150 in großer Beständigkeit die Gegnerin Pavias in der 1184 gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung um die Herrschaft über die quinque loci an der Grenze der beiden Contadi : die Postadt Piacenza.10 Anders als für Pavia bildeten für Piacenza noch im frühen 12. Jahrhundert auch der lokale Bischof wie – bis zu ihrem Tod im Jahre 1115 – Markgräfin Mathilde von Tuszien11 maßgebliche politische Faktoren. Dass angesichts dieser Verhältnisse der letzte salische Kaiser sogar den direkten Kontakt mit den neu aufkommenden städtischen Kreisen in Piacenza suchte, nimmt wenig wunder ; und es kann auch nicht weiter erstaunen, dass diese neuen sozialen Schichten in der Postadt sich insbesondere in den 1120er Jahren machtvoll in Szene zu setzen wussten. Eindrucksvolles Zeugnis davon gibt insbesondere die Errichtung des neuen 10 Zur Piacentiner Geschichte im behandelten Zeitraum ist zu verweisen auf : Güterbock, Piacenzas Beziehungen, Ders., Alla vigilia, Racine, Plaisance, Storia di Piacenza, Vol. II, sowie Opll, Stadt und Reich, S. 376–384. 11 Zu Mathilde vgl. jetzt den Katalog zu der 2008 in Mantova gezeigten Ausstellung : Salvarani – Castelfranchi, Matilde di Canossa.

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Piacentiner Doms ab dem Jahr 1122. Lothar III. begegnete dem mit seiner Gegnerin Cremona in guten Beziehungen stehenden Piacenza mit Waffengewalt, aber auch mittels Erteilung von die Wirtschaftsinteressen der Stadt schädigenden Privilegien, insbesondere für das Kloster S. Giulia in Brescia. Diese altehrwürdige Abtei konnte damals mit kaiserlicher Unterstützung die Bestätigung des Besitzes des Piacentiner Pohafens erlangen, eine wirtschaftliche Konstellation, die in der Folge geradezu ein Leitthema für die Geschichte der Postadt während des gesamten 12. Jahrhunderts darstellen sollte.12 Unter Konrad III. sollte dann die Postadt auffälligerweise den direkten Kontakt zum König suchen. Sie ließ sich ein Münzprivileg ausstellen. Dennoch blieb der erste staufische König nicht mehr als eine Randfigur für die städtischen Geschicke in dieser Epoche. Im Hinblick auf beide Städte alles andere als unwichtig, gar nebensächlich, ist auch ein kurzer Blick auf die kirchlichen Gegebenheiten, die gleichfalls von Brüchen und Schwankungen in ihrer Konsistenz geprägt waren. In beiden Fällen, am Ticino wie am Po, waren die Maßnahmen der Städte insbesondere im Hinblick auf den Aufbau städtischer Herrschaft über den Contado äußerst erfolgreich. Die bischöfliche Verfügungsgewalt über die vom territorialen Standpunkt her in einer engen Wechselwirkung mit dem Contado stehende Diözese vermochte dieser Entwicklung keinen Abbruch zu tun, gar Widerstand entgegenzusetzen. Dazu trat noch das interessante Phänomen, dass sowohl Pavia wie auch Piacenza ihrer kirchlichen Zuordnung nach nicht zu der sonst im lombardischen Raum tonangebenden Metropole Mailand zählten. Pavia gehörte schon seit dem 7. Jahrhundert nicht zum mailändischen Metropolitanverband, sondern unterstand unmittelbar dem Heiligen Stuhl. Piacenza wiederum war bereits beim Konzil von Guastalla (1106) von Papst Paschal II. aus der Oberhoheit von Ravenna gelöst worden, doch hatte Eugen III. dies 1148 wieder rückgängig gemacht. Neuerliche Spannungen ließen nicht lange auf sich warten. Schließlich unterstellte Hadrian IV. das Bistum unmittelbar der päpstlichen Obödienz. Der Regierungsantritt des Neffen Konrads III., des Schwabenherzogs Friedrich, sollte die politische Landkarte des Reiches, und dabei gerade auch der Lombardei, binnen weniger Jahre völlig neu gestalten. Dass der neue 12 Dazu Güterbock, Piacenzas Beziehungen.

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König13 von allem Anfang an das regnum Italie in sein Blickfeld einbezog, lässt sich bereits an den während seiner ersten Regierungsmonate ausgestellten Diplomen gut ablesen. Wie rasch es auch den lombardischen Städten bewusst wurde, dass eine neue Zeit angebrochen war, lässt sich vor der tatsächlichen Präsenz14 des Staufers im Süden der Alpen ab dem Herbst 1154 freilich schwer beurteilen. Spätestens dann, ab Oktober/November 1154, musste es aber den italienischen Untertanen des Reiches klar werden, dass man sich nun nicht mehr mit einem Reichsoberhaupt konfrontiert sah, das weit weg und letztlich ohne Wirkung war bzw. nur fallweise präsent und vielfach nicht mehr als ein Spielball lokaler Kräfte. Offenbar sehr rasch verstand es Barbarossa,15 das unzweifelhaft gegebene, markante Informationsdefizit betreffs der Verhältnisse im Süden des Alpenbogens abzubauen. Mochte man den ersten Italienzug dieses Mannes, der ja letztlich auf die Krönung zum Kaiser in Rom abzielte und kaum mehr ermöglichte, als eine erste Kenntnisnahme der lombardischen Szene, in dieser Hinsicht noch als eine erste Phase

13 Um die im Folgenden gebotenen Ausführungen nicht mit einer Fülle von Einzelnachweisen versehen zu müssen, seien an dieser Stelle einige grundlegende Hinweise geboten : Die Aufarbeitung der Überlieferung zur Epoche Friedrich Barbarossas kann als ganz hervorragend gelten. Die von ihm erteilten Urkunden, seine Diplome, liegen seit 1990 abgeschlossen in der von Heinrich Appelt betreuten Diplomata-Ausgabe der Monumenta Germaniae historica vor (mg.ddf.i.), die Gesamtheit der Quellen zu Barbarossas Zeit, damit also auch die Historiographie sowie Hinweise in diversen nichtkaiserlichen Urkunden, werden im Rahmen der chronologisch demnächst mit Band 4 abgeschlossenen Bearbeitung der Regesta Imperii (B.-Opll, Reg. Imp.) erfasst. – Zu seiner Städtepolitik vgl. Opll, Stadt und Reich, sowie Ders., La politica cittadina ; zur Biographie des ersten Stauferkaisers vgl. Opll, Friedrich Barbarossa, sowie jetzt auch Laudage, Friedrich Barbarossa ; zur Lega Lombarda bzw. den italienischen Kommunen im Hinblick auf ihr Verhältnis zum ersten staufischen Kaiser vgl. Beiträge bei Maurer (Hg.), Kommunale Bündnisse, sowie bei Lori Sanfilippo (ed.), Federico I Barbarossa e l’Italia ; als Überblick zur gesamten Lombardei in dieser Epoche vgl. Andenna – Bordone – Somaini – Vallerani (edd.), Comuni e signorie nell’Italia settentrionale : la Lombardia. 14 Zum Itinerar des Herrschers vgl. Opll, Itinerar, sowie jüngst die Überlegungen bei Opll, Herrschaft durch Präsenz. 15 Es ist ganz selbstverständlich, dass jedwede Formulierung, »der Kaiser habe dies gemacht, verfügt, angeordnet«, letztlich eine – allerdings literarisch verständliche – Verkürzung darstellt und dabei das persönliche Umfeld des Herrschers, seine Gemahlin ebenso wie seine Ratgeber aus kirchlichen wie weltlichen Kreisen, unbedingt »mitzudenken« ist. Zu den deutschen Ratgebern vgl. etwa Herkenrath, I collaboratori tedeschi.

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ansehen, so sollte sich dies spätestens im Rahmen des zweiten Italienzuges ab dem Frühsommer 1158 nachhaltig ändern. Damit eilen wir freilich der Schilderung der Entwicklung bereits etwas voraus, und es ist zunächst die Frage aufzuwerfen, welche Konsequenzen sich aus diesen ersten Kontaktnahmen, zum Teil auch Begegnungen zwischen dem Reichsoberhaupt und den beiden Städten an Ticino und Po für diese selbst ergaben : Gar nicht zu überschätzen ist das Phänomen der allerersten Begegnung, bisweilen Konfrontation mit den lombardischen Verhältnissen für den Staufer, die für ihn neben der Ausstellung des einen oder anderen Diploms für italienische Empfänger bereits 1152 doch mit der politisch hoch aufgeladenen Szene auf dem Konstanzer Hoftag vom März 1153 verbunden war. Zwei Lodeser Bürger führten dort damals gegen die Übergriffe, denen ihre Stadt vonseiten der Mailänder ausgesetzt war, beredte Klage.16 Der erste Eindruck, den der erst knapp ein Jahr zuvor auf den Thron gekommene Herrscher von Italien erhielt, war der eines ungerechten, ja rechtsbrecherischen Vorgehens der bedeutendsten Stadt dieses Gebietes gegenüber anderen Kommunen. Geradezu selbstverständlich, vielleicht sogar zwangsläufig, ergab sich dabei eine Lage, welche dem König den Weg an die Seite traditioneller MailandGegner wies. Zugleich musste dies aber auch den Städten dieser Partei bzw. Gruppe klarmachen, dass ein Zugehen auf das neu gewählte Oberhaupt des Reiches für sie nur von Vorteil sein konnte. Der gesamte Verlauf des ersten Italienzuges Friedrich Barbarossas (1154– 1155) stand demzufolge im Zeichen politischer Maßnahmen gegen Mailand, damit verbunden zugleich eines markanten politischen Zusammengehens mit dem seit langobardischer Epoche so bedeutsamen Zentralort des Königtums, Pavia. Wiewohl Friedrich die Ticinostadt nicht sofort nach seinem Erscheinen in Italien aufsuchte, sondern erst im April 1155 seinen Fuß auf Paveser Boden setzte, war nicht nur sein Itinerar mit dem Zug durch die Gebiete östlich, südlich und westlich rund um Mailand deutliches Zeichen einer im Letzten von Pavia her durchaus als »propavesisch« zu verstehenden Politik.

16 Vgl. dazu Opll, Friedrich Barbarossa und die Stadt Lodi. – Der jüngst geäußerten Kritik von Laudage, Friedrich Barbarossa, 45–48, an der Zuverlässigkeit von Otto Morenas Bericht über die Klagen der Lodeser in Konstanz vermag ich mich nicht anzuschließen.

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Deutlich zum Ausdruck kam dies während der traditionellen Heerschau auf den Feldern von Roncaglia nordwestlich von Piacenza zu Ende November/ Anfang Dezember 1155. Dieser Aufenthalt musste zugleich den Piacentinern bewusst machen, aus welcher Richtung der politische Wind wehte. Roncaglia bot der antimailändischen Städtegruppe, neben Pavia auch Cremona, Como und Lodi, eine wichtige Bühne zur wirkungsvollen Anprangerung der Mailänder Vorherrschaft.17 Pavia sollte sich in den Wochen danach auch mit militärischen Einheiten an den königlichen Maßnahmen gegen Mailand beteiligen. Der größte Triumph für die Paveser Politik war im Frühjahr 1155 ohne jeden Zweifel die Belagerung und Zerstörung von Tortona. In dieser Bischofsstadt westlich des im Süden des Po gelegenen Paveser Territoriums, des Oltrepò Pavese, war es aus Sicht Pavias höchst gefährlich, wenn sich Mailänder Einfluss zu sehr geltend machte. Die Zerstörung Tortonas – die Bevölkerung hatte zuvor unter Mitnahme von nur wenigen Habseligkeiten abziehen müssen – überließ der König dann den Pavesen. Diese luden ihn einige Tage darauf in ihre Stadt ein, wo er feierlich in S. Michele gekrönt wurde. Es kann somit nicht weiter verwundern, dass dieses Geschehen der Reichsgeschichte im Gedächtnis der Menschen der Lombardei eine derart bleibende Wirkung hatte, dass sie sich noch drei Jahrzehnte später der Zerstörung von Tortona als sogar für ihre persönliche Vita entscheidenden Datums erinnerten. Aus der Sicht von Piacenza war es naheliegend, sich angesichts dieser Entwicklungen am besten möglichst ruhig zu verhalten, nicht dezidiert Position zu beziehen, sondern zu versuchen, diese Zeit unbeschadet zu überstehen. Während man im Fall von Pavia doch sehr markant den Eindruck gewinnt, als habe die Kommune eine sehr geschlossene, einheitliche Politik geführt, ausgerichtet an den Chancen, welche die Maßnahmen des Herrschers eröffnet hatten, sieht dies im Fall der Postadt anders aus : So schloss die Stadt am 19. Juli 1156 ein gegen Pavia und Cremona gerichtetes Bündnis mit Mailand. Das unweit unterhalb von Piacenza am Po gelegene Cremona hatte zu Ende des Krönungszuges Barbarossas größte Vorteile aus der damals ausgesprochenen Ächtung der lombardischen Metropole gezogen. Das Bündnis mit Mai17 Zur Hegemonie der Lombardenmetropole in einem chronologisch etwas breiteren Überblick vgl. Opll, Egemonia, 173–195.

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land entsprach in jedem Fall der pro-mailändischen Konstante in der Piacentiner Politik. Umso auffälliger ist es dann, dass auf einem Hoftag des Kaisers zu Mariä Reinigung (2. Februar) 1157 in Ulm eine Gruppe von Piacentiner Bürgern erschien und mit Erfolg die Unterstützung des Reiches im Hinblick auf die Herrschaft über den Poübergang von Piacenza erbat. Die schon aus den 1130er-Jahren bezeugten Spannungen mit dem Brescianer Julienkloster hatten einige am Handelsleben ihrer Stadt offenkundig maßgeblich beteiligte Piacentiner dazu veranlasst, mitten im Winter den mühevollen und weiten Weg über die Alpen an die Donau zu nehmen – die Mühe hatte sich aber ganz offensichtlich gelohnt. Was im Zusammenhang mit unserem Interesse an der »großen« Geschichte im Hinblick auf die Städte Pavia und Piacenza wichtig scheint, ist der doch markante Unterschied, in welcher Form sich die Städte in Richtung auf das Reich und sein Oberhaupt positionierten : hier, in Pavia, eine grundsätzliche und – soweit zu sehen – auch einheitliche Ausrichtung, dort, in Piacenza, eine bereits in dieser Epoche politisch fragmentierte Lage, bei der einzelne Bürger durchaus eigenständige Interessen gegenüber der Haltung der Gesamtstadt verfolgen konnten. Aus der Sicht des Reiches waren während der drei Jahre zwischen der Rückkehr des neu gekrönten Kaisers nach Deutschland und dem Antritt von dessen zweiten Italienzug im Juni 1158 die italienischen Fragen ganz auf Mailand und dessen Hegemonialpolitik fokussiert. Pavesen wie insbesondere die Bewohner der kleinen Bischofsstadt Lodi am Lambro waren es, die im Rahmen persönlicher Kontaktaufnahmen mit dem in Deutschland weilenden Herrscher Hilfe beim Reich gegen die Mailänder Expansion suchten. Im Juli 1158 erschien Barbarossa dann von Neuem in der Lombardei, und bereits seine erste Maßnahme glich einem wahren Paukenschlag, gerichtet gegen die Lombardenmetropole : Am 3. August 1158 führte er höchstpersönlich die Neugründung von Lodi an einem neuen Standort an der Adda durch.18 Für »unsere« beiden Kommunen, für Pavia wie Piacenza, gestaltete sich die Lage damit völlig unmissverständlich : Die Ticinostadt setzte ganz selbstverständlich ihre am Reich wie dessen Oberhaupt ausgerichtete Politik weiter fort. Sie sollte während dieses vier Jahre währenden Aufenthalts des Staufers 18 Dazu vgl. Opll, Gründer.

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im regnum Italie zahlreiche Belastungen zu tragen haben, freilich zugleich davon aufs Nachhaltigste profitieren. Auseinandersetzungen mit Mailand, von zunehmend offener Feindschaft sowohl der Stadt gegenüber dem Herrscher wie auch umgekehrt geprägt, waren Teil einer politischen Grundkonstellation für die Lombardei, welche den traditionell antimailändisch agierenden Städten, neben Lodi, Cremona, Novara und Como ganz besonders Pavia, nur Vorteile bringen konnten. Sowohl als Aufenthaltsort wie als Austragungsort bedeutender Versammlungen oder auch politischer Verhandlungen, darüber hinaus in diesen Jahren der Kämpfe gegen Mailand ebenso – gemeinsam mit Lodi Nuovo an der Adda – als militärischer Stützpunkt, spielte die Stadt am Ticino eine höchst bedeutsame Rolle. Die Paveser Kommune beteiligte sich mit der Stellung städtischer Kontingente intensiv an der Seite des Kaisers an den zahllosen Gefechten und Schlachten gegen Mailand, und – wie dies die Zeugenverhöre vom November 1184 bestätigen – daran nahmen insbesondere auch Einwohner aus dem Contado persönlich teil oder leisteten finanzielle Zuschüsse zu den Kämpfen. Diese politische Haltung Pavias erstreckte sich auch auf diejenige der städtischen Geistlichkeit, die während der frühen Jahre des 1159 ausgebrochenen Schismas von Klerikern repräsentiert wurde, die fest auf der Seite des kaiserlichen Gegenpapstes standen. Äußerer Höhepunkt im Hinblick auf die enge, durch keinerlei Rupturen geminderte Verbindung zwischen der Ticinostadt und Friedrich Barbarossa (Abb. 21) war ohne Zweifel die mit einer Festkrönung und einem anschließenden Festmahl in der hiesigen Bischofspfalz gefeierte Unterwerfung von Mailand am Ostersonntag des Jahres 1162. Ebenso wie man die Zerstörung Tortonas im Frühjahr 1155 als hohe Auszeichnung für Pavia in den Mauern dieser von der Reichspolitik so sehr profitierenden Stadt begangen hatte, so lief es auch sieben Jahre später nach dem noch ungleich größeren Erfolg des Staufers gegen die Lombardenmetropole ab. Hier, am Ticino, lässt sich unter Friedrich I. auch der Bestand einer in der westlichen Vorstadt von Pavia beim Kloster S. Salvatore gelegenen eigenen Kaiserpfalz nachweisen. Ein deutlicher Gradmesser für die städtische Haltung zum Reich ist ohne jeden Zweifel auch mit der Zusammensetzung des betreffenden konsularischen Gremiums gegeben. Der Staufer hatte im Gefolge der Beschlüsse des

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Abb. 21 : Bernardo Cane, Porträt Kaiser Friedrich Barbarossas (Ausschnitt), um 1580. Archivio notarile zu Pavia ; Foto : F. Opll.

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Reichstages von Roncaglia, den er im November 1158 wie schon vier Jahre zuvor unweit der Stadt Piacenza zusammengerufen hatte, in den lombardischen Städten die Einsetzung von kaiserlichen potestates (Podestà) angeordnet. Dieser Anordnung hatten Cremona, Pavia, Piacenza und Lodi Nuovo Folge geleistet, während sich Mailand dagegen heftig zur Wehr setzte. Leider ist für die Jahre 1159–1162 nur zu 1159 Opizo Buccafol, und dies zudem ausschließlich in den im Zentrum unserer hier vorgelegten Studie stehenden Zeugenverhören des Jahres 1184, als städtischer Amtsträger der Ticinostadt zu belegen.19 Opizo wird dabei als consul bezeichnet, nicht als potestas, sodass wir letztlich nicht sicher sagen können, ob dieser terminologisch-konstitutionellen Präzisierung des städtischen Regiments in der Lombardei tatsächlich auch in Pavia Folge geleistet wurde. In jedem Fall kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich auch an der Paveser Verfassungsentwicklung dieser Jahre deutlich zeigte, in welch hohem Ausmaß die städtische Politik mit den Intentionen des Staufers deckungsgleich war. So hat etwa auch Ezio Barbieri unter Hinweis auf eine Reihe von ungedruckten Urkunden zeigen können, dass das in der Ticinostadt bestehende eigene Gremium der Justizkonsuln in den Jahren 1162, 1164 und 1165 vom Kaiser eingesetzt wurde.20 Nach dem Triumph über Mailand wählte Friedrich Barbarossa dann eine weiter differenzierte, gegenüber den Verhältnissen ab dem Jahr 1158 in manchem deutlich strengere Vorgangsweise gegenüber den Städten : Kommunen, die sich bis 1162 gegen ihn gestellt hatten, darunter Brescia, Bergamo, Ferrara, Parma, interessanterweise Como, und selbstverständlich auch die aus ihrer Stadt vertriebenen Mailänder unterstellte er deutschen Persönlichkeiten aus weltlichem wie geistlichem Stand, den Cremonesen, Pavesen und Lodesen sowie einigen weiteren, namentlich nicht bekannten Städten erlaubte er dagegen, dass sie (wieder) von ihren eigenen städtischen Konsuln regiert wurden.21 Piacenza, das bei diesen Maßnahmen vom Mai 1162 nach einem regelrechten Unterwerfungsvertrag mit dem Staufer so wie die anderen Mailänder 19 Vaccari, Lista consoli, S. 4. – Zur Problematik der von Vaccari erstellten Verzeichnisse siehe bereits oben, S. 60. 20 Barbieri, Notariato, S. 37 mit Anmm. 103 und 104 (ab imperatore constitutus/constituti). – Gegen Barbieri ist allerdings hervorzustreichen, dass es nicht erst 1157, sondern schon 1145 Justizkonsuln in Pavia gab, vgl. dazu Bollea, Nr. 16, S. 24. 21 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1076.

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Verbündeten einem deutschen Amtsträger der Reichsverwaltung unterstellt wurde, hatte in diesen vier Jahren des zweiten Italienzuges Barbarossas eine in vieler Hinsicht bewegte Phase seiner Geschichte erlebt. Wie schon zuvor ausgeführt, hatte die Postadt 1156 ein Verteidigungsbündnis mit Mailand abgeschlossen, hatte dann aber im Zuge der Vorbereitung des erneuten kaiserlichen Kommens in die Lombardei das Lager gewechselt und mit den beiden Abgesandten des Kaisers, mit Rainald von Dassel und Otto von Wittelsbach, eine Allianz gegen die Lombardenmetropole geschlossen.22 Ganz offenbar schien es den Vertretern der Stadt damals dringend angeraten, sich angesichts des bevorstehenden hohen militärischen Drucks vonseiten des Reiches von Mailand abzusetzen. Dieser Schwenk war allerdings eben nur unter Druck zustande gekommen, entsprach der grundsätzlichen politischen Haltung von Piacenza in keiner Weise. Schon bei dem zwei Monate nach der Kapitulation Mailands gegenüber dem Reich abgehaltenen Reichstag von Roncaglia im November 1158 führte eine zum Nachteil Piacenzas getroffene Entscheidung Barbarossas in einem Streit mit Cremona von Neuem zu einer spürbaren Absetzbewegung der Postadt vom Reich. Solch eine Entscheidung gegen die (territorial-)politischen Interessen der Kommune hatte der Kaiser schon früher in diesem Jahr mit einer am 3. September 1158 ausgestellten Urkunde getroffen. Noch während der letzten Tage seines militärischen Vorgehens gegen Mailand, das sich ihm fünf Tage danach, am Fest Mariä Geburt 1158 (8. September), schließlich unterwerfen musste, hatte Barbarossa nämlich das Paveser Kloster S. Sepolcro in einem Diplom von jeglichen Abgaben an die Piacentiner und deren Ritter von Fontana befreit, und dabei stand ausdrücklich die Herrschaft der Abtei über S. Marzano im Zentrum, einen der fünf Orte in unseren Zeugenverhören von 1184.23 Im Spätherbst 1158 akzeptierte die Postadt in Roncaglia zunächst noch die in Befolgung der auf dieser Reichsversammlung ergangenen Beschlüsse durchgeführte Einsetzung kaiserlicher Podestà. Ein genauerer Blick auf die namentlich bekannten Piacentiner Podestà des Jahres 1159 zeigt jedoch, dass sie nicht nur neben, sondern in Übereinstimmung mit Konsuln auftraten, die 22 B.-Opll-Mayr, Reg. Imp. 1, Nr. 549. 23 mg.df.i. 225 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 582.

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bereits im Vorjahr, also noch vor dem Reichstag von Roncaglia, in ihrer Stadt tätig gewesen waren.24 Ganz offenkundig lieferte man seitens Piacenzas eine Art von Rückzugsgefecht gegenüber den Ambitionen der staufischen Reichsverwaltung und der Ausweitung der kaiserlichen Zugriffsmöglichkeiten auf die politische Positionierung der Stadt. Man zeigte sich zwar der Anordnung zur Einsetzung kaiserlicher potestates gegenüber gefügig, befolgte aber den in ebendiesen Wochen, zu Anfang des Jahres 1159 ergangenen Befehl des Herrschers zur Schleifung von Teilen der Befestigung wie zur Einebnung der Stadtgräben nur noch äußerst schleppend und widerwillig. Im Frühjahr wurde die schwere Krise und der Beginn des Abfalls der Postadt vom Staufer dann offenbar : Barbarossa feierte am 5. April den Palmsonntag in Piacenza, weilte damals zum ersten Mal überhaupt innerhalb der Stadt selbst. Die Lage war außerordentlich gespannt. Von einer Auszeichnung der Stadt durch einen persönlichen Besuch des Reichsoberhaupts kann keine Rede sein. Vielmehr war Friedrich ganz bewusst wegen diverser Machenschaften der Piacentiner und deren Ahndung in deren Stadt gezogen, demonstrierte die Macht des Reiches gegenüber der widerspenstigen Kommune. Wenngleich sich noch für den 23. April ein Nachweis für Amtshandlungen der in Piacenza amtierenden kaiserlichen Podestà erhalten hat, hatte sich die Situation gleichwohl spätestens damals wieder dramatisch in ihr Gegenteil verkehrt. Bereits am 16. April war im Lager der Reichstruppen im Gebiet von Bologna die Acht über Mailand verhängt worden, zu Anfang Mai tagte erneut ein Hoftag zu Roncaglia, und in den Wochen darauf setzten die eigentlichen Kampfhandlungen ein. Bezeichnenderweise – und dies sei im Vergleich mit den Gegebenheiten in Pavia hier eingefügt – spiegelt sich das Abrücken vom Reich nicht zuletzt auch in der Haltung der Piacentiner Geistlichkeit. Am deutlichsten kommt dies darin zum Ausdruck, dass sowohl Bischof Ugo von Piacenza als auch die Konsuln dieser Stadt auf der im Juni 1161 in Lodi tagenden Synode, einem der frühen Höhepunkte in dem 1159 ausgebrochenen und das Reichsgeschehen bis zum Jahr 1177 maßgeblich prägenden Schisma, exkommuniziert wurden. Während sich die militärischen Maßnahmen des Kaisers vom Sommer 1159 bis in die ersten Wochen 1160 auf die Belagerung der Festung Crema 24 Opll, Potestates.

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konzentrierten, scheint sich Piacenza aus diesen Auseinandersetzungen weitgehend herausgehalten zu haben. Vorteile dürfte die Postadt nicht zuletzt aus ihrer Schutzlage im Süden des großen Stroms gezogen haben. Die Piacentiner errichteten zwar just zu dieser Zeit, 1160, eine Brücke über den Po, doch erfolgte dies in Form einer Schiffsbrücke, die den Vorteil bot, rasch abgeschlagen und danach wieder errichtet werden zu können. Der Kaiser musste dies zweimal verärgert zur Kenntnis nehmen, als es ihm nämlich bei zwei gegen Piacenza vorgetragenen Angriffen vom August und Oktober 1160 nicht gelang, trotz der Unterstützung durch Cremonesen, Lodesen und Pavesen wie auch durch Adelige, ja sogar unter Einsatz der Paveser Flotte, die Piacentiner Pobrücke zu zerstören. In der Erinnerung der 1184 verhörten Zeugen spielten jedenfalls obsidio ebenso wie destructio Mediolani, damit die im einzelnen nicht mehr genauer im Gedächtnis gebliebenen Geschehnisse des mehrjährigen Kampfes eine große Rolle, und dies galt für Paveser Zeugen ebenso wie für Piacentiner. Anders als für die Ticinostadt, die mit dem Triumph über Mailand auch einen Höhepunkt ihrer eigenen politischen Wirksamkeit erlebte, waren die Ereignisse des Frühjahrs 1162 für die Stadt am Po nicht anders denn als desaströs zu bezeichnen. Nur wenige Wochen nach der Kapitulation der Mailänder musste sich auch Piacenza im Mai 1162 dem Kaiser unterwerfen. Die Postadt wurde damals zur Schleifung der Befestigungen, zur Annahme eines oder mehrerer kaiserlicher Podestà als Stadtregenten und insbesondere zu hohen finanziellen Leistungen verurteilt. Anders als die Mailänder mussten die Piacentiner ihre Stadt allerdings nicht verlassen. Piacenza sollte vielmehr weiter bestehen, und dies nicht zuletzt deshalb, weil man sich am Kaiserhof ganz offenkundig der Möglichkeiten bewusst war, aus dieser Art der Regelung der Herrschaftsverhältnisse höchsten Gewinn und Profit ziehen zu können. Die beiden auf die Zerstörung Mailands folgenden Jahre, 1162–1164, waren davon gekennzeichnet, dass man – offenbar auch im Hochgefühl dieses ungeheuren Triumphs25 – die Eingriffe der Reichsgewalt in die Welt der lombardischen Kommunen in einer bislang nicht gekannten Weise ebenso unmittelbar wie – aus der Sicht des Reiches – eben höchst effizient gestaltete. Mit gutem 25 Zu den Bezugnahmen auf den Triumph in diversen Urkundendatierungen vgl. Jarnut, Barbarossa und Italien, S. 259.

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Grund hat Ferdinand Güterbock in einer vor mehr als 70 Jahren veröffentlichten Studie am Beispiel von Piacenza vom »dispotismo dei vicari imperiali« 26 gesprochen, damit eine Charakterisierung zumindest von Teilen des Reichsregiments, das der Herrscher nach dem Sieg über Mailand noch vor seinem Abzug aus Italien eingesetzt hatte, vorgenommen, die zu Recht auf ein »Terrorregiment« weist. Vor allem die »mailändische« Gruppe unter den oberitalienischen Kommunen, darunter Brescia und Bergamo sowie eben Piacenza, wurde deutschen Amtsträgern unterstellt, und diese suchten ihre Position in einem für die Reichsinteressen (vielleicht auch die eigenen Interessen ?) möglichst umfassenden, günstigen Sinn zu gestalten : Sie beuteten die Städte, deren Landgebiete, konkret die Menschen in diesen Zonen, regelrecht aus. Vielleicht muss man die hohe »Effizienz«, welche die Maßnahmen des vom Kaiser bestellten »Herren« von Piacenza, Arnold Barbavaria von Dorstadt, auszeichnet, auch in dem Lichte sehen, dass Barbarossa nach der Zerstörung der Wirtschaftskraft Mailands sich eben in ganz besonderer Weise darauf konzentrierte, mit Piacenza eine der – infolge der ganz vorzüglichen Verkehrslage – reichsten Städte der Po-Ebene auszubeuten. Schwierig aus der Sicht des um die möglichst exakte Analyse der Geschehnisse bemühten Forschers bleibt dabei in jedem Fall die Beurteilung der Frage, was von den Ausbeutungsmaßnahmen sich direkt aus kaiserlichem Auftrag ableitete und was eben auch den eigenständigen Gestaltungsmöglichkeiten des kaiserlichen Podestà zuzuschreiben war. Für die zweite Variante könnte in jedem Fall die Absetzung des ersten mit der Herrschaft über Piacenza betrauten Amtsträgers, Aginolf von Urslingen, sprechen, die der Kaiser nach nur wenigen Monaten noch im August 1162 vorgenommen hatte. Aginolf hatte ganz offensichtlich mit seinem Versuch, den Piacentinern die Verfügung über den Pohafen zu entziehen und diese an das Kloster S. Giulia in Brescia zurückzustellen, zu sehr aus eigener Machtvollkommenheit, jedenfalls nicht in Absprache mit dem Herrscher, gehandelt und musste weichen. Friedrich bestellte unmittelbar, bevor er im August 1162 Italien verließ, den aus dem sächsischen Dorstadt stammenden Arnold zum Piacentiner Podestà, den die Italiener offenbar wegen seines mehrfärbigen Bartwuchses »Barbavaria« nannten. Die Erinnerung an Arnold von Dorstadt und seine Regentschaft in und über 26 Güterbock, Alla vigilia.

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Piacenza gehört zu den für die 1184 verhörten Zeugen ganz besonders prägenden Teilen ihres persönlichen Gedächtnisses. Die Herrschaft dieses aus Sachsen stammenden Mannes war von hoher Flexibilität, Anpassungsfähigkeit ebenso wie gezielt-bewusster Ausnutzung der sich bietenden Möglichkeiten geprägt. Seine Maßnahmen unterlagen – soweit dies aus den Quellen erkennbar ist – im Laufe der beiden Jahre offenbar durchaus Adaptierungen und Veränderungen, die als Intensivierung bzw. auch als Verschärfung zu charakterisieren sind. Belege für die Existenz Piacentiner Konsuln sowohl 1162 als auch 1163 weisen darauf hin, dass Arnold anfangs offenbar durchaus auf die Einbeziehung von traditionell mit Herrschaftsaufgaben betrauten Familien und Personen in Piacenza setzte. Und genau in diese Richtung weist auch der erste Nachweis für sein herrschaftliches Eingreifen in der Postadt : Bereits am 27. September 1162 hatte er nämlich im Rahmen der Rückstellung einer Reihe bischöflicher Rechte an Bischof Ugo, der noch im Jahr zuvor durch den kaiserlichen Gegenpapst Viktor IV. exkommuniziert worden war, einen ersten Ausgleich mit diesen traditionellen Kräften angestrebt. Wenn dabei die Restitution aller vasallitischen Lehen ausdrücklich auf Rat des Ugo Sperone, des Alberto de Andito, des Oddone Novello, des Ricardo Surdo, des Malnepote, des Rogerio de Sarturano und des dominus Obertino vorgenommen wurde, so finden sich in diesem Gremium von »Beratern« Persönlichkeiten, die zum Teil schon seit Jahren zu den tonangebenden Kreisen in der Postadt gehörten.27 Ob diese Vorgangsweise freilich in jedem einzelnen Detail mit dem staufischen Hof, dem Kaiser selbst akkordiert war, ob der Podestà dabei sich nicht eben doch auch nach den gegebenen Rahmenbedingungen richten und damit manchmal größeres Entgegenkommen zeigen musste, als dies vielleicht den Intentionen des Herrschers entsprach, muss letztlich dahingestellt bleiben. Auch zum Jahr 1163 lassen sich in Piacenza Konsuln nachweisen, darunter mit Stefano Leccacorvo ein Mann, der dieses Amt auch später, nach der dramatischen Wende der politischen Verhältnisse im Gefolge der Entstehung der Lega Lombarda bis in die 1180er-Jahre hinein, innehatte und aus dessen Familie – gleichfalls erst in den 1170er-Jahren – mit Burgundio und Gug27 Corna – Ercole – Tallone, Registrum magnum, S. 365 Nr. 287, hier : S. 366 ; vgl. auch Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. I, S. 556 Nr. 273.

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lielmo noch weitere Piacentiner Konsuln kommen sollten.28 Die Situation dieses Jahres in ihren Details wirklich beurteilen zu können fällt allerdings schwer : Der Fortbestand eines Gremiums von consules neben dem kaiserlichen Podestà deutet zwar darauf hin, dass Arnold Barbavaria weiterhin auf einen prinzipiellen Kompromiss mit den lokalen Gegebenheiten gesetzt haben könnte ; zum anderen fällt allerdings auf, dass es sich bei sämtlichen der vier namentlich bekannten Piacentiner Konsuln von 1163 um Personen handelt, die niemals zuvor dieses hohe städtische Amt bekleidet hatten. Insgesamt spricht vieles dafür, dass sich die Situation spätestens damals stärker zuzuspitzen begann : Bischof Ugo hatte sich schon zu einem nicht exakt einzuordnenden Zeitpunkt, jedenfalls noch 1162 gezwungen gesehen, seine Bischofsstadt zu verlassen und an der Kurie Alexanders III. Zuflucht zu suchen. Nach später Überlieferung setzte Viktor IV., der kaiserliche Papst, im Jahr 1164 Federico bzw. Fredenzone de Arcelli als Bischof in der Postadt ein.29 Er entstammte einem Zweig der Herren von Fontana, damit einer prominenten Piacentiner Familie, die mit Pagano (1160 und 1181) und Arnaldo (1170 und 1174) auch Konsuln ihrer Vaterstadt stellte.30 Und an dieser Stelle möge gleich auch darauf hingewiesen sein, dass sich dieser aus dem Hause de Arcelli stammende Kleriker offenbar nicht sehr lange zu behaupten vermochte, ist doch dann im Juli 1168 am kaiserlichen Hof zu Würzburg gemeinsam mit den kaisertreuen Bischöfen von Lodi und von Ivrea ein Bischof Tercius von Piacenza bezeugt, der angesichts des politischen Umsturzes, den die Lombardei 1167/68 erlebte, ins Exil zu gehen genötigt war.31 Doch noch einmal zurück zur Epoche des Arnold Barbavaria. Der Piacentiner Podestà dürfte wohl noch 1163, in jedem Fall dann aber 1164 seine Maßnahmen weiter verschärft, die Ausbeutung von Stadt, Contado und de-

28 Siehe dazu unten, Anhang iii/2, s. v. Burgundio Leccacorvo (S. 246). 29 B.-Opll. Reg. Imp. 2, Nr. 1366 ; vgl. auch Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 149. 30 Siehe dazu unten, Anhang iii/2, s. v. Pagano de Arcelli (S. 249). 31 In der am 10. Juli 1168 in Würzburg ausgestellten Urkunde Friedrich Barbarossas für Bischof und Kirche von Würzburg wird mit den Bischöfen Alberich von Lodi, Tercius von Piacenza und Raimund von Ivrea eine ganze Gruppe von nach dem Umbruch in Italien 1167 nunmehr im deutschen Exil lebenden Angehörigen des oberitalienischen Episkopats unter den Zeugen genannt : mg.df.i. 546 = B.-Opll, Reg. Imp. 3, Nr. 1799.

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ren Ressourcen weiter vorangetrieben haben. In jedem Fall spricht nicht nur der Umstand, dass sich dann zu 1164 keine Piacentiner Konsuln nachweisen lassen, deutlich für diese Auffassung. Über diese Wochen und Monate von Arnolds Herrschaft geben insbesondere die von Güterbock 1937 publizierten und analysierten Dokumente aus dem Archiv von Sant’Antonino zu Piacenza – im Übrigen gleichfalls Zeugenverhöre – beredtes Zeugnis ab. Wir hören von ebenso direkten wie ihrer Höhe nach bislang unvorstellbaren finanziellen Zugriffen, welche die Reichsverwaltung auf Piacenza vornahm : Eingefordert wurden hohe Steuern auf Vieh, auf Wein, auf Handelsunternehmungen und auf den Transit. Abgaben (Tribute) vom Most, vom Gewicht der Handelswaren wie auch Zölle von der Pobrücke und bei den Stadttoren wurden eingetrieben. Für Gerichte und Richter waren hohe Spesen fällig, und man verhängte unproportional hohe Strafen für kleine Vergehen, Bagatellen – etwa nicht weniger als 6 Pfennige für den Diebstahl von nur drei Weintrauben. Die Ausübung roher Gewalt stand auf der Tagesordnung. Insbesondere die Landbewohner, d. h. also die Leute im Contado – und damit ohne Zweifel auch die Bewohner unserer quinque loci von 1184 –, wurden mit zahllosen Abgaben in Form von Naturalien (Getreide, Gemüse, Nüsse, Käse, Hühner, Eier, Wein und Most) belastet. Die vorliegenden Überlieferungen belegen, dass unter den »Eintreibern« bzw. den Hilfskräften der arnoldinischen Verwaltung sich Einheimische ebenso fanden wie so mancher Deutscher, und auch weiterhin nahmen Vertreter der bürgerlichen Elite der Postadt an vielen dieser Maßnahmen aktiv Anteil. Wir erfahren mehrfach von regelrechten Korruptionsfällen, wenn etwa Salzhändlern hohe Summen allein deshalb abgepresst wurden, damit sie ihrem Gewerbe nachgehen konnten, oder wenn etwa der Podestà persönlich Abt Berardo von S. Sisto zu Piacenza zwang, ihn mit einem Drittel der dem Kloster unterstehenden Herrschaften zu belehnen.32 Dabei ging man – und das ist nicht nur, aber eben doch auch zynisch zu verstehen – durchaus »modern« vor, zog ein System von Steuerbemessung und darauf basierender Steuereinhebung auf, wie es aus italienischen Kommunen des 13. Jahrhunderts dann vielfach und detailreich bezeugt ist.33

32 Zu all dem vgl. insbesondere Güterbock, Alla vigilia. 33 Besonders eindrucksvoll dargelegt ist dies am Beispiel von Bologna durch Smurra, Città, cittadini e imposta diretta.

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Allein wenn man versucht, die in diesen Quellen belegten Summen mit den Angaben über die Höhe des Fodrum in den fünf Orten, um die sich die Zeugenverhöre von 1184 drehten, zu vergleichen, so wird das Ausmaß der eben nicht anders denn als Terrorregiment zu qualifizierenden Maßnahmen der staufischen Reichsverwaltung gegenüber der Postadt deutlich : Während das von und in den quinque loci erhobene Fodrum die Höhe von drei bis acht, maximal zwölf Pfund (Piacentiner bzw. Paveser Münze) erreichte,34 musste ein gewisser Alberico Pellabusca unter Arnold Barbavaria allein 20 Pfund Piacentiner Münze und noch weitere zehn Pfund für seinen mobilen Besitz entrichten.35 Wenngleich mittelalterliche Quellen gerade im Hinblick auf Wertangaben entweder nicht in ausreichender Dichte überliefert sind bzw. deren Interpretation auch mit dem Problem unterschiedlicher Münzwertigkeiten konfrontiert ist, eines ist sicher : Piacenza wurde in den Jahren der kaiserlichen Herrschaft regelrecht ausgeblutet. Dass sich Arnold Barbavaria zumindest vom Grundsatz her auch weiterhin der Zustimmung des Kaisers versicherte, dafür spricht in jedem Fall das Faktum, dass er sich im Herbst 1163, als Friedrich I. nach etwas mehr als einem Jahr Abwesenheit aus dem regnum Italie im Oktober wieder persönlich hier erschien, sofort an den Kaiserhof begab. Am 8. November wie am 6. Dezember ist Arnold unter den Zeugen von damals in Lodi und Monza ausgestellten Kaiserurkunden nachweisbar, und ohne jeden Zweifel dürfte er auch an der Seite des Staufers gewesen sein, als dieser um die Jahreswende 1163/1164 über das Gebiet von Piacenza zu einem längeren Aufenthalt an der Via Emilia bis hin zur Adriaküste aufbrach. Was den Herrscher dann gut ein halbes Jahr später, im Frühherbst 1164, dazu bewog, den sächsischen Podestà mit sich nach Deutschland zu nehmen und seine Amtszeit in Piacenza damit zu beenden, wird nicht recht klar. Die Auffassung, Arnold hätte den Rahmen der ihm übertragenen Befugnisse gleichsam überzogen, ja gesprengt, hätte einem Befehl des Kaisers zu einer moderateren Amtsführung nicht Folge geleistet, sich diesem geradezu widersetzt bzw. Anordnungen missachtet, trifft kaum zu : Dagegen sprechen nicht nur die gemeinsame Rückkehr des Reichsober-

34 Siehe dazu oben, S. 153–155. 35 Güterbock, Alla vigilia, S. 201.

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haupts mit Arnold Barbavaria nach Deutschland,36 sondern auch die späterhin, und zwar bis in die 1180er Jahre hinein bezeugten guten Kontakte des Dorstädters zum Staufer.37 Für Piacenza dürfte sich mit dieser Entwicklung kaum etwas geändert, jedenfalls nichts verbessert haben : Weiterhin vermochte die Reichsgewalt von der Finanzkraft der Postadt und ihrer Bürger zu profitieren. So schloss Barbarossa noch in den letzten Tagen seines Aufenthalts im Süden der Alpen mit der ihm wohl vertrauten Gruppe Piacentiner Bürger um Ugo und Alberto Sperone sowie Malnepote ein Abkommen, mit dem er diesen die Reichsrechte (Regalien) gegen eine Summe von 11.000 Mark Silber abtrat.38 Diese Übereinkunft sah ganz offensichtlich auch eine Entschädigung des Brescianer Julienklosters für die Verfügung über den Pohafen vor und war auch noch im Folgejahr gültig. Piacentiner Justizkonsuln zogen im Spätherbst 1165 bis nach Nimwegen, um dem Kaiser dort den ihm schuldigen Regalienzins zu entrichten.39 Nicht zuletzt die Verpflichtung der Postadt zur Stellung von Geiseln, der sie noch 1165 nachkam und die auch in der Erinnerung der Zeugen vom November 1184 präsent ist, macht deutlich, wie sehr Piacenza damals unter der praktisch uneingeschränkten Verfügungsgewalt des Reiches stand.40 Lässt sich somit kein Hinweis dafür finden, die Beendigung des Podestats des Arnold Barbavaria in Piacenza sei Folge einer Unzufriedenheit des Herrschers mit dessen Amtsführung gewesen, so deutet vielmehr etliches darauf hin, dass Barbarossa selbst an einer weiteren Verschärfung der Zwangsmaßnahmen, in Sonderheit an einer weiteren Erhöhung der Einnahmen des Reichs, interessiert war. In diesem Kontext hat man auch in Rechnung zu 36 Vgl. dazu Arnolds Nennungen am Kaiserhof im Oktober 1164 : mg.ddf.i. 466 und 467 = B.Opll, Reg. Imp., Nrr. 1414 und 1415. 37 Güterbock, Alla vigilia, S. 202 f. 38 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1409 ; Güterbock, Alla viglia, S. 202 f., rechnet diesen Betrag auf die Summe von 18.425 Pfund Imperialen um. 39 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1520. 40 Zu den Geiseln vgl. Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 151 ; vgl. auch Solmi, Le leggi più antiche, S. 60 Nr. 5 (Bemühungen um Befreiung der in Pavia und Biandrate festgehaltenen Geiseln mit Unterstützung der Lega Lombarda, 1167). – Vom tempus quo placentini fuerunt in ostagiaria imperatoris placentini weiß der Piacentiner Zeuge Oberto de Alda in seiner Aussage am 15. November 1184 zu berichten, Bollea, Nr. 54, S. 146.

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stellen, wie sehr 1164 die Entstehung des ersten dezidiert gegen das Reich gerichteten Städtebündnisses auf den Herrscher Eindruck gemacht haben muss. Schon zu Beginn dieses Jahres war rund um die Etschstadt Verona das nach dieser benannte Bündnis der Lega Veronese gebildet worden, eine Allianz, an der neben Verona vor allem Padua, Vicenza und – wohl nur vorübergehend – Treviso Anteil hatten.41 Einer Einladung des Kaisers nach Pavia leisteten Vertreter dieses ersten Städtebundes Oberitaliens zwar Folge, doch kam es zu keiner Einigung.42 Der offenbar ins Unermessliche gestiegene Unmut wegen des Vorgehens des Kaisers hatte sich in ganz bezeichnender Art und Weise zunächst einmal in denjenigen Gebieten zu regelrechter Opposition verdichtet, wo die Reichsverwaltung ungleich weniger stark vertreten war43 und die Kommunen offenbar gerade für derart revolutionäre Ideen größere Bewegungsfreiheit haben mochten. Dazu kam, dass Friedrich gerade im Frühjahr 1164 mit dem Tod »seines« Papstes Viktor IV., der am 20. April 1164 zu Lucca verstorben war, einen weiteren schweren Rückschlag für seine politische Position hatte hinnehmen müssen. All diese Entwicklungen und Geschehnisse zeitigten ihre Rück- und Auswirkungen gerade auch in den zentrallombardischen Raum hinein, und diese waren für die staufische Herrschaft alles andere als günstig. Im Zuge der Aufnahme von Verhandlungen mit der Lega Veronese hatte der Kaiser Boten aus Cremona, Pavia, Novara, Lodi und Como nach Verona entsandt, somit aus den Kommunen, die in den Kämpfen gegen Mailand als von dieser Metropole immer wieder drangsalierte Städte stets auf kaiserlicher Seite gestanden waren.44 Die trotz des Eingehens der Aufständischen auf die Einladung des Kaisers nach Pavia gescheiterten Gespräche waren wohl nicht die einzige negative Konsequenz. Es weist vielmehr so manches darauf hin, dass die Vertreter der prokaiserlichen Städte der Lombardei spätestens bei ihrer Mission erkennen mussten, wie sehr das harte Regiment des Reichs auch anderswo wirkte und wie andere Kommunen vorhatten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. 41 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1314. 42 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1337 und 1341. 43 Als Bedrückung im östlichen Oberitalien wurde jedenfalls die Herrschaft Pfalzgraf Ottos von Wittelsbach über Garda gesehen, vgl. dazu B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1314 (Bemerkungen). 44 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1337.

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Als Barbarossa gegen Ende Juni 1164 mit einem Heer, das großteils aus Pavesen und Cremonesen und nur zu einem geringen Teil aus Deutschen bestand, im Raum von Vacaldo südlich von Verona mehrere Tage lang einem Heer der Lega Veronese gegenüberlag, dann aber wegen der Unzuverlässigkeit seiner Truppen sich wieder zurückzog, einen offenen Schlagabtausch vermied,45 spricht dies eine ebenso deutliche Sprache wie ein im Westen des Kontinents im Umfeld Erzbischof Thomas’ von Canterbury noch im Sommer dieses Jahres umgehendes Gerücht : Es hieß nämlich, dass die Städte Italiens wegen der Strenge des Reichsregiments unruhig zu werden beginnen, ja sogar Pavia und Cremona ultimativ die Rückkehr zu den alten Freiheiten forderten.46 Der Herrscher reagierte auf diese Verschärfung der Lage zum einen mit der Anwendung des uralten Herrschaftsprinzips des »divide et impera«, indem er die Phalanx seiner Gegner durch gezielte Privilegierungen für Treviso, Ferrara und Mantua zu schwächen suchte. Zum anderen dachte er freilich in keiner Weise daran, Aufbau und Wirkung seiner Reichsverwaltung generell, gar entscheidend zu verändern. Den wirklich großen, seit Jahren prokaiserlich agierenden Kommunen gegenüber, darunter insbesondere Pavia, begegnete er mit ausgesuchtem Entgegenkommen. Die Stadt am Ticino, am 3. August 1164 sogar Schauplatz einer Krönung, nämlich der des Richters Bareso von Arborea zum König von Sardinien,47 erhielt wenige Tage später, am Sonntag, dem 8. August, ein umfassendes Privileg. Der treuen Stadt wurden darin dezidiert nach altem Herkommen das Recht der freien Wahl der Konsuln sowie die städtischen Rechte und Gewohnheiten gemeinsam mit den Regalien in ihren namentlich angeführten Besitzungen – darunter eigens erwähnt die quinque loci des Jahres 1184 – bestätigt, und der Staufer sicherte ihr zu, dass Tortona und Castelnuovo di Scrivia künftig nicht wieder aufgebaut werden sollten.48 Zeigte sich Barbarossa somit gegenüber wichtigen städtischen Verbündeten durchaus entgegenkommend, ja zu Kompromissen bereit, so galt dies in Fällen anderer, gleichfalls treu an seiner Seite stehender Städte nicht in

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B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1378. B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1387. B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1388 und 1390. mg.df.i. 455 = B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1393.

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einem auch nur annähernd vergleichbaren Ausmaß. Paradebeispiel dafür, wie der Kaiser im Hinblick auf kaisertreue Kommunen damals vorgehen konnte, sind seine Maßnahmen gegenüber dem von ihm 1158 persönlich gegründeten Lodi Nuovo an der Adda. Wiewohl es über die Jahre seit der Stadtgründung kein, auch nicht das geringste Anzeichen dafür gab, dass diese Stadt sich nicht völlig in die staufische Politik einfügen würde, so dachte der Kaiser in keiner Weise daran, ihr Vorrechte zuzuerkennen, wie sie sich etwa in dem Diplom für Pavia vom 8. August 1164 zeigen. Ganz im Gegenteil, in Lodi, über das der Herrscher wohl nicht zuletzt auch seiner Rolle als fundator wegen eine ganz besondere Verfügungsgewalt zu haben vermeinte, setzte er noch vor seiner Rückkehr nach Deutschland im Oktober dieses Jahres 1164 mit Lambert von Nimwegen nicht nur einen deutschen Stellvertreter ein, nein, er unterstellte diesem Mann zusätzlich auch noch die Cremasken, die Bewohner der unweit von Lodi gelegenen, vom Sommer 1159 bis zum Januar 1160 mit maßgeblicher Unterstützung gerade von Lodi her belagerten Festung Crema.49 Zu jedweder Art von Entgegenkommen, zu Nachgeben oder zu Kompromiss war der Monarch offenkundig nur in den Fällen bereit, wo dies unabdinglich bzw. Gebot der gegebenen Lage war. Er sah keinen Grund dafür, das Entstehen der Lega Veronese zu einem grundsätzlichen Umdenken zu nutzen, ganz im Gegenteil : Die aufkeimende städtische Opposition bestärkte ihn nur noch mehr darin, auf dem Weg fortzufahren, den er im Hochgefühl des Triumphs über Mailand eingeschlagen hatte und den seine Podestà – ob mit ihm abgestimmt oder eigenmächtig – dann noch weiter ausgebaut hatten. Gleich ob die Nachricht einer mailändischen Quelle über die Einsetzung des Markward von Grumbach als Bevollmächtigten des Reiches über sämtliche Lombarden im Frühherbst 116450 so zu interpretieren ist, dass der Staufer damit eine weitere hierarchische Ebene hat einziehen wollen, oder nicht : Von einer Rücknahme der administrativen Maßnahmen des Reiches in der Lombardei, gar von einer bewussten Inkaufnahme des Rückgangs der hier so reichlich zu erzielenden Einnahmen konnte keine Rede sein.

49 Dazu vgl. Opll, Gründer. 50 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1411 ; zwei Jahre zuvor war Markward noch ausschließlich mit Befugnissen über Bergamo und Brescia betraut worden, vgl. B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1076.

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Die Problematik steigenden Unmuts gegenüber dem hohen Ausmaß an Ausbeutung, ja Auszehrung der vorhandenen Ressourcen mochte durchaus auch dem Umstand geschuldet sein, dass bei dieser binnen Kurzem gleichsam »aus dem Boden gestampften« staufischen Reichsverwaltung in Italien noch bei Weitem nicht alles gute Organisation und feste Struktur zeigte. Gerade den Anteil, den die im einzelnen handelnden Persönlichkeiten an der Entwicklung hatten, wird man hoch zu veranschlagen haben. Sie verfügten weder über eine wirklich ausreichende Quasi-Ausbildung, vielfach nicht einmal über entsprechende Sprachkenntnisse. Und dies alles zeigt sich nicht nur in einer von Fall zu Fall, von Kommune zu Kommune unterschiedlichen Ausprägung der jeweiligen Herrschaftsmaßnahmen, dies spiegelt sich ganz offensichtlich auch in einer eher geringen personellen Konsistenz, in der Ablöse bestimmter Amtsträger nach nur kurzer Funktionsdauer. Nicht zuletzt das Erfordernis für den Kaiser, nach ohnehin langer Abwesenheit aus dem regnum Theutonicum sich eben doch wieder in das Reich nördlich der Alpen zurückzubegeben, dürfte sich in dieser Epoche, da Herrschaft doch untrennbar mit Präsenz des Herrschenden verbunden war, ebenfalls nachteilig ausgewirkt haben. Aus der deutschen Ferne musste der Staufer die Position des am 5. Mai 1166 in der Lombardei verstorbenen Markward von Grumbach als Generalbevollmächtigter über alle Lombarden mit Graf Heinrich von Diez nachbesetzen.51 Bei seiner erneuten Rückkehr nach Italien, seinem insgesamt vierten Italienzug im Herbst 1166, sah sich Barbarossa während seines Aufenthalts in Lodi mit zahlreichen Klagen über das Schreckensregiment seiner Amtsträger konfrontiert. Der neuerliche Italienzug verfolgte freilich ein völlig anderes Ziel, sollte doch bei einem Romzug die leidliche Frage des Schismas endlich einer Lösung nach den Vorstellungen des Kaisers zugeführt werden. Die Klagen in Lodi wurden interessanterweise ausdrücklich von Bischöfen, Markgrafen, Grafen, Capitanei, Großen und auch einfachem Volk der Lombardei erhoben, womit deutlich wird, dass es eben keinesfalls nur die Kommunen allein waren, die unter den ausbeuterischen Maßnahmen litten. Barbarossa schenkte ihnen jedoch kein Gehör, vermeinte ganz offensichtlich, nicht nur im Recht zu sein, sondern eben auch in der stärkeren Posi51 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1563 und 1574 ; zu Heinrich von Diez vgl. jetzt Schieffer, Heinrich II. von Diez.

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Abb. 22 : Wiedereinzug der Mailänder in ihre Stadt am 27. April 1167. Skulptur von der Porta Romana zu Mailand, Museo Castello Sforzesco zu Mailand (vgl. zu den Skulpturen an der Porta Romana Hülsen-Esch, Romanische Skulptur in Oberitalien, 36–118) ; Foto : F. Opll.

tion. Nur wenige Monate später – der Herrscher befand sich mittlerweile auf seinem geplanten Zug nach Rom bereits an der Adriaküste – sollte dann, ausgehend von einem Bündnis zwischen Bergamo, Brescia, Cremona und Mantua, ein übergreifender städtischer Widerstand gegen das Reich Gestalt annehmen. Noch im März 1167 traten auch die seit 1162 im Exil lebenden Mailänder dem Bündnis bei, das zur Lega Lombarda wurde. Am Donnerstag der dritten Woche nach dem Osterfest, am 27. April, wurden die Bewohner der Lombardenmetropole wieder in ihre Stadt geführt, wenig später musste sich bereits Lodi zum Beitritt zur Lega bereit finden. Wiederaufbau und zugleich ungeheuer rascher Wiederaufstieg Mailands (Abb. 22 und 23) zur beherrschenden kommunalen Kraft der Lombardei sollten folgen. Gegenüber diesem rasanten Siegeszug städtischer Oppositionskräfte mussten die Repräsentanten der Reichsverwaltung rasch zurückweichen, die seit 1162 aufge-

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Abb. 23 : Inschrift von der Porta Romana zu Mailand (Museo Castello Sforzesco, Mailand) über den Wiedereinzug der Mailänder in ihre Stadt am 27. April 1167 und den Beginn der Wiedererrichtung der Stadtbefestigungen im März 1171 (zu den Bildwerken und Inschriften an der Porta Romana vgl. Hülsen-Esch, Romanische Skulptur in Oberitalien, 36–118) ; in deutscher Übersetzung : »Im Jahr 1167, am Donnerstag, den 27. April, betraten die Mailänder (ihre) Stadt (MEDIOLANENSES INTRAVERVNT CIVITATEM ). / 1171 im März wurde mit der Errichtung dieser (Stadt-) Befestigungen (HOC OPUS TVRRIVM ET PORTARVM HABVIT INITIVM ) begonnen ; Foto : F. Opll.

bauten Strukturen brachen zusammen, man hatte das System freilich auch aufs nachhaltigste überfordert, den Bogen bei Weitem überspannt. Vor allem aus der Sicht von Pavia entstand damit eine überaus kritische Situation. Die Stadt am Ticino hatte aus der Entwicklung der letzten Jahre großen Profit gezogen, hatte sich nicht nur ihr Landgebiet durch herrscherliche Privilegierung zu sichern verstanden, sondern erlebte damals auch einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Nicht anders denn als Folgewirkung all dieser Vorteile politischer wie wirtschaftlicher Art ist es zu verstehen, dass Pavia sowohl 1165 als auch 1166 der Kommune Piacenza für ihre Zwecke äußerst günstig verzinste Darlehen gewähren konnte, die ehedem

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so blühende Stadt am Po damit zu ihren Schuldnern zählte.52 Eine Tilgung dieser Verschuldung sollte dann nur in der Form möglich sein, dass Piacenza 1167 eine Steuer auf Einkommen einführte.53 Aus Sicht der Postadt war die Entstehung der Lega Lombarda von größtem Vorteil, bot erstmals seit Jahren wieder Hoffnung, Aussicht auf Besserung der misslichen Lage. Freilich belegen Hinweise auf die Existenz ritterlicher Bevölkerungsgruppen, welche aufseiten des Reiches (ex parte imperatoris) standen, selbst noch im Frühjahr 1167, dass stadtintern keineswegs eine Homogenität der politischen Auffassungen gegeben war.54 Diese Kreise vermochten sich allerdings nun nicht mehr in der Stadt zu halten. Nach innerstädtischen Unruhen, über die wir leider nicht genauer Bescheid wissen, mussten sie sie verlassen. Schon am 22. Mai 1167 schloss Piacenza mit den Städten Cremona, Brescia und Mailand ein Abkommen, trat damit dem städtischen Bündnis bei. Deutlich anders verlief die Entwicklung naturgegeben am Ticino, in Pavia : Die Kommune wie ihre Vertreter mussten in diesen hochdramatischen Wochen vom März bis in den Mai 1167 verfolgen, wie praktisch vor ihrer Haustür die ehedem für ihre Interessen so günstige Konstellation zerbrach. Der Kaiser selbst weilte damals fernab von der Lombardei, befand sich auf dem Anmarsch nach Rom. In der Lombardei versuchte sein erst im Vorjahr eingesetzter Generalbevollmächtigter, Graf Heinrich von Diez, durch die Einforderung städtischer Geiseln und Androhung von Gewalt für das Reich zu retten, was noch zu retten war. Die Geiseln wurden in Pavia eingekerkert.55 Selbst nach dem Beitritt von Lodi zum Lombardenbund bildete Pavia für Lambert von Nimwegen wie auch andere kaiserliche Gesinnte weiterhin die gleichsam selbstverständliche Rückzugsposition. Dies alles macht deut-

52 Dazu vgl. Güterbock, Alla vigilia, S. 27 ff., und Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 151. 53 Solmi, Le leggi più antiche, S. 53. 54 Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff. – Noch im Breve consolare von 1181/82 wurden die Piacentiner Konsuln verpflichtet, eine Rückkehr der Ehefrauen und deren Söhne, welche Piacenza wegen ihrer Treue zum Kaiser verlassen hatten und weiterhin in dieser Haltung beharrten, keinesfalls zuzulassen, vgl. Solmi, Le leggi più antiche, S. 71 Nr. 7, hier : S. 75. 55 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1656.

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lich, dass die Ticinostadt an ihrer prokaiserlichen Haltung und Reichstreue festhielt – sie hatte freilich wohl auch gar keine andere Möglichkeit ! Die Katastrophe des kaiserlichen Heeres vor Rom, als unter den Truppen des Reiches nur einen Tag nach der Krönung seiner Gemahlin Beatrix zur Kaiserin durch den kaiserlichen Papst Paschal III.56 eine verheerende Seuche ausbrach, der nicht nur viele, sondern vor allem auch eine Reihe wirklich bedeutender Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Herrschers zum Opfer fielen, war angesichts der Entwicklungen, die sich – ohne jegliche Einflussnahme Barbarossas – in der Lombardei seit einigen Monaten zutrugen, ein weiterer schwerer Schlag für die kaiserliche Politik. Nur mit größter Mühe57 gelang es dem Herrscher, sich von Rom zurückzuziehen und einen ebenso beschwerlichen wie zugleich gefährlichen Rückzug in das nördliche Oberitalien anzutreten. Seine geschwächten Truppen konnten keinen effizienten Schutz mehr bilden. Unter persönlicher Lebensgefahr, von der sogar seine Gemahlin betroffen war, schlug er sich im September auf Wegen durch den Apennin, die nicht nur eines Kaisers absolut unwürdig waren, die er unter normalen Bedingungen auch niemals genommen hätte. Wenn in den Quellen vom Hügelland von Piacenza die Rede ist, durch das er sich schlagen musste, um endlich am 12. September das treue Pavia zu erreichen,58 so korrelieren diese Angaben in so mancher Hinsicht mit Angaben, welche die 1184 verhörten Zeugen bieten. Damals, und nur in diesen Wochen, bekamen etliche der Bewohner von Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano den Herrscher offensichtlich persönlich zu Gesicht. Diese Begegnung war aber alles andere als freundlich, blieb ihnen vorzüglich deshalb im Gedächtnis, weil Barbarossa am Michaelstag des Jahres und später nochmals um Allerheiligen regelrechte Rachezüge durch das Piacentino unternahm. Von auch nur irgendeiner Form geregelter Reichsherrschaft konnte spätestens jetzt keine Rede mehr sein. Die Verwaltung des Reichs war – und dies in jeder Hinsicht – in sich zusammengebrochen. Deren Repräsentanten hatte man vertrieben, oder sie hatten selbst das Weite gesucht. Das Reichsoberhaupt konnte nur mehr reagieren, ein Agieren war nicht mehr möglich, und so

56 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 1692. 57 Zur Situation vgl. etwa Opll, Barbarossa in Bedrängnis. 58 B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nrr. 1720 und 1722.

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mancher Ort im Contado versank in Schutt und Asche. Pavia sollte bis in den späten Herbst 1167 kaiserliche Bastion bleiben, doch verschärfte sich die Lage auch hier zusehends. Gegen Ende November bzw. Anfang Dezember sah sich der Kaiser gezwungen, die getreue Stadt zu verlassen, selbst hier, am Ticino, konnte er sich nicht mehr sicher fühlen. Den Winter über sollte Barbarossa dann im westlichen Oberitalien, im Piemont, Zuflucht finden. Asti und Turin werden als Aufenthaltsorte genannt. Selbst sein Abzug aus Italien, den er damals über die Westalpenpässe nahm, verlief dann im März alles andere als ruhig und friedlich. Nur in einer seinem honor absolut unwürdigen Art und Weise, verkleidet und in der Nacht, sollte es ihm im März 1168 gelingen, aus Susa über Burgund sicheren Boden in Deutschland zu erreichen. Für Pavia war damit der letzte Rückhalt verloren, und die Stadt musste fortan alles daransetzen, im Rahmen der neuen politischen Konstellationen einen Platz zu finden, wieder politischen Handlungsspielraum zu gewinnen. In einer charakteristischen Parallele zu den Entwicklungen in anderen Städten ehemals staufischer Haltung stand auch hier am Ticino der Wechsel der kirchlichen Obödienz, der Übertritt zu Alexander III., gleichsam am Anfang der neuen Ära. Kontakte zu diesem Papst waren ja ganz generell für die Städte der Lega Lombarda, aber eben auch für das gesamte Bündnis, eine ausgesprochen wichtige Möglichkeit, zusätzlich an politischem Profil zu gewinnen. Bestes Zeugnis für diese Zusammenhänge bildet die Gründung der nach Alexander benannten Stadt Alessandria am Tanaro im Frühjahr 1168.59 Wie stark freilich die lange Dauer einer von großen Vorteilen begleiteten politischen Ausrichtung auf das Reich damals in Pavia immer noch wirkte, davon zeugt doch der Umstand, dass der Wechsel der politischen Fronten alles andere als rasch erfolgte. Es sollte vielmehr bis zum Jahr 1170 dauern, bis Pavia den Beitritt zur Lega Lombarda vollzog. Ein Signal in diese Richtung war im Jahr zuvor, 1169, schon die Verdrängung des schismatischen Bischofs Siro durch seinen Vorgänger Pietro gewesen, und auch aus dem ehrwürdigen Kloster S. Pietro in Ciel d’Oro wissen wir von einem schismatischen Abt namens Giovanni de Villarasca, der dem orthodoxen Abt Olrico weichen musste.60 59 Dazu jetzt Opll, Gründer. 60 Zu S. Pietro vgl. Barbieri, Notariato, S. 30. – In der Edition der Urkunden des Paveser Pe-

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Eine von mehreren Zeugen der Verhöre vom November 1184 überlieferte Episode aus diesen Jahren macht deutlich, wie sehr sich Pavia in die neuen Gegebenheiten fügen musste, um wenigstens zum Teil seine Herrschaft über den Contado wahren zu können : Die Paveser Zeugen Giovanni Marraccio und Pietro Cheno gaben 1184 zu Protokoll,61 dass in den frühen 1170er-Jahren – er spricht davon, dass dies nach dem Eingreifen des Piacentiner Konsuls Guglielmo de Malvicino im Contado im Jahr von dessen Tod, somit 1172,62 gewesen sei – Piacentiner Konsuln nach Parpanese gekommen seien, um dort Konsuln zu erheben und Abgaben einzutreiben. Als die Ortsbewohner die Piacentiner mit Einsatz von Waffengewalt vertrieben, seien diese tags darauf gleichfalls bewaffnet und auch gemeinsam mit den Herren von Fontana zurückgekehrt und hätten sie mit Drohungen und Anwendung von Gewalt gezwungen, ihnen gefügig zu sein. Die Parpanesi hätten sodann drei Männer ihres Ortes durch Wahl bestimmt, gemeinsam mit Ferrando Albaricio, dem damals im ersten Jahr seiner Tätigkeit stehenden Konsul bzw. Podestà von Pavia, nach Lodi ad parlamentum de Lombardis, also auf eine Versammlung der Lega Lombarda, zu ziehen. Ferrando habe vor den Rektoren des Lombardenbundes Klage erhoben, und diese hätten ihnen die zu Unrecht von den Piacentinern eingehobenen Abgaben wieder zurückstellen müssen. Seit dieser erfolgreichen Klageführung seien in Parpanese die Ortskonsuln alternierend von Pavesen und Piacentinern eingesetzt worden, die Rektoren der Lega hatten somit also ganz offenkundig eine Kompromisslösung gefunden. Soweit der Zeuge, Giovanni Marraccio sich erinnern konnte, habe sich das alles vor zwölf Jahren, also im Jahr 1172, zugetragen, und dies trifft tatsächlich mit größter Präzision zu : Der Eingriff der Piacentiner in die Ortsherrschaft nach dem Tod des Guglielmo de Malvicino im Juli 1172 hatte offenkundig noch in der zweiten Hälfte dieses Jahres oder spätestens zu Anfang 1173 stattgefunden. Das parlamentum der Lega Lombarda zu Lodi ist daher eindeutig auf 1173 zu datieren.63 Ebenfalls von solch einer Klagetersklosters (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 27 Nr. 17 bzw. S. 31 Nr. 20) ist der Schismatiker Abt Giovanni zuletzt am 29. September 1168 in Pavia bezeugt, während ab dem 9. September 1169 Abt Olrico urkundet. 61 Bollea, Nr. 47, S. 92 f. und S. 95. Pietro Cheno wirkte 1172 als Parpaneser Ortskonsul. 62 Zur Datierung von Guglielmos Tod vgl. Bordone, Il tempo, S. 31. 63 Siehe dazu oben, S. 61 f.

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führung mit Unterstützung des Ferrando Albaricio wussten auch mehrere Zeugen aus S. Marzano zu berichten, und auch die S. Marzanesi vermochten sich mit Unterstützung des Paveser Podestà mit Erfolg gegen die Ausweitung der Piacentiner Herrschaft über ihren Ort zur Wehr zu setzen.64 Wie schwer es damals für die Leute im Contado gewesen sein muss, den richtigen Weg zwischen den beiden städtischen Herrschaftsansprüchen zu finden, kann man sich auch ohne dezidierte Quellenaussagen gut vorstellen. Bezeichnend ist es in jedem Fall, dass Abt Olrico von S. Pietro in Ciel d’Oro zu Pavia am 22. Februar 1173 bei der Durchführung einer Belehnung des Albizzo von Luzano und seiner Söhne mit Gütern daselbst ausdrücklich festhalten lässt, dass die Belehnten für den Fall eines Kriegs zwischen Pavia und Piacenza ihren Zinsverpflichtungen nicht nachkommen müssen.65 Unter diesen völlig veränderten politischen Rahmenbedingungen – seitens der einen Stadt, Pavia, erst nach langem, hinhaltendem Widerstand akzeptiert, für die andere, Piacenza, dagegen eine Rückkehr zu Verhältnissen, wie sie letztlich der auf Mailand ausgerichteten, traditionellen Haltung der Postadt entsprachen – lebten die Bewohner dieser Kommunen so lange, als das Reich keine Möglichkeit zu einem wirkungsvollen Eingreifen hatte, so lange, als der Kaiser nördlich der Alpen weilte. Tatsächlich waren die sechs Jahre von 1168 bis 1174 die längste Epoche, die der Staufer während seiner bisherigen Regierungszeit durchgehend im regnum Theutonicum zubrachte. Ähnlich wie dies schon das Motiv des zweiten, 1158 angetretenen Italienzuges Barbarossas gewesen war, sollten dann auch 1174 die Vorbereitungen für den insgesamt fünften Italienzug des Kaisers dem Ziel eines Vorgehens gegen eine widerspenstige Stadt, diesmal gegen Alessandria, dienen. Was nun Pavia anlangt, das in den Jahren seit dem Abzug des Kaisers im Frühjahr 1168 seine Politik nicht nur vollkommen hatte verändern und gerade auch im Hinblick auf seine Verfügung über die Ressourcen seines eigenen Contado zahllose Rückschläge hatte hinnehmen müssen, so war klar, was getan werden sollte und musste : Die möglichst rasche Aufnahme von Kontakten zum Reichsoberhaupt war dringendes Gebot der Stunde, und so begaben sich Paveser Boten bereits im Frühsommer über die Alpen, um in direkten Gesprächen 64 Bollea, Nr. 50, S. 112 und S. 114, vgl. Nr. 53, S. 142. 65 Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 82 Nr. 53.

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mit Friedrich Barbarossa die Modalitäten der bevorstehenden Reichsheerfahrt nach dem Süden zu besprechen.66 Die Stadt am Ticino nutzte somit die erste sich bietende Gelegenheit, aus der für die eigenen Interessen alles andere als günstigen Situation einer Einordnung in die Gruppe des lombardischen Städtebundes wieder auszubrechen.67 Als dann der Kaiser im Oktober 1174 zu seinem fünften Italienzug tatsächlich aufbrach, wählte er in durchaus ungewöhnlicher Weise die Westroute, zog nicht über den Brenner, sondern über den Mont Cenis. Grund dieser Routenplanung war zum einen die Vergeltung gegenüber Susa, wo Barbarossa im Frühjahr 1168 in größte persönliche Bedrängnis geraten war, zum anderen ganz gewiss die Stoßrichtung dieses Italienzuges gegen das piemontesische Gebiet und Alessandria. Ein Zug über den Brenner wäre damals freilich völlig ausgeschlossen gewesen, wäre Barbarossa dabei doch direkt in die von der Lega Lombarda dominierten Gebiete Oberitaliens gelangt. Die obsidio Alexandrie68 war nach der Entstehung des Lombardenbundes im Jahre 1167 die erste direkte Konfrontation des Herrschers mit den gegnerischen Kräften. Das Vorgehen zielte auf die vom Bund gegründete und mit dem Namen Alexanders III. versehene Stadt, Inbegriff und Symbol der Frontstellung der Kommunen gegenüber dem Reich. Die Belagerung bot den 1184 verhörten Zeugen eines der zahlreichen Datierungselemente der »großen« Geschichte, die sich auch für ihre ganz individuelle Erinnerung an Vergangenes in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten. Pavia war mit seinen Truppen ebenso rasch an der Seite des Kaisers, wie dies auch für Markgraf Wilhelm von Montferrat galt. Nicht anders als 20 Jahre zuvor, als der Staufer zum ersten Mal in seiner Regentschaft italienischen Boden betreten hatte, bezog die Ticinostadt somit Position für das Reich, hatte sie doch aus dieser Konstellation stets die größten politischen 66 Zur Zusammenkunft im burgundischen Avenches vgl. B.-Opll, Reg. Imp. 2, Nr. 2079. 67 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Abt Ulrich von S. Pietro in Ciel d’Oro noch am 20. August 1174 im Stadtteil der porta Roboreti (Rovereto) in Alessandria selbst urkundete, vgl. Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 131 Nr. 78. 68 In unseren Zeugenverhören vom November 1184 wird für Alessandria von Paveser Zeugen auch der Name Palea, der in der Ticinostadt lange für die Stadt am Tanaro gebräuchlich war, verwendet. Ein einziger der Piacentiner Zeugen verwendet den erst seit der Aussöhnung des Kaisers mit der Stadt am Tanaro vom März 1183 gültigen neuen Stadtnamen Ces(s)aria. – Siehe dazu schon oben, S. 52 f.

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Vorteile ziehen können. Fingerzeige bieten nicht nur die Berichte historiographischer Quellen über die Belagerung Alessandrias. 69 Der politische Schwenk Pavias lässt sich darüber hinaus sehr eindringlich an der Biographie eines der im November 1184 verhörten Paveser Zeugen ablesen : Siro Salimbene, der in den Jahren 1172, 1177 und 1179 als Konsul seiner Heimatstadt fungierte, dessen gleichnamiger Vorfahre bereits im Jahre 1112 als Paveser Konsul amtiert hatte und aus dessen Familie auch der 1162 als Konsul tätige, 1184 gleichfalls als Zeuge verhörte Gisliciono Salimbene stammte, weilte im Dezember 1174 im kaiserlichen Heerlager bei Alessandria und nahm nach dem Scheitern der Belagerung im April 1175 als Paveser Richter aufseiten des Kaisers an den Friedensverhandlungen mit den Lombarden zu Montebello teil. 1183 gehörte er zu den Italienern, die den weiten Weg nach Nürnberg auf sich nahmen, um dort den Ausgleich des Staufers mit Alessandria/ Cesarea zu bezeugen, und noch 1185 und 1186, also in den beiden letzten Jahren des letzten Italienzuges Friedrich Barbarossas, ist er häufig bei Hofe nachzuweisen. Die Stadt am Ticino war in den Jahren 1175 und 1176 nicht anders, als dies in den Fünfziger- und Sechzigerjahren der Fall gewesen war, feste Bastion der kaiserlichen Herrschaft. Am markantesten kommt dies zum Ausdruck, als der Staufer nach der Niederlage, die er bei Legnano am 29. Mai 1176 gegen den Lombardenbund erlitt und dabei sogar persönlich verwundet wurde, erst mit seiner Rückkehr an den Ticino in Pavia wieder sicheren Boden unter seinen Füßen wusste. Die Neupositionierung von Pavia auf staufischer Seite, im Kern nichts anderes als eine Rückkehr zu der für die Kommune einzig und allein erfolgversprechenden Positionierung im Ringen mit den städtischen Konkurrenten der Lombardei, spiegelte sich auch in der Paveser Kirchengeschichte nachhaltig wider : Es war nicht nur der bischöfliche Thron, der während des fünften Italienzuges des Kaisers wieder an den Schismatiker Siro ging. Auch in der altehrwürdigen Petersabtei, wo zwischen September 1168 und September 1169 der alexandrinische, damit orthodoxe Abt Olrico den Schismatiker Giovanni de Villarasca abgelöst und verdrängt hatte, konnte Giovanni in den Jahren 1175 und 1176 sein Abbatiat noch einmal einnehmen, ehe er dann im Gefolge des 1177 zu Venedig geschlossenen 69 Sie sind erfasst bei B.-Opll, Reg. Imp. 3, Nr. 2129.

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Friedens mit der Kirche endgültig abgesetzt wurde und fortan als einfacher Mönch leben sollte.70 Trotz dieser Übereinstimmung der städtischen Interessen mit der Politik des Reiches war ein Zurückdrehen der Entwicklung, damit eine vollständige Wiederherstellung der 1167 verloren gegangenen politischen Stärke in diesen Jahren ab 1175 weder für das Reichsoberhaupt noch für Pavia denkbar und möglich. Anders als dies in den 1160er Jahren der Fall gewesen war, als Pavia zu den größten Nutznießern der Erfolge der Politik des Staufers gezählt hatte, gab es solche Erfolge des Kaisers nun praktisch nicht mehr. Das militärische Vorgehen gegen die Lega Lombarda hatte weder im Zusammenhang mit der Belagerung von Alessandria noch auch danach zu einem wirklichen Erfolg geführt, im Gegenteil : Mangelnde Unterstützung vonseiten der deutschen Reichsfürsten, zugleich die gegenüber den Gegebenheiten des Jahrzehnts zuvor weitaus schwächeren kommunalen Streitkräfte Pavias, im Gegensatz dazu die beachtliche militärische Stärke der Lega Lombarda – all das hatte die Grundkonstellationen total verändert. Pavia musste relativ bald zur Einsicht gelangen, dass selbst eine bedingungslose Positionierung aufseiten des Reiches die mittlerweile so ungeheuer erstarkte Macht der (anderen) Kommunen nicht mehr zu brechen imstande war. Nicht nur Barbarossa selbst schlug im Laufe dieses vierjährigen Aufenthalts in Italien (1174–1178), insbesondere ab 1175/76, eine sehr viel deutlicher pragmatisch ausgerichtete Politik ein. Gradmesser für diese neue Vorgangsweise des Staufers ist nicht nur seine Politik gegenüber Kirche und Papsttum, die ihm letztlich den durch 18 Jahre bestehenden Dissens mit der Kurie 1177 zu beenden ermöglichen sollte. Gut ablesbar ist dies alles auch an seiner Städtepolitik, bei der es ihm in wohl abgewogener Balance zwischen Entgegenkommen und Beharren wie auch mit einer subtilen Anwendung des Herrschaftsprinzips des »divide 70 Zu Abt Giovanni von S. Pietro in Ciel d’Oro vgl. die Hinweise bei Barbieri, Notariato, S. 30 ; Abt Olrico urkundete letztmals am 20. August 1174, und damals schon nicht mehr in Pavia, sondern auffälligerweise in Alessandria (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 131 Nr. 78). Abt Giovanni stellte sodann am 25. Juli 1175 und am 26. Januar 1176 in Pavia Urkunden aus (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, a.a.O., S. 135 Nr. 81, und S. 151 Nr. 91). Ab dem 22. Oktober 1177 – also nach dem im Sommer dieses Jahres abgeschlossenen Frieden von Venedig, dem Ende des 18-jährigen Schismas – war dann wieder Abt Olrico unangefochten im Amt (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, a.a.O., S. 163 Nr. 99).

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et impera«71 gelingen sollte, die eigene Stellung nicht nur zu bessern, sondern nachhaltig zu befestigen. Solches forderte auch von der Ticinostadt in einem bislang kaum gegebenen Umfang die Bereitschaft zum Kompromiss, den Verzicht auf früher eingenommene Positionen innerhalb des kommunalen Machtringens. So gab es etwa praktisch keine Möglichkeit, den Ausgleich Barbarossas mit Tortona im Jahre 1176, einer Stadt, die für Pavia stets Feind und Feindbild gewesen war und deren Zerstörung man 21 Jahre zuvor regelrecht betrieben hatte, in irgendeiner Form zu beeinspruchen, gar zu verhindern.72 Den Angehörigen des städtischen Regiments am Ticino musste bald klar sein, dass keine Möglichkeit bestand, mit einer Parteinahme für das Reich die Bedrohung, welche die Lega Lombarda für kaisertreue Städte darstellte, ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, im Gegenteil : Pavia tat gut daran, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, im Kontext seiner kommunal bestimmten Umwelt bestehen zu können, und dies galt natürlich vermehrt, nachdem im Sommer 1177 in Venedig ein auf sechs Jahre begrenzter Waffenstillstand zwischen Barbarossa und dem Lombardenbund abgeschlossen worden war. Eindrucksvolles Zeugnis für dieses Bestreben der Stadt am Ticino bieten nicht zuletzt die zum Jahr 1181 überlieferten Verzeichnisse über die Entrichtung von Steuern aus dem Titel des Fodrum und des iuvaticum.73 Insgesamt sind drei Pergamentblätter erhalten geblieben, auf denen die Gebiete zwischen Pavia und Mailand, die Lomellina und das Oltrepò Pavese erfasst werden, allerdings fehlt der obere Teil des dritten Blattes, sodass für das Oltrepò Überlieferungslücken bleiben. Angeführt werden in diesen Verzeichnissen zum einen die Namen der Zahlenden, zum anderen die Beträge, während die Herkunftsorte zumeist unerwähnt bleiben. Dennoch lässt sich an den Namen der Personen, die für 71 Dazu Opll, Divide et impera. 72 Wie gespannt die Beziehungen zwischen Pavia und Tortona dennoch weiterhin blieben, davon gibt eine am 18. Juni 1178 in Pavia ausgestellte Urkunde Zeugnis : Aus ihr geht hervor, dass sich Bischof Obert von Tortona weigerte, der ultimativen Aufforderung durch den Paveser Konsul Lanfranco Capello, sich persönlich oder durch Boten wegen des Streits um die Brücke über die Staffora zu Voghera zu verantworten, tatsächlich auch nachzukommen, siehe dazu jetzt die online-Edition der Urkunden des Paveser Klosters S. Maria del Senatore durch Ansani – Baretta (Carte del monastero di S. Maria del Senatore) : http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-smariasenatore/carte/senatore1178-06-18 (Status : 24. September 2009). 73 Zur Bedeutung von Fodrum und iuvaticum siehe oben, S. 152 ff. und S. 156 f.

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das Gebiet des Oltrepò Steuern entrichteten, erkennen, dass darunter etliche Piacentiner waren.74 – In welcher Art und Weise Pavias Bestrebungen um Bestärkung seiner Herrschaft im Contado im Kleinen, in den Orten seines eigenen Contado, mehr oder weniger erfolgreich verliefen, davon geben gerade die Hinweise aus unseren Zeugenverhören vom November 1184 eindrucksvoll Zeugnis ab : Etliche Zeugen sprechen davon, dass in diesen Jahren beide Städte, Pavia wie Piacenza, in den quinque loci zwischen dem Po und dem Hügelland nach Süden zu alternierend die Herrschaft ausübten. In der Realität war es vom Ende der 1170er Jahre bis zum Herbst 1184 freilich sehr viel häufiger die Postadt, welche sich hier mit Erfolg, aber auch mittels Anwendung von Gewalt, durchzusetzen vermochte. Piacenza wiederum sah in den Jahren des fünften Italienzuges des Herrschers (1174–1178) naturgemäß keine Veranlassung für eine Annäherung an das Reich, im Gegenteil : Die uns zur Verfügung stehenden Quellen zeigen, wie die Postadt damals zu den festen Mitgliedern des Lombardenbundes zählte, dort Versammlungen der Städte abgehalten und auch Piacentiner Truppen für die Auseinandersetzungen mit Barbarossa – darunter auch 1176 zu Legnano – gestellt wurden. Jede Veränderung der Verhältnisse in Richtung einer erneuten Stärkung des Reichs hätte zugleich eine solche der traditionellen städtischen Gegner von Piacenza bedeutet und damit so manches von dem, was man an Erfolgen im Rahmen der auf den Contado gerichteten Territorialpolitik in den Jahren nach 1167 hatte erzielen können, sofort wieder zunichte gemacht. Diese grundsätzliche Haltung bedeutete freilich nicht, dass man nicht im Fall des Falles, d. h. wenn solches eben den eigenen Interessen entsprach, selbst vor dem Gericht eines päpstlichen Legaten sich durchaus auf frühere kaiserliche Maßnahmen pro Piacenza berufen mochte. 74 Das Verzeichnis ist ediert bei Bollea, Nr. 40, S. 55–68, vgl. dazu auch Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 34–36, S. 22–34 ; das Oltrepò Pavese (ultra padum) findet sich auf S. 66–68, wobei bei den im September eingehobenen Abgaben (S. 67) ein Alberto Surdo, ein Uberto de Andito, ein Mantegaccio (Alberto, Gualterio, Oberto und Piacentino Mantegacius werden unter den Teilnehmern am Consiglio generale von Piacenza am 25. Oktober 1180 erwähnt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265) und ein Giovanni Sperone erwähnt werden, welche vielleicht mit manchen der Personen, die in unseren Zeugenverhören und anderen zeitgenössischen Überlieferungen aufscheinen, verwandt gewesen sein könnten (siehe dazu unten, Anhang iii/2, s. v. Alberto de Andito, Alberto Sperone und Ricardo Surdo, S. 244 f. und S. 249).

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Paradebeispiel dafür ist der am 4. März 1174 vor dem geistlichen Gericht solch eines Legaten verhandelte Konflikt um die Verkehrsrechte am Po. 75 Diese grundsätzliche Distanz zwischen Stadt und Reich, dieser 1167 grundsätzlich vollzogene Bruch, kam nicht zuletzt im kaiserlichen Itinerar zum Ausdruck : Friedrich, der sich die längste Zeit von 1174 bis gegen Ende 1176 ausschließlich in der Lombardei sowie im westlichen Oberitalien aufhielt, wählte im Dezember 1176 für seinen Zug an die Via Emilia und in die Marken eben nicht die übliche Route über Piacenza, sondern überschritt damals den Po bei Cremona. Die Lega Lombarda votierte dann im Zuge der Verhandlungen über die Wahl eines Ortes, an dem der in Vorbereitung befindliche Friede zwischen Reich und Papsttum, Sizilien und dem Lombardenbund selbst geschlossen werden sollte, im April 1177 ganz besonders kennzeichnend entweder für Bologna, Ferrara, Padua oder eben für Piacenza.76 Die Jahre nach der Rückkehr des Kaisers nach Deutschland (1178–1184) nutzte Piacenza umfassend, um seine politische wie wirtschaftspolitische Position weiter auszubauen, und dies war von einer Reihe beachtlicher Erfolge begleitet : Zu nennen sind Handelsabkommen und gegenseitige Schutzzusagen mit Ferrara (1181 November 5, Ferrara) und Florenz (1181 Dezember 12, Piacenza), mit Pontremoli an der wichtigen Straße über den Pass von La Cisa (1182 März 15, Bardi) sowie ein am 8. August 1182 zu Bardoneggia Inferiore im Oltrepò Pavese,77 unweit der im Zentrum unserer Studie stehenden quinque loci abgeschlossenes Übereinkommen mit Pavia betreffs gegenseitiger Schutzzusagen.78 Während Pavia weiterhin an seiner Parteinahme für den Herrscher festhielt und 1183 auch den Ausgleich zwischen Barbarossa und Alessandria, das in einem politisch hochinteressanten Akt unter dem bezeichnenden Namen Cesarea neu gegründet wurde, mittrug, schritt Piacenza

75 Dazu Güterbock, Piacenzas Beziehungen, S. 64. 76 B.-Opll, Reg. Imp. 3, Nr. 2244. 77 Bardoneggia Inferiore liegt westlich von Castel San Giovanni an der Strada Statale Nr. 10 in Richtung Bosnasco hart an der Grenze zwischen der Emilia-Romagna und der Lombardei in der Provinz Piacenza. 78 Siehe dazu Corna – Ercole – Tallone, Registrum magnum, S. 284 Nr. 223 (Ferrara), S. 54 Nr. 46 (Florenz), und S. 233 Nr. 170 (Pontremoli), bzw. Falconi – Peveri, Registrum Magnum, Vol. I, Nr. 215 (Ferrara), Nr. 45 (Florenz), und Nr. 164 (Pontremoli), sowie Vol. iii, Nr. 820 (Pavia).

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in den frühen 1180er-Jahren nicht nur wirtschaftlich von Erfolg zu Erfolg. Es wurde zugleich zum bevorzugten städtischen Standort der Lega Lombarda überhaupt.79 Höhepunkt in dieser Hinsicht bildeten ohne Zweifel die Tage und Wochen im Frühjahr 1183, als es hier in Piacenza gelang, die Vorverhandlungen zu einem termingerecht zu Ende der im Waffenstillstand von 1177 vorgesehenen Frist von sechs Jahren zu vereinbarenden Friedensschluss zwischen dem Reich und dem Lombardenbund zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Gemeinsam mit den übrigen Kommunen des Städtebundes entsandten die Piacentiner dann im Juni desselben Jahres offizielle Vertreter nach Konstanz an den Bodensee, wo der nach dieser Stadt benannte Friede, die »pax Constantiensis«, endgültig besiegelt wurde. Von diesem epochalen Friedensschluss war dann ein Jahr später keine Kunde in das Landgebiet zwischen Pavia und Piacenza gedrungen, in jedem Fall nahm kein einziger der am 14. und 15. November 1184 in Pavia verhörten Zeugen bei

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Abb. 24 : Friedrich Barbarossa ( ? ; vgl. zur Identifizierung Settia, Costruzione del Duomo di Sant’Evasio), Statue im Deambulatorio des Doms von Sant’Evasio zu Casale Monferrato ; Foto : F. Opll.

79 Und im Rahmen von Piacenzas Rolle als bevorzugter Tagungsort der Lega Lombarda sollte es dann im Januar 1185 sogar zur persönlichen Teilnahme Friedrich Barbarossas an einer Zusammenkunft des Städtebündnisses kommen, siehe dazu B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nrr. 2852–2854.

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seinen Berichten darauf Bezug. Das zeitlich jüngste Ereignis, das dezidiert Erwähnung fand, war der in Venedig 1177 abgeschlossene Waffenstillstand, die Bezeichnung von Alessandria als Ces(s)aria durch einen der Zeugen spiegelt zumindest indirekt wider, dass man doch auch von den zeitlich danach liegenden Entwicklungen der »großen« Politik Kenntnis hatte. Aus der Sicht Pavias nahm man die einmalige Chance einer abermaligen Rückkehr des Kaisers nach Italien in ebenso geschickter wie überlegter Weise wahr. Als Friedrich Barbarossa im September 1184 zu seinem letzten Italienzug aufbrach, führte ihn sein Weg zwar in höchst auffälliger Weise zuerst nach Mailand, doch war dies eindeutig der mit dem Frieden des Vorjahres erzielten grundlegenden Umgestaltung der Situation geschuldet. Pavia war dann gleich die zweite Stadt, der das Reichsoberhaupt (Abb. 24, S. 213) von Ende September bis zum 10. Oktober einen Besuch abstattete. Der durchgehend in der Rekognitionszeile der damals in Italien ausgestellten Herrscherdiplome angeführte Kanzler, Gottfried von Helfenstein, hatte schon seit dem Frühjahr 1184, somit noch vor dem persönlichen Eintreffen Barbarossas in der Lombardei, in seiner Funktion als Reichslegat in Italien eine ganz besonders herausragende Stellung im Süden der Alpen eingenommen. Bereits am 11. März 1184 war er als sacri palatii in Italia legatus während eines Aufenthalts in der erzbischöflichen Pfalz zu Mailand in Angelegenheit der Streitigkeiten zwischen Bischof Milo von Turin und Graf Humbert von Maurienne-Savoyen tätig.80 Damals befanden sich mit Siro Salimbene von Pavia sowie mit Gerardo Cossadoca von Piacenza Vertreter beider Städte, die im Zentrum auch unseres Forschungsinteresses stehen, unter den sapientes, deren Rat der Reichslegat einholte. Die »besseren Karten« in den im Herbst desselben Jahres in einem groß aufgezogenen Rechtsverfahren behandelten Streitigkeiten zwischen Pavia und Piacenza um die Herrschaft über die an der Grenze ihrer Contadi gelegenen fünf Orte hatten dann in jedem Fall die Pavesen. Sie hatten durchaus auch in Zeiten, da dies nicht wirklich und nicht in jeder Hinsicht für sie vorteilhaft sein mochte, über die Jahrzehnte hinweg ihr Heil stets an der Seite des Reichs, in enger Anlehnung an die politischen Maßnahmen Kaiser Friedrich Barbarossas gesehen und gesucht. In der Longue durée einer his80 B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nr. 2754.

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torischen Betrachtung der Entwicklung, wie sie sich im zeitlichen Anschluss an die Ereignisse von 1184 bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt, vermochte sich die Stadt am Ticino letztlich durchzusetzen und ihre Position im Süden des Po zu wahren, ja selbst heute stehen wir vor dem Phänomen, dass Pavia eine Provinz präsidiert, die über den oberitalienischen Schicksalsfluss nach Süden hinausreicht. – Das Wechselspiel der »großen« Politik zeitigte immer wieder auch bis in diese kleinräumigen Verhältnisse des Landgebietes im Oltrepò Pavese hinein unmittelbar Wirkung. Wohl und Wehe der hier lebenden Menschen hingen durchaus von diesen, eben nur vermeintlich weit entfernten Rahmenbedingungen ab.

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Lassen Einblicke in und Berichte über das Leben im städtischen Umland der Lombardei in der frühen Stauferzeit, wie sie sich bei einer intensiven Analyse von Zeugenaussagen ergeben bzw. erstellt werden können, tatsächlich einen Erkenntnisgewinn zu ? Erhalten wir ein Mehr an Wissen über das, was heutzutage so gerne als »Geschichte von unten« beschrieben wird ? Oder – mit einem deutlich anderen Schwerpunkt versehen – bieten die hier gewonnenen Erkenntnisse nicht eben nur Gelegenheit, »Geschichten« aus dem Mittelalter zu erzählen ? Wie hoch ist der Wert derartiger Überlieferungen ganz generell zu veranschlagen, sind sie – auch nur einigermaßen – zuverlässig, oder ist der Blick auf das tatsächlich Geschehene durch die lange oder auch nur kurze Zeitspanne, an die man sich zurückzuerinnern hat, nicht ohnehin trüb, das Berichtete demzufolge verschleiert und alles andere als gewiss ? Solche und noch viele weitere Fragen stellen sich demjenigen, der im Bemühen um ein möglichst tief gehendes Durchdringen mittelalterlicher Überlieferungen, um eine Weitung unseres Wissens über die Gegebenheiten vor Hunderten von Jahren, insbesondere darüber, wie Menschen in dieser Epoche tatsächlich gelebt haben, derartige Forschungen vorantreibt. Die Voraussetzungen der hier vorgelegten Analysen sind (und waren) vielfältig : Am Anfang stand die detaillierte Erfassung eines großartigen Kompendiums an Quellen, ein Kompendium, das in der Folge nach vielen Kriterien hin zu erschließen war. Dabei war eine entscheidende Vorbedingung nicht zuletzt eine möglichst umfassende Charakterisierung aller der an den Verhören im November 1184 beteiligten Personen, der verhörten Zeugen selbst, der von den Städten Pavia und Piacenza nominierten Schiedsrichter wie auch der mit der Umsetzung all dessen in entsprechende Protokolle befassten Notare. Erst auf diesem Wege konnte zunächst ein festes Fundament für eine Erstbeurteilung der Aussagen geschaffen werden. Ein nächster Schritt bestand darin, die in diesen Überlieferungen vielfach enthaltenen Angaben chronologischer Na-

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tur, also die Datierungsangaben zu bestimmten Ereignissen, genauer zu prüfen. Dabei waren im Wesentlichen drei Datierungsmerkmale miteinander in Beziehung zu bringen, damit zugleich auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen : (1) die Nennung einer bestimmten Anzahl von Jahren, welche den Zeugen vom berichteten Ereignis trennen, (2) der Hinweis auf ein bestimmtes Ereignis – im Regelfall der »großen« Geschichte (Zerstörung von Tortona, Belagerung von Mailand, Alessandria usw.) – zu Zwecken der Datierung und (3) die Nennung von Amtsträgern, im Regelfall von Paveser oder Piacentiner Konsuln, die zur Zeit eines bestimmten Geschehens ihre Funktion ausübten. Was sich im Zuge dieses Bemühens recht deutlich hat herausarbeiten lassen, das ist der hohe Grad an Zuverlässigkeit, durch den sich das Gedächtnis der verhörten Zeugen auszeichnet. Im Hinblick auf die in der Forschung der letzten Jahre vertretene gegenteilige Auffassung von einer grundsätzlich stets berechtigten Skepsis gegenüber den Aussagen über Ereignisse der eigenen oder auch »allgemeinen« Vergangenheit stellt dies alles einen nicht unwichtigen Befund dar. Dennoch ist grundsätzlich zu betonen, dass es zweifellos verfehlt und falsch wäre, aus den in diesem Buch vorgelegten Ergebnissen nun umgekehrt wieder die Auffassung ableiten zu wollen, dass Erinnerungen von Menschen eben ganz prinzipiell und stets zuverlässig seien. Die ebenso differenzierende wie detaillierte Analyse von Überlieferungen bleibt unabdingbare Voraussetzung und Entscheidungsgrundlage für deren Bewertung ! Im Folgenden schien eine geographisch-historische Einführung in den behandelten Raum der quinque loci wie auch zu jedem einzelnen von diesen absolut unabdingbar, wird doch erst bei solch einer Vorgehensweise der topographisch-lokale Bezugsrahmen abgesteckt, letztlich verständlich gemacht. Dem Bemühen um Klärung der Frage, in welcher Weise diese Zeugenverhöre nun tatsächlich Einblicke in das »Alltags«leben der Menschen im Contado gewähren, dienen die Ausführungen im darauf folgenden, größeren Abschnitt des Buches, in dessen Zentrum die Frage nach den Lebens»verhältnissen« steht. Wichtig erscheint dabei der strukturierte Ansatz, in dem die bei der Befragung vom November 1184 gegebenen Antworten darauf, unter wessen Herrschaft die Menschen denn gestanden haben bzw. stünden, nach ihren inhaltlichen Einzelheiten analysiert werden. Beachtung fanden dabei insbesondere Hinweise auf die vielfältigen Arbeits- und Abgabenverpflichtungen im Dienst Pavias oder Piacenzas, auf brutale Eingriffe der einen

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wie der anderen Stadt in die Gestaltung des Lebens der Bewohner im Contado oder auch auf die bloß im Kontext der Angaben zur Pfarrzugehörigkeit dieser Leute ein wenig erkennbaren freudigeren, vielleicht auch festlicheren Anlässe in deren Leben. Diese Analysen bieten die Sicht auf ein in vielem beschwerliches, schweres, ja hartes Leben. Wie sich der Mensch in diesen Verhältnissen zurechtfand, unter diesen Rahmenbedingungen sein Leben führte, das nötigt hohen Respekt und ehrliche Anerkennung ab. Dies alles deckte freilich nur den lokalen bzw. regionalen Rahmen ab, machte höchstens deutlich, unter welchen Rahmenbedingungen man in den Orten Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese und S. Marzano sein Leben fristete und in welcher Weise die beiden mächtigen, um ihren herrschaftlichen Zugriff auf den Contado mit großer Dynamik und Energie ringenden Kommunen Pavia und Piacenza darauf Einfluss nahmen. Die Lombardei selbst gehörte in der frühstaufischen Epoche allerdings insgesamt zu den maßgeblichen Schauplätzen der Politik des Reichs, die hier gelegenen Kommunen waren zentrale Objekte der Maßnahmen Kaiser Friedrich Barbarossas, die in diesen Landstrichen einen der Schwerpunkte ihrer Wirksamkeit fanden. Der Blick in diese »großen« Zusammenhänge, in die »große« Politik ist daher völlig unverzichtbar. Erst auf diesem Weg gelangen wir näher an ein Verständnis und ein Verstehen sowohl der regionalen Entwicklungen wie auch – und dies zeigt die vorliegende Studie in einer ganz besonders eindrucksvollen Weise – der lokalen, kleinräumigen Verhältnisse in den städtischen Territorien von Pavia und Piacenza.

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Anhang i : Die Quellen Vorbemerkung : Neben der Bestallungsurkunde für das Gremium, das mit der Durchführung der Verhöre sowie deren Protokollierung beauftragt wurde (Nr. 1), liegen insgesamt 14 Dokumente vor, von denen elf Notariatsinstrumente mit Notariatssigneten sind. Die beiden für die Abwicklung der Verhöre Hauptverantwortlichen, Richter Capo von Piacenza und Guido de Pozzo aus Pavia, werden in diesen elf Dokumenten in unterschiedlicher Reihenfolge angeführt, und nur diese elf Notariatsinstrumente weisen auch Zeugen auf, und zwar jeweils eine unterschiedliche Gruppe von Personen in den zum 14. November (Nrr. 2–5) bzw. den zum 15. November datierten Stücken (Nrr. 6–8, 10–11 sowie 14–15). Bei den restlichen drei Urkunden (Nrr. 9, 12 und 13) handelt es sich um formlos gehaltene Niederschriften der Aussagen der einvernommenen Zeugen. In sämtlichen 14 Dokumenten werden im Original die Anfänge der Aussagen der einzelnen Zeugen durch eine Art von Paragraphenzeichen vor dem Namen des betreffenden Zeugen im Schriftbild hervorgehoben. – Großen Dank für die Möglichkeit der Einsichtnahme in eine Reihe von Originalen am 9. Juni 2009 schulde ich Herrn Dott. Giovanni Zaffignani, dem für das Archivio Storico und die städtischen Sammlungen in der Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia zuständigen Kollegen.

–1– 1184 November 14, Pavia (in ciuitate Papia in broilo consulum papie). (Richter) Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia, die zunächst in Anwesenheit der Paveser Konsuln Guarnerius Comes de Abiatico und Campanese de Beccaria im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve

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de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den Paveser Notaren Guglielmo Giruino und Tommaso Palmano, die aufzunehmenden Zeugenverhöre zu protokollieren ; von beiden Seiten möge die gleiche Anzahl von Zeugen gehört werden, und Capo erteilt dem Guido de Pozzo die Vollmacht, die Publikation der Niederschriften durch die (Paveser) Notare Saraceno de Burgo und Gualfredo de Ponziglione, Guido de Pozzo seinerseits erteilt Capo die Vollmacht, die Publikation der Niederschriften durch die Piacentiner Notare Alberto de Castello und Guischa vornehmen zu lassen. – Pfalznotar Giovanni de Sparvara (Johannes de sparoaria sacri palatii notarius) hat dies aus der Imbreviatur des Guglielmo Giruino und auf dessen Befehl niedergeschrieben. Druck : Bollea, Nr. 44 (irrig : 46), S. 72–73. Zu dem mit den Zeugenverhören betrauten Komitee sowie dessen Auftraggebern vgl. oben S. 26 und 31 ff. – Der als Herkunftsort des Pfalznotars Giovanni angegebene Ort Sparvara ist heute in Gambarana unweit des linken Poufers in der südlichen Lomellina (Prov. Pavia) aufgegegangen.

–2– 1184 November 14, Pavia (in vrbe papia in broilo consulum comunis). Richter Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia, die zunächst in Anwesenheit der Paveser Konsuln Guarnerius Comes de Abiatico und Campanese de Beccaria im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen dem Paveser Notar Tommaso (Palmano), die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Otto Rufino (aus Parpanese), Pietro Cheno, Pietro Guercio de Brussato, Alberico Rappo, Giacomo Aviano, Opizone Butigella, Siro Recco, Bertolotto Schergnano und Nicolò de Villanova. Zeugen dieser Urkunde : Buccadosa de Canevanova, Petraccio de Pis(s)caria, Montenario Ioffredus, Artusio Rubba, Gaiferio Bellisomus und dessen Bruder Oliverio, Giacomo sartore, Guelfo de Besade, Bulgaro Carimannus, Giovanni Caputpiperis, Guido de Carbono und Mar-

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Anhang I: Die Quellen

tino Boticella. – Pfalznotar Tommaso (Palmano) hat die Aussagen der genannten Zeugen auf Befehl der vorgenannten Capo und Guido de Pozzo beglaubigt. Bollea, Nr. 45, S. 73–82. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 38, S. 35–36. Der hier genannte Pietro Cheno wurde als einziger aller einvernommenen Zeugen zweimal verhört, vgl. unten Nr. 4 (Bollea, Nr. 47).

–3– 1184 November 14, Pavia (in vrbe papia in broilo consulum comunis). Richter Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia, die zunächst in Anwesenheit der Paveser Konsuln Guarnerius Comes de Abiatico und Campanese de Beccaria im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen dem Paveser Notar Tommaso (Palmano), die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Burro Rosso, Ricardo Gambarello, Mazocco, Dulciano de Parpanese, Martino Caguncio, Rufino Testadiburro, Siro Mussino, Turco de Porta Palazzese, Ardizzone magister, Giacomo Cane, Pietro Scafella und Gualfredo de Ponziglione. Zeugen dieser Urkunde : Buccadosa de Canevanova, Petraccio de Pis(s)caria, Montenario Ioffredus, Artusio Rubba, Gaiferio Bellisomus und dessen Bruder Oliverio, Giacomo sartore, Guelfo de Besade, Bulgaro Carimannus, Giovanni Caputpiperis, Guido de Carbono und Martino Boticella. – Pfalznotar Tommaso (Palmano) hat die Aussagen der genannten Zeugen auf Befehl der vorgenannten Capo und Guido (de Pozzo) beglaubigt. Druck : Bollea, Nr. 46, S. 82–90. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 39, S. 36–37 (mit dem irrigen Hinweis, dass Burro Rosso eine Kirche San Salvatore in Monticelli erwähnt, was sich tatsächlich auf Besitz des Paveser Klosters S. Salvatore in Monticelli bezieht).

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–4– 1184 November 14, Pavia (in vrbe papia in broilo consulum comunis). (Richter) Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia, die zunächst in Anwesenheit der Paveser Konsuln Guarnerius Comes de Abiatico und Campanese de Beccaria im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen dem Paveser Notar Tommaso (Palmano), die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Giovanni Marracio, Pietro Cheno, Viviano de Alda, Girardo Mussino (aus Parpanese) und Andrea Oreglacio (aus Parpanese). Zeugen dieser Urkunde : Buccadosa de Canevanova, Petraccio de Piscaria, Montenario Ioffredus, Artusio Rubba, Gaiferio Bellisomus und dessen Bruder Oliverio, Giacomo sartore, Guelfo de Besate, Bulgaro Carimannus, Giovanni Caputpiperis, Guido de Carbono und Martino Boticella. – Pfalznotar Tommaso (Palmano) hat die Aussagen der genannten Zeugen auf Befehl der vorgenannten Capo und Guido (de Pozzo) beglaubigt. Druck : Bollea, Nr. 47, S. 90–100. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 40, S. 37–38. Der hier genannte Pietro Cheno wurde als einziger aller einvernommenen Zeugen zweimal verhört, vgl. oben Nr. 2 (Bollea, Nr. 45).

–5– 1184 November 14, Pavia (in vrbe papia in broilo consulum comunis). Richter Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia, die zunächst in Anwesenheit der Paveser Konsuln Guarnerius Comes de Abiatico und Campanese de Beccaria im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion be-

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Anhang I: Die Quellen

stätigt wurden, befehlen dem Paveser Notar Tommaso (Palmano), die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Villano Cordario, der Johanniterbruder Rolando Cane, Giovanni de Appolinare und Pietro Gallo. Zeugen dieser Urkunde : Buccadosa de Canevanova, Petraccio de Pis(s)caria, Montenario Ioffredus, Artusio Rubba, Gaiferio Bellisomus und dessen Bruder Oliverio, Giacomo sartore, Guelfo de Besade, Bulgaro Carimannus, Giovanni Caputpiperis, Guido de Carbono und Martino Boticella. – Pfalznotar Tommaso (Palmano) hat dies auf Befehl der oben angeführten Zeugen beglaubigt (so irrig statt richtig : hat die Aussagen der genannten Zeugen auf Befehl der vorgenannten Capo und Guido de Pozzo beglaubigt). Druck : Bollea, Nr. 48, S. 100–104. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 41, S. 38–39.

–6– 1184 November 15, Pavia (in ciuitate [papie] in broilo consulum). Guido de Pozzo von Pavia und (Richter) Capo von Piacenza, die zunächst im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den öffentlichen (Paveser) Notaren Gualfredo (de Ponziglione), Saraceno de Burgo und Tommaso Palmano, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Caldera Cane, Simone de Casasco, Bertramo de Ser Siclerio und Adamo Portonario. Zeugen dieser Urkunde : die domini Bellono de Curte, Konsul der Kommune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Zavata Cane, Scotto Lignarolo, Rufino de Cellanova, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Gualfredo (de Ponziglione) hat die Aussagen der genannten Zeugen auf Befehl der Podestà Guido (de Pozzo) und Capo beglaubigt und diese Urkunde geschrieben. Druck : Bollea, Nr. 49, S. 104–109. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 42, S. 39–40. Der unter den Zeugen angeführte Scotto Lignarolo fungierte am 20. Juni 1187 als Justizkonsul seiner Heimatstadt, vgl. Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 56, S. 52–53.

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–7– 1184 November 15, Pavia (in ciuitate papia et in broilo consulum). Guido de Pozzo von Pavia und (Richter) Capo von Piacenza, die zunächst im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den öffentlichen (Paveser) Notaren Gualfredo (de Ponziglione), Tommaso Palmano und Saraceno de Burgo, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : donnus Guido, Priester der Kirche von S. Marzano aus S. Marzano, Gandolfo Abate aus S. Marzano, Domenico Arcario (aus S. Marzano) und Albrico Roncio (aus S. Marzano). Zeugen dieser Urkunde : dominus Bellono de Curte, Konsul der Kommune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Zavata Cane, Scotto Lignarolo, Rufino de Cellanova, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Gualfredo (de Ponziglione) hat diese Zeugen (sic) auf Befehl der vorgenannten Guido (de Pozzo) und Capo beglaubigt und diese Urkunde geschrieben. Druck : Bollea, Nr. 50, S. 109–121. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 43, S. 40–41. Zu dem unter den Zeugen erwähnten Scotto Lignarolo vgl. oben bei Nr. 6.

–8– 1184 November 15, Pavia (in ciuitate papia in broilo consulum). Guido de Pozzo von Pavia und (Richter) Capo von Piacenza, die zunächst im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den öffentlichen (Paveser) Notaren Gualfredo (de Ponziglione), Tommaso Palmano und Saraceno de Burgo, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von

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Anhang I: Die Quellen

(Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Giovanni de Luzano aus Mondonico, Uberto Mangiavillano (aus Mondonico), Pietro de Luzano (aus Mondonico) und Tedaldo Basso aus Mondonico. Zeugen dieser Urkunde : dominus Bellono de Curte, Konsul der Kommune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Zavata Cane, Scotto Lignarolo, Rufino de Cellanova, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Gualfredo (de Ponziglione) hat auf Befehl der vorgenannten Guido (de Pozzo) und Capo diese Urkunde geschrieben und die Zeugen (sic) beglaubigt. Druck : Bollea, Nr. 51, S. 121–130. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 44 und 45, S. 41–42. Milani – Toscani, ebda., machen darauf aufmerksam, dass es sich bei den von Bollea als zwei getrennte Nummern dargebotenen Urkundentexten tatsächlich um zwei Pergamentblätter handelt, die aneinander genäht sind und daher zusammengehören. Das zweite Pergamentstück (hier Nr. 9) weist allerdings keine Notariatssignete auf, sondern enthält bloß die Aussagen der Zeugen. Es ist daher als formloser Annex zu Nr. 8 zu verstehen. – Zu dem unter den Zeugen erwähnten Scotto Lignarolo vgl. oben bei Nr. 6.

–9– ohne Datum und Ort (1184 November 15, Pavia). Zeugenaussagen der folgenden Paveser Zeugen (betreffs der Streitigkeiten zwischen Pavia und Piacenza um die fünf Orte Monticelli [Pavese], Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico) : Giovanni Certano aus Mondonico und Guido de Gazo aus Mondonico. Druck : Bollea, Nr. 52, S. 130–135. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 45, S. 42 (vgl. a.a.O., Nr. 44, S. 41–42). Milani – Toscani, ebda., machen deutlich, dass es sich bei diesem Stück, das von Bollea als eigenes Dokument ediert wird, tatsächlich um ein an Nr. 8 angenähtes Pergamentblatt handelt und daher inhaltlich zu diesem gehört. Im Unterschied zu Nr. 8 weist Nr. 9 keine Notariatssignete auf, sondern enthält bloß formlos die Aussagen der Zeugen.

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– 10 – 1184 November 15, Pavia (in ciuitate papia et in broilo consulum). Guido de Pozzo von Pavia und (Richter) Capo von Piacenza, die zunächst im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den öffentlichen (Paveser) Notaren Gualfredo de Ponziglione, Tommaso Palmano und Saraceno de Burgo, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Paveser) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Calvo de Clauso aus Olmo, Ambrogio (Sohn eines ?) Uberto Rosso (aus Olmo), Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano und Lanfranco Arcario aus S. Marzano. Zeugen dieser Urkunde : dominus Bellono de Curte, Konsul der Kommune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Scotto Lignarolo, Rufino de Cellanova, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Gualfredo (de Ponziglione) hat auf Befehl der vorgenannten Guido (de Pozzo) und Capo diese Urkunde geschrieben und die Zeugen (sic) beglaubigt. Druck : Bollea, Nr. 53, S. 135–145. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 46, S. 42–43 (im Kopfregest irrig zu : 1194 November 15, Pavia). Zu dem unter den Zeugen erwähnten Scotto Lignarolo vgl. oben bei Nr. 6.

– 11 – 1184 November 15, Pavia (in ciuitate papia). Richter Capo von Piacenza und Guido de Pozzo von Pavia, die von Gottfried, Kanzler des kaiserlichen Hofes, delegiert und mit der Beilegung des Rechtsstreits ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico betraut wurden, befehlen dem öffentlichen (Paveser) Notar Saraceno de Burgo und den (Paveser) Notaren Tommaso Palmano und Gualfredo de Ponziglione, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von (Piacentiner) Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Oberto de Alda aus Parpanese, Guido de Alda aus Parpanese und Tebaldo de Cigognola aus Parpanese. Zeugen dieser Urkunde : dominus Bellono de Curte, Konsul der Kom-

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Anhang I: Die Quellen

mune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Zavatta Cane, Scotto Lignarolo, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Saraceno de Burgo hat auf Befehl der Delegierten Capo und Guido (de Pozzo) diese Aussagen der Zeugen beglaubigt. Druck : Bollea, Nr. 54, S. 145–155. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 47, S. 44. Zu dem unter den Zeugen erwähnten Scotto Lignarolo vgl. oben bei Nr. 6.

– 12 – ohne Datum und Ort (1184 November 15, Pavia). Zeugenaussagen der folgenden (Piacentiner) Zeugen (betreffs der Streitigkeiten zwischen Pavia und Piacenza um die fünf Orte Monticelli [Pavese], Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico) : Andrea de Mondonico, Alioto Cazolo, Folco de Porta, Folco Ardizzone, Lanfranco Cantarello, Guido de Monte, Asmundo de Arcelli, Arduino de Arcelli, Giovanni Bondino, Guido de Vurzano, dominus Guglielmo de Malaparte, Burgundio Pocaterra, Ugo Bue, Alberto Pappapane und Omodeo de Olubra. Druck : Bollea, Nr. 55, S. 155–169. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 48, S. 45. Nach Milani – Toscani, ebda., handelt es sich hier um drei aneinandergenähte Pergamentblätter. Vgl. dazu schon oben bei Nrr. 8–9, bei denen es sich allerdings um eine Kombination aus einem Notariatsinstrument und einer formlosen Aufzeichnung von Zeugenaussagen handelt.

– 13 – ohne Datum und Ort (1184 November 15, Pavia). Zeugenaussagen der folgenden Piacentiner Zeugen (betreffs der Streitigkeiten zwischen Pavia und Piacenza um die fünf Orte Monticelli [Pavese], Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico) : Roberto de Malaraza, Calvo de Soprarivo, Guglielmo, Sohn des Agado, Giovanni Scrimalia, Gandolfo araldo (Gamdulfus tubator) und Giacomo currerio.

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Druck : Bollea, Nr. 56, S. 169–173. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 49, S. 46.

– 14 – 1184 November 15, Pavia (in ciuitate papia et in broilo consulum). Guido de Pozzo von Pavia und (Richter) Capo von Piacenza, die zunächst im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den öffentlichen (Paveser) Notaren Gualfredo (de Ponziglione), Tommaso Palmano und Saraceno de Burgo, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von Piacentiner Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Enrico Orso aus S. Marzano, Lombardo Mangiavillano (aus S. Marzano), Sucio de Sigizo (aus S. Marzano), Oberto Mocio aus S. Marzano, Andrea de Rodde (aus S. Marzano) und Rinaldo magister aus S. Marzano. Zeugen dieser Urkunde : dominus Bellono de Curte, Konsul der Kommune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Zavata Cane, Scotto Lignarolo, Rufino de Cellanova, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Gualfredo (de Ponziglione) hat auf Befehl der Podestà (Guido de Pozzo und Capo) diese Zeugen (sic) beglaubigt und die Urkunde geschrieben. Druck : Bollea, Nr. 57, S. 173–183. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii Nr. 50, S. 46–47. Zu dem unter den Zeugen erwähnten Scotto Lignarolo vgl. oben bei Nr. 6.

– 15 – 1184 November 15, Pavia (in ciuitate papia in broilo consulum). Guido de Pozzo von Pavia und (Richter) Capo von Piacenza, die zunächst im Auftrag der Kommunen Piacenza und Pavia zu Bevollmächtigten (potestates) im Rechtsstreit ihrer beiden Städte um die fünf Orte Monticelli (Pavese), Pieve de Parpanese, Olmo, San Marzano und Mondonico bestellt und dann von Gottfried, Kanzler Kaiser

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Friedrichs und damals Reichslegat in Italien, unter Beigabe des Siro Salimbene von Pavia und des Gerardo Cossadoca von Piacenza in dieser Funktion bestätigt wurden, befehlen den öffentlichen (Paveser) Notaren Gualfredo (de Ponziglione), Tommaso Palmano und Saraceno de Burgo, die im Folgenden wiedergegebenen Aussagen von Piacentiner Zeugen zu protokollieren. Dabei werden als einvernommene Zeugen genannt : Giovanni Basso aus Mondonico, Ansaldo dottore und Girardo de Generassio. Zeugen dieser Urkunde : dominus Bellono de Curte, Konsul der Kommune von Pavia, Olderico Mazonus, Caldera Cane, Zavata Cane, Scotto Lignarolo, Guglielmo de Nocleriis und Lanfranco Grugnus. – Pfalznotar Gualfredo (de Ponziglione) hat auf Befehl des Guido (de Pozzo) und des Capo diese Zeugen (sic) beglaubigt und die Urkunde geschrieben. Druck : Bollea, Nr. 58, S. 183–194. – Regest : Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 51, S. 47–48. Zu dem unter den Zeugen erwähnten Scotto Lignarolo vgl. oben bei Nr. 6.

Anhang ii : Die im November 1184 zu Pavia einvernommenen Zeugen Vorbemerkung : Die Zuordnung der einzelnen Zeugen zu solchen, die namens Pavias, bzw. solchen, die im Namen von Piacenza aussagen, wird in den Verhören von 1184 nicht immer eigens vermerkt (betreffs Paveser Zeugen vgl. Bollea, Nr. 53, S. 14 = : de loco sancti Marciani ex parte Papie ; betreffs der Piacentiner Zeugen : Bollea, Nr. 54, S. 145 : Dicta vero testium a comuni Placencie productorum in plebe de Parpanese sunt hec.; weiters vgl. Bollea, Nr. 56, S. 158 ; Nr. 57, S. 174 ; Nr. 58, S. 184). – Aus Reverenz gegenüber dem Untersuchungsgegenstand werden in dieser Arbeit im Regelfall die italienischen Namensformen der Personen verwendet. Adamo Portonario (Adam Portunarius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 49, S. 107–109) : fungierte vor 20 Jahren zur Zeit des Paveser Konsuls Paucopilo de Strata (1164) gemeinsam mit diesem als Paveser Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Kommune in den umstrittenen Orten Alberico Rappo (Albricus Rappus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 80) : zur Zeit der Paveser Konsuln Roffredo de Burgo und Armanno Cristiano (beide gemeinsam = 1162) übernachtete er gemeinsam mit Giovanni de Appolinari (siehe dort) in

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S. Marzano auf Kosten der dortigen Ortsbewohner, und beide erhoben dort im Namen der Kommune Pavia Ortskonsuln (Bollea, Nr. 48, S. 102) ; innerhalb der letzten vier Jahre (1180/81–1184) war er als Paveser Bote (nuncius) eingesetzt, musste sich aber aus Angst vor dem Eingreifen der Herren von Fontana wieder von dort zurückziehen (Bollea (Nr. 46, S. 87) Alberto Pappapane (Albertus Papapanis), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 167– 168) : erinnert sich an Ereignisse vor etwa 60 (1124) und mehr als 40 Jahren (1144) zurück Albrico Roncio (Albericus Roncius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 50, S. 117–121) : erinnert sich an die 30 Jahre zurückliegende Zerstörung von Tortona (1155) und lebte stets in S. Marzano ; fungierte einst (wann ?) als Paveser Ortskonsul von S. Marzano (Bollea, Nr. 53, S. 140) Alioto Cazolo (Aliotus Cazolus), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. S. 156–157) Ambrogio (Sohn eines ?) Uberto Rosso (Ambrosius Uberti Rubei), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 53, S. 138–140) : erinnert sich 18 Jahre zurück (= 1166) und lebte in Olmo ; vielleicht verwandt mit dem Paveser Zeugen Burro Rosso (siehe dort) Andrea de Mondonico (Andreas de Montedonnico), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 155–156) : erinnert sich an das factum Tabiani (= die Schlacht von Tabiano [Tabiano Terme bzw. Bagni südlich von Fidenza, Provinz Parma] im Juni 1149) ; war nach dem Abzug des Podestà Arnold Barbavaria aus Piacenza (1164) der erste von der Stadt Piacenza eingesetzte Ortskonsul in Mondonico (Bollea, a.a.O., Nr. 58, S. 191 f.) Andrea Oreglacio (Andreas Oreglacius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 47, S. 99–100) : wurde in Parpanese geboren, lebte dann aber in Fontana und kehrte erst vor 20 Jahren wieder nach Parpanese zurück Andrea de Rodde (Andreas de Rodde) aus S. Marzano, Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 57, S. 180–182) : kam vor gut 34 Jahren (1150) nach S. Marzano Ansaldo dottore (Ansaldus doctor), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 58, S. 189–191) : wohl Absolvent eines Studiums ; erinnert sich an König Lothar III. (1125–1137) Ardizzone magister (Ardicionus magister), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 87) : wohl Absolvent eines Studiums Arduino de Arcelli (Arduinus de Arcellis), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 160– 161) : Angehöriger der Piacentiner Familie Arcelli, eines Zweiges der Herren von Fontana, die ab 1132 belegbar ist (Racine, Plaisance II, Register) ; Arduino war im Jahr des factum Tabiani (= die Schlacht von Tabiano [Tabiano Terme bzw. Bagni südlich von Fidenza, Provinz Parma], im Juni 1149) Piacentiner Konsul im Val Tidone (siehe unten S. 245) und ließ damals gemeinsam mit seinen Konsulgenossen Guglielmo de Malaparte (siehe dort) und Gerardo Papino in den quinque loci herrschaftliche Maßnahmen namens der Postadt setzen ; mit Asmundo de Arcelli (siehe

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dort) ist unter den Zeugen des Jahres 1184 ein weiterer Angehöriger dieser Famile genannt, die mit Pagano und Arnaldo de Arcelli auch weitere Konsuln in Piacenza stellte (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, werden Pagano und ein Gerardo de Arcelli genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264 Asmundo de Arcelli (Asmundus de Arcellis), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 160) : Angehöriger der Piacentiner Familie der Arcelli, eines Zweiges der Herren von Fontana, die ab 1132 belegbar ist (Racine, Plaisance II, Register) ; erinnert sich an Ereignisse vor gut 40 Jahren (1144) ; mit Arduino de Arcelli (siehe dort) ist unter den Zeugen ein weiterer Angehöriger dieser Famile, die mit Pagano und Arnaldo de Arcelli auch weitere Konsuln von Piacenza stellte (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, werden Pagano und ein Gerardo de Arcelli genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264 Bertolotto Schergnano (Bertolottus Schergnanus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 81) : wird als einer der Paveser Einnehmer des Brückengeldes (pontexanii) genannt, der im Zeitraum der letzten 20 Jahre (1164/65–1184) in allen fünf Orten im Auftrag der Paveser Konsuln das Brückengeld (pontaticum) einhob (Bollea, Nr. 49, S. 106) Bertramo de Ser Siclerio (Bertramus de Ser Siclerio), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 49, S. 107) : fungierte – seiner Aussage nach vor 13 Jahren (= 1171) – als Konsul, was Vaccari, Lista consoli, S. 6, auf 1170 bezieht ; ein weiteres Mitglied seiner Familie namens Giacomo war 1172 ebenfalls Paveser Konsul, wird aber nicht unter den verhörten Zeugen genannt (Bollea, Nr. 53, S. 142) Burgundio Pocaterra (Burgundius Paucaterra), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 164–166) : erinnert sich an Ereignisse vor mehr als 36 Jahren (1148) ; wird als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 ; ein Alberto Pocaterra hob einst in Mondonico das Fodrum ein (Bollea, Nr. 51, S. 126 f.; Nr. 52, S. 133), Alberto und ein Atto Pocaterra waren im Auftrag des Piacentiner Podestà Arnold Barbavaria (1162–1164) mit herrschaftlichen Maßnahmen in Parpanese und auch den anderen der fünf Orte betraut (Bollea, Nr. 54, S. 148 ; Nr. 55, S. 157) ; ein Obertus Pocaterra de Fontana (identisch mit Albertus ?; oder zur Familie der de Fontana gehörig ?) war 1166 Konsul von Piacenza (siehe unten, S. 249) Burro Rosso (Burrus Rubeus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 83–84) : vielleicht verwandt mit dem Paveser Zeugen Ambrogio (Sohn eines ?) Uberto Rosso (siehe dort) Caldera Cane (Caldera Canis), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 49, S. 105) : Angehöriger

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der Paveser Familie Cane und Konsul von Pavia (1168 und 1178), welche mit Giacomo und Rolando Cane (siehe dort) – Letzterer gleichfalls Konsul seiner Heimatstadt – noch weitere Zeugen in diesen Verhören stellte ; Caldera wird in einer zu Pavia ausgestellten Urkunde vom 7. Dezember 1173 als Zeuge erwähnt, und er wird auch unter den Persönlichkeiten genannt, welche eine Reihe unserer Notariatsinstrumente am 15. November bezeugten, siehe : Bollea, Nrr. 49 (S. 109), 50 (S. 121), 51 (S. 129), 53 (S. 144), 54 (S. 155), 57 (S. 183) und 58 (S. 193) Calvo de Clauso aus Olmo (de loco Ulmo Calvus de Clauso), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 53, S. 136–138) : erinnert sich an die Zerstörung von Tortona (1155) Calvo de Soprarivo (Calvus de Suprarivo), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 56, S. 170– 171) : berichtet von Ereignissen vor der Ankunft König Lothars III. (1132 oder 1136) ; der Ortsname ist wohl auf das am Südufer des Po gelegene Soprarivo nordwestlich von Calendasco, Provinz Piacenza, zu beziehen Domenico Arcario (Dominicus Arcarius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 50, S. 115–117) : wohl von Beruf Bogenschütze (oder : Familienname ?) ; erinnerte sich 40 Jahre zurück und lebte stets in S. Marzano ; aus dieser Familie stammte mit Lanfranco (siehe dort) ein weiterer Paveser Zeuge des Jahres 1184 Dulciano de Parpanese (Dulcianus de Parpanese), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 85) : ein aus Parpanese selbst stammender Zeuge Enrico Orso aus S. Marzano (de loco sancti Marciani Henricus Ursi), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 57, S. 174–176) : erinnert sich an Ereignisse im Zusammenhang mit der kaiserlichen Brandschatzung des Gebiets von Piacenza am Michaelsfest (29. September 1167), weiß aber auch von früheren Geschehnissen in S. Marzano Folco Ardizzone (Fulco Ardicionus), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 157) : fungierte vor 12 Jahren (1172), einmal gemeinsam mit den Piacentiner Konsuln Guglielmo de Malvicino und Ardicio de Ardizzone (dürfte ebenfalls auf das Jahr 1172 weisen ; zu dem wohl mit ihm verwandten Konsul Ardicio siehe unten Anhang iii, S. 245) als Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Postadt in den umstrittenen Orten. Folco de Porta (Fulco de Porta), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 157) : fungierte zur Zeit des Piacentiner Podestà Arnold Barbavaria (1162–1164) gemeinsam mit anderen als Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Postadt in den umstrittenen Orten ; ein Oberto de Porta war 1158, 1159 (Oberto della P.) und 1166 Konsul von Piacenza (Racine, Plaisance I, 355), und diesem sowie Gerardo de Cossadoca, der dem 1184 für unsere Zeugenverhöre konstituierten Gremium angehörte (siehe oben, S. 32 f. mit Anm. 28), erkannte der Kaiser am 22. Februar 1186 in Piacenza Erwerbungen von dem Paveser Kloster S. Maria Teodota (= S. Maria della Pusterla) ab, vgl. mg.df.i. 932 (B.-Opll, Reg. Imp. 4, Nr. 2962) ; Folco de Porta wird gemeinsam mit einem Opizo de Porta auch als Teilnehmer an

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dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale erwähnt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Gandolfo Abate aus S. Marzano (Gandulfus abbas de sancto Marciano), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 50, S. 113–115) : kein Geistlicher, sondern Mitglied der S. Marzaneser Familie Abate (vgl. die Nennung eines Paveser Ortskonsuls von S. Marzano namens Pietro Abate bei Bollea, Nr. 53, S. 140) ; lebte 1184 seit 18 Jahren in S. Marzano Gandolfo araldo (Gamdulfus tubator), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 56, S. 172) : Bollea (Kopfregest auf S. 169) bezeichnet diesen Mann als Boten ; der Quellenbegriff des tubator weist wohl auf eine Funktion im Zusammenhang mit der Verkündigung von Nachrichten hin ; war vor etwa 20 Jahren (1164) gemeinsam mit anderen mit herrschaftlichen Maßnahmen namens der Postadt in den fünf Orten betraut Giacomo Aviano (Jacobus Auianus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 80) : mehrfach als Paveser Konsul belegt (siehe unten, Anhang iii, iii S. 242) Giacomo Cane (Jacobus Canis), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 87–88) : fungierte gemeinsam mit Konsul Gualterio Mediabarba (wohl 1180) als Paveser Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Kommune in den umstrittenen Orten ; Angehöriger der Paveser Familie Cane, welche mit Caldera und Rolando Cane (siehe dort) – beide im Übrigen Konsuln ihrer Heimatstadt – noch weitere Zeugen in diesen Verhören stellten Giacomo currerio (Jacobus currerius), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 56, S. 172–173) : die Bezeichnung als »Läufer« weist wohl auf eine Funktion im Zusammenhang mit der Verkündigung von Nachrichten hin ; war vor etwa 15 Jahren zur Zeit des Konsuls Boso de Malvicino von Piacenza (Konsul 1169) und auch im Jahr des Ablebens des Konsuls Guglielmo de Malvicino (1172) mit herrschaftlichen Maßnahmen namens der Postadt in einigen der fünf Orte betraut Giovanni de Appolinare (Johannes de Appolinari), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 48, S. 102–103) : übernachtete zur Zeit der Paveser Konsuln Roffredo de Burgo und Armanno Cristiano (beide gleichzeitig im Amt 1162) gemeinsam mit Alberico Rappo (siehe dort) in S. Marzano auf Kosten der dortigen Ortsbewohner, und beide erhoben dort im Namen der Kommune Pavia Ortskonsuln Giovanni Basso aus Mondonico (Johannes Bassus de Montedonnico), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 58, S. 184–189) : erinnert sich an das factum Tabiani (= die Schlacht von Tabiano [Tabiano Terme bzw. Bagni südlich von Fidenza, Provinz Parma] im Juni 1149) ; unter den Paveser Zeugen des Jahres 1184 wird ein Tedaldo Basso aus Mondonico (siehe dort) erwähnt, und daraus ist zu erschließen, dass sich offenbar unter der Herrschaft beider Städte Mitglieder der Familie Basso befanden

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Giovanni Bondino (Johannes Bondinus), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 161) : erinnert sich an Ereignisse vor gut 30 Jahren (1154) Giovanni Certano aus Mondonico (Johannes Certanus de Montedonnico), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 52, S. 130–134) : fungierte unter Arnold Barbavaria (1162–1164) als Ortskonsul von Mondonico (vgl. auch Bollea, Nr. 58, S. 190) Giovanni de Luzano aus Mondonico (Johannes de Luzano de Montedonnico), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 51, S. 122–125) : die Familie stammte wohl aus Luzzano (zwischen S. Marzano und Rovescala an der Grenze der Regionen Lombardia und Emilia-Romagna, Provinz Pavia), er selbst erinnert sich 30 Jahre zurück (1154) und wurde in Mondonico geboren ; fungierte unter Arnold Barbavaria (1162–1164) als Ortskonsul von Mondonico (Bollea, Nr. 58, S. 190) ; unter den Paveser Zeugen von 1184 wird auch der wohl gleichfalls zu dieser Familie zählende Pietro de Luzano (siehe dort) erwähnt ; zu dieser Familie vgl. auch eine in Mondonico ausgestellte Urkunde vom Januar 1174 bei Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 66, vgl.: http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/ carte/spca1174-01-17 (Status : 16. Juni 2009) Giovanni Marracio (Johannes Marracius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 47, S. 91–94) : sticht durch eine umfassende Zeugenaussage hervor und erinnert sich zurück bis zur Zerstörung von Tortona (1155) Giovanni Scrimalia (Johannes Scrimalia), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 56, S. 172) : war gemeinsam mit Konsul Guglielmo de Malvicino von Piacenza mit herrschaftlichen Maßnahmen namens der Postadt in den fünf Orten betraut Girardo de Generassio (Girardus de Generassio), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 58, S. 191–193) : erinnert sich an Ereignisse vor 30 Jahren (1154) Girardo Mussino (Girardus Mussinus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 47, S. 98–99) : wohnte seit 1159 (tribus annis ante destructionem Mediolani) in Parpanese ; der gleichfalls unter den Verhörten genannte Paveser Zeuge Siro Mussino, der als Brückenbeauftragter für Pavia wirkte (siehe dort), war wohl mit ihm verwandt, und dies könnte auch für den 1174 als Zeugen einer in Pavia ausgestellten Urkunde genannten Ottone Mussino (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 69, vgl. http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/carte/spca1174-03-20 [Status : 16. Juni 2009]) gelten Gualfredo de Ponziglione (Gualfredus de Ponçiliono), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 89) : fungierte gemeinsam mit Konsul Bertramo de Siclerio (1170) als Paveser Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Kommune in den umstrittenen Orten ; war 1184 zugleich einer der Paveser Notare, die mit der Ausfertigung der Zeugenverhöre betraut waren (Bollea, Nr. 50, S. 110), und dürfte mit dem zu 1173 belegten Paveser Notar gleichen Namens identisch sein (Barbieri, Notariato, 126)

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Guglielmo, Sohn des Agado (Guilielmus filius Agadi), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 56, S. 171–172) : war in dem Jahr, als Konsul Guglielmo de Malvicino von Piacenza starb (1172), als Piacentiner Beauftragter mit herrschaftlichen Maßnahmen in den fünf Orten betraut Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano (Guilielmus de Ambroxio de sancto Marciano), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 53, S. 140–143) : erinnert sich an die Brandschatzung des Kaisers im Gebiet von Piacenza am Michaelstag (29. September 1167) ; sein Vater und ein Isembardo waren einst (wann ?) im Dom S. Siro zu Pavia zu Ortskonsuln von S. Marzano erhoben worden Guglielmo de Malaparte (dominus Guilielmus de Malaparte), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 163–164) : war vor 25 oder 26 Jahren, als der Kaiser Mailand belagerte (1158 oder 1159), Piacentiner Konsul für das Gebiet jenseits der Trebbia und setzte damals herrschaftliche Maßnahmen namens der Postadt im Hinblick auf die umstrittenen Orte ; ist zu den Jahren 1149, 1167 und 1182, vielleicht auch 1153, als Konsul von Piacenza zu belegen (siehe unten, Anhang iii, S. 247) ; wird auch als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Guido, Priester der Kirche von S. Marzano (donnus presbiter Guido ecclesie loci sancti Marciani), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 50, S. 110–113) : Geistlicher ; erinnert sich 40 Jahre (1144) und mehr zurück und lebte seit damals in S. Marzano als Priester der der Pfarre Rovescala unterstehenden Ortskirche Guido de Alda (Guido de Alda) aus Parpanese, Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 54, S. 150–153) : sticht durch eine umfassende Zeugenaussage hervor ; Angehöriger eines größeren Familienverbandes, der mit mehreren Personen unter den Zeugen des Jahres 1184 präsent ist (siehe den Paveser Zeugen Viviano sowie den Piacentiner Zeugen Oberto de Alda) ; ein Giovanni de Alda wurde 1160 durch den Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino durch Gewalt dazu gezwungen, den Eid als (Piacentiner) Ortskonsul von Parpanese abzulegen (Bollea, Nr. 54, S. 150) Guido de Gazo aus Mondonico (Guido de Gazo de Montedonnico), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 52, S. 134–135) : fungierte in Zeiten des Krieges (wann ?) als Ortskonsul von Mondonico und nahm damals (wohl : 1162) Kontakt zu den Paveser Konsuln Bellono de Curte (Konsul 1162, 1165, 1184 und 1186), Gisliciono Salimbene (Konsul 1162) und Roffredo de Burgo (Konsul 1162) auf Guido de Monte (Guido de Monte), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 158–160) : erinnert sich an Ereignisse vor 50 (1134) sowie mehr als 30 Jahren (1154) Guido de Vurzano (Guido de Vurzano), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 161– 163) : fungierte in dem Jahr, als der Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino starb (1172), gemeinsam mit diesen und anderen als Beauftragter der Postadt im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen in den umstrittenen Orten

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Lanfranco Arcario aus S. Marzano (Lanfrancus Arcarius de sancto Marciano), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 53, S. 143–144) : wohl von Beruf Bogenschütze (oder : Familienname ?) ; erinnert sich an Kaiser Lothar III. (1125–1137) zurück ; aus dieser Familie stammte mit Domenico (siehe dort) ein weiterer Paveser Zeuge des Jahres 1184 Lanfranco Cantarello (Lanfrancus Cantarellus), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 157–158) : erinnert sich an Ereignisse vor 40 (1144), 46 (1138) und 47 Jahren (1137) Lombardo Mangiavillano (Lonbardus Maniavillanum) aus S. Marzano, Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 57, S. 176–177) : lebte seit der Zeit unmittelbar vor der kaiserlichen Brandschatzung im Gebiet von Piacenza am Michaelstag (29. September 1167) in S. Marzano ; ein Giovanni Mangiavillano fungierte in der Zeit des Arnold Barbavaria (1162–1164) als Ortskonsul von Mondonico (Bollea, Nr. 52, S. 130 f.), und unter den 1184 verhörten Zeugen wird ein Pavese namens Uberto Mangiavillano (siehe dort) erwähnt ; offensichtlich befanden sich unter der Herrschaft beider Städte Mitglieder der Familie Mangiavillano Martino Caguncio (Martinus Caguncius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 85–86) Mazocco (Mazuccus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 84–85) : ob – wegen seiner Zuordnung zu den Paveser Zeugen sowie seiner auf Monticelli konzentrierten Aussagen – mit dem mehrfach bezeugten Ortskonsul Mazocco identisch, den Arnold Barbavaria, kaiserlicher Podestà von Piacenza (1162–1164), in Mondonico einsetzte (Bollea, Nr. 51, S. 123, 125 und 127 f.; Nr. 52, S. 130 f.; Nr. 58, S. 186, 188, 191) ?; aufgrund der Seltenheit des Namens Mazocco könnte gegebenenfalls auch an eine Verwandtschaft (oder Identität ?) mit Mazzuccus Leccacorvus zu denken sein, der als Teilnehmer am Piacentiner Consiglio generale vom 25. Oktober 1180 bezeugt ist, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Nicolò de Villanova (Nicholaus de Villanova), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 81) : dieser Zeuge fehlt im Kopfregest bei Bollea, Nr. 45 (S. 73) Oberto de Alda (Obertus de Alda) aus Parpanese, Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 54, S. 145–150) : sticht durch eine äußerst umfassende Zeugenaussage hervor ; Angehöriger eines größeren Familienverbandes, der mit mehreren Personen unter den Zeugen des Jahres 1184 präsent ist (siehe den Paveser Zeugen Viviano sowie den Piacentiner Zeugen Guido de Alda) ; ein Giovanni de Alda wurde 1160 durch den Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino durch Gewalt dazu gezwungen, den Eid als (Piacentiner) Ortskonsul von Parpanese abzulegen (Bollea, Nr. 54, S. 150) Oberto Mocio aus S. Marzano (Obertus Mocius de sancto Marciano), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 57, S. 177–180) : erinnert sich an die Zeit vor der Herrschaft des Piacentiner Podestà Arnold Barbavaria (1162–1164), als S. Marzano unter der Herrschaft des Abtes von S. Sepolcro zu Pavia stand

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Omodeo de Olubra (Homodeus de Oluvra), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 168– 169) : stammte aus Olubra (heute : Castel S. Giovanni), wo schon im 11. Jahrhundert eine Pfarre bestand, die 1184 für die Bewohner von Mondonico zuständig war ; erinnert sich an Ereignisse vor mehr als 30 Jahren (1154) Opizone Butigella (Opizo Butigella), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 80–81) : fungierte 1159, 1163, 1164, 1170 und 1179 als Konsul von Pavia (Vaccari, Lista consoli, S. 4 ff.) ; wird im mg.df.i. 455 für die Stadt Pavia von 1164 August 8 als einer der Paveser Konsuln genannt ; ein Ugo Butigella wird am 13. Oktober 1175 als Konsul von Pavia erwähnt (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 83 ; siehe dazu : http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/carte/ spca1175-10-13a ; Status : 16. Juni 2009) Ottone Rufino (Otto Rufinus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 74–77) : fungierte zur Zeit der Zerstörung von Mailand (1162) wie im Jahr des Todes des Konsuls Guglielmo de Malvicino von Piacenza (= 1172) als Paveser Ortskonsul in Parpanese (Bollea, Nr. 46, S. 87 ; Nr. 47, S. 94) Pietro Cheno (Petrus Chenus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 77–79 ; Nr. 47, S. 94–96) : wurde als einziger aller Zeugen zweimal einvernommen ; fungierte im Jahr des Todes des Konsuls Guglielmo de Malvicino von Piacenza (= 1172) als Paveser Ortskonsul in Parpanese (Bollea, Nr. 47, S. 94) Pietro Gallo (Petrus Gallus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 48, S. 103–104) Pietro Guercio de Brussato (Petrus Guercius de Bruxato), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 45, S. 79–80) : Brussato ist leider nicht zu lokalisieren Pietro de Luzano (Petrus de Luzano), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 51, S. 126–127) : die Familie stammte wohl aus Luzzano (zwischen S. Marzano und Rovescala an der Grenze der Regionen Lombardia und Emilia-Romagna, Provinz Pavia), er selbst erinnert sich 30 Jahre zurück, ist in Mondonico geboren und hat stets dort gelebt ; unter den Paveser Zeugen von 1184 wird auch der wohl gleichfalls zu dieser Familie zählende Giovanni de Luzano (siehe dort) erwähnt Pietro Scafella (Petrus Scafella), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 88–89) : fungierte gemeinsam mit Konsul Gualterio Mediabarba (wohl 1180) als Paveser Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Kommune in den umstrittenen Orten Riccardo Gambarello (Ricardus Gambarellus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 84) Rinaldo magister aus S. Marzano (Rainaldus magister de sancto Marciano), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 57, S. 182–183) : wohl Absolvent eines Studiums ; erinnert sich an die Brandschatzung des Kaisers im Gebiet von Piacenza am Michaelstag (29. September 1167) Roberto de Malaraza (Robertus de Malaraça), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 56, S. 169–170) : hob im Jahr der Belagerung von Mailand (1158–1162) in mehreren

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der fünf Orte Abgaben für die Reste der Pobrücke von Piacenza ein ; war Augenzeuge von Herrschaftsmaßnahmen in den fünf Orten seitens der Konsuln Guidotto de Fontana (als Konsul bezeugt 1169 und 1173) und Guglielmo de Malvicino (als Konsul bezeugt 1160 und 1172) vor mehr als 20 Jahren, als 13 Konsuln gleichzeitig in Piacenza amtierten (wohl 1160, da in diesem Jahr bei Muratori immerhin zehn Konsuln namentlich fassbar sind) ; war auch Augenzeuge von Herrschaftsmaßnahmen der Piacentiner Konsuln Guidotto de Fontana (Konsul 1160 ?, 1169 und 1173), Pagano de Arcelli (Konsul 1160 und 1181) und Sigifredo de Axeto (1160 ?) in vier der fünf Orte ; ein in den Zeugenaussagen mehrfach fassbarer Piacentiner namens Malaraza, der insbesondere in den 1140er-Jahren mit Herrschaftsaufgaben der Postadt in deren Landgebieten betraut war (Bollea, S. 142, 164), könnte Robertos Vater gewesen sein, den er auch – ohne Nennung eines Namens – selbst erwähnt (Bollea, Nr. 56, S. 169) Rolando Cane, Johanniterbruder (Rolandus Canis frater hospitalis Sancti Johannis de Jerusalem), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 48, S. 102–103) : Angehöriger der Paveser Familie Cane und Konsul von Pavia (1164 und 1178), welche mit Caldera und Giacomo (siehe dort) – ersterer Konsul der Ticinostadt – noch weitere Zeugen in diesen Verhören stellte ; 1164 als Konsul von Pavia im Hinblick auf die Erhebung von Ortskonsuln in den quinque loci tätig ; im Januar 1174 wird er als einer der Anrainer der Besitzungen des Klosters S. Pietro in Ciel d’Oro im Gebiet von Luzzano, Mondonico und Rovescala erwähnt (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 66, vgl. http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/paviaspietro2/carte/spca1174-01-17 [Status : 16. Juni 2009]) ; offenbar nach 1178, als er ein zweites Mal Konsul seiner Heimatstadt war, trat er dem Ritterorden der Johanniter bei Rufino Testadiburro (Rufinus Caput de Burro), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 86) : dieser Mann mit dem schönen Namen »Kopf aus Butter« (vielleicht hergeleitet von dem noch heute gängigen Sprichwort : »Butter auf dem Kopf« haben ?) fungierte fünf Jahre lang als Brückenbeauftragter (pontarius) bei der Brücke zu Coirane (wohl Corana nördlich Voghera, westlich Cervesina, Provinz Pavia) und hob vor der Zerstörung Tortonas (1155) in Monticelli und Parpanese Abgaben, darunter auch das Brückengeld (pontaticum), ein (Bollea, Nr. 46, S. 86) Simone de Casasco (Symeon de Casasco), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 49, S. 105–107) : stammte wohl aus Casasco (südöstl. Tortona, Provinz Alessandria) und war im Auftrag von Paveser Konsuln mit herrschaftlichen Maßnahmen in den umstrittenen Orten betraut Siro Mussino (Syrus Mussinus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 87–88) : Träger des gemäß dem Titelheiligen der Paveser Bischofskirche S. Siro für die Ticinostadt typischen Namens ; fungierte 15 Jahre lang als Brückenbeauftragter (pontexanus) bei

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den Brücken zu Coirane (wohl Corana nördl. Voghera, siehe oben, S. 160 mit Anm. 150), zu Bozola (zur möglichen Lokalisierung siehe oben, S. 160 mit Anm. 151) und zu Portalbera (Portalbera nörd. Stradella am Po, Provinz Pavia) und sammelte während dieser Zeit jährlich das Brückengeld (pontaticum) in allen fünf Orten (Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese, S. Marzano) ein ; der gleichfalls unter den Verhörten genannte Paveser Zeuge Girardo Mussino aus Parpanese (siehe dort) war wohl mit ihm verwandt, und dies könnte auch für den 1174 als Zeugen einer in Pavia ausgestellten Urkunde genannten Ottone Mus(s)ino (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 69, vgl. http ://cdlm.unipv.it/edizioni/ pv/pavia-spietro2/carte/spca1174-03-20 [Status : 16. Juni 2009]) gelten Siro Recco (Syrus Reccus), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. S. 81) : Träger des gemäß dem Titelheiligen der Paveser Bischofskirche S. Siro für die Ticinostadt typischen Namens Sucio de Sigizo (Sucius de Sigizo) aus S. Marzano, Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 57, S. 177) : erinnert sich an die Zerstörung von Tortona (1155), als er klein war und das Vieh hütete ; um diese Zeit (1155) war sein Bruder Paveser Ortskonsul in S. Marzano Tebaldo de Cigognola (Tebaldus de Cigugnola) aus Parpanese, Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 54, S. 153–155) : der Ortsname bezieht sich auf Cigognola (südwestlich von Stradella und Broni, Provinz Pavia) Tedaldo Basso aus Mondonico (Tedaldus Bassus de Montedonnico), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 51, S. 127–129) : erinnert sich an die Einsetzung von Ortskonsuln zu Mondonico durch Arnold Barbavaria (1162–1164), als er ein Knabe war ; unter den Piacentiner Zeugen des Jahres 1184 wird ein Giovanni Basso de Mondonico (siehe dort) erwähnt, und daraus ist zu erschließen, dass sich offenbar unter der Herrschaft beider Städte Mitglieder der Familie Basso befanden Turco de Porta Palazzese (Turcus de Porta Palaciensi), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 46, S. 87) : wohl Verwandter des Alberico de Porta Palazzese, der in einer am 20. März 1174 in Pavia ausgestellten Urkunde des Abtes Olrico von S. Pietro in Ciel d’Oro als Vogt dieses Klosters genannt wird (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 69, vgl. http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/carte/ spca1174-03-20 [Status : 16. Juni 2009]) Uberto Mangiavillano (Vbertus Manducavillanum), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 51, S. 125–126) : erinnert sich an die Zerstörung von Tortona (1155), wurde in Mondonico geboren und hat stets dort gelebt ; sein Name dürfte wohl – ähnlich wie bei Rufino Testadiburro (siehe dort) – auf eine scherzhafte Bezeichnung (»Friss den Bauern !«) zurückgehen ; ein Giovanni Mangiavillano fungierte in der Zeit des Arnold Barbavaria (1162–1164) als Ortskonsul von Mondonico (Bollea, Nr. 52, S. 130 f.), und unter den 1184 verhörten Zeugen wird ein Piacentiner namens

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Lombardo Mangiavillano (siehe dort) erwähnt ; offensichtlich befanden sich unter der Herrschaft beider Städte Mitglieder der Familie Mangiavillano Ugo Bue (Vgo Bos), Piacentiner Zeuge (Bollea, Nr. 55, S. 166–167) : erinnert sich an einen Kriegszug gegen Nucetum (Noceto am Taro westl. bei Parma ?), an dem er gemeinsam mit anderen Leuten von Monticelli in Piacentiner Diensten teilnahm ; im Jahr des Ablebens des Piacentiner Konsuls Guglielmo de Malvicino (1172) war er namens der Postadt mit herrschaftlichen Maßnahmen in mehreren der fünf Orte betraut ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, wird ein Ardengus Boves (Bue ?) genannt, der vielleicht mit Ugo verwandt war, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Villano Cordario (Villanus Cordarius), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 48, S. 101–102) : wohl von Beruf ein Seiler (oder ein Familienname ?) ; fungierte im Konsulat der Paveser Konsuln Rinaldo de Campese und Giacomo Aviano (beide gemeinsam = 1167) als Paveser Beauftragter im Hinblick auf herrschaftliche Maßnahmen der Kommune im Oltrepò Pavese, und zur Zeit der Getreidesperre Pavias überwachte er namens der Kommune den Po (Bollea, Nr. 48, S. 102) Viviano de Alda (Vivianus de Olda), Paveser Zeuge (Bollea, Nr. 47, S. 96–98) : Angehöriger eines größeren Familienverbandes, der mit mehreren Personen unter den Zeugen des Jahres 1184 präsent ist (siehe die Piacentiner Zeugen Guido de Alda und Oberto de Alda) ; ein Giovanni de Alda wurde 1160 durch den Piacentiner Konsul Guglielmo de Malvicino durch Gewalt dazu gezwungen, den Eid als (Piacentiner) Ortskonsul von Parpanese abzulegen (Bollea, Nr. 54, S. 150)

Anhang iii : Die in den Verhören vom November 1184 zu Pavia erwähnten Konsuln von Pavia und von Piacenza Vorbemerkung : Vaccari, Lista consoli, S. 3 ff., greift bei seiner Zusammenstellung der Paveser Konsuln von 1112 bis 1218 in etlichen Fällen auf die von Bollea edierten Zeugenverhöre zurück, sodass eine absolute Sicherheit betreffs seiner zeitlichen Zuordnungen nicht gegeben ist.

1. Konsuln bzw. Podestà von Pavia : Alberto Guastalittera (Bollea, Nr. 54, S. 145) fehlt bei Vaccari, Lista consoli Armanno Cristiano (Bollea, Nr. 48, S. 102 ; Nr. 51, S. 122 f., 126 ; Nr. 52, S. 130 f.) : als Konsul belegt 1162 (vgl. Vaccari, Lista consoli, S. 4 f.) ; am 30. August 1163

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erwarb Armanno von Abt Giovanni von S. Pietro in Ciel d’Oro ein Stück Land (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte I ; siehe dazu : http ://cdlm. unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro1/carte/spcax1163-08-30 [Status : 16. Juni 2009]) ; zu ebendieser Familie gehörten wohl auch der 1171 bezeugte Konsul Beltramo Cristiano und der 1172 als Paveser Justizkonsul (Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 25, S. 16–17) und 1178 als Paveser Konsul bezeugte Guido Cristiano (Vaccari, Lista consoli, S. 6 und S. 7) ; ein Robaldo Cristiano war 1177 als Schiedsrichter in einem Rechtsstreit des Klosters S. Salvatore zu Pavia betreffs Gütern in Monticelli tätig (Bollea, Nr. 35, S. 49) Bellono de Curte (Bollea, Nr. 52, S. 134 f.) : als Konsul belegt 1162, 1165, 1184 (vgl. Vaccari, Lista consoli, S. 4, S. 5 und S. 8) sowie 1186 (Barbieri, Notariato, 199 Appendice Nr. 14) ; Bellono wird auch unter den Zeugen genannt, welche eine Reihe unserer Zeugenverhöre am 15. November bezeugten, siehe : Bollea, Nrr. 49 (S. 109), 50 (S. 121), 51 (S. 129), 53 (S. 144), 54 (S. 155), 57 (S. 183) und 58 (S. 193) ; am 29. Juli 1176 wird er in seiner Heimatstadt am kaiserlichen Hof erwähnt (mg.df.i. 638) ; in einer Urkunde vom 30. Mai 1172 wird ein Priester namens Bellonus de Curte erwähnt, siehe dazu Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 24, S. 16 Bernardo de la Monaca (Bollea, Nr. 47, S. 95) : als Konsul belegt (gemeinsam mit Siro Salimbene) zum Jahr 1172 (nach dem Berichtszusammenhang ; fehlt bei Vaccari, Lista consoli) Bertramo de (Ser) Siclerio (Bollea, Nr. 49, S. 107) : als Konsul belegt 1170 (vgl. Vaccari, Lista consoli, S. 6) Caldera Cane (Bollea, Nr. 49, S. 105 ; Nr. 51, S. 122, S. 123, S. 125, S. 126, S. 127 und S. 128 ; Nr. 58, S. 187, S. 188, S. 189, S. 191) : als Konsul belegt 1168 und 1178 (vgl. Vaccari, Lista consoli, S. 5 f. und S. 7) ; war auch einer der 1184 verhörten Zeugen (siehe oben, Anhang ii, S. 231 f.) Campanese de Beccaria (Bollea, Nr. 46 [irrig statt : 44], S. 72, Nr. 45, S. 74 ; Nr. 46, S. 82 ; Nr. 47, S. 90 ; Nr. 48, S. 101) : als Konsul belegt 1184 (Bollea, ebda.; vgl. Vaccari, Lista consoli, S. 8) ; bei dem 1165 und 1170 bezeugten Konsul Lanfranco Beccaria (Vaccari, a.a.O., S. 5 f.) dürfte es sich ebenso wie bei dem 1179 amtierenden Konsul Otho de Beccaria (Vaccari, a.a.O., S. 7) um Verwandte des Campanese handeln Carbone de Aurello (Bollea, Nr. 49, S. 106) : als Konsul belegt wohl 1162, da gemeinsam mit Armanno Cristiano (siehe dort) genannt (fehlt bei Vaccari, Lista consoli) ; ist am 30. Mai 1172 als Paveser Justizkonsul (Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 24, S. 16) und am 13. Oktober 1175 als Konsul von Pavia bezeugt (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 83 ; siehe dazu : http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/carte/

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spca1175-10-13a ; Status : 23. April 2009) ; die Nennung eines Pavesen namens Carbo am 29. Juli 1176 in seiner Heimatstadt am kaiserlichen Hof (mg.df.i. 638) dürfte sich auf diesen Mann beziehen, und in zu Venedig ausgestellten Urkunden vom 20. bis 22. August 1177 wird er als kaiserlicher Hofrichter erwähnt (B.-Opll, Regg. 2309–2310, sowie Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 28, S. 18–19) Ferrando Albaricio, Konsul und Podestà (Bollea, Nr. 47, S. 92, S. 93 und S. 95 ; Nr. 50, S. 112 und S. 114 ; Nr. 53, S. 142) : als Konsul belegt 1173 (Vaccari, Lista podestà, S. 64, unter irrigem Verweis auf Bollea, Nr. 37 [ !], führt ihn zum Jahr 1179 an, siehe dazu oben, S. 61 mit Anm. 103) ; 1173 ist nach Vaccari, Lista consoli, S. 6 nur ein in unseren Quellen sonst nicht nachweisbarer Guidonus de Gambolate als Konsul belegt, zu 1179 nennt Vaccari, Lista consoli, S. 7 (abermals unter irrigem Verweis auf Bollea, Nr. 37 [ !]) vier Konsuln, nämlich Alberico Torto, Uberto de Clemente, Otho de Beccaria und Giacomo Avianus (zu diesem siehe unten) ; Ferrando Albaricio wird am 12. Juni 1182 in einer in Pavia ausgestellten Urkunde als Zeuge genannt, und auch die Nennung eines Zeugen dominus Ferrandus am 3. September 1190 könnte sich auf ihn beziehen (Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte II, Nr. 145, vgl. http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-spietro2/ carte/spca1182-06-12b [Status : 16. Juni 2009], und Nr. 220, vgl. http ://cdlm.unipv. it/edizioni/pv/pavia-spietro2/carte/spca1190-09-03B [Status : 16. Juni 2009]) Gandolfo de Montemarixino (ob Montemarzino östl. Tortona, Provinz Alessandria ? ; Bollea, Nr. 49, S. 105) : fehlt bei Vaccari, Lista consoli Gerardo de Lomello (Bollea, Nr. 49, S. 106) : als Konsul belegt 1163 (Vaccari, Lista consoli, S. 5) Giacomo Aviano (Bollea, Nr. 45, S. 73 ff. und S. 80 ; Nr. 48, S. 101) : als Konsul belegt 1167 und 1179 (Vaccari, Lista consoli, S. 5 und S. 7) ; war auch einer der 1184 verhörten Zeugen (siehe oben, Anhang ii, S. 233) ; 1186 fungierte er als Paveser Justizkonsul (Barbieri, Notariato, S. 197 Appendice Nr. 13) Giacomo de Siclerio (Bollea, Nr. 53, S. 142) : als Konsul belegt 1172 (Vaccari, Lista consoli, S. 6) Gisliciono de Burgo (Bollea, Nr. 49, S. 105) : fehlt bei Vaccari, Lista consoli ; zu ebendieser Familie gehörten wohl auch Konsul Roffredo de Burgo (siehe dort) und der 1178 bezeugte Konsul Marco de Burgo (Vaccari, Lista consoli, S. 7) Gisliciono Salimbene (Bollea, Nr. 52, S. 134 f.) : als Konsul belegt 1162 (Vaccari, Lista consoli, S. 4 f.) : nach einer Urkunde von 1156 Dezember 29 (Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 19, S. 12) hatte Gislenzonus Salimbene de burgo S. Joannis zwei Söhne namens Sirus und Malastreva ; beim ersteren dürfte es sich um den später vielfach bezeugten Konsul Siro Salimbene (siehe dort) handeln ; ein Vorfahre gehörte dem konsularischen Gremium von Pavia schon im

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Anhang III : Die in den Verhören vom November 1184 zu Pavia erwähnten Konsuln

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Jahre 1112 an (Vaccari, Lista consoli, S. 3) ; an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch in Piacenza eine Familie Salimbene existierte (ob ein Zweig der Paveser Familie ?), aus der Conradus Salimbene (oder : Sagimbene) als Teilnehmer am Consiglio generale der Stadt Piacenza, das am 25. Oktober 1180 tagte, bezeugt ist, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Gisliciono de Strata (Bollea, Nr. 49, S. 105) : fehlt bei Vaccari, Lista consoli ; zu ebendieser Familie gehörte wohl auch Konsul Paucopilo de Strata (siehe dort) Gualterio Mediabarba (Bollea, Nr. 53, S. 142) : als Konsul belegt 1172 und 1180 (Vaccari, Lista consoli, S. 6 und S. 8) Guarnerio Comes de Abiatico (Bollea, Nr. 46 [irrig statt : 44], S. 72, Nr. 45, S. 74 ; Nr. 46, S. 82 ; Nr. 47, S. 90 ; Nr. 48, S. 101) : als Konsul belegt 1184 (Bollea, ebda.; vgl. Vaccari, Lista consoli, S. 8) ; bei dem Herkunftsnamen dürfte es sich um Beatico (heute : Teil von Filighera an der Olona, Provinz Pavia) handeln ; ein Lanfranco de Abbiaticis (ob ein Verwandter des Guarnerio ?) wird unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264 Lanfranco Tacone (Bollea, Nr. 54, S. 147) : als Konsul belegt 1172 und 1183 (vgl. auch Vaccari, Lista consoli, S. 6 und S. 8) Opizone Butigella : siehe zu ihm oben in Anhang ii, S. 237. Paucopilo de Strata (Bollea, Nr. 47, S. 99 ; Nr. 49, S. 107) : als Konsul belegt 1154, 1164 und 1168 (Vaccari, Lista consoli, S. 4 und S. 5) ; zu ebendieser Familie gehörte wohl auch Konsul Gisliciono de Strata (siehe dort) Rinaldo de Campese (Bollea, Nr. 48, S. 101) : als Konsul belegt 1167 (Vaccari, Lista consoli, S. 5) Roffredo (auch : Jofredo bzw. Offredo) de Burgo (Bollea, Nr. 48, S. 102 ; Nr. 49, S. 106 und S. 108 ; Nr. 52, S. 134 f.) : als Konsul belegt 1162 und 1163 (Vaccari, Lista consoli, S. 4 und S. 5) ; zu ebendieser Familie gehörten wohl auch Konsul Gisliciono de Burgo (siehe dort) und der 1178 genannte Marco de Burgo (Vaccari, Lista consoli, S. 7) Rolando Cane (Bollea, Nr. 48, S. 102) : als Konsul belegt 1164 und 1178 (Vaccari, Lista consoli, S. 5 und S. 7 ; siehe auch die am 29. April 1178 zu Voghera ausgestellte Urkunde in der vorläufig als Online-Version einsehbaren Edition der Urkunden von S. Maria del Senatore zu Pavia (Ansani – Baretta, Carte del monastero di S. Maria del Senatore) : http ://cdlm.unipv.it/edizioni/pv/pavia-smariasenatore/carte/senatore1178-04-29 ; Status : 23. April 2009) ; zu ebendieser Familie gehörte wohl auch Konsul Caldera Cane (siehe dort) ; Rolando Cane muss nach 1178 in den Johanniterorden eingetreten sein, da er als einer der verhörten Zeugen vom November 1184 frater hospitalis Sancti Johannis de Jerusalem genannt wird (siehe oben, Anhang ii, S. 238)

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Siro Salimbene (Bollea, Nr. 54, S. 147) : als Konsul belegt 1172, 1177 und 1179 (Vaccari, Lista consoli, S. 6 und S. 7 ; Barbieri, Notariato, S. 26 Anm. 61) ; in einer Urkunde vom 29. Dezember 1156 (Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 19, S. 12) wird Siro als Sohn des Gislenzonus Salimbene de burgo S. Joannis (zu ihm siehe oben unter Gisliciono Salimbene, S. 242) und als Bruder des Malastreva bezeichnet ; Siro selbst wird am 27. Dezember 1174 während der Belagerung von Alessandria im kaiserlichen Hoflager erwähnt (mg.df.i. 635), nahm als Paveser Richter an den Friedensverhandlungen von Montebello im April 1175 teil (mg.df.i. 638), weilte am 29. Juli 1176 in seiner Heimatstadt am Hof des Kaisers (mg.df.i. 653), war am 14. März 1183 bei der Ausstellung des mg.df.i. 841 für Alessandria/Cesarea in Nürnberg zugegen und hielt sich in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Hof- bzw. Pfalzrichter während des letzten Italienzuges Barbarossas in den Jahren 1185 und 1186 häufig bei Hofe auf (mg.ddf.i. 890, 902, 926, 929 ; vgl. auch 933) ; mehrfach, darunter bereits am 11. März 1184, wird er auch im Umfeld des Reichskanzlers Gottfried genannt (vgl. B.-Opll, Reg. 2754), und er gehörte bei den Zeugenverhören vom November 1184 wie auch bei anderen Gelegenheiten 1185 (B.-Opll, Reg. 2898) und 1186 (B.-Opll, Regg. 2950, 2959 und 2960) zu den mit verschiedenen Verfahren betrauten Rechtsexperten ; zu ebendieser Familie gehörte wohl auch Konsul Gisliciono Salimbene (siehe dort) ; ein gleichnamiger Vorfahre gehörte dem konsularischen Gremium von Pavia im Jahre 1112 an (Vaccari, Lista consoli, S. 3) ; hier sei darauf hingewiesen, dass auch in Piacenza eine Familie Salimbene existierte (ob ein Zweig der Paveser Familie ?), aus deren Reihe Conradus Salimbene (oder : Sagimbene) als Teilnehmer am Consiglio generale der Stadt Piacenza, das am 25. Oktober 1180 tagte, bezeugt ist, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Ugo Raso (Bollea, Nr. 49, S. 105) : vielleicht identisch mit dem zum Jahr 1165 bezeugten Konsul namens Ugo Ratus (!) (Vaccari, Lista consoli, S. 5) 2. Konsuln bzw. Podestà von Piacenza Alberto de Andito (Bollea, Nr. 55, S. 164) : als vom Kaiser eingesetzter Podestà 1159, als Konsul belegt 1166, 1167 und 1168 (Opll, Potestates, S. 34 f., Bollea, Nr. 23, S. 33, und Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; Mitglied einer mit zahlreichen Angehörigen (vgl. Muratori, ebda.: Antolino, 1171 ; Bonizo, 1178 ; Folco, 1152 und 1157 ; Gerardo, 1155 und 1161 ; Guglielmo, 1181 ; Oberto, 1154 und 1159 ; Simone, 1179) unter den Piacentiner Konsuln fassbaren Familie ; Bonizo, Folco, Gerardo, Gislerio und Oberto de Andito werden unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264

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Alberto Pocaterra (Bollea, Nr. 51, S. 126 f.; Nr. 52, S. 133 ; Nr. 54, S. 148 ; Nr. 55, S. 157) : fehlt bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff., der jedoch einen Konsul Oberto Pocaterra zum Jahr 1167 nennt Alberto Sperone (Bollea, Nr. 55, S. 164) : als Konsul belegt 1174 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; Mitglied einer mit mehreren Angehörigen (vgl. Muratori, a.a.O : Petercino, 1181 ; Ugo, 1165 und 1171) unter den Piacentiner Konsuln fassbaren Familie (vgl. zu ihr auch Racine, Plaisance, S. 336 und S. 407 ff.) ; wird gemeinsam mit Raimundo, Ruffino und Ugo Sperone als Teilnehmer am Consiglio generale der Stadt Piacenza, das am 25. Oktober 1180 tagte, erwähnt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Ardicio de Ardizzone (Bollea, Nr. 55, S. 157) : als Konsul belegt 1160 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; möglicherweise zur selben Familie zählen die Konsuln Bernardus de Ardixiis/Ardizonus (belegt 1158 und 1166) sowie Gerardus Ardizonus (belegt 1183) (Muratori, ebda.) ; Ardizonus de Ardizonis wird auch unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264 Arduino de Arcelli (Bollea, Nr. 55, S. 160–161) : belegt als Konsul für die Val Tidone 1149 (Bollea, a.a.O.) gemeinsam mit Guglielmo de Malaparte (siehe dort) und Gerardo Papino (siehe dort) ; wurde 1184 auch als Zeuge einvernommen (siehe zu ihm auch oben, Anhang ii, S. 230 f.) ; seiner Familie entstammten offenkundig auch weitere Piacentiner Konsuln (vgl. Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.), nämlich Pagano (belegt 1160 und 1181, siehe unten) sowie Arnaldo (belegt 1170 und 1174) ; Asmundo de Arcelli, einer der Verhörten vom November 1184, entstammte offenbar gleichfalls dieser Familie (siehe oben, Anhang ii, S. 231) ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, werden Pagano und ein Gerardo de Arcelli genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264 Arnold Barbavaria (wird beinahe von allen Zeugen in den bei Bollea edierten Verhören erwähnt) : der aus dem sächsischen Dorstadt stammende Arnold wurde vom Kaiser im August/September 1162 in Nachfolge des gleichzeitig abgesetzten Aginulf von Urslingen als Podestà von Piacenza eingesetzt und wirkte dort bis zum Herbst 1164 (Güterbock, Alla vigilia, passim) Bigurra Cane (Bollea, Nr. 55, S. 157 f.) : fehlt bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff ; fiel bei einem Feldzug der Piacentiner gegen Parma vor etwa 47 Jahren und könnte Konsul gewesen sein ; ob hier eine Verwandtschaft mit der Paveser Familie Cane (siehe dazu oben, Anhang ii, s. v. »Caldera Cane«, S. 231 f.) gegeben ist ? Borgognono de Malvicino (Bollea, Nr. 56, S. 172) : als Konsul belegt 1172 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; die 1132 erstmals belegbare Familie

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Malvicino war ein Zweig der Herren von Fontana, und sie stellte mit Bosone (siehe dort) und Guglielmo (siehe dort) noch weitere Konsuln von Piacenza Bosone de Malvicino (Bollea, Nr. 56, S. 172) : als Konsul belegt 1169 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; die 1132 erstmals belegbare Familie Malvicino war ein Zweig der Herren von Fontana, und sie stellte mit Borgognono (siehe dort) und Guglielmo (siehe dort) noch weitere Konsuln von Piacenza Bosone Pellato (Bollea, Nr. 56, S. 171 f.) : als Konsul belegt 1184 und 1185 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; Racine, Plaisance I, S. 407, weist auf die Nennung eines Bosone Pellato in einer Urkunde vom 24. August 1158 hin, ohne dass klar wird, ob es sich dabei um denselben Mann oder einen gleichnamigen Vorfahren handelt ; fungiert 1173 als Schiedsrichter in einem Streit zwischen S. Salvatore zu Pavia und den Herren von Fontana um Güter zu Monticelli (Bollea, Nr. 31, S. 43) und wird als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Burgundio Leccacorvo (Bollea, Nr. 55, S. 164) : als Konsul belegt 1174, 1180 und 1187 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff. sowie Racine, Plaisance II, S. 497) ; 1163, 1171, 1173 und 1176 war ein Stefano Leccacorvo, 1177 ein Guglielmo Leccacorvo Piacentiner Konsul (Muratori, ebda.) ; Guglielmo Leccacorvo fungierte 1173 als Schiedsrichter in einem Streit zwischen S. Salvatore zu Pavia und den Herren von Fontana um Güter zu Monticelli (Bollea, Nr. 31, S. 43) ; ein Mazocco (Mazzuccus Leccacorvus) und ein Stefano Lecaccorvo werden als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Confaloniero (Confanonerius) dominus (Bollea, Nr. 55, S. 164) : als vom Kaiser eingesetzter Podestà belegt 1159 (Bollea, Nr. 23, S. 33, vgl. Opll, Potestates, S. 34 f., Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff., sowie Racine, Plaisance II, S. 497) ; wohl mit dem 1165, 1183 und 1186 als Konsul und am 25. Oktober 1180 als Teilnehmer am Consiglio generale der Kommune Piacenza belegten Arduino Confanonerio (vgl. Muratori, ebda., sowie Castignoli, Il comune podestarile, S. 265) verwandt (oder ident ?) Decordato (Bollea, Nr. 55, S. 162) : als Konsul belegt 1176 (Bollea, ebda : eo anno quo fuit prelium de legnano) ; vielleicht identisch mit dem 1184 genannten Konsul Decadordo de Campimaldo (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) Folco Stretto (Fulco Strictus) (Bollea, Nr. 50, S. 111 ; Nr. 53, S. 140 f.) : als Konsul belegt 1134, 1146, 1150, 1156 und 1157, 1165 als Justizkonsul (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff., sowie Racine, Plaisance I, S. 301–308) ; ein Richter Folco von Piacenza (oder eine Person gleichen Namens) wird bereits 1133 erwähnt (Bollea, Nr. 11, S. 17), ein Konsul Folco Avvocato 1145 (Bollea, Nr. 16,

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S. 24 ; eine Person dieses Namens wird auch unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264) ; unklar bleibt, ob stets dieselbe Person gemeint war ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune Piacenza vom 25. Oktober 1180 werden Arnaldo und Gerardo Stretto genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Gerardo Papino (Bollea, Nr. 55, S. 160) : als Konsul (für die Val Tidone ?) belegt 1149 (Bollea, ebda.; fehlt bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) Giovanni de Malamena (Bollea, Nr. 55, S. 161 f.) : als Konsul belegt 1181 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; er wird als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Gislerio (Bollea, Nr. 55, S. 161 f.) : fehlt bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff ; als Konsul belegt gemeinsam mit Giovanni de Malamena (siehe dort), daher wohl 1181 im Amt Gotemtesta (Bollea, Nr. 47, S. 97) : fehlt bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.; wohl ident mit dem zu 1183 genannten Konsul Guttentesta (Bollea Nr. 50, S. 113; Aussage des Priesters Guido von S. Marzano) Guglielmo de Malaparte (Bollea, Nr. 54, S. 145 ff.; Nr. 55, S. 160 und S. 163) : dieser auch als Zeuge einvernommene Mann (oben, Anhang ii, S. 235) ist als Konsul zu fassen 1149 (Bollea, a.a.O., Nr. 55, S. 160 : gemeinsam mit Gerardo Papino und Arduino de Arcelli und vielleicht nur für die Val Tidone zuständig), 1167 und 1182 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; dürfte auch 1158 das Amt des Konsuls bekleidet haben (Bollea, Nr. 54, S. 146, siehe dazu unten, S. 264 mit Anm. 104 = in quodam consulatu Guilielmi de malaparte) ; wird als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 ; ein zum Jahr 1153 genannter Konsul Malaparte (Muratori, a.a.O) war vielleicht ein Vorfahre (siehe dort) ; die Familie Malaparte stellte ab der Mitte des 12. Jahrhunderts Konsuln in Piacenza (Racine, Plaisance I, S. 369) Guglielmo de Malvicino (Bollea, Nr. 46, S. 84 f.; Nr. 47, S. 94 ; Nr. 50, S. 112, S. 116 f., und S. 120 ; Nr. 54, S. 150 f., S. 155 f.; Nr. 55, S. 157, S. 161 ; Nr. 56, S. 171 f.; Nr. 57, S. 175, S. 178 f. und S. 180 f.; Nr. 58, S. 187 f.) : als Konsul belegt 1160 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; er verstarb – gleichfalls als Konsul (Bollea, Nr. 55, S. 157 und S. 161) – in der Schlacht der Piacentiner gegen den Markgrafen von Montferrat zu Mombello Monferrato am 13. Juli 1172 (vgl. Bordone, Il tempo, S. 31) ; die 1132 erstmals belegbare Familie Malvicino war ein Zweig der Herren von Fontana (Racine, Plaisance II, Register), und sie stellte mit Borgognono (siehe dort) und Bosone (siehe dort) noch weitere Konsuln

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von Piacenza ; da ein Träger dieses Namens auch noch als Teilnehmer am Consiglio generale der Stadt Piacenza am 25. Oktober 1180 zu belegen ist (vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265), gab es auch einen jüngeren Guglielmo de Malvicino, dessen Verwandtschaftsverhältnis zu dem 1172 verstorbenen Mann allerdings nicht zu klären ist Guglielmo Siccamelica (Bollea, Nr. 54, S. 147) : als Konsul gemeinsam mit Folco Stretto (siehe dort) belegt 1150 sowie 1162 und 1170 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; 1133 fällten ein Berengario und ein Rinaldo Siccamelica in Piacenza zwischen dem Kloster S. Salvatore zu Pavia und einer Gruppe genannter Personen ein Urteil betreffs eines Streites um Güter zu Monticelli (Bollea, Nr. 11, S. 17) ; wird auch gemeinsam mit Oberto Siccamelica als Teilnehmer am Consiglio generale der Stadt Piacenza, das am 25. Oktober 1180 tagte, genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Guidotto de Fontana (Bollea, Nr. 54, S. 145 ff., S. 149 und S. 150 f.; Nr. 56, S. 169) : als Konsul belegt 1160, 1169 und 1173 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff. und Racine, Plaisance I, S. 355) ; am 25. Oktober 1180 nahm er am Consiglio generale seiner Heimatstadt teil, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 ; der Hinweis auf seine Tätigkeit als Konsul gemeinsam mit Guglielmo de Malvicino (siehe dort) vor mehr als 20 Jahren, als es 13 Konsuln gab (Bollea, Nr. 56, S. 169), ist – im Vergleich mit der bei Muratori, ebd., zum Jahr 1160 bezeugten hohen Zahl von zehn Konsuln – auf ein Konsulat Guidottos im Jahr 1160 zu beziehen ; eine Erwähnung in unseren Zeugenverhören weist darauf hin, dass Guidotto nach der Belagerung Alessandrias, also nach 1175, als Piacentiner Konsul in Parpanese herrschaftliche Anordnungen traf (Bollea, Nr. 54, S. 151), woraus sich ergibt, dass er auch noch in der zweiten Hälfte der 1170er-Jahre oder zu Beginn der 1180er-Jahre als Konsul fungierte ; vielleicht zur selben Familie gehörte Konsul Opizo(ne) de Fontana (siehe dort), aber wohl auch die am Piacentiner Consiglio generale vom 25. Oktober 1180 (Castignoli, Il comune podestarile, S. 265) teilnehmenden Antonio und Oberto de Fontana Gutentesta siehe Gotemtesta Lanfranco de Abiaticis (Bollea, Nr. 55, S. 162) : Konsul 1171 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) und 1176 (Muratori, ebda.: Janus de Habiaticis ; Bollea, ebda : eo anno quo fuit prelium de legnano) – siehe oben S. 243 s. v. Guarnerio Malaparte (Bollea, Nr. 55, S. 168) : wird um 1124 gemeinsam mit einem Malvicino als Piacentiner Beauftragter ( ?) in Olmo erwähnt und könnte mit dem Konsul Malaparte von 1153 (Muratori, Chron., Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) identisch sein Obertino dominus (Bollea, Nr. 55, S. 164) : als Konsul belegt 1159 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.), vielleicht identisch mit dem zu 1156 als Konsul belegten Obertinus Vicecomes (Muratori, ebda.) ; aus letztgenannter Familie

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Vicecomes (bzw. Vececomes) werden Grimerio, Gualterio, Pietro und Roglerio unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune Piacenza vom 25. Oktober 1180 genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Oberto de Fontana (Bollea, Nr. 50, S. 120) : wird an dieser Stelle nicht dezidiert als Konsul erwähnt ; war 1162 Konsul (Muratori, Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; ob identisch mit dem 1166 als Konsul bezeugten (Muratori, a.a.O.) Oberto Pocaterra de Fontana ? Oberto de(lla) Porta : wird zwar nicht in den Zeugenverhören erwähnt, war aber 1159 an der Beilegung eines Güterstreits betreffs Monticelli als Piacentiner Konsul beteiligt (Bollea, Nr. 23, S. 33 ; vgl. Opll, Potestates, S. 33–36) Oddone Novello : wird zwar nicht in den Zeugenverhören erwähnt, war aber 1159 an der Beilegung eines Güterstreits betreffs Monticelli als Piacentiner Konsul beteiligt (Bollea, Nr. 23, S. 33 ; vgl. Opll, Potestates, S. 33–36) ; in einer am 22. August 1177 in Venedig ausgestellten Urkunde des Grafen Guido wird er als kaiserlicher Hofrichter erwähnt (Milani – Toscani, Regesto degli atti dei secoli x–xiii, Nr. 28, S. 18–19) ; wird auch gemeinsam mit einem Opizo Novello als Teilnehmer an dem am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagenden Consiglio generale genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Olderico (Bollea, Nr. 55, S. 162) : als Konsul belegt gemeinsam mit Opizone de Fontana (siehe dort), vielleicht 1180 (allerdings fehlt er unter den bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff., zum Jahr 1180 genannten Konsuln) Opizone de Fontana (Bollea, Nr. 55, S. 162) : als Konsul belegt gemeinsam mit Olderico (siehe dort), vielleicht 1180 (allerdings fehlt er unter den bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff. zum Jahr 1180 genannten Konsuln) ; vielleicht zur selben Familie gehörten Konsul Guidotto de Fontana (siehe dort) sowie die als Teilnehmer am Piacentiner Consiglio generale vom 25. Oktober 1180 genannten Antonio und Oberto de Fontana, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265 Pagano de Arcelli (Bollea, Nr. 54, S. 145 ff.; Nr. 56, S. 169) : als Konsul belegt 1160 und 1181 (Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) ; ein Arnaldo de Arcelli war 1170 und 1174 Piacentiner Konsul (Muratori, ebda.), Arduino de Arcelli war Konsul für die Val Tidone und sagte im November 1184 auch als Zeuge aus (siehe auch oben, Anhang ii, S. 230 f.) ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune, das am 25. Oktober 1180 in Piacenza tagte, werden Pagano und ein Gerardo de Arcelli genannt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 264 Rinaldo Surdo : wird zwar nicht in den Zeugenverhören erwähnt, war aber 1145 Konsul von Piacenza (Bollea, Nr. 16, S. 24) ; unter den Teilnehmern am Consiglio generale der Kommune Piacenza vom 25. Oktober 1180 werden weitere Angehörige dieser Familie, und zwar Bonizo, Guglielmo, Nicolò und Ricardo Surdo (Surdus), erwähnt, vgl. Castignoli, Il comune podestarile, S. 265

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Sigifredo de Axeto (Bollea, Nr. 56, S. 169) : als Konsul belegt (Bollea, ebda.; fehlt bei Muratori, Chron. Rect. Civ. Plac., Sp. 611 ff.) gemeinsam mit Guidotto de Fontana (Konsul 1160, 1169 und 1172 ; siehe dort) und Pagano de Arcelli (Konsul 1160 und 1180 ; siehe dort) ; chronologisch wohl zu 1160 einzuordnen

Anhang iv : Wörtliches aus den Zeugenaussagen vom November 1184 Vorbemerkung : Der große Reiz, den eine Begegnung mit diesen Zeugnissen bietet, wie zugleich auch die Schwierigkeit, die in diesem Buch enthaltenen, zahllosen Detailinformationen tatsächlich zur Gänze, vollständig im Anmerkungsapparat nachzuweisen, haben dazu geführt, in einem eigenen Anhang den Zeitzeugen in Auswahl tatsächlich »das Wort zu geben«.

1. Aussagen zur Ortsentwicklung der quinque loci : Vorbemerkung : Im ersten Abschnitt von Anhang IV werden Aussagen der am 14. und 15. November 1184 in Pavia verhörten Zeugen über die Herrschaftsentwicklung jedes der fünf Orte (Mondonico, Monticelli, Olmo, Parpanese, S. Marzano) geboten, wobei versucht wird, dabei eine annähernd chronologische Abfolge einzuhalten. 1.1 Mondonico : • Nr. 52, S. 133 (Giovanni Certano aus Mondonico, Paveser Zeuge) : quod audiuit a romano basso ueteri et antico homini (sic) loci. et a quodam suo nepote et ab aliis quod locus montisdonnici est regalis locus. et credit quod audiuit a domino artusio de montedonnico1 quod locus montisdonnicis est regaljs locus • Nr. 58, S. 191 (Girardo de Generassio, Piacentiner Zeuge) : testatur quod recordatur. XXX. annos. et quod locus montisdonnici regebatur per dominos loci et per uicinos usque quo. caldera canis2 uenit ad montemdonnicum qui tunc erat consul papie • Nr. 55, S. 155 (Andrea de Mondonico, Piacentiner Zeuge) : ego recordor factum ta-

1 Artusio von Mondonico wird in einer in Mondonico ausgestellten Urkunde vom 17./20. Januar 1174 als Grundbesitzer genannt, dessen Besitz an den des Klosters S. Pietro in Ciel d’Oro zu Pavia grenzt, siehe : Barbieri – Casagrande Mazzoli – Cau, Le Carte, S. 103 Nr. 66, hier : S. 107. 2 Zu Caldera Cane siehe oben, Anhang ii, S. 231 f. und Anhang ii, S. 241.

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biani3 et de consulatu facto in montedonnico per dominos ipsius loci ante tempus arnaldi barbauaire4. (!), et de consulatu facto ab ipso arnaldo. et de fodro et camparicia collecta per ipsum arnaldum. et de ceteris factis per nuncios arnaldi excepto fodro trium solidorum pro focolari de quo nichil scit • Nr. 58, S. 186 (Giovanni Basso de Mondonico, Piacentiner Zeuge) : dicit quod arnaldus barbauaria potestas placencie5 per imperatorem leuauit oddo[nem arnal]di et mazoccum et romanum bassum consules [montisdonnici. Jn]terrogato si fuit ibi ubi fuerunt leuati. R[espondit]. non set eos uidit stare in consulatu et homines loci sub eis iurauerunt et ipsemet iurauit sub eis et eis obedierunt. si per totum annum durarent nescit. set uidit eos iurare consulatum. et dicit quod arnaldus eodem anno imposuit fodrum super homines de montedonnico • Nr. 52, S. 134 (Guido de Gazo aus Mondonico, Paveser Zeuge) : testatur quod a IIII.or annis infra. IIII.or6 consulatus continuj fuerunt facti in montedonnico per placenciam … et dicit quod homines montisdonnici in primo consulatu ipsorum IIII.or consulatuum murmurabant et conquerebantur erga placenciam. dicentes quod non debebant eos cohercere de consulatu et quod non erant hoc soliti facere. uidelicet consulatum per placenciam …testatur quod tempore guerre ipsemet erat consul montisdonnici et iuit papiam ad consules videlicet ad dominum bellonum de curte7 et Gislicionum sal(l)imbene8 et ioffredum de burgo9. et peciit ab eis ut affidarent locum montisdonnici. et ipsi dixerunt quod non poterant affidare ipsum locum nisi per papiam et non pro imperatore. unde dicit quod consules ipsi papie. iuerunt ad cancellarium imperatoris et denunciauerunt ei uerba subrascripta. et sic consules papie dixerunt ei quod bene affidarent ipsum locum ex parte imperatoris et papie. si darent imperatori. centum modios spelte. et sibi consulibus. per papiam. XL. libras. et sic ipsi consules affidauerunt ipsum locum ex parte imperatoris. et comunis papie. et ipse dedit pro ipsa affidacione. consulibus papie. XL. libras. et centum modios spelte eis dederunt. ut darent nunciis imperatoris 1.2 Monticelli : • Nr. 55, S. 157 (Lanfranco Cantarello, Piacentiner Zeuge) : ego scio quod plus est XLVI. annorum.10 quod vidi guercium de monticello et ardicionem. et saluum. consules loci 3 Zur Schlacht von Tabiano (Tabiano Terme bzw. Bagni bei Salsomaggiore Terme südlich Fidenza, Provinz Parma) vom Juni 1149 vgl. Bordone, Il tempo, S. 27. 4 Zu Arnold von Dorstadt, genannt Barbavaria, siehe oben, Anhang iii, S. 245. 5 Zu ihm siehe die vorige Anm. 6 Also in den Jahren seit 1180. 7 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 241. 8 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 242 f. 9 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 243. 10 Also vor/um 1138.

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monticelli per placenciam … Et scio quod circa. XLVII.11 annos est quod vidi de hominibus monticelli cum armis et carriolis in quadam expedicione quam placentini fecerunt super parmam in qua mortuus fuit bigurra canis per placenciam • Nr. 45, S. 77 f. (Piero Cheno, Paveser Zeuge) : dicit quod post aduentum domini Jmperatoris in lonbardia12 ante obsidionem mediolani. et post destructionem eiusdem.13 vidit papienses uenire monticellum. et colligere iuuaticum in ipso loco • Nr. 55, S. 164 (Burgundio Pocaterra, Piacentiner Zeuge) : dicit postquam mediolanenses intrauere ciuitatem.14 fui cum burgundio leccacoruo15 et alberto sperono16 consulibus placencie. ad colligendam coltam … in monticeilo. (!) et in plebe de parpanese. et in sancto marciano • Nr. 55, S. 167 (Ugo Bue, Piacentiner Zeuge) : dicit quod in consulatu Guilielmi de malovicino17 in quo mortuus fuit.18 (quod) fui cum ipso guilielmo de malovicino in montecello. et in plebe de parpanese. et in sancto marciano. et leuaui(t) ibi consules per placenciam set tunc audiui quosdam homines sancti marciani rangurare … postea per plures vices vidi. consules placencie leuare consules in monticello 1.3 Olmo : • Nr. 53, S. 136 (Calvo de Clauso aus Olmo, Paveser Zeuge) : quod recordatur destructionem terdone19 et plus XX.ti anni(s) sunt20. quod audiuit dicere hominibus ulme quod ueter locus ulmi erat papie et tenebatur per papiam. … quod XVIII. anni sunt21 quod ipse uidit consules papie uenire in ulmo … et tunc dicit quod distrin(c)xerunt gastaldiones ulmi adinplere eorum precepta. et gastaldiones distrin(c)xerunt homines loci obedire precepta consulum papie • Nr. 53, S. 137 (Calvo de Clauso aus Olmo, Paveser Zeuge) : testatur quod quando

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Also um 1137. Also nach 1158 (erster Italienzug, den Friedrich Barbarossa als Kaiser antrat). Vor 1158 August bzw. 1160 bzw. nach 1162. Die Mailänder betraten ihre Stadt, aus der sie 1162 vertrieben worden waren, wieder im Frühjahr 1167. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 246. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 247 f. Guglielmo fiel in der Schlacht von Mombello Monferrato am 13. Juli 1172, vgl. Bordone, Il tempo, S. 31. Frühjahr 1155. Also vor 1164. Also 1166.

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exercitus lonbardorum uenit in terra[m] papie22 et destru(c)xit bosonassium.23 et quando alia uice montibello24 iuit. per ipsas duas uices destru(c)xit et combursit (sic) locum ulmi et incidit et erredicauit uineas et incidit arbores et robauit ecclesiam. et credit quod placentini fuerunt in expedicionibus illis … et dicit quod quociens homines ulmi fugierunt per guerram. fugierunt semper papiam. et in terra[m] papie. preter quod in ultima fuga pars hominum ulmi fugierunt placenciam. set maior pars fugierunt papiam • Nr. 53, S. 138 (Calvo de Clauso aus Olmo, Paveser Zeuge) : dicit quod in preterito anno proximo25 uidit de hominibus ulmi pro comuni loci et per placenciam. ire. ad laborandum fossatis placencie. et dicit quod a quinque annis26 infra per unumquemque annum nuncii consulum placencie simul cum senioribus de fontana27 leuauerunt consules in loco ulmi ui. minando et dicendo eis mala uerba 1.4 Parpanese (Pieve di -) : • Nr. 54, S. 150 (Oberto de Alda, Piacentiner Zeuge) : dicit quod ante(a) quam papia et placencia distringerent homines plebis. (quod) capitanei de fontana 28 faciebant hominibus plebis bonum et malum secundum quod eis placebat29 • Nr. 47, S. 94 (Pietro Cheno, Paveser Zeuge) : testatur de quinque annis ante destructionem mediolani.30 uidit consules papie uenire in locum plebis. et leuauerunt ibi consules. et ipsemet tenuit consulibus equos. et ab eo tempore infra usque ad tempus quo guilielmus de malouicino iuit in monteferrato ubi obiit.31 Consules papie. annualiter leuauerunt consules in ipso loco. et bouateriam collegerunt • Nr. 54, S. 147 f. (Oberto de Alda, Piacentiner Zeuge) : dicit quod quando barbauaira erat potestas placencie.32 missi ipsius arnaldi vnus quorum fuit albertus pauca22 Damit sind wohl die Auseinandersetzungen zwischen der Lega Lombarda und Pavia während der Jahre bis zum erzwungenen Beitritt der Ticinostadt zum Städtebündnis, also zwischen 1167/68 und 1170, gemeint. 23 Bosnasco zwischen Stradella und Castel S. Giovanni an der Strada Statale 10, Provinz Pavia. 24 Wohl die Schlacht zu Mombello Monferrato am 13. Juli 1172, siehe dazu Bordone, Il tempo, S. 31. 25 Also 1183. 26 Also seit 1179/1180. 27 Zu den Herren von Fontana vgl. Racine, Plaisance II, Register. 28 Wie vorige Anm. 29 Von diesem so aussagekräftigen Zitat sind wir in unserem Vorwort ausgegangen, siehe dazu oben, S. 9. 30 Also 1157. 31 Damit ist das Jahr 1172 gemeint, vgl. dazu siehe schon oben, Anm. 18 (Tod des Malvicino 1172). 32 In den Jahren 1162 bis 1164 fungierte Arnold Barbavaria als kaiserlicher Podestà von Piacenza, siehe dazu oben, Anhang iii, S. 245.

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terra33 uenerunt in plebe. et fecerunt sex de hominibus ipsius loci iurare soluere fodrum Arnaldi, videlicet tres libras imperialium. et sic ego qui iuraueram cum aliis hominibus plebis fui papiam. et consules papie dederunt mihi et aliis vnum breuem quem portaui et dedi Arnaldo ex parte ipsorum consulum papie ; et sic ipse Arnaldus dedit cuidam homini qui erat mecum vnum alium breuem quem portauit papie. et dedit consulibus papie, postea consules papie rescripserunt vnum alium breuem ipsi Arnaldo ; quo dato ei ab otone rufino34 a parte consulum papie fodrum remansit • Nr. 54, S. 151 (Guido de Alda, Piacentiner Zeuge) : dicit quod a destructione mediolani35 infra papienses per VI. vel VII. annos continuos leuauerunt consules in ipsa plebe ; et bouateriam colligerunt quiete … ab ipsis annis infra usque ad obsidionem alexandrie.36 utraque ciuitas alternatim leuauit consules … post obsidionem uero alexandrie uenit guidotus de fontana37 qui tunc erat consul placencie in plebe. et fecit ipsum guidonem et iohannem lunam qui tunc erant consules papie. iurare quo de cetero non intromittent se de consulatu … et sic ipse guido et iohannes luna iuerunt papiam. et dixerunt consulibus papie. quod guidotus de fontana consul placencie eos deposuerat ; et ipsi consules dixerunt ; nos non habemus modo tempus quo ualeamus uos adiuuare set forsitan ueniet tempus 1.5 S. Marzano : • Nr. 53, S. 143 (Lanfranco Arcario, Paveser Zeuge) : iurato dicit. quod recordatur regem lotharium.38 et dicit quod locus sancti marciani. et decimaria et primicia est sancti sepulcri39 … quod ita audiuit a ueteribus hominibus loci et ab abbate et fratribus eius quod tenent illum ab episcopo papie. et est de plebatu rouoscalle.40 quia uadunt illuc ad baptizandum. et ab ipsa plebe recipivnt crismam • Nr. 50, S. 111 (Guido, Priester der Kirche von S. Marzano, Paveser Zeuge) : dicit quod audiuit a quampluribus hominibus et mulieribus sancti marciani. quod duellum olim fuit factum inter episcopum papie. et episcopum placencie. et ille qui fecit duellum pro papiensi. episcopo. vicit ; set quare duellum fuit factum nescit nec audiuit set audiuit quod propter hoc termin[nus fuit] positus ad portam paganam. set quare terminus fuisset ibi positus nescit nec audiuit. et terminus ille est inter locum sancti marciani et placenciam41 33 34 35 36 37 38 39 40

Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 237. Also 1162. Also bis 1174/75. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 248. Lothar III. (1125 – 1137); gemäß dem Königstitel vielleicht vor 1133. Das Paveser Kloster S. Sepolcro. Rovescala, südlich von S. Damiano al Colle im Oltrepò Pavese, westlich von Borgonovo Val Tidone, Provinz Pavia. 41 Zu diesem Duell siehe oben, S. 56–59.

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• Nr. 53, S. 141 (Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano, Paveser Zeuge) : dicit quod comunis uox inter homines sancti marciani est. quod in consulatu fulconis stricti 42 nuncii placencie uenerunt in sancto marciano colligendi fodrum uel bouateriam. et tunc presbiter ipsius loci iuit placenciam. ante ipsum fulconem et socios dicens eis quod non debebant ibi habere fodrum nec bouateriam. quia non erant ibi aliquid soliti habere. et sic ipsi consules fecerunt ante se uenire malarazam. cui preceperunt sub debito sacramenti quo comuni placentie et palacio placencie tenebatur et in baptismo et xpisti[a]nitate sua ut diceret ueritatem … et ipse malaraza dixit non … et ipse fulco dixit presbitero quod in suo consulatu nec colligeret fodrum nec bouateriam. in sancto marciano. neque inciperet • Nr. 50, S. 116 (Domenico Arcario, Paveser Zeuge) : dicit quod quadam uice nuncii placencie uenerunt in sancto marciano. causa colligendi bouateriam. et sic homines loci expulerunt ipsos nuncios … et postea qudam alia uice nuncii placencie. uenerunt … pro bouateria. colligenda. et sic gandulfus abbas de sancto marciano43 ri(c)xatus est cum quodam correrio nuncio placencie. pro ipsa bouateria. quam dicebat se non debere dare. et straciauit ei camisiam. pro qua camisia consules placencie tulerunt ei. XX. solidos. ut audiuit • Nr. 53, S. 140 f. (Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano, Paveser Zeuge) : ante hoc tempus44 dicit patrem suum et ysenbardum fuisse factos consules sancti marciani in ecclesia sancti siri de papia. per papiam … et dicit quod pater suus tempore sui consulatus collegit fodrum per papiam. in loco sancti marciani. quod fodrum credit fuisse. X. librarum. papiensium. … et ante predictos IIIIor consulatus non uidit nec audiuit quod consules fuissent facti in sancto marciano per papiam. neque per placenciam • Nr. 50, S. 112 f. (Guido, Priester der Kirche von S. Marzano, Paveser Zeuge) : dicit quod post rehedificationem mediolani et ante obsidionem palee45 Guilielmus de malouicino46 … uenit in sancto marciano. et collegit homines loci in casa conuersorum ecclesie. et dixit uolo ut iuretis stare in meis preceptis. et ipsi responderunt non faciemus. et tenens baculum in manu dixit. quis uestrum non iurauerit stare in meis preceptis. iam frangam ei caput. et tandem iurauere omnes stare in suis preceptis. et fecit ibi tunc consules per placenciam … et hec fuit prima consolaria quam uidit fieri in sancto marciano per placenciam • Nr. 57, S. 177 f. (Oberto Mocio aus S. Marzano, Piacentiner Zeuge) : non recordor quod ante tempus arnaldi barbauarie potestatis placencie.47 nec uidi nec audiui quod locus sancti marciani distringeretur. per comune papie. neque per comune placencie. set per

42 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 246 f. 43 Gandolfo Abate wurde im November 1184 gleichfalls als Zeuge einvernommen, siehe dazu oben, Anhang i, S. 233. 44 Aus der Erzählung ergibt sich, dass dies vor 1167 gewesen sein muss. 45 Also zwischen 1167 und 1174/75. 46 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 247 f. 47 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245.

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abbatem sancti sepulcri de papia distringebatur. set tempore predicti arnaldi abbas sancti sepulcri48 uenit in loco sancti marciani. cum consulibus papie. et habuit de hominibus loci et dixit eis non potestis stare sicut usque modo stetistis opus est ut faciatis seruicium papie. et leuauerunt ibi consules per papiam et ita steterunt per tres annos uel per IIIIor et in illis temporibus per duas uices colligerunt ibi fodrum • Nr. 55, S. 157 (Folco de Porta, Piacentiner Zeuge) : ego scio quod tempore arnaldi barbauaire quando erat. potestas placencie.49 ego et attus paucaterra50 et azo de vicoiustino. et oddo de ritorto. precepto ipsius arnaldi barbauaire. posuimus fodrum in terra placencie. et tum posuimus fodrum in predictis locis vnde lis est. et de ipso fodro tunc soluere mihi nomine de monticello pro comuni ipsius loci quiete et sine contradicione alicuius. VIII. libras et VIII. solidos placentinorum. Jlli de plebe de parpanese. IIII.or libras. et IIII.or solidos placentinorum. Jlli de vlmo. V. libras et V. solidos. Jlli de sancto marciano. III libras et III. solidos. Jlli de montedonnico. VI. libras et VI. solidos et omnes predictos denarios51 dederunt mihi in placencia • Nr. 50, S. 111 f. (Guido, Priester der Kirche von S. Marzano, Paveser Zeuge) : dicit quod ipsemet presbiter iuit ad episcopum ugocionem placencie 52. et dixit ei ut affidaret locum sancti. Marciani. et ipse dixit quod affidaret si sibi pecuniam daret. vnde ipse presbiter ex pacto dedit ei septem libras. placentinorum. ueterum. et ipse episcopus in concione publica affidauit locum sancti marciani. et fecit consules placencie ipsum locum similiter affidare … et dicit quod hoc fuit post destructionem mediolani per unum annum uel per duos53 • Nr. 57, S. 176 (Lombardo Mangiavillano, Piacentiner Zeuge) : testatur quod pa(u)rum antea quam imperator fecisset arsalliam in piacentina. in festiuitate sancti micahelis.54 habita[ba]t in sancto marciano et ab ipso termino infra circa illud tempus. uidit papienses. per tres annos continuos leuare consules in sancto marciano. et bouateriam colligere … dicit quod ab ipsis tribus annis infra piacentini. et papienses. altercatim leuauere consules

48 49 50 51

Abt des Paveser Klosters S. Sepolcro. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. Zu ihm siehe oben, Anhang i, s. v. Burgundio Pocaterra, S. 231. Aus diesem Hinweis ist zu erschließen, dass das Fodrum zwar in den großen Rechnungseinheiten von Pfund und Schilling (libra et solidus) berechnet, aber in der Form von Münzen (denarii) bezahlt wurde. 52 Bischof Ugo bzw. Uguccio von Piacenza, der 1167 im Exil bei Papst Alexander III. starb ; 1162 sah es vorübergehend so aus, als würde Podestà Arnold Barbavaria versuchen, den Bischof, der im Jahr zuvor als Anhänger Alexanders III. abgesetzt worden war, zurück nach Piacenza zu holen, vgl. dazu Castignoli, Piacenza di fronte al Barbarossa, S. 149. Das von Priester Guido geschilderte Geschehen muss sich daher spätestens gegen Ende 1162 zugetragen haben. 53 Also 1163 oder 1164 ; das Geschehen dürfte sich aber spätestens gegen Ende 1162 zugetragen haben, siehe dazu die vorige Anm. 54 29. September 1167, siehe dazu oben, S. 122–124.

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in sancto marciano. set consules per placentiam facti semper consulatum obtinuerunt singulis annis … dicit quod predicto tempore quo piacentini. primo leuauerunt consules in sancto marciano. placentini. singulis annis colligerunt ibi bouateriam. et una uice abstulerunt pignora que ualebant. X. solidos. pro. XII. denariis. vnde consulibus papie querimoniam deposuimus. Et ipsi dixerunt sinite eos facere quia ueniet tempus quo quisque in sua racione stabit. et pignora dimit[t]ite et nolite ea excutere. quia bene uobis excuciemus. • Nr. 53, S. 142 (Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano, Paveser Zeuge) : dicit quod a XII.cim annis infra pa(u)rum plus uel minus55 uidit nuncios placencie. colligere bouateriam. in loco sancti marciani. per placenciam. … et ab illo tempore duodecim annorum infra uidit consules in loco sancto marciano. singulis annis per placenciam … testatur quod infra hoc tempus. XII.cim annorum. uidit consules papie. per duas uices leuare consules in loco sancti marciani. per papiam … set piacentini. deposuerunt ipsos consulatus. et dicit quod quando uidit consules placencie. leuare consules in sancto marciano. et per uim et contra uoluntatem ipsorum consulum loci faciebant

2. Aussagen zu Fährnissen des persönlichen Daseins : Vorbemerkung : In diesem zweiten Abschnitt von Anhang IV wird in alphabetischer Reihenfolge eine Auswahl von Zeugenaussagen zu den Rahmenbedingungen geboten, unter welchen das Leben für die Menschen in den fünf Orten an der Grenze der Contadi von Pavia und Piacenza während der frühstaufischen Epoche verlief. Abgabenarten (siehe auch : Brückenbau und Brückengeld) : bouateria (siehe dazu oben, S. 156) : • Nr. 53, S. 140 (Ambrogio, Sohn des Uberto Rosso, Paveser Zeuge) : dicit quod a quinque Annis infra56 placentini. et papienses. leuauerunt consules in ulmo. et bouateriam colligerunt. verumtamen consules per placenciam facti semper uim consulatus obtinuerunt • Nr. 53, S. 141 (Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano, Paveser Zeuge) : in consulatu fulconis stricti57 nuncii placencie uenerunt in sancto marciano colligendi fodrum uel bouateriam • Nr. 55, S. 157 (Alioto Cazolo, Piacentiner Zeuge) : plus est XL annorum58 quod vidi malamrazam et guazeronum colligere bouateriam per placenciam in monticello

55 56 57 58

Also etwa seit 1172. Also seit 1179/80. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 246 f. Also vor 1144.

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camparicia (siehe dazu oben S. 156) : • Nr. 55, S. 155 (Andrea de Mondonico, Piacentiner Zeuge) : ego recordor factum tabiani.59 et de consulatu facto in montedonnico per dominos ipsius loci ante tempus arnaldi barbauaire.60 et de consulatu facto ab ipso arnaldo. et de fodro et camparicia collecta per ipsum arnaldum • Nr. 58, S. 191 (Girardo de Generassio, Piacentiner Zeuge) : ipse et alii sui uicini soluerunt eis camparjciam quam nomine arnaldi 61 colligebant colta (siehe dazu oben, S. 257) : • Nr. 50, S. 120 (Alberico Roncio, Paveser Zeuge) : scit quod homines sancti marciani dederunt coltam placencie. tempore oberti de fontana.62 et credit quod hoc fuit eo anno quo guilelmus de malouicino obiit.63 uel pa(u)rum antea uel postea. et dicit quod ipsa colta fuit. V. librarum placentinorum. Interro[gato]. quomodo scit quod darent predictam coltam. R[espondit] quia uidit et dicit quod credit quod per uim coltam colligerunt quoniam cum uigintitribus hominibus ibi uenerunt et eos minabantur. et quando consules placencie ueniebant in sancto marciano. semper ueniebant cum dominis de fontana.64 ut credit. • Nr.55, S. 158 (Guido de Monte, Piacentiner Zeuge) : scio quod vidi Musonem de camporomaldo et. ianonum crexencium. et Petrum burinum colligere coltam per placenciam in monticello. et in plebe de parpanese. et in vlmo. et sancto marciano quiete … et bene sunt. L. anni65 quod hoc fuit et hanc coltam colligerunt presente domino abbate sancti saluatoris de papia66 et non contradicente. et in sero ipse abbas misit de candelis ipsis coltoribus focolarium (Herdstelle) : • Nr. 51, S. 123 (Giovanni de Luzano aus Mondonico, Paveser Zeuge) : testatur quod ipso anno quo ipse iohannes erat consul per papiam albertus et iohannes de la montagna et quidam teutonicus fecerunt ipsum et iohannem doctorem socium suum ire fontanam et uolebant auferre hominibus de montedonnico. III. solidos. pro focolario. sicuti tollebant per placentinam

59 Zur Schlacht von Tabiano (Tabiano Terme bzw. Bagni bei Salsomaggiore Terme südlich Fidenza, Provinz Parma) vom Juni 1149 vgl. Bordone, Il tempo, S. 27. 60 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. 61 Arnold Barbavaria, siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. 62 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 249. 63 Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 247 f. 64 Zu den Herren von Fontana siehe Racine, Plaisance ii, Register. 65 Also 1134. 66 Kloster S. Salvatore zu Pavia.

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Anhang IV : Wörtliches aus den Zeugenaussagen vom November 1184

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fodrum (siehe dazu oben, S. 152 ff.) : • Nr. 47, S. 98 (Girardo Mussino, Paveser Zeuge) : in plebe … bis bouateriam. tunc temporis67 ibi colligere uidit a papiensibus et semel fodrum causa dandi imperatori post destructionem mediolani 68 • Nr. 47, S. 99 (Andrea Oreglacio, Paveser Zeuge) : in loco plebis … et uidit semel ibi colligere unum fodrum per papiam. qui (sic) fuit collectus per libram et causa dandi imperatori • Nr. 51, S. 126 f. (Pietro de Luzano, Paveser Zeuge) : de fodro trium solidorum. pro focolario ab alberto paucaterra69 et sociis in montedonnico inposito • Nr. 52, S. 134 (Guido de Gazo aus Mondonico, Paveser Zeuge) : de fodro centum solidorum. quod non credit nec audiuit fuisse datam (sic) • Nr. 54, S. 147 (Oberto de Alda, Piacentiner Zeuge) : fecerunt sex de hominibus ipsius loci iurare soluere fodrum Arnaldi70 videlicet tres libras imperialium • Nr. 54, S. 151 (Guido de Alda, Piacentiner Zeuge) : consules papie tempore quo imperator erat in lonbardia collegerunt fodrum vnum in ipsa plebe. et credit quod fuit ante destructionem mediolani.71 et ipsemet dedit de ipso fodro. XII. denarios. et fodrum fuit desuper totum. XII. libre, et dicit quod audiuit eo tempore dicere : quod papienses fodrabant tunc totam eorum terram causa donandi domino imperatori iuuaticum (siehe dazu oben S. 156 f.) : • Nr. 45, S. 77 f. (Pietro Cheno, Paveser Zeuge) : post aduentum domini Jmperatoris in lonbardia ante obsidionem mediolani.72 et post destructionem eiusdem.73 vidit papienses uenire monticellum et colligere iuuaticum in ipso loco • Nr. 53, S. 137 (Calvo de Clauso aus Olmo, Paveser Zeuge) : vidit iuuaticum colligi per locum ulmi per papiam. et pater suus se uidente inde soluit. XII.cim denarios papienses. item alia uice uidit gastaldiones ulmi colligere iuuaticum in ulmo per papiam • Nr. 49, S. 108 (Adamo Portonario, Paveser Zeuge) : dicit quod per sex vices fuit mis[s]us a consulibus papie per predictos quinque locos pro iuuatico et faciebat iurare consules ipsorum locorum colligere iuuaticum. ad adducere papiam ad certum terminum • Nr. 53, S. 139 (Ambrogio, Sohn des Uberto Rosso, Paveser Zeuge) : dicit quod olim

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Nach dem Bericht um 1162/1163. Also nach 1162. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. Arnold Barbavaria, Podestà von Piacenza, 1162 bis 1164, siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. 71 Also vor 1162. 72 Also vor 1158. 73 Also nach 1162.

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ante obsidionem palee74 vidit gastaldiones de ulmo colligere iuuaticum per locum ulmi dicentes quod colligebant illum per consules papie. et hoc semel uel bis. Et ab obsidione palee infra75 similiter semel quendam consulem papie. uidit colligere iuuaticum per locum ulmi pastoricium (siehe dazu oben, S. 157). • Nr. 49, S. 105 (Caldera Cane, Paveser Zeuge), vgl. auch Nr. 51, S. 121 (Alberico Roncio, Paveser Zeuge) : tunc ad montedonnicum suos nuncios mandauerunt. ut ante se uenirent set nunquam ad eos uenire uoluerunt. et tunc illuc suos nuncios miserunt. et pastoricium illorum eis priuatim tollere fecerunt et postea de hominibus ipsius loci de montedonnico uenerunt ad eos ad bosonassium76 ad querendum eis mercedem vt redderent eis bestias suas. dicentes quod male faciebamus … quia non pertinebant papie nec placencie set tantum imperatori Befestigungsarbeiten und Ablösen für derartige Arbeitsverpflichtungen : • Nr. 47, S. 96 (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : quod uidit homines plebis ire ad laborandum fossatis castri de parpanese • Nr. 51, S. 125 (Ubero Mangiavillano, Paveser Zeuge) : homines montisdonnici iuerunt ad fossatum zinist[r]eti77 et credit quod illuc iuerunt per arnaldum barbauariam78 • Nr. 47, S. 97 (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : fuerunt districti a nuncio placentie. ut irent ad fossata placencie. et iuerunt. et prensa fuit eis cons(c)ignata. scilicet duo pedes. set non laborauerunt ibi propter inpedimentum aque que intrauit in fossatis … ipsi dedissent consulibus placencie. viginti. solidos. pro. ipsa prensa • Nr. 48, S. 193 f. (Alberico Roncio, Paveser Zeuge) : dicit quod uidit hominibus monticelli. et plebis de parpanese. pro comuni ipsorum loco rum. ire per papiam ad explananda fossata mediolani • Nr. 50, S. 120 f. (Paveser Zeuge) : quod in preterito anno79 similiter de hominibus sancti marciani. pro comuni loci iuerunt ad fossata placencie. et consules sancti marciani tulerunt sibi. III. placentinos pro sua porcione. et dicit quod ad ipsa fossata ibant timore dominorum de fontana et placentinorum et non amore quia non credunt quod hec facere debeant. per placenciam

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Also vor 1174/75. Also nach 1174/75. Bosnasco zwischen Stradella und Castel S. Giovanni an der Strada Statale 10, Provinz Pavia. Zenevredo, zwischen Stradella und Bosnasco südlich der Strada Statale 10, Provinz Pavia ; siehe zu diesem Ort auch oben, S. 142 Anm. 82. 78 Arnold Barbavaria, Podestà von Piacenza, 1162 bis 1164, siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 245. 79 Also 1183.

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• Nr. 57, S. 178 (Oberto Mocio aus S. Marzano, Piacentiner Zeuge) : dicit de pre[n]sa de fossatis ueteribus placencie. que postea fuerunt aplanata [quod] fuit consignata hominibus sancti marciani. et dederunt inde pecuniam et fecerunt eam facere et ipsemet soluit suam partem et fuerunt inde districti per uim per consules placencie. et dicit quod in posterioribus fossatis placencie. homines sancti marciani. laborauerunt per placenciam. et fecerunt ibi duos pedes Beherbergungspflicht (albergare, albergaria) : • Nr. 55, S. 161 (Arduino de Arcelli, Piacentiner Zeuge) : dicit quod circa. LX. annos80 est. quando malaspina81 fecit cambium cum pellavicino82. fuit factum ei intelligere quod debebat habere albergarias per totam istam terram usque ad arenam83 ; et tunc ipse malaspina invitauit me ut irem secum ad albergandum monticello pro ipsis albergariis. et cum ibi essemus. illi domini de fontana84 et calui uenerunt ad nos. et dixerunt quod male feceramus ibi moram. quia placentini nos inde expellerent cum dedecore et sic mane ante prandium recessimus • Nr. 55, S. 166 (Burgundio Pocaterra, Piacentiner Zeuge) : dicit ego audiui dicere patri meo qui ibat cum marchionem85 ad faciendum albergarias ad monticellum. et fuerunt ad firmandum. et ibi audierunt quod ciuitas placencie uolebat equitare contra marchionem ad uetandum albergarias. et sic recesserunt nec ultra iuerunt ad faciendum albergarias • Nr. 55, S. 168 (Alberto Pappapane, Piacentiner Zeuge) : dicit quod circa LX. annos est86. quod vidi milites marchionis malaspine87 qui ibant cum armis et dicebant quod iacuerant in plebe de parpanese pro albergariis marchionis et cum ipso marchione et cum uellent ire in mane albergare ad vlmum dicebant quod malapars88 et Malusvicinus89 eis uetauerant Brückenbau und Brückengeld (pontaticum) : • Nr. 56, S. 169 (Roberto de Malaraza, Piacentiner Zeuge) : dicit. quod eo anno quo mediolanum fuit obsessum.90 ipse et crexius et albertus de arena. quiete collegerunt dena80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90

Also um 1124. Markgraf Malaspina ; vgl. zu dieser Adelsfamilie oben, S. 17 mit Anm. 12. Markgrafen Pallavicino ; vgl. zu dieser Adelsfamilie oben, S. 136 mit Anm. 59. Das heutige Arena Po unweit östlich von Portalbera im Oltrepò Pavese, Provinz Pavia. Zu den Herren von Fontana siehe Racine, Plaisance II, Register. Wie in der vorigen Aussage des Arduino de Arcelli. Also um 1124. Wie oben Anm. 81. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 248. Zu dieser bedeutenden Piacentiner Familie siehe Racine, Plaisance II, Register. Zwischen 1158 und 1162.

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rios pro restis pontis padi de placencia. in monticello et plebe de parpanese. et ulmo. a[t]que sancto marciano. et per placenciam • Nr. 47, S. 96 (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : de pontatico collecto A pontexanis. papie. per locum plebis … quod tunc erat pons aput balbianum • Nr. 49, S. 106 (Simone de Casasco, Paveser Zeuge) : iuit cum lanfranco mazocco et bertolotto schergnano et marescotto scagnello pontexanis papie ad colligendum pontaticum in predictis quinque locis. et in unoquoque eorum quiete colligerunt tunc • Nr. 54, S. 152 (Guido de Alda, Piacentiner Zeuge) : dicit quod quando pons erat ad cerretam supra padum per papiam. vidit pontexanos ipsius pontis uenire in plebe causa colligendi pontaticum. set Archipresbiter ricardus concordauit se cum illis de ipso pontatico. dicens eis. quia timeo si domini de fontana91 inuenerint uos. ne mala uerba habeant uobiscum ; (set) recedite et ego dabo uobis pro ipsis hominibus plebis. sex sestarios grani. et ipsi recesserunt et Archipresbiter predictum granum collegit. et eis ad parpanese misit Einsetzung von Ortskonsuln (höchster Ausdruck von Herrschaft) : • Nr. 46, S. 88 (Giacomo Cane, Paveser Zeuge) : [… interrogato quibus] consulibus magis obedierunt. an consulibus factis per placenciam. an consulibus factis per papiam. R[espondit]. quod audiebat eis dicere quod magis obediebant placentinis quoniam non erant ausi melius facere. set si papienses. possent defendere eos. a placentinis. libencius eis obedirent quoniam de papia [se putabant esse] • Nr. 48, S. 101 (Villano Cordario, Paveser Zeuge) : dicit quod olim in quodam consulatu rainaldi de campese92 et Jacobi auiani93 qui erant consules comunis papie. iuit cum eis quorum seruiens erat ad leuandum consules per loca de ultra padum. et tunc uidit et interfuit quod leuauerunt quiete consules per papiam in montecello. et in montedonnico. et in illo consulatu collegit iuuaticum in plebe de parpanese. et Sancto marciano. quiete per papiam. et credit quod est circa sedecim annos94 • Nr. 53, S. 140 (Guglielmo de Ambrogio aus S. Marzano, Paveser Zeuge) : ante hoc tempus95 dicit patrem suum et ysenbardum fuisse factos consules sancti marciani in ecclesia sancti siri de papia. per papiam sicut ipsi cum redierunt a papia ei retulerunt • Nr. 58, S. 189 f. (Ansaldo dottore, Piacentiner Zeuge) : dicit … scio quod arnaldus barbauaria cum erat potestas placencie.96 leuauit per placenciam consules in montedonnico. qui consulatum per totum annum tenuerunt. … dicit quod arnaldus barbauaria fecit

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Zu den Herren von Fontana siehe Racine, Plaisance II, Register. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 243. Siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 242. Also um 1168. Nach dem Bericht : vor 1167. Arnold Barbavaria, Podestà von Piacenza, 1162 bis 1164, siehe zu ihm oben, Anhang ii, S. 245.

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iurare homines de montedonnico dare fodrum. et arnaldus imposuit eis fodrum. et tunc erat potestas placencie. et tunc consules ibi facti per papiam. videlicet iohannes certanus et iohannes luzanus et iohannes doctor et iohannes maniauillanum97. iuerunt ad consules papie. et conquesti fuerunt de fodro sibi ab arnaldo imposito Gerichtsbarkeit und Zwangsgewalt : • Nr. 47, S. 97 (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : dicit quod ipsemet fuit districtus a consulibus placencie. facere racionem Johanni bigolo de placencia • Nr. 50, S. 119 (Alberico Roncio, Paveser Zeuge) : dicit quod stando in sancto marciano. nuncii papie. uenerunt in sancto marciano. et distrin(c)xerunt eum ire in papiam. ad faciendam racionem cuidam homini papie. qui de eo conquestus fuerat. et sub ipsis consulibus ei fecit racionem • Nr. 47, S. 97 (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : dicit quod pro homicidio quod ipse et consanguinei fecerunt de mormanno. placentini. bannierunt eos. et abstulerunt eis res eorum. preter dotes mulierum • Nr. 47, S. 95 (Pietro Cheno, Paveser Zeuge) : dicit quod grasellus de pado fecit distri[n]gere Johannem marracium98. et badam. quos inuenit in placencia. sub consulibus placencie. pro querimonia quam de eis faciebat • Nr. 47, S. 93 (Paveser Zeuge) : dicit quod placitauerunt cum ipso uberto sub consulibus papie Maße und Münzen : • Nr. 47, S. 97 f. (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : dicit quod congio papiensi. et moneta papiensi. utuntur et non stario placentino. ad uinum. et dicit quod olim utebantur sestario papiensi. ad granum. set nunc magis utuntur sestario placentino. eo quod maior pars redditus grani uadit placencie • Nr. 53, S. 138 (Calvo de Clauso aus Olmo, Paveser Zeuge) : dicit quod homines ulmi utuntur inter se moneta papie. sestariis utriusque ciuitatus utuntur. et dicit cum homines olubre ueniunt in loco ulmi causa emendi aliquid ab hominibus ulmi. faciunt mercatum ad denarios placencie. set tamen homines ulmi dicunt date mihi denarios papie. si habetis pro placentinis quia uolo eos expendere in terra mea quia de terra papie sum Militärische Dienstleistungen sowie finanzielle Ablösen derselben : • Nr. 47, S. 96 (Viviano de Alda, Paveser Zeuge) : dicit quod homines plebis miserunt duos arcatores ad obsidionem mediolani 99 97 Zu diesen vier gleichzeitig amtierenden Konsuln, die allesamt den Namen Giovanni trugen, vgl. Bordone, Il tempo, S. 34. 98 Giovanni Marracio war ein weiterer Paveser Zeuge, der im November 1184 verhört wurde, siehe oben, Anhang i, S. 234. 99 Also in den Jahren 1158 bis 1162.

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Nr. 55, S. 159 (Guido de Monte, Piacentiner Zeuge) : scio quod tempore guerre parme100 quadam vice quando placentini miserunt bannum de caballis … vidi consulem placencie in monticello precipere curtesiis de monticello. videlicet guidoni mainerio. et Sigefredo et Mizolello ut tollerent caballos. et eis caballos. postea vidi. cum quibus postea in expedicione placencie. vidi et dicit omnes habere casas in placencia preter Mizolellum101 Nr. 55, S. 163 (Guido de Monte, Piacentiner Zeuge) : scio quod tempore quo imperator obsidebat Mediolanum erat consul comunie de ultra trebiam per placenciam. et credo quod sunt XXV. anni uel XXVI.102 … eodem meo consulatu consules placencie mihi et sociis meis dixerunt. ut adquireremus arcatores quos uolebant mittere in seruicio imperatoris mediolanum. et sic adquisiuimus arcatores ad soldos. partem quoque soldorum fecimus soluere hominibus predictorum IIII.or locorum pro comuni suorum locorum103 Nr. 54, S. 146 (Oberto de Alda, Piacentiner Zeuge) : dicit quod in quodam consulatu Guilielmi de malaparte104. ipse guilielmus venit in plebe. et homines plebis dederunt ei. X. solidos pro arcatoribus quos debebant mittere mediolanum in seruitio imperatoris. set non recordatur si ad obsidionem uel ad destructionem105

Robotdienste : • Nr. 50, S. 110 f. (Guido, Priester der Kirche von S. Marzano, Paveser Zeuge) : dicit quod circa XIIIIor.106 annos est. ut credit quod uidit nuncium papie uenire in loco sancto marciano. et fecit de hominibus loci illius ire ad incidendum frascas et lotas ad clusam ti100 Das war in den 1140er-Jahren. 101 Interessanter Hinweis darauf, dass es vor allem diejenigen unter den Monticellesi waren, die in Piacenza über Hausbesitz verfügten, die zu militärischen Diensten für diese Kommune verpflichtet waren. 102 Also 1158 oder 1159. 103 Die Piacentiner kamen ihren militärischen Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser, die in der Anwerbung von Bogenschützen gegen Mailand bestanden, somit in der Form nach, dass sie einen Teil der dafür aufgewendeten Mittel auf die Leute der vier Orte (einer der Orte fehlte also) überwälzten ; zeitlich dürfte dies am ehesten in den Sommer 1158 gehören, da sich das nur vorübergehend positive Verhältnis Piacenzas zum Kaiser ab dem Frühjahr 1159 wieder in sein – gewohntes – Gegenteil umkehrte. 104 Nach diesem Bericht, der sich auf die Stellung von Bogenschützen gegen Mailand im Dienst des Kaisers vonseiten Piacenzas bezieht, was aufgrund der Entwicklung der politischen Verhältnisse nur 1158 möglich ist (siehe dazu auch oben, S. 181 ff.), muss Guglielmo de Malaparte das Konsulamt auch 1158 bekleidet haben ; siehe zu ihm oben, Anhang iii, S. 247. 105 Diese Unsicherheit des Zeugen, ob Bogenschützen für die Belagerung oder die Zerstörung von Mailand gestellt werden mussten, weist auf einen durchaus kritischen Umgang mit dem eigenen Gedächtnis hin ; in jedem Fall ist das Ereignis zum Jahr 1158 zu datieren, siehe dazu die vorige Anm. 106 Also um 1170.

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cini 107 pro comuni loci et per papiam. et ibi steterunt per unam ebdomadam et audiuit ab eis quod in omni sero ibant ad cenandum et iacendum monasterio sancti sepulcri 108 Nr. 47, S. 98 (Girardo Mussino, Paveser Zeuge) : dicit quod uidit nuncios consulum papie. uenire ad plebem. et precipere hominibus loci ut irent ad clusam ticini. et scit quod ipsi iuerunt ad ipsam clusam. et ipsemet soluit suam partem expensarum. et credit quod decem et octo anni sunt quod hoc fuit109 Nr : 53, S. 139 (Ambrogio, Sohn des Uberto Rosso, Paveser Zeuge) : dicit quod olim tempore quo clusa ticini fiebat. audiuit quod de hominibus ulmi pro comuni loci et per papiam. iuerunt ad ipsam clusam laborandum uel ad talliandas frascas. Interro[gato]. a quibus audiuit. R[espondit]. ab hominibus loci et etiam ab anselmo capitepagani et petro puluino qui ibi laborauerant pro ipso loco

Zuflucht im Kriegsfall : • Nr. 51, Nr. 124 (Giovanni de Luzano aus Mondonico, Paveser Zeuge) : tempore guerre homines montisdonnici fugiebant in terra[m] papie. et in terra[m] placencie. set maior pars fugiebat in terra[m] papie. scilicet aput rouoscallam110 et aput nigrinum111 quia ibi erant proximiores • Nr. 58, S. 193 (Girardo de Generassio, Piacentiner Zeuge) : tempore guerre dicit [quod] maior pars hominum montisdonnici fugierunt in terra[m] papie • Nr. 53, S. 139 (Ambrogio, Sohn des Uberto Rosso, Paveser Zeuge) : dicit quod tempore guerre ipse et alii homines de ulmo. et credit quod omnes fugiebant papiam cum personis et rebus

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Engstelle am Ticino. Kloster S. Sepolcro zu Pavia. Also um 1166. Rovescala, südlich von San Damiano al Colle, westlich von Borgonovo Val Tidone, Provinz Pavia. 111 Entspricht heute : San Damiano al Colle, südlich von Bosnasco, westlich von Borgonovo Val Tidone, Provinz Pavia (freundlicher Hinweis von Aldo A. Settia, vgl. Ders., Il distretto pavese, S. 138 und S. 141).

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etwa 2010/11 erscheinen ; die Teilbände 1–3 können auch online unter folgender Website eingesehen werden : http ://www.regesta-imperii.de/. Ferdinand Opll, »Potestates Placentie«. Ein Beitrag zur Geschichte der staufischen Reichsherrschaft in der Lombardei, in : Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 93 (1985), S. 31–45; in italienischer Sprache : Ders., »Potestates Placentie«. Un contributo alla storia del dominio svevo in Lombardia, in : Bollettino Storico Piacentino 1986/2, 231–241. Ferdinand Opll, Stadt und Reich im 12.Jahrhundert (1125–1190) (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, Band 6, Wien – Köln – Graz 1986). Ferdinand Opll, L’attenzione del potere per un grande transito sovraregionale : il Monte Bardone nel xii secolo, in : Quaderni storici 61, anno xxi, fasc. 1 (1986), S. 57–75. Ferdinand Opll, Divide et impera. Federico Barbarossa, Alessandria/Cesarea, Genova e Tortona, in : Giuseppe C. Bergaglio (ed.), Il Barbarossa e i suoi alleati liguri-piemontesi. Atti del Convegno storico internazionale, Gavi Palazzo Comunale 8 dicembre 1985 (Gavi 1987), S. 85–97. Ferdinand Opll, Friedrich Barbarossa und die Stadt Lodi. Stadtentwicklung im Spannungsverhältnis zwischen Reich und Städtebündnis, in : Maurer (Hg.) Kommunale Bündnisse (wie oben), S. 63–96. – Italienische Fassung : Ders., Federico Barbarossa e la città di Lodi. Evoluzione cittadina nelle tensioni tra Impero e alleanza cittadina, in : Archivio storico lodigiano 106, anno 1987 (1988), S. 5–47. Ferdinand Opll, Barbarossa in Bedrängnis. Zur uneinheitlichen Datierung eines Diploms aus dem Spätsommer 1167, in : Deutsches Archiv 43 (1987), S. 194–201. Ferdinand Opll, Le origini dell’egemonia territoriale Milanese, in : Atti dell’ 11. Congresso internazionale di studi sull’alto medioevo, Milano 26–30 ottobre 1987, Tomo I (Spoleto 1989), S. 173–195. Ferdinand Opll, Friedrich Barbarossa (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance, hg. von Peter Herde, Darmstadt 1990 ; zuletzt Darmstadt 42009). Ferdinand Opll, La politica cittadina di Federico Barbarossa nel Regnum Italicum, in : Lori Sanfilippo (ed.), Federico I Barbarossa e l’Italia (wie oben), S. 85–114. Ferdinand Opll, Leben im mittelalterlichen Wien (Wien – Köln – Weimar 1998). Ferdinand Opll, ytalica expeditio. Die Italienzüge und die Bedeutung Oberitaliens für das Reich zur Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas (1152–1190), in : Deutschland und Italien zur Stauferzeit (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst, Bd. 22, hg. von der Gesellschaft für staufische Geschichte e.V., Göppingen 2002), S. 93–130. Ferdinand Opll, Zur österreichischen Stadtgeschichtsforschung. Bilanz und Perspektiven, in : Stadt und Region. Internationale Forschungen und Perspektiven.

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Bildnachweis

Cover (Vorderseite und Rückseite) : Fotos von Ferdinand Opll (9. und 11. Juni 2009). Abb. 1–9 und 13 : Biblioteca civica »Bonetta« di Pavia, Fondo Archivio storico (Fotos von Ferdinand Opll am 9. 6. 2009 ; für die Erlaubnis zur Reproduktion danke ich Herrn Dr. Giovanni Zaffignani von der genannten Bibliothek). Abb. 10, 11–12, 14–20 und 24 : Fotos von Ferdinand Opll (10. und 11. Juni 2009) in Casale Monferrato, Pavia, Piacenza und Vigolo Marchese. Abb. 21 : Archivio notarile dei distretti riuniti Pavia – Vigevano (Via Riviera, 25, 27100 Pavia) (Foto von Ferdinand Opll [9. Juni 2009] ; für die Erlaubnis zur Reproduktion danke ich dem genannten Archiv). Abb. 22–23 : Museo d’Arte antica e Pinacoteca, Castello Sforzesco, Milano (»Ringrazio, il Comune di Milano – Settore Cultura, per la gentile concessione delle immagini« ; die Zustimmung zur Reproduktion wurde von Frau Matilde Ambrosioni, Segreteria Direzione, Settore Sviluppo Servizi Culturali – Serv. Edifici Storico-Artistici, Via Marino, 7, I-20121 Milano, per Mail am 14. 7. 2009 erteilt).

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Nach mehr als 60 Jahren wird nun erstmals eine umfassende und mehrbändige Wiener Statdtgeschichte präsentiert. Die beiden leitenden Archivare am Wiener Stadt- und Landesarchiv legen in Kooperation mit einem hochrangigen Team von Fachleuten diese neue Wiener Stadtgeschichte vor, die auf drei Bände konzipiert ist.

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WOLFR AM ZIEGLER

KÖNIG KONR AD III. (1138–1152) HOF, URKUNDEN UND POLITIK REIHE: BÖHMER, JOHANN F.: REGESTA IMPERII. BEIHEFTE, BAND 26

König Konrad III. (1138–1152), der erste Staufer auf dem Königsthron, galt der Geschichtsforschung lange Zeit als glückloser Herrscher, der neben seinen Nachfolgern verblasste. Heute urteilt man differenzierter. So betrachtet man den Grad der Einbindung der politischen Eliten in den Reichsdienst als einen wesentlichen Indikator für die Wirksamkeit hochmittelalterlicher Königsherrschaft. Dieser Band widmet sich diesem Beziehungsgefüge zwischen dem Herrscher und den übrigen politischen Akteuren an dessen Hof. Es werden Berater, Parteigänger aber auch Gegner des Königs porträtiert, sowie die geographischen Kernzonen der Königsherrschaft behandelt. Aus diesem Blickwinkel entsteht ein positiveres Bild Konrads III., das ihn als mehr als einen bloßen Wegbereiter Friedrich Barbarossas erscheinen lässt. 2008. 962 S. GB.. M. SU. 164 X 236 MM. ISBN 978-3-205-77647-5

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Der Band stellt, nach dem bewährten Muster der Abhandlung nach Ländern und Regionen Europas jeweils in Mittelalter und Früher Neuzeit, die Quellen der Spitalgeschichte in den Mittelpunkt. Für jede Region und Periode wird einleitend ein quellenkundlicher Überblick geboten. Dazu werden ausgewählte charakteristische Quellen ediert und ausführlich kommentiert. Der Band stellt einerseits einen „Quellenreader“ zur europäischen Spitalgeschichte dar; er ist andererseits eine Quellenkunde der Spitalgeschichte, die in einer großen Bandbreite von Quellentexten und -typen sowohl die regionalen Spezifika als auch die überregionalen Gemeinsamkeiten deutlich werden lässt; und er soll schließlich, gemäß dem Konzept der Publikationsreihe „Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung“ (QIÖG), die jeweils exemplarische Edition höchst unterschiedlicher Quellentexte vorführen und ihre Interpretationsmöglichkeiten demonstrieren.

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Rittertum und höfische Kultur – das sind zwei Phänomene, die sich vor allem mit der Stauferzeit verbinden. Aber die Forschung tut sich schwer damit, die Grundbegriffe zu klären. »ros, schilt, sper, hûbe unde swert/diu machent guoten ritter wert«: Diese berühmte Formulierung des mittelhochdeutschen Dichters Freidank bezeichnet nämlich nur die eine Seite der Medaille, die andere aber wird dadurch konstituiert, dass das europäische Rittertum von vornherein mit dem Dienstgedanken verbunden war und sich über die Zugehörigkeit zu einem Hof definierte. Was indes ist ein Hof? Auch diese Frage lässt sich nicht mit einem einzigen Satz beantworten, und so behandelt der vorliegende Aufsatzband nicht nur die kulturellen Aspekte der höfischen Gesellschaft, sondern lässt auch die moderne Verfassungsgeschichte zu ihrem Recht kommen. Insgesamt zehn Beiträge – von Knut Görich, Barbara Haupt, Jan Ulrich Keupp, Theo Kölzer, Johannes Laudage, Yvonne Leiverkus, Gerd Lubich, Alheydis Plassmann, Werner Rösener, Jens Ullrich und Thomas Zotz – vereinen sich so zu einer imponierenden Gesamtschau des Rittertums im Hochmittelalter. ÖÖ3ÖÖ&!2"Ö!""Ö!5&ÖÖ4!&Ö'"ÖÖ8ÖÖ--Ö )3".Ö    

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