Zeno von Verona zu heidnischer Kultur und christlicher Bildung 3161502248, 9783161502248, 9783161527005

Bärbel Dümler untersucht die Traktate des Zeno von Verona, das älteste erhaltene lateinische Predigtcorpus aus der Zeit

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Zeno von Verona zu heidnischer Kultur und christlicher Bildung
 3161502248, 9783161502248, 9783161527005

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung
A. Die Arbeit
I. Genese einer Fragestellung
II. Methodik und Aufbau
III. Technische und terminologische Anmerkungen
B. Das Material
I. Überlieferungs- und Forschungsgeschichte
II. Autorschaft und Datierung
III. Literarisches Genus, Stil, Inhalte
C. Der Kontext
I. Verona und sein Einzugsbereich
II. Die christliche Gemeinde in Verona
III. Die Situation des Heidentums
Kapitel 2: Die Bewertung heidnischer Kultur in den Tractatus Zenonis
A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität
I. Die Heiden
1. gentes
2. externus und profanus
3. sacrilegus und impius
4. carnalis, mundanus und terrenus
5. incredulus und infidelis bzw. perfidus
6. Umschreibungen
II. Heidnische Religiosität
1. religio
2. idolatria und superstitio
3. sacrilegium
4. scelus und nefas
5. reatus
6. Umschreibungen
III. Bewertung der Heiden und ihrer Religiosität
IV. Resümee: Zenos Charakterisierung der Heiden
B. Theologia civilis – heidnischer Kult
I. Primäre Kultorte
1. aedes
2. capitolia
3. saecularia
4. templum
5. fanum
6. sacrarium
II. Sekundäre Kultorte
1. theatrum
2. sepulcrum und tumulus
3. locus infamis
III. Kultbilder
1. idolum
2. simulacrum
3. statua
4. imago
5. figmenta
IV. Kultinstrumentarium
1. altare und ara
2. bustum und rogus
3. Übriges Instrumentarium
V. Kultpersonal
VI. Kulthandlungen
1. Kult-Terminologie
a) cultus
b) servitus
c) ministerium
d) ritus
e) adorare und venerari
f) imitari
2. Opfer-Terminologie
a) sacrificium
b) sacra
c) mysterium
3. Einzelne Opferhandlungen
a) immolatio
b) tura (con-)cremare und libamina profundere
c) Sonstige Riten
4. Gebet
a) preces und petere
b) votum
5. Divination und Observation
a) fibras consulere und salutem in ventribus quaerere
b) auguria captare
c) sciscitari deorum responsa
d) dies observare und Aegyptiacos de candidis facere
e) timere culpa, metuere naturam
6. Totenkult
a) mors timetur
b) plangere
c) exsequiae
d) parentalia
VII. Resümee: Zenos Kenntnis des heidnischen Kultes
C. Theologia mythica – Götter, mythologische Gestalten und der Ort ihrer Darstellung
I. Die Götter
1. deus, dea, dii
2. daemones bzw. daemonia
3. hemithei
4. inferi und superi
II. Einzelne Gottheiten
1. Iupiter, Hercules, Venus
2. Kybele und Attis
3. amor bzw. cupido
4. sol und luna
5. pudicitia und impudicitia
III. Resümee: Zenos Kenntnis und Charakterisierung der heidnischen Götter
IV. Andere mythologische Gestalten
1. Jahreszeiten
2. Phoenix
3. Bilder des Zodiakus
V. Der Ort mythologischer Darstellung
1. poetae
2. Literarische Reminiszenzen
a) aus dem Werk Vergils
b) aus dem Werk des Apuleius
c) aus den Werken des Horaz, des Ovid und des Lukan
3. ars
VI. Resümee: Zenos Verhältnis zur Mythologie
D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität
I. Philosophie
1. Namentlich genannte Philosophen
a) Epikur, Dikaiarch und Demokrit
b) Platon und die philosophi
2. Philosophische Reminiszenzen
a) aus dem Werk Ciceros
b) aus den Werken des Sallust, des Seneca und des Ovid
II. Spezielle Inhalte intellektuellen Bemühens
1. studium impugnandae sacrae legis
2. adsimulant se nosse rerum naturae secreta
3. quisquis resurrectionem negat
III. Intellektuelle und Gebildete
1. sapientes
2. ingenia
3. curiosi
4. docti
IV. Resümee: Zenos Verhältnis zur Intellektualität
Kapitel 3: Das Konzept christlicher Bildung in den Tractatus Zenonis
A. Voraussetzungen christlicher Bildung
I. secunda nativitas und infantia
II. aetheria vestis
III. lacte beatum
B. Bildungsvermittlung
I. educatione nutrire
II. doctrina formare
1. verbis instruere
2. eruditione commonere
III. magisterium
1. dei disciplina
2. divina praecepta
C. Instrumente der Bildungsvermittlung
I. sacra scriptura
1. Schriftverständnis
2. Einsatz in den Traktaten
II. exempla
1. Funktionen
a) demonstratives Beispiel
b) paränetisches Vorbild
c) autoritativ-attestierender Beleg
2. Exempelgruppen
a) aus der Natur
b) aus dem Alltag
c) aus dem Heidentum
d) aus der Schrift
e) aus der Kirchengeschichte
III. oratio
1. eloquentiae vires
2. sermo und praedicatio
D. Bildungserwerb
I. audire und videre
II. discere
1. accipere und noscere
2. discere virtutem und mores imitari
a) custodire und (ob-)servare
b) virtus
c) virtutes und mores
E. Das Ziel christlicher Bildung
I. Innerweltlich Erreichbares
1. (con-)scientia
2. sapientia
II. Das transzendente Ziel
1. immortalitas und aeterna vita
2. beatitudo und felicitas
F. Resümee: Zenos Konzept christlicher Bildung
Kapitel 4: Heidnische Kultur und christliche Bildung in den Traktaten des Zeno von Verona
Literaturverzeichnis
A. Elektronische Hilfsmittel (Datenbanken)
B. Quellen
C. Sekundärliteratur
Stellenregister
A. Biblische Schriften
B. Antike Quellen
Autorenregister
Begriffsregister

Citation preview

Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editors Christoph Markschies (Berlin) Martin Wallraff (Basel) Christian Wildberg (Princeton) Beirat/Advisory Board Peter Brown (Princeton) · Susanna Elm (Berkeley) Johannes Hahn (Münster) · Emanuela Prinzivalli (Rom) Jörg Rüpke (Erfurt)

75

Bärbel Dümler

Zeno von Verona zu heidnischer Kultur und christlicher Bildung

Mohr Siebeck

Bärbel Dümler, Studium der Katholischen Theologie, Latinistik, Christlichen Archäologie sowie Sprachen und Kulturen des Christlichen Orients in Bochum, Rom, Bonn und Tübingen; 2005 Promotion; 1989–1993 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, 2001–2006 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, 2008–2009 im Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz; 2005–2012 Lehrbeauftragte, seit 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen.

e-ISBN PDF 978-3-16-152700-5 ISBN 978-3-16-150224-8 ISSN 1436-3003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

amicis fidelibus

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004 / 2005 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet und um die bis Ende 2012 erschienene Literatur soweit möglich aktualisiert. Zu danken habe ich an erster Stelle meinem leider viel zu früh verstorbenen Doktorvater, Prof. Dr. Wilhelm Geerlings. Er hat mich gleich zu Beginn meines Studiums in Bochum für die Beschäftigung mit der Spätantike begeistert und als seine studentische Hilfskraft und spätere wissenschaftliche Mitarbeiterin stets ‚väterlich‘ gefördert. Auch während einer längeren ‚Familienpause‘ sowie angesichts der physischen Einschränkungen aufgrund einer chronischen Erkrankung nach der Promotion hat er, der für seine Ungeduld – Stichwort „Ratsch!“ – bekannt war, niemals die Geduld mit mir und dieser Arbeit verloren. Er machte mich auf Zeno von Verona als Forschungsobjekt aufmerksam und übernahm zuletzt auch die Erstellung des Erstgutachtens. Als Zweitgutachter habe ich zu danken Herrn Prof. Dr. Wilhelm Damberg, Bochum, als Drittgutachter Herrn Prof. Dr. Hans Reinhard Seeliger, Tübingen. Letzterer gewährte mir nach der langen Familienpause die Möglichkeit eines Wiedereinstiegs und der Fertigstellung der Dissertation (in 15 % der Arbeitszeit als seine Wissenschaftliche Mitarbeiterin), die er mit zahlreichen hilfreichen Hinweisen begleitete. Für ihre Förderung zu danken habe ich daneben Herrn Prof. Dr. Stephen Gerö, Tübingen, Herrn Prof. Dr. Thomas Eich, Hamburg, und Frau Prof. Dr. Dorothea Weltecke, Konstanz. Ein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Heidrun Eichner, Tübingen, die es mir gewährte, während 40 % meiner Arbeitszeit als ihre Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft die Dissertation abschließend zu überarbeiten und für den Druck fertigzustellen. Zu danken für die Geduld und die großzügige Fristverlängerung der Publikationsverpflichtung angesichts meiner Erkrankung habe ich auch der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, insbesondere dem ehemaligen Dekan, Herrn Prof. Dr. Joachim Wiemeyer, sowie dem jetzigen Dekan, Herrn Prof. Dr. Christian Frevel, und allen Mitgliedern der dortigen Promotionskommission.

VIII

Vorwort

In den langen Jahren der Entstehung und Fertigstellung der Arbeit haben zahlreiche Kollegen und Freunde mich begleitet, ermutigt und unterstützt; ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Neue Energie tanken konnte ich so manches Mal bei meinen Freunden in Armenien, Georgien und der Türkei. Stellvertretend für alle, die mich im kalten Deutschland mit viel Engagement inhaltlich und arbeitstechnisch unterstützt haben seien hier namentlich genannt: Dr. Sabine Felbecker, ehemalige Kollegin an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bochum, die ehemaligen studentischen Hilfskräfte Stefan Koopmann am Lehrstuhl Alte Kirchengeschichte in Bochum und Tinatin Khidesheli, Andreas Traut und Daniela Striegel am Lehrstuhl Alte Kirchengeschichte in Tübingen, schließlich die studentischen Hilfskräfte Maria Hönig und Gregory Rabus in der Orientalistik in Tübingen. Über die gesamte Zeit war es aber v. a. mein Ehemann Stephan Dümler, der mir von Anfang an den Rücken stärkte, mir inhaltlich immer wieder sein Ohr lieh und v. a. für alle technischen und formalen Probleme stets eine Lösung fand. Zuletzt hat er die mühsame Aufgabe übernommen, das Manuskript in eine druckfertige Form zu bringen. Finanziert wurde die Arbeit an der Dissertation zeitweilig durch ein Wiedereinstiegsstipendium aus dem Hochschulsonderprogramm II (zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses) des Landes Nordrhein-Westfalen. Auch dafür sei Dank, denn es kam v. a. einer adäquaten Betreuung unserer Tochter Christine zugute, die es über Jahre fraglos hingenommen hat, dass ihre Mutter nicht wenige Stunden sich mehr um den Veroneser Bischof als um sie kümmerte. Immerhin hat sie in der Folge und noch vor der Publikation der Arbeit ein bravouröses Latinum und ein ebensolches Abitur zustande gebracht. Zu danken habe ich schließlich Herrn Prof. Dr. Christoph Markschies, Berlin, Herrn Prof. Dr. Martin Wallraff, Basel, und Herrn Prof. Dr. Christian Wildberg, Princeton, für die Aufnahme der Arbeit in die „Studien und Texte zu Antike und Christentum“ sowie Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Herrn Matthias Spitzner vom Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, für ihre Geduld und Unterstützung bei der Drucklegung. Tübingen, im Februar 2013

Bärbel Dümler

Inhaltsverzeichnis Vorwort .............................................................................................. VII

Kapitel 1: Einleitung .....................................................................

1

A. Die Arbeit ...................................................................................... I. Genese einer Fragestellung .......................................................... II. Methodik und Aufbau .................................................................. III. Technische und terminologische Anmerkungen ...........................

1 1 6 20

B. Das Material ................................................................................... I. Überlieferungs- und Forschungsgeschichte .................................. II. Autorschaft und Datierung .......................................................... III. Literarisches Genus, Stil, Inhalte .................................................

25 25 31 37

C. Der Kontext .................................................................................... I. Verona und sein Einzugsbereich .................................................. II. Die christliche Gemeinde in Verona ............................................ III. Die Situation des Heidentums .....................................................

46 46 50 57

Kapitel 2: Die Bewertung heidnischer Kultur in den Tractatus Zenonis ........................................................................... 65 A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität .................................. I. Die Heiden .................................................................................. 1. gentes ...................................................................................... 2. externus und profanus ............................................................. 3. sacrilegus und impius .............................................................. 4. carnalis, mundanus und terrenus ............................................. 5. incredulus und infidelis bzw. perfidus ..................................... 6. Umschreibungen ...................................................................... II. Heidnische Religiosität ............................................................... 1. religio .....................................................................................

66 66 67 71 72 75 76 78 79 79

X

Inhaltsverzeichnis

2. idolatria und superstitio .......................................................... 3. sacrilegium .............................................................................. 4. scelus und nefas ...................................................................... 5. reatus ...................................................................................... 6. Umschreibungen ...................................................................... III. Bewertung der Heiden und ihrer Religiosität ............................... IV. Resümee: Zenos Charakterisierung der Heiden ............................

82 84 85 86 86 87 90

B. Theologia civilis – heidnischer Kult ............................................... I. Primäre Kultorte .......................................................................... 1. aedes ....................................................................................... 2. capitolia .................................................................................. 3. saecularia ................................................................................ 4. templum ................................................................................... 5. fanum ...................................................................................... 6. sacrarium ................................................................................ II. Sekundäre Kultorte ...................................................................... 1. theatrum .................................................................................. 2. sepulcrum und tumulus ............................................................ 3. locus infamis ........................................................................... III. Kultbilder .................................................................................... 1. idolum ..................................................................................... 2. simulacrum .............................................................................. 3. statua ...................................................................................... 4. imago ...................................................................................... 5. figmenta .................................................................................. IV. Kultinstrumentarium ................................................................... 1. altare und ara ......................................................................... 2. bustum und rogus .................................................................... 3. Übriges Instrumentarium ......................................................... V. Kultpersonal ................................................................................ VI. Kulthandlungen ........................................................................... 1. Kult-Terminologie ................................................................... a) cultus .................................................................................. b) servitus ............................................................................... c) ministerium ......................................................................... d) ritus .................................................................................... e) adorare und venerari .......................................................... f) imitari ................................................................................. 2. Opfer-Terminologie ................................................................. a) sacrificium .......................................................................... b) sacra ...................................................................................

92 93 93 94 95 96 101 102 103 103 116 117 118 118 123 125 127 128 129 130 131 133 134 138 139 139 140 142 143 144 145 150 150 154

Inhaltsverzeichnis

c) mysterium ........................................................................... 3. Einzelne Opferhandlungen ...................................................... a) immolatio ............................................................................ b) tura (con-)cremare und libamina profundere ...................... c) Sonstige Riten ..................................................................... 4. Gebet ....................................................................................... a) preces und petere ................................................................ b) votum .................................................................................. 5. Divination und Observation ..................................................... a) fibras consulere und salutem in ventribus quaerere ............ b) auguria captare .................................................................. c) sciscitari deorum responsa ................................................. d) dies observare und Aegyptiacos de candidis facere ............. e) timere culpa, metuere naturam ............................................ 6. Totenkult ................................................................................. a) mors timetur ........................................................................ b) plangere .............................................................................. c) exsequiae ............................................................................ d) parentalia ........................................................................... VII. Resümee: Zenos Kenntnis des heidnischen Kultes ....................... C. Theologia mythica – Götter, mythologische Gestalten und der Ort ihrer Darstellung ................................................................ I. Die Götter ................................................................................... 1. deus, dea, dii ........................................................................... 2. daemones bzw. daemonia ........................................................ 3. hemithei ................................................................................... 4. inferi und superi ...................................................................... II. Einzelne Gottheiten ..................................................................... 1. Iupiter, Hercules, Venus .......................................................... 2. Kybele und Attis ...................................................................... 3. amor bzw. cupido .................................................................... 4. sol und luna ............................................................................. 5. pudicitia und impudicitia ......................................................... III. Resümee: Zenos Kenntnis und Charakterisierung der heidnischen Götter ................................................................. IV. Andere mythologische Gestalten ................................................. 1. Jahreszeiten ............................................................................. 2. Phoenix ................................................................................... 3. Bilder des Zodiakus ................................................................. V. Der Ort mythologischer Darstellung ............................................ 1. poetae ......................................................................................

XI 159 162 162 167 173 176 176 178 180 181 185 190 193 196 199 200 203 208 213 219 225 225 225 227 235 244 246 246 268 276 280 286 292 295 296 301 306 311 311

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Literarische Reminiszenzen ..................................................... a) aus dem Werk Vergils ......................................................... b) aus dem Werk des Apuleius ................................................ c) aus den Werken des Horaz, des Ovid und des Lukan ........... 3. ars ........................................................................................... VI. Resümee: Zenos Verhältnis zur Mythologie ................................

313 315 320 322 324 326

D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität .................... I. Philosophie ................................................................................. 1. Namentlich genannte Philosophen ........................................... a) Epikur, Dikaiarch und Demokrit ......................................... b) Platon und die philosophi .................................................... 2. Philosophische Reminiszenzen ................................................ a) aus dem Werk Ciceros ........................................................ b) aus den Werken des Sallust, des Seneca und des Ovid ........ II. Spezielle Inhalte intellektuellen Bemühens ................................. 1. studium impugnandae sacrae legis .......................................... 2. adsimulant se nosse rerum naturae secreta ............................. 3. quisquis resurrectionem negat ................................................. III. Intellektuelle und Gebildete ......................................................... 1. sapientes ................................................................................. 2. ingenia .................................................................................... 3. curiosi ..................................................................................... 4. docti ........................................................................................ IV. Resümee: Zenos Verhältnis zur Intellektualität ...........................

330 330 330 330 330 331 331 333 334 334 344 352 366 366 370 371 381 383

Kapitel 3: Das Konzept christlicher Bildung in den Tractatus Zenonis ........................................................................... 389 A. Voraussetzungen christlicher Bildung ............................................ I. secunda nativitas und infantia ..................................................... II. aetheria vestis ............................................................................. III. lacte beatum ................................................................................

389 389 398 411

B. Bildungsvermittlung ....................................................................... I. educatione nutrire ....................................................................... II. doctrina formare ......................................................................... 1. verbis instruere ....................................................................... 2. eruditione commonere ............................................................. III. magisterium ................................................................................ 1. dei disciplina ...........................................................................

418 418 425 428 430 434 436

Inhaltsverzeichnis

XIII

2. divina praecepta ...................................................................... 438 C. Instrumente der Bildungsvermittlung .............................................. I. sacra scriptura ............................................................................ 1. Schriftverständnis .................................................................... 2. Einsatz in den Traktaten .......................................................... II. exempla ....................................................................................... 1. Funktionen .............................................................................. a) demonstratives Beispiel ...................................................... b) paränetisches Vorbild .......................................................... c) autoritativ-attestierender Beleg ........................................... 2. Exempelgruppen ...................................................................... a) aus der Natur ....................................................................... b) aus dem Alltag .................................................................... c) aus dem Heidentum ............................................................. d) aus der Schrift ..................................................................... e) aus der Kirchengeschichte ................................................... III. oratio .......................................................................................... 1. eloquentiae vires ..................................................................... 2. sermo und praedicatio .............................................................

443 444 444 454 460 462 462 464 465 471 471 472 482 488 499 503 504 511

D. Bildungserwerb .............................................................................. I. audire und videre ........................................................................ II. discere ......................................................................................... 1. accipere und noscere ............................................................... 2. discere virtutem und mores imitari .......................................... a) custodire und (ob-)servare .................................................. b) virtus ................................................................................... c) virtutes und mores ...............................................................

515 515 528 531 534 535 537 552

E. Das Ziel christlicher Bildung .......................................................... I. Innerweltlich Erreichbares ........................................................... 1. (con-)scientia .......................................................................... 2. sapientia .................................................................................. II. Das transzendente Ziel ................................................................ 1. immortalitas und aeterna vita .................................................. 2. beatitudo und felicitas .............................................................

563 563 563 570 573 573 580

F. Resümee: Zenos Konzept christlicher Bildung ............................... 587

XIV

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4: Heidnische Kultur und christliche Bildung in den Traktaten des Zeno von Verona ...................................... 595 Literaturverzeichnis ............................................................................ A. Elektronische Hilfsmittel (Datenbanken) ........................................ B. Quellen ........................................................................................... C. Sekundärliteratur ............................................................................

597 597 597 602

Stellenregister ..................................................................................... 631 Autorenregister ................................................................................... 649 Begriffsregister ................................................................................... 657

Kapitel 1

Einleitung A. Die Arbeit I. Genese einer Fragestellung Bei einer ersten, auf einen Überblick zielenden Lektüre der Traktate des Zeno von Verona wird dem Leser neben den für das 4. Jahrhundert charakteristischen theologischen und liturgiegeschichtlichen Inhalten und reichlich kulturhistorisch interessantem Material 1 von Anfang an auch die zum Teil äußerst aggressive und polemische Haltung des Predigers gegenüber ‚Andersgläubigen‘, d. h. hier Heiden, Juden und Häretikern, ins Auge fallen. Das breite Wissen Zenos über die Verhältnisse dieser Gegner, auf das er innerhalb seiner Polemik zurückzugreifen scheint, erweckt den Eindruck, unser heutiges Wissen über im weitesten Sinne religionsgeschichtliche Zusammenhänge im spätantiken Oberitalien auch in Detailfragen erhellen zu können. Es stellt sich die Frage, ob eine genauere Untersuchung dieser Polemik möglicherweise Erkenntnisse auf sozialhistorischem Gebiet liefern könnte, etwa in der Frage, wie hoch der Anteil der Heiden, Juden und bestimmter christlich-häretischer Gruppen an der Gesamtbevölkerung Oberitaliens bzw. Veronas im 4. Jahrhundert gewesen sein oder welche ökonomischen oder sozialen Folgen die Verbreitung des Christentums in diesem Raum gehabt haben könnte.2 Oder aus einer gewisserma1 Eine auswählende Zusammenstellung und Auswertung bei N. T AMASSIA, Postille storiche e giuridiche alle opere di Zenone vescovo di Verona, in: Studi storici e giuridici dedicati ed offerti a Federico Ciccaglione nella ricorrenza del XXV anniversario del suo insegnamento, Bd. I, Catania 1909, 1–14. 2 Eine ähnliche Untersuchung wurde bereits vorgenommen von R. LIZZI, Vescovi e strutture ecclesiastiche nella città tardoantica. L’Italia Annonaria nel IV-V secolo d. C., Biblioteca di Athenaeum 9, Como 1989 (zusammenfassend auch dies., Ambrose’s Contemporaries and the Christianization of Northern Italy, JRSt 80, 1990, 156–173) anhand der Schriften des Vigilius von Trient, Gaudentius von Brescia, Chromatius von Aquileia und Maximus von Turin unter ausdrücklicher Ausklammerung Zenos; zum sozialgeschichtlichen Anliegen der Arbeit besonders R. LIZZI, Vescovi, 9.11; Lizzi klammert Zeno aufgrund der unsicheren Datierung der Traktate weitgehend aus ihrer Untersuchung aus; s. ebd., 10, Anm. 8, Ausnahmen ebd., 53.128f.; vgl. auch die Nennung Zenos im Register ebd., 255. Die Begründung überzeugt jedoch nicht, da auch eine nur grobe zeitliche Einordnung Zenos den Rahmen der Untersuchung Lizzis nicht sprengt, Lizzi selbst

2

1. Kapitel: Einleitung

ßen entgegengesetzten Perspektive formuliert: Könnte eine solche genauere Untersuchung der Traktate einen Baustein zu einer Geschichte der christlichen Missionierung Oberitaliens abgeben,3 da ja gerade das Heidentum, eingeschränkter das Judentum und in nachkonstantinischer Zeit aufgrund der Bestrebungen der nunmehr christlichen Kaiser nach einer Einheitlichkeit der Reichsreligion dann auch Häretiker Adressaten christlicher Missionsbemühungen oder auch entsprechender Polemik gewesen sein dürften? Bis heute hat das Werk von Harnacks „Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten“ 4 als Standardwerk der es gar für möglich hält, dass sich der Episkopat Zenos mit dem des Ambrosius von Mailand noch überschnitten haben könnte – s. ebd., 10, Anm. 8; vgl. auch Y.-M. DUVAL, L’originalité du De virginibus dans le mouvement ascétique occidental. Ambroise, Cyprien, Athanase, in: Ambroise de Milan. XVI e centenaire de son élection, hg. v. Y.-M. Duval, Paris 1974, 9–66, hier: 62–64, der eine Überschneidung der Amtszeiten der beiden Bischöfe Ambrosius und Zeno durchaus für möglich hält – und Zeno damit, wie die Verfasser der von Lizzi untersuchten Texte, eben doch ein „contemporary“ des Ambrosius gewesen sein könnte. – Eine weitere „social history“ Gesamt-Oberitaliens von den Anfängen des Christentums bis zum Ende des 4. Jahrhunderts wurde vorgelegt von M. HUMPHRIES, Communities of the Blesses. Social Environment and Religious Change in Northern Italy, AD 200–400, Oxford 1999 (Zitat ebd., vii; zur zeitlichen Eingrenzung s. ebd., 1). Ziel der Arbeit ist es „to liberate that history from the conventional models of ecclesiastical narrative, by demonstrating the unreliability of many of the traditional sources and by constructing a new methodology which locates the development of the Church in the context of what will be termed the north Italian human environment. In other words, it is an attempt to understand the growth of Christianity in the social and cultural context of a region of the Roman empire“; ebd., 1. Anders als Lizzi berücksichtigt diese Studie Zeno, die Ergebnisse, die aus den zenonischen Traktaten abgeleitet werden, sind aber eher bescheiden; die Traktate werden v. a. herangezogen zur Beschreibung der liturgischen Funktion des Bischofs, s. ebd., 161–163, sowie zu Fragen der Auseinandersetzung mit Heidentum und Judentum, s. ebd., 187.209–213. Diese Ergebnisse bestätigten die zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits für die vorliegende Untersuchung getroffene Feststellung, dass die zenonischen Traktate keine verwertbaren Ergebnisse für eine sozial-historische Fra-gestellung liefern würden. Sofern sich die Ergebnisse Humphries’ mit Fragen der vorliegenden Arbeit berühren, wird dies im Folgenden angemerkt. 3 So schon K. B AUS, Erwägungen zu einer zukünftigen „Geschichte der christlichen Mission in der Spätantike“ (4.-6.Jh.), in: Reformata Reformanda. FS H. Jedin, Bd. I, hg. v. E. Iserloh u. K. Repgen, Münster 1965, 22–38, hier: 35, der Zeno neben anderen Oberitalienern zu den „missionsfreudigen und missionarisch aktiven Bischöfe[n]“ zählt, „deren Predigten manch missionsgeschichtliche Hinweise enthalten.“ Auch L. P ADOVESE , L’originalità cristiana. Il pensiero etico-sociale di alcuni vescovi norditaliani del IV secolo, SRIFS 8, Rom 1983, 19, geht in einem speziell den zenonischen Traktaten gewidmeten Teil seiner Arbeit noch aus von einem „adattamento ad un ambiente prevalentemente rurale ancora paganeggiante“. 4 A. VON HARNACK, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 2 Bde., Leipzig 41924, Repr. Wiesbaden o. J. (ca. 1980).

A. Die Arbeit

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Missionsgeschichte zu gelten, es beschränkt sich allerdings, wie bereits aus dem Titel hervorgeht, auf die vorkonstantinische Zeit und hat trotz der schon 1965 veröffentlichten „Erwägungen zu einer künftigen ‚Geschichte der christlichen Mission in der Spätantike‘ (4.–6. Jh.)“ von Baus noch immer keine adäquate Fortsetzung gefunden. Als Grund für ein solches Fehlen merkte bereits Baus ein Defizit an Einzeluntersuchungen an. 5 Die Überlegung, eine solche Einzeluntersuchung für Verona anhand der zenonischen Traktate zu erarbeiten, musste auf Grund des scheinbar reichen Materials reizvoll erscheinen. Das Vorhandensein wenn auch kürzerer Einzeluntersuchungen zur Behandlung von Judentum 6 und Häresien 7 in den zenonischen Traktaten legte eine Beschränkung auf die Heidenpolemik nahe.8 Allerdings erwies sich bei der Untersuchung der Heidenpole5

S. K. B AUS, Erwägungen, 32f.; vgl. auch N. B ROX, Zur christlichen Mission in der Spätantike, in: Mission im Neuen Testament, hg. v. K. Kertelge, Freiburg 1982, 190– 237, hier: 190. 6 R. KAMPLING, Die Darstellung der Juden und das Judentum in den Predigten des Zeno von Verona, Kairos 26, 1984, 16–27, der im übrigen ein ähnliches Ergebnis für die Behandlung des Judentums in den zenonischen Traktaten erzielt wie es die Untersuchung der Auseinandersetzung mit dem Heidentum als Teilergebnis erbringen wird; R. KAMPLING, Juden, 23, schreibt: „Zeno sieht in den Juden und ihrem Geschick Mahnungen an die Christen, sich recht zu verhalten. Die Juden bieten ein Negativ-Beispiel, aus dem der Christ zu lernen vermag … diese Funktionsbestimmung der Juden, nämlich als Negativ-Beispiel zu fungieren, kann nur dann erfolgreich sein, wenn man die Juden gleichsam zu Schreckgestalten stilisiert“. Den nicht positiven, aber doch positiveren Aspekt der Substitution des Judentums durch die ecclesia ex circumcisione, die Zeno durchaus auch kennt, s. etwa I 37,3 und I 38,2, vernachlässigt Kampling leider. Zur Judenpolemik in den zenonischen Traktaten s. auch I. OPELT, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, BKAW 63, Heidelberg 1980, 111–116; H. SCHRECKENBERG, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (1.–11. Jh.), EHS.T 172, Frankfurt am Main / Berlin 4 1999, 281–283; A. B IGELMAIR, Zeno von Verona, Münster 1904, 146–149; C. T RUZZI, Zeno, Gaudenzio e Cromazio. Testi e contenuti della predicazione cristiana per le chiese di Verona, Brescia e Aquileia (360–410 ca.), TRSR 22, Brescia 1985, 165. 7 L. P ADOVESE, Eresia e verità nel pensiero di Zeno da Verona, Laur. 22, 1981, 477– 485; R. ROSINI, Il primato di Christo secondo S. Zeno vescovo di Verona, StPat 10, 1963, 3–36; auch A. B IGELMAIR, Zeno, 149–151; M. STEPANICH, The Christology of Zeno of Verona, SST 2. Ser. 9, Washington, DC 1948, 35–59; G. SGREVA, La teologia di Zenone di Verona. Contributo per la conoscenza dello sviluppo del pensiero teologico nel nord Italia (360–380), Esperienze e analisi 7, Vicenza 1989, 41–164.408–410; C. T RUZZI, Zeno, 127–142.168–170. 8 Es fällt auf, dass gerade in jüngerer Zeit in Veröffentlichungen zum 4. Jahrhundert die Aufmerksamkeit stärker auf die Auseinandersetzung der Väter mit dem Judentum und den Häretikern gelenkt wird, während die Auseinandersetzung mit dem Heidentum nur am Rande gestreift wird. S. etwa Poinsotte, der in dem Sammelband J.-M. P OINSOTTE / U NIVERSITE DE ROUEN (Hgg.), Les chrétiens face à leurs adversaires dans l’Occident latin au IVe siècle. Actes des journées d’études du GRAC Rouen, 25 avril 1997 et 28

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1. Kapitel: Einleitung

mik Zenos schnell, dass das von ihm bezüglich des Heidentums präsentierte Wissen ein nur sehr vordergründiges ist, was zu der Vermutung Anlass gab, dass der Befund an sozialhistorisch verwertbaren Informationen, wie sie Rita Lizzi für andere Gebiete Oberitaliens vorlegen konnte, 9 eher gering ausfallen würde.10 Auch der Vergleich der Auswahl heidnischer Inhalte, die Zeno einer Kritik unterzieht, mit dem aller Wahrscheinlichkeit nach real im 4. Jahrhundert in Verona und Umgebung Anzutreffenden deutete in die gleiche Richtung: Mit aktiver heidnischer Kult-Realität im Umfeld der christlichen Gemeinde Veronas scheint die Auseinandersetzung Zenos nur am Rande zu tun zu haben.11 Mit dieser Einsicht stellte sich nun die Frage ganz neu: Wenn das Wissen Zenos über das Heidentum vordergründig, in Teilen sogar inkorrekt ist, wie erklärt sich dann sein starkes Interesse oder vielmehr sein häufiges Rekurrieren auf Heidentum, heidnischen Kult, heidnische Kultur, wie die spezifische Auswahl einzelner Elemente und ihre Behandlung? Welche Funktion hat die vordergründige Auseinandersetzung mit dem Heidentum in den Traktaten, die sich – das zeigt die Lektüre – fast ausschließlich 12 an ein schon christliches Publikum wendet? avril 2000, Rouen 2001, im Kapitel „Chrétiens et Juifs“ sechs Beiträge, im Kapitel „Chrétiens et Hérétiques“ fünf Beiträge, im vorangestellten Kapitel „Chrétiens et Païens“ jedoch nur einen Beitrag abdruckt. 9 S. o. S. 1, Anm. 2. 10 S. o. S. 1, Anm. 2 zu Humphries. – Möglicherweise ist für das bis heute bestehende Defizit an Einzeluntersuchungen auch darin ein Grund zu sehen, dass die für eine Missionsgeschichte der Spätantike in Frage kommenden Quellen häufig keine oder nur geringe Auskunft geben zu den von der Missionsgeschichte an sie gerichteten Fragen. 11 Diese Widersprüchlichkeit scheinbar reichen Materials zum Heidentum in den zenonischen Traktaten und der daraus abgeleiteten Bedeutsamkeit eines noch aktiven Heidentums neben einer eher kleinen, jedoch unter ihrem Bischof Zeno stetig anwachsenden christlichen Gemeinde einerseits und den archäologischen Belegen für ein längst im Untergang begriffenes Heidentum andererseits bleibt auch in der Arbeit von M. HUMPHRIES, vgl. ebd., 187.209f., nahezu unvermittelt bestehen; Humphries versucht den Widerspruch aufzulösen mit der Hypothese eines bereits untergegangenen paganen Staatskultes, der jedoch von privat finanzierten Kulten abgelöst worden sei. Einen Hinweis auf solche „privately funded cults“, ebd., 210, findet sich in den zenonischen Traktaten jedoch nirgends. Es erstaunt, dass der Autor trotz der Wahrnehmung des Widerspruchs nicht in Erwägung zieht, sein Ergebnis zur Judenpolemik Zenos auf die Heidenpolemik zu übertragen; ebd., 213, schreibt er: „In the absence of explicit evidence of actual conflict between Jews and Christians in fourth-century Verona, it is hard to see the use of the Jews here as anything other than a ‘hermeneutical device …’ … To put it another way, Zeno is emphasizing the damnation of the Jews to impress upon his congregation their special relationship with God.“ 12 S. jedoch II 7,11: „Non enim video, quid in exhortationibus … gentibus praedicem.“

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In der Forschungen zu einer Missionsgeschichte der Spätantike hat man beobachtet, dass die Quellen interessanterweise keine Missionstheorie der Väter kennen. Gründe für dieses auffällige Schweigen werden zum einen darin gesehen, dass Mission und Bekehrung von den Vätern als die Sache Gottes selbst verstanden wurden bzw. dass die Aufgabe der Mission im eigentlichen Sinne von den Aposteln erfüllt worden sei. Die Erfahrung, dass es noch Nicht-Christen gab, wurde geradezu zur Bestätigung eines eschatologischen Vorbehaltes. In diesem Zusammenhang unterschied man erstmals zwischen Mission der Welt und Bekehrung Einzelner. Letzteres musste notwendig ein unabgeschlossener Prozess bleiben. U. a. diese Unterscheidung führte zu einer Intensivierung der ‚inneren Mission‘ innerhalb der schon formal zum Christentum gehörenden Gemeinden: Nicht auf die Quantität der Bekehrten, sondern auf ihre persönliche Heiligkeit sollte es ankommen.13 Eine Praxis der Verbreitung des christlichen Glaubens ergab sich jeweils aus den Umständen, so dass die Missionsträger wechselten, angefangen bei professionellen Wanderpredigern, die an neutestamentliche Traditionen anknüpften, über die frühchristlichen Apologeten, die in schriftlicher Form den neuen Glauben mit dem Ziel seiner Verteidigung bekannter machten, und schließlich auch von Christen eingerichtete philosophische Schulen.14 Den Hauptanteil an der Missionierung hatten aber eher Privatleute, die – selbst Christen – in ihrer näheren Umgebung und als Reisende im ganzen Römischen Reich den neuen Glauben verbreiteten. Kaufleute, Soldaten, Auswanderer, Gefangene und Sklaven trugen zur extensiven Verbreitung des Christentums bei.15 In den so entstehenden christlichen Gemeinden bestand nun die Aufgabe des Klerus darin, die populären und oft problematischen Versionen der Glaubensweitergabe zu korrigieren oder vertiefend weiterzuführen.16 Da fast ausschließlich diese spezifische und eingeschränkte Form der Missionsarbeit durch Kleriker in den Quellen belegt ist, wundert es nicht, wenn die Bischöfe der Spätantike dann doch als „die eigentlichen Träger und unermüdlichen Prediger des Missionsgedankens“ tituliert werden.17 Dies trifft aber vorwiegend auf den Bereich einer inneren Missionierung zu.

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S. N. B ROX, Mission, 192–215; A. SEUMOIS, L’implantation d’églises particulières ou l’idée de mission chez les Pères grecs, in: Novella Ecclesia Germina. Growing Churches as a Task and a Problem of the Contemporary Missionary Situation, hg. v. G. A. C. van Winzen, G. J. F. Bouritius u. J. Buys, Nimwegen / Utrecht 1963, 13–23; ders., L’implantation d’églises particulières ou l’idée de mission chez les Péres latines, NZM 20, 1964, 81–88; vgl. auch A. B IGELMAIR, Der Missionsgedanke bei den vorkonstantinischen Vätern, ZMR 4, 1914, 264–277; E. MOLLAND, Besaß die alte Kirche ein Missionsprogramm oder bewußte Missionsmethoden?, in: Die alte Kirche, hg. v. H. Frohnes u. U. W. Knorr, München 1974; H.-I. MARROU, L’expansion dans l’Empire Romain et hors de l’Empire au cours des cinq premiers siècles, in: Histoire universelle des missions catholiques, Bd. I, hg. v. S. Delacroix, Paris 1956, 33–62, hier: 48f. 14 Vgl. U. NEYMEYR, Die christlichen Lehrer im zweiten Jahrhundert. Ihre Lehrtätigkeit, ihr Selbstverständnis und ihre Geschichte, SVigChr 4, Leiden u. a. 1989, der ebd., 8, christliche Wanderlehrer, lehrende Amtsträger und im Gemeindeauftrag tätige Katecheten sowie (eigentliche) christliche Lehrer unterscheidet. Häufig waren die (eigentlichen) Lehrer gleichzeitig schriftstellerisch, etwa als Apologeten tätig, wie das Beispiel Justins zeigt; s. ebd., 25. 15 S. N B ROX, Mission, 216–226. 16 S. K. B AUS, Erwägungen, 35. 17 Ebd.

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1. Kapitel: Einleitung

Genau an dieser Stelle ist auch die Bedeutung der Katechese Zenos von Verona im Allgemeinen und die enthaltene Auseinandersetzung mit dem Heidentum im Besonderen anzusetzen. Warum Zeno gerade die Auseinandersetzung mit anderen zu einem bestimmenden Mittel seiner ‚inneren Missionierung‘ macht, wie er dieses Mittel einsetzt und welche Konsequenzen dies auf Seiten seiner christlichen Hörer nach sich ziehen soll, dies sind die leitenden Fragen der Untersuchung der zenonischen Traktate. II. Methodik und Aufbau Die Rede von einer an äußere Mission anknüpfenden ‚inneren Mission‘ verweist darauf, dass Bekehrung als Ziel von Mission kein einmaliger, auf einen bestimmten Zeitpunkt einzugrenzender Akt ist, wenn sich Bekehrung christlich auch in einem solchen Akt, der Taufe, manifestiert. Bekehrung ist ein Prozess, zunächst ein Prozess, der zur Taufe führt. Wohl prominentestes Exempel für das Durchlaufen eines solchen Prozesses ist Augustinus, innerhalb seines Bekehrungsprozesses lassen sich mehrere Schritte, gestaffelte ‚Bekehrungen‘, wenn man so will, deutlich differenzieren.18 Sie münden in den Akt der Taufe; aber auch nach der Taufe lassen sich weitere ‚Bekehrungen‘ im Leben Augustins aufzeigen. 19 Der Prozess der Christwerdung ist, das zeigen die paränetischen Predigten der Kirchenväter, mit der Taufe nicht abgeschlossen, Christ-Sein heißt auch Immer-mehr-Christ-Werden.20 Dieser Prozess der Bekehrung ist häufig ein von anderen ausgelöster und in aller Regel auch begleiteter, selbst wenn die anderen, wie im Falle Augustins, sich über Bücher mitteilen. Wenn demnach „Bekehrung durch Belehrung“ stattfindet, wie dies für Augustin nachgewiesen ist, 21 dann ist Belehrung auch nach der Taufe fortzusetzen. Im kirchlichen Raum ge18

Vgl. W. GEERLINGS, Bekehrung durch Belehrung. Zur 1600. Jahrfeier der Bekehrung Augustins, ThQ 167, 1987, 195–208. Ebd., 196, spricht auch er von Bekehrung als Prozess, den er für Augustin im Folgenden an mehreren „Bekehrungen“ aufzeigt. 19 S. ebd., 208: „Es ist dies eine Entwicklung, die mit Paulus dann nach 386 noch weitergeht.“ Vgl. G. MADEC, Art. Conversio, AugL I, 1986–1994, 1282–1294, hier: 1289–1291, der weitere Schritte einer „évolution“ auf einem „long itinéraire“ benennen kann, jedoch die Rede von mehreren Bekehrungen dafür verwirft. 20 Vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum. Studien zur Christologie und Christusverkündigung Augustins, TTS 13, Mainz 1978, 221: „Insofern in ihr die Vergebung der Sünden stattfindet, ist die Taufe Beginn des neuen Lebens. Dieses neue Leben aber wird nicht einfach punktuell geschaffen und dauert an, sondern das der Taufe sich anschließende neue Leben ist ein Prozeß der Angleichung an das Bild Gottes.“ Ob die Sentenz, T ERT. apol. 18,4 (CChr.SL 1,118,18 Dekkers): „fiunt, non nascuntur Christiani“ bereits so zu verstehen ist, ist eine Frage der Interpretation; vgl. E. B ICKEL, Fiunt, non nascuntur Christiani, in: Pisciculi. FS F. J. Dölger, hg. v. T. Klauser, Münster 1939, 54–61. 21 S. W. GEERLINGS, Bekehrung.

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schieht solche den Prozess der Bekehrung begleitende Belehrung mittels der Predigt, präbaptismal innerhalb des Katechumenats, postbaptismal im Gemeindegottesdienst.22 Belehrung vollzieht sich also – schriftlich wie mündlich – mittels des Wortes. Wenn christliche Bekehrung gleichzeitig nicht nur die Person des Bekehrten an sich, sondern auch dessen Lebensumstände betrifft, eine „Änderung des Lebens“ 23 impliziert, weil Bekehrung „neue Wertentdeckung“ 24 ist, dann ist auch mit einer conversio, einer Verwandlung 25 bzw. einem „changement“ 26 dieser Lebensumstände zu rechnen.27 Auch dazu bedarf es der Anleitung, wie sie in der Paränese der frühchristlichen und spätantiken Prediger vor Augen geführt wird. Wird eine Gruppe von Bekehrten schließlich so groß und einflussreich, dass sie die gesellschaftlichen Verhältnisse mitbestimmt, dann kann man gar von der „Conversion einer … Kultur“ 28 sprechen. Wie sich eine solche Konversion der Kultur gestaltet, in welchem Maße sie Umwandlung (conversio) der Vorgängerkultur mittels Adaption und Umdeutung, ÷ñyóéò) bzw. usus iustus,29 ist oder Abkehr (aversio) 30 von derselben und Hinwen22 J. SCHMITZ (Hg.), Ambrosius. De Sacramentis, De Mysteriis, FC 3, Freiburg u. a. 1990, 17.21f., thematisiert jedoch die Frage, ob über eine Einführungskatechese hinaus die Belehrung der Katechumenen auch außerhalb des Gottesdienstes stattfand oder angesichts eines häufig über Jahre und Jahrzehnte hingezogenen Katechumenats nicht einfach in der Predigt im Wortgottesdienst bestand. – Auch für zenonischen Traktate, insbesondere die Tauftraktate, lässt sich die Frage häufig nicht beantworten, an welcher Stelle – lokal wie inhaltlich – sie gehalten wurden. 23 W. GEERLINGS, Bekehrung, 196. 24 Ebd., 208. 25 S. K. E. u. H. GEORGES, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., Leipzig 81913, Repr. Darmstadt 1985, I, 1663. 26 Vgl. G. MADEC, Conversio, 1282. 27 B. STUDER, Die patristische Exegese, eine Aktualisierung der Heiligen Schrift. Zur hermeneutischen Problematik der frühchristlichen Bibelauslegung, in: ders., Mysterium caritatis. Studien zur Exegese und zur Trinitätslehre in der Alten Kirche, Rom 1999, 97– 127, hier: 120, spricht von einer „Konversion der Werte“. 28 Vgl. C. GNILKA, Kultur und Conversion, XPHΣIΣ. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur 2, Basel 1993, 95; auch B. STUDER, Schola christiana. Die Theologie zwischen Nizäa (325) und Chalzedon (451), Paderborn u. a. 1998, 31: „der heute oft verwendete Begriff der Inkulturation [muss] mit Umsicht verwendet werden … Vielleicht ist es sogar besser, auf diesen Begriff zu verzichten und von ,conversion‘ [sic] zu sprechen“. 29 C. GNILKA, Der Begriff des „rechten Gebrauchs“, XPHΣIΣ. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur 1, Basel / Stuttgart 1984, und ders., Kultur, passim. 30 Vgl. G. MADEC, Conversio, 1286; vgl. auch den Terminus „Ablösungsprozess“ bezogen auf den einzelnen Konvertiten, nämlich Augustin, bei W. GEERLINGS, Bekehrung, 202.

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1. Kapitel: Einleitung

dung – auch das bedeutet conversio31 – zu etwas Neuem, dann möglicherweise „Conversion der Bildung auf Gott hin“, 32 daraufhin sind die Quellen zu befragen, und im Falle von schriftlichen Quellen eben Texte. usus iustus oder aber aversio, unabhängig davon, ob sie eigens thematisiert werden oder nicht, und ebenso unabhängig davon, ob sie inhaltliche oder bloß sprachliche Übernahme oder Verwerfung sind, werden greifbar in Begriffen und Terminologien. Fragt man also nach Bekehrung und gar nach Konversion der Kultur, ist zuerst zu fragen, ob sich so etwas wie eine ‚Bekehrung der Begriffe‘ ausmachen lässt und in welcher Form, in umdeutender Übernahme oder ersetzender Verwerfung, sie stattfindet. Da in den hier zu untersuchenden Traktaten Zeno offenbar weniger als Bekehrung auslösender Missionar, denn als ‚innere Mission‘ Betreibender, als begleitende Belehrung in der Predigt Vermittelnder zu greifen ist, werden auch in dieser Untersuchung die Fragen zur Auseinandersetzung Zenos mit dem Heidentum und zur sich in der Konsequenz ergebenden zenonischen Konzeption christlicher Bildung zunächst rein philologisch an den Text herangetragen; d. h. ein gesicherter, möglichst umfassender inhaltlicher Befund wird über den Wortbefund und die Auswertung einzelner sich als zentral erweisender Terminologien erarbeitet. Ähnliches war schon 1980 33 von Ilona Opelt in ihrer Arbeit „Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin“ vorgelegt worden. Opelt untersucht das Werk Tertullians, die christliche lateinische Prosaliteratur bis zum Anfang des 5. Jahrhunderts sowie die lateinische Dichtung bezüglich der anzutreffenden Heiden-, Juden- und Häretikerpolemik. 34 Allerdings arbeitet sie, wie sie selbst sagt, „im

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Vgl. G. MADEC, Conversio, 1286. C. GNILKA, Kultur, 102, spricht von einer „Conversion der Bildung auf Gott hin“ als „Wendung gegen die ,Welt‘ “. Vgl. auch W. GEERLINGS, Alt und Neu. Kategorien zur Beschreibung des historischen Übergangs, in: Tradition und Innovation. Denkanstöße für Kirche und Theologie. FS H. J. Pottmeyer, hg. v. W. Geerlings u. J. Meyer zu Schlochtern, Paderborn u. a. 2003, 57–61, hier: 60f.: „Wenn der Fortschritt theologisch mit dem Kommen Christi definiert ist, dann ergibt sich automatisch auch die Anfrage, ob über den heilsgeschichtlichen Fortschritt hinaus das Christentum auch einen kulturellen Fortschritt bringe. Auf dem Hintergrund des römischen Geschichtsdenkens, das an den Anfang ein goldenes Zeitalter setzte, von dem die Menschheit sich in permanenter Abwärtsbewegung entfernte, setzt das Christentum mit der Bibel und der biblischen Tradition die christliche Auffassung von der Höherentwicklung, eine Fortschrittstheorie.“ 33 Nachdem im gleichen Jahr von P. STOCKMEIER, Christlicher Glaube und antike Religiosität, in: ders., Glaube und Kultur. Studien zur Begegnung von Christentum und Antike, Düsseldorf 1983, 60–105, hier: 66, Anm. 21, noch ein Mangel an historischphilologischen Einzeluntersuchungen, „die den eigentümlichen Unterschied von christlichem Glauben und antiker Religiosität ins Licht rücken“, bemerkt worden war. 34 Zeno wird trotz angeblicher „Totalexzerption der literarischen Denkmäler von den Anfängen bis rund 430 nach Christus“, ebd., 208, interessanterweise nur im Punkt der Judenpolemik gestreift; s. ebd., 111.113.115f.218. 32

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wesentlichen deskriptiv“ 35 und beschränkt ihre Untersuchung auf die sprachliche Ebene; die Schlüsse, die sie aus den Wortbefunden zieht, beziehen sich ausschließlich auf die Literaturgeschichte und die Sprachentwicklung.36 Auf weitere Deutungen über eine solch sprachlich-philologische Interpretation hinaus, etwa zur Klärung der hinter der Polemik stehenden Intention, verzichtet Opelt gänzlich.

Die Untersuchung der Auseinandersetzung mit dem Heidentum und der Bildungskonzeption Zenos geht einen Schritt weiter. Mittels der Erstellung von Wortfeldern wird zunächst ganz ähnlich wie in der Opelt’schen Arbeit 37 der Wortbefund gesichtet; dies allerdings im Unterschied zu Opelt nicht allein auf dem Feld der Polemik; von Interesse sind durchaus auch ‚neutrale‘ Terminologien, die Rückschlüsse auf die zenonischen Kenntnisse des Heidentums zulassen. Vom Wortbefund geht auch der zweite Teil der Untersuchung zum Bildungskonzept aus. Darüber hinaus werden die Befunde begriffsgeschichtlich, motivgeschichtlich oder ideengeschichtlich eingeordnet und interpretiert. Bei der historischen Einordnung des Wortbefundes spielen Fragen wie die nach den Kenntnissen Zenos zum Heidentum, nach seiner Auswahl attackierter Elemente, nach Gründen für diese Auswahl, nach dem Kontext und nach der Intention der Polemik eine Rolle, im zweiten Teil dann Fragen nach den Grundlagen und Bestandteilen christlicher Bildung in Abgrenzung gegenüber heidnischer Kultur und auch gegenüber Konzeptionen anderer christlicher Autoren. Aufgrund einer nur ungefähren Datierung der Traktate 38 auf der einen Seite und den ebenso unsicheren Daten herangezogener extratextueller Zeugnisse (wie der archäologischen Befunde zu Verona und Umgebung 39) auf der anderen Seite kann eben diesen Daten bei der Deutung des Befundes in den zenonischen Traktaten lediglich relative Wertigkeit zukommen; sie können nur als grober interpretatorischer Rahmen zur Untermauerung eindeutiger Befunde im Text herangezogen werden. Von größerer Bedeutung ist die literaturgeschichtliche Einordnung (auch des Wortbefundes, aber) v. a. des inhaltlichen Wie und Warum zenonischer Argumentation: In wessen Nachfolge steht er (sprachlich und inhaltlich), wie weit löst er sich davon, worin besteht seine Eigenleistung und was bereitet er möglicherweise damit vor? 35

Ebd., 208. S. ebd., 208–269. Das Kapitel „D Ergebnisse für Literaturgeschichte und Sprachentwicklung“ ist unterteilt in „I. Die Leistung der einzelnen Autoren“ (208–229) und „II. Der polemische Wortschatz der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin“ (229–269). 37 S. ebd., 208: „durch Deskription erkannte Strukturierung von Wortfeldern“. 38 Dazu s. u. S. 36. 39 Vgl. u. S. 51–54. 36

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1. Kapitel: Einleitung

Der Aufbau der Arbeit entwickelte sich mit der Arbeit am Text und der Deutung des jeweiligen Befundes gewissermaßen zwangsläufig: Nach einleitenden Ausführungen zu den zenonischen Traktaten als Material der Untersuchung und dem lokalen und historischen Kontext, in welchen die Ergebnisse der Untersuchung einzuordnen sind, wird im ersten Teil der Arbeit zunächst der Befund der zenonischen Einschätzung des Heidentums und seiner Religiosität im Allgemeinen erstellt. Die weitere Untersuchung folgt dem beinahe zwangsläufig bei der Arbeit sich entwickelnden (stoischen) Schema der so genannten Theologia tripartita, 40 wenn Zeno selbst es auch in den Traktaten nicht eigens thematisiert: Aus dem Bereich der Theologia mythica wird der Befund zu den in den zenonischen Traktaten erwähnten Göttern und mythologischen Gestalten und ihre Wertung durch Zeno dargestellt, dann aber auch Zenos Verhältnis zu dem, was man heute zusammenfassend als Kunst bezeichnet, da nach antiker Auffassung der ursprüngliche Ort von ‚Theologie‘ – dem ‚Reden von den Göttern‘ – Mythos, Dichtung und bildende Kunst waren.41 Dem Schema entsprechend der Theologia civilis zugeordnet schließt sich eine ebensolche Untersu40 Die Terminologie Theologia tripartita oder auch tripertita mit der Unterscheidung Theologia mythica, civilis und naturalis ist antik nicht belegt, es handelt sich dabei um eine „wohl erst m[ittel]a[lterliche] od[er] neuzeitl[iche] Bez[eichnung] eines heidnischantiken Denkschemas“, das, in seiner terminologischen Differenzierung auf Varro zurückgehend, „als grobes, doch authent[isches] Modell der Selbstbeschreibung der griechisch-röm[ischen] Religion gelten“ kann, so R. KANY, Art. Theologia tripertita, LThK3 IX, 2000, 1434f, hier: 1434; V ARRO Antiquitates rerum divinarum 23 (14 Condemi) unterscheidet drei genera theologiae: das genus mythicum, das genus physicum und das genus civile; AUG. civ. 6,12 (CChr.SL 47,184,1–3 Dombart / Kalb) dagegen spricht von „tres theologias, quas Graeci dicunt mythicen physicen politicen, Latine autem dici possunt fabulosa naturalis civilis“; s. auch B. STUDER, Schola, 33. Diesem Schema folgten ganz bewusst auch Kritiker heidnischer Religion; R. KANY, ebd., nennt Philon, Tertullian und Augustinus, K. SALLMANN, Art. Varro (2), DNP XII / 1, 2002, 1130–1144, hier: 1132, außerdem Laktanz, B. STUDER, Schola, 33, führt aus dem griechischen Bereich noch Eusebius, Athanasius und Basilius an; zur Auseinandersetzung des Christentums mit diesem Schema zuletzt W. GEERLINGS (Hg.), Theologen der christlichen Antike. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 8: „Das religiöse Phänomen – Denken wie Praxis – wird mit dieser theologia tripartita zutreffend umschrieben. Dieses Schema der theologia tripartita war offensichtlich so eingängig, dass die christliche Kirche zur eigenen Standortbestimmung aufgerufen war.“ J. RÜPKE, Varro’s Tria Genera Theologiae. Religious Thinking in the Late Republic, Ordia Prima 4, 2005, 14f.107–129, hier: 107, spricht davon, dass Varro eine für die Schriftsteller der römischen Kaiserzeit wie auch für die christlichen Apologeten ‚kanonische Beschreibung der traditionellen römischen Religion‘ vorlegte; in seinem Resümee, ebd., 14f., spricht er verallgemeinernd davon, dass Varros Theorie einen Ausgangspunkt für die Kritik der christlichen Apologeten lieferte; Augustinus nennt er in der Zusammenfassung seiner Ergebnisse, ebd., 124, „Varro’s most diligent adversary“. 41 S. B. STUDER, Schola, 12, Anm. 10.

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chung des heidnischen Kultes (im weitesten Sinne) an. 42 In der heidnischen Antike galt, anders als für den heutigen Betrachter, die Philosophie selbstverständlich und wesentlich als zur ‚Theologie‘ gehörig. 43 Da diese ‚Theologie‘ in erster Linie der Schicht der Gebildeten vorbehalten war, wird im Bereich der Theologia naturalis nicht nur Zenos Auseinandersetzung mit der Philosophie untersucht, sondern die Analyse ausgeweitet auf seine Haltung zur Intellektualität im Allgemeinen. Diese drei Bereiche zusammengenommen decken interessanterweise genau das ab, was wir meinen, wenn wir heute – wohlgemerkt umgangssprachlich – von ‚der Kultur‘ (im Singular) sprechen: Kunst, Religion, (Wissenschaft) und Philosophie.44 „Was man Kultur der Spätantike nennen kann, ist ein ungemein geschlossener, einheitlicher Besitz der damaligen Gesellschaft gewesen … Beherrschend war bekanntlich der hellenistisch-römische Synkretismus auf nahezu allen Ebenen. Freilich gehörte dazu alles Damalige, das auch wir Kultur nennen: Kunst, Literatur, Theater, Philosophie, Gesellschaftsordnung – nicht ohne die Religion … Die Kultur ihrer Zeit war für die frühe Kirche, im Detail und insgesamt, ein heidnisches Ding im qualifizierten Sinn.“ 45

Wenn es daher im Titel dieser Arbeit ‚heidnische Kultur‘ heißt, ist dies zwar ein neuzeitlicher Terminus,46 mit dem sich jedoch der Reiz verbin42

Nach K. SALLMANN, Varro, 1132, gehört zur Theologia civilis nicht nur der Staatskult, der von den Priestern zur Wahrung der salus populi in den Tempeln vollzogen wird – vgl. B. STUDER, Schola, 66; auch W. GEERLINGS, Theologen, 7f. –, sondern darüber hinaus auch der superstitiös gefärbte Kult im Volk. Vgl. etwa auch die bei J. RÜPKE, Varro, 120–123, angeführten Beispiele. 43 S. W. GEERLINGS, Theologen, 8: „Die theologia naturalis ist die eigentliche Theologie. In der Wandelhalle der Stoa, dem öffentlichen Diskussionsort, sprechen die Philosophen über die Natur und über die Natur der Götter. Diesem Denken kommt höchste Verbindlichkeit zu, nur sie ist im eigentlichen Sinn theologia.“ 44 S. F. RODI, Art. Kultur I. Philosophisch, TRE XX, 1990, 177–187, hier: 184: „Die Frage der Zuordnung der Bereiche Kunst, Wissenschaft, Religion und Philosophie zu der einen oder anderen Form des überindividuellen ,Geistes‘ weist schließlich auf einen letzten Aspekt im Begriffsfeld ,Kultur‘ hin: vermutlich den dominantesten im umgangssprachlichen Wert des Wortes, sofern es im Singular gebraucht wird. Denn ,die Kultur‘ ist für uns primär jenes Teilsystem im Leben der Gesellschaft, das scheinbar bis ins kleinste administrative und fiskalische Detail abgrenzbar ist von anderen Teilsystemen, wie Wirtschaft, Politik und Recht, und das in zunehmendem Maße auch von Wissenschaft, Erziehungswesen und kirchlichem Leben, wie auch von Sport und Unterhaltung unterschieden wird.“ 45 N. B ROX, Evangelium und Kultur in der Spätantike, in: Kultur als christlicher Auftrag heute. Vorlesungen der Salzburger Hochschulwochen, 28. Juli – 9. August 1980, hg. v. A. Paus, Kevelaer u. a. 1981, 249f. Und ebd., 255. 46 Zur Legitimität der Verwendung des neuzeitlichen Begriffs bei der Untersuchung von Phänomenen der Vergangenheit schon H.-I. MARROU, Augustinus und das Ende der antiken Bildung, Paderborn u. a. 1982, 455.

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1. Kapitel: Einleitung

det, dass er etymologisch den gleichen Ursprung wie der Begriff ‚Kultus‘ hat 47 – Terminus für den Bereich, an den man heute zuerst denkt, wenn vom Heidentum die Rede ist, und auf dem von daher einer der Schwerpunkte dieser Arbeit liegt. Die Entscheidung für den Begriff ‚Kultur‘ im Titel der Arbeit hat ihren Grund aber auch und v. a. darin, dass mit den Inhalten des Begriffes immer auch Ausgrenzung des Anderen auf der einen und gleichzeitig identitätsfördernde Rahmengebung auf der anderen Seite verbunden sind. „Das Selbst wird aus dem Gegensatz des Anderen definiert.“ 48 47

S. F. KLUGE / E. SEEBOLD, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin / New York 231999, 492: „Kultur f. (< 17. Jh.). Entlehnt aus l. cultūra, zu l. colere ‚pflegen, bebauen‘. Gemeint ist zunächst der Landbau und die Pflege von Ackerbau und Viehzucht; im 17. Jh. Übertragung auf ml. cultūra animi ‚Erziehung zum geselligen Leben, zur Kenntnis der freien Künste und zum ehrbaren Leben‘ (Pufendorf); dann Ausweitung und Übernahme in die Volkssprache.“ S. auch F. W. GRAF / K. T ANNER, Art. Kultur II. Theologiegeschichtlich, TRE XX, 1990, 187–209, hier: 188: „Begriffsgeschichtlich läßt sich ,Kultur‘ bis in die römische Antike zurückführen. Neben der traditionellen Bedeutung des Pflegens und Hegens der außermenschlichen Natur sowie der Wendung cultura deorum … spricht schon Cicero von der cultura animi …, womit er den Begriffsgebrauch bis ins 18. Jh. bestimmt.“ Erst seit der frühen Aufklärung gewinnt der Kulturbegriff ohne eine bis dahin bestimmende Genitivverbindung „einen über die traditionelle Tugendlehre hinausführenden Gehalt. Er kann nun auch auf die societas civilis bezogen werden und hier die Aufgabe ihrer Gestaltung durch den Menschen bezeichnen.“ Und H. J. T ÜRK, Art. Kultur I. Philosophisch-anthropologisch, LThK3 VI, 1997, 514f., hier: 514: „K. (v. lat. cultura [c.], [urspr.] Ackerbau, v. colere, Land bebauen, bewohnen; auch: verehren [syn. mit cultus]) bez. alles, was nicht v. Natur gegeben, sondern v. Menschen geschaffen ist. Schon im Altertum auch im übertragenen Sinn gebraucht, bes. bei Cicero (z. B. Tusc. II,13), meint c. animi Philos. u. Bildung“ (runde und eckige Klammer im Original). Vgl. dazu insgesamt K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1793f. 48 T. HÖLSCHER (Hg.), Gegenwelten. Zu den Kulturen Griechenlands und Roms in der Antike, München / Leipzig 2000, 9. S. auch H. KOHLER-SPIEGEL, Vom Eigenen und vom Fremden. Zum Verhältnis von Identität und interreligiösem Lernen, KatBl 177, 2002, 394–396, hier: 395: „Selbst-sein setzt voraus, dass es auch Verschieden-sein gibt.“ Konkreter für den Zeitraum, in den auch Zeno einzuordnen ist, formuliert J.-M. P OINSOTTE, Chrétiens, 7: „S’il est vrai, comme le dit Amin Maalouf, qu’une identité est faite de nombreuses appartenances, c’est en se distinguant, en s’opposant même que l’on parvient à se constituer dans sa spécificité: «exister», c’est d’abord «sortir». Le christianisme naissant n’a pas échappé à cette loi de la biologie. Au IVe siècle encore, alors même que l’Église s’installe dans la cité romaine pour bientôt y dominer, le tertium genus n’a pas fini de se frayer un chemin entre les deux grandes familles spirituelles, le paganisme et le judaïsme, qui ne renoncent pas à lui contester le droit à l’existence.“ (Die Schwerpunkte dieses Sammelbandes liegen allerdings auf dem Verhältnis der Christen zu den Juden bzw. zu Häretikern.) Zur Verknüpfung von frühchristlicher Identität und Abgrenzung gegenüber dem Judentum s. auch M. S. T AYLOR, Anti-Judaism and Early Christian Identity. A Critique of the Scholarly Consensus, StPB 46, Leiden / New York / Köln 1995.

A. Die Arbeit

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Dem Konzept des ‚Anderen‘ liegt danach „die Erkenntnis zu Grunde, dass Gesellschaften sich mit bestimmten Strategien eine ‚Identität‘ schaffen: einerseits durch ideelle Konzepte, wie Religion, Mythen, kulturelles Gedächtnis, Ideologien; andererseits durch konkrete Manifestationen, wie Rituale, Symbole, Monumente. Die Funktionen solcher Konzepte und Manifestationen sind aber von zweierlei Art: Zum einen wird die eigene Lebensordnung in ihren Strukturen und Wertsetzungen dargestellt und legitimiert; zum anderen werden die Grenzen der eigenen Ordnung gegen die Welt des ‚Anderen‘ abgesteckt.“ 49 Dabei drückt sich das Bewusstsein für solche als notwendig empfundene Abgrenzung auch sprachlich in Form polarer Gegensätze aus, wobei ‚das Andere‘ in aller Regel mit pejorativen Begriffen (etwa Barbar, Heide, Ungläubiger) belegt wird.50

In jüngerer Zeit findet dieser ambivalente Charakter von Kultur angesichts aktueller Fragestellungen im Kontext von Globalisierung und Pluralismus verstärkte Aufmerksamkeit im kulturwissenschaftlichen Diskurs. 51 Damit 49

T. HÖLSCHER, Gegenwelten, 9. S. F. RODI, Kultur, 177; auch ebd., 184: „Jede Kultur ist von einer anderen u. a. dadurch abgrenzbar, dass sie die Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt spezifischer, kollektiver Bedeutsamkeit selektiv auffasst bzw. sprachlich konstituiert.“ 51 Dies belegen u. a. Einrichtungen wie der Sonderforschungsbereich 541 „Identitäten und Alteritäten. Die Funktion von Alterität für die Konstitution und Konstruktion von Identität“ an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg seit dem WS 1997 / 98 (s. Tilman Robbe / Andreas Tacke, SFB 541 Zugriff 7.11.2002) oder der Sonderforschungsbereich 534 „Judentum – Christentum. Konstituierung und Differenzierung in Antike und Gegenwart“ an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn seit 1.7.1999 (s. Ulrike Steinert, SFB 534, 22.7.2002 Zugriff 8.11.2002). Aus der Fülle von Veröffentlichungen sei exemplarisch für den deutschsprachigen Raum der von Hölscher herausgegebene Sammelband genannt, dessen Titel zunächst keinen Gegenwartsbezug vermuten lässt, der aber von der aktuellen Diskussion angeregt wurde, wie die Einleitung des Herausgebers, T. HÖLSCHER, Gegenwelten, 9–18, zu erkennen gibt. Im Bereich der Theologie sei der Sammelband von R. KAMPLING / B. SCHLEGELBERGER (Hgg.), Wahrnehmung des Fremden. Christentum und andere Religionen, Schriften der Diözesanakademie Berlin 12, Berlin 1996, genannt, der auf eine schon 1994 / 95 veranstaltete Vortragsreihe des Seminars für Katholische Theologie der Freien Unversität Berlin unter dem Titel „Wahrnehmung des Fremden. Christentum und andere Religionen“ im Kontext des Forschungsschwerpunktes „Die Theologie der anderen“ zurückgeht, sowie das unlängst unter dem Titel „Interreligiöses Lernen“ erschienene Heft 6 der Katechetischen Blätter 127, 2002, u. a. mit dem zitierten Aufsatz von Kohler-Spiegel. Schließlich fand vom 3.–6.1.2003 in Wuppertal eine Tagung veranstaltet vom CVJMGesamtverband, vom CVJM-Westbund und der Studenten Mission in Deutschland (SMD) für Studierende der Theologie und der Religionspädagogik zum Thema „Christliche Identität zwischen Anpassung und Abgrenzung“ statt. Im Einladungsfaltblatt heißt es: „Er [sc. der Pharisäer in Lk 18,9–14] weiß, wer er ist, weil er sich von anderen absetzen kann, die nicht so (gut) sind wie er selbst. Identität durch Abgrenzung. … Wie entsteht [im Gegensatz dazu] christliche Identität und wie können wir sie kommunizieren?“ Angekündigt wurde im Programm u. a. ein Vortrag unter dem Titel „Die ersten Christen – Christliche Identität zwischen Anpassung und Abgrenzung“ von R. Feldmeier, Ordinarius für Neues Testament in Göttingen. Zuletzt sei ein schon 1991 veröffentlichter Bei50

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1. Kapitel: Einleitung

gewinnt die Auseinandersetzung Zenos mit heidnischer Kultur und ihre Artikulation in bestimmten Terminologien, die sich als Mittel der Identitätsbestimmung erweisen, ungeahnte Aktualität. Im zweiten Teil der Arbeit wird ein ebenfalls neuzeitlicher Terminus, ‚Bildung‘, hier eingegrenzt durch das Attribut ‚christlich‘, ‚heidnischer Kultur‘ gegenübergestellt. Der Begriff ‚Bildung‘ geht auf eine Neuschöpfung Meister Eckhards zurück.52 Unter Bezug auf imago und similitudo in Gn 1,26f., die ganz ähnlich schon in den zenonischen Trakten von hoher Bedeutung sind,53 versteht die deutsche Mystik unter Bildung den „Weg der natürl[ichen] u[nd] gnadenhaften Verähnlichung bzw. Vereinigung des Menschen mit Gott“.54 Bildung greift damit auf Elemente der griechischen ðáéäåßá und der lateinischen humanitas zurück.55 Ähnlich wie im platonischen Konzept und der stoisch-neuplatonischen Verknüpfung von Homoiosis-Gedanken und vita beata-Vorstellung 56 „transzendiert“ Bildung Kultur.57 Zu fragen bleibt in jedem Einzelfall jedoch, wie weit die Gemeinsamkeiten der Konzeption von paideia ðáéäåßá und Bildung tatsächlich trag aus dem Bereich der Alten Kirchengeschichte genannt: Im Kontext einer fächerübergreifenden Vortragsreihe des Studium generale der Universität Mainz zum Thema „Das Fremde – Aneignung und Ausgrenzung“ referierte N. Brox über „Fremdheit und Grenzüberschreitung im Frühchristentum“. 52 S. U. FROST, Art. Bildung I. Begriffs- und Geistesgeschichte, LThK3 II, 1994, 451f., hier: 452; R. LENNERT, Art. Bildung I. Zur Begriffs- und Geistesgeschichte, TRE VI, 1980, 569–582, hier: 569f. 53 Die zentrale Stelle bei Zeno ist Traktat I 27. Dort macht er die Betrachtung der Genesis-Stelle gewissermaßen zur Voraussetzung für ,naturwissenschaftliche‘ Betätigung; I 27,1: „Etenim genus insaniae est eum rationem secreti naturae disquirere; non enim ullo pacto potest humanis opinationibus substantia naturae comprehendi, quam nemo novit nisi ipse solus, qui fecit.“; s. auch II 30,1 und II 4,4; vgl. weitere Stellen in I 4,9; I 36,23; I 45,1; II 5,2; II 30,2. 54 U. FROST, Bildung I., 452. 55 S. U. FROST, Bildung I., 451: „Die weitverzweigte Vorgeschichte des B[ildungs]Begriffs kulminiert im platon[ischen] Verständnis der paideia als Umkehr v[on] einer alltäglich-zufälligen zu einer philosophisch begründeten Weltsicht u[nd] in Ciceros Proklamation der humanitas als Versöhnung von Philos[ophie] u[nd] Rhetorik.“ Diese humanitas als varronische und ciceronische Übersetzung des Begriffs ðáéäåßá setzt H.-I. MARROU, Histoire de l’éducation dans l’Antiquité, 2. Bde., Paris 71981, Bd. I, 152, ausdrücklich dem modernen französischen Verständnis von „culture“ gleich! S. auch ders., Augustinus, 455. Vgl. dagegen R. LENNERT, Bildung, 569: „Die Metaphern [sc. für Bildung] werden im Griechischen dem Jugendalter, im Lateinischen und seinen Folgesprachen der Pflege von Boden, Pflanze und Tier oder dem Herausführen aus Rohheit entnommen“. S. auch P. RICHÉ, Art. Bildung IV. Alte Kirche und Mittelalter, TRE VI, 1980, 595–611, hier: 595; ausführlich U. FROST, Art. Bildung III. Historisch, LThK3 II, 1994, 453f. 56 S. etwa A. M. HAAS, Europäische Bildung. Antike Paideia und christliche Gottesebenbildlichkeit, Philotheos 7, 2007, 279–290, hier: 281–283. 57 R. LENNERT, Bildung, 578.

A. Die Arbeit

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gehen. In der Kreation des Begriffs ‚Bildung‘, das wird man allerdings verallgemeinernd sagen dürfen, kulminiert gewissermaßen der Prozess der Konversion der Kultur und Bekehrung der Begriffe, der in der Spätantike einsetzte. Dass die Sozialgeschichte der Begriffsgeschichte des Terminus ‚Bildung‘ gleichsam vorgegriffen hat, lässt sich u. a. daran erkennen, dass sich spätantik trotz der Prägung christlicher Bildungsvermittelnder von antikem Denken mit der Entwicklung einer auf der Heiligen Schrift basierenden Erziehung etwas anbahnt, das von den Protagonisten als „etwas völlig Neues“ dargestellt wurde – und dies, wie der zweite Teil der Arbeit zeigen wird, nicht erst seit Augustin – und bis heute als solches Novum interpretiert werden kann.58 Seit dem ersten Erscheinen der Arbeiten von Jaeger 59 und Marrou,60 die bis heute weithin als Standardwerke gelten, reißt die Diskussion nicht ab um die Frage, ob und in wie weit es im Kontext eines Aufeinandertreffens von ‚Antike und Christentum‘ und der sich daraus ergebenden spannungsreichen Beziehung zu einem Wandel der antiken ðáéäåßá und einer Aneignung innerhalb einer christlichen Bildung gekommen sei. 61 Kritisch wurde in jüngerer Zeit angemerkt, dass vor allem „Jaegers Werk, trotz vieler wichtiger Aussagen im Einzelnen, wohl entscheidend dazu beigetragen [habe], ‚Paideia‘ zu einem nicht mehr durchschaubaren Mythos werden zu lassen.“62 Eine Skizzierung der vielschichtigen und verschlungenen Forschungsgeschichte und der Fülle der innerhalb derselben entwickelten diversen Positionen würde an dieser Stelle zu weit führen.63 Fest58

S. P. RICHÉ, Bildung, 595f. W. J AEGER, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, 3 Bde., Berlin 1 1934 / 1944 / 1947; ders., Paideia Christi, ZNW 50, 1959, 1–14; ders., Early Christianity and Greek Paideia, Cambridge, Mass. 1961. 60 H.-I. MARROU, Fondements d’une culture chrétienne, Paris 1934; ders., Saint Augustin et la fin de la culture antique, Paris 1938; ders., Histoire de l’éducation dans l’Antiquité, 2. Bde., Paris 11948; ders., Décadence romaine ou antiquité tardive?, Paris 1977 (posthum). 61 Zur Aktualität der Frage bis heute vgl. etwa J.-M. P AILLER / P. P AYEN (Hgg.), Que reste-t-il de l’éducation classique? Relire «le Marrou» Histoire de l’éducation dans l’Antiquité, Toulouse 2004; oder s. im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek unter (Zugriff 26.2.2013) unter der Nr. 20 den deutschen Reprint von Jaegers Paideia von 1973 (wiederum zum zweiten Mal aufgelegt 1989), unter Nr. 10 die iranische Übersetzung von 1997, unter Nr. 86 die russische Übersetzung von 2001 oder unter Nr. 7 die italienische Übersetzung von 2003. 62 B. SCHWENK, Hellenistische Paideia und christliche Erziehung, in: Spätantike und Christentum. Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, hg. v. C. Colpe, L. Honnefelder u. M. LutzBachmann, Berlin 1992, 141–158, hier: 147. 63 Verwiesen sei u. a. auf die kritische Darstellung bei B. SCHWENK, Paideia, 141– 158, v. a. 141–148. Die jüngeren Positionen referiert in einer überzeugenden Systematisierung P. GEMEINHARDT, Das lateinische Christentum und die antike Bildung, STAC 41, Tübingen 2007, hier: 1–26. Kritisch angemerkt wird lediglich die fehlende Berücksichtigung der These R. A. Markus’ von der „zunehmenden Desäkularisierung in der 59

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1. Kapitel: Einleitung

gehalten werden muss statt dessen: Trotz dieser seit langem währenden Diskussion ist die Forschung in dieser Frage bis heute weit von einer Communis Opinio entfernt. Es gilt daher immer noch, zunächst zu definieren, was unter den verwendeten Begriffen ðáéäåßá oder ‚Bildung‘ verstanden werden soll. In der ansonsten überaus gründlichen und überzeugenden Arbeit Gemeinhardts 64 ist genau in dieser Frage ein Manko festzustellen. Die im Titel seiner Arbeit genannte „antike pagane Bildung“ beschränkt sich offensichtlich auf Grammatik, Rhetorik und literarische Bildung, ohne dass dies eigens definiert wird.65 Eine Beschränkung der Untersuchungsgegenstände erscheint durchaus legitim, wenn diese Beschränkung thematisiert wird, eben der verwendete Begriff „antike pagane Bildung“ definiert und die entsprechende Beschränkung begründet wird. Dass die gewählten Untersuchungsgegenstände sich anbieten, versteht sich von selbst. Interessant wäre zu erfahren, warum anderes ausgeklammert wurde. Aus dieser Kritik ergibt sich bereits, dass es nur in Teilen zu Überschneidungen der Untersuchung Gemeinhardts und der vorliegenden Arbeit kommt. Ein wesentlicher Unterschied besteht eben darin, dass sich Gemeinhardt weitgehend auf Grammatik, Rhetorik und Literatur als Inhalte antiker paganer Bildung beschränkt, während in dieser Arbeit darüber hinaus möglichst vollständig das berücksichtigt wird, was oben unter dem Befriff ‚Kultur‘ beschrieben wurde. Diese Umfänglichkeit der Untersuchungsgegenstände erklärt dann aber auch den zweiten wesentlichen Unterschied: Während Gemeinhardt bemüht ist, ein vielschichtiges Bild einer Region innerhalb einer ganzen Epoche zu zeichnen, genau genommen vom Westen vor-konstantinischer christlicher Zeit bis zum 6. Jahrhundert, und dies mit Hilfe von Quellen aus den Bereichen Apologetik, Epigraphik, Epistolographie, Hagiographie, Predigt und bildungstheoretische Schriften, beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf das Predigtwerk nur eines BiSpätantike“, so K. GRESCHAT, Rezension zu P. Gemeinhardt, Das lateinische Christentum …, ThLZ 133, 2008, 1348–1350, hier: 1348; ebd., 1350, merkt Greschat an, dass Gemeinhardt „unkritisch der eingängigen Desäkularisierungsthese von Markus [folge], die er wohl auch deshalb nicht diskutiert.“ Sie hebt vermutlich ab auf R. A. MARKUS, The End of Ancient Christianity, Cambridge 1990; und auch ders., Christianity and the Secular, Notre Dame, Ind. 2006. In diesen Werken entwickelt Markus die Theorie einer christlichen Desäkularisierung als Reaktion auf einen säkularen Umgang mit ursprünglich religiösen Gepflogenheiten innerhalb einer von Nicht-Christen und Christen in Koexistenz geprägten Gesellschaft. – Angesichts der ansonsten jedoch kenntnisreichen Darstellung Gemeinhardts erübrigt sich in dieser Frage auch der Blick in jüngere Lexikonartikel zum Thema, etwa J. CHRISTES, Art. Bildung, DNP II, 1997, 663–673; ders., Art. Erziehung, DNP IV, 1998, 110–120, die in „der Frage nach dem Verhältnis der frühen Christen zur Bildung … nicht den neuesten Forschungsstand“ repräsentierten, da die in jüngerer Zeit entwickelte sozialgeschichtliche Methodik und deren bisherige Ergebnisse in diesen Lexikonartikeln „offenbar keine Resonanz gefunden haben.“ So P. MÜLLER, Das frühe Christentum und die Bildung, in: Zukunftsfähige Bildung und Protestantismus, hg. v. H. Rupp, C. T. Scheilke u. H. Schmidt, Stuttgart 2002, 17–28, hier: 20. 64 S. o. Anm. 63. 65 Dies wurde auch schon an anderer Stelle moniert und um Erweiterungsvorschläge ergänzt; s. C. R. KRAUS, Rezension zu P. Gemeinhardt, Das lateinische Christentum …, Gn. 81, 2009, 225–228, hier 227; auch T. MORGAN, Rezension zu P. Gemeinhardt, Das lateinische Christentum …, JEH 61, 2010, 156–158, hier: 157. – Bestenfalls eine Andeutung einer begründeten Beschränkung findet sich in P. GEMEINHARDT, Christentum, 4f.

A. Die Arbeit

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schofs. Es wird hier ganz bewusst ein ungefähr eingrenzbarer kurzer Zeitraum und noch deutlicher eingrenzbarer lokaler Raum betrachtet. Es wird hier also, anders als bei Gemeinhardt, bewusst zuerst danach gefragt, was dieser eine christliche Bischof „meinte“, wie mit antiker Kultur verfahren werden solle, da alle weiteren Fragen, wie etwa die, „in welcher Weise Bildung die Kommunikation von Christen miteinander und mit ‚Heiden‘ tatsächlich prägte“66, auf der Grundlage ausschließlich der zenonischen Traktate nicht oder nur ansatzweise hypothetisch beantwortet werden können. Die vorliegende Arbeit will als fundierte Einzeluntersuchung einen belastbaren Baustein liefern für umfänglichere Überblickswerke.67 Dies scheint insofern besonders geboten, da Zeno immer wieder, auch von Gemeinhardt, als Quelle herangezogen wird, ohne dass das Gesamtcorpus der Traktate bisher einer detaillierten Untersuchung unterzogen worden wäre. 68 So bleiben die Verweise auf Zeno als Quelle häufig nur Zufallsfunde, die nicht selten sogar aus ihrem Kontext gerissen werden. Letzteres gilt in besonderer Weise für die ‚Verwertung‘ Zenos in einer vieldiskutierten Überblicksdarstellung von Karen Piepenbrink.69 An insgesamt 28 Stellen, die angesichts eines fehlenden Stellenregisters aus den Fußnoten auf immerhin 383 Seiten mühsam zusammen gesucht werden müssen, wird Zeno als Beleg angeführt, häufig ohne jedes Zitat oder auch nur eine Absatz- oder genaue Zeilenangabe. Als überaus bedenklich ist es zu bewerten, dass die Autorin eine Forschungslücke schließen will, die den Alltag „ ‚durchschnittlicher‘ Christen“70 betrifft, indem sie etwa einzelne Zeno-Stellen ohne Rücksicht auf Argumentationszusammenhänge eben aus diesen Zusammenhängen reißt (denn Zeno beschäftigt sich nie ausschließlich mit den Durchschnittschristen) und sie durch Einreihung in bloße Belegketten, die sie aus dem Fundus „sämtliche[r] patristische[r] Texte“71 zusammensucht, als repräsentativ und allgemeingültig für die gesamte Spätantike im westlichen Reichsteil „von der konstantinischen Zeit bis zum Tod des Augustinus“72 erscheinen lässt. Exemplarisch sei eine Stelle im Kapitel „Bildung, Philosophie und Rhetorik“73 angeführt, wo Zenos Traktat II 3,18 74 als Beleg für den Streit unter nicht-christlichen Philosophen eingereiht ist unter neun weitere Belege von Lak66

K. GRESCHAT, Rezension Gemeinhardt, 1349. Vgl. T. MORGAN, Rezension Gemeinhardt, 156, zu einem geforderten zukünftigen „study of documentary texts, which reveal the detail, insofar as we can recover it, of individual Christian lives and the practices of communities“ angesichts des Verhältnisses zwischen Christentum und klassischer Kultur als einem „by any measure well-worked field“. 68 Gemeinhardt etwa beruft sich an nur drei Stellen auf Zeno: P. G EMEINHARDT, Christentum, 143, Anm. 85, und 331f., Anm. 90 führen an Traktat I 38,1 und II 1,1 zur Bewertung der eloquentia; ebd., 144, Anm. 86, I 35,2 zum Umgang mit ‚halben Christen‘; ebd., 414f. Anm. 85–87, I 2,4 und I 2,26 zu Aeneis-Zitaten im Dienst christlicher Verkündigung. 69 K. P IEPENBRINK, Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike. Probleme des Christseins in der Reflexion der Zeitgenossen, Studien zur Alten Geschichte 3, Frankfurt am Main 2005. 70 Ebd., 20. 71 Ebd., 21. 72 Ebd. 73 Ebd., 360, Anm. 137. 74 Ohne Zitation oder zumindest eine genaue Kennzeichnung der Bezugsstelle; sie verweist lediglich auf Seite „157f.“ der Textausgabe. 67

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1. Kapitel: Einleitung

tanz über Ambrosius und Hieromymus bis zu Augustin, und das ohne jede Differenzierung auch nur der Textgattungen geschweige denn einer Berücksichtigung der Argumentationszusammenhänge der einzelnen Schriften. Den Eindruck von Allgemeingültigkeit evoziert Piepenbrink an anderen Stellen, an denen, häufig paraphrasierend, nur ein einzelner Beleg angeführt wird, durch passivische und unbestimmt quantifizierende Rede.75 Damit gelangt sie mit ihrer Arbeit insgesamt lediglich zu einer alle „Unterschiede nivellierende[n]“76 Zustands-Schein-Dokumentation, ohne dass die im Untertitel genannte „Reflexion der Zeitgenossen“ berücksichtigt wird, da sie auf jegliche angemessene (entsprechend umfängliche) Interpretation der Belegstellen verzichtet. Allein die Masse aneinandergereihter Belege zeichnet noch kein verlässliches Bild einer durch Anlässe und Kontexte differenzierten Realität und ihrer Entwicklung im Laufe von gut hundert Jahren. Aus diesem Grunde bleiben die Ergebnisse der Arbeit Piepenbrinks trotz ihres Relevanz für die vorliegende Untersuchung verheißenden Titels im Kontext dieser Arbeit unberücksichtigt. Noch eklektizistischer, weil geradezu nur ‚sporadisch‘ berücksichtigt, werden die Traktate Zenos auch in einem zum Thema Kultur gehörenden Überblickswerk von Maijastina Kahlos77 genutzt. Obwohl eine Verlagsdarstellung Zusammenhänge ankündigt, die die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung des zenonischen Predigtcorpus in weiten Teilen zu bestätigen scheinen,78 auch das Inhaltsverzeichnis79 ähnliche Themenkreise wie in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt80 und als Ganzes den Eindruck er75 Als Beispiel für derartige Verwendung eines Zeno-Belegs sei, ebd., 173, Anm. 81 angeführt; Beispiele solcher Art ließen sich jedoch vervielfachen. 76 U. LAMPRECHT, Rezension zu K. Piepenbrink, Christliche Identität und Assimilation …, H-Soz-u-Kult, 02.01.2006, (Zugriff 25.02.2013). 77 M. KAHLOS, Debate and Dialogue. Christian and Pagan Cultures c. 360–430, Ashgate New Critical Thinking in Religion, Theology and Biblical Studies, Aldershot / Burlington, Vt. 2007. Zeno I 35,2 wird ebd., 31, Anm. 85, – immerhin in Form eines Zitates – als Beleg für das angeblich von der Autorin neu entwickelte Konzept der incerti (dazu s. u. S. 74f., Anm. 79), in welchem die Zeno-Stelle ausführlich paraphrasiert wird, angeführt; ebd., 114, Anm. 8, wird I 3,1 als Belegstelle (ohne Zitation des Textes) für die Polemik gegen die Kastration der galli im Magna Mater-Kult genannt; ebd., 123, Anm. 49, ist I 25,2 eingereiht zwischen eine Augustin-Stelle und ein Prudentius-Zitat als Beleg für die Kontrastierung von christlichem und heidnischem Opfer. Während für die angeführten Augustin- und Prudentius-Stellen zusätzlich auf entsprechende Forschung verwiesen werden kann, steht der Zeno-Beleg hier völlig verwaist, ein Zufallsfund eben. 78 Ebd., auf der ersten, ungezählten Seite noch vor dem Titelblatt: „This book explores the construction of Christian identity in fourth and fifth centuries through inventing, fabricating and sharpening binary oppositions. Such oppositions, for example Christians – pagans; truth – falsehood; the one true god – the multitude of demons; the right religion – superstition, served to create and reinforce the Christian self-identity. The author examines how the Christian argumentation against pagans was intertwined with selfperception and self-affirmation.“ Dabei handelt es sich weitgehend um eine Auswahlzitation des ersten Abschnitts der Einleitung der Arbeit selbst; vgl. ebd., 1. 79 Ebd., v–vi. 80 Etwa eine Gegenüberstellung von religio und superstitio, ebd., 93–112; „Corrupt and Shamefull Rituals“, ebd., 113–115; „Unclean Purificatory Rites“, ebd., 115f.; die Verurteilung des Theaters unter dem Stichwort pompa diaboli, ebd., 126–129, den Poly-

A. Die Arbeit

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weckt, dass sich Kahlos’ Arbeit in weiten Teilen mit Kapitel 2, Abschnitte A.–C. der vorliegenden Arbeit überschneide und damit eine Ergänzung zur Arbeit von Gemeinhardt vorliege, werden auch die dort zusammengetragenen Ergebnisse (anders als die von Gemeinhardt!) nicht in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt, da schon allein der geringe Umfang des Werkes von 212 Seiten (inklusive Register etc.) sowie die beschriebene Verwendung der Zeno-Zitate darauf schließen lässt, dass für den Zeitraum von 360 bis 430 n. Chr. für ‚die lateinischen Väter‘81 ein weitgehend pauschalisierendes Bild gezeichnet wird. Befremdend, weil einseitig verkürzend, wirkt insbesondere die Beschränkung auf die Darstellung von Dichotomien, die als einziges Werkzeug der christlichen Selbstidentifikation, -perzeption und -affirmation dargestellt werden.82 Sie sind zweifelsohne ein Teil des Selbstbildes, aber keinesfalls ein auschließlicher, wie es Gemeinhardt schon für den Bereich der grammatikalischen, rhetorischen und literarischen Bildung zeigen konnte und es die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in ihrer Beschränkung auf das Predigtcorpus Zenos für Kultur und Bildung im umfassenden Sinn zeigen werden. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach sozial- oder mentalitätsgeschichtlichen Ergebnissen, scheinen die auf solche Weise (wie in den beiden zuletzt genannten Werken) konstruierten methodisch höchst bedenklich, weil in ihrer Verallgemeinerung historisch unzuverlässig.83

In der vorliegenden Arbeit wird, wenn auch in gewisser Weise anachronistisch vorgreifend, bewusst der Terminus ‚Bildung‘, wie ihn die deutsche Mystik versteht, verwendet, da er sich als Antipode gegenüber heidnischer Kultur (in ihrer Dreigliedrigkeit der Theologia tripartita) anbietet, insbesondere deshalb, weil Zeno selbst – trotz gelegentlicher „Rhetoric of Paradox“84 und trotz einer aus heutiger Perspektive sachlich nicht immer theismus verbunden mit der Formulierung ignobilis turba deorum, ebd., 137–140; schließlich eine umfassende Götter- und Dämonenkritik, ebd., 153–172 und 172–184. 81 Das lässt der Titel nicht erkennen, wird jedoch in der Einleitung, ebd., 1, angemerkt. 82 Über das solche Dichotomien betonende Inhaltsverzeichnis hinaus s. etwa ebd., 1: „In the course of the fourth and fifth centuries and later on [sic!], Christian identity was continously re-constructed by polarization and building up discursive dichotomies between Christians and others.“ 83 Diese Arbeiten eignen sich – entgegen der Ansicht H. R. SEELIGERs, Rezension zu K. Piepenbrink, Christliche Identität und Assimilation …, ThQ 186, 2006, 216–218, hier: 218 – m. E. nicht einmal als „Fundgrube“, etwa für einen Vergleich Zenos mit vor oder nach ihm schreibenden Autoren, da für diese ja eine ähnliche Zufallsfund-Zusammenstellung angenommen werden muss, wie sich das für die verwendeten Zeno-Stellen erwiesen hat. 84 Der Begriff geht zurück auf A. CAMERON, Christianity and the Rhetoric of Empire. The Development of Christian Discourse, Sather Classical Lectures 55, Berkeley, Calif. 1991, 206f. und wird von P. GEMEINHARDT, Christentum, 18–19.126, unter Bezug auf Cameron verwendet. Die Beobachtungen, die bei Cameron und Gemeinhardt zugrunde liegen, gehören in den Bereich der Rhetorik und sind auch bei Zeno in diesem Bereich wieder zu finden, s. u. S. 505–507. M. E. lässt sich die Rede vom ‚Paradox‘, auch wenn sie für den rhetorischen Bereich am eindeutigsten zutrifft, aber auch in andere Bereiche übertragen. Hierzu vgl. etwa T. MORGAN, Rezension Gemeinhardt, 156: „The relation-

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1. Kapitel: Einleitung

scharf zu ziehenden Differenzierung zwischen paganen und christlichen Konzepten85 wegen ihrer gleichzeitigen Zugehörigkeit zu einer von gemeinsamer Tradition geprägten Gesellschaft – eine Gegenüberstellung nicht-christlicher und christlicher Position in Bezug auf Kultur und Bildung vornimmt.86 Inwieweit der Veroneser Bischof in diesen Fällen dem erwähnten (nicht immer und ausschließlich bloß rhetorischen) Paradox erliegt, bleibt im Einzelfall zu untersuchen. Da Kultur und Bildung trotz der Differenzierung also auch in den zenonischen Traktaten eng zusammengehören, insofern die Auseinandersetzung Zenos mit heidnischer Kultur immer auch gleichzeitig, wie sich zeigen wird, mit der Identitätsbestimmung der christlichen Gemeinde, zu der er spricht, verknüpft ist, und umgekehrt eben diese Identitätsbestimmung in der Konstituierung eines christlichen Bildungsprogramms notwendigerweise mit einer Abgrenzung gegenüber heidnischer Tradition, wird in beiden Teilen der Arbeit auch jeweils das je andere Element ergänzend und einen Rahmen absteckend mitberücksichtigt werden. Dieses Vorgehen nimmt Doppelungen im Sinne von Verschränkung und Vertiefung bewusst in Kauf. Im Schlusskapitel werden schließlich die Ergebnisse des ersten Teils der Arbeit zur Auseinandersetzung Zenos mit der heidnischen Kultur und die Ergebnisse des zweiten Teils zur zenonischen Konzeption christlicher Bildung resümierend einander gegenübergestellt. III. Technische und terminologische Anmerkungen Zur Erleichterung der Lektüre seien hier einige technische und terminologische Anmerkungen eingefügt.

ship between Christianity and classical culture is by any measure a well-worked field. The main questions are well-known, the main texts notorious, the main paradoxes still paradoxical“ (Hervorhebung B. D.). Was die „main texts“ betrifft, so sind die zenonischen Traktate zwar vielleicht nicht dazuzurechnen, in der Literatur werden dessen ungeachtet die Inhalte der Traktate häufig jedoch so behandelt, als seien sie „notorious“, ohne dass bisher eine zusammenhängende Untersuchung vorgenommen worden wäre. 85 S. etwa P. GEMEINHARDT, Christentum, 145. 86 Vgl. ebd., 8: „Die Verwobenheit des Christentums in die antike Welt und die Kritik an dieser ‚Weltlichkeit‘ sind gleichursprünglich.“ – Insgesamt werden die Ergebnisse zu Zeno die Ergebnisse Gemeinhardts nicht nur im Bereich der Rhetorik und literarischen Bildung bestätigen. Auch für Zeno wird sich ein „Spannungsfeld aus Kritik, Rezeption und Transformation“ (ebd., 9) sowie eine „Herausbildung und Reflexion christlicher Identität“ durch „Abgrenzung, Aufnahme und Transformation“ (ebd., 508) bzw. in einem lebendigen „Prozess der Aneignung und kritischen Reflexion“ (ebd., 511) nachweisen lassen.

A. Die Arbeit

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Zur Orthographie: Die deutsche Rechtschreibung ist weitgehend den neuen Regeln angepasst, was u. a. zu ungewohnten Silbentrennungen führen kann. Solche wurden allerdings – auch entgegen den neuen Regeln – bei Lehnwörtern aus dem Griechischen und Lateinischen möglichst vermieden. Die Schreibung antiker Eigennamen folgt, außer in Zitaten, (inkonsequent) der im Deutschen üblichen Aussprache (etwa Konstantius, aber Haruspizes gemäß Duden), die Schreibung der (nicht abgekürzten) biblischen Eigennamen folgt den Loccumer Richtlinien. In lateinischen Zitaten folgt die Orthographie der Einheitlichkeit und der besseren Lesbarkeit wegen der in Deutschland gebräuchlichen Aussprache, d. h. es werden ‚u‘ und ‚v‘ unterschieden, auch wenn dies in der jeweils zugrunde liegenden Textausgabe nicht der Fall ist. Zu Abkürzungen: Abkürzungen wurden im Text bis auf sehr gebräuchliche (etwa d. h., u. a., z. B.) vermieden; in den Anmerkungen folgen die Abkürzungen dem Verzeichnis bei Standop / Meyer.87 „S.“ und „vgl.“ sind wörtlich zu nehmen, d. h. nur bei wörtlichen Zitaten wird auf einen solchen Hinweis verzichtet, aus der Literatur Referiertes ist durch „s.“ gekennzeichnet, während „vgl.“ entweder auf abweichende oder weitergehende Darstellungen verweist. Die Abkürzungen der biblischen Bücher sind der Einheitlichkeit wegen grundsätzlich, auch bei Vulgata-Zitationen, der Vetus Latina Database 88 entnommen, und zwar dem dortigen Sigelverzeichnis (nicht der Link-Liste). Die Abkürzungen der griechischen Quellen in den Fußnoten sind Liddell / Scott / Jones 89 bzw. Lampe 90 entnommen, die der lateinischen Quellen dem Index des ThesLL.91 Sonstige Abkürzungen in den Anmerkungen und im Literaturverzeichnis folgen (auch in Fällen, in denen andere Abkürzungen gebräuchlicher sind, der Einheitlichkeit halber) dem Abkürzungsverzeichnis von Schwertner.92 Über Schwertner hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: Annuario storico zenoniano AnStZ BzA Beiträge zur Altertumskunde, DNP Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike EHS.A Europäische Hochschulschriften. Reihe 38 Archäologie EHS.G Europäische Hochschulschriften. Reihe 3 Geschichte HDD.G Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte HDD.P Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Klassische Philologie HDD.A Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Klassische Archäologie IdF Impulse der Forschung

87 E. STANDOP / M. L. G. MEYER, Die Form der wissenschaftlichen Arbeit, Wiebelsheim 162002, 201–209. 88 VETUS LATINA DATABASE. Bible Versions of the Latin Fathers, hg. v. Vetus Latina Institut, Erzabtei Beuron, Beuron / Turnhout 2002. 89 H. G. LIDDELL / R. SCOTT / H. S. J ONES, A Greek-English Lexicon, Oxford 91996, XVI–XXXVIII. 90 G. W. H. LAMPE, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 81987, IX–XLIII. 91 T HESAURUS LINGUAE LATINAE. Index librorum scriptorum inscriptionum ex quibus exempla afferuntur, editus iussu et auctoritate consilii ab academiis societatibusque diversarum nationum electi, Leipzig 51990. 92 S. M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin / New York 21992.

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1. Kapitel: Einleitung

LACL Pan

Lexikon der antiken christlichen Literatur Pan. Studi dell’istituto di filologia latina dell’Università di Palermo.

Zu Hervorhebungen: Ausschließlich wörtliche Zitate und deren Übersetzungen sind durch doppelte Anführungszeichen gekennzeichnet; einfache Anführungszeichen kommen bei freier Übersetzung sowie bei Hervorhebung bestimmter Begriffe zum Einsatz. Betonungen, die sich nicht aus dem Satzbau ergeben, sowie andere Hervorhebungen sind nach Verlagsvorgaben kursiv gedruckt. Ebenfalls kursiv sind lateinische Begriffe gesetzt, außerdem der schnelleren Zuordnung wegen sämtliche Zeno-Referenzen. Stehen dabei keine Anführungszeichen, handelt es sich um Übernahme von Formulierungen, die jedoch in eine Grundform (Nominativ oder Infinitiv) umgewandelt wurden, wörtliche Zitate stehen zusätzlich in doppelten Anführungszeichen. In sämtlichen wörtlichen Zitaten wurden Hervorhebungen (durch Sperrung, Kursive, Anführungen oder Unterstreichung) und runde Klammern im Original übernommen, ohne dies eigens anzumerken. Sind jedoch eckige Klammern aus dem Original übernommen, so wird dies ausdrücklich gesagt, damit es nicht zu einer Verwechslung mit denjenigen eckigen Klammern kommt [ … B. D.], die Hervorhebungen, die nicht im Original stehen, oder Ergänzungen kennzeichnen. Lateinische Ausdrücke in eckigen Klammern sind generell nicht kursiv. Betonungen, die sich nicht aus dem Satzbau ergeben, sowie andere Hervorhebungen in kursiven lateinischen Zitaten sind, ebenfalls nach Verlagsvorgaben, zusätzlich fett gedruckt. Zur Zählung der Quellen: Stellenangaben aus antiker Literatur entsprechen dem im Index des ThesLL verwendeten Dezimalsystem mit arabischen Ziffern.93 Zur schnellen Differenzierung wird bei Stellenangaben aus den zenonischen Traktate davon abgewichen; hier ist das System der textkritischen Ausgabe von Löfstedt übernommen: Die römische Ziffer steht für das Buch, die erste arabische Ziffer für den Traktat, die zweite arabische Ziffer für den Absatz; auch die eigentliche Zählung folgt selbstverständlich der kritischen Ausgabe von Löfstedt. Auf eine Nennung Zenos kann, da nur sein Werk so gezählt wird, verzichtet werden. (Die Zählweise der Traktate Zenos in der Ausgabe der Gebrüder Ballerini und dieser folgender älterer Sekundärliteratur kann mittels einer Synopse in der textkritischen Ausgabe aufgeschlüsselt werden.94) Die Zählung der Psalmen entspricht der Zählung in der Vulgata. Zu Verweisen: Auf inhaltliche Zusammenhänge innerhalb der Arbeit wird mit dem Hinweis „s. u.“ / „vgl. u.“ und „s. o.“ / „vgl. o.“ verwiesen, jeweils in Kombination mit Seitenzahl (S.) und ggf. Fußnotennummer (Anm.). Bei Verweis auf Fußnoten auf der gleichen, der vorhergehenden oder der nachfolgenden Seite wird auf die Angabe der Seitenzahl verzichtet. Zur Terminologie: In der Arbeit wird, anders als gebräuchlich, terminologisch unterschieden zwischen ‚allegorisch‘ als Adjektiv zu ‚Allegorie‘ und ‚allegoretisch‘ als Adjektiv zu ‚Allegorese‘.

93 94

S. o. Anm. 91. B. LÖFSTEDT (Hg.), Zenonis Veronensis Tractatus, CCL 22, Turnhout 1971, 270.

A. Die Arbeit

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Ferner werden angesichts der aktuellen Diskussion 95 Begriffe wie ‚Volksfrömmigkeit‘ oder ‚Volksglaube‘ vermieden, auch in Fällen, in denen Inhalte älterer Sekundärliteratur, die mit dieser Terminologie noch arbeitet, referiert werden. In dieser Arbeit wird an in Frage kommenden Stellen vielmehr ‚private Frömmigkeit(sausübung)‘ dem ‚offiziellen Kult‘, insofern dieser auf heidnischer Seite immer öffentlicher Kult 96 und auf christlicher Seite Kult in einer Gemeinschaft unter Leitung eines Klerikers war, gegenübergestellt.97 Der Begriff ‚Aberglaube‘ bezogen auf heidnische Religion wird, sofern er nicht in Zitaten der Sekundärliteratur begegnet, ebenfalls vermieden, da er nach religionswissenschaftlicher Definition ein Ausdruck „interreligiöser Polemik“ ist.98 Folgte man der älteren volkskundlichen Definition des Begriffs,99 so entfiele zwar der polemische Tenor, jedoch müsste gefragt werden, inwiefern Ängste auch der Christen der Spätantike unter diese Definition zu zählen sind.100 Stattdessen wird entweder die zenonische Terminologie beibehalten 101 oder es werden religionswissenschaftlich eindeutige Begrifflichkeiten verwendet.102 Einer genaueren Definition bedarf der in der Volkskunde häufig anzutreffende Terminus ‚(Volks-)(Ge-)Brauch‘, da er überaus unterschiedlich, z. T. sogar gegensätzlich verstanden wird. Die umgangssprachliche Terminologie ‚Brauch‘ bzw. ‚(Ge-)Bräuche‘ wird hier (auch aus Gründen der Übersetzung von consuetudo bzw. mores 103) beibehalten; verstanden wird in dieser Arbeit darunter eine ‚private, der Tradition entsprechende Gepflogenheit‘.104 Inwieweit solche Bräuche von den Praktizierenden als Teil einer privaten Frömmigkeit(sausübung) verstanden werden, kann in aller Regel aus den Traktaten nicht erschlossen werden; im Einzelfall ist zu entscheiden, ob Zeno den jeweiligen 95

Vgl. A. HOLZEM , „Volksfrömmigkeit“. Zur Verabschiedung eines Begriffs, ThQ 182, 2002, 258–270, besonders auch 259, Anm. 3. 96 Vgl. J. RÜPKE, Die Religion der Römer. Eine Einführung, München 2001, 27–30. – Die Mysterienreligionen sind von solchem Kultverständnis selbstverständlich ausgenommen. 97 Die von A. HOLZEM , Volksfrömmigkeit, 259f., für die Neuere Kirchengeschichte ins Gespräch gebrachte Terminologie – er spricht etwa von „Frömmigkeit der Vielen“, „Breitenreligiosität“ und „alltagsdominante Varianten christlichen Lebens“ – lässt sich so in die Antike nicht rückübertragen. 98 B. GLADIGOW, Art. Aberglaube, HRWG I, 1988, 387f., hier: 387; s. auch D. HAR3 MENING, Art. Aberglaube. III. Historisch, LThK I, 1993, 42–44, hier: 42. – Zur Verwendung des Terminus ‚Heidentum‘ dagegen + S. 65f., Anm. 4. 99 S. E. HOFFMANN-KRAYER, Art. Aberglaube, HWDA I, 1927, Repr. 1986, 64–87, hier: 66: „A[berglaube] ist der Glaube an die Wirkung und Wahrnehmung naturgesetzlich unerklärter Kräfte, soweit diese nicht in der Religionslehre selbst begründet sind.“ 100 Vgl. etwa unten die Ausführungen zum prodigium S. 196–198. 101 S. u. etwa S. 82–84. 102 S. u. etwa S. 180–199. 103 Vgl. u. S. 154–156. 104 Vgl. H.-P. MÜLLER, Art. Gewohnheit. I. Religionsgeschichtlich, LThK3 IV, 1995, 632: „G[ewohnheit] ist eine durch Nachahmung u[nd] Wiederholung erlernte, [,zunächst, aber nicht grundsätzlich‘, muss man wohl ergänzen] unreflektierte Verhaltensform, die sich bei gleichen Anlässen v[on] selbst einstellt. In Sitte u[nd] Brauchtum gewinnen G[ewohnheit]en einen sozial-normierenden Charakter. … Das Verhalten der Vorfahren, Mythen [u. a.] … begründen – oft nachträglich – G[ewohnheit]en.“

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1. Kapitel: Einleitung

Brauch als eine solche Frömmigkeitsausübung einordnet und ihn damit zwar vom offiziellen heidnischen Kult unterscheidet, aber doch heidnischer Religiosität zuordnet und insofern als nicht-christlich verwirft oder aber als quasi säkularisierten Brauch auch für Christen als praktikabel erachtet. Mit dem Adjektiv ‚säkularisiert‘ werden Begriffe näher qualifiziert, deren Inhalte einem „Wandel von religiös[..] Geprägtem in Weltliches“ erfahren haben.105 Unter ‚Entmythisierung‘ (in terminologischer Abgrenzung zum durch Bultmann geprägten Begriff ‚Entmythologisierung‘) soll im Folgenden eine Methode der Auseinandersetzung Zenos mit dem Heidentum verstanden werden, deren Ziel die Dekonstruktion des Mythos und seiner Gestalten, aber auch des Kultes und seiner Gegenstände und der damit jeweils verbundenen Termini als religiöser Größe ist; im Sinne einer Entlarvung dieser Objekte als etwas von Menschen Erdachtes und Geschaffenes und daher nicht Verbindliches ist ‚Entmythisierung‘ synonym mit ‚religiöser Neutralisierung‘ 106 oder ‚Profanisierung‘. Dazu bedient sich Zeno, wie sich zeigen wird, schon in der vorchristlichen Antike gängiger Mittel der (philosophischen) Kult- und Mythenkritik. Zu den Resümees: Um angesichts der detailreichen philologischen Ausführungen nicht den ‚roten Faden‘ zu verlieren, werden die Ergebnisse nach jeweils größeren Sinnzusammenhängen in Resümees zusammengefasst und in einen Gesamtkontext, wie er bis zu diesem Punkt der Untersuchung zu erkennen ist, gestellt. Die Resümees sind allerdings so angelegt, dass sie auch zusammenhängend gelesen werden können, so dass sich eine nochmalige Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Teils an dessen Ende erübrigt. Zusammen mit dem Resümee im Anschluss an den zweiten Teil der Arbeit wird so eine Zusammenschau der Ergebnisse der Arbeit in ihrer Entwicklung gegeben. Zu den Passagen in reduziertem Schriftgrad: In aller Regel handelt es sich um Passagen, deren Inhalte nur bedingt zum Verständnis des Gesamtkontextes der Untersuchung erforderlich sind. Hier werden (neben technischen und terminologischen Anmerkungen wie an dieser Stelle) zumeist Informationen oder Zusammenhänge in möglichst knapper Form referiert, die in den meisten Fällen aus der Sekundärliteratur zusammengetragen wurden, in einzelnen Fällen aber auch eigene Recherchen in anderen Quellen als Zeno berücksichtigen oder weiterführende Exkurse zu den zenonischen Traktaten bieten. Ihre Funktion besteht darin, von der Forschung bereits Erarbeitetes ins Gedächtnis zu rufen, sofern es für die sich anschließenden Untersuchungen der zenonischen Traktate einen relevanten Rahmen bietet, darüber hinaus für das Thema dieser Arbeit weniger relevante Forschugsergebnisse zu ergänzen. 105

Vgl. W. J AESCHKE, Art. Säkularisierung, HRWG V, 2001, 9–20, hier: 9: „ ,Säkularisierung‘ … bezeichnet im weiten Sinn jeglichen Wandel von religiös Geprägtem ... in Weltliches, ohne Bindung an bestimmte Epochen. Sie kann überall erfolgen, wo die Scheidung eines weltlichen und eines religiösen Bereichs vollzogen ist und zugunsten des ersteren verändert wird … oft synonym mit ,Entsakralisierung‘ und ,Profanisierung‘ … setzt Profanisierung [allerdings] ein Heiliges voraus, ,Säkularisierung‘ lediglich einen religiöse und weltliche Momente zugleich umfassenden Zustand.“ 106 Ähnlich schon A. GEHLEN, Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, Frankfurt am Main 41977, 139: „Der Monotheismus eines unsichtbaren Gottes mußte … die Außenwelt neutral machen, sie ,entmythologisieren‘ “; ebd., 166, spricht er von „Heilsneutralisierung der Außenwelt“.

B. Das Material

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B. Das Material Das hier untersuchte Material, nämlich die unter der Bezeichnung Tractatus Zenonis überlieferte Predigtsammlung, und die bisherige Forschung zu diesem Thema werden im Folgenden kurz vorgestellt, die Fragen nach Autor, Datierung, literarischem Genus und Inhalten der Traktate stecken den Rahmen der Untersuchung ab.1 I. Überlieferungs- und Forschungsgeschichte Mit der Ausgabe der „Zenonis Veronensis Tractatus“ durch Löfstedt im CCHR.SL von 1971 wurde der kritische Text einer Sammlung von 92 Traktaten vorgelegt, die schon lange die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf sich zogen. Sie sind in elf erhaltenen Handschriften überliefert – der älteste Codex, Codex Remensis 31, aus dem 8. Jahrhundert wurde 1774 bei einem Brand zerstört. Erstmals ediert wurden sie von Alberto Castellanus und Giacomo di Leuco, Venedig 1508. 2 Nach mehreren Editionen im 16., 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts, die noch eine Reihe von pseudo-zenonischen Traktaten enthielten, beschränkten sich die noch heute bedeutsamen Ausgaben der Brüder Pietro und Girolamo Ballerini von 1739 und des Giovanni Battista Carlo Giuliari von 1883 auf die hier zu behandelnden 92 (bzw. 93) Traktate,3 die aufgrund ihrer geschlossenen, 1 Das Folgende in knapperer Übersicht auch bei P. MONCEAUX, Histoire littéraire de l’Afrique chrétienne depuis les origines jusqu’à l’invasion arabe, Bd. III, Paris 1905, Repr. Brüssel 1966, 365–371; M. SCHANZ, Geschichte der römischen Literatur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian, Teil 4, Bd. I, HAW VIII,4,1, München 21959, 366–369; O. B ARDENHEWER, Geschichte der altkirchlichen Literatur, Bd. III, Darmstadt 1962, 477–481; K. W EGENAST, Art. Zenon 16, PRE 2. Reihe X, 1972, 147–149; A. AMORE, Art. Zenone, vescovo di Verona, santo, BSS XII, 1969, 1477–1479; A. I. KLETTNER, Art. Zeno, Bischof von Verona, KL2 XII, 1901, 1946–1948; F. C. ARNOLD, Art. Zeno, Bischof von Verona, RPTK3 XXI, 1908, 657–663; B. STUDER, Art. Zeno, LThK2 X, 1965, 1346; C. T RUZZI, Zeno, 47–64; G. B. P IGHI, Sancti Zenonis Veronensis episcopi historica popularisque persona, Lati. 20, 1972, 121–134; A. GRAZIOLI, San Zenone di Verona, ScC 68, 1940, 174–199. 2 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 2f.; ausführliche Darstellung der Handschriften und ihrer Abhängigkeiten ebd., 13*–45*; ausführliche Behandlung und Bewertung der Editionen ebd., 46*–54*; s. auch A. B IGELMAIR (Hg.), Des heiligen Bischofs Zeno von Verona Traktate, BKV2 2,10, München 1934, 17–20; zu den Editionen ders., Zeno, 4–22. 3 Die Zahl 92 entspricht der Zählung bei B. LÖFSTEDT, Tractatus; allerdings besteht Traktat I 10 aus offensichtlich zwei unabhängigen Predigten; deshalb wird unterschieden I 10A und I 10B; s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 5*, Anm. 6. Als Erklärung, warum sie in den Manuskripten als ein Traktat missverstanden wurden, vermutet G. P. J EANES, The Day Has Come! Easter and Baptism in Zeno of Verona, Alcuin Club Collection 73, Collegeville, Minn. 1995, 50, dass sie ursprünglich zusammen auf ein einziges Blatt geschrieben waren.

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1. Kapitel: Einleitung

einheitlichen Überlieferung, v. a. aber aufgrund zahlreicher stilistischer Parallelen von einem einzigen Verfasser stammen dürften. 4 Diese beiden Ausgaben – obwohl nicht eigentlich textkritisch – sind v. a. deshalb heute noch bedeutsam, weil das Interesse ihrer Herausgeber über eine bloße Texterstellung, die jedoch angesichts des Verlustes des Codex Remensis kurz nach seiner Aufnahme in den Text der Ballerini gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann,5 hinausging. So enthält die Ballerini-Ausgabe zusätzlich eine Einleitung über den zeitlichen Hintergrund, das Werk Zenos, seine Theologie und seinen Kult und eine Art den Text begleitenden sprachlichen und theologischen Kommentar,6 während Giuliari eine bis zum Erscheinungsjahr seiner Ausgabe nahezu vollständige Zeno-Bibliographie mitlieferte.7 Diese dokumentiert das breite v. a. textkritische Interesse, das Zeno bereits bis in das 19. Jahrhundert hinein besonders in Verona genoss.8 Auf verstärktes Interesse verweisen auch die Übersetzungen ins Italienische und Deutsche seit 1784.9 4 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 5*f.; ausführlich A. B IGELMAIR, Zeno, 22–35; auch ders., Traktate, 19–21. 5 Zum eingeschränkten Wissen über den Codex Remensis und die Frage nach der Zuverlässigkeit der Berücksichtigung durch die Ballerini-Brüder s. jedoch B. LÖFSTEDT, Tractatus, 19*–22*. 6 P. U. G. B ALLERINI (Hg.), Opera omnia Zenonis, PL 11, Paris 1845, 1–528, hier: 9– 254 (Prolegomena) und 253–528 (Kommentar); außerdem sind ebd., 527–760, vom Herausgeber der PL, J.-P. Migne, zwei Appendices angehängt, die weiteres Material aus der Feder der Ballerini und eines Pistoienser Priesters namens F. Bonacchi zu den echten und unechten Traktaten, zur Verehrung Zenos als Märtyrer und zur zeitlichen Einordnung beinhalten. – Die Ballerini hatten auch eine Umstellung der Traktate aus den Handschriften vorgenommen, geordnet nach großen und kleinen Tractatus. Dieser Zählung folgen die Sekundärliteratur und die Übersetzungen bis zum Erscheinen der textkritischen Ausgabe. LÖFSTEDT stellte in dieser die ursprüngliche Reihenfolge wieder her; ein „Index Editionum“, ebd., 207, stellt beide Zählungen gegenüber. Der ursprünglichen, von Löfstedt wieder hergestellten Zählung folgt seitdem die überwiegende Zahl der Untersuchungen. 7 GIULIARI, J. C. (Hg.), S. Zenonis episcopi Veronensis sermones, Verona 1883, LXXXI–CXXXIX. 8 Auf eine Auflistung älterer Literatur bis zum Erscheinen der textkritischen ZenoAusgabe von Löfstedt wird, soweit sie nicht in der Arbeit zu Rate gezogen bzw. von Löfstedt vernachlässigt wurde, verzichtet, da sie bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 60*–67*, in einem Kapitel zur Bibliographie eigens behandelt ist. 9 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 55*–59*. Im Folgenden wurden an uneindeutigen Stellen die Übersetzungen von G. EDERLE (Hg.), San Zeno, Sermones, 4 Bde., Lo scrigno 6.12.18.19, Verona 1955 / 1956 / 1958 / 1960; P. LEIPELT, Die Traktate oder geistlichen Reden des Heiligen Zeno, Bischofs von Verona, BKV1 43,2, Kempten 1877; und A. B IGELMAIR , Traktate, vergleichend konsultiert, darüber hinaus die neue, bei Löfstedt noch nicht genannte Übersetzung ins Italienische von G. B ANTERLE, I discorsi. San Zeno di Verona, SASA 1, Mailand 1987.

B. Das Material

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Aus der Literatur des 20. Jahrhunderts ragt besonders die Habilitationsschrift Bigelmairs von 1904 hervor, die sich nicht nur philologisch mit Zeno auseinandersetzt, sondern eine umfassende Einordnung vornimmt, wenn auch das ein oder andere Ergebnis nicht unumstritten blieb. 10 Kürzere Beiträge erschienen zu Anfang des 20. Jahrhunderts weiterhin zur Textkritik und zur Stilistik.11 Dass diesen Fragen jedoch nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt wurde, erklärt Löfstedt mit dem Fehlen einer textkritischen Ausgabe.12 Löfstedt selbst behandelt die Sprache Zenos in einem eigenen, ausführlichen Kapitel.13 Zur bereits von Bigelmair gründlich vorgenommenen Untersuchung der Zeno zugrunde liegenden Quellen anhand von Reminiszenzen führt Löfstedt weitere Aufsätze an,14 er selbst notiert Parallelen in seinem Apparat, bemerkt aber, dass er nicht alle in der vorangegangenen Forschung angenommenen Parallelen für berechtigt hält. 15 Etwa seit den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts, vor allem aber nach dem Erscheinen der textkritischen Zeno-Ausgabe, die 1975 ebenfalls von Löfstedt durch eine Konkordanz ergänzt wurde, 16 und zur Sechzehnhundert-Jahr-Feier des angeblichen Todestages Zenos 1974 bzw. in deren Folge 17 erschienen zahlreiche Untersuchungen zu speziellen Fragen: Ergänzend oder korrigierend zur Löfstedt’schen Textausgabe wurden weitere Beiträge zur Rekonstitution des Textes veröffentlicht, 18 über die Texterstellung hinaus wurden dann auch weiterreichende Fragen thematisiert, etwa zur historischen Einordnung Zenos und seines Predigtwerkes, 19 zur

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A. B IGELMAIR, Zeno; umstritten sind beispielsweise die Lebensdaten, vgl. ebd., 53, oder die afrikanische Herkunft Zenos, vgl. ebd., 55–58. 11 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 64*f. 12 Ebd., 64*, Anm. 1. 13 Ebd., 68*–117*. 14 Ebd., 65*. 15 Ebd., 65*f. 16 B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, A Concordance to the Sermons of Bishop Zeno of Verona, Philological Monographs of the American Philological Association 32, New York 1975. 17 Vgl. COMITATO PER LE CELEBRAZIONI DI S. ZENO (Hg.), S. Zeno. La figura, il magistero, il culto, Verona 1988, passim. 18 Etwa L. HÅKANSON, Textkritisches zu Zeno von Verona, CM 31, 1970, 223–228; E. W ISTRAND, Textkritisches zu Zeno Veronensis, in: Classica et mediaevalia Francisco Blatt septuagenario dedicata, hg. v. O. S. Due, Kopenhagen 1973, 363–370; A. ÖNNERFORS, Rezension zu Zenonis Veronensis Tractatus. Edidit B. Löfstedt, Gn. 46, 1974, 369–373; F. DOLBEAU, Zenoniana. Recherches sur le texte et sur la tradition de Zénon de Vérone, RechAug 20, 1985, 3–34. 19 Etwa C. T RUZZI, Zeno; ders., Zeno di Verona nella storia del pensiero cristiano, AnStZ 5, 1987, 11–18; ders., Zeno di Verona. La vita e gli scritti di un santo patrono,

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1. Kapitel: Einleitung

Liturgie in zenonischer Zeit,20 zur Theologie Zenos,21 zur zenonischen Exegese,22 aber auch noch einmal zu Sprache, Stilistik 23 und Vergil-Rezep-

AnStZ 20, 2002, 11–20; L. P ADOVESE, La proprietà privata nel pensiero di S. Zeno da Verona, Trento 1982; ders., Originalità. 20 Etwa B. P ESCI, De Christianarum antiquitatum institutionibus in Sancti Zenonis Veronensis Episcopi sermonibus, Anton. 23, 1948, 36–42; M. R. MALESANI, Prassi liturgica e antichità cristiana nei sermoni di San Zeno, Diss. masch. Padua 1958 / 59; O. P ERLER, Die Taufsymbolik der vier Jahreszeiten im Baptisterium bei Kelibia, in: Mullus. FS T. Klauser, hg. v. A. Stuiber u. A. Hermann, Münster 1964, 282–290; E. J. KELZENBERG, An Investigation of the baptismal writings of Zeno of Verona, Diss. Notre Dame, Ind. 1967; G. DE P AOLI, L’iniziazione cristiana nei sermoni di S. Zeno di Verona, RivLi NS 54, 1967, 407–417 (Die dem Aufsatz zugrunde liegende maschinenschriftliche Dissertation „I sermoni di San Zeno di Verona. Contributo alla storia della catechesi e della liturgia della iniziazione cristiana“, Rom 1969, konnte für diese Arbeit nicht herangezogen werden, da der Verfasser der Dissertation eine notwendige Kopiererlaubnis nicht gewährte und sie daher nur im Sekretariat des Pontificio Ateneo di S. Anselmo hätte eingesehen werden können. Darauf wurde angesichts der marginalen Bedeutung für die vorliegende Untersuchung verzichtet. Prof. Dr. Matthias Skeb OSB, Rom, danke ich dennoch herzlich für die Vermittlungsbemühungen.); ders., Immagini del divenire cristiano nei sermoni di San Zeno, AnStZ 4, 1986, 11–18; C. T RUZZI, La liturgia di Verona al tempo di San Zeno (ca. 360–380). Riti, usanze, teologia, StPat 27, 1980, 539–564; F. SEGALA, Il Sermone dello Zodiaco. Simboli e concezione in san Zeno di Verona, in: Festeggiamenti in onore di San Zeno patrono di Verona. 24–25 aprile 1982, hg. v. der Comune di Verona, Verona 1982, 5–13; G. P. J EANES, Easter; ders., Early Latin Parallels to the Roman Canon? Possible References to Eucharistic Prayer in Zeno of Verona, JThS NS 37, 1986, 427–431; ders., The Paschal Liturgy in Zeno of Verona, in: Papers of the 1983 Oxford Patristic Conference [meist bibliographiert als: Papers of the Ninth International Conference on Patristic Studies], Bd. II, hg. v. E. A. Livingstone, Kalamazoo / Löwen 1989 [oft bibliographiert: 1990], 375–379; D. KARAY [T RIPP], Let the Children Lead the Way. A Case for Baptizing Children, Worship 61, 1987, 336–349; C. P EZZIN, San Zeno, il diavolo e l’acqua. Un vescovo del IV secolo tra esorcismo e battesimo, AnStZ 14, 1997, 17–30; A. SOLIGNAC, Les lectures de la vigile et du jour de Pâques à Vérone au temps de Zénon, REAug 45, 1999, 261–275 und M. S. GROS, La vigile pascale à Vérone dans les années 360–380, EO 18, 2001, 11–23; zuletzt L. J. J OHNSON, Worship in the early church. An anthology of historical sources, Bd. II, Collegeville, Minn. 2009, 8–10. 21 Etwa L. P ADOVESE, La dottrina ecclesiologica di Zeno da Verona, Laur. 20, 1979, 247–263; ders., Eresia; O. VICENTINI, La morale nei sermoni di San Zeno vescovo di Verona, StPat 19, 1982, 241–284; ders., San Zeno moralista-pastore, AnStZ 3, 1985, 11– 16; G. SGREVA, Teologia; ders., L’ecclesiologia negli scritti di san Zenone. Figure e immagini della Chiesa, AnStZ 8, 1990, 11–18. 22 Y.-M. DUVAL, Le livre de Jonas dans la littérature chrétienne grecque et latine, Bd. I, Paris 1973, 219–226; G. B ANTERLE, I sermoni di S. Zeno de Abraham, AMAV 6. Ser. 32, 1980 / 81, 241–261; V. B OCCARDI, Quantum spiritaliter intellegi datur. L’esegesi di Zenone di Verona, Aug. 23, 1983, 453–485; G. SGREVA, L’uso della sacra scrittura nei sermoni di Zenone di Verona, in: S. Zeno. La figura, il magistero, il culto, hg. v. Comitato per le celebrazioni di S. Zeno, Verona 1988, 59–71.

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tion 24 und schließlich zur kultischen Verehrung Zenos. 25 Trotz der Aufnahme Zenos in spezielle Überblickswerke zu Verona26 auf der Grundlage 23 G. B. P IGHI, Scrittori latini di Verona Romana, in: Verona e il suo territorio, Bd. I, hg. v. Istituto per gli studi storici veronesi, Verona 1960, 261–365, hier: 352–356 (seine Einordnung Zenos bleibt allerdings sehr an der Oberfläche; F. T ASCA DIRANI, Il „Sermone dello Zodiaco“ di Zeno di Verona (I,38). „Astrologia Praedicabilis“ ed inculturazione, Ang. 83, 2006, 533–556, hier: 556, Anm. 99, spricht von einer „opera confezionata per rappresentanza, iperlocalistica“); L. P ALANCA, The Prose Rhythm and Gorgianic Figures in the Sermons of St. Zeno of Verona, Diss. Washington, DC 1970; ders., Prose Artistry and Birth of Rhyme in St. Zeno of Verona, New York 21972; L. MAŁUNOWICZOWNA, O niekotórych wlasciwosciach stylu Zenona z Werony, Eos 61, 1973, 273–288; U. B ARELLI, L’„Arcadio“ di Zenone. Contributo alla conoscenza del latino di Zenone Veronese, AMAV 6. Ser. 32, 1980 / 81, 139–149; C. T RUZZI, „Non fucatus sermo, sed veritas pura“. Note sulla predicazione di san Zeno, AnStZ 14, 1996, 11–16; ders., Zeno di Verona, in: Dizionario di omiletica, hg. v. M. Sodi u. A. M. Triaca, Torino 1998, 1688–1690; M. A. MASCARI, Zeno, Gaudentius and Chromatius. The Dynamics of Preaching in Northern Italy (360–420), Diss. masch. Washington, DC 1996 = UMI Microform No. 9629887, 106–155; zum Vergleich des Stils der Katechese Zenos mit dem der Katechesen des Gaudentius von Brescia, des Maximus von Turin und des Chromatius von Aquileia s. auch F. T RISOGLIO, Massimo di Torino. Il Pastore dinanzi ai suoi fedeli, Aug. 47, 2007, 145–169, hier: 141–143. 24 J. DOIGNON, Quisque suos patimur manes (Virgile, Enéide 6,743) dans le christianisme latin à la fin du IVe siècle. Zénone de Vérone, Ausone, Ambroise, in: Colloque L’épopée gréco-latine et ses prolongements européens. Calliope II, hg. v. R. Chevalier, Paris 1981, 107–116. 25 Etwa H. VOGEL, Über die Anfänge des Zenokultes in Bayern, in: Bavaria christiana. Zur Frühgeschichte des Christentums in Bayern. FS A. W. Ziegeler, hg. v. W. Gessel, München 1973, 177–203; G. P HILIPPART, La fête de S. Zénon de Vérone le 8 décembre, AnBoll 92, 1974, 347f.; K. GAMBER, Der Zeno-Kult in Regensburg. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums in Bayern, BGBR 11, 1977, 7–24; F. SEGALA, Il culto di S. Zeno nella liturgia medievale fino al secolo XII. Contributo allo studio sull’interpretazione delle messe in memoria del santo vescovo di Verona, SDSL 1, Verona 1982; A. VECCHI, I luoghi comuni dell’agiografia. Saggio sulla legenda veronese di S. Zeno, Aug. 24, 1984, 143–166; E. ANTI, Animali e ambiente nell’agiografia zenoniana, AnStZ 11, 1993, 25–34; dies., Il pesce che non cuoce. Qualche ipotesi sull’origine di un celebre miracolo zenoniano, AnStZ 12, 1994, 35–42. 26 Etwa D. CERVATO, Diocesi die Verona, Storia religiosa del Veneto VIII, Padua 1999, 35–49; dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung vorangegangener Forschungsergebnisse ohne präzise Belege, jedoch mit ungefähren Verweisen innerhalb der jedem Kapitel folgenden umfänglichen Bibliographie. Schon in diesem Werk, ebd., 60, macht der Autor selbst auf Eigenplagiate aufmerksam, die auch für das nachfolgende Überblickswerke aus seiner Feder bestimmend werden und den Wert dieser ‚Neuerscheinung‘ erheblich einschränken: ders., Verona Sacra. Profilo di Storia della Chiesa Veronese, Bd. I, Verona 2000, 55–70; das zuletzt genannte Werk arbeitet aber erfreulicherweise präziser mit Belegen im Fußnotenapparat. S. auch G. EDERLE / D. CERVATO, I vescovi di Verona. Dizionario storico e cenni sulla Chiesa Veronese, Verona 2002, 17–19. Bei dieser jüngsten Veröffentlichung, bei der Cervato als Herausgeber fungierte, handelt es sich um eine Neuauflage von G. EDERLE, Dizionario cronologico bio-bibliografico dei

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1. Kapitel: Einleitung

vorangegangener wissenschaftlicher Untersuchungen und trotz weiterer Aufsätze und ausdrücklich Zeno gewidmeter Fachbuch-Kapitel zu Detailfragen in jüngerer Zeit 27 schreibt Claudio Moreschini noch 2007 in der deutsch-sprachigen Ausgabe seines „Manuale di letteratura cristiana greca e latina“ in seinem Beitrag von nur etwa einer halben Seite zu Zeno abschließend: „Zenos Homilien sind … ein sehr wertvolles Produkt der lateinischen Kultur des 4. Jahrhunderts und wären deshalb eine sorgfältigere Untersuchung als bisher wert.“28 Eine solche Untersuchung wurde auch in den Jahren nach Erscheinen der deutschen Ausgabe des Handbuchs noch nicht vorgelegt.29 Vescovi di Verona. Cenni sulla Chiesa Veronese, Verona 1965, ergänzt lediglich um die Viten der letzten Veroneser Bischöfe. 27 Die jüngst erschienenen Untersuchungen könnte man zum größeren Teil unter dem Aspekt ‚Frauen-Forschung‘ zusammen fassen: A. CANELLIS, Les figures feminines dans la prédication de Zénon de Vérone, in: Les Pères de l’Église et les femmes. Actes du colloque de La Rochelle 6 et 7 septembre 2003, hg. v. P. Delage, Jonzac 2003, 116–149; T. KLIBENGAJTIS, Hiobs Weib in der Exegese der lateinischen Kirchenväter. Ein Beitrag zur patristischen Frauenforschung, ACra 38 / 39, 2006 / 2007, 197–229, hier: 213f.; M. HOFMANN, Maria, die neue Eva. Geschichtlicher Ursprung einer Typologie mit theologischem Potential, MSt 21, Regensburg 2011, 405–407. Weitere Veröffentlichungen gehören in den Kontext Astrologie und kreisen sämtliche um Traktat I 38: F. T ASCA DIRANI, Sermone; R. B ECK, Make-Believe Star-Talk. Zeno of Verona’s Baptismal Interpretation of the Zodiac, in: ders., The Religion of the Mithras Cult in the Roman Empire. Mysteries of the unconquered sun, Oxford 2006, 175–177; T. HEGEDUS, Zeno of Verona, Tractate 1.38, in: ders., Early Christianity and ancient astrology, New York u. a. 2007, 353– 373. Dazu kommt schließlich noch eine Untersuchung zum ‚Alltagsleben‘ in den zenonischen Traktaten: G. RAPISARDA, Umorismo e vita quotidiana in Zenone da Verona, in: Riso e comicità nel cristianesimo antico. Atti del convegno di Torino, 14–16 febbraio 2005, e altri studi, hg. v. C. Mazzucco, Alessandria 2007, 655–660. Etwas paränetisch: G. LAITI, Attualità di San Zeno ottavo vescovo e patrono di Verona, AnStZ 19, 2001, 11–14. – Weitere Einzeluntersuchungen, die sich nicht den genannten Themenkomplexen zuordnen lassen, sind in dieser Arbeit an inhaltlich geeigneten Stellen als Sekundärliteratur berücksichtigt, so dass eine vollständige Übersicht über die Zeno betreffende Sekundärliteratur aus dem Literaturverzeichnis (ggf. unter Zuhilfenahme des Namensregisters, das in diesem Fall dem Erschließen der Publikationsinhalte dienen kann) dieser Arbeit erschlossen werden kann. Spezifische (allerdings nicht vollständige) Zeno-Bibliographien bieten darüber hinaus: P. SIMONI, Appunti per una bibliografia degli scritti di san Zeno, AnStZ 7, 1989, 35–44; S. SARTORI, Bibliografia zenoniana. Indici 1983–2003, AnStZ 21, 2003, 105–167; F. T ASCA DIRANI, Sermone, 554–556, Anm. 93–102. 28 C. MORESCHINI / E. NORELLI, Handbuch der antiken christlichen Literatur, Gütersloh 2007, 400. In der Einleitung der inzwischen vergriffenen und nicht wieder neu aufgelegten deutschen Ausgabe, ebd., 4, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die deutsche Ausgabe in einigen Punkten die Bibliographie gegenüber der italienischen Originalausgabe von 1996 aktualisiert habe. Unter „Zeno von Verona“, ebd., 400, findet sich jedoch ausschließlich der Hinweis auf die Edition von Löfstedt. 29 Vgl. P. ROUSSEAU, Homily and Asceticism in the North Italian Episcopate, in: Chromatius of Aquileia and his Age. Proceedings of the International Conference held in

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II. Autorschaft und Datierung Die 92 Traktate sind in den Handschriften einheitlich (und daran anknüpfend auch in den Editionen) einem Sanctus / Beatus / Divus Zeno, episcopus / presul Veronensis zugeschrieben.30 Ob diese Traktate von dem im 4. Jahrhundert in Verona wirkenden Bischof Zeno stammen, wer dieser war, wie viele Traktate tatsächlich demselben Verfasser zuzuschreiben sind, und wann genau sie verfasst wurden, „darüber hat es mit dem Erscheinen der Erstauflage eine rege wissenschaftliche Diskussion gegeben,“ 31 die bis heute nicht in allen Fragen zu einheitlichen Ergebnissen geführt hat. Dass es sich bei dem Verfasser um einen Bischof handelt, legen die Traktate selbst nahe. Dafür sprechen die recht hohe Anzahl von Tauf- und Osterpredigten sowie Traktat II 6 anlässlich einer Kirchweihe. 32 Möglicherweise stammt der Verfasser aus dem afrikanischen Raum. Bedeutendster Hinweis darauf ist das Vorhandensein des Traktates I 39, der die Passio des heiligen Arcadius aus Cäsarea in Mauretanien beinhaltet.33 Es liegt nahe, dass ein Afrikaner die Passio verfasst hat, da Arcadius andernorts relativ unbekannt war. Ob die Passio und der Traktat jedoch dem Autor der übrigen Traktate zugeschrieben werden kann, ist aufgrund des Stils von I 39 umstritten.34 Neben der genannten Passio könnten auch Reminiszenzen aus Apuleius, Tertullian, Cyprian und Laktanz sowie die Benutzung der Testimonien des Cyprian (Ad Quirinum) auf eine Verbin-

Aquileia, 22–24 May 2008, hg. v. P. F. Beatrice u. A. Peršič, Turnhout 2011, 145–161, zu Zeno 156–161, hier: 156f.: „We know very little about him [sc. Zeno], which probably explains the relative dearth of secondary literature: little of substance (specifically on Zeno) has appeared since Bigelmairs’s Habilitationsschrift of 1904. I have found him a very attractive homilist. Certainly, his theology seems richer, not least in the way he presents it pastorally.“ 30 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 5*. 31 Ebd. 32 S. ebd., 7*. 33 P ASS. ARCAD. (551–553 Ruinart); vgl. B IBLIOTHECA HAGIOGRAPHICA LATINA antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., hg. v. der Societé des Bollandistes, BHL I u. II, Brüssel 1898 / 1901, hier: I, 106 und M. SALSANO, Art. Arcadio, BSS II, 31998, 346–348; zu den für die kritische Ausgabe kollationierten Handschriften s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 42*– 44*. 34 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 6*, besonders 7*, Anm. 2. Der Traktat selbst wird von U. B ARELLI, Arcadio, 139f., aufgrund von Parallelen zu den übrigen Predigten Zeno selbst zugewiesen. Nichts spricht jedoch dagegen, dass Zeno eine Passio als Vorlage hatte, auf die er in I 39 zurückgreift; vgl. ebd., 147. Die Erhebung des Wortbefundes in dieser Arbeit wird die Hypothese einer Vorlage stützen.

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1. Kapitel: Einleitung

dung mit Afrika hinweisen.35 All diese Indizien haben jedoch keine absolut zwingende Beweiskraft.36 Als Terminus post quem für die Datierung der Traktate kann das Jahr 360 angesetzt werden, da sie die Benutzung des Psalmenkommentars des Hilarius von Poitiers verraten. Außerdem weist v. a. die antiarianische und antiphotianische Polemik der Predigten auf die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts, weiterhin für diese Zeit in den oberitalienischen Raum. 37 Zudem stehen die vorhandenen Handschriften alle in irgendeinem Zusammenhang mit Verona, sei es durch ihr Vorhandensein in veronesischen Bibliotheken, sei es durch direkte Hinweise liturgischer Art aus den Handschriften selbst.38 Dies stützt die Überlieferung des Verfassernamens als eines episcopus Veronensis. Für die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts gibt es mehrere Bezeugungen unterschiedlicher Qualität eines Bischofs Zeno von Verona. Älteste Quelle ist Brief 56 des Ambrosius von Mailand an Syagrius (nach 380), der einen bereits verstorbenen Zeno von Verona bezeugt.39 Zu Anfang des 5. Jahr35 Für Afrika sprechen sich u. a. aus: A. B IGELMAIR, Traktate, 22–25; P. MONCEAUX, Histoire, 366f.; gegen Afrika: v. a. F. E. VOKES, Zeno of Verona, Apuleius and Africa, in: Papers Presented to the Fourth International Conference on Patristic Studies Oxford 1963, Bd. II, hg. v. F. L. Cross, Berlin 1966, 130–134, hier: 131–134; auch F. C. ARNOLD, Zeno, 663. Zur von Zeno benutzten Bibelversion s. folgende Anm. 36 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 7*; auch Y.-M. DUVAL, L’influence des écrivains africains du IIIe siècle sur les écrivains chrétiens de l’Italie du Nord dans la seconde moitié du IVe siècle, in: Aquileia e l’Africa, 28 aprile – 4 maggio 1973, hg. v. S. Tavano, Udine 1974, 191–225, hier: 198: „l’utilisation par Zénon de Vérone des écrits de Tertullien, Cyprien, Lactance, ne suffit pas, comme on le dit trop facilement, à faire de lui un Africain installé à Vérone“. Gerade das Argument des von Zeno benutzten Bibeltextes konnte eindeutig entkräftet werden: Zeno verwendet in Teilen zwar die Testimonien des Cyprian; inzwischen gilt es aber als erwiesen, dass Zeno in weiten Teilen unabhängig von der afrikanischen Version einen norditalienischen Text benutzte, der sich in den Psalmen mit dem aus dem 4. Jahrhundert stammenden Psalter von Verona und in den Evangelien mit anderen „fortschrittlichen iatlienischen Texte[n]“, so H. J. FREDE, Neutestamentliche Zitate in Zeno von Verona, in: New Testament Textual Criticism. Its Significance for Exegeses. FS B. M. Metzger, hg. v. E. J. Epp u. G. D. Fee, Oxford 1981, 297–304, hier: 304, deckt; insgesamt s. ders., Zum Bibeltext Zenos von Verona, in: Epistula ad Timotheum 1, hg. v. H. J. Frede, VL XXV,1, 381–654, Freiburg 1975– 1982, 384–386; ders., Zitate, 297–304. 37 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 7*. Die von Löfstedt, ebd., als Kriterium benannte antipagane Polemik kann, wie die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen werden, nur sehr eingeschränkt als Datierungsstütze herangezogen werden. 38 S. ebd., 8*. 39 AMBR. epist. 8,56,1 (= Maur. 5) (CSEL 82,2,84,11f. Zelzer) spricht von einem Zeno sanctae memoriae. Zur umstrittenen Datierung des Briefes zwischen 380 und dem Lebensende des Ambrosius 397 s. J. DOIGNON, Zeno von Verona, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. V, hg. v. R. Herzog u. P. L. Schmidt, HAW VIII,5, München 1989, 421–425, hier: 421, Anm. 1; vgl. auch A. B IGELMAIR, Traktate, 12; auch

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hunderts hält ein Bischof Petronius eine Predigt anlässlich des Dies natalis des heiligen Zeno in Verona.40 Mit dem Ende des 6. Jahrhunderts beginnt die Produktion legendarischer Berichte. Gregor der Große berichtet von einem Wunder des Heiligen.41 Im 8. Jahrhundert verfasst ein gewisser Coronatus eine Vita Zenonis.42 Vom Ende des 8. Jahrhunderts stammt auch das so genannte Velo di Classe, ein aus Verona stammendes Altarantependium, heute im Museo Nazionale in Ravenna, das Zeno in einer Liste als den achten Bischof von Verona aufführt. 43 Ebenfalls der anonyme Versus de Verona vom Anfang des 9. Jahrhunderts, auch Rhythmus Pipianus genannt, ein 33-strophiges Gedicht über die Herrlichkeit Veronas, nennt Zeno als den achten Bischof.44 Im 12. Jahrhundert schließlich wird im süddeutschen Bereich eine erweiterte Zeno-Vita verfasst. 45 Damit war der Grund für eine über Verona hinausgehende Verbreitung eines Zenokultes gelegt.46 Insbesondere die legendarischen Berichte drangen auf diesem Weg auch in liturgische Texte ein, in denen Zeno überdies als Märtyrer bezeichnet wird.47 Gegen eine Verfasserschaft der Traktate durch Zeno von Verona könnte angeführt werden, dass weder Hieronymus noch Gennadius von Marseille noch Isidor von Sevilla Zeno in ihren Schriftstellerlisten erwähnen. Dies lässt sich jedoch auch durch die älteste Überlieferungsgeschichte der Trak-

Y.-M. DUVAL, Originalité, 62–64, der eine Überschneidung der Amtszeiten der beiden Bischöfe Ambrosius und Zeno durchaus für möglich hält. 40 P ETRON. B ONON. serm. 1 (Morin). Der Verfasser wird üblicherweise bezeichnet als Petronius von Bologna; so auch A. B IGELMAIR, Traktate, 12; P. MONCEAUX, Histoire, 368, weist dagegen die Predigt einem Petronius von Verona zu. Zum Zusammenhang zwischen Petronius von Bologna, Petronius von Verona und der genannten Predigt s. B. DÜMLER, Art. Petronius von Bologna, LACL, 32002, 565. 41 GREG. M. dial. 3,19,2f. (SC 260,346.348,11–28 de Vogüé). 42 CORONATUS NOTARIUS, Vita S. Zenonis episcopis Veronensis (PL 11,199–204); dazu B. LÖFSTEDT, Tractatus, 11*; P. MONCEAUX, Histoire, 368; A. B IGELMAIR, Traktate, 13–15; ders., Zeno, 35–68. V. a. die von Coronatus angeführten Lebensdaten Zenos gelten inzwischen allgemein als legendarisch. 43 VELO DI CLASSE (GNI 3,195–249 Cipolla); s. auch A. B IGELMAIR, Zeno, 37f. und ders., Traktate, 10. 44 VERSUS DE VERONA 14–18 (MGH.PL 1,121 Dümmler); s. auch A. B IGELMAIR, Zeno, 35–37, und ders., Traktate, 10. 45 Ediert wurde diese VITA ZENONIS EPISCOPUS VERONENSIS von Scipio Maffei in seiner Istoria diplomatica, Mantua 1727, 320–330. Zum Ganzen s. auch BHL II, 1299– 1301. 46 Schon frühzeitig gab es in Verona eine Kirche über dem Grab Zenos; so A. B IGELMAIR , Traktate, 12.32f.; zum Kult ebd. 49–51. 47 S. A. B IGELMAIR, Traktate, 16.31. Einen Überblick über die hagiographischen Quellen zu Zeno und das Bild, das sie zeichnen, bietet M. HUMPHRIES, Communities, 66–69.

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1. Kapitel: Einleitung

tate erklären.48 Sie waren ursprünglich wohl nur in der näheren Umgebung Veronas bekannt, was u. a. darauf schließen lässt, dass eine Veröffentlichung der Traktate nicht von Anfang an geplant war. 49 Dass überhaupt eine Sammlung der Traktate überliefert ist, könnte seinen Grund darin haben, dass die Predigten zu liturgischen Zwecken in Verona gesammelt und kopiert worden sind.50 Lange Zeit hatte man (trotz der Verbringung des Codex Remensis von Verona nach Reims im Jahr 840) 51 angenommen, dass „die Kenntnis von Zenos Predigten bis zum Erscheinen der ersten gedruckten Edition im Jahre 1508 hauptsächlich auf Verona beschränkt war“ 52 und die Traktate erstmals im 10. Jahrhundert durch Ratherius von Verona zitiert worden seien.53 Inzwischen konnten jedoch sowohl Belege dafür beigebracht werden, dass mindestens zwei der Traktate gegen Ende des 7. Jahrhunderts einem Kopisten des Antiphonars von Bangor (Irland) zugänglich waren,54 als auch dafür, dass die Traktate bereits in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Südgallien kursierten. 55 Außerdem sprechen Indizien dafür, dass die zenonischen Traktate dem Verfasser ei-

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S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 9*; auch A. B IGELMAIR, Traktate, 21f. S. A. B IGELMAIR, Traktate, 21. 50 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 10*f. Neuerdings wendet sich gegen diese These, die auch beinhaltet, dass der Text so wie er vorliegt ein vom Sammler bearbeiteter sei, G. P. J EANES, Easter, 31–53. Nachweislich liturgisch genutzt wurden nur zwei Handschriften, Codex R und P; s. ebd., 40f. 51 S. J. C. GIULIARI, Sermones, LXXXII, wonach der Codex Remensis zunächst in Verona benutzt, im Jahr 840 aber von Hinkmar von Reims eben dorthin gebracht worden sei. 52 B. LÖFSTEDT, Tractatus, 11*. 53 Ebd.; nach A. B IGELMAIR, Traktate, 19, war Ratherius aus dem Kloster Lobbes († 974 in Namur) nur vorübergehend Bischof von Verona. 54 S. A. GALLI, Zénon de Vérone dans l’antiphonaire de Bangor, RBen 93, 1983, 293–301. Auf welchem Wege die Traktate (vermutlich als Teil einer gallikanischen Liturgie aus Oberitalien) nach Irland vermittelt wurden, scheint bisher nicht geklärt. M. S. GROS, Vigile, 23, geht davon aus, dass der Vermittler die Gemeinschaft des Columbanus in Bobbio gewesen sein könnte. 55 S. F. DOLBEAU, Zenoniana, 10–14; A. DE P RISCO, Evagrio Scolastico, la Bibbia e Zenone di Verona in Gregorio „Gloria Martyrum 9“, in: ders., Gregorio di Tour agiografo. Tra ricerca e didattica, Padova 2000, 33–60. Zur Frage des Abhängigkeitsverhältnisses der Cena Cypriani s. C. MODESTO, Studien zur Cena Cypriani und zu deren Rezeption, Classica Monacensia 3, Tübingen 1992, 110. Zur Frage der Richtung des Abhängigkeitsverhältnisses neuerdings auch M. MANCA, Modalità del comico nella Coena Cypriani, in: Riso e comicità nel cristianesimo antico. Atti del convegno di Torino, 14–16 febbraio 2005, e altri studi, hg. v. C. Mazzucco, Alessandria 2007, 481–501, hier: 485f., Anm. 14. Einen ausführlichen Vergleich bietet ders., La Coena Cypriani fra pantagruelismi letterari e oralità popolare, in: Incontri triestini di filologia classica 8, 2010, 85–97, hier: 86–90. 49

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ner Reihe pseudo-augustinischer Sermones bekannt waren, 56 den man gar für einen Schüler Zenos halten möchte.57 Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde zunächst in einer Monographie, der kurz darauf die Herausgabe einer Textausgabe 58 folgte, ein vehementer Versuch unternommen, Zeno die Verfasserschaft der Traktate abzuerkennen. Nach Montorsi geht die Sammlung der unter dem Namen Zenos überlieferten Predigten auf zwei Verfasser zurück, nämlich auf einen älteren Geminianus von Modena (ca. 344–396) als Verfasser des ersten Buches und auf einen jüngeren Bischof gleichen Namens (zweites Viertel des 5. Jahrhunderts) als Verfasser des zweiten Buches. 59 Die Zuweisung basiert auf der These des in Modena tätigen Herausgebers, dass die Vita des älteren Geminianus nicht, wie bisher allgemein vertreten, aus dem 10. Jahrhundert stamme und von der des Zeno von Verona abhänge, sondern dass sie vielmehr als die ursprünglichere der des Zeno zugrunde liege. Die auf diesem Hintergrund vorgenommene Zuweisung der Traktate an mindestens zwei von Zeno verschiedene Autoren habe, so Montorsi, ihren Grund zum einen in den „manifeste discrepanze stilistiche“, zum anderen in der „sorprendente identicità di concezione e di forma“ zahlreicher Traktate.60 Als Schüler des ersten Geminianus habe sein Nachfolger in einem kaum veränderten Ambiente die Themen seines großen Vorgängers aufgegriffen.61 Einige wenige Beispiele für den unterschiedlichen Stil werden angeführt,62 ihre Eigenart besteht v. a. im Fehlen einzelner Termini im zweiten Buch, der gegenteilige Fall ist eher selten. Die ‚manifesten Diskrepanzen‘ werden nur angedeutet, die Schwierigkeit, „qualche divergenza nella forma di due prodotti letterarie“ aufzuzei56

S. F. DOLBEAU, Zenoniana, 14–19. S. ebd., 18. Allerdings kommt A. CANELLIS, Zénon de Vérone et 11 sermons ps-augustiniens, masch. Magisterarbeit Lyon 1988, die in ihrer Arbeit den Text der pseudoaugustinischen Sermones kritisch ediert und in der Einleitung der Arbeit auch der Frage der Verfasserschaft philologisch und inhaltlich nachgeht, s. ebd., 249, sogar zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeno selbst der Verfasser der elf pseudoaugustinischen Traktate sei. Da die Magisterarbeit, die Ergebnisse der Untersuchung der Verfasserschaft oder der Text der Traktate (bis auf eine Ausnahme, s. dies., Le sermon pseudo-augustinien App. 46 „De fame samariae“ serait-il de Zénon de Vérone?, in: L’Antiquité en ses confins. FS B. Gain, hg. v. A. Canellis u. M. Furno, Grenoble 2008, 23–36, hier: 28–33) auch 25 Jahre nach Abfassung der Magisterarbeit nicht publiziert und damit einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, bleiben die elf Traktate in der vorliegenden Arbeit unberücksichtigt. 58 Diese gibt brisanterweise den von Löfstedt unter dem Namen Zenos edierten Text exakt wieder; verändert wurde lediglich der Titel! 59 S. W. MONTORSI, La lunga eclissi. Geminiano „rifondatore“ e Geminiano „difensore“, padri della Chiesa, Biblioteca N. S. 110, Modena 1989; ders. (Hg.), Trattati e sermoni di San Geminiano „protettore“, vescovo di Modena libri tre, segue libro di trattati e sermoni di Geminiano „difensore“, vescovo di Modena, già attribuiti a San Zeno, vescovo di Verona, Biblioteca Serie speciale: Deputazione di Storia Patria per le Antiche Provincie Modenesi 15, Modena, 1991, 1–92. Montorsi wiederholt seine Thesen in einer zweiten Monographie: ders., Geminiano e Zenone. Due santi per una leggenda, Modena 1993. 60 W. MONTORSI, Trattati, 9. 61 S. ebd. 62 S. ebd., 17f.28–30. 57

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1. Kapitel: Einleitung

gen, wird auf „quella vicinanza naturale“ der beiden Verfasser zurückgeführt, von denen ausdrücklich gesagt wird, „che ovviamente hanno in comune assai più che il nome.“ 63 Abgesehen von dem etwas antiquierten und häufig polemisch-ironischen Sprachduktus der beiden Arbeiten Montorsis vermittelt die Widersprüchlichkeit der Argumentation den Eindruck eines von einem gewissen Lokalpatriotismus inspirierten Konstruktes. 64 Die Arbeiten Montorsis wurden in der Zeno-Forschung bis auf zwei lokale, die Thesen verwerfende Entgegnungen65 bis heute nicht rezipiert. Etwaige stilistische Differenzen zwischen Buch I und II der zenonischen Traktate konnten im Kontext dieser Arbeit keine Bestätigung finden.

Zur Frage der Autorschaft und Datierung kann daher festgehalten werden: Mit höchster Wahrscheinlichkeit gehen die Traktate auf Zeno von Verona zurück, der nach 360 dort als Bischof tätig war. Ob sein Episkopat sich mit dem des Ambrosius von Mailand überschnitt, kann nicht beantwortet werden. Die Annahme, dass Traktat I 14 eine Anspielung auf die Schlacht von Adrianopel im Jahre 378 enthalte, ist umstritten 66 und kann daher nur mit Vorsicht herangezogen werden.67 Weitere Indizien, die sich im Folgenden aus der Sichtung der Traktate nach Reflexen auf die religionspolitischen Entwicklungen ergeben werden,68 lassen ein Wirken Zenos nach 380 jedoch als unwahrscheinlich erscheinen.69

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Ebd., 30f. Diese Einschätzung wurde mir in einem Brief vom 16. Mai 1996 von Prof. em. Dr. Manlio Simonetti, damaliger Ordinarius am Dipartimento di Studi Storico-Religiosi der Universität „La Sapienza“ in Rom und selbst ausgewiesener Zeno-Kenner, bestätigt. S. neuerdings auch F. T ASCA DIRANI, Sermone, 554, Anm. 94, die von „campanilismo provincialista“ spricht. 65 Eine Modeneser Gegendarstellung bietet P. GOLINELLI, Modena, san Geminiano e san Zeno. A proposito di recenti ipotesi storiografiche, ADSPM 11. Ser. 15, 1993, 79– 90. Im Veroneser Bereich reagiert E. ANTI, Zeno di Verona e Geminiano di Modena. Due Vitae a confronto, AnStZ 13, 1996, 27–51, mit einer hagiographie-geschichtlichen Untersuchung (einschließlich einer synoptischen Gegenüberstellung der beiden Viten), der eine kurze Forschungsgeschichte zu den Viten vorangestellt ist; s. ebd., 27–29. Lediglich in einer Fußnote, ebd., 49, Anm. 19, erwähnt sie die Arbeiten Montorsis und referiert dessen Auseinandersetzung mit seinem Modeneser Kollegen Golinelli. Neben diesen beiden lokalen Reaktionen findet man lediglich die rein beschreibende, sich jeder Bewertung enthaltende Rezension von R. GODDING, Rezension zu W. Montorsi (Hg.), Trattati e Sermoni … , AnBoll 112, 1994, 213f. Vgl. E. DEKKERS, Clavis Patrum Latinorum, Steenbrugge 31995, 71. Das völlige Ignorieren der Thesen Montorsis nimmt Anti zum Anlass für ihre Untersuchung; s. dies, Zeno, 27. 66 Neuerdings jedoch wieder vertreten von R. LIZZI, Fra prosopografia e antichità Veronesi. Il consularis Venetiae et Histriae Valerius Palladius, RIL 122, 1988, 145–164, hier: 160f. 67 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 8*, Anm. 5. 68 S. u. S. 59f. 69 Genauere Festlegungen des zenonischen Episkopats, wie etwa auf die Zeit von 362–370 / 71, so A. B IGELMAIR, Zeno, 53; ders., Traktate, 25f.31, oder die Jahre 356– 64

B. Das Material

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III. Literarisches Genus, Stil, Inhalte Der in den Handschriften überlieferte Text wird dort regelmäßig als tractatus bezeichnet. Mit diesem Terminus werden im frühchristlichen Sprachgebrauch seit Cyprian (v. a. exegetisierende) Predigten benannt. 70 Eine parallele Benennung einer Predigtsammlung findet sich im oberitalienischen Raum beispielsweise für die Predigten des Maximus von Turin.71 Später werden auch theoretische Abhandlungen als tractatus bezeichnet;72 der Inhalt der zenonischen Traktate zeigt jedoch, dass es sich in diesem Fall eindeutig um Predigten und kurze Ansprachen handelt. 73 Sie enthalten Hinweise auf vorangehende oder nachfolgende Elemente des christlichen Gottesdienstes.74 Zeno selbst versteht dagegen unter tractatus eine theoretische Abhandlung,75 seine eigene Predigt bezeichnet er durchgängig als sermo.76 (Dennoch wird in dieser Arbeit die in den Handschriften tradierte und deshalb etabliertere Bezeichnung tractatus bzw. Traktate für die Predigten beibehalten.) Gegen die Position, dass die frühchristliche Predigt entwicklungsgeschichtlich in der Nachfolge der antiken Diatribe stehe, 77 hat sich in der Forschung neuerdings Widerstand geregt. Zum einen stelle die Diatribe eine nicht ganz leicht fassbare Größe dar; andererseits verdankten Hieronymus und Augustin ihre Fähigkeit, eine Gemeinde erfolgreich zu belehren, zu ‚fesseln‘ und gar zum Handeln zu bewegen, zweifellos nicht irgendwelchen namenlosen Wanderphilosophen: Ihr Werdegang – der damals übliche – spräche entschieden gegen eine solche Annahme. Wenn sie z. B. – was ein ‚typisches‘ Merkmal des Diatribenstils sein soll – ihre Predigten vielfach dadurch belebten, dass sie fiktive Einredner mit zweifelnden, kritischen, empörten Fragen oder Zwischenbemerkungen zu Worte kommen ließen, so hätten sie sich ein solches Kunstmittel gewiss nicht auf dem Markt angeeignet. Sähe man von einer bereits verfestigten Tradition innerhalb der Kir-

380, so P. u. G. B ALLERINI, Opera, 77–82; vgl. A. B IGELMAIR, Zeno, 51f., beruhen weitgehend auf wenig überzeugenden Rechenexempeln; s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 9*–11*. 70 S. C. MOHRMANN, Praedicare–Tractare–Sermo, in: dies., Études sur le latin des chrétiens, Bd. II, SeL 87, Rom 1961, 63–72, hier: 70; B. LÖFSTEDT, Tractatus, 5*, Anm. 1; A. B IGELMAIR, Zeno, 92. 71 MAX. T AUR. (CChr.SL 23 Mutzenbecher); zum „Textcharakter“ dieser tractatus s. A. MERKT, Maximus I. von Turin. Die Verkündigung eines Bischofs der frühen Reichskirche im zeitgeschichtlichen, gesellschaftlichen und liturgischen Kontext, SVigChr 40, Leiden / New York / Köln 1997, 18–34. 72 S. B. STUDER, Schola, 173f. 73 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 9*; A. B IGELMAIR, Traktate, 17.47. 74 S. ebd., 47f. 75 S. II 3,6. 76 Etwa in I 5,17; I 10B,1; I 39,1; I 47; II 6,1; II 18,1; vgl. u. S. 512, Anm. 526. 77 Für Zeno A. B IGELMAIR, Traktate, 48; auch J. DOIGNON, Zeno, 422f.

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1. Kapitel: Einleitung

che ab, so sei es ihnen sogar in der hohen Literatur entgegen getreten: etwa in den ihnen wohlvertrauten philosophischen Schriften Ciceros oder bei Seneca.78 Gilt dies für Hieronymus und Augustin, so lässt es sich auch auf die Traktate des Zeno übertragen. Sie werden in der jüngeren Literaturwissenschaft immerhin neben denen eines Ambrosius, Augustin und Leo des Großen als in der Tradition antiker Redekunst stehend und damit exemplarisch für den Westen bewertet. 79

Das Urteil über die frühchristliche Predigt und damit auch über die Traktate Zenos ist also dahin gehend zu ändern, dass sie vielmehr in der Tradition der antiken Schulrhetorik stehen,80 wenn auch von Seiten der Prediger selbst gelegentlich der Eindruck zu erwecken versucht wird, man distanziere sich davon.81 Neuerdings konnte für die zenonischen Traktate gegenüber der Annahme, dass zwischen so gehaltenen und möglicherweise von Zeno anschließend selbst zur Veröffentlichung stilistisch überarbeiteten (längeren) Predigten und (kürzeren) vielleicht auch von Zeno wieder verworfenen Predigtentwürfen, die später von einem Sammler den Mitschriften von Stenographen hinzugefügt wurden, unterschieden werden müsse, 82 überzeugend dargelegt werden, dass die überlieferten Texte ohne Überarbeitung „verbatim“ so auf Zeno selbst zurückgehen: Es handele sich insgesamt um Skizzen Zenos, die er entsprechend antiker Rhetorik für den Vortrag (ohne die Absicht einer späteren Veröffentlichung) ausformulierte und anschließend ebenfalls entsprechend antiker Manier 83 weitgehend auswendig vortrug. Auch die kürzeren Traktate seien bis auf solche, die eindeutig 78

S. C. SCHÄUBLIN, Zum paganen Umfeld der christlichen Predigt, in: Predigt in der Alten Kirche, hg. v. E. Mühlenberg u. J. van Oort, Kampen (Niederlande) 1994, 25–49, hier: 26; gegen einen direkten Einfluss der Diatribe auf die christliche Predigt wendet sich A. MERKT, Maximus, 19. 79 S. L. J. ENGELS / H. HOFMANN, Literatur und Gesellschaft in der Spätantike. Texte, Kommunikation und Überlieferung, in: NHL IV. Spätantike, hg. v. K. von See, Wiesbaden 1997, 29–88, hier: 45; auch K.-H. UTHEMANN, Die Kunst der Beredsamkeit. Pagane Redner und christliche Prediger, in: NHL IV. Spätantike, hg. v. K. von See, Wiesbaden 1997, 265–320, hier: 305, reiht Zeno in die „Kunst der Beredsamkeit“ ein unter dem Stichwort „Im Westen nichts Neues“. 80 Ausführlich dazu B. STUDER, Schola, 103–113, unter ausdrücklicher Berücksichtigung Zenos, ebd., 107 und 112. Vgl. allerdings H.-I. MARROU, Augustinus, 441, Anm. 67, sicher zutreffend zur Homilie, dann aber verallgemeinernd: „Wenn man die Homilie unbedingt durch eine der antiken Literaturgattungen definieren will, dann muß man sie mit der vom grammaticus durchgeführten Texterklärung vergleichen … die christliche, augustinische Bildung übernimmt nicht so sehr die Technik des Rhetors als die des Grammatikers.“ 81 K.-H. UTHEMANN, Beredsamkeit, 306, übersieht bei dem Hinweis darauf, dass Zeno Apuleius als Vorbild zu schätzen wusste und damit nicht wie etwa Cyprian auf Distanz zum barocken Stil Afrikas ging, dass Zeno genau wie Cyprian „den ,verführerischen Reiz‘ (illecebra) des Wortes, den ästhetischen Genuß rhetorischer Kunstfertigkeit (delectatio) aus der Kirche verbannen“ wollte, sich aber selbst, ebenfalls genau wie Cyprian, nicht daran hielt. 82 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 9*f. 83 Vgl. B. STUDER, Schola, 105.

B. Das Material

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inhaltlich abbrechen und deshalb nur fragmentarisch überliefert sein können (etwa I 21; I 60; II 18), abgeschlossene Reden; dass sie kürzer seien, lasse darauf schließen, dass sie eine andere Funktion in der Liturgie (etwa als eucharistische praefatio oder als praeconium paschale) gehabt hätten als die längeren eigentlichen Predigten. 84

Der Einfluss antiker Rhetorik auf Zenos Traktate zeigt sich im Einzelnen u. a. in ihrer Gliederung gemäß der epideiktischen Rede. 85 Auch die Erwähnungen der Zuhörer und deren Anrede (als fratres) weisen in diese Richtung 86, insofern damit ein persönlicher Kontakt hergestellt wird. Die ‚Neuheit‘ der zenonischen Traktate als christlicher Predigt – sie sind die ältesten erhaltenen Zeugnisse dieser Literaturgattung des westlichen, lateinischen Christentums 87 – liegt gegenüber vorchristlicher Rhetorik in ihrem Sitz im Leben des Gottesdienstes und in ihrer Thematik. 88 Die Traktate sind insgesamt in einem stark moralisierenden Ton gehalten, der zugleich einen paränetischen wie ‚familiären‘ Charakter sichtbar werden lässt, 89 dies um so mehr, als es sich um in der Linguistik so genannte ‚mündliche Literatur‘ handelt, die in Form rhetorischer Handlung den Hörer ganz anders als einen nur lesend Rezipierenden ansprechen konnte. 90 Das Genus der Predigt gewährt daher dem heutigen Leser eine zum Teil sehr plastische Einsicht in die Lebensbedingungen der veronesischen Gemeinde, an denen der Prediger sich orientiert. Mit diesem Genus verbindet sich aber zugleich das Manko, dass die Inhalte, die Zeno vermitteln will, nicht erschöpfend und sytematisiert wie in einem theoretischen Handbuch ausgebreitet werden; erst die Gesamtlektüre lässt ein in die einzelnen Traktate einfließendes Gedankenkonstrukt erkennen, und dies wohl auch nur in den 84

S. G. P. J EANES, Easter, 43–49. Exordium – propositio mit partitio – refutatio; s. J. DOIGNON, Zeno, 422. Anders unter Bezug auf Augustin dagegen C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 31–33, auch 46, der eben nicht im epideiktischen, sondern im deliberativen Genus den formalen Vorläufer christlicher Predigt sieht. Allerdings schränkt er selbst, ebd., 33, ein, dass Augustin vermutlich nicht die damalige Communis opinio der christlichen Prediger vertreten habe. 86 Vgl. A. MERKT, Maximus, 31: „Dass Predigten als religiöse Sprachhandlung aufzufassen sind, ergibt sich auch aus der Anrede fratres, die für das ideale Selbstverständnis der Kultgemeinde bezeichnend ist. Die Bruder-Anrede dürfte in erster Linie auf das Vorbild der Briefliteratur zurückgehen.“ – Merkt hebt hier mehr auf das inhaltlich neue Christliche ab (s. hier Anm. 88); C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 38, beschreibt dagegen die Funktion des Stilmittels. 87 S. P. MONCEAUX, Histoire, 371; vgl. L. J. ENGELS / H. HOFMANN, Literatur, 45. 88 S. A. MERKT, Maximus, 20f.; C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 27, stellt dies insbesondere für die Homilie heraus. 89 A. MERKT, Maximus, 21, Anm. 111, spricht von „familiär“, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Ton der Predigt eine Vertrautheit von Prediger und Hörer erkennen lasse. 90 S. ebd., 22. Dies gilt auch für die kurzen Traktate, die als Entwürfe gedeutet werden, sind doch auch sie bestimmt von der Absicht, zur Gemeinde zu sprechen. 85

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1. Kapitel: Einleitung

Grundzügen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die erhaltenen Traktate lediglich einen Teil der Predigttätigkeit Zenos dokumentieren. 91 Das im Genus gegründete Fehlen einer erschöpfenden Systematik erklärt aber zugleich die zahlreichen inhaltlichen Wiederholungen wie sprachlichen Doppelungen: Die Gemeindemitglieder nehmen eben, da stark moralisierende Predigten wohl kaum ausschließlich der Erbauung dienen, kein Lehrbuch mit nach Hause, sondern lernen durch repetierendes Hören. Zeno bezeichnet sich selbst als einen „homo imperitissimus et elinguis.“ 92 In der Tat ist er oft um einfache Sprache und kurze Ausdrücke bemüht; dies scheint jedoch durchaus rhetorisch beabsichtigt. Die Traktate zeigen an anderen Stellen nämlich durchaus ein differenziertes Können, das die rhetorische Schulung Zenos deutlich erkennen lässt. Ganz dem Genus der Predigt entsprechend vermittelt Zeno damit auch sprachlich „zwischen zwei Kommunikationssystemen: der Schriftkultur der Gebildeten … und der mündlichen Kultur der illiterati“.93 Beide Gruppen sind offensichtlich unter den Hörern Zenos vertreten. In den rhetorisch deutlicher ausgearbeiteten Traktaten bedient sich Zeno unter dem Einfluss v. a. des Apuleius des Stils des so genannten Neuasianismus, gelegentlich auch als ‚afrikanischer Barock‘ (tumor Africus) bezeichnet, wie er eben gerade in Afrika den Geschmack bestimmte. 94 Entsprechend breit ist in den zenonischen Traktaten das Spektrum der verwendeten Stilmittel. Man trifft bei ihm auf eine auffällige Häufung von Gräzismen; mit Vorliebe bedient er sich zur Betonung der Anaphora, Alliterationen und Assonanzen. Die Sätze sind oft asyndetisch parallelisiert. Im Dienste einer Kunstprosa stehen auch gelegentlich Reime oder rhythmische Satzschlüsse. Die wichtigsten Gedanken formuliert Zeno der Einprägsamkeit wegen vielfach in Sentenzen.95 Der Gebrauch der Sprache Zenos in Bezug auf Syntax und Wortschatz entspricht weitgehend spätantiken Gewohnheiten. Was die Orthographie betrifft, lässt sich aufgrund der relativ jungen Handschriften über die Ei91

Vgl. G. P. J EANES, Easter, 46. II 1,1. 93 A. MERKT, Maximus, 25; vgl. auch ebd., 35: „Aus der bildungsmäßigen Heterogenität der Hörerschaft ergibt sich schon bei Cicero und Quintilian die rhetorische Forderung nach Einfachheit, Volkstümlichkeit und Klarheit … Diese Forderung … erhält bei den christlichen Predigern neue Schärfe.“ 94 Vgl. K.-H. UTHEMANN, Beredsamkeit, 267. 95 S. A. B IGELMAIR, Traktate, 45f.; ders., Zeno, 128–137; M. A. MASCARI, Zeno, 115–126; exemplarische Untersuchung der Satzschlüsse bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 118*–123*; dazu auch L. P ALANCA, Rythm, und ders., Artistry. – Soweit den Stilmitteln im Folgenden eine zu berücksichtigende Funktion zukommt, werden sie ausdrücklich genannt. 92

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genarten Zenos kaum eine Aussage treffen. Die meisten Vulgarismen sind vermutlich eher den Gewohnheiten der jeweiligen Kopisten zuzuschreiben.96 Insgesamt muss überhaupt festgestellt werden, dass der Text großenteils sehr schlecht überliefert ist. Häufig muss emendiert, manche Stellen müssen als ganz verderbt betrachtet werden.97 Über die Verwendung der genannten stilistischen Mittel hinaus unterstreicht Zeno die Eindringlichkeit seines Asianismus zudem durch den Einsatz zahlreicher, dem gebildeten und aufmerksamen antiken Zuhörer sicher bekannter Reminiszenzen. Erwähnt wurden bereits Apuleius, Cyprian, Laktanz und Tertullian.98 Bekannter dürften den Zuhörern allerdings Cicero, Horaz, Ovid, Sallust und Vergil gewesen sein. 99 Neben Zitationen und Anspielungen auf Schriften der genannten Autoren verwendet Zeno darüber hinaus Zitate und Reminiszenzen aus weiteren Schriften christlicher Autoren, aus den Apokryphen, dem Hirt des Hermas, Novatian, Hilarius 100 und – nach einer sehr hypothetischen und nicht unumstrittenen These von Duval – Origenes.101 Ein Teil der Traktate ist als Homilien, also als Bibeltexte fortlaufend exegetisierende Vorträge gehalten. Andere sind eher thematisch angelegt, indem sie sich einem Grundgedanken von verschiedenen Seiten nähern. Aber auch in diesen Predigten wird mit einer Reihe von Bibelzitaten, vorrangig aus dem Alten Testament, gearbeitet und argumentiert. 102 Im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit den virulenten Häresien kreisen Zenos Predigten häufig um trinitätstheologische bzw. christologische Fragestellungen. Daneben zeigt sich ein starkes mariologisches Interesse mit

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Bisher gibt es zur Sprache Zenos keine speziellen Einzeluntersuchungen, hilfreich ist aber das Kapitel 6 „Zur Sprache“ bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 68*–117*. 97 So B. LÖFSTEDT, Tractatus, 45*. 98 Keine Resonanz in der Forschung fand die These einer Nähe zwischen Zeno und dem etwa zeitgleichen Ambrosiaster, wie sie von A. D’ALÈS, L’Ambrosiaster et Zénon de Vérone, Gr. 10, 1929, 404–409, vertreten wurde. 99 Zum Einsatz klassischer Reminiszenzen s. u. S. 313–324 und 331–334. 100 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 65*; sehr hilfreich das Stellenregister, das unterteilt ist in Bibelstellen und Schriftsteller, ebd., 208–226; ausführlich schon A. B IGELMAIR, Zeno, 68–91; zu den Stilfiguren und Reminiszenzen ausdrücklich S. FRIEDL, Zur Stilistik Zenos von Verona, Symbolae Scotenses. Wissenschaftliche Beilage zum Jahresberichte des k. k. Obergymnasiums zu den Schotten in Wien 1913 / 1914, 1914, 115–135; zu den zahlreichen Bildern K. ZIWSA, Zur stilistischen Würdigung des Zeno Veronensis, in: Festgabe zum hundertjährigen Jubiläum des Schottengymnasiums, Wien 1907, 372–380. 101 Y.-M. DUVAL, Les sources grecs de l’exégèse de Jonas chez Zénon de Vérone, VigChr 20, 1966, 98–113, v. a. 108f. Kritisch zuletzt A. MAGRI, Zenone e l’esegesi di Giona, Vivens Homo. Rivista teologica fiorentina 13, 2002, 79–100, v. a. 83–89. 102 Vgl. u. S. 444–459; auch A. B IGELMAIR, Traktate, 48; J. DOIGNON, Zeno, 423.

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1. Kapitel: Einleitung

Betonung der Jungfräulichkeit Mariens. 103 Zenos Interesse gilt aber v. a. auch der Kirche und ihren Sakramenten, insbesondere Taufe, Eucharistie und Ehe.104 Beachtenswert ist darüber hinaus Zenos allegorische Deutung des christlichen Kirchenraums anlässlich der Einweihung einer Basilika in Verona.105 Neben ihren im weitesten Sinne religionsgeschichtlichen Informationen liefern die zenonischen Traktate eine Fülle interessanter kulturhistorischer Daten.106 In seiner häufig allegorisch erklärenden und argumentierenden Exegese und Paränese erweist sich – neben der Ausrichtung des Predigers auf den Hörer 107 – eine hervorragende Beobachtungsgabe des Verfassers der Traktate. Er benutzt vielfach Bilder aus dem Bereich der Natur und ihres Ablaufs sowie der Gesellschaft und ihrer Ordnung, die dem damaligen Zuhörer durch den Rückgriff auf konkrete Erfahrungen abstrakte Inhalte 103

S. A. B IGELMAIR, Zeno, 113–117. Die zenonischen Traktate sind die ältesten lateinischen Zeugen für die Lehre von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens. In I 54,5 sagt Zeno: „Maria virgo incorrupta concepit, post conceptum virgo peperit, post partum virgo permansit.“ Und in II 7,4: „Ceterum illa [sc. Maria] fuit virgo post connubium, virgo post conceptum, virgo post filium.“; s. A. B IGELMAIR, Zeno, 117; auch J. B. B AUER / A. VICIANO, Art. Zeno, Marienlexikon VI, 1994, 788 – Y.-M. DUVAL, Originalité, 62–64, nimmt diese Stelle im Übrigen zum Anlass, eine Überschneidung des zenonischen mit dem ambrosianischen Episkopat in Betracht zu ziehen, da es verwundere, dass Ambrosius in De virginibus mit keinem Wort auf Zenos Darstellung der Jungfräulichkeit Mariens in II 7 reagiere. Vielmehr sei es durchaus denkbar, dass das zenonische Traktat ein Reflex des Veronesers auf die ambrosianische Schrift gewesen sei, da Zeno, wie seine Kenntnis des gerade erschienenen Psalmenkommentars des Hilarius zeige, ein sehr kultivierter und aufgeschlossener Bischof gewesen sei; ebd., 64, Anm. 266. 104 S. A. B IGELMAIR, Traktate, 34–45; Inhalt nach Themen referiert bei A. B IGELMAIR , Zeno, 95–128; G. P. J EANES, Easter; ders., Liturgy; ders., Parallels; B. P ESCI, Antiqitates; G. DE P AOLI, Iniziazione; M. R. MALESANI, Prassi; C. T RUZZI, Zeno, v. a. 200–223, und G. SGREVA, Teologia, 326–353; knapp auch bei J. DOIGNON, Zeno, 423. 105 II 6. Die Beschreibung wurde häufig in Zusammenhang gebracht mit einer in der Nähe der heutigen Kathedrale ergrabenen Basilika. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch nicht nachweisbar. Vgl. C. T RUZZI, Zeno, 38f., Anm. 56; G. P. MARCHINI, Verona romana e paleocristiana, in: Ritratto di Verona, hg. v. L. Puppi, Verona 1978, 23–134, hier: 84–87 sowie 129, Anm. 472, und 130, Anm. 479. 106 Es wird in der allgemeinen Sekundärliteratur zu Oberitalien nicht immer ganz klar, aus welchen Quellen sie ihr Wissen über kulturhistorische Daten schöpft. Daher kann an dieser Stelle nicht entschieden werden, ob sich die Informationen, die Zeno liefert, mit der allgemeinen Situation in Oberitalien im 4. Jahrhundert decken, oder ob sie selbst möglicherweise Grundlage für die Situationsbeschreibung in der Sekundärliteratur sind. Die hier angemerkte Kritik gilt im übrigen nicht für die äußerst exakt und ausführlich belegende Arbeit von L. RUGGINI, Economia e società nell’Italia Annonaria. Rapporti fra agricoltura e commercio dal IV al VI secolo dopo Cristo, Fondazione Guglielmo Castelli 30, Mailand 1961. 107 Vgl. A. MERKT, Maximus, 35.

B. Das Material

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erschlossen,108 dem heutigen Leser aber Schlüsse auf den damaligen Stand der Naturwissenschaften und ihrer Anwendung sowie auf die Struktur der Gesellschaft, in der Zeno lebte, erlauben. An dieser Stelle seien nur kurz die interessantesten Hinweise aufgelistet: Häufig von Zeno herangezogene Bilder sind solche aus dem Bereich der Astronomie. Sonne, Mond und Sterne, ihr Aufgang und Untergang, der Ablauf des Tages, der Monate und Jahre zeugen für die gottgewollte Ordnung der Natur und ihres Ablaufs, und v. a. für Sterben und Auferstehen.109 Zeno merkt jedoch auch an, dass die Ursachen der Dinge, die man beobachten kann, nicht zu klären seien.110 So greift auch er auf mythologische Beschreibung zurück und scheut sich nicht, die Tierkreiszeichen christlich zu deuten.111 Auf dem Gebiet der Medizin kennt Zeno das Phänomen der Epilepsie, weiß um die Schmerzen und Gefahren bei der Geburt eines Kindes und um die Möglichkeit der Abtreibung.112 Aber auch in diesem Bereich beschränkt er sich weitgehend auf die Beschreibung. Allgemein verwirft er das wissenschaftliche Erklären-Wollen.113 Genaue Kenntnisse beweist er auf dem Gebiet der Landwirtschaft. 114 Er spricht von grünen Wiesen, Getreide-, Wein- und Olivenanbau und kennt ihren wirtschaftlichen Nutzen für die Region, aber auch die Gefahren der Monokultur und der Auslaugung des Bodens. 115 Besonders interessant sind 108 Vgl. ebd.: „Die Ausrichtung auf den Hörer hat insbesondere gegenüber dem geschriebenen Wort erhöhte Bildhaftigkeit zur Folge … Diese Bildhaftigkeit entspricht vor allem einem analphabetischen Publikum“. A. MERKT, Maximus, 25, geht insgesamt davon aus, dass die illiterati das Gros des Kirchenvolkes stellten, während die Gebildeten lediglich durch den Prediger selbst und einen eher kleinen Teil der Gemeinde repräsentiert würden. 109 I 2,17–19; I 4,4f.; I 36,8.28. Vgl. u. S. 471f. 110 I 34,1f. Vgl. u. S. 344–352. 111 I 38; vgl. dazu insgesamt W. HÜBNER, Das Horoskop der Christen (Zeno I, 38L), VigChr 29, 1975, 120–137; ders., Zodiacus Christianus. Jüdisch-christliche Adaption des Tierkreises von der Antike bis zur Gegenwart, BKP 144, Königstein im Taunus 1983, und unten S. 306–311. 112 I 2,6; I 54,3; II 7,3; I 5,3. Vgl. C. T RUZZI, Zeno, 33, Anm. 18. 113 II 9,1f. S. u. S. 344–352. 114 Es dürfte kein Zufall sein, dass Zeno in einer allegorischen Deutung der Kirche als Weinberg in II 11,1 sich selbst als rusticus bezeichnet: „Hic mihi, rustico vestro, beatissimi ignoscite agricultores, si quid vestrae sollertiae, vinea in ratione reddenda, ignavia nostra detraxerit.“ Die inhaltliche Unsicherheit einer Deutung dieser Stelle, die A. B IGELMAIR, Traktate, 281, Anm. 3, bemerkt, tut der Herkunft des Bildes aus der Landwirtschaft keinen Abbruch. A. OLIVAR, La predicación cristiana antigua, Bher.TF 189, Barcelona 1991, 769, Anm. 30, nimmt die Stelle zu wörtlich, wenn er die von Zeno genannte ignavia als mangelnde Expertenkenntnis auf dem Gebiet der Landwirtschaft deutet. 115 I 4,6; I 33; I 2,22; I 5,8; II 1,16; I 5,3.

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1. Kapitel: Einleitung

seine allegorischen Beschreibungen der Veredelung eines Ölbaums, der Pflege eines Weinbergs und der Verarbeitung des Getreides zu Brot. 116 Dies lässt den Schluss zu, dass Zeno selbst und ein Großteil seiner Zuhörer aus landwirtschaftlich geprägten Verhältnissen stammten. Dies zeigt sich weiterhin in den Andeutungen, die Zeno über die Strukturierung der Gesellschaft, in der er lebte, macht. Landwirtschaft und Handel haben auf der einen Seite zu Wohlstand und Reichtum weniger Großgrundbesitzer,117 Wucher und Spekulationen auf der anderen Seite zu Armut und Ausbeutung von Armen, Witwen und Waisen geführt. 118 Daher polemisiert Zeno gegen Luxus, Schmuck- und Putzsucht, gegen Habsucht, Betrug und Ausnutzung des Schwächeren, und selbst kriminelles Verhalten wie Raub und Mord hat er zu rügen.119 Was für die Gesellschaft im Allgemeinen gilt, gilt insbesondere auch für den Umgang in den Familien. Ehebruch, Scheidung, Unzucht, Vergewaltigung, Erbschleicherei, Vernachlässigung der Kinder und sogar Abtreibung scheinen zu den Alltäglichkeiten zu gehören.120 Neben gesellschaftlichen und familiären Missständen zählen auch staatliche Maßnahmen, insbesondere Folter und Einziehung von Gütern, zu den Ungerechtigkeiten, die Zeno kritisiert. 121 Da all diese Hinweise weitgehend paränetischen Texten entstammen, gestatten sie allerdings keine Aussagen über die tatsächliche Häufigkeit der genannten Vergehen. Direkte Bemerkungen zum Eindringen barbarischer Völkerschaften in das Römische Reich macht Zeno nicht. Der hin und wieder zur Datierung der Traktate herangezogene Hinweis auf die Schlacht bei Adrianopel in I 14,8 ist sehr umstritten.122 Zeno scheint aber mit ‚Barbaren‘ in Berührung gekommen zu sein 123 und die Not und Verwüstung im Römischen Reich gekannt zu haben, wenn auch Verona selbst offensichtlich nicht betroffen war. Mehrfach spricht er von Krieg und Untergang von Nationen

116 117

17.

118

I 2,27; I 10B,2f.; II 11,2f.; I 41. I 5,8–11; I 25,10; I 36,13; II 1,16; II 4,9. Vgl. C. T RUZZI, Zeno, 32f., Anm. 13.15–

I 5,12–14; I 25,11; II 1,16.19; II 29. Vgl. C. T RUZZI, Zeno, 33, Anm. 10f.14. II 4,9; I 1,10; II 7,3.8; I 5,1–14; I 14; I 21; II 1,16–19; I 5,6; I 35,8. 120 I 1,6–9.13f.; I 5,1–6; I 14,7; I 25,11. Vgl. C. T RUZZI, Zeno, 34, Anm. 26–29. 121 I 5,15; II 1,17; II 24,2. Vgl. C. T RUZZI, Zeno, 31, Anm. 2, und ebd., 33, Anm. 3. 122 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 8*, Anm. 5; vgl. demgegenüber C. T RUZZI, Zeno, 41, Anm. 66; R. LIZZI, Prosopografia, 160f. 123 Dies lässt die mehrfache Verwendung des Begriffs barbarus in I 53,1; II 15; II 26,1 und besonders die Wortverbindung barbarici furoris mores in I 52 im Zusammenhang der Exodusauslegung vermuten. 119

B. Das Material

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und Städten. Grund dafür seien Habsucht und Gier, die „über den Erdkreis rasen.“124

124

So die Übersetzung B IGELMAIRs, Traktate, 140, von „per orbem totum vesana bacchatur“ in I 14,2; vgl. auch I 1,6 und I 5,2.

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1. Kapitel: Einleitung

C. Der Kontext Nachdem die Traktate in einen engeren zeitlichen und lokalen Rahmen eingeordnet worden sind, soll dieser Rahmen einer überblicksartigen Betrachtung unterzogen werden. Erst der Überblick wird ein Urteil darüber erlauben, wie weit die Auseinandersetzung Zenos mit dem Heidentum und in der Konsequenz sein Konzept einer christlichen Bildung von den lokalen und historischen Rahmenbedingungen beeinflusst sind. I. Verona und sein Einzugsbereich Die Stadt Verona liegt am Übergang der südlichen Voralpen zur Poebene in einer engen Schleife der Etsch im cenomanischen Venetien. Ihre natürlichen Grenzen hat die Region um Verona im Westen durch den Gardasee und den Mincio, im Süden durch den Po, während es nach Osten hin keine natürliche Grenze gibt; mit dem bereits im Gebirge liegenden Trient im Norden kommuniziert Verona über das Etschtal.1 Das Gebiet gehört zu einem Raum, der von den Römern Gallia cisalpina oder citerior genannt wurde, seit Sulla römische Provinz war und unter dem zweiten Triumvirat 42 v. Chr. dem übrigen Italien hinzugefügt wurde. 2 Nach der administrativen Zwecken dienenden Aufteilung Italiens in elf Regionen unter Augustus zählte Verona zur Regio X Venetia et Histria. 3 Durch die diokletianische Reform wurde die Venetia et Histria und mit ihr Verona Teil der Italia annonaria, flankiert von Noricum im Nordosten, das schon zur Diözese Illyricum gehörte, von Raetia im Norden, von Liguria et Aemilia im Westen und von Flaminia et Picenum im Süden.4

1 S. L. B OSIO / G. P ELLEGRINI, Veneto Romano, in: Storia della Cultura Veneta, Bd. I, Vicenza 1976, 62–101, hier: 63. Zur vorchristlichen Geschichte Veronas und seines Umlandes s. zusammenfassend auch D. CERVATO, Diocesi, 23–26; ders., Verona, 41–44. 2 S. B AYERISCHER SCHULBUCH-VERLAG (Hg.), Großer historischer Weltatlas, Teil 1, Vorgeschichte und Altertum. Erläuterungen, München 41976, 226; auch C. LACKEIT, Art. Italia, PRE.S III, 1918, 1246–1275, hier: 1249f. 3 S. B AYERISCHER SCHULBUCH-VERLAG, Erläuterungen, 227; auch L. B OSIO / G. P ELLEGRINI, Veneto, 75f. Diese Regio wurde begrenzt im Norden und Nordosten vom Vasallenstaat Noricum, im Nordwesten von der Regio Raetia, im Westen von der Transpadana und im Süden von der Aemilia; vgl. B AYERISCHER SCHULBUCH-VERLAG (Hg.), Großer historischer Weltatlas, Teil 1, Vorgeschichte und Altertum, München 61978, 40f. – Landschaftlich gehört Verona jedoch eher zur Poebene (Cispadana und Transpadana) und scheint daher geographisch eher mit Mailand, Brescia und Ravenna verbunden als mit Aquileia in Venetien; vgl. C. LACKEIT, Italia, 1259–1262. 4 S. C. LACKEIT, Italia, 1251; B AYERISCHER SCHULBUCH-VERLAG, Erläuterungen, 267; vgl. auch ders., Weltatlas, 52; F. VAN DER MEER / C. MOHRMANN, Atlas de l’antiquité chrétienne, Paris / Brüssel 1960, Karte 23.

C. Der Kontext

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Die ältesten Bewohner Veronas und seines Umlandes waren Räter und Euganeer. Es werden in den Quellen auch Etrusker genannt, mit denen allerdings in der Antike die Räter identifiziert wurden. Von Brixia aus dürfte Verona von den Kelten in Besitz genommen worden sein. 5 89 v. Chr. wurde Verona von Pompeius zur colonia erhoben, 49 v. Chr. wurde die Stadt durch die Lex Iulia Municipium, und schließlich erhob Gallienus 265 n. Chr. Verona zur Colonia Augusta Verona nova Galliena. 6 Die Bewohner Veronas und seines Umlandes gehörten zur Tribus Poplilia (auch Publilia). Verona war Schnittpunkt einiger wichtiger Straßen Oberitaliens, was die beherrschende wirtschaftliche Stellung der Stadt bewirkte. Die Via Postumia führte von Iulia Concordia nahe Aquileia im Osten über Vicetia nach Verona und von dort aus nach Cremona und Placentia im Südwesten, schließlich von dort bis Genua.7 Von der Via Postumia abzweigend und etwas weiter nördlich verlaufend verband die Via Gallica Verona mit Brixia und Bergomum. Geschnitten wurde die Via Postumia in Verona von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Via Claudia Augusta, die von Bononia kommend über den Poübergang bei Hostilia und Verona nach Tridentum führte und von hier aus ursprünglich durch den Vinschgau und über den Reschenpass ins Inntal in der Raetia, ein später ausgebauter Abzweig über den Brenner nach Noricum.8 In Verona selbst hat es wohl mehrere Brücken über den Altesis gegeben, von denen heute noch der Ponte della Pietra im Norden der Stadt zeugt.9 Diese Lage an den auch strategisch bedeutsamen Straßen führte dazu, dass es in der Nähe Veronas immer wieder zu Schlachten kam, in deren Verlauf auch die Stadt selbst belagert wurde. So erhielt sie, v. a. auch wegen der Alamanneneinfälle in der Mitte des 3. Jahrhunderts, unter Gallienus im Jahre 265 an Stelle der Feldbefestigung eine feste Mauer.10 Bedeutsam war auch die Belagerung Veronas 312 durch Konstantin, als die Truppen des Maxentius sich in Verona verschanzt hatten. 11

Die wirtschaftliche und kulturelle Prägung und Bedeutsamkeit der Stadt belegen zahlreiche Inschriften. 5

S. G. RADKE, Art. Verona, PRE 2. Reihe VIII, 1958, 2426–2433, hier: 2431; auch L. B OSIO / G. P ELLEGRINI, Veneto, 63. 6 S. G. RADKE, Verona, 2426f.2429; vgl. auch F. SARTORI, Verona Romana. Storia politica, economica, amministrativa, in: Verona e il suo territorio, Bd. I, hg. v. Istituto per gli studi storici veronesi, Verona 1960, 159–259, hier: 176–185. 7 Zum Verlauf der Via Postumia, auch auf dem heutigen Stadtgebiet Veronas, ausführlich G. P. MARCHINI, Verona, 26–28. 8 Zum detaillierten Verlauf G. P. MARCHINI, Verona, 41f. 9 S. G. RADKE, Verona, 2429f.; ausführlich G. P. MARCHINI, Verona, 29–32; vgl. auch L. B OSIO / G. P ELLEGRINI, Veneto, 80, Karte: X Regio in epoca preromana e romana. Zur besonderen Bedeutung der Via Postumia F. SARTORI, Verona, 166–170. 10 Zu Mauern und Toren G. P. MARCHINI, Verona, 34–38; zu den Alamanneneinfällen und den Maßnahmen des Gallienus ebd., 80–82. 11 S. G. RADKE, Verona, 2432; zur Schlacht 312 auch F. SARTORI, Verona, 252–254. – Die Datierung einer ersten Befestigung ist höchst umstritten; s. dazu F. SARTORI, Verona, 186–189.

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1. Kapitel: Einleitung

Danach gab es in der Stadt ein collegium fabrum, ein collegium centonarium, ein collegium dendrophorium, einen vestiarius, einen calculator, einen argentarius vasolarius, eine medica und einen medicus ocularius. Für die Vermittlung der Bildung sorgten ein grammaticus latinus und eine educatrix. Neben dem prominenten Vitruv (80–ca. 20 v. Chr.) brachte Verona noch weitere Architekten hervor. 12 Der berühmteste Sohn der Stadt war zweifellos der Dichter Catull (87–54 v. Chr.). Erwähnenswert sind darüber hinaus der Dichter Aemilius Macer († 16 n. Chr.), der Maler Turpilius (1. Jahrhundert n. Chr.) und der Jurist Gaius Masurius Sabinus (1. Jahrhundert n. Chr.). 13 Die kulturelle Bedeutsamkeit Veronas ist bis heute zu erkennen an den Überresten der republikanischen und der gallienischen Mauer und ihrer Stadttore, 14 des Theaters (1. Jahrhundert v. Chr.) 15 und des Amphitheaters (1. Jahrhundert n. Chr.?).16 Lokalisieren lassen sich auch das Capitolium und das Forum. 17 Außerhalb der Stadt trifft man auf Spuren von Villen, Badanlagen, Gärten, Wohngebäuden und diversen Fabriken. 18 Aufgrund der gemischten ethnischen Struktur der Bevölkerung lassen sich auch für den kultischen Bereich diverse Elemente etruskischer, venetischer, insbesondere aber rätischer und keltischer Provenienz nachweisen, die seit dem Beginn des 1. vorchristlichen Jahrhunderts langsam von römischen Religionsformen überlagert oder in diese integriert wurden.19 Neben der Verehrung des Jupiter in den unterschiedlichsten Gestalten spielt als eines der bedeutendsten Heiligtümer Veronas das der Mater Deum eine große Rolle.20

Durch die diokletianische Reform der Verwaltung und ihre Neueinteilung in Diözesen und Provinzen ging der Sonderstatus Oberitaliens, der sich während der hohen Kaiserzeit u. a. in Abgabenfreiheit, Freiheit vom Militärdienst und anderen Privilegien geäußert hatte, verloren und die Selbstverwaltung der Gemeinden – nicht nur im oberitalienischen Gebiet – war praktisch aufgehoben.21 Verona geriet wie die anderen Zentren in seiner Umgebung immer mehr unter den Einfluss Aquileias als Provinzmetropole, konnte seine Bedeutung jedoch aufgrund seiner Flusslage gegenüber den anderen Städten noch erhalten.22 12

Nach F. SARTORI, Verona, 222–231, und G. RADKE, Verona, 2432f. S. G. RADKE, Verona, 2430f.; G. B. P IGHI, Scrittori, 267–351. 14 S. G. P. MARCHINI, Verona, 34–38. 15 S. ebd., 43–48.54f. 16 S. ebd., 66. 17 S. ebd., 38.70–74. 18 S. L. B OSIO / G. P ELLEGRINI, Veneto, 77; auch L. B ESCHI, Verona Romana. I monumenti, in: Verona e il suo territorio, Bd. I, hg. v. Istituto per gli studi storici veronesi, Verona 1960, 367–552, hier: 369–509. 19 Zur Religion s. F. SARTORI, Verona, 231. 20 S. G. RADKE, Verona, 2433; vgl. auch unten S. 270f. 21 S. B AYERISCHER SCHULBUCH-VERLAG, Erläuterungen, 267; vgl. auch E. P ACK, Art. Italia I. Landesgeschichtlich, RAC XVIII, 1998, 1049–1202, hier: 1132f. 22 So ist u. a. ein Aufenthalt Valerians I. in der Stadt bekannt, die v. a. auch wegen des Einflusses des einheimischen Adelsgeschlechtes der Anicii nicht an Attraktivität verloren hatte; s. F. SARTORI, Verona, 255; zur Bedeutung der Anicier vgl. C. P IÉTRI, Une aristocratie provinciale et la mission chrétienne. L’exemple de la Venetia, in: Aqui13

C. Der Kontext

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Vom Ende des 4. Jahrhunderts an berichten über Verona nur noch Quellen militärischen Inhalts. 369 waren in der Poebene alamannische Kriegsgefangene angesiedelt worden, seit 375 strömten über die nun offene Donaugrenze Ostgoten, Taifalen, Hunnen und Alanen. 378 verlor Valens die entscheidende Schlacht bei Adrianopel, die den Verwüstungszügen der Barbarenstämme durch das gesamte Römische Reich das Tor öffnete. 23 Gelegentlich wurde in der Forschung ein Reflex Zenos darauf in I 14,8 vermutet.24 Die Politik gegenüber den anstürmenden Barbaren führte dazu, dass Verona nun nicht mehr eigentlich römische Truppen, sondern Abteilungen des römischen Heeres, die sich aus Barbaren rekrutierten, beherbergte. Viele Bewohner Veronas fanden in dieser Zeit Arbeit in der fabrica scutaria et armorum.25 Für die Wirtschaft Veronas dürfte auch das Umland, der Ager Veronensis,26 wegen seines für die Antike anzunehmenden Holzbestandes und der Landwirtschaft von großer Bedeutung gewesen sein. Die Quellen rühmen als Erträge Speltgraupen, Äpfel und v. a. die rätischen Weine. Belegt ist auch der Flachsanbau und seine Verarbeitung zu Leinen sowie die Schafhaltung zur Wollherstellung. Von Bedeutung war weiterhin die Haltung von Bienen zur Honigproduktion.27

Das Umland wurde parallel zur Stadt romanisiert. Dennoch sind bis in späte Jahrhunderte hinein ethnische Inseln nachweisbar, die auf die vorrömische Bevölkerung zurückgehen,28 wie beispielsweise der Pagus Arusnatium in der heutigen Valpolicella.29 Mit der ethnischen Isolierung verband sich offensichtlich auch ein besonderer religiöser Konservativismus,

leia nel IV secolo. Atti della XII Settimana di Studi Aquileiesi 1, 30 aprile – 5 maggio 1981, Udine 1982, 89–138, hier: 114–116 u. ö. 23 S. E. KORNEMANN, Römische Geschichte, Bd. II, KTA 133, Stuttgart 71977, 418f.; J. MARTIN, Spätantike und Völkerwanderung, Oldenbourg Grundriß der Geschichte 4, München 1987, 35; A. DEMANDT, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n.Chr., HAW III,6, München 1989, 120–123. 24 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 8*, Anm. 5. Neuerdings wird die Deutung wieder aufgegriffen bei C. T RUZZI, Zeno, 41, Anm. 66, und R. LIZZI, Prosopografia, 160f.; ebd., 161, Anm. 75, nennt sie weitere Zeno-Stellen, die allgemeiner auf Verwüstungen durch, wie die Autorin meint, „eventi recenti“ abheben. 25 S. F. SARTORI, Verona, 256. 26 Vgl. die Karte bei F. SARTORI, Verona, 216. 27 S. G. RADKE, Verona, 2433. 28 Ähnliche Befunde wie den für den Ager veronensis finden sich auch für das übrige Oberitalien; s. E. P ACK, Italia, 1177–1179. 29 S. F. SARTORI, Verona, 215–222; hier auch eine detaillierte Beschreibung der Grenzen des Ager sowie der einzelnen Zentren.

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1. Kapitel: Einleitung

der zum Erhalt komplexer indigen-kultischer Strukturen, im Pagus Arusnatium in der Hand nur einer einzigen Familie, der Gens Octavia, führte. 30 II. Die christliche Gemeinde in Verona Die Anfänge der Christianisierung Oberitaliens liegen völlig im Dunkeln. Historisch verwertbare Quellen für ein schon apostolisches Christentum in Oberitalien gibt es nicht. Die Entstehung christlicher Gemeinden verdankt sich vermutlich missionarischer Tätigkeit einzelner durchreisender Christen, die entweder über Mailand aus römischem Einflussbereich oder über Aquileia aus dem Osten kamen. Zur Verbreitung dürfte wesentlich das besonders gut ausgebaute oberitalienische Straßennetz beigetragen haben, das „mit dem keiner Region Italiens vergleichbar war“.31 Erste gesicherte Bischofssitze in der Provinz Venetia et Histria sind im 3. Jahrhundert Aquileia, Verona und Brescia. 32 In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zeichnet sich für Oberitalien wie für Italien insgesamt eine Hinwendung der Mehrheit der Bevölkerung zum Christentum ab, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass noch lange Zeit v. a. in isolierteren Regionen wie den Tälern der Alpen- und Voralpen, aber auch in traditionalistischen Familien in den Städten ein mehr oder weniger lebendiges Heidentum anzutreffen war. 33

Die Anfänge des Christentums in Verona selbst liegen ebenfalls im Dunkeln. Nach anfänglichen Frühdatierungen der Ursprünge des Christentums 30

S. I. CHIRASSI COLOMBO, Acculturazione e morfologia di culti alpini, Atti del Centro studi e documentazione sull’Italia romana 7, 1975 / 1976, 157–189, hier: 177f., Anm. 47. Eine Einordnung der Priesterschaft in die „erweiterte Oberschicht“ Veronas bei S. B REUER, Status und Stand. Munizipale Oberschichten in Brixia und Verona, HDD.G 42, Bonn 1996, 98.109f. Ein Altar und zahlreiche Votivtafeln haben sich im Dorf S. Giorgio erhalten; vgl. T OURING CLUB ITALIANO (Hg.), Veneto (esclusa Venezia), Mailand 61992, 228. ANRW II,18,5, XIII, kündigt für ANRW II,18,6 folgenden Aufsatz an: M. S. Bassignano, La religione del pagus Arusnatium. 31 V. P ERI, Chiese e cultura religiosa, in: Storia della Cultura Veneta, Bd. I, Vicenza 1976, 167–214, hier: 170f.; vgl. auch C. T RUZZI, Zeno, 36f., Anm. 39, der die gute Verbindung nach Osten skizziert, obwohl er selbst, ebd., 37, die Herkunft aus dem römischen Einflussbereich favorisiert. Zur Herkunft des Christentums aus Aquileia oder Rom s. auch S. T RAMONTIN, Origini cristiane, in: Storia della Cultura Veneta, Bd. I, Vicenza 1976, 102–123, hier: 104. Für beide Möglichkeiten spricht die Präsenz von Orientalen und Römern unter den ersten Bischöfen und Märtyrern; s. ebd., 105. Zur Christianisierungsgeschichte Veronas und seines Umlandes s. zusammenfassend auch D. CERVATO, Diocesi, 26–35; ders., Verona, 44–53; zu den ersten Bischöfen Veronas s. G. EDERLE / D. CERVATO, Vescovi, 13–15. 32 Im 4. Jahrhundert kommen Concordia, Altino, Padua, Trient und Parenzo hinzu. In der angrenzenden Liguria werden im 3. Jahrhundert Mailand, im 4. Jahrhundert Bergamo, Como, Lodi, Novara, Pavia, Torino und Vercelli, vermutlich auch Aosta und Ivrea Bischofssitze; s. J.-R. P ALANQUE, Le chiese occidentali verso la metà del IV secolo, StCh(T) 3,1, 1972, 253–299, hier: 278–281; S. T RAMONTIN, Origini, 107; auch E. CATTANEO, Il governo ecclesiastico nel IV secolo nell’Italia settentrionale, in: Aquileia nel IV secolo. Atti della XII Settimana di Studi Aquileiesi, 30 aprile – 5 maggio 1981, Udine 1982, 175–188, hier: 176f. 33 S. J.-R. P ALANQUE, Chiese, 279.

C. Der Kontext

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in Verona schon in das 2. Jahrhundert ist die Forschung sich heute darüber einig, dass erst im 3. Jahrhundert mit der Gründung einer christlichen Gemeinde zu rechnen ist, was der Verbreitung im übrigen Italien entspräche.34 Zwei unterschiedliche Dokumente vom Ende des 8. Jahrhunderts bzw. Anfang des 9. Jahrhunderts stützen diese Annahme. Es handelt sich um die Überlieferung einer Bischofsliste Veronas im Versus de Verona 35 und einer ebensolchen auf dem so genannten Velo di Classe. 36 Beide nennen die Folge der ersten veronesischen Bischöfe: Euprepius, Dimidrianus, Simplicius, Proculus, Saturninus, Lucilius, Gricinius, Zeno. Der erste der genannten Bischöfe, der historisch greifbar ist, ist Lucilius (auch Lucillus), der als Bischof von Verona auf dem Konzil von Serdica 343 / 344 anwesend war 37 und den auch Athanasius in seiner Apologie an Konstantius 356 als Zeugen anführt.38 Über die Bischöfe vor Lucilius gibt es keine Hinweise in den Quellen. Ihre Zahl, die sich in beiden Dokumenten deckt, macht aber das Entstehen der christlichen Gemeinde um die Mitte des 3. Jahrhunderts wahrscheinlich.39 Für das 4. Jahrhundert gibt neben den Traktaten Zenos mit ihren zahlreichen Hinweisen auf Liturgie und Gemeindeleben eine Reihe archäologischer Quellen Zeugnis für die Entwicklung einer lebendigen Gemeinde in Verona. Vermutlich schon in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts ist eine Basilika, die als frühe Kathedrale identifiziert wurde, zu datieren; in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, möglicherweise während des Episkopats Zenos, wurde sie umstrukturiert und neu dekoriert, 40 später dann Teil einer Doppelkirchenanlage, wie man sie auch an anderen Orten in Venetien kannte.41 Die Doppelkirchenanlage wurde schon früh in Verbindung ge34 S. P. L. ZOVATTO, Arte paleocristiana a Verona, in: Verona e il suo territorio, Bd. I, hg. v. Istituto per gli studi storici veronesi, Verona 1960, 553–613, hier: 555–557; J.R. P ALANQUE, Chiese, 277f.; G. P. MARCHINI, Verona, 84. 35 VERSUS DE VERONA 14–18 (MGH.PL 1,121 Dümmler). 36 VELO DI CLASSE (GNI 3,195–249 Cipolla). 37 S. C SARD. nom. 20 (EOMJA 1,2,3,550f. Turner). Der Konzilstext nennt hier „Lucius ab Italia de verona“, zwei Varianten kennen auch „Lucilius“. Ebd., 551, unter der Nr. 20 werden weitere Quellen angeführt, die den Namen Ëïýêéëëïò bzw. Lucillius anführen. 38 ATH. apol. Const. 600 B (SC 56,91,43 Szymusiak). 39 S. P. L. ZOVATTO, Arte, 558f. 40 G. CAVALIERI MANASSE, Gli scavi del complesso capitolino, in: L’area del Capitolium di Verona. Ricerche storiche e archeologiche, hg. v. G. Cavalieri Manasse, Verona 2008, 73–152, hier: 111, Anm. 181, spricht davon, dass die Kathedrale innerhalb weniger Jahrzehnte erweitert, vollständig renoviert und mit einem organischen System von Annexen ausgestattet worden sei‘. 41 Grabungsberichte zur Basilika des 4. Jahrhunderts wurden vorgelegt von P. VIGNOLA, Relazione sugli scavi fatti nel canonicato attiguo alla cattedrale di Verona, NSA, 1884, 404–408 bzw. ders., Relazione sugli scavi fatti nella canonica della cattedrale

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1. Kapitel: Einleitung

bracht mit Zenos Traktat II 6, der, anlässlich einer Kirchweihe gehalten, innerhalb einer Allegorese die einzelnen Elemente einer basilikalen Anlage beschreibt;42 die jüngere Forschung bezieht den Traktat inzwischen überwiegend nurmehr auf die Umstrukturierung der ersten Basilika in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts.43 Die Beschreibung Zenos könnte auf die ergrabenen Reste der neu ausgestatteten Basilika bezogen werden; insbesondere würden den Anspielungen des Traktates auf die Spenden der Gemeindemitglieder für den Kirchenbau die in die Mosaikfußböden eingelassenen Inschriften entsprechen.44 Allerdings sind die übrigen im Traktat genannten Elemente des Baus so allgemein gehalten, dass sie auf jede basilikale frühchristliche Kirche zutreffen dürften und daher Kriterien für eine eindeutige Identifizierung des beschriebenen Gebäudes im Traktat nicht zu finden sind. Zur liturgischen Ausstattung der Kathedrale gehörte ein außerordentliches Zeugnis aus dem Bereich der Kleinkunst; erhalten blieben Elemente einer Bronzekette in Form von Monogrammkreuzen und zu Christogrammen durchbrochenen Medaillons. An der Kette wurden Lampen zur Beleuchtung des Raumes und zu kultischen Zwecken aufgehängt. Auch sie datiert an das Ende des 4. Jahrhunderts.45 Vom Ende des 4. / Anfang des 5. Jahrhunderts stammt weiterhin ein Stadttorsarkophag einer stadtrömischen Werkstatt, der heute in der Krypta der Kirche S. Giovanni in Valle steht.46 Aus konstantinischer Zeit stammt eine außergewöhnliche Skulptur eines Schafdurante il 1885 ed i primi del 1886, NSA, 1886, 213–219 und in jüngerer Zeit von B. FORLATI T AMARO, La Basilica paleocristiana di Verona e le nuove scoperte, RPARA 30 / 31, 1957–1959, 117–128; erste Erkenntnisse über eine zweite Basilika (des 5. Jahrhunderts) bei C. CIPOLLA, Nota sopra l’età e la destinazione del mosaico e dell’edificio precedentemente descritto, NSA, 1884, 408–414, jüngere Untersuchungen dazu von P. GAZZOLA, Il musaico scoperto nel sottosuolo della Biblioteca Capitolare di Verona, Studi storici veronesi 1, 1948, 257–294 und V. FILIPPINI, Intorno alla chiesa di S. Elena, Studi storici veronesi Luigi Simeoni 15, 1965, 5–57; eine ausführliche Zusammenstellung und Diskussion aller Ergebnisse von C. FIORIO T EDONE / S. LUSUARDI SIENA / P. P IVA, Il complesso paleocristiano e altomedioevale, in: La Cattedrale di Verona nelle sue vicende edilizie dal secolo IV al secolo XVI, hg. v. P. Brugnoli, Venedig 1987, 19–97. 42 Die Datierungen beider Basiliken sind überaus umstritten; ebd., 24. Umstritten war daher auch lange, ob der frühere oder spätere Bau der Doppelanlage der von Zeno beschriebene sei; s. G. P. MARCHINI, Verona, 129, Anm. 472, und 130, Anm. 479. 43 Etwa G. CAVALIERI MANASSE, Scavi, 110f. 44 S. P. L. ZOVATTO, Arte, 562–574; G. P. MARCHINI, Verona, 84–87; Edition der Inschriften in CIL 5,2 Nr. 3893–3895 und CIL 5 suppl. Nr. 1258; Abbildungen bei P. L. ZOVATTO, Arte, 566–571. 45 S. ebd., 603–605. Abbildung ebd., 605, und bei C. FIORIO T EDONE / S. LUSUARDI SIENA / P. P IVA, Complesso, 41. Aufbewahrt wird die Kette heute in der Biblioteca Capitolare in Verona. 46 S. J. DRESKEN-W EILAND, Repertorium der christlich-antiken Sarkophage, Bd. II. Italien mit einem Nachtrag, Rom und Ostia, Dalmatien, Museen der Welt, Mainz 1998,

C. Der Kontext

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trägers, heute im Museo del Teatro romano.47 Vom Ende des 4. Jahrhunderts oder kurz darauf sind einige frühchristliche Goldglasböden erhalten. 48

Ebenfalls gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurde im heutigen Santa Maria in Stelle, keine zehn Kilometer nördlich von Verona in der Val Pantena, ein Hypogäum im Besitz der Gens Pomponia, das vermutlich als Nymphäum genutzt worden war, in ein christliches Gebäude umgewandelt, wie die malerische Ausgestaltung mit alt- und neutestamentlichen Szenen erkennen lässt.49 Man vermutet, dass ein Mitglied der Familie nach seinem Übertritt zum Christentum 50 die Räumlichkeit auf dem Familienbesitz vielleicht als „aedes catechizandorum“ zur Verfügung stellte, 51 und bringt dies ausdrücklich auch in Zusammenhang mit dem katechetischen Wirken Zenos.52 Für die weitere Entwicklung der Veroneser Gemeinde zeugen weiterhin Gebäude vom Ende des 4. und aus dem 5. Jahrhundert: 53 die über dem Isis- und Serapis-Tempel erbaute Basilika des heiligen Stephanus 54 sowie die etwas außerhalb des antiken Stadtbereichs

Nr. 142; Abbildungen auch im Detail bei P. L. ZOVATTO, Arte, 593–595.597f. – Einen Hinweis auf vorkonstantinisches Christentum in Verona liefert vielleicht ein erhaltener Strigelsarkophag, ebenfalls in der Krypta von S. Giovanni, der jedoch nicht von Dresken-Weiland in das Repertorium aufgenommen wurde, da er keine eindeutig christlichen Darstellungen aufweist; P. L. ZOVATTO, Arte, 597, hält eine nachträgliche Interpretation der die Front links und rechts abschließenden Philosophengestalten als Petrus und Paulus für möglich; insgesamt s. ebd., 592–600; Abbildungen ebd., 599. 47 S. ebd., 605–609; Abbildung ebd., 607. 48 S. ebd., 603; Abbildung nur eines Glases ebd., 604. 49 S. J. M. C. T OYNBEE, The Early-Christian Paintings at Santa Maria in Stelle near Verona, in: Kyriakon, FS J. Quasten, hg. v. P. Granfield u. J. A. Jungmann, Bd. II, Münster 1970, 648–653; auch L. ANTOLINI, L’ipogeo di S. Maria in Stelle, Montorio / Verona 1995.. Weitere Literaturhinweise bei S. SCHRENK, Typos und Antitypos in der frühchristlichen Kunst, JAC.E 21, Münster 1995, 145, Anm. 682. 50 So L. ANTOLINI, Ipogeo, 86. 51 S. ebd., 93. Vgl. R. LIZZI, Prosopografia, 159, Anm. 65 (mit Belegen für Nordafrika und Turin): „laddove appariva più fortemente radicata la devozione ai culti pagani, i vescovi [del IV–V secolo] delegarono ai domini il compito dell’evangelizzazione.“ Für Italien insgesamt beschreibt E. P ACK, Italia, 1177–1179, dass die Bischöfe des 4. Jahrhunderts bei der Missionierung der ländlichen Gebiete, da ihnen kaum Personal für diese Aufgabe zur Verfügung stand, auf die mittelbare Unterstützung „noch stadtsässige[r] ... u[nd] daher über innerstädtische Begegnungen u[nd] gelegentlichen Kirchenbesuch für die bischöfliche Predigt erreichbare[r] Großgrundbesitzer“ angewiesen waren. Vgl. die Kritik Zenos an den Grundbesitzern in I 25,10. 52 S. L. ANTOLINI, Ipogeo, 77. 53 Eine knappe aktualisierte Zusammenstellung bei G. CAVALIERI MANASSE, Scavi, 111, Anm. 178. 54 Zu Details s. in der älteren Literatur v. a. A. DA LISCA, La Basilica di S. Stefano in Verona, AMAV 5. Ser. 14, 1936, 3–75; P. L. ZOVATTO, Arte, 581–591; G. P. MARCHINI, Verona, 88. – Das Patronat könnte auf eine Beziehung nach Nordafrika verweisen.

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1. Kapitel: Einleitung

als Coemeterialbasilika angelegte Basilica Apostolorum. Seitlich ihrer Apsis hat sich ein typisches Martyrion auf kreuzförmigem Grundriss erhalten, das den Heiligen Tosca und Teuteria geweiht ist.55 Reste eines weiteren Martyrions des 5. Jahrhunderts konnte man in der sogenannten Grotta dei SS. Nazaro e Celso identifizieren.56 Schließlich sind für das 6. Jahrhundert noch zu erwähnen ein marmorner Reliquienkasten, heute im Museo del Teatro romano,57 sowie eine Tafel des bekannten Elfenbeindiptychons des konstantinopolitanischen Konsuls Anastasius, aufbewahrt in der Biblioteca Capitolare di Verona.58

Die archäologischen Zeugnisse weisen, berücksichtigt man die eher bescheidene Ausdehnung des städtischen Areals, 59 auf eine kulturell engagierte und auch mit den entsprechenden Geldmitteln ausgestattete Gemeinde in Verona. Bestimmend für die innerkirchliche Situation des 4. Jahrhunderts in Oberitalien war die Auseinandersetzung um den Arianismus. Mit der Einberufung der Doppelsynode von Seleukia und Rimini im Jahr 359 durch Konstantius II. hatte formal zunächst der Arianismus gesiegt, wenn auch in Rimini nur eine verschwindende Minderheit von arianischen Bischöfen, unter ihnen Auxentius von Mailand, zugegen gewesen war. 60 Die Traktate Zenos dokumentieren deutlich die Gespaltenheit Oberitaliens, wenn der Veroneser Bischof sich genötigt sieht, immer wieder, auch in eigens christologischen Traktaten,61 gegen eine starke Präsenz des Arianismus, die offensichtlich bis in seine Gemeinde hineinreicht, zu argumentieren. Dies eröffnet die Frage, ob Zeno damit möglicherweise Position bezieht gegen ‚seinen Metropoliten‘; denn der Arianer Auxentius war Bischof von Mailand immerhin von 355 bis 373.

55 S. C. CIPOLLA, Antichità medioevali scoperte nella chiesa dei SS. Apostoli a Verona, Arte e storia 10, 1890, 3–22; A. DA LISCA, La chiesa di S. Teuteria e Tosca in Verona, Madonna Verona 7, 1913, 161–176, und Madonna Verona 8, 1914, 1–25; C. CIPOLLA, A proposito della chiesetta delle SS. Teuteria e Tosca, Madonna Verona 8, 1914, 55–56; zuletzt S. LEZZIERO, Il sacello delle Sante Teuteria e Tosca, Vita Veronese 25, 1972, 219–227; im Überblick bei P. L. ZOVATTO, Arte, 574–581; G. P. MARCHINI, Verona, 87f. 56 S. C. G. ORTI MANARA, L’antica capella incavata a scapello nel monte detto di Scaglione, Verona 1841; G. P. MARCHINI, Verona, 88.131f., Anm. 500. 57 S. P. L. ZOVATTO, Arte, 600–602; Abbildungen ebd., 600–602. 58 S. ebd., 610; Abbildung ebd., 609. 59 Darauf verweist mit derselben Konsequenz für die Bewertung der Gemeinde als „comunità vivace, attiva e di una certa importanza“ G. CAVALIERI MANASSE, Scavi, 111. 60 S. K. B AUS / E. EWIG, Die Reichskirche nach Konstantin dem Großen. Von Nikaia bis Chalkedon, HKG(J) II,1, Freiburg / Basel / Wien 1985, 48–51; A. DEMANDT, Spätantike, 88f.; A. HEUSS, Römische Geschichte, Braunschweig 21964, 467f. 61 S. etwa I 45; I 54; II 5; II 8; II 12; vgl. auch I 56; II 3.

C. Der Kontext

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Auch wenn mit einer Zunahme der Bischofssitze im Laufe des 4. Jahrhunderts eine dem Modell der staatlichen Administration vergleichbare Organisation der kirchlichen Verwaltungsstruktur sich nahe zu legen scheint,62 kann dies für Oberitalien keineswegs als gesichert gelten.63 Die Metropolitanorganisation entwickelte sich im Westen mit einer Verschiebung von etwa einem Jahrhundert gegenüber dem Osten des Reiches. Einzelne oberitalienische Mutterkirchen genossen vermutlich ein gewisses Ansehen, sie hatten aber wohl noch keine juridisch-administrative Oberstellung inne.64 Zivilpolitische Sonderstellungen hatten die Städte Mailand und Aquileia, die sich später zu Metropolitansitzen entwickelten.65 Eine innerkirchlich exponiertere Stellung gewann Aquileia, das nach 359 zunächst zwangsläufig arianisch wurde, in den arianischen Streitigkeiten. Während sich in Mailand der Arianer Auxentius immerhin bis 373 als Bischof halten konnte, wurde Aquileia nach dem Tod des Konstantius 361 unter dem Bischof Valerian (368?–388) zur Hochburg der Orthodoxie. 66 Von einer Metropolitanstellung kann aber wohl noch nicht gesprochen werden.67 In Mailand änderte sich die Situation 374 mit der Wahl des Ambrosius zum Bischof, die sicherlich auch politische Gründe hatte, an denen auch das Heidentum interessiert war 68: In der Stadt sollte nach den arianisch-katholischen Auseinandersetzungen wieder Ruhe eintreten. Aufgrund seiner zivilpolitischen Erfahrung und seiner starken Persönlichkeit brachte es Ambrosius so weit, dass während seiner Amtszeit dem Bischof von Mailand de facto die Ausübung metropolitaner Autorität in der

62 Vgl. V. P ERI, Chiese, 171. G. C. MENIS, Le giurisdizioni metropolitiche di Aquileia e di Milano nell’antichità, in: Aquileia e Milano. Atti della III settimana di Studi Aquileiese, 29 aprile – 5 maggio, Udine 1973, 271–294, hier: 278, entwirft ein ideales Schema: Stadt – Bischofssitz; Provinz – Metropolitansitz; Diözese – Exarchat; Präfektur – Patriarchat. Er räumt aber ebd., 277, ein, dass das Schema gerade im Westen von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen wurde. 63 Im Folgenden wird im Haupttext die breitere Communis opinio dargestellt, während die neuerdings von M. P. B ILLANOVICH, Le circoscrizioni ecclesiastiche dell’Italia settentrionale tra la tarda antichità e l’alto medioevo, IMU 34, 1991, 1–39, vorgetragenen Einwände in den Anmerkungen angeführt werden. 64 S. G. C. MENIS, Giurisdizioni, 276–280. Dagegen M. P. B ILLANOVICH, Circoscrizioni, 1: „Nel IV secolo la metropoli ecclesiastica d’Italia, con capitale Milano, si estendeva a quasi tutta l’Italia settentrionale; mentre a Aquileia, metropoli di Dalmazia e di Illirico, facevano capo inizialmente sedi situate appunto in queste regioni. Il confine ecclesiastico tra le due metropoli correva probabilmente tra Padova e Concordia.“ Diese Darstellung Billanovichs verallgemeinert sehr stark, da sie für das 4. Jahrhundert insgesamt getroffen wird. 65 Die Frage nach einer Konkurrenz zwischen Aquileia und Mailand als Metropolitansitzen ist in der Forschung seit dem 18. Jahrhundert diskutiert worden; ein knapper Aufriss der Diskussion mit ihren Hypothesen bei G. C. MENIS, Giurisdizioni, 273–275. 66 S. G. C. MENIS, Giurisdizioni, 282f.; E. CATTANEO, Governo, 179. 67 Nach E. CATTANEO, Governo, 180, verwendet Kanon 14 der Synode von Serdica 342 / 343 im griechischen Text zwar schon den Begriff Metropolit im Zusammenhang mit der Interpellation von Priestern und Diakonen gegen Urteile ihres vorgesetzten Bischofs, in der lateinischen Version sei jedoch nur von „benachbarten Bischöfen“ die Rede. 68 Im oberitalienischen Raum war Ambrosius bekannt aufgrund seiner Tätigkeit in der kaiserlichen Verwaltung in Sirmium 365 und als Consularis der Provinz Liguria et Aemilia mit Sitz in Mailand seit 370.

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1. Kapitel: Einleitung

Liguria zufiel. Die Quellen schweigen jedoch bezüglich einer metropolitanen Jurisdiktion auch über die Provinz Venetia et Histria.69 Zu erwähnen ist allerdings ein einmaliges Eingreifen des Ambrosius in Verona im Jahr 389 auf Appellation der Jungfrau Indicia bzw. ihrer Verteidiger hin.70 Die Appellation an Ambrosius und eine anschließende ‚Provinzialsynode‘ werden neuerdings als eindeutige Hinweise auf die Metropolitanhoheit des Ambrosius über Verona bewertet.71 Übersehen wird dabei m. E. das persönliche Verhältnis des Ambrosius über seine Schwester Marcellina zu Indicia.72 Dennoch ist ein deutlicher Einfluss des Ambrosius auf Verona in dieser Sache zu konstatieren. Ob daraus allerdings auf Vergleichbares für die Zeit Zenos rückwirkend geschlossen werden kann, muss offen bleiben. Zur Zeit der Abfassung des Briefes, die in ihrer Datierung umstritten ist,73 war Zeno bereits verstorben.

Für das zenonische Verona ist zu konstatieren, dass ein starker arianischer Einfluss vermutlich ausgehend von Mailand, wo der Arianer Auxentius Bischof (355–373) war, seinen Niederschlag in einer antiarianischen Polemik der Traktate findet, da Zeno selbst die Position des orthodoxen Bischofs Valerian von Aquileia (368?–388) teilt. Eine juridische Zuordnung Veronas zu Mailand oder Aquileia für die Zeit Zenos kann jedoch nicht vorgenommen werden.74 381 auf der Synode von Aquileia wurden schließlich alle arianischen Kleriker Oberitaliens ihrer Ämter enthoben.75 Ob das Fehlen eines Reflexes darauf in den zenonischen Traktaten seinen Grund darin hat, dass Zeno zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war oder dass er sich eines polemischen Triumphes enthielt, weil noch nicht absehbar war, ob dies das definitive Ende des Arianismus in Oberitalien sein sollte, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Angesichts der wenig zurückhaltenden HäretikerPolemik in den Traktaten mag man Zeno allerdings kaum eine solche Befangenheit zutrauen. 69

S. E. CATTANEO, Governo, 180f.; G. C. MENIS, Giurisdizioni, 284. S. AMBR. epist. 8,56,1 (= Maur. 5) (CSEL 82,2,84–97 Zelzer) und G. C. MENIS, Giurisdizioni, 287. 71 S. M. P. B ILLANOVICH, Circoscrizioni, 4f. 72 S. F. MARTROYE, L’affaire Indicia. Une sentence des Saint Ambroise, in: Mélanges Paul Fournier, hg. v. der Société d’Histoire du Droit, Paris 1929, 503–510, hier: 503. 73 S. o. S. 32, Anm. 39. 74 Erst aus den Dokumenten einer Provinzialsynode 451 in Mailand kann indirekt geschlossen werden, dass zu dieser Zeit der Gardasee und der Mincio die Provinzgrenze der Kirchenprovinz Mailand nach Osten bildeten, Verona also nicht mehr zum Einzugsgebiet gehörte; der Bischof aus Brescia, das zivilpolitisch zur Venetia et Histria gehörte, war auf dieser Synode vertreten, Bischöfe aus weiter östlich gelegenen Bistümern nicht; s. E. CATTANEO, Governo, 186; vgl. auch F. VAN DER MEER / C. MOHRMANN, Atlas, Karte 10. M. P. B ILLANOVICH, Circoscrizioni, 1, nimmt (bereits für das 4. Jahrhundert) die Metropolitangrenze wesentlich weiter östlich, zwischen Padua und Concordia an. 75 S. E. CATTANEO, Governo, 181f.; G. CUSCITO, Aquileia II. Concilio, DPAC I, 1983, 302–304, hier: 303. 70

C. Der Kontext

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III. Die Situation des Heidentums Mit der Anerkennung des Christentums als religio licita im Jahr 311 setzte spiegelbildlich eine zunächst bedächtige, aber stetige Verdrängung des Heidentums von Seiten des christlich-symphatisierenden Konstantin bzw. seiner getauften Nachfolger ein. Während Konstantin lediglich gegen private (bzw. im Verborgenen stattfindende) Haruspizien und Magie gesetzlich vorgegangen war 76 und es unter seiner Regierung zwar zu Zerstörungen von Tempeln und Konfiszierung von Tempelschätzen und -einkünften, 77 jedoch nicht zu einem generellen Verbot paganer Opfer gekommen war, erließ Konstans 341 ein Verbot heidnischer Opfer und ließ die Tempel schließen.78 Trotz des geringen Erfolges schloss sich Konstantius als Alleinherrscher dieser Haltung an und erließ 354 das erste generelle Verbot der heidnischen Kulte.79 Nach seinem Rombesuch 357 wurde die Haltung des Kaisers gegenüber dem Heidentum zwar wieder versöhnlicher; er blieb jedoch bei seinem scharfen Vorgehen gegen Magier, Zauberer, Wahrsager, Haruspizes und Astrologen80 möglicherweise auch deshalb, weil sich gerade die Haruspizes in der antichristlichen Religionspolitik unter Diokletian sehr engagiert hatten und nun gerade von ihrer Seite mit crimina maiestatis zu rechnen war.81

Für den Beginn des Episkopats Zenos von Verona wurde jedoch eine sich aus der zeitlichen Distanz als Intermezzo erweisende Phase oder wenigstens deren Nachwirken in der Erinnerung des Veroneser Bischofs 82 bedeutsam, nämlich die anderthalbjährige Alleinherrschaft (361 / 362) des letzten noch lebenden Mitglieds der konstantinischen Dynastie, Julians, der aufgrund seiner heidnischen Restaurationspolitik als der ‚Apostat‘ in die Geschichte eingegangen ist.83 Vor seinem politischen Einsatz unter Konstantius II. hatte Julian die Möglichkeit zum Studium der griechischen Literatur gehabt und hatte trotz seiner christlichen Erziehung ein besonderes Interesse für die neuplatoni76 S. K.-L. NOETHLICHS, Die gesetzgeberischen Maßnahmen der christlichen Kaiser des vierten Jahrhunderts gegen Häretiker, Heiden und Juden, Köln 1971, 20–25; J. GAUDEMET, La legislazione antipagana da Costantino a Giustiniano, in: L’intolleranza cristiana nei confronti dei pagani, hg. v. P. F. Beatrice, Bologna 1993, 15–36, hier: 17, der dies „un’antica tradizione pagana“ nennt. 77 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 28f. 78 S. ebd., 53f. Die Kultpraktiken und die Tempel waren damit von Anfang an das eigentliche Ziel der legislativen Maßnahmen; s. J. GAUDEMET, Legislazione, 25. 79 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 62–65; J. GAUDEMET, Legislazione, 22; J. MARTIN, Spätantike, 108; E. KORNEMANN, Geschichte, 401; A. DEMANDT, Spätantike, 87f. 80 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 65–69; J. MARTIN, Spätantike, 108. 81 Vgl. M. HANO, Le témoinage des textes législative du IVe siècle sur les haruspices et la divination, in: Les écrivains du IVe siècle. L’etrusca disciplina dans un monde en mutation, Actes de la Table-Ronde tenue à Clermont-Ferrand les 17 et 18 septembre 1999, Paris 2005, 4–26, hier: 4.7. Zur Gesetzgebung des 4. Jahrhunderts die Haruspizien betreffend s. ebd., 5–22. 82 Terminus post quem der Traktate ist das Jahr 360; s. o. S. 32. 83 S. A. HEUSS, Geschichte, 462; A. DEMANDT, Spätantike, 93–109.

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1. Kapitel: Einleitung

sche Metaphysik und die Riten der Mysterienkulte entwickelt. Angesichts der fortwährenden Spannungen im Christentum schwebte ihm als religiöse Reform eine „Wiedergeburt der römischen Welt im Zeichen griechischer Theosophie“ 84 vor. Aus diesem Grunde, nicht etwa einer rationalistischen Aufklärung wegen, begann er seine Regierung mit einem Toleranzedikt, das dem Heidentum die Gleichberechtigung neben dem christlichen Kultus zusicherte.85 Damit erhielt das Heidentum seine Tempel und das Vermögen, das es unter den Konstantinssöhnen verloren hatte, wieder. 86 Ein deutlich auf das Christentum zielender Angriff war das so genannten Schulgesetz von 362, das die Erteilung rhetorischen Unterrichts durch Christen verbot. 87 Zu dieser ersten offiziellen Deklassierung des Christentums kamen Maßnahmen wie die Verweisung von Christen aus dem Staatsdienst oder das Verbot christlicher Leichenbegängnisse bei Tag, schließlich die Verbannung einzelner christlicher Gemeindeleiter. Auch eine Aufforderung Julians an die Juden, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen, scheint antichristlich motiviert gewesen zu sein.88 Das Heidentum förderte der Kaiser weitergehend dadurch, dass er ihm die Adaption von im Christentum als wirksam erkannten Neuerungen auftrug. Aus der christlichen Ethik sollten ins Heidentum die sittliche Reinheit der Priester sowie die karitative Tätigkeit religiöser Gruppen übernommen werden, aus dem Kult vor allem die Elemente, die die Teilnehmer zu einer Art Gemeinde verbinden und die Priester zu einem Klerus zusammenschließen konnten.89

Mit dem Tod Julians fand diese Restaurationspolitik ein jähes Ende, 90 was allerdings keinesfalls schon den Tod des Heidentums bedeutete, wie es die nächsten Jahrzehnte und selbst Jahrhunderte zeigen sollten. Und für die Zeitgenossen war keineswegs absehbar, dass eine vergleichbare Situation wie unter Julian nicht wieder eintreten sollte. Dies erklärt die scheinbar anachronistische Rede Zenos von der zu erwartenden Vollendung auch zeitgenössischer Christen durch das Martyrium, 91 wenn auch das Agieren Julians gegen das Christentum keinen expliziten Niederschlag in den ze84 A. HEUSS, Geschichte, 476. Dazu schreibt jedoch K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 74: „Julian griff nicht auf die vorchristliche Epoche zurück. Er wollte einen neuartigen heidnischen Staat schaffen, dessen Formen durch die Auseinandersetzung gerade mit dem Christentum wesentlich bestimmt sein sollten“. 85 Vgl. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 74: „Seine die Heiden betreffenden Maßnahmen hatten das Ziel, die Verordnungen seiner Vorgänger aufzuheben.“ S. auch J. GAUDEMET, Legislazione, 22f.; A. DEMANDT, Spätantike, 95f.100f. 86 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 74; A. HEUSS, Geschichte, 476f.; K. B AUS / E. EWIG, Reichskirche, 51–55; ausführlich dazu unten S. 97f. zu ius templorum. 87 S. A. DEMANDT, Spätantike, 102. 88 So K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 75. 89 S. A. HEUSS, Geschichte, 477; E. KORNEMANN, Geschichte, 405–407; K. B AUS / E. EWIG, Reichskirche, 56–60; auch A. DEMANDT, Spätantike, 102f. 90 S. A. DEMANDT, Spätantike, 110f. 91 S. I 4,12.22; I 33,3.

C. Der Kontext

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nonischen Traktaten gefunden hat. Allerdings könnte die Terminologie der Auseinandersetzung Zenos mit dem Heidentum an manchen Stellen in den Traktaten von den Erfahrungen unter Julian geprägt sein. 92 Die Nachfolger Julians nahmen jedoch auch nicht den Kurs der Konstantinssöhne wieder auf. Valentinian 93 und Valens 94 verhielten sich gegenüber dem Heidentum weitgehend tolerant, die Tempelgüter wurden allerdings (wieder) konfisziert und Valens verbot schließlich in den letzten Jahren seiner Regierung doch, nachdem sogar die Haruspizien zunächst statthaft geblieben waren,95 zur Verhinderung eben dieser Eingeweideschauen blutige Opfer.96 Die Traktate zeigen, dass Zeno und seine Gemeinde von dieser Politik direkt betroffen sind. Zeno attackiert ausdrücklich christliche Großgrund92

S. u. S. 243f. P. B ARCELÓ, Zur Begegnung, Konfrontation und Symbiose von religio Romana und Christentum, in: Christen und Heiden in Staat und Gesellschaft des zweiten bis vierten Jahrhunderts. Gedanken und Thesen zu einem schwierigen Verhältnis, hg. v. G. Gottlieb u. P. Barceló, München 1992, 151–208, hier: 179, spricht von „keinerlei Modellvorstellung“ Valentinians verglichen mit dem religionspolitischen Konzept Julians, was ihn dem Vorwurf der Konzeptlosigkeit aussetzte. 94 Vgl. ebd., 179f.: „Getragen von einer christlichen Grundhaltung zeichnete sich das Vorgehen dieser Herrscher [sc. des valentinianischen Hauses] durch eine weitgehende Liberalität gegenüber den verschiedenen Glaubensgemeinschaften des Reiches aus. Daraus erklärt sich die rege Tätigkeit und die Blüte, in der eine Reihe heidnischer Kultbräuche standen. … Die eruptionsartigen heidnischen Restaurationsversuche der julianischen Regierung zwangen zu einer versöhnlichen Haltung mit dem politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell durchaus lebendigen – wenn auch nicht mehr übermächtigen – Heidentum. Daher vermied die valentinianische Gesetzgebung gegenüber den altgläubigen Kulten die rigorose Praxis der Constantinssöhne.“ Zuvor schränkte Barceló selbst, ebd., 178, jedoch ein: „Zweifellos nahm das Christentum während des 4. J[ahr]h[undert]s überall an Bedeutung und Gewicht zu, aber dieser Zuwachs korrespondierte nicht immer mit einem Schwund der alten Kulte. Sofern die ausschnitthaften Einblicke in diesen Prozeß als repräsentativ zu bewerten sind, zeigt sich, daß wir es hier mit äußerst komplexen Vorgängen zu tun haben, die sich nicht unter bestimmten systematisch ablaufenden Gesetzmäßigkeiten subsumieren lassen. Was für die Stadt Rom galt, mußte keineswegs zwangsläufig Bedeutung für Antiochia haben …“ Solche Einschränkung bezüglich der Bedeutung des Christentums muss ähnlich auch für die von Barceló hier angemerkte Blüte des Heidentums Gültigkeit haben, die Einschränkung für Antiochia und weitere von ihm genannte Orte muss selbstverständlich auch für Verona gelten. 95 S. A. DEMANDT, Spätantike, 115; aufgrund „politischer Schwäche“, wie K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 75, meint; vgl. auch ebd., 85.96 und J. GAUDEMET, Legislazione, 23f. 96 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 96f.; E. KORNEMANN, Geschichte, 414; A. HEUSS, Geschichte, 477; J. MARTIN, Spätantike, 108; P. B ARCELÓ, Begenung, 186, formuliert allgemeiner: „Nach der gescheiterten julianischen Restauration des Heidentums wurden die Schikanen gegen die traditionellen Kulte fortgesetzt.“ – Zu den Schwierigkeiten einer vollständigen Rekonstruktion der Gestzeslage s. u. S. 64, Anm. 113. 93

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1. Kapitel: Einleitung

besitzer, die aus der Konfiszierung der Tempelgüter Profit gezogen zu haben scheinen.97 Gleichzeitig wendet er sich deutlich gegen die Haruspizien, die sich offensichtlich auch unter Christen nach wie vor der Pflege erfreuten.98 Auf das Orthodoxiedekret 99 des Theodosius (380) und das explizite Verbot des Heidentums (391 / 392) findet sich kein Reflex mehr in den zenonischen Traktaten. Dass es im Westen zu dieser verstärkten antiheidnischen Tätigkeit des Gratian und des Theodosius kam, lag vor allem am persönlichen Einfluss des Ambrosius von Mailand. 100 Einen Höhepunkt fanden die Maßnahmen in drei theodosianischen Gesetzen 391 und 392, in denen heidnische Gottesdienste und auch private heidnische Religionsausübung streng verboten und mit harten Strafen bedroht wurden. Schließlich mussten sich die römischen Senatoren 394 / 395 zwangsweise taufen lassen.101 Trotz der rigorosen Maßnahmen ließ das Heidentum sich jedoch auch unter Theodosius nicht völlig auslöschen.102

Unterschiedliche Einschätzungen bezüglich einer Beteiligung des Heidentums erfährt ein Vorgang in Verona, der möglicherweise noch in die End-

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I 25,10; dazu s. u. S. 97–99. S. I 25,11; I 34,9; dazu s. u. S. 181–185. 99 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 129; J. GAUDEMET, Legislazione, 24; A. HEUSS, Geschichte, 478f.; J. MARTIN, Spätantike, 108f.131f.; E. KORNEMANN, Geschichte, 420f.; A. DEMANDT, Spätantike, 128. 100 S. K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 113.173. 101 S. J. MARTIN, Spätantike, 131f.; K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 166–181; J. GAUDEMET, Legislazione, 26f.; A. DEMANDT, Spätantike, 132–134. 102 Vgl. J. GAUDEMET, Legislazione, 27: „Nonostante il loro rigore e la loro ripetizione, le constituzioni di Teodosio ne fecero scomparire le pratiche pagane. ... il paganesimo sopravivrà all’impero“ und P. B ARCELÓ, Begegnung, 187: „Zwar versuchten Theodosius und seine Nachfolger – ebenso wie ihre Vorgänger – gegen die heidnischen Kulte und Bräuche vorzugehen, aber wo dies nicht mit aller Entschiedenheit und unter Gewaltandrohung und -anwendung geschah, blieben diese trotz der staatlichen Ächtung wirksam und lebendig. … Am auffälligsten ist jedoch die Förderung und staatliche Anerkennung, die nach 380 prominenten Heiden zuteil wurde“. Diese deutliche Ambivalenz der religiösen Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts löst Barceló zuvor, ebd., 184, so auf: „Die über dreihundertjährige Berührung von heidnischen und christlichen Kultformen schuf eine Symbiose aus heidnisch-christlichen Elementen. Aus diesem Grund ging das Heidentum nicht vollständig unter, vielmehr wandelte es sich um. Auf der einen Seite erfuhr es eine Reihe von Umbildungen, die es den neuen politischen Gegebenheiten anpaßten; auf der anderen Seite schlüpfte es in ein christliches Gewand und lebte so im Christentum fort. Beides schwächte seine Abwehrkräfte beträchtlich. Was man geistig hätte verteidigen können, war im Verlauf eines Integrationsprozesses vom Christentum assimiliert worden. Nur so ist zu erklären, daß das Heidentum sich zu keinem sonderlichen Aufbäumen gegen seine christlichen Unterdrücker aufraffen konnte.“ 98

C. Der Kontext

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phase des Episkopats Zenos fiel: Die Statue einer weiblichen Gottheit, 103 neuzeitlich „Madonna Verona“ genannt, die bis heute auf der Piazza delle Erbe, dem antiken Forum im Zentrum Veronas, steht, wurde zwischen 379 und 383, vielleicht 379 / 380, vom Consularis der Venetia et Histria, Valerius Palladius,104 wie eine Inschrift im Museo Maffeiano belegt, vom Kapitol Veronas auf das Forum transferiert und dort öffentlich aufgestellt. 105 Während in der älteren Forschung dieser Vorgang als ein Akt polemischer Opposition der in der Verwaltung etablierten heidnischen Oberschicht gegen die sich durchsetzende neue Religion gewertet wurde, 106 deutet man 103 Der Einwand R. LIZZIs, Prosopografia, 147, es sei nicht sicher, ob es sich um eine Götterstatue handle, da es nicht ungewöhnlich war, neben den Tempeln auch Statuen berühmter „uomini“ (Menschen oder Männer?) aufzustellen, überzeugt nicht, da es sich eben um eine weibliche Statue handelt; darauf deutet nicht nur die heutige Bezeichnung als „Madonna Verona“, sondern auch der Habitus der originalen Statue (ohne mittelalterliche Ergänzungen; s. A. SCOLARI, Le vicende di una statua e la resistenza pagana a Verona sul finire del sec. IV, AVIS 114, 1955 / 1956, 199–212, hier: 200.212); die Beispiele, die R. LIZZI, ebd., Anm. 10, anführt, beziehen sich aber durchweg auf ,berühmte Männer‘. 104 S. A. H. M. J ONES / J. R. MARTINDALE / R. MORRIS, The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. I, Cambridge 1971, 662, Palladius 19; vgl. R. LIZZI, Prosopografia, 148–156, die ihn (wie schon A. SCOLARI, Vicende, 209, Anm. 2) mit dem von Symmachus erwähnten Rhetor Palladius, s. A. H. M. J ONES / J. R. MARTINDALE / R. MORRIS, Prosopography, 660, Palladius 12, identifiziert, diesen jedoch (anders als Scolari und Jones / Martindale / Morris) nicht für identisch hält mit dem Adressaten von Brief 11 des Symmachus, s. R. LIZZI, Prosopografia, 148. R. LIZZI, ebd., 153f., meint daher das Ereignis in Verona genauer in das Jahr 379 / 380 datieren zu können. 105 CIL 5,1 Nr. 3332: „HORTANTE BEATITVDINE / TEMPORVM DDD NNN / GRATIANI VALENTIANI / ET THEOSOSI AVGGG / STATVAM IN CAPITOLIO / DIV IACENTEM IN / CEREBERRIMO FORI / LOCO CONSTITVI / IVSSIT VAL PALLADIVS / V C CONS VENET ET HIST“. 106 S. A. SCOLARI, Vicende, 209–211. Scolari hält Valerius Palladius möglicherweise deshalb für einen Heiden, weil er, ebd., 209, Anm. 2, eine Identität mit dem von Symmachus erwähnten Rhetor Palladius nicht ausschließen will. R. LIZZI, Prosopografia, äußert sich zur Religionszugehörigkeit des Palladius nicht. – Aufgegriffen wurde die Position Scolaris neuerdings wieder von D. CERVATO, Diocesi, 48; vgl. ders., Verona, 68, Anm. 30. Dies passt in das Bild, dass die Lokalgeschichte noch immer von Zeno zeichnet: Trotz des Wissens, dass der Versus de Verona vom Ende des 8. / Anfang des 9. Jahrhunderts erst die Grundlage legte für die Darstellung Zenos als ‚Täufer Veronas‘, verzichten auch die jüngeren Ausführungen zu Zeno nicht darauf, seinen Kampf gegen ein lebendiges Heidentum in Verona zu betonen, wenngleich eingeräumt wird, dass die ‚Massenkonversionen‘ (!) v. a. zu in der Forschung so genannten ‚halben Christen‘ führte; s. ebd., 47; vgl. ders., Verona, 60; zu den ‚halben Christen‘ s. u. S. 74, Anm. 79. Widersprüchlich auch die Rede von Zenos Episkopat als Epoche von „sviluppo e l’organisazione della Chiesa in Verona“ (D. CERVATO, Diocesi, 35; vgl. ders., Verona, 63), verknüpft mit der Beschreibung „il culto cristiano era liberamente permesso in città, il culto degli idoli era relegato nelle campagne“ (ebd., 36; vgl. ders., Verona, 59), und der Behauptung

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1. Kapitel: Einleitung

ihn neuerdings als von der Religionszugehörigkeit unabhängigen „souci de la préservation des monuments et de leur décoration“, 107 der sich auch in zahlreichen Anordnungen der christlichen Kaiser dokumentiert. 108 Das Ereignis in Verona hat unter Gratian, Valentinian II. und Theodosius stattgefunden, zu einer Zeit also, als vehemente Verbote gegen das Heidentum in Kraft traten; allerdings berichtet die Inschrift, dass die Statue bereits seit langem auf dem Kapitol ‚herumlag‘ (IN CAPITOLIO DIU IACENTEM).109 Dies wird als ein Hinweis auf die Effektivität der antiheidnischen Maßnahmen bereits unter Konstantius II. im Jahr 350 gewertet. 110 Das Veroneser Kapitol scheint seit dieser Zeit verlassen gewesen zu sein,111 unabhängig davon, ob die Statue von ihrem Sockel gefallen oder ohne jeden Beleg: „Nonostante le restrizioni imperiali imposte, al tempo di san Zeno il culto pagano ufficiale continuava regolarmente“ (ebd., 38; vgl. ders., Verona, 60). 107 C. LEPELLEY, Le muse des statues divines. La volonté de sauvegarder le patrimoine artistique païen à l’époque théodosienne, Car 42, 1994, 5–15, hier. 8. Für Verona so zuvor schon R. LIZZI, Prosopografia, 163; sie interpretiert die Aktion des Palladius als „un provvedimento urbanistico in tutela dei monumenti antichi“ und als Reflex der „intenzione del consularis di rendere più bello e accogliente il centro cittadino.“ Allerdings verträgt sich diese Intention m. E. nicht konsequent mit ihrer Vorstellung des politisch und ökonomisch nach wie vor funktionierenden Kapitols; s. ebd., 157f. 108 S. C. LEPELLEY, Muse, 7–11. Gewissermaßen eine solche Interpretation des Vorgangs in Verona voraussehend, führt A. SCOLARI, Vicende, 210, als Gegenargument an: „L’obiezione [sc. che gli stessi imperatori cristiani intervennero piú volte per salvare dalla distruzione le opere d’arte pagane] sarebbe valida, se l’episodio veronese non cadesse in un momento, in cui, in Italia, non si era ancora spiegata l’intolleranza devastatrice del fanatismo.“ A. SCOLARI, ebd., 211f., hält es gar für nicht ausgeschlossen, dass die Statue nach ihrer Aufstellung auf dem Forum (noch einmal) umgestürzt und zerstört wurde, da man in der Renaissance offensichtlich ihren Kopf ergänzt hat. 109 Vgl. R. LIZZI, Prosopografia, 146, Anm. 6. 110 S. C. LEPELLEY, Muse, 12; auch A. SCOLARI, Vicende, 203.211. Anders dagegen R. LIZZI, Prosopografia, 157f.162f., die zwischen dem Kapitol als religiösem und politischem Zentrum der Städte differenziert und darauf hinweist, dass die Kapitolsanlagen in ihrer politischen Funktion auch in christlicher Zeit weiter in Benutzung blieben. Für Verona hält sie eine Aufgabe des Kapitols im 4. Jahrhundert insbesondere aus ökonomischen Gründen für undenkbar. 111 Anders dagegen R. LIZZI, Prosopografia, 157f.162f., die zwischen dem Kapitol als religiösem und politischem Zentrum der Städte differenziert und darauf hinweist, dass die Kapitolsanlagen in ihrer politischen Funktion auch in christlicher Zeit weiter in Benutzung blieben. Für Verona hält sie eine Aufgabe des Kapitols im 4. Jahrhundert insbesondere aus ökonomischen Gründen für undenkbar. Dem hält G. CAVALIERI MANASSE, Scavi, 110, jedoch entgegen, dass das Veroneser Kapitol nach den archäologischen Befunden in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts auf jeden Fall ‚aufgegeben‘ worden sei; man könne zwar grundsätzlich nicht ausschließen, dass es vor einer endgültigen Zerstörung durch eine veränderte profane Nutzung bewahrt worden sei; für vergleichbare Vorgänge, etwa eine Nutzung als Aufbewahrungsort für städtisches Vermögen, als Ort der Eintreibung und Aufbewahrung von Steuergeldern oder als Ort der Versammlung von

C. Der Kontext

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von aufgereizten Christen hinunter gestoßen worden war. 112 Sollte Zeno collegia , gebe es bisher aber ausschließlich Belege aus dem afrikanischen Bereich. Für das Veroneser Kapitol führt sie, ebd., 112–115, dagegen archäologisch verifizierte erhebliche Umgestaltungen des gesamten Areals an, etwa die Modifizierung von Zugängen, aber auch den Einbau kleinerer Strukturen, die auf Wohn- und Nutzbauten deuten. Ähnliche Umstrukturierungen seien im Übrigen auch für das Forum zu konstatieren. Für die Zeit gegen Ende des 4. Jahrhunderts schließlich gibt es Befunde, die auf ein „evento rovinoso“ (ebd., 112) deuten. All dies deckt sich mit „segni della decadenza urbana …evidenti“ schon seit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts (ebd., 111). Neben der enormen kirchlichen Bautätigkeit seit der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts sei ein weiterer Indikator für die zügige Expansion der neuen Religion [und damit für einen entsprechenden Rückgang des Heidentums] zudem die Seltenheit von Bestattungen mit Grabbeigaben ab dem 4. Jahrhundert (ebd., 111). Damit dürfte auch das von Lizzi speziell für das Veroneser Kapitol als politisches Zentrum angeführte ökonomische Argument entkräftet sein. Ein ökonomischer Niedergang setzte schon im 3. Jahrhundert ein; im 4. Jahrhundert scheinen die ökonomischen Möglichkeiten auf christlicher Seite zu wachsen. Zur Entwicklung Veronas seit dem Ende des 3. Jahrhunderts und der zunehmenden Bedeutung einer nunmehr christlichen Oberschicht s. o. S.48, Anm. 22. – Ein vergleichbarer Verlust [der kultischen Funktion?] des kapitolinischen Sanktuariums im 4. Jahrhundert sei im Übrigen auch für andere Orte in Oberitalien zu beobachten, so Cavalieri Manasse weiter, für Brescia etwa sei dies inzwischen hervorragend dokumentiert (ebd., 116, Anm. 203). 112 S. C. LEPELLEY, Muse, 12. Anders dagegen R. LIZZI, Prosopografia, 162, die für den Episkopat Zenos konstatiert: „Molti sermoni di Zenone alludono chiaramente alla persistenza del culto pagano, celebrato ancora pubblicamente, e a una compresenza neppure troppo conflittuale di esponenti delle due fedi. Dall’insieme di queste testimonianze, in definitiva, non sembra che la cristianizzazione della città fosse così avanzata all’epoca da provocare una precoce decadenza del tempio capitolino.“ Gerade die ebd., Anm. 80, angeführten Zeno-Stellen können aber keineswegs so eindeutig interpretiert werden. Dies ist eines der Ergebnisse dieser Arbeit. Ohne dem Gesamtergebnis vorzugreifen, hier einige Bemerkungen zu Lizzis ,Belegen‘: (1) In II 7,14–16 steht nirgends ein Hinweis darauf, dass heidnische Opfer „ancora normalmente“ praktiziert werden; es steht dort, dass es häufiger (II 7,14: saepe) vorkommen kann, dass heidnische Feste, an denen der Tempel zu besuchen ist, auf den gleichen Termin fallen wie christliche Feste, und dass es im Fall einer Mischehe dann zu Konflikten kommen kann. (2) In I 25,11 werden in der Tat Parentalia und das Einholen von Augurien genannt; beides wird jedoch auch im Christentum als heidnisches Relikt weiter praktiziert; und genau gegen solche Praktiken auf christlicher Seite wendet sich Zeno hier; s. u. S. 185–190 und 213– 219. (3) In II 6,2 spricht Zeno nicht davon, dass es bisher nur sehr wenige Kirchengebäude gebe, sondern, dass es nur sehr wenige gebe, die so prachtvoll wie die heidnischen Tempel seien. Zum ,musealen‘ Erhalt heidnischer Tempel in ,christlicher‘ Zeit s. C. LEPELLEY, Muse, 7f. (4) In II 7,11 sagt Zeno nirgends etwas über die Häufigkeit von Mischehen zwischen Heiden und Christinnen (R. LIZZI, ebd., spricht von „numerosi“), sondern lediglich, dass es solche gebe. – Zu den Argumenten von archäologischer Seite gegen die Interpretation Lizzis durch G. CAVALIERI MANASSE, Scavi, 110–116, s. o. Anm. 111. Unter Bezug auf die geschilderte Episode um die Statue [der so genannten ‚Madonna Verona‘] (ebd., 110) schreibt Cavallieri Manasse, ebd., 111: „Le argomentazioni con cui la studiosa [sc. Lizzi] avvalora questa tesi [che non vi siano ragioni per

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1. Kapitel: Einleitung

die Wiederaufstellung noch miterlebt haben, irritiert das Fehlen eines konkreten Niederschlags in den Trakten, unabhängig davon, ob es sich nun um einen Akt eines noch existierenden Heidentums oder eine Adaption quasi ‚säkularisierten‘ heidnischen Kulturgutes durch ‚Schon-Christen‘ handelte. Angesichts eines bereits während seines Episkopats aufgelassenen Kapitols stellt sich jenseits des beschriebenen Vorfalls jedoch die Frage nach der Intention der in dieser Hinsicht scheinbar verspäteten Polemik Zenos gegen das Heidentum aus unerwarteter Perspektive. 113

ipotizzare la decadenza del complesso capitolino già nel corso del IV secolo … né una rapida cristianizzazione delle classi alte veronesi] non sembrano particolarmente cogenti né confermate dalle testimonianze materiali.“ Festzuhalten bleibt nach Cavalieri Manasse: Das Veroneser Kapitol erlebte ab dem 4. Jahrhundert eine Übergangsphase, die sich auch in baulichher Umstrukturierung äußerte. Eine systematische Zerstörung des kapitolinischen Tempels hat allerdings erst erheblich später, nämlich in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts stattgefunden (ebd., 116). 113 Allerdings kann für den zenonischen Episkopat nicht, und schon gar nicht, wenn er sich mit der Herrschaft Julians überschnitten haben sollte, eine öffentliche Funktion (anderer) paganer Heiligtümer (als des Kapitols) in Verona gänzlich ausgeschlossen werden. Auch die Bedeutsamkeit des Kapitols dürfte noch im Bewusstsein der Bevölkerung gegenwärtig gewesen sein; darauf lässt die Erwähnung des Jupiter (mit Anklang an Optimus Maximus) sowie der Gebrauch des Terminus capitolia in den Traktaten schließen; s. u. S. 246–248.255f. und 94f.. Angesichts des Hinweises in Traktat II 6,1 „illi, si liceat vel si velint, fortassis … cultius erigant capitolia“, der erkennen lässt, dass die Situation den Neubau eines paganen Tempels nicht mehr zulässt, (der Traktat also auf jeden Fall nicht in die julianische Restaurationsphase zu datieren ist, obgleich auch vorwie nach-julianisch die Gesetzeslage zum Neubau von Tempeln nicht geklärt ist; zu den Lücken in der Überlieferung der Gesetzestexte und den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl. J. HAHN, Gesetze als Waffe? Die kaiserliche Religionspolitik und die Zerstörung der Tempel, in: Spätantiker Staat und religiöser Konflikt. Imperiale und lokale Verwaltung und die Gewalt gegen Heiligtümer, hg. v. J. Hahn, Berlin / New York 2011, 201–216, besonders 204, Anm. 7) sowie angesichts des inzwischen eindeutigen archäologischen Befunds zur Auflassung des Kapitols in Verona (s. vorhergehende Anm. 111 und 112. Eine stärkere Berücksichtigung archäologischer Ergebnisse angesichts der uneindeutigen und zum Teil sogar widersprüchlichen Gesetzeslage fordert auch B. W ARDP ERKINS, The End of the Temples: An Archaeological Problem, in: Spätantiker Staat und religiöser Konflikt. Imperiale und lokale Verwaltung und die Gewalt gegen Heiligtümer, hg. v. J. Hahn, Berlin / New York 2011, 187–199, hier: 187, insbesondere in Bezug auf die Berücksichtigung von Statuen und deren Schicksal nach Schließung der Tempel, ebd., 190f.) muss jedoch für die Polemik Zenos gegen Jupiter Optimus Maximus und die heidnischen capitolia nun umso mehr nach einem weiterreichenden Grund als dem der bloßen ‚Konkurrenz‘ gefragt werden, da diese durch einen Jupiterkult im Veroneser Kapitol ja eindeutig nicht mehr gegeben ist.

Kapitel 2

Die Bewertung heidnischer Kultur in den Tractatus Zenonis Das ‚Heidentum‘ ist eine christliche Erfindung. Die christlichen Autoren der Antike fassten unter spezifischen, im Folgenden untersuchten Termini so die ‚religiös Anderen‘1, genauer die nicht-christlichen und nicht-jüdischen Anderen zusammen. Das Heidentum ist also ein relatives Konstrukt, das niemals als zusammenhängende Entität existierte; 2 relativ deshalb, weil es gleichzeitig immer auch dazu diente, Christentum zu konstruieren.3 Dennoch benutzt selbst die Wissenschaft bis heute die im frühen Christentum eingeführte Differenzierung mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, wenn auch der wissenschaftlichen Terminologie, anders als dem frühen Christentum, heute jede (Ab-)Wertung fremd ist. 4 1

S. KAHLOS, The Shadow of the Shadow. Examining Fourth- and Fith-Century Christian Depictions of Pagans, in: The Faces of the Other. Religious Rivalry and Ethnic Encounters in the Later Roman World, hg. v. M. Kahlos, Turnhout 2011, 165–195, hier: 166. 2 Erst in Auseinandersetzung mit dem Christentum und der Rückbesinnung auf vorchristliche Traditionen seit den 360er Jahren benutzten die dieser Tradition verpflichteten Nicht-Christen zur Selbstbezeichnung und Differenzierung vom Christentum den aus dem griechischen christlichen Sprachgebrauch übernommenen Begriff ‚Hellenen‘; s. ebd., 168f. 3 S. ebd. Wie genau dies in den Tractatus Zenonis geschieht, ist Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. 4 Vgl. etwa die Rede vom „Heidentum“ im Inhaltsverzeichnis dieser Arbeit und in den vorangegangenen Kapiteln. Wenn im Folgenden von Heidentum und seinen Anhängern gesprochen wird, so wird selbstverständlich das christlich-antike Konzept der Differnzierung zugrunde gelegt, nicht eine irgendwie geartete neuzeitliche Konzeption; die Terminologie wird in dieser Arbeit aber einzig zur sprachlichen Differenzierung von Nicht-Christen und Nicht-Juden benutzt, und deshalb, sofern es sich nicht um Zitate oder Übersetzungen derselben handelt, in wissenschaftlich-wertneutraler Bedeutung. Heidentum könnte an diesen Stellen in aller Regel auch durch den Begriff Paganismus ersetzt werden. Dass es sich bei der so titulierten Gruppe eher um ein „lockeres Gemenge sakraler Traditionen, Kulte, Mythen und philosophischen Lehren unterschiedlichster Herkunft und Ausstrahlung“ handelt, so J. HAHN, Gewalt und religiöser Konflikt. Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.), Klio.B NF 8, Berlin 2004, 11, soll mit der Verwendung des Terminus keineswegs in Frage gestellt werden. Vielmehr schuldet sich

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität I. Die Heiden Der erste Schritt, einen Befund zum Heidentum in den Tractatus Zenonis, innerhalb derer nun mit größter Wahrscheinlichkeit auch mit negativen Wertungen und daher auch mit pejorativer Verwendung der Terminologien zu rechnen ist, zu erheben, ist die Untersuchung der Rede Zenos über die Heiden als Gruppe oder als Einzelpersonen. Zeno kennt – anders als weite Bereiche der patristischen Literatur – nur einen einzigen Begriff, mit dem er explizit die Anhänger der nicht-jüdischen und nicht-christlichen Religion und ihrer unterschiedlichen Kulte, bezeichnet. Während die spätantike Latinität sowohl vor dem 4. Jahrhundert als auch während des 4. Jahrhunderts5 eigentlich drei Synonyma,6 nämlich wohl anfänglich ethnicus,7 dann aber gentes 8 (im Plural) und vor allem paganus,9 verwendet, beschränkt

diese Verwendung der Unlösbarkeit des Problems der „Bezeichnung der traditionellen Kulte und ihrer Anhängerkreise“, ebd., 11f., Anm. 10. Dieses Problem löst auch der Vorschlag, ‚Heidentum‘ bzw. ‚Paganismus‘ durch ‚Polytheismus‘ zu ersetzen (s. H. REMUS, The end of „paganism“?, SR 33, 2004, 191–208, hier: 201–203), nicht, da gerade in der Spätantike diejenigen, die von christlicher Seite als pagani bezeichnet wurden, nicht notwendigerweise mehr Polytheisten sein mussten. Remus selbst räumt dies, ebd., 196, ein: „Among those Gentiles there were philosophic monotheists.“ Er führt jedoch weiter aus, dass dieser Monotheismus nicht ‚exklusivistisch‘ gewesen sei. Diese Passage bestätigt im Grunde nur die oben angeführte Unlösbarkeit des Problems. Wie die vorliegende Arbeit in ihrer weiteren Differenzierung zeigen wird, soll hier trotz der Entscheidung für den Terminus ‚Heidentum‘ keineswegs „die phänomenologische Vielfalt“ (J. HAHN, Gewalt, 12, Anm. 11) überdeckt werden. 5 S. M. KAHLOS, Shadow, 168. 6 Zur synonymen Bedeutung vgl. AUG. serm. 82,4,7 (PL 38,509,17): „ethnicos, id est gentiles et paganos“. Einen Überblick mit Verhältnisbestimmung der Termini zueinander bietet I. OPELT, Griechische und lateinische Bezeichnungen der Nichtchristen. Ein terminologischer Versuch, VigChr 19, 1965, für die griechischen Begriffe 1–13, für die lateinischen 13–22. Zur Entwicklung der Terminologie und deren Inhalt in der frühjüdischen und frühchristlichen Literatur vgl. den Sammelband von R. FELDMEIER / U. HECKEL (Hgg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994. 7 Gebräuchlich v. a. bei Tertullian und Cyprian; neben T HESLL 5,2, 923f., K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2471, A. B LAISE, Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiens, Turnhout 1954, Repr. 1993, 316, s. v. a. C. MOHRMANN, Die altchristliche Sondersprache in den Sermones des heiligen Augustinus, LCP 3, Amsterdam 2 1965, 110. 8 Sowohl in der Übersetzung der alttestamentlichen Terminologie ‫ גוים‬bzw. hèí als auch davon gelöst in christlicher Literatur; s. ThesLL 6,2, 1862–1864; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2919f.; A. B LAISE , Dictionnaire, 374; auch M. K AHLOS, Shadow, 167f.

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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sich Zeno in seinen Traktaten ausschließlich auf die Bezeichnung gentes bzw. die Ableitungen gentilis und gentilitas. Neben dem eigentlichen Terminus technicus verwendet er jedoch weitere Begriffe zur Kennzeichnung von Heiden. Relativ neutral beschreibend, vom Standpunkt des „kirchenzentrischen“ Betrachters aus, 10 sind die Adjektive externus und profanus; eine eindeutig negative Konnotation haben sacrilegus und impius; bei den „negierten adjektivischen Determinativkomposita“ 11 incredulus und infidelis ist näher zu untersuchen, ob damit ausschließlich Heiden gemeint sind.12 1. gentes Dass Zeno auf den Begriff ethnicus verzichtet, obwohl seine Sprache und sein Stil sonst durchaus zahlreiche Gräzismen aufweisen, 13 mag daran liegen, dass er auf das Vokabular der von ihm benutzten lateinischen Bibelausgabe zurückgreift.14 Denn inhaltlich liefert der Text keine Hinweise, die darauf schließen lassen könnten, dass Zeno sich in besonderer Weise einer Tradition verbunden fühlte, die das Fremdwort vermeiden würde. Der negative Befund bezüglich des Wortes paganus in den zenonischen Traktaten (wie übrigens auch in den Werken des Ambrosius und des Hieronymus 15) mag, wenn auch ebenfalls nur hypothetisch, darauf zurückzuführen sein, dass die veronesische Gemeinde zu Zenos Amtszeit sich nicht mehr allein aus Städtern, sondern durchaus auch aus der Landbevölkerung

9 Zu paganus insgesamt s. C. MOHRMANN, Quelques traits caractéristiques du latin des chrétiens, in: dies., Études sur le latin des chrétiens, Bd. I, SeL 65, Rom 21961, 21– 50, hier: 27f.; zur lebhaften Diskussion C. MOHRMANN, Encore une fois: paganus, in: dies., Études sur le latin des chrétiens, Bd. III, SeL 103, Rom 1965, 277–289; eine neuere zusammenfassende Darstellung der Diskussion auch bei J. J. O’DONNELL, Paganus, ClF 31, 1977, 163–169, hier: 163f.; s. auch P. CHUVIN, Sur les origines de l’équation paganus = païen, in: Impies et païens entre antiquité et moyen age, hg. v. L. Mary u. M. Sot, Paris 2002, 7–15 und T HESLL 10, 81 mit Bibliographie. 10 I. OPELT, Bezeichnungen, 14. 11 Ebd. 12 In der Auflistung einer Reihe von christlich verwendeten Bezeichnungen für ‚Heiden‘ bei M. KAHLOS, Shadow, 170, wird diese letzte Frage außer Acht gelassen. 13 Vgl. A. B IGELMAIR, Zeno, 129. 14 Zur von Zeno benutzten Bibelversion s. u. S. 444. – Der in der LXX verwendete Begriff hèí wird an den von Zeno zitierten Stellen in der Vulgata mit gentes übersetzt; vgl. dazu I 34,8; I 25,5; I 5,15; I 25,7 und II 20,2 mit Pss 2,1; 95,5; 113,12; Mal 1,10f. in LXX (Rahlfs) und VULGATA (Weber / Gryson). – Paganus ist biblisch nicht belegt; vgl. B. FISCHER (Hg.), Novae concordantiae bibliorum sacrorum iuxta vulgatam versionem critice editam, Bd. IV, Stuttgart-Bad Cannstatt 1977, 3624. Zu ethnicus bei anderen lateinischen Autoren s. I. OPELT, Bezeichnungen, 18. 15 S. J. J. O’DONNELL, Paganus, 165, Anm. 14.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

rekrutierte,16 so dass der Begriff paganus in seiner christlichen Negativbedeutung verbunden mit seiner volkstümlich weit verbreiteten Etymologie im Sinne von ‚Landbewohner‘ 17 einen Affront gegen solche Gemeindemitglieder bedeutet hätte,18 die auch als wohlhabende und damit für die Gemeinde nicht unbedeutsame Großgrundbesitzer eben auf dem Land lebten.19 Die von O’Donnell angestellte Beobachtung, dass der Terminus in der Gegenwart von Heiden vermieden wurde, 20 könnte einen weiteren Grund für das Vermeiden des Begriffs in den Predigten Zenos nahelegen, da offensichtlich gelegentlich auch Heiden der Predigt folgten. 21 Die Begrifflichkeit gentes war demgegenüber den Zuhörern Zenos aus Bibellesungen bekannt und konnte so zu keinerlei Missverständnissen führen. Gens bedeutet ursprünglich „das von gleicher Abkunft-, von einem Stammvater Entsprossene“, d. h. also „Völkerschaft“. 22 Im jüdischen und christlichen Sprachgebrauch 16

Vgl. etwa I 5,8; I 25,10; II 1,16. S. ThesLL 10, 78–84, insbesondere 81 (II.A.1.a); auch H. REMUS, End, 196–201. Für die Bekanntheit dieser Etymologie in Oberitalien in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts spricht, auch gegen die von Mohrmann vorgeschlagene Bedeutung als „der einer Gruppe Fremde“ (nach I. OPELT, Bezeichnungen, 15) oder die als älter favorisierte, aber in Vergessenheit geratene Bedeutung von ,Zivilist‘ als Gegensatz zu miles Christi (so J. J. O’DONNELL, Paganus, 163, in Anlehnung an eine Deutung Altaners), v. a. die Ableitung bei FILASTR. 111,2 (CChr.SL 9,277 Heylen): „Pagani autem … sive a pago, id est loco, sive provincia una dicti sunt sive Pagano rege …“. A. MERKT, Maximus, 103, Anm. 201, kann für Maximus I. von Turin (ca. 400–420) nachweisen, dass dieser zwischen gentilium populus als den Heiden, von denen die Schrift spricht, und pagani als den zeitgenössischen Heiden unter der Landbevölkerung unterscheidet. (Unklar bleibt bei Merkt jedoch, mit welcher Terminologie Maximus das zeitgenössische städtische Heidentum belegt.) C. MOHRMANN, Sondersprache, 110, verweist darauf, dass paganus als einheimischer Begriff einem Fremdwort wie ethnicus überlegen sein musste. 18 Vgl. J. J. O’DONNELL, Paganus, 167f., der für das 4. Jahrhundert zum einen die Etymologie des Filastrius als allgemein verbreitet annimmt, zum anderen aber eben die pejorative Bedeutung herausstellt, insbesondere dann, wenn der Terminus in aller Regel in Abwesenheit von Heiden zur diffamierenden Bezeichnung des paganen senatorialen Adels verwendet werde. Das Vermeiden des Terminus bei Ambrosius und Hieronymus deutet O’Donell insofern als Diskretion. 19 Vgl. R. LIZZI, Prosopografia, 158f., die darauf hinweist, dass die missionarischen Bemühungen in Oberitalien (insbesondere die eines Ambrosius) sich auch aus ökonomischen Gründen an die Oberschicht wandten. Sie spricht in diesem Zusammenhang, ebd., 159, zwar von „classi urbane elevate“ (Hervorhebung B. D.), zugleich aber auch von deren Unterstützung als domini bei der „conversione dell’ambiente rurale“. Nach S. B REUER, Status, 82, sind für Verona im 1. bis 3. Jahrhundert inschriftlich acht Patrone nachgewiesen, von denen fünf dem Senatorenstand angehörten. Für das 4. Jahrhundert belegt Zeno selbst das Vorhandensein von Großgrundbesitzern, s. etwa I 5,12. 20 S. J. J. O’DONNELL, Paganus, 165f. 21 Vgl. etwa II 7,11. 22 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2919. 17

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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kann der Terminus so im Plural neben dem frühen nationes an die Stelle des biblischen gojim (‫ )גוים‬bzw. hèí treten.23 Schon alttestamentlich werden ‚die Völker‘ von ‚dem Volk‘ Israel unterschieden.24 Die Christen, die sich als das neue Volk Gottes verstehen, können dann den biblischen Sprachgebrauch für sich übernehmen; die lateinische Kirche kann dies zudem mit der römisch-antiken Tradition der Gegenüberstellung von populus Romanus und gentes parallelisieren und für sich adaptieren.25 Damit kann neben der religiösen Abgrenzung gleichzeitig ein weltlich-kultureller Negativsinn auf das Wort übertragen werden 26: gentes, das sind die Heiden und für den lateinischen Christen gleichzeitig Barbaren. Im Begriff gentes liegt also gegenüber dem in der Vulgata durchaus gebräuchlichen ethnicus ein lateinischer Terminus vor, der aufgrund der angeführten römischen Tradition ebenso wie das einheimische paganus dem Fremdwort ethnicus überlegen sein musste, diesem aber anders als paganus inhaltlich besser entsprach.27

Trotz der eindeutigen Funktion als Terminus technicus zur Bezeichnung der Heiden scheut Zeno sich keineswegs, die Vokabel gens und auch den Plural gentes in ihrer ursprünglichen Bedeutung ‚Volk‘ bzw. ‚Völker‘ zu verwenden. Viermal findet sich der eindeutige Singular, 28 wobei damit selbst das Volk der Juden bezeichnet werden kann. 29 Daneben taucht sie23

S. I. OPELT, Bezeichnungen, 2–5.14. Z. B. gojim (‫ )גוים‬in Is 8,23 und am (‫ ) עם‬in Is 9,1. Vgl. auch R. FELDMEIER / U. HECKEL, Heiden, V; P. MARINKOVIĆ, „Geh in Frieden“ (2 Kön 5,19). Sonderformen legitimer JHWHverehrung durch Heiden in ‚heidnischer Mitwelt‘, in: Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, hg. v. R. Feldmeier u. U. Heckel, Tübingen 1994, 3–21; auch H. REMUS, End, 194–197. 25 Vgl. die Bedeutung und Funktion des Begriffs GÅëëíåò bei I. OPELT, Bezeichnungen, 5–10. 26 S. C. MOHRMANN, Traits, 26f. 27 Zu ôN hèí im Sinn von ,Ausländer, Barbaren‘ s. H. G. LIDDELL / R. SCOTT / H. S. J ONES, Lexicon, 480. 28 I 3,1; I 55, I 61,1; II 2,3. 29 I 3,1; I 61,1. – Häufiger, wahrscheinlich weil eindeutiger als gens, benutzt Zeno zur Bezeichnung konkreter Völker den Terminus populus (s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 274), der sowohl neutral stehen (omnes populi etwa in II 7,1) als auch negative wie positive Bewertungen mit sich führen kann: Das Volk der Juden wird etwa bezeichnet als Iudaicus populus (z. B. in I 3,7; I 47), Iudaeorum populus (z. B. inI 13,9; I 61,2) oder populus Pharisaeus (I 15,8), in biblischem Kontext aber auch als dei populus (etwa II 26,1.2); demgegenüber werden auch die Christen als populus verstanden, nämlich als Christi populus (I 38,7; I 39,2; II 6,11), populus Christianus (I 1,3; I 25,3; II 8,2; II 26,2.3), domini populus (I 39,2) oder populus noster (I 34,9; II 11,1). Die Heiden werden bezeichnender Weise jedoch nur unter populus gefasst, wenn auf die Entstehung der Kirche aus den Heiden und Juden abgehoben wird etwa mit duo ex Iudaeis et gentibus populi (I 38,7) oder geminus populus (I 3,7; vgl auch I 13,7; I 34,8; I 37,3.5). Denn: „erat enim futurum, ut omnium nationum in Christo credentibus populis totus orbis deo una civitas redderetur“ (I 34,9). Natio begegnet demgegenüber insgesamt nur acht Mal (s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 224), und zwar immer dann, und deswegen überwiegend im Plural, wenn auf die Gesamtheit oder eine Vielzahl von Völkern Bezug genommen wird (etwa reliquae nationes in I 13,5; totae autem gentes universaeque nationes in I 14,1; ex omni gente et natione in I 55). 24

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benmal der weniger eindeutige Plural auf.30 In diesen Fällen ist die Bedeutung jedoch aus dem Kontext zu erschließen. Vor allem wenn Zeno den Begriff verwendet, um Abraham als den Vater der Völker zu bezeichnen, 31 zeigt sich, dass er keine Hemmungen hat im Umgang mit der ursprünglichen Bedeutung des Terminus, zumal er dabei auf ein Schriftzitat zurückgreifen kann.32 Ja er scheut auch nicht davor zurück, die neugetauften Christen als aetheriae gentes anzusprechen.33 Als Terminus technicus zur Bezeichnung der Heiden taucht gentes bei Zeno in folgenden Kombinationen auf: Heiden werden ausdrücklich bezeichnet als gentes,34 homines ex gentibus 35 oder gentiles homines,36 dann aber auch abstrahierend als populus gentium 37 oder sogar gentilitas.38 Den Terminus gentes benutzt Zeno in diesem Sinn an 28 Stellen.39 Ein einziges Mal verwendet er daneben den Singular zur Bezeichnung eines Heiden.40 An dieser Stelle steht der Singular jedoch eindeutig als Pars pro toto und ist in seiner Bedeutung aus dem Kontext zu erschließen. Auffällig ist, dass der Terminus technicus gentes als Bezeichnung für Heiden überwiegend in einem Zusammenhang genannt wird, in dem auch der Begriff Iudaeus oder Iudaei fällt.41 Nur an vier der genannten 29 Stellen (einschließlich des Singulars) werden Juden und Heiden nach alttestamentlicher Tradition einander direkt gegenübergestellt. 42 An sieben Stellen werden Juden und Heiden deutlich durch ein et oder eine ähnliche 30

I 1,8; I 14,1; I 36,5f.; I 38,1; I 62,1; I 62,3. I 36,5f.; I 62,1. 32 Rm 4,18 in I 36,5. 33 I 38,1. 34 S. hier Anm. 39. 35 I 61,2. 36 I 61,4. Das Adjektiv taucht ein zweites Mal bei der Qualifikation einer Christin in I 2,13 auf und ist dort mit dem Nomen vanitas verbunden; hier weist Zeno in die gleiche inhaltliche Richtung: ,Diese Christin benimmt sich genauso wahnsinnig, wie es Heiden tun.‘ 37 I 37,3. 38 I 61,8. – Zu gentes, gentilis und gentilitas bei anderen Lateinern s. I. OPELT, Bezeichnungen, 16–18. 39 I 1,3; I 2,3; I 2,23; I 3,18; I 5,15;I 13,7; I 13,9 (2x); I 14,4; I 25,3 (2x); I 25,5 (2x); I 25,7 (2x); I 34,8; I 34,9; I 37,3; I 37,7; I 38,7; I 61,2; I 61,4; II 1,18; II 3,10; II 6,1; II 6,4; II 7,11 (2x). – An den Stellen, wo sowohl mit ,Völker‘ als auch mit ,Heiden‘ übersetzt werden könnte, scheint letztere Übersetzung sinnvoller, da im biblischen Gegensatzpaar ,Juden – Völker‘ mit dem Terminus ,Völker‘ immer Nicht-Jahwe-Gläubige, also Heiden, gemeint sein müssen. Dies hat Folgen für das christliche Vokabular. Vgl. I 13,9; I 25,7; I 34,9; I 37,7; eindeutig dagegen: I 2,23; I 5,15; I 13,7; I 14,4; I 38,7. 40 I 3,24. 41 I 3,18;I 13,7; I 13,9 (2x); I 25,3 (2x); I 25,5 (2x); I 25,7 (2x); I 34,8; I 34,9; I 37,3; I 38,7; I 61,2; I 61,4; II 6,1; II 6,4. 42 I 3,18;I 13,9; I 61,2; I 61,4. 31

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Konjunktion verknüpft und damit inhaltlich gleichgeordnet. 43 Dies zeigt, dass die Predigt Zenos, wenn es um eine Abgrenzung der christlichen Gemeinde nach außen geht, sich selten gegen nur eine der beiden möglichen Gruppen wendet. Die deutlich negative Wertung, die sowohl gentes 44 als auch Iudaei 45 erfahren, kulminiert in der Substitutionstheorie, wenn Zeno beide Gruppen als durch ecclesia ex gentibus und ex circumcisione abgelöst sieht,46 wird aber gleichzeitig dadurch leicht abgemildert, da diese Theorie Elemente in beiden Gruppen voraussetzt, die als im Christentum aufgegriffen und zur Erfüllung gebracht betrachtet werden. 2. externus und profanus Externus wird von Zeno nur zweimal benutzt, davon einmal neutral im ursprünglichen Sinn ‚äußerlich, fremd‘,47 das zweite Mal in der Gegenüberstellung externi – sui [sc. domini nostri].48 Da mit sui die Anhänger „unseres Herrn“, also Christi, gemeint sind, kann externi nur die bezeichnen, die ihm nicht anhängen, nicht zu ihm gehören, die ihm formal ‚fremd‘ sind, und das sind Heiden und Juden. Welche von beiden Gruppen, Heiden oder Juden, die in irgendeiner Form Christus „verehrten“ – so der inhaltliche Kontext dieser Stelle –, hier inhaltlich gemeint ist, kann nicht entschieden werden.49 Nach dem Wortbefund ist nicht auszuschließen, dass externi für Heiden steht. Sicher ist, dass sie der Gruppe angehören, die mit diesem Begriff bezeichnet werden kann. Eindeutiger ist die Benutzung des Wortes profanus. An fünf Stellen benutzt Zeno den Begriff attributiv als Qualitätsbezeichnung im Sinn von ‚ruchlos, schändlich‘.50 Die Dinge, die so charakterisiert werden, gehören nicht nur nicht der Religion an oder sind ihr nicht angemessen – wie der Begriff pro fano ursprünglich andeutet –, sondern werden generell moralisch als negativ bewertet.51

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I 3,24; I 25,3; I 34,8; I 37,3; I 38,7; II 6,1; II 6,4. Dazu s. die folgenden Abschnitte. 45 Dazu s. etwa R. KAMPLING, Juden oder H. SCHRECKENBERG, Texte, 281–283. 46 S. etwaI 13,7: „ex gentibus venientis novelli populi imaginem“ und auf beide Gruppen bezogen I 38,7: „duo ex Iudaeis et gentibus populi baptismatis aqua viventes, in unum populum Christi uno sogno signati“. Ähnlich auch I 13,9; I 34,9; I 37,3; I 61,2.4; II 7,11. 47 II 8,4. Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2632f. 48 II 18,1. Der Terminus wird von I. OPELT, Bezeichnungen, vernachlässigt. 49 Gegen A. B IGELMAIR, Traktate, 332, Anm. 5. 50 I 1,13; I 2,14; I 4,14; I 10B,2; I 25,11. 51 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1960f. 44

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Dies führt dazu, dass auch bei der dreimaligen Anwendung des Begriffs auf Personen, die außerhalb der Gemeinschaft der Christen stehen, eine negative Konnotation durchklingen kann. Dass an den drei Stellen eindeutig Heiden gemeint sind,52 obwohl theoretisch unter diesem Begriff vom ursprünglichen Sinn her auch Juden gefasst werden könnten und eine Gegenüberstellung profanus – christianus 53 dies zunächst nahe zu legen scheint, zeigt der jeweilige Kontext, der ganze Wortfelder wie z. B. gentes – aliena (sententia) – profani nennt.54 3. sacrilegus und impius Der von Zeno häufiger verwendete Begriff sacrilegus, der zur Kategorie der „okkasionellen“ Begrifflichkeiten der Bezeichnung von Nichtchristen zu zählen wäre,55 ist eindeutig negativ besetzt, schon allein deshalb, weil auch in klassischer Verwendung damit Taten oder Personen gekennzeichnet werden, die als irreligiös oder religionsschänderisch gelten. 56 Zeno benutzt sacrilegus sechsmal attributiv bzw. prädikativ, um generell zu verurteilende Taten zu charakterisieren,57 aber auch, um etwas als irreligiös zu kennzeichnen.58 Wird dieser Begriff von ihm auf Personen angewandt, meint er damit Heiden. Dies lässt sich von zwei der sechs in Frage kommenden Stellen eindeutig ableiten.59 Zwei weitere Stellen nennen sacrilegus in einer Reihe von Verbrechern, deren Taten eindeutig benannt sind. 60 Insofern ist es kaum vertretbar, dass sacrilegus hier allgemein für Verbrecher steht; vielmehr meint es denjenigen, der ein spezielles, religiöses Verbrechen begeht. Dies kann aber für den Christen Zeno nur ein gegen den christlichen Gott ausgeführtes sein. Ein solches Tun kommt dann zumindest dem Tun der Heiden gleich. 52

II 3,19; II 7,12; II 7,18. II 7,18. 54 II 3,10; aber auch II 7,11f. – Hier folgt Zeno der Verwendung des Terminus bei Laktanz, während andere Väter ihn auch auf Häretiker anwenden. S. I. OPELT, Polemik, 120.238 u. ö. 55 Nach I. OPELT, Bezeichnungen, 14. Der Terminus selbst wird dort jedoch vernachlässigt. 56 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2446: Tempelräuber, Religionsschänder, Irreligiöser, jemand, der die Pflichten gegen die Götter usw. verletzt; vgl. auch I. OPELT, Polemik, 237. 57 I 1,16. 58 I 2,1; I 4,13; I 25,12; II 1,21; II 3,15. 59 II 7,16; II 7,18. Eine Frau, die einen sacrilegus heiratet, begeht selbst ein sacrilegium und wird so zur sacrilega. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass hier ausschließlich Heiden und nicht Juden gemeint sind (trotz der Bezeichnung proditrix legis). 60 I 38,6; II 24,2. 53

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Schließlich fällt der Begriff noch in einem Vergleich: Das Tun der Juden lässt diese schlimmer erscheinen als omnes sacrilegos, also als „alle anderen religiösen Verbrecher“.61 Auch dies deutet in Richtung ‚Heiden‘. Selbst ein Christ oder Jude kann durch sein religionsfrevlerisches Tun also zu einem Heiden werden.62 Ähnlich ist der von Zeno benutzte Begriff impius negativ besetzt. Dies hat seinen Grund ebenfalls darin, dass schon klassisch der Terminus – ähnlich wie sacrilegus – zur Bezeichnung einer irreligiösen Haltung verwendet wird, jedoch nicht allein auf die religiöse Sphäre beschränkt bleibt.63 Besondere Brisanz erfährt die Verwendung des Terminus in christlicher Heidenpolemik seit Tertullian, da der Begriff von heidnischer Seite auch gerade auf die Christen angewandt worden war. 64

An sechs von 15 Stellen in nur drei Traktaten stellt Zeno den impius bzw. die impii den iusti gegenüber,65 zweimal den pii 66 und einmal dem timens dominum.67 Diesen Sprachgebrauch entlehnt Zeno (anders, als man es angesichts der an die heidnische Polemik angelehnten christlich-polemischen Gewohnheiten vermuten würde 68) biblischer Tradition;69 mit pius, iustus oder timens dominum ist ursprünglich der fromme Jude gemeint, hier nun der gottesfürchtige Christ.70 Zeno legt also der Verwendung des Begriffs impius eine christliche Erklärung alttestamentlicher Gedanken zugrunde. Wenn Zeno die impii an sechs Stellen den peccatores beiordnet,71 so scheint es zunächst nahe zu liegen, dass impius für einen ‚sündigen Chris61

I 3,14. Vgl. II 7,16; II 7,18; I 3,14. – Nach A. B LAISE, Dictionnaire, 732 (Lemma „sacrilegus“), findet der Begriff christlich Anwendung auf Anhänger des Götzendienstes, aber auch auf Häretiker und Schismatiker; so auch I. OPELT, Polemik, 237 u. ö. 63 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 101f.; A. B LAISE, Dictionnaire, 732: pflichtvergessen gegenüber Menschen, Familie, Staat, Göttern. Pius bzw. pietas bezeichnen nach K. LATTE, Römische Religionsgeschichte, HAW V,4, München 1960, 40, eine „Haltung, die die herkömmliche soziale Ordnung respektiert. ... pietas [ist] ein wechselseitiges Verhalten“. Vgl. auch B. B ORTOLUSSI, Étude morpho-sémantique de impius et de ses dérivés en latin préchrétien, in: Impies et païens entre antiquité et moyen age, hg. v. L. Mary u. M. Sot, Paris 2002, 17–29. 64 Vgl. etwa I. OPELT, Polemik, 169.237 u. ö. 65 I 2,23; I 35,3; I 35,4; I 35,5; I 35,7; I 35,9. 66 I 2,4; I 35,4. 67 II 7,5. 68 S. I. OPELT, Polemik, 284. 69 Sieben der 15 Stellen sind Schriftzitate bzw. Zitate altkirchlicher Exegese: Ps 1,5f. in I 2,23 (2x) und I 35,3; H IL. in psalm. 1,22 (CChr.SL 61,34,7f. 15f. Doignon) in I 35,4.5; Ps 1,6 in I 35,7; Sir 16,1f. in II 7,5. 70 Vgl. ThesLL 7,2, 724f. (I.B.2.a.á); K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 504f.1722f.; A. B LAISE, Dictionnaire, 481.626f. 71 I 2,23 (2x); I 35,3 (2x); I 35,7; I 35,9. 62

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ten‘ steht. Dennoch geht die Charakterisierung impius auch an den angeführten Stellen über peccator hinaus. Die sündigen Christen sind die in I 35,2.4 genannten medii,72 die zwischen pii und impii stehen. Auch die Bezeichnung der Juden in I 20 als impii zeigt, dass damit etwas anderes als sündige Christen gemeint ist. In diese Richtung weist auch I 2,11.23, wo impii neben peccatores und universi increduli gentes genannt werden. Als Schlüssel zum Gebrauch des Terminus insgesamt kann Traktat I 35 herangezogen werden. Einer dreifachen Differenzierung des Gerichtes entspricht die Unterscheidung Gläubige / credentes 73 – Ungläubige / infideles,74 zu denen sowohl impii als auch peccatores gehören,75 also die, die im eigentlichen Sinn ungläubig sind, und die, die trotz des vorhandenen Glaubens untreu sind. Nach der etwas unsystematischen Erklärung unter Rückgriff auf Zitate aus dem Psalmenkommentar des Hilarius 76 führt Zeno mit eigenen Worten eine Systematik ein: impii – peccatores – iusti.77 Demnach müssen impii die im eigentlichen Sinn Ungläubigen sein, also Heiden (und eingeschränkt auch Juden), 78 peccatores die formal zum Christentum Gehörenden, in ihrem Tun jedoch dem nicht Entsprechenden,79 iusti die gerechten Christen.80 72 Zur Übernahme dieser Terminologie aus dem Psalmenkommentar des Hilarius und deren geschickter Verwendung durch Zeno s. H. DURST, In medios iudicium est. Zu einem Aspekt der Vorstellung vom Weltgericht bei Hilarius von Poitiers und in der lateinischen Patristik, JAC 30, 1987, 29–57, hier: 44, Anm. 71. 73 I 35,2. 74 Ebd. 75 I 35,3. 76 HIL. in psalm. 1,22 (CChr.SL 61,34 Doignon) in I 35,2.4f. Hilarius benutzt dort (CChr.SL 61,34,4f. Doignon) den Terminus infidelis, während der ihm vorliegende Schrifttext wohl impii hat. Vgl. dazu das Schriftzitat in HIL. in psalm. 1,23 (CChr.SL 61,35,2f. Doignon). In HIL. in psalm. 1,21–23 (CChr.SL 61,34f. Doignon) insgesamt ist keine Systematik der Begrifflichkeiten erkennbar. Vielmehr werden infidelis und impius synonym benutzt. Neu ist, nach H. DURST, Aspekt, 44, bei Zeno auch „die Unterscheidung zwischen ,drei Gerichtsarten‘, mit deren Hilfe es ihm besser als Hilarius gelingt, zwischen der Universalität des Weltgerichts und der Einschränkung des Gerichtetwerdens im Sinne einer gerichtlichen Untersuchung auf die Sünder zu vermitteln.“ Etwas kurz greift demgegenüber die Einschätzung bei B. DALEY, Eschatologie. In der Schrift und Patristik, HDG IV,7a, Freiburg / Basel / Wien 1986, 163, der feststellt, dass die Traktate Zenos „auf einer volkstümlichen Ebene einige eschatologische Vorstellungen des Hilarius wider[spiegeln], allerdings ohne seine Subtilität und die Vollständigkeit seiner Sicht.“ 77 I 35,3; I 35,9. 78 Vgl. I 20. 79 M. KAHLOS, Debate, 31, meint davon sprechen zu können, dass sie unter ausdrücklicher Berufung auf Zeno I 35,2 mittels einer entsprechende Paraphrase der Zeno-Stelle ein neues Konzept entwickelt habe: „I have conceived a new concept, incerti.“ Vgl. auch

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4. carnalis, mundanus und terrenus Das religiöse Versagen der Heiden (und Juden) steht auch im Hintergrund ihrer Charakterisierung als carnales.81 Zu solchen carnalis mentis homines sind darüber hinaus im Übrigen auch Häretiker zu zählen, wie der Kontext in I 45,1 zu erkennen gibt. Ihnen wird der wahre Christ als caelestis hominis spiritalis imago gegenübergestellt,82 zu der er durch den Glauben in der Taufe wird.83 In ähnlichem Kontext ist auch die allegorische Anwendung der Begriffe terrenus und mundanus auf die Heiden angesiedelt. Vor der Taufe ist der Mensch in weltlichen Ketten gefangen (mundanae catenae),84 der heidnische Kult ist weltlichen Begierden und Vergnügungen gleichgestellt.85 Anders als die Juden (terrenus populus) 86 lassen sich die Heiden, die als terra verstanden werden, jedoch von den opera terrena abbringen, wenn sie, wozu Ps 65,1 ermahnt, auf die christliche Verkündigung hören.87 Werden dennoch die irdischen Dinge den himmlischen vor-

u. S. 105 Anm. 95. Kahlos irrt allerdings bezüglich der Neuartigkeit ihres ‚Konzepts‘. Die bei Zeno I 35,2.4 als ambigui, medii und peccatores Gekennzeichneten – der Terminus incerti begegnet so bei Zeno im Übrigen gar nicht (!) – werden in der Forschung seit langem mit dem Terminus „halbe Christen“ (gelegentlich auch semichristiani, semichristianized, mezzi-cristiani) beschrieben, vgl. etwa W. DAUT, Die ‚halben Christen‘ unter den Konvertiten und Gebildeten des 4. und 5. Jahrhunderts, ZMR 55, 1971, 171–188. Solche ‚halben Christen‘ erwähnt auch P. ROUSSEAU, Homily, 157, Anm. 58, als „third class“, deren ambiguitas er für den Haupt-Impetus des zenonischen pastoralen Engagements hält. 80 Damit geht Zeno in seiner Differenzierung nicht hinaus über HIL. in psalm. 1,7 (CChr.SL 61,23,2–4 Doignon): „impios eos esse ... qui cognitionem Dei expetere fastidiunt.“ Der zenonische Gebrauch von impius deckt sich in seiner eingeschränkten Eindeutigkeit mit dem Befund bei anderen Lateinern; s. I. OPELT, Bezeichnungen, 19f. Impietas steht „zwischen der Bedeutung ,Unglauben‘ und prägnant ,Heidenreligion‘.“ (ebd., 20). 81 I 3,24: „ambo [sc. Iudaeus aut gens] enim illi carnales sunt“. 82 I 27,3. 83 Ebd.: „quam in se credentibus dominus aetheria nativitate renovatis plenitudinis suae pio de fonte largitur per dominum nostrum Iesum Christum“; vgl. auch „spiritalis ortus“ in I 38,1. 84 II 29,1. 85 I 33,2: „eos ..., qui idolatriae deservientes, mundanis voluptatibus conpediti“. Von den ,halben Christen‘ wird in I 35,5 gesagt: „a mysteriis daemonum non recedunt. Multos namque dei metus in ecclesia continet, sed tamen eos mundana voluptas ad se trahit.“ 86 I 18,1. 87 I 61,4: „Audi, inquit, terra, ex ore meo. Quo vocabulo gentiles homines sine dubio comprehendit, in quibus adhuc erant opera terrena. Hoc est ergo qoud ait: audi caelum et terra, quod Iudaeis non audientibus Christus dominus esset ab apostolis et gentibus audiendus.“

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gezogen, hat dies seinen Grund entweder in der Furcht oder im Unglauben (sive metu sive incredulitate).88 5. incredulus und infidelis bzw. perfidus Nur an einer einzigen Stelle ist der Terminus incredulus eindeutig Heiden zuzuordnen, da er dort als Attribut zu gentes tritt.89 Der attributive Gebrauch verweist darauf, dass der bloße Terminus nicht ausreicht, die gemeinte Gruppe genau zu benennen. Der Terminus incredulus scheint auf verschiedene Personenkreise anwendbar. Drei Textstellen belegen den eindeutigen Gebrauch zur Bezeichnung von Nicht-Christen, wobei nicht zu entscheiden ist, ob es sich dabei um Heiden oder Juden handelt.90 An weiteren drei Stellen werden Juden als increduli bezeichnet: einmal attributiv ausschließlich Juden,91 ein anderes Mal im Zusammenhang mit christlichen Häretikern, die mit ihnen die Gemeinsamkeit teilen, nicht an die Gottessohnschaft Jesu zu glauben; 92 schließlich dürfte Zeno auch die aus dem apokryphen Protevangelium des Jakobus bekannte Hebamme Jesu für eine Jüdin gehalten haben, die er ebenfalls als incredula bezeichnet.93 Dass neben Heiden und Juden auch Häretiker von Zeno als increduli tituliert werden, wurde schon für I 25,2 gezeigt. In diesem Sinne ist auch I 37,2 zu verstehen, wo increduli und desertores gleichgesetzt werden. Was einen incredulus grundsätzlich auszeichnet, scheint in II 3,1 zum Ausdruck zu kommen. Incredulus ist der, der, obwohl er mit den Inhalten des Glaubens bekannt gemacht wurde, sie nicht für sich übernimmt. Ein solcher ‚Glaubensunwille‘ kann nicht allein einer einzigen Gruppe angelastet werden. Er ist, wie der Befund zeigt, in heidnischen, jüdischen und christlichen Kreisen vertreten.94 88

II 4,14. I 2,23. 90 I 42,2; I 47; II 24,3; vgl. auch non credentes in I 37,3: Hier sind eindeutig Juden und Heiden gemeint. 91 I 61,5. 92 I 25,2. 93 I 54,5. Vgl. dazu A. B IGELMAIR, Traktate, 223, Anm. 1. Zeno bietet an dieser Stelle (neben Hieronymus und Prudentius) eines der älteren lateinischen (voraugustinischen) Testimonien des so genannten Protevangelium Iacobi, dessen lateinische Übersetzung bisher noch unvollständig erschlossen ist; s. P. L. SCHMIDT, Pseudo-Iacobus, De nativitate Salvatoris et de Maria (vel obstetrice) (das sogenannte Protevangelium Iacobi), in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. IV, hg. v. K. Sallmann, HAW VIII,4, München 1997, 381f, hier: 381; vgl. P ROTEV. 19f. (FC 18,126–134 Schneider). 94 Gleiches belegt auch die Verwendung des Nomens incredulitas in I 2,1; I 35,2; II 3,1; II 4,14. – Der Befund deckt sich mit den Angaben in ThesLL 7,1, 1040–1043, besonders 1041: „speciatim sensu religioso i. q. infidelitas, diffidentia (tam de Iudaeos, 89

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Ähnliches gilt für die Begriffe infidelis und perfidus. Zeno ist sich deren profaner Bedeutung ‚untreu‘ durchaus bewusst. 95 Eine Übertragung der Termini in religiöse Sprache hat dann aber zur Folge, dass – wie schon bei incredulus – Ungläubigkeit im Sinne von Untreue eine Kenntnis des Glaubensinhaltes und – über die Bedeutung von incredulus hinausgehend – eine formale Zugehörigkeit voraussetzt.96 Das bedeutet dann aber, dass Heiden mit diesen Termini nicht bezeichnet werden können, da sie – selbst bei Kenntnis christlichen Glaubensgutes – formal nicht zu Christus gehören, ihm gegenüber also nicht untreu sein können. 97 So belegen denn auch ein sechsmaliger Gebrauch des Begriffs infidelis, ein dreimaliger Gebrauch des Substantivs infidelitas sowie je einmalig perfidus bzw. perfidia,98 dass Zeno damit v. a. schlechte Christen und Häretiker bezeichnet 99 – was sich mit dem Befund bei einigen anderen Vätern deckt 100 –, eingeschränkt aber auch Juden,101 vermutlich da sie ursprünglich dem gleichen Gesetz Gottes verpflichtet sind wie die Christen. An zwei Stellen steht infidelis demgegenüber tatsächlich für Ungläubige im Sinne von Heiden. Dies hat aber seinen Grund darin, dass Zeno hier Zitate aus dem Psalmenkommentar des Hilarius benutzt. 102 Im Verlauf des

gentilibus, haereticis) [syn. perfidia …]“ (runde und eckige Klammer im Original), daher incredulus, ebd., 1042, auch in der Bedeutung inoboediens; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 172; A. B LAISE, Dictionnaire, 429: Objekt der incredulitas sind sowohl im klassischen wie im christlichen Gebrauch häufig konkrete inhaltliche Fragen. Anders zählt I. OPELT, Bezeichnungen, 20, increduli lediglich zu den „gehässigeren Heidennamen“. 95 I 4,7. Vgl. ThesLL 7,1, 1415 und 10,1, 1389–1391; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 239.1589f. 96 Vgl. ThesLL 7,1, 1416: „usu s. script. et ecclesiastico de iis, qui deo vel Christo fidem denegant“; ThesLL 10,1, 1391: „usu secundario de eis, qui (quae) fidem deo vel Christo denegant sive omnino non fidentes sive a recta fide dissidentes“; A. B LAISE, Dictionnaire, 611, der für perfidus auch die Bedeutung ,Apostat‘ kennt. 97 Anders als I. OPELT, Bezeichnungen, 19. 98 Infidelis in I 35,5; II 3,3; II 3,4; II 3,11 (2x); II 9,2. Infidelitas in I 35,5; II 1,20; indirekt II 3,13. Perfidus in II 3,3. Perfidia in II 3,10. In I 35,5 werden schlechte Christen als ,weder fideles noch infideles‘ bezeichnet. Hier geht es um eine formale, nicht moralische Zugehörigkeit. 99 Anders als I. OPELT, Bezeichnungen, 20. 100 Wie z. B. Cyprian, Ambrosius und Augustinus; s. I. OPELT, Polemik, 117.120. 121.139.149.153 u. ö., v. a. aber 237f. (allerdings im Widerspruch zu den Anführungen der Termini zur Bezeichnung von Heiden ebd., 73.75.89). 101 I 61,5. 102 HIL. in psalm. 1,21 (CChr.SL 61,33,5 Doignon) in I 35,1.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

gleichen Traktates behebt er diese Unstimmigkeit wieder durch den Rückgriff auf den Terminus impius.103 6. Umschreibungen Neben bestimmten Begriffen, die mehr oder weniger eindeutig Heiden bezeichnen, benutzt Zeno, wie es sich für einen Rhetor gehört, darüber hinaus Umschreibungen zur Kennzeichnung von Nicht-Christen paganer Provenienz. Dabei sind zwei Gruppen von Umschreibungen zu unterscheiden. Zunächst werden an dieser Stelle solche Umschreibungen angeführt, die Zeno benutzt, um in Negativ-Aussagen relativ neutral Heiden von Christen (bzw. Juden) durch ihre Unkenntnis der Glaubensinhalte abzuheben. Am weitesten sind die Umschreibungen, die das Nicht-Wissen bzw. -Haben dessen beschreiben, was Juden und Christen gemeinsam ist. Dazu gehören die Bezeichnungen der Heiden als ii „qui eum [sc. deum] non habent“,104 dann spezifischer ii „qui sine lege ... peccaverunt“,105 wobei Zeno sich hier eines Schriftzitates bedient,106 und ii qui „divinae sapientiae ... notitiam non habebant“.107 Während in diesen Umschreibungen noch keine Wertung vorgenommen wird, scheint doch so etwas wie Geringschätzung durchzuklingen, wenn Heiden in einem Atemzug mit Häretikern genannt werden: ii „qui divinas litteras aut non legerunt aut lectas irritas putaverunt“.108 Offenbar sind solche gemeint, die, wenn sie nur wollten, Zugang zur Schrift hätten. Deutlich auf das negative Verhältnis zum Christentum hebt die Bezeichnung persecutores ab.109 Dass damit ausdrücklich praktizierende Heiden gemeint sind, lässt der Zusammenhang, der von ihrer Bekehrung zu Christus spricht, erkennen. Höchst interessant ist auch ein Sonderfall. Zeno denkt wohl an eine Form von Apostasie, wenn er eine Christin, die mit einem Heiden verhei103

S. o. S. 73f.; darin folgt er LACT. inst. 7,20,5 (CSEL 19,1,649,4f. Brandt). Anders als bei I. OPELT, Polemik, 73, verallgemeinert, lassen sich die „diskriminierenden Adjektive[.] wie impii, infideles usw.“ in den zenonischen Traktaten nicht gleichermaßen „aus dem Konzept der Heiden als Verehrer falscher Götter“ ableiten. Zeno benutzt die Begriffe hingegen sehr fein, aber bewusst nuanciert. 104 I 56,3. Der Traktat handelt eigentlich über Häretiker. Die Umschreibung kann aber von ihnen kaum ausgesagt werden. Auch Häretiker dürften zu den Brüdern gehören, „die Gott gefunden haben.“ 105 I 35,7. 106 Rm 2,12. 107 II 1,2. 108 II 1,14. 109 II 11,6f.

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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ratet ist, aufgrund des Götzendienstes des Ehegatten als proditrix legis bezeichnet.110 Eindeutig werden Anhänger paganer Kulte gekennzeichnet, wenn die Umschreibung in Form von Positiv-Aussagen ihr Verhältnis zum Götzendienst beinhaltet. So werden sie bezeichnet als idolatriae deservientes,111 idolorum servitus,112 daemoniorum servi 113 oder auch in idolatria commorantes,114 übertragen (im Kontext einer ‚Verehrung‘ der impudicitia) auch als cultores eorum [sc. idolorum].115 Auch Metaphern benutzt Zeno in diesem Zusammenhang. Einen Heiden nennt er ein fanum idolatriae, wie der Christ ein templum dei ist.116 Das abstrakte Heidentum überhaupt kann mit dem Stilmittel der Pars pro toto als idolorum turba violenta betitelt werden.117 II. Heidnische Religiosität Es ist die Religion, die Heidentum und Christentum unterscheidet; sie äußert sich zwar in konkreten Handlungen, hinter denen jedoch eine bestimmte Religiosität steht. Die wertende Beschreibung heidnischer Religiosität (abgelöst von der Bewertung einzelner kultischer Handlungen) ist als ein Element der Charakterisierung der Heiden näher zu betrachten. 1. religio Ursprünglich bedeutet religio „Gewissenhaftigkeit, Beachtung des Heiligen, Rücksicht auf Ansprüche der höheren Mächte“. 118 Allerdings bezeichnete der Terminus heidnisch „nicht eine Gesinnung, die die ganze Persönlichkeit prägt, sondern die ständige Bereitschaft, ... einmal übernommenen Verpflichtungen nachzukommen.“ 119 110 II 7,18. Das hier von Zeno benutzte feminine Nomen agentis proditrix taucht erstmals, wenn auch in völlig anderem Kontext, bei Laktanz auf. S. I. OPELT, Polemik, 82, Anm. 37. 111 I 33,2. 112 II 5,8. 113 II 7,12. 114 I 2,6; diese Bezeichnung setzt eine Bekanntschaft mit dem Christentum voraus! 115 I 1,8. Vgl. I. OPELT, Bezeichnungen, 21; dies., Polemik, 248. 116 II 29,3. 117 I 46B,1. 118 K. LATTE, Religionsgeschichte, 39. Vgl. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2293–2295 und L. KOEP, „Religio“ und „Ritus“ als Problem des frühen Christentums, JAC 5, 1962, 43–59, hier: 44. 119 K. LATTE, Religionsgeschichte, 39; ausführlicher E. FEIL, Religio. Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation, Göttingen 1986, 39–49. – Die Terminologie religio würde hier (wie auch im Folgenden zum Begriff sacrilegium, s. u. S. 84f.) erhellende Hinweise und Anregungen bei N. ZEDDIES,

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

So bezeichnet auch Zeno mit dem Terminus religio und dem dazugehörigen Adjektiv religiosus eine positive religiöse Haltung, die er nach dem bisherigen Befund allerdings kaum einem Heiden attestieren kann. Die Abgrenzung gegenüber der ciceronischen Ableitung des Begriffs von relegere durch eine Ableitung von religare, wie Laktanz sie vornimmt,120 findet in den zenonischen Traktaten ihren Ausdruck darin, dass er mit dem Terminus religio das religiöse Vertrauen alttestamentlicher bzw. frühchristlicher Vorbilder belegt,121 aber auch (daran orientiert) die christliche Demut.122 Daneben meint er mit dem Begriff aber auch allgemein das, was man im modernen Sprachgebrauch als ‚Religion‘ bezeichnet. 123 Seine positive oder negative Zuordnung erfährt der Terminus im Kontext oder durch entsprechende Attribute. So wird auch das Heidentum als Religion anerkannt, Zeno spricht ausdrücklich von diversa religiones.124 Dies bedeutet unterschwellig: Es gibt eine Konkurrenzsituation. Deshalb ist das Heidentum als eine „unreine Religion“ (sordida religio) abzuqualifizieren,125 es betreibt „statt Religion Religionsfrevel“ (pro religione sacrilegium).126 Insofern hebt es sich deutlich von der „wahren“ (religio vera) 127 oder „göttliReligio et sacrilegium. Studien zur Inkriminierung von Magie, Häresie und Heidentum (4.–7. Jahrhundert), EHS.G 964, Frankfurt am Main u. a. 2003, erwarten lassen. Leider findet sich dort zur Terminologie nichts über die lexikalischen Befunde hinausgehendes Neues. Auch die Ergebnisse zu den in der Untersuchung herangezogenen Quellen wie Kaisergesetze, Konzilien des 4. Jahrhunderts, schließlich auch Theologen und Bischöfe, jedoch erst des 5.–7. Jahrhunderts, sind so unergiebig, dass die Arbeit für die im Folgenden vorgenommenen Einzeluntersuchungen und die Einordnung Zenos in einen größeren Konttext völlig unberücksichtigt bleiben kann; vgl. auch unten S. 182, Anm. 590. 120 LACT. inst. 4,28,3–12 (CSEL 19,1,389,2–391,6 Brandt). – Zum Verständnis von religio als Tugend und entsprechender Einordnung in einen Tugendkanon durch Laktanz s. E. FEIL, Religio, 60–64. 121 Etwa Abrahams in I 4,13.14; I 62,5; der Mutter der makkabäischen Brüder in I 2,3; Onans inI 13,5; Theklas in II 2,7. 122 I 14,6; II 3,18; II 5,10. 123 ,Neutral‘ etwa in I 31; I 34,1; II 1,7, wobei im Hintergrund natürlich doch die Vorstellung einer ,akzeptablen‘ Religion steht. 124 II 7,14. 125 I 13,8. Vgl. den Hinweis bei I. OPELT, Polemik, 235, auf die christliche Übernahme der ciceronischen „grobe[n] Dreckmetapher“ (der sich dort allerdings ausschließlich auf christliche Häretikerpolemik bezieht, da Opelt Zeno innerhalb ihrer Untersuchung der Heidenpolemik übersieht). 126 I 39,2. 127 II 4,8. Die Terminologie entstammt christlicher Tradition seit Tertullian; s. T. KOBUSCH, Das Christentum als die Religion der Wahrheit. Überlegungen zu Augustins Begriff des Kultus, REAug 29, 1983, 97–128, hier: 123, Anm. 128; sie wird bei Augustin zum Charakteristikum des Christentums schlechthin; s. ebd., 123–125; vgl. auch E. FEIL, Religio, 68-75. Laktanz stellt der vera religio „ ‚falsa(e)‘ oder auch ‚vana(e)‘ “ entge-

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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chen Religion“ (religio divina) ab,128 deren Anhänger sich durch credulitas im Sinne von Glaubensbereitschaft,129 fides im Sinne von vertrauendem Glauben,130 devotio im Sinne einer entsprechenden Demut 131 sowie pietas im Sinne praktizierter Nächstenliebe 132 auszeichnen. In I 39,1 führt Zeno darüber hinaus in die Passio des Arcadius mit einem Hinweis auf deren zweifachen Nutzen für die religiositas ein, die sich äußert in der Ausrichtung der Gläubigen auf zukünftigen himmlischen Lohn und im Gedächtnis ihrer Vorbilder, der Märtyrer.133 Die genannten christlichen Eigenschaften ermangeln also den Heiden. Den ‚Glauben‘ der Heiden betrachtet Zeno vielmehr als persuasio. Die impudicitia bewegt die Heiden durch persuasio dazu, die Götter zu verehren,134 und auch die dem Heidentum noch anhängenden nominellen Christen werden durch vanae persuasiones dazu verleitet.135 Dies führt dazu, dass die Heiden die Existenz ihrer Götter als wahr behaupten müssen. 136 gen, so E. FEIL, ebd., 63. Vgl. dagegen Anm. 125. Den ausdrücklich apologetischen Einsatz des Begriffs im Werk des Laktanz stellt C. ALOE SPADA, L’uso di religio e religiones nella polemica antipagana di Lattanzio, in: The Notion of «Religion» in Comparative Research. Selected Proceedings of the XVIth Congress of the International Association for the History of Reglions, Rome, 3rd-8th September, 1990, hg. v. U. Bianchi, Rom 1994, 459–463, heraus. 128 II 17; II 22. Vgl. L. KOEP, Religio, 47f., Anm. 32; M. FIEDROWICZ, Apologie im frühen Christentum. Die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten, Paderborn u. a. 22001, 240f. 129 S. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 56. 130 S. ebd. 132f. Zu fides als christlichem Proprium v. a. I 36,7; II 3,1.4; II 6,5; auch den Juden eignet keine fides mehr:I 13,7. 131 S. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 76. In II 6,3 weist Zeno ausdrücklich auf das Fehlen von devoti cultores im Heidentum und Judentum hin. 132 S. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 271. Aus der römischen pietas im Sinne einer verpflichtenden Verwandtenliebe z. B. in I 36,22.25.29.30 entwickelt Zeno die göttliche Vaterliebe etwa in I 34,8.9; I 42,1; I 43,1; I 61,5, die Liebe der Mutter Kirche in II 29,2 und die daraus resultierende Liebe der Gläubigen im Sinne einer tätigen „Frömmigkeit“ etwa in II 1,12.17.21; II 6,9. 133 A. B LAISE, Dictionnaire, 709, deutet religiositas an dieser Stelle als „manifestations extérieures du sentiment religieux“. 134 I 1,12: „facinorosa facinorosorum et colenda crimina et imitanda persuadet“. 135 I 35,6. – Auch die Verführung Adams und Evas durch den Teufel geschieht nach I 4,5 durch persuasio wie auch die griechische Philosophie, so in II 9,1, mit diesem Mittel arbeitet. Ins Positive gekehrt kann aber auch in II 6,9 die veritas durch persuasio überzeugen! 136 I 37,3: „deos asserendo“. Zur Bedeutung von asserere s. A. B LAISE, Dictionnaire, 57. Die Bedeutung von „behaupten / argumentierend nachweisen“ findet sich durchgehend bei Zeno auch in anderen Zusammenhängen, etwa wenn inI 13,4 davon die Rede ist, dass die hemithei sich selbst zu Göttern erklären, oder auch im Kontext genereller Theologiekritik, wenn in II 3,18 der Versuch, Gott nachzuweisen, gerügt wird. Vgl. darüber hinaus B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 25.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

So klingt im Terminus verhalten der Bedeutungswandel durch, den der Begriff religio in christlicher Rezeption schon früh erfuhr: Das kultischrituelle Moment wird abgelöst vom Gedanken der Offenbarungswahrheit.137 2. idolatria und superstitio Im Gegensatz zum bisher behandelten Vokabular hat der Begriff idolatria keine vorchristliche Geschichte.138 Es handelt sich um ein Lehnwort aus dem neutestamentlichen Griechischen und bezeichnet wörtlich die ‚Verehrung von (Götter-)Bildern‘. 139 Da für die pagane Religiosität eine solche Verehrung selbstverständlich, ja notwendig mit dem Kult verbunden ist, bedarf es nicht eines speziellen Terminus, zumal Götterbild und Gottheit identifiziert werden. Die neutestamentliche Neuschöpfung greift also ein allgemein bekanntes Phänomen auf, belegt es mit einem eigenen Terminus, und dadurch bekommt das Selbstverständliche einen neuen, negativen Charakter. Im philosophischen Konzept von Kultus bei Augustin wird die Idolatrie als dessen niedrigste Form eingeschätzt werden, da sie einen „Mangel an Bewußtsein für die realen Abhängigkeiten“ erkennen lässt: „Der heidnische Kult erscheint so als die freiheitsraubende Huldigung vor dem Unverstandenen.“ 140

Eine differenzierte (ontologische) Einordnung dieses Bestandteils heidnischen Kultes ist in den zenonischen Traktaten nicht auszumachen. Für Zeno und seine Zuhörer hebt der Inhalt des Begriffs auf ein noch bekanntes Phänomen ab, da auf jede nähere Erklärung verzichtet wird. Auffällig ist die nur siebenmalige Verwendung des Begriffs idolatria in den Traktaten, obwohl sich das Geschaffensein der Götterbilder als ein nicht unerhebliches Kriterium für den Irrtum der Heiden erweisen wird. 141 Aus dem jeweiligen Kontext ist erkennbar, dass Zeno den Begriff stellvertretend für paganen Kult insgesamt setzt. Darauf verweisen u. a. Verbindungen wie idolatriae aedes und idolatriae fanum.142 Wenn Zeno den Terminus auch im Zusammenhang mit konkreten Göttergestalten nennt,143 hat dies lediglich exemplarischen Charakter. Gemeint ist grundsätzlich jeder Götzendienst in kultischer Form. Dass Zeno mit dem Terminus nicht nur beschreibt, sondern zugleich polemisiert, ist zu ersehen aus der Verwendung in Zusammenhang mit generell zu verurteilenden Haltungen, mit Vergehen auf moralischer Ebe137

S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 160. Vgl. ThesLL 7,1, 223–225; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 25; vgl. auch I. OPELT, Polemik, 257. 139 Unschwer lässt sich die Etymologie erkennen: åkäùëïëáôñåßá > ånäùëïí + ëáôñåßá. 140 T. KOBUSCH, Christentum, 101f. 141 S. u. S. 119 und ebd., Anm. 180. 142 II 6,2; II 29,3. 143 I 1,11f. 138

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ne. Der Götzendienst ist Folge der impudicitia.144 Er wird genannt neben mundanae voluptates und libido,145 neben impudicitia und avaritia.146 Deshalb kann Zeno auch sagen, dass durch idolatria die übrigen Völker (neben den Juden, die den einen Gott verehren,) verdorben wurden. 147 Diese Negativ-Einschätzung kann schließlich sogar dazu führen, dass begangener Götzendienst als Grund für eine Krankheit angenommen werden kann.148 Damit übernimmt Zeno mit anderen Kirchenvätern scheinbar paradoxal die pagan „verbreitete Überzeugung, daß Krankheit und Not Formen göttlichen Strafens waren“ 149 gewissermaßen in christianisierter Form. Neben dem für Zeno typischen Begriff der idolatria taucht dreimal der Terminus superstitio auf. Der Gebrauch beschränkt sich jedoch auf Traktat I 39. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Zeno für sein Traktat über das Martyrium des afrikanischen Heiligen Arcadius den Text einer Passio Arcadii als Vorlage benutzte.150 Der Terminus superstitio ist schon im nicht-christlichen Latein bekannt und bezeichnet dort zunächst eine Haltung im Sinne einer „ängstliche[n] Scheu vor dem, was über den Volksglauben hinausgeht“ 151 (wie religio ja auch ursprünglich eine Art ‚Zurückhaltung‘ bezeichnet 152), der Plural bezeichnet dann aber religiöse Praktiken, die nicht mit ererbten

144

Ebd. I 33,2. 146 I 38,4. 147 I 13,5. 148 I 2,6. Beschrieben wird das Besessensein von Dämonen, worunter man Krankheiten wie Epilepsie o. Ä. zu verstehen hat; s. u. S. 232 und ebd., Anm. 232. Alles körperliche Leid wird bei den Vätern den Dämonen zugeschrieben, die im Auftrag Satans stehen. S. X. LÉON-DUFOUR, Wörterbuch zum Neuen Testament, München 1977, 116. 133f.; W. W ISKIRCHEN, Art. Besessenheit, PBL8, 1985, 125f., ders., Art. Dämon, PBL8, 1985, 181f., und ders., Art. Dämonenaustreibung, PBL8, 1985, 182. 149 J. RÜPKE, Religion, 164. 150 P ASS. ARCAD. (551 Ruinart). Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass I 39 nicht zu den zenonischen Traktaten zu rechnen ist. Vgl. hierzu die unterschiedlichen Hypothesen bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 6*, Anm. 2 und 7* einschließlich Anm. 2, und U. B ARELLI, Arcadio. Die vergleichende Worterhebung dieser Arbeit wird zu der Annahme (gegen Löfstedt) führen, dass die Passio selbst nicht von Zeno stammt. Auch U. B ARELLI, Arcadio, 147, hält im Übrigen die Hypothese einer Zeno als Muster vorliegenden Passio nicht für abwegig. 151 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2949. Einen Überblick über die Begriffsgeschichte in vorchristlichem und christlichem Latein bis zu Isidor von Sevilla bietet D. HARMENING, Superstitio. Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchungen zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters, Berlin 1979, 14–32. Zur heute zunehmend kritisch gesehenen Terminologie ,Volksglaube‘ s. o. S. 22f. 152 S. o. S. 79. 145

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Gewohnheiten übereinstimmen.153 So kann der Terminus schon in heidnischem Kontext die Bedeutung von religiösem Exzess, insbesondere die übertriebene Religiosität alter Menschen oder ignoranter Massen,154 annehmen und in polemischer Absicht gegen Gruppen gewendet sein.155 Auf eben diesem Hintergrund wird auch das Christentum von heidnischer Seite als superstitio betrachtet.156

Ganz ähnlich ist auch die Verwendung in Traktat I 39, allerdings werden die Inhalte des (nunmehr überkommenen) heidnischen Glaubens überhaupt und die mit ihnen verbundenen Akte angezielt. Der Singular meint den verwerflichen Inhalt, der hinter den Opferhandlungen steht, 157 der zweimalige Plural bezeichnet die Riten selbst.158 Dass hier der Plural von superstitio und nicht idolatria im Sinne von Kult verwendet wird, könnte seinen Grund darin haben, dass Zeno mit idolatria den heidnischen Kult im Allgemeinen (einschließlich spezifischer Riten), mit superstitio aber nur die eigentlichen Opferriten bezeichnet. Naheliegender scheint es jedoch zu sein den Grund darin anzunehmen, dass der Text eben nicht originär zenonisch ist.159 3. sacrilegium 160 Das von Zeno achtmal verwendete sacrilegium bezeichnet ursprünglich den Tempelraub, dann gemeinantik jedes religiöse Verbrechen, 161 Zeno kennt aber auch die profane Bedeutung ‚Majestätsverbrechen‘. 162 Er führt dies in einem Vergleich an, der klar macht, dass ein Verbrechen gegen Gott um vieles größer ist als ein solches profanes Vergehen.

153

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2949. S. P. G. R. DE VILLIERS / E. GERMIQUET, Religio and Superstitio in Early Christianity and Graeco-Roman society. Christian Perspectives on Paganism, Acta Patristica et Byzantina 9, 1998, 52–69, hier: 55.62. 155 S. ebd., 62. 156 S. ebd., 60f. 157 I 39,2. 158 I 39,2; I 39,5. 159 Wie dies weitere Abweichungen im Vokabular vermuten lassen werden. Ein vergleichender Blick in die P ASS. ARCAD. (551–553 Ruinart) zeigt in diesem Fall zwar, dass dort lediglich ein einziges Mal der Terminus im Plural auftaucht. Jedoch müssen die uns überkommenen Akten nicht identisch sein mit der zenonischen Vorlage; vgl. U. B ARELLI, Arcadio, 147. Nicht ohne Grund hält B. LÖFSTEDT, Tractatus, 42*–44*, den Text des Traktates für älter als die überlieferten Akten. 160 Vgl. o. sacrilegus S. 72f. 161 So ist auch pro religione sacrilegium in I 39,2 vom Vokabular her noch keine antiheidnische Polemik. 162 I 36,24. 154

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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Ein religiöses Verbrechen kann grundsätzlich von jedem, so auch von Juden,163 von Christen, die noch nicht getauft sind, 164 und auch von getauften Christen 165 begangen werden. Von heidnischer Seite liegt es grundsätzlich vor, da „den Göttern und nicht dem Herrn allein“ geopfert wird.166 Werden die Christen von heidnischer Seite verfolgt, kann dies in besonderer Weise als Sakrileg bezeichnet werden.167 Der Terminus wird so zwar nicht spezifisch auf paganes Handeln angewandt. Für einen Christen in einem paganen Umfeld muss aber jedes religiöse Verbrechen, und dies beinhaltet jedes Vergehen gegen den christlichen Gott, die Qualität heidnischen Handelns bekommen. 4. scelus und nefas Scelus und nefas bezeichnen ursprünglich religiös ein gegen göttliche Gebote im weitesten Sinne verstoßendes Verhalten. In römischem Verständnis dann übertragen auf jedes Tun, das der natürlichen oder menschlichen Ordnung schadet, können beide Be-griffe ganz allgemein eine Freveltat bzw. ein bewusst begangenes Unrecht kennzeichnen. 168

Diese allgemeine Bedeutung findet sich auch bei Zeno. 169 Die Termini bezeichnen zenonisch aber auch gegen den christlichen Gott gewandtes Tun: So werden Untaten gegenüber Christus oder seinen Anhängern, und damit indirekt gegenüber ihrem Gott, als scelus 170 und das vom Satan veranlasste Opferhandeln der Heiden als nefas 171 betrachtet.

163

I 19,1. II 7,14; II 7,16. 165 II 7,12. 166 I 25,5. 167 I 39,3. 168 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1128f.2522f.; auch A. B LAISE, Dictionnaire, 552.742; zu nefas auch P. CIPRIANO, Fas e Nefas, Rom 1978, insbesondere das Kapitel „Semantica di nefas“, ebd. 82–91, wo eine Entwicklung von „sacrilegio“ über „violazione della pietas“ und „violazione della natura“ zu „peccato, colpa“ erarbeitet wird; zu nefas im Sinne von „peccato, colpa“ ebd., 90f.: „È evidente che qui nefas è usato per indicare ogni specie di delitto che più ripugni alla coscienza comune. … Il termine, al solito, non specifica la tipologia del delitto, ma … si può … riconoscere in nefas il riferimento a delitti particolarmente atroci.“ (Kursive in den Zitaten im Original). 169 Scelus: I 1,19; I 4,15; I 14,7; I 15,9; nefas: I 5,2; I 14,7. 170 I 59,9; I 39,2. 171 I 39,2. 164

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

5. reatus Der Ausdruck reatus ist der Rechtssprache entlehnt und bezeichnet den Zustand eines Angeklagten, die Beschuldigung wie auch die Schuld. 172

In dieser Bedeutung kennt auch Zeno den Begriff. 173 Ein besonderes Verständnis von Schuld liegt jedoch vor, wenn mit reatus der Zustand eines Christen vor der Taufe bezeichnet wird.174 Diese Bezeichnung kann nur von jemandem erfasst werden, der bereits bekehrt ist. Daher findet der Terminus sich bei Zeno auch allein in seinen mystagogischen Katechesen. Mit der Taufe ist der Anklagezustand zugleich aufgehoben. 175 6. Umschreibungen Das religiöse Verhalten der Heiden bezüglich Gottes wird von Zeno als Vergehen gekennzeichnet, weil es ein falsches Verhältnis zu Gott widerspiegelt. Die Heiden geben den Götzenbildern vor Gott den Vorzug 176 – von der impudicitia ließen sie sich dazu verleiten 177 –, sie lehnen sich, wie die Juden, murrend gegen Gott auf.178 Da sie ihre Götterbilder aus Erde erschaffen, wie Gott den Menschen aus Erde erschuf, machen sie sich selbst zu Gott.179 Und schließlich, nicht allein durch ihr Tun, auch in Auseinandersetzungen lästern sie ausdrücklich Gott. 180 Dies alles kann den Heiden vorgeworfen werden, da das Christentum auch ihnen eine durchaus bekannte Größe ist: Ihr Verhältnis zum Glauben artikuliert sich darin, dass sie über den christlichen Glauben reden, 181 sie wollen selbst das Gesetz kennen lernen oder widerlegen. 182 Sie machen sich 172

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2211; auch A. B LAISE, Dictionnaire, 698. 173 I 35,6; II 2,2; II 3,3; II 3,5. 174 I 38,1; I 42,1 (2x); II 10,2; II 23; II 24,2. 175 I 38,1; I 42,1; II 10,2; II 24,2. 176 II 4,17: „stulti praeponunt ... idolum deo“. Vgl. auch I 25,5: „sacrificaverunt daemoniis et non deo“. 177 I 1,12: „sic genus humanum a dei cultura rapuit“. 178 I 34,8: „Iudaeorum populos et gentes ... qui adversus deum inaniter fremuerunt.“ 179 I 13,6: „et hominem deus de terra finxit et homo idolum de terra composuit. ... sicut est detestabilis qui, cum sit homo, deum se fingit, ita detestabilior qui deum colit, quem ipse disposuit.“ 180 II 7,15: „blasphemabitur deus“. 181 II 3,10: „fabulantur etiam profani secreta.“ 182 II 4,1: „studio vel noscendae vel impugnandae sacrae legis“. An dieser Stelle sind dem Kontext nach vermutlich zuerst Häretiker gemeint. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch Nichtgetaufte, also (Noch-)Heiden, zur Bibel griffen; man denke nur an die Bekehrungsgeschichte Augustins.

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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über den Glauben lustig 183 und verfolgen sogar seine Anhänger,184 und obwohl er ihnen bekannt ist, „verweilen sie im Götzendienst“. 185 Es kann aber auch geschehen, dass sie diesem Glauben unfreiwillig einen Dienst erweisen: Durch ihre eigentlich verwerflichen Opfer innerhalb des Totenkultes zeugen selbst sie für die Auferstehung. 186 Im Kontext des oben untersuchten Vokabulars wird immer wieder deutlich, dass Zeno auch etwas wie indirekten Götzendienst kennt, der sich in einem unangemessenen Verhältnis zur Welt äußert. Das verrät schon die mehrfache Verwendung des Psalmzitates „Idola gentium argentum et aurum.“ 187 Daneben wird der Götzendienst aber auch immer wieder in Zusammenhang gebracht mit konkreten moralischen Vergehen wie impudicitia,188 mundani voluptates und libido 189 o. Ä. So beschränkt sich das Tun der Heiden auf opera terrena,190 ja sie verehren das Werk der Finsternis,191 wie die Christen, die mit ihnen zusammenleben, sich an der Finsternis freuen.192 III. Bewertung der Heiden und ihrer Religiosität Was eine explizite Bewertung des Heidentums und seiner Religiosität betrifft, arbeitet Zeno in zwei Schritten, die jedoch kaum stringent voneinander zu trennen sind. In einem ersten Schritt argumentiert er gewissermaßen emotional, wenn er so etwas wie Bedauern oder Mitleid für die ‚armen Heiden‘ durchklingen lässt. So ist das Heidentum insgesamt (gentilitas) durch amaritudo gekennzeichnet.193 Die Gründe liegen in gewissen Defiziten: Die Heiden

183

II 3,10: „fides ... de qua ludit aliena sententia“. I 39 passim. 185 I 2,6: „in idolatria commorantes“. 186 I 2,3: „Gentes, quae ista non credunt, tamen cum libamine infausto ad sepulcra concurrunt et a mortuis, ... ac sic fidem rei quam reprobant faciunt.“ S. u. S. 172, Anm. 525 zur Vorlage bei Tertullian. 187 Ps 113,12 par. 134,15 in I 5,15 und I 14,4; vgl. auch I 25,3: auri argentique detrimento. 188 I 1,12. 189 I 33,2. Interessant dagegen auch die positive Einschätzung des opus mundanus des immer wiederkehrenden Ostertages in I 6 und I 26 als Tätigkeit „für die Welt“, wie A. B IGELMAIR, Traktate, 310.312, dies versteht. Auch hier schwingt natürlich in mundanus ein negativer Ton mit, insofern die Welt eben dieser Tätigkeit bedarf. 190 I 61,4. 191 I 33,2. 192 II 7,12: „laetantes in tenebris“. 193 I 61,8. Dies soll zugleich natürlich abschreckende Wirkung auf Christen ausüben. 184

88

2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

sind stulti.194 Weil sie carnales sind, bleiben sie paradoxerweise sine fructu.195 Ihr Handeln ist so nichts anderes als dementia.196 In einem zweiten Schritt äußert Zeno dann moralisch argumentierend eher Verachtung. Heiden (und Juden) sind unrein (inquinati) aufgrund der von ihnen begangenen Untaten;197 konkreter heißt das: Wegen ihres Hochmuts sind sie verabscheuenswert (detestabilis).198 Implizite Wertungen nimmt Zeno überdies durch Vergleiche vor, etwa dadurch, dass er in Traktat I 1 einen Zusammenhang zwischen idolatria und impudicitia herstellt,199 die Anhänger des Götzendienstes also gleichsetzt mit den Verehrern der Unzüchtigkeit. So fällt auch auf jene ein negatives Licht dadurch, dass gesagt wird, die impudicitia bringe alles Böse und das, was noch schlimmer sei, hervor.200 Damit wird das Heidentum dem Bösen zugerechnet. Gleiches gilt für den Zusammenhang, den Zeno zwischen Besessenheit und Idolatrie sieht.201 Eine vorausgehende Vergil-Reminiszenz,202 die an die verdienten Leiden nach dem Tod gemahnt, wirft auch ein Licht auf den folgenden Abschnitt: Besessenheit ist die verdiente Strafe für den Götzendienst, Götzendiener müssen auch von daher schlechte Menschen sein. Dass selbst im Grunde positives Verhalten von Heiden etwas Negatives an sich hat, zeigt der Vergleich des Schutzes, den die Heiden hin und wieder dem christlichen Glauben zukommen lassen, mit dem weltlicher Mächte.203 Es ist schlimm, dass der Glaube eines Schutzes weltlicher Mächte wie des von Königen, Richtern und Reichen überhaupt bedarf. Dass er aber sogar auf Heiden angewiesen ist, ist demgegenüber noch eine Steigerung. 194

II 4,17; vgl. auch I. OPELT, Polemik, 240, die die Verwendung des Terminus für die „einfachste Form der intellektuellen Disqualifizierung“ hält. 195 I 3,24. 196 I 25,4. Ähnlich charakterisiert LACT. inst. 2,4,6 (CSEL 19,1,108,6f. Brandt) die Haltung der Heiden gegenüber den Göttern als insania. – Ob das ebenfalls an das Gefühl appellierende infelix in II 7,17 auf den Heiden oder seine christliche Ehefrau zu beziehen ist, kann nicht mit Eindeutigkeit entschieden werden. Die im gleichen Kontext verwendeten Adjektive misera und vesana sprechen doch eher für einen Bezug auf die christliche Gattin. Die Argumentation wird jedoch auf einer vergleichbaren emotionalen Ebene geführt. 197 I 37,3. 198 I 13,6. 199 I 1,12. 200 I 1,8: „parit omne quod malum est et peperit omne quod peius“. 201 I 2,5f. 202 VERG. Aen. 6,743 (250 Mynors) in I 2,4. 203 II 3,10: „O quam indefensa, quae regum, iudicum, divitum, aliquotiens etiam, quod peius est, gentium desiderat per momenta patrocinia!“

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

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Damit deckt sich die Bewertung des Heidentums durch Zeno weitgehend mit dem seiner christlichen Zeitgenossen.204 Diese Einschätzung des Heidentums lässt eine Bemühung Zenos in seiner Rolle als Bischof und predigender Seelsorger um Bekehrung der Heiden fast selbstverständlich erscheinen, was seine unkritische Einordnung als Missionar Oberitaliens in weiten Teilen der Sekundärliteratur erklären könnte. Neben der hohen Zahl der Taufpredigten, aus der ein missionarisches Bemühen des Bischofs indirekt erschlossen werden kann, liefert allerdings nur eine persönlichen Randbemerkung einen Hinweis auf sein Engagement in dieser Richtung.205 Die Intention seiner Heidenpolemik, mit der er vermutlich kaum missionarisch überzeugen konnte, dürfte – das deutet sich schon hier bei der bloßen Einordnung des Heidentums an – anderswo zu suchen sein. Nur vordergründig scheint durch die Argumentation Bedauern über den Zustand des Heidentums durch, Zenos Verachtung weist in die eigentliche Richtung: Mit dieser Argumentation sollen Christen abgeschreckt werden, in ein defizitäres, verachtungswürdiges Stadium zurückzufallen. Seine persönliche Einschätzung des Heidentums, wie sie sich in den emotional-moralischen Abwertungen äußert, legitimiert und untermauert Zeno durch für ihn objektives Material, den Umgang Gottes mit den Anhängern des Heidentums: Gott zürnt solchen Menschen. 206 Die Folge solchen Zornes Gottes wird mit Schriftzitaten belegt: Gott wird die Heiden ins Verderben stürzen,207 er wird sie völlig ausrotten,208 sie werden ewige Strafe 204 Vgl. M. KAHLOS, Shadow, v. a. 171–190, die für das 4. und 5. Jahrhundert, allerdings unter Vernachlässigung Zenos und, wie auf so engem Raum nicht anders zu erwarten, auch weniger extensiv, ähnliche Ergebnisse herausarbeiteen kann. Allerdings betont sie die Differenzierung „intellectual disqualification“ und „moral disqualification“, ebd., 171. Für Zeno ließ sich darüber hinaus, vgl. o. Anm. 193–198, neben den den Heiden zugeschriebenen intellektuellen und moralischen Defiziten auch für seinen persönlichen Umgang mit diesen Defiziten (selbstverständlich in rhetorisch-polemischer Absicht) ‚Mitleid‘ und ‚Verachtung‘ differenzieren. – Dieselbe Autorin arbeitet in einer monographischen Darstellung die Gegenseitigkeit der Artikulierung von Toleranz und Intoleranz zwischen Heidentum und Christentum chronologisch, beginnend in Kapitel 2 „ … before 250“ und endend in Kapitel 7 „After Theodosius I“ heraus; s. M. KAHLOS, Forbearance and Compulsion. The Rhetoric of Religious Tolerance and Intolerance in Late Antiquitiy, London 2009. Auch in dieser Arbeit bleibt Zeno, abgesehen von einer Anführung am Rande ohne Hinzuziehung einer Belegstelle (und zudem chronologisch zu spät in das Kapitel 7 eingeordnet), s. ebd., 202, Anm. 18, unberücksichtigt, obwohl ihm als Verfasser der ältesten erhaltenen lateinischen Predigten bei der Frage nach einer solchen „Rhetoric of Religious Tolerance and Intolerance in Late Antiquity“, so der Untertitel, doch eigentlich eine besondere Bedeutung als Redner zukommen müsste. 205 II 7,11: „quid in exhortationibus divini ac veri cultus gentibus praedicem“. 206 I 25,4: „deus irascitur“. 207 Jr 25,6 ebd.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

erleiden.209 Mit dieser „eschatologiesche[n] Wertung der Heiden“ liegt Zeno ganz auf der Linie anderer lateinischer Väter des 4. Jahrhunderts. 210 Auch die Berufung auf eine oberste Autorität wird so zur Paränese. IV. Resümee: Zenos Charakterisierung der Heiden Zeno beschränkt sich zur Bezeichnung der Heiden auf den Terminus technicus gentes, der keine Missverständnisse in seinem Zuhörerkreis aufkommen lässt, da er diesem aus biblischen Texten zu Genüge bekannt sein dürfte und er in Verbindung mit dem Begriff Iudaei eine deutliche Abgrenzung der christlichen Gemeinde gegenüber diesen beiden Gruppen ermöglicht. Dass es Zeno um eine solche deutliche Abgrenzung geht, belegen auch die Begriffe externus und profanus, deren ersterer Heiden und Juden bezeichnen kann, während letzterer sich eindeutig nur auf Heiden bezieht. Während mit den bisher genannten Termini quasi nur eine Ortsbestimmung vorgenommen wurde, führen die Begriffe sacrilegus und impius eine wertende Komponente ein. Beides kann generell auch auf Juden und Christen zutreffen, für Heiden gelten die Termini jedoch quasi a priori. Carnalis, mundanus und terrenus werden allegorisch auf Heiden, Juden und Häretiker angewandt. Diese Termini verknüpfen eine Abgrenzung mit religiöser Disqualifizierung. Incredulus und infidelis können am wenigsten eindeutig zugeordnet werden. Incredulus ist derjenige, der, obwohl mit den Glaubensinhalten bekannt, diese für sich nicht übernimmt. Das kann auf Heiden, Juden und Häretiker zutreffen. Infidelis wie auch perfidus können demgegenüber nur einen formal dem Christentum Zugehörigen bezeichnen. Diese Termini scheiden für Heiden wie für Juden aus. Die Religiosität des Heidentums wird von Zeno zwar als Religion anerkannt, aber seine Auseinandersetzung mit dieser Religion bleibt rein polemisch. Gegenüber der wahren Religion des Christentums (religio vera / religio divina) ist das Heidentum eine sordida religio, die von der impudicitia ins Leben gerufen wurde. Daher ist ihr Kult idolatria im Sinne eines moralischen Vergehens. Die Heiden machen sich durch ihre Opfer ständig der sacrilegia schuldig, sind deshalb im Zustand des reatus. Ihr Vergehen spiegelt ein verkehrtes Verhältnis zu Gott wider, da sie sich dem Christentum entziehen, obwohl es ihnen bekannt ist. Neben den direkten Götzendienst tritt zudem ein indirekter in Form eines unangemessenen Verhältnisses zur Welt.

208

Ex 22,20 in I 25,5. I 2,23: „incredulis gentibus perenni destinat poenae“, belegt durch Ps 1,5f. 210 S. I. OPELT, Polemik, 73.

209

A. Das Heidentum – Anhänger und Religiosität

91

Es zeigt sich also, dass Zeno nicht nur beschreiben, sondern auch deutlich bewerten will.211 Ganz subtil fließt schon durch die Wortwahl eine negative Akzentuierung mit ein, wenn er etwa ursprünglich nicht-religiöses Vokabular wie infidelis und perfidus christlich umdeutet und auf Anhänger des Heidentums anwendet oder aber das Heidentum mit ursprünglich von heidnischer Seite selbst auf Religionsfrevel angewandten Termini wie sacrilegium, scelus und nefas belegt. Neben der Wertung durch die Wahl bestimmter Termini lässt Zeno aber auch explizit eine Wertung einfließen, indem er sich wertender Attribute und Wortverbindungen bedient. Dabei sind Heiden und Juden häufig zusammen charakterisiert. Mittel impliziter Bewertung des Heidentums sind Vergleiche u. Ä., die das Heidentum deutlich in Konnex mit dem Bösen bringen. Dies kann sich etwa in Form von Besessenheit in der Öffentlichkeit äußern. Diese grundlegende Verbindung von Heidentum und Bösem führt schließlich dazu, dass selbst vordergründig Positives nicht wirklich als solches gewürdigt werden kann. Inhaltlich führt Zeno seine Bewertung des Heidentums in zwei Schritten durch: Ein Defizit konstatierend klingt fast etwas wie Mitleid für die ‚armen Heiden‘ durch. Verstärkt wird diese Argumentation durch Verachtung ausdrückende Wertungen in einem zweiten Schritt. Ziel dieser Einordnung ist in erster Linie das Abschrecken seiner Christengemeinde vom Rückfall in ein solch defizitäres Stadium. Seine persönliche Einschätzung untermauert Zeno mit autoritativem Material, nämlich in Rückgriff auf die Schrift, die den Umgang Gottes mit den Heiden dokumentiert.

211

Damit liegt Zeno ganz auf der Linie der lateinischen Väter, die seit Tertullian ausgehend von einer „neutralen Definition der Heiden als Verehrer falscher Götter … die letzten Endes auf Cyprian zurückgehende Konzeption vom Unwissen der Heiden entfalten, die dann schnell zur polemischen Hyperbel von der Dummheit und dem Wahnsinn der Heiden gesteigert wird“, so I. OPELT, Polemik, 73.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

B. Theologia civilis – heidnischer Kult Im Bereich der Theologia civilis kam historisch der Konflikt zwischen Heidentum und Christentum auf, da die Christen aufgrund ihres exklusiven Monotheismus einen gemeinsamen Kult verweigerten; unter umgekehrten Vorzeichen setzt sich dort die Auseinandersetzung in nachkonstantinischer Zeit fort. So ist mit der Polemik gegen das Heidentum immer, und so auch bei Zeno, die Polemik gegen den Kult verbunden. 1 Was die Terminologien zur Bezeichnung des Kultes und seines Umfeldes betrifft, deckt Zeno fast die gesamte Spannbreite des aus dem paganen Bereich bekannten Vokabulars und damit den gesamten Themenkomplex der Theologia civilis ab.2 Die Kultorte, also Tempel und Heiligtümer, sekundär dann auch andere Orte, die in einem entfernten Zusammenhang mit heidnischem Kult stehen, sind die ‚Realien‘, denen der Christ im 4. Jahrhundert in seinem täglichen Leben gewissermaßen noch ‚auf der Straße‘ begegnet 3 und denen er nur schwer aus dem Weg gehen kann. So ließ der Consularis Valerius Palladius zwischen 379 und 383 etwa die Statue einer weiblichen Gottheit vom Veroneser Kapitol auf das Forum, das „centro cittadino“ 4 und damit den „punto piú frequentato“,5 transferieren. In Form von Kultbauten und -bildern zeigt sich das Heidentum am handgreiflichsten und tritt scheinbar nach wie vor offen in Konkurrenz zum jungen Christentum. Von daher mit den Kultbauten beginnend, nähert sich die Untersuchung über die Ausstattung der Tempel wie Kultbilder, Kultinstrumentarium und Kultpersonal den Kulthandlungen, die dem Christen nur noch dann geläufig gewesen sein dürften, wenn er selbst vor seiner Bekehrung noch an solchen Kulten partizipiert hat.

1

Vgl. I. OPELT, Polemik, 84–86. Vgl. G. W ISSOWA, Religion und Kultus der Römer, HAW V,4, München 21912, 467–479. 3 Trotz der antiheidnischen Maßnahmen der christlichen Kaiser seit 341 setzt sich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts verstärkt ein „souci de la préservation des monuments et de leur décoration“, so C. LEPELLEY, Muse, 8, durch. Für Verona ist etwa belegt, dass die Anlage des Kapitols gegen Ende des 4. Jahrhunderts noch existiert, wenn sie auch kultisch nicht mehr in Gebrauch gewesen zu sein scheint. S. o. S. 60–64. Dennoch kann für den zenonischen Episkopat, zumindest wenn er sich mit der Herrschaft Julians überschnitten haben sollte, eine Funktion der paganen Heiligtümer Veronas nicht ausgeschlossen werden. 4 A. SCOLARI, Vicende, 210. 5 Ebd., 209. 2

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

93

I. Primäre Kultorte 1. aedes Vorchristlich steht der Terminus aedes zunächst für jedes Gebäude, durch Hinzufügung des Adjektivs sacra und eventuell eines Genitivattributs wird aedes näherhin zur Bezeichnung für den Tempelbau, dessen Eigentümer die dort verehrte Gottheit ist.6 In diesem Sinn ist aedes das ‚Haus eines [römischen7] Gottes‘.8 In das christliche Latein wird der Terminus in dieser spezifizierten Bedeutung (ohne Beschränkung auf römische Gottheiten) übernommen.9

Auch Zeno benutzt den Terminus in Traktat II 6,2 in diesem Sinne. Traktat II 6 wurde anläßlich der Einweihung einer Kirche in Verona 10 gehalten. Da sein zentrales Thema das christliche Kultgebäude ist, hat er gleichsam auch eine Schlüsselfunktion in der Auseinandersetzung um heidnische (und auch jüdische) Kultgebäude.11 Denn Zeno sagt direkt zu Anfang des Traktates: „praecipuum non est, quod cum gentibus vel Judaeis potest esse commune; nam et illi, si liceat vel si velint, fortassis cultius synagogas aedificent, cultius erigant capitolia“.12 Die im Anschluss gebrauchte Formulierung idolatriae aedes 13 steht deutlich im Zusammenhang mit der 6

S. J. RÜPKE, Religion, 72; auch A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux de culte, lieux sacrés. Les usages de la langue. L’Italie romaine, in: Lieux sacrés, lieux de culte, sanctuaires. Approches terminologiques, méthodologiques, historiques et monographiques, hg. v. A. Vauchez, Rom 2000, 59–80, hier: 65. Der Terminus sacer beinhaltet stets die Vorstellung von Eigentum; er bezeichnet eine „sphère de la propriété [des dieux]“ (ebd., 60). 7 Vgl. ebd, 69f. Ausgeschlossen sind danach alle orientalischen Gottheiten außer Kybele, was einen Hinweis auf ihre Einschätzung als römische Göttin beinhaltet. 8 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 166; H. MENGE, Langenscheidts Großwörterbuch Lateinisch, Bd. I, Berlin u. a. 241992, 746; A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 68–71. 9 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 64. 10 S. o. S. 51, Anm. 40. 11 Bis auf die Termini fanum und sacrarium finden sich alle hier zu untersuchenden Begriffe im Traktat wieder. 12 II 6,1. Die Formulierung potest esse comune deutet darauf, dass Zeno über die Gemeinsamkeit hinaus die Besonderheit des christlichen Kultgebäudes darstellen wird. Obwohl über die Eigenarten der nicht-christlichen Kultgebäude noch nichts gesagt ist, ist der pejorative Tonfall seiner Einschätzung nicht zu überhören. – Die Formulierung si liceat deutet auf ein Verbot und bezieht sich schon von daher vermutlich nur auf den Bau von Tempeln, nicht auf den von Synagogen (s. A. B IGELMAIR, Traktate, 169, Anm. 1). Dafür spricht neben inhaltlichen Gesichtspunkten auch der Parallelismus cum gentibus vel Iudaeis – si liceat vel si velint. Nach A. B IGELMAIR, Traktate, 169, Anm. 1, spielt Zeno damit auf die Bestimmung Konstantius’ II., COD. IUST. 1,11,1 [a. 354] (62 Krüger) an. Zur Problematik der Zuordnung zu einem konkreten Gesetzestext s. o. S. 64, Anm. 113. 13 II 6,2.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Vorstellung vom Kultort als Gebäude. Als solches zeichnet es sich durch Vergänglichkeit aus.14 Dies gilt aber nicht nur für die heidnischen Kultgebäude. Auch der jüdische Tempel, der im gleichen Atemzug genannt wird, war nur caduca illa ambitio.15 Zeno geht jedoch noch einen Schritt über diese polemische Einschätzung hinaus. Wenn man zunächst den Eindruck hat, er will im Zuge der Polemik die christlichen Kultgebäude ausdrücklich nicht einer solch offensichtlichen Vergänglichkeit zugesellen, 16 scheut er sich doch keineswegs, weiter unten die gleiche Terminologie, die schon etymologisch auf von Menschen ‚Gebautes‘ und damit auf Vergänglichkeit deutet, auf christliche Kirchengebäude anzuwenden. 17 Auch dieser Ort, als geschaffener, wird nicht den Anforderungen gerecht, schon allein was seine räumliche Ausdehnung betrifft.18 Und im Grunde genommen würde er, wenn er nicht so neu (novella) wäre, auch der Vergänglichkeit unterliegen. Das weiß natürlich auch Zeno, wenn er die oben angeführte Bemerkung über die in der Kirche nicht anzutreffende Baufälligkeit von Kultgebäuden mit nunc usque aliquatenus einschränkt.19 Trotz der ursprünglich polemischen Benutzung des Terminus aedes will Zeno auch den christlichen Kultort als Gebäude von seiner negativen Einschätzung nicht ausschließen. Denn er verfolgt in diesem Traktat eine andere Intention, die eine viel weitergehende Polemik gegenüber dem heidnischen Kultort zur Folge hat. 2. capitolia Wie der Terminus aedes von Zeno nur an den zwei genannten Stellen in Traktat II 6 benutzt wird, so taucht auch der Begriff capitolia nur ein einziges Mal in II 6,1 auf. Ursprünglich auf den Tempel des Jupiter Optimus Maximus (bzw. der eben nach dem Ort so genannten kapitolinischen Trias Jupiter, Juno und Minerva) in Rom abhebend, konnte capitolia seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. auch die in Anlehnung an den römischen Kapitolstempel in den Kolonien angelegten Tempel, seit der Kaiserzeit auch dieselben in den Munizipien bezeichnen 20 und schließlich (auch schon in vorchristlichem Latein) auf

14

Ebd.: „quamvis ruina in se mergentibus idolatriae aedibus“. Ebd. 16 Ebd.: „Quid, quod aut nullum aut perrarum est per omnem ecclesiam dei orationis loci membrum, quod possit quamvis ruina in se mergentibus idolatriae aedibus nunc usque aliquatenus comparari?“ 17 II 6,5: „aede ista de novella“. 18 Ebd.: „quod vos non capit locus“. 19 II 6,2. 20 S. R. LIZZI, Prosopografia, 157. 15

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

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jeden großen, prächtigen Tempel angewandt werden, was dann in christlicher Übernahme zur eindeutigen Zuordnung als ‚heidnischer Tempel‘ führte. 21

Auch Zeno will an dieser Stelle Pracht und Größe der heidnischen Bauwerke ansprechen – möglicherweise hebt er auf die Haupttempel der Städte ab, wie sie für Verona und mehrere andere Städte Oberitaliens belegt sind22 –, gleichzeitig will er aber deutlich machen, dass es sich um (römisch-)heidnische Gebäude handelt, die mit den jüdischen Synagogen qualitativ auf einer Stufe stehen. Zeno parallelisiert die beiden Gebäudetypen, obwohl ihnen doch sehr unterschiedliche Funktion zukommt. Während die Synagoge als Versammlungsort fungierte (und damit in ihrer Funktion eigentlich der christlichen Basilika näher steht), diente der heidnische Tempelbau eher als Wohnstatt eines Gottes,23 die in der Regel nur von den Priestern betreten wurde. Der Kult, an dem die Gemeinde beteiligt war, vollzog sich normalerweise am Altar vor dem Gebäude, im Tempelbezirk. Dagegen, dass Zeno hier Kultstätten orientalischer Mysterienrelgionen meint, spricht eben die Verwendung des Terminus capitolia, der genuin römisch ist. Möglicherweise spricht Zeno aus Unwissenheit bezüglich heidnischen und jüdischen Kultes hier von cultius synagogae und cultius capitolia, wahrscheinlicher aber dürfte es dein, dass er aus polemischen Gründen einfach verkürzt, denn beiden Gebäudetypen wird ein Kirchengebäude mit seinen aus der Allegorese ableitbaren geistigen Qualitäten gegenübergestellt. Synagogen und capitolia, soviel wird klar, sind demgegenüber die aedes, denen Vergänglichkeit zukommt. 3. saecularia Die polemische Intention Zenos wird deutlicher, wenn er die im ersten Teil des Traktates II 6 behandelten Gebäude, synagogae und capitolia, Salomonis templum und idolatriae aedes, im Begriff saecularia zusammenfasst.24 Es handelt sich hier um ein substantiviertes Adjektiv, das aus dem zenonischen Kontext herausgenommen nicht mit Gebäuden oder sogar Kultorten in Zusammenhang steht. Aber gerade darin besteht der rhetorische Witz an dieser Stelle. An sich dem Kult oder der religiösen Versammlung zugeordnete Gebäude werden in einer Antiphrasis mit einem 21

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 981, und A. B LAISE, Dictionnaire, 130, der auch unsere Zeno-Stelle als Beleg anführt. Teilweise wurden sogar mit dem Terminus die Tempel bezeichnet, in denen Christen zum Opfer gezwungen worden waren (ebd.). Diese Konnotation spielt bei Zeno aber keine Rolle. 22 Vgl. etwa M. HUMPHRIES, Communities, 38; ausführlicher s. u. S. 255, Anm. 172. Zur Frage der Auflösung der oberitalienischen capitolia s. o. S. 62, Anm. 112 und S. 64, Anm. 113. 23 S. o. S. 93–94. 24 II 6,3.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Terminus belegt, der genau das Gegenteil aussagt.25 Saecularis bedeutet zunächst ‚zeitlich‘, kommt also der von Zeno geschilderten Vergänglichkeit sehr nahe, dann aber auch ‚weltlich‘, also das, was eben nichts mit Religion oder Kult zu tun hat.26 Die Begründung für diese Zuordnung liefert Zeno gleich mit: „Sed haec saecularia sine legitimo ac devoto cultore nec sufficientia nec necessaria honori suo protestatur deus“.27 Von der Qualität derjenigen, die einen Kult ausüben, hängt die Qualität des Kultortes ab. Und da sowohl jüdische als auch heidnische Kultgebäude keine angemessene Kultgemeinde aufweisen können, erklärt Gott selbst in den von Zeno angeführten Bibelzitaten die geschaffenen Kultorte für unzulänglich. Wiederum benutzt Zeno hier also die Zitate als Belege für seine polemischen Aussagen. Zum einen sind jüdische und heidnische Kultgebäude vergänglich, zum anderen, und das macht den qualitativen Unterschied zum Kirchengebäude aus, sind sie Gott nicht angemessen. 4. templum Der weitaus am häufigsten von Zeno zur Bezeichnung von Kultorten benutzte Terminus ist das Wort templum, an insgesamt 34 Stellen. Damit entspricht der zenonische Sprachbefund ganz dem klassischen römi25 Eine besondere Ironie lässt diese Antiphrasis erkennen, wenn man die Ergebnisse der Untersuchung dieses Traktates von C. SOTINEL, Locus orationis ou domus Dei? Le témoignage de Zénon de Vérone sur l’évolution des églises (tractatus II, 6), in: Papers Presented at the Twelth International Conference on Patristic Studies, Bd. I, hg. v. E. A. Livingstone, Löwen 1997, 141–147, hinzunimmt; berücksichtigt man die Ergebnisse der Untersuchung, erweist sich das Stilmittel hier sogar als quasi doppelte Antiphrasis: Die Autorin vertritt nämlich die Ansicht, dass der Anlass des Traktates „pas … en premier lieu … la polémique anti païenne“ (ebd., 144) sei, sondern vielmehr die Sorge darum, dass die Kirche als ursprünglich nicht-sakraler Versammlungsort der Gläubigen Ende des 4. und Anfang des 5. Jahrhunderts der Gefahr einer (Re-)Sakralisierung ausgeliefert sei, die sich u. a. darin äußere, dass zur Bezeichnug des Kirchenraums sowohl der Begriff domus dei als auch sogar der Terminus templum gebräuchlich werde; s. ebd. 144– 147, besonders 146: „Est-il impossible de voir dans l’orientation de quelques sermons de dédicace d’église, en Occident, une inquiétude devant cette forme de retour du sacré dans la religion?“ Auch dieser rhetorische ‚Kniff‘ Zenos bestätigt einmal mehr die Einschätzung der inhaltlichen Originalität und stilistischen Einzigartigkeit dieses Traktates; vgl. ebd., 143: „Zénon n’est pas seulement original parce qu’il accepte cette comparaison entre édifices de culte chrétiens et temples païens. Il évoque aussi, en des termes assez singuliers, les qualités architecturales de l’édifice dont il célèbre l’achèvement.“ Wenn es in christlichen Kreisen, wie SOTINEL, ebd. 144–147, aufgezeigt hat, möglich wird, einen Kirchenraum als templum zu bezeichnen, dann spricht dies indirekt doch auch für den archäologischen Befund, dass die heidnischen Tempel längst nicht mehr als Kultorte in Gebrauch sind; vgl. o. S. 60–64. 26 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2447; A. B LAISE, Dictionnaire, 732. 27 II 6,3.

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

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schen.28 Es erstaunt daher nicht, dass er damit sowohl den Salomonischen Tempel 29 als auch heidnische Tempel belegt.30 Die ursprüngliche Bedeutung des am Himmel oder auf der Erde mit Zustimmung des Jupiter für das augurium abgegrenzten Areals, und damit eines Areals, das einen Rahmen bietet für jede öffentliche Aktivität,31 ist hier nicht mehr erkennbar. Denn auch schon klassisch wurde der Begriff allgemein auf jeden geweihten Ort übertragen, meinte dann das Gebäude, vorzüglich ein geschlossenes, an nur einer Seite zugängliches, 32 und schließlich v. a. das Innere des Kultgebäudes. 33

Eine solche Differenzierung wird von Zeno nicht vorgenommen. In gewisser Weise sind die heidnischen templa geschaffene aedes und von daher „sicut idolis insensatis“.34 Deutlicher als bei aedes ist aber mit dem Terminus templum die Vorstellung vom Kult verknüpft. Templum ist der Ort, an dem Kultbilder aufgestellt sind 35 und in den man sich begibt zur Ausübung des Kultes.36 Diese Verknüpfung klingt auch in der bildlichen Verwendung des Terminus im Zusammenhang mit der Verehrung der impudicitia durch.37 Die impudicitia, die ja kaum als reale Göttin zu verstehen ist, sondern als Ursache für heidnische Gottesvorstellungen und heidnischen Kult, disqualifiziert letztlich auch den Ort der Ausübung des Kultes. Und auch in dem besonderen Fall, in dem Zeno christliche Großgrundbesitzer beschuldigt, dass sie ein ius templorum für sich beanspruchen,38 klagt Zeno nicht an erster Stelle ihren vermutlich finanziell begründeten Opportunismus an. Der Terminus ius templorum wird in der rechtshistorischen Literatur zum Teil ohne weitere Erläuterungen als „Recht der Tempel und Gräber“ unter das Sakralrecht summiert 39 oder aber völlig vernachlässigt,40 obwohl er – wie spätere Belege im Codex Theodo-

28

S. A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 64. I 19,1; I 28,1; I 46A,1; I 51; II 6,2; II 6,3; II 6,4; II 6,6; II 9,8; II 9,9; II 17. 30 An zwei Stellen sind damit auch heidnische Tempel in alttestamentlichem Kontext bezeichnet:I 13,4.8. 31 S. A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 63 und 66f. 32 S. ebd. , 64. 33 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3049; auch G. W ISSOWA, Religion, 472. Zur Begriffsentwicklung s. J. RÜPKE, Religion, 180–182; A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 66–68. 34 II 6,4. 35 I 14,5 (2x); vgl. dazu G. W ISSOWA, Religion, 475. 36 II 7,14.16.17. Auffällig ist, dass kein konkreter Tempel genannt wird, sondern das Heidentum insgesamt attackiert wird. 37 I 1,9.12. 38 I 25,10. 39 D. V. SIMON, Art. Ius, KP III, 1979, 11–18, hier: 18. 40 Etwa bei A. B ERGER, Art. Ius sacrum, PRE 1. Reihe X, 1919, 1292–1300. 29

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

sianus 41 sowie im Codex Iustinianus 42 zeigen – offensichtlich Terminus technicus war. Nach Leipelt beinhaltet das ius templorum praedia, welche zu den Einkünften der Tempel gehörten.43 Wissowa spricht vom „Nutzungsertrag bestimmter Staatsländereien“ zur Bestreitung sakraler Aufgaben.44 Unter Konstantin und Konstantius waren diese an Privatpersonen verkauft worden.45 Von Julian wurden sie revindiziert, Valentinian und Valens wollten sie dann für den Fiskus einziehen.46 Noethlichs meint jedoch, dass das Gesetz „vielfach irrig interpretiert worden“ sei. Der Gesetzestext lasse weder erkennen, dass es sich „um früher eingezogenes, noch, dass es sich um ehemaligen Tempelbesitz handelte.“ Es werde nur gesagt, dass dieses Gut jetzt (nunc) den Tempeln gehöre. 47 Diese Maßnahme schadete nur solchen Leuten – und dann allerdings auch Christen –, denen früher ein Kaiser etwas geschenkt hatte, das, vielleicht durch Julian, ohne Entschädigung Tempeleigentum geworden war und jetzt durch Codex Theodosianus 10,1,8 den Tempeln genommen werden sollte, ohne dass die schon vorher Geschädigten einen Ausgleich dafür erhielten. Unabhängig von der Frage nach der Herkunft dieses ius templorum weiß man zwar, dass im Kontext des ius templorum zahlreiche Prozesse gegen den Fiskus geführt wurden. Diese dürften jedoch ihren Grund eher in den von den Benutzern der Tempel erhobenen Sporteln gehabt haben. 48 Die Deutung Leipelts jedenfalls zielt in etwa in die gleiche Richtung wie die Ausführungen Dölgers, dass christliche Grundbesitzer sich einen Teil ihrer Pacht durch Opfergaben aus den Heiligtümern auf ihrem Grund

41 COD. T HEOD. 10,3,4 [383 Ian. 18] (533 Mommsen), 10,3,5 [400 Nov. 26] (533 Mommsen), 10,10,24 [405 Nov. 6] (546 Mommsen), 10,10,32 pr. [425 Mai. 13] (549 Mommsen), 11,20,6 pr. [430 Dec. [?] 31] (609 Mommsen), 15,1,41 [401 Iul. 4] (810 Mommsen). 42 COD. IUST. 7,38,2 [a. 387] (310 Krüger), 11,59,6 pr. [a. 383] (445 Krüger), 11,70,4 (451 Krüger). In COD. IUST. 11,62,14 pr. [a. 491] (448 Krüger) und 11,66,4 [a. 382– 384] (450 Krüger) findet sich auch die Terminologie fundi templorum; in COD. IUST. 11,70,4 (451 Krüger) fundi iuris templorum. (An dieser Stelle danke ich Frau Prof. Dr. Rotraut Wisskirchen, Bonn, für die Vermittlung sowie Herrn Prof. em. Dr. Rolf Knütel, ehemals Institut für Römisches Recht an der Universität Bonn, für die zur Verfügung gestellten Computer-Auszüge aus Codex Theodosianus und Codex Iustinianus zum Suchwort ,ius templorum‘.) 43 P. LEIPELT, Traktate, 176, Anm. 1. 44 G. W ISSOWA, Religion, 407; s. auch ebd., 469; vgl. J. RÜPKE, Religion, 28. 45 So P. LEIPELT, Traktate, 176, Anm. 1; auch P. u. G. B ALLERINI, Opera, 365f., Anm. 15. Von „widerrechtlichen Aneignungen durch Privatpersonen und Beamte“ spricht G. B ONAMENTE, Einbeziehung und Nutzung von Tempelgut durch Staat und Stadt, in: Spätantiker Staat und religiöser Konflikt. Imperiale und lokale Verwaltung und die Gewalt gegen Heiligtümer, hg. v. J. Hahn, Berlin / New York 2011, 55–92, hier: 64; s. auch ebd., Anm. 44. 46 S. COD. T HEOD. 10,1,8 [364 Febr. [?] 4] (529 Mommsen): „Universa loca vel praedia, quae nunc in iure templorum sunt, quaeque a diversis principibus vendita vel donata sunt retracta, ei patrimonio, quod privatum nostrum est, placuit adgregari“; vgl. auch COD. T HEOD. 5,13,3 [364 Dec. 23] (230 Mommsen). 47 K.-L. NOETHLICHS, Maßnahmen, 86f. 48 Zu den Sporteln s. auch G. W ISSOWA, Religion, 407.

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erstatten ließen und diese ursprünglich pagane Gepflogenheit trotz kirchlicher Forderungen, davon abzulassen, auch nicht aufgeben wollten. 49

Der Kontext in I 25,10 zeigt allerdings, dass Zenos Kritik in erster Linie abhebt auf das Wissen der Großgrundbesitzer um den auf ihrem Grund in heidnischen Heiligtümern stattfindenden Kult. 50 Umso erstaunlicher erscheint es auf den ersten Blick, dass Zeno den Terminus templum auch im christlichen Bereich anwendet. Einer elfmaligen Bezeichnung des jüdischen Tempels und einer ebenso häufigen Anwendung auf heidnische Tempel steht die zwölfmalige Übertragung in christlichen Kontext 51 gegenüber. Was diese Übertragung jedoch auszeichnet, ist ihre ausschließliche Bildhaftigkeit. In ihr gipfelt die bisher vorgestellte Polemik gegen die Kultgebäude: Zunächst hebt Zeno, wie sich zeigte, auf 49

F. J. DÖLGER, Christliche Grundbesitzer und heidnische Landarbeiter. Ein Ausschnitt aus der religiösen Auseinandersetzung des vierten und fünften Jahrhunderts, AuC 6, 1950, 297–320, hier: 299–306. 50 I 25,10: „in praediis autem vestris fumantia undique sola fana non nostis, quae, si vera dicenda sunt, dissimulando subtiliter custoditis. Probatio longe non est. Ius templorum ne quis vobis eripiat, cotidie litigatis.“ Ähnlich beurteilt dies J.-U. KRAUSE, Spätantike Patronatsformen im Westen des Römischen Reiches, Vestigia 38, München 1987, 122, vgl. auch ebd., 125. – Dass eine Nachlässigkeit christlicher Grundbesitzer gegen Ende des 4. Jahrhunderts in Oberitalien verbreitet war, belegt auch G AUDENT. serm. 13,28 (122,206–209 Glueck): „An existimatis quod deum diligat tepidus ac neglegens Christianus, qui idola in possessionibus suis coli permittit, qui fanum daemonis et aram diaboli stare in contumeliam dei patitur … ?“. A. B IGELMAIR, Traktate, 181, Anm. 1, setzt für die Zeno-Stelle das Verbot heidnischer Tempel und Opfer, COD. IUST. 1,11,1 [a. 354] (62 Krüger), sowie seine Erneuerung, COD. T HEOD. 16,10,6 [356 Febr. 19] (898 Mommsen), voraus. Die Außerkraftsetzung durch Julian (Apostata), Kaiser sowie die weitgehende Toleranz Jovians und Valentinians führten seiner Meinung nach auch unter Christen zur Nachsicht gegenüber heidnischem Kult auf ihrem Grund und Boden. S. auch F. J. DÖLGER, Grundbesitzer, 299–306, der Kanon 40 der Synode von Elvira sowie Johannes Chrysostomus, diese Zeno-Stelle und Gaudentius als Zeugen anführt. Einen endgültigen Abschluss finde das Problem, so A. B IGELMAIR, Traktate, 181, Anm. 2, erst durch das Gesetz des Theodosius, COD. T HEOD. 16,10,12 [392 Nov. 8] (900f. Mommsen). Bestraft werde hier u. a. auch ein Opfer auf Grund und Boden, der nicht im Besitz des Opfernden ist. Geschehe das Opfer mit Wissen des Grundbesitzers, treffe auch ihn die Strafe. – Zwar meint N. T AMASSIA, Postille, 8, in Bezug auf das von Zeno angeführte ius templorum, dass gerade das letztgenannte Gesetz kein Recht in Bezug auf Grund und Boden darstelle, das es zu wahren oder zu verteidigen gegolten habe. Bezüglich seiner Deutung des ius templorum in der zenonischen Verwendung, es handle sich dabei um den Versuch christlicher Großgrundbesitzer, aus dem auf öffentliche Tempel bezogenen (und an Privatpersonen verkauften) heidnischen Recht ein ähnliches Recht für ,Privatkirchen‘ auf ihrem Grund zu installieren, ebd., 8–10, ist jedoch zu fragen, ob mit einer Existenz von ,Privatkirchen‘ Ende des 4. Jahrhunderts überhaupt schon gerechnet werden kann. 51 I 1,21; I 54,3; II 6,4 (4x).5.9; II 7,12; II 12,1; II 29,3; II 30,4.

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das Geschaffensein und damit auf die Vergänglichkeit der Kultgebäude ab, wovon er auch die christlichen nicht ausnimmt. In einem zweiten Schritt wird ihre dem Kult quasi diametral entgegengesetzte Qualität aufgezeigt. Die Qualität des Kultortes hängt an der der Kultgemeinde. Diesen Gedanken greift Zeno nun wieder auf und übersteigert ihn noch. Der Ort, an dem Kult stattfindet (templum), wird gleichsam überflüssig, da ihn die den Kult Ausübenden – wenn ihre Qualität angemessen ist – ersetzen. 52 Templum wird im christlichen Kontext Bild für die Kultgemeinde, 53 für einzelne Christen 54 und im Besonderen für den Schoß Mariens, der Christus als Wohnstatt diente.55 Dieser Personenkreis macht den legitimum,56 weil vivum 57 und deshalb verum 58 dei templum 59 aus. Voraussetzung ist entweder die Taufe 60 oder im Fall Mariens die Prädestination.61 Zeno kann hier auf eine bereits bestehende christliche Tradition zurückgreifen. Unter Rückgriff auf 1 Cor 3,16 und auch Eph 2,21 bezeichnen schon Tertullian und Laktanz in polemischen Kontexten die christliche Gemeinde als templum.62 In Anlehnung daran stellt nun auch Zeno das Bild in den Dienst seiner Polemik gegen Heidentum und Judentum. Dabei lässt sich eine Klimax dreier methodischer Schritte deutlich differenzieren, mit denen Zeno arbeitet: Die mit den attackierten Termini verbundenen Inhalte werden entmythisiert – Tempel sind von Menschen geschaffen 52

Vorausgesetzt ist hier das Bild vom „Haus des Körpers“ in I 2,5. Für den Ort der Gegenwart Gottes benutzt Zeno nun domus dei: I 25,6 (Jl 1,13 zitierend); II 6,2; II 6,3 (Is 66,1f. zitierend); II 6,10; auch II 6,9. Leicht kann aber auch eine gewöhnliche Wohnung (domus) durch Fehlverhalten zu einer Art Tempel werden; vgl.I 13,1.4.8; I 14,5; II 7,12.13 (2x). Vgl. auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 191. 53 II 6,4 (3x).5.9. Also eben nicht für den Gottesdienstraum; vgl. dazu S. 96 Anm. 25, die Beobachtung von Sotinel. 54 I 1,21; II 7,12; II 29,3. 55 I 54,3; II 12,1. 56 I 1,21. 57 II 6,4: „nam sicut idolis insensatis similia templa conveniunt, ita viventi deo viva templa sunt necessaria.“ 58 II 6,4. 59 I 1,21; II 6,4; II 29,3. 60 In II 29,3 wird der Mensch vor der Taufe als idolatriae fanum von dem nach der Taufe als dei templum unterschieden. 61 I 54,3: „in praedestinatae virginis templum“. 62 Während sich T ERT. pudic. 15,5 (CChr.SL 2,1310f.,17–20 Dekkers), pudic. 16,1 (CChr.SL 2,1312,4f. Dekkers) und pudic. 19,25 (CChr.SL 2,1323,112–115 Dekkers) gegen eine falsche Paulus-Interpretation der „Psychiker“ richten, findet sich in T ERT. uxor. 2,3,1 (CChr.SL 1,387,8 Kroymann) der gleiche Vorwurf, wie ihn Zeno in II 7,6 an die mit einem Heiden verheiratete Christin richtet. Auch das Bild von der Kirche als Tempel in LACT. inst. 4,14,1 (CSEL 19,1,325,1f. Brandt) kann als polemischer Reflex auf den realen jüdischen Tempel in LACT. inst. 4,13,24–27 (CSEL 19,1,323,8–324,14 Brandt) gewertet werden.

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und deshalb vergänglich –, dadurch sind die Termini gleichsam neutralisiert – auch christliche Kultgebäude haben die Qualität der Vergänglichkeit – und schließlich werden sie adaptiert, und zwar in diesem Fall auf bildhafter Ebene in übersteigerter Form – geschaffene Tempel sind an sich überflüssig, wenn die Qualität des Beters stimmt. Zusammenfassend sagt Zeno selbst in II 6,4 angesichts der Einweihung einer christlichen Kirche in Verona: „Et verum est, nam sicut idolis insensatis similia templa conveniunt, ita viventi deo viva templa sunt necessaria. In his enim solis sacerdotum dei structura et propria est et perennis, qua et Judaeos et gentes vel ceteros antecedimus.” 5. fanum Ein Terminus, der von Zeno ausschließlich den heidnischen Heiligtümern vorbehalten wird, ist fanum. Das Wort bezeichnet zunächst einen unter freiem Himmel gelegenen, zur Aufnahme eines Tempels bestimmten,63 deshalb dann geweihten Ort mit Altar, später dann auch eben den Ort mit Tempel;64 allgemein dann einen heiligen, einer Gottheit geweihten Ort, also sowohl den Tempelbezirk als auch das Heiligtum selbst. Es ist der an sich positive Name für den locus sacer,65 allerdings eher selten für den einer römischen Gottheit, häufiger für den fremder Götter.66 Im christlichen Latein bleibt der Terminus dem heidnischen Bereich vorbehalten. 67

Auch für Zeno bedeutet fanum allgemein ‚heidnisches Heiligtum‘;68 aus dem Kontext kann erschlossen werden, dass auch kleinere (private, d. h. auf Gütern von Großgrundbesitzern gelegene) dazu zählen. 69 In übertragenem Sinn werden die Häuser der Heiden mit fana gleichgesetzt, da in ih63

S. A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 64. S. ThesLL 6, 271. 65 S. Å. FRIDH, Sacellum, Sacrarium, Fanum, and Related Terms, in: Greek and Latin Studies in Memory of Cajus Fabricius, hg. v. S.-T. Teodorsson, Göteborg 1990, 173– 187, hier: 184f.; G. W ISSOWA, Religion, 467–469; auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2687; H. MENGE, Großwörterbuch, 290. 66 S. A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 72. 67 ThesLL 6, 271f.; A. B LAISE, Dictionnaire, 345. In metonymischer Bedeutung begegnet fanum verallgemeinernd für das Heidentum etwa bei GREG. T UR. Franc. 4,48 (MGH.SRM 1,1,184,15 Krusch / Levison). Klassisch diente der Begriff dagegen auch zur Bezeichnung des jüdischen Tempels in Jerusalem; so A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, 73. 68 II 7,13. 69 I 25,10. Dies widerspricht an sich der üblichen Terminologie, da private Heiligtümer nicht als loca sacra, sondern lediglich als loca religiosa galten. Normalerweise werden sie mit dem Terminus sacellum oder aedicula belegt; s. G. W ISSOWA, Religion, 469f. Allerdings bezeichnet der Terminus häufig Heiligtümer außerhalb Roms; s. A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 72f. Zum Verständnis der Stelle I 25,10 s. o. S. 97, Anm. 50. Die Heiligtümer lagen zwar auf privatem Besitz, waren aber ursprünglich keine privaten. 64

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nen heidnisches Leben im weitesten Sinne stattfindet, von dem sich auch christliche Frauen, wenn sie mit Heiden verheiratet sind, nicht fernhalten können.70 Schließlich benutzt Zeno den Begriff fanum (parallel zu templum) zur Kennzeichnung einer Person: Der Heide ist ein idolatriae fanum, durch die Taufe wird er zum dei templum.71 Neben der Ausschließlichkeit, mit der fanum dem heidnischen Bereich vorbehalten bleibt, fällt ins Auge, dass Zeno keinerlei zusätzliche Polemik anfügt, weder durch Attribute noch durch den Kontext. Der bloße Terminus spricht für sich.72 6. sacrarium Ebenso ausschließlich wie fanum dem heidnischen Bereich zugeordnet bleibt, verwendet Zeno den Begriff sacrarium in christlichem Kontext, und zwar ähnlich wie templum in rein übertragenem Sinn. Klassisch bezeichnet sacrarium das private Heiligtum (in Abgrenzung vom öffentlichen sacellum; diese Differenzierung geht jedoch schon früh verloren). 73 Die Qualität eines nicht öffentlich zugänglichen Kultraums hat sich jedoch scheinbar erhalten in der Übertragung des Begriffs sacrarium auf den Ort innerhalb des heidnischen Tempels, an dem die heiligen Gegenstände aufbewahrt wurden. 74 Gegenüber dem umfassenderen Begriff templum ist sacrarium ein differenzierender Terminus, es meint offensichtlich ein ‚Allerheiligstes‘.

In der zenonischen Übertragung meint sacrarium offensichtlich das Innerste der Person, denn Christinnen, die mit Heiden verheiratet sind, wirft Zeno vor, „dei templum profanis patefaciunt, sacraria usque ipsa denudant“.75 Ähnlich wird etwa die pudicitia (als Gegenteil der impudicitia,

70

II 7,12. II 29,3. Vgl. o. Anm. 67 – Beide Genitivverbindungen zählt I. OPELT, Polemik, 263, zu den „metaphorischen Raumbezeichnungen“, die den Neuerungen im Polemischen der christlichen lateinischen Literatur zuzuordnen sind. Vgl. auch ThesLL 6, 275: „translate de hominum corpore vel animo“, wo u. a. P S. AMBR. laps. virg. 2,7 (PL 16,385A): „de templo dei fanum immunditiae facta es“ angeführt wird. 72 Damit setzt sich Zeno von dem ansonsten von ihm hochgeschätzten Laktanz ab, sollte die Konjektur LACT. mort. pers. 12,5 (CSEL 27,2,2,187,2 Brandt / Laubmann) stimmen, nach der dieser den Terminus auch auf ein Kirchengebäude anwendet. Vgl. auch P S. CYPR. mont. 4 (CSEL 3,3,109,6f. Hartel): „dicebat … Iesus fanum de corpore suo“ in Zitation von Jo 2,21. 73 S. Å. FRIDH, Sacellum, 187; DUBOURDIEU / J. SCHEID, 75–77; genau umgekehrt, was die Entwicklung des Wortgebrauchs von sacellum betrifft, ebd., 77. 74 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2444; H. MENGE, Großwörterbuch, 670; auch G. W ISSOWA, Religion, 469, Anm. 5; auch DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 65.76 75 II 7,12. Vgl. T ERT. uxor. 2,3,1 (CChr.SL 1,387,8 Kroymann). 71

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die ja die Disqualifizierung der heidnischen templa verursacht) 76 als sacrarium pudoris bezeichnet 77 und der Schoß Mariens als sacrarium templi virginalis.78 Auch hier erübrigt sich natürlich jede Polemik. Das Wort kann von einem Christen aufgrund seiner intimen Bedeutung nur noch in christlichem Kontext benutzt werden.79 II. Sekundäre Kultorte 1. theatrum Das Theater hatte bei Etruskern, Griechen wie bei Römern einen kultischen Ursprung. Die ludi der Römer unterteilten sich in drei Gattungen: ludi scaenici, ludi circenses und munera (gladiatorum, zu denen auch die venationes zählten).80 Circenses und munera wurden von den Etruskern übernommen. Die munera wurden zunächst bei den ludi funebres als private Spiele aufgeführt.81 Die circenses, immer verknüpft mit einer einleitenden pompa, „lassen deutlich den Zusammenhang mit dem unter etruskischem Einflusse stehenden Triumphalaufzuge, der eine sakrale Pflicht und ein magistrales Recht des siegreichen Feldherrn war, erkennen ... So wurden auch diese zu einem Feste gehörenden l[udi] circenses durch eine gottesdienstliche Feierlichkeit, eine Prozession (pompa) eingeleitet, in dem der die Spiele veranstaltende Magistrat in der Tracht des thriumphierenden Feldherrn ... die tensae, die Wagen mit den Götterbildern vom Kapitol über das festlich geschmückte Forum zur Rennbahn geleitete“.82 Die jüngeren ludi scaenici (Komödie / Tragödie) spielten eine Rolle bei den nach dem Graecus ritus gefeierten Festen. In der Kaiserzeit wurden sie weitgehend durch Pantomimus und Mimus ersetzt.83 Auch dabei wurde übrigens eine pompa abgehalten, wodurch auch die ludi scaenici weiterhin religi-

76

S. u. S. 290, Anm. 378. I 1,21. 78 II 12,1. 79 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 731. 80 E. HABEL, Art. Ludi publici, PRE.S V, 1931, 608–630, hier: 608f.; auch H. J ÜRGENS, Pompa diaboli. Die lateinischen Kirchenväter und das antike Theater, TBAW 46, Stuttgart u. a. 1972, 174f. 81 Sie entbehren jeder Verbindung mit heidnischem Gottesdienst (s. G. W ISSOWA, Religion, 465f.; vgl. auch G. FREYBURGER, Art. Ludi, DNP VII, 1999, 477–491, hier: 477). Insofern finden sich in der christlichen Polemik auch keine Hinweise auf kultischen Hintergrund. Hier wird eher moralisch argumentiert. S. W. W EISMANN, Kirche und Schauspiele. Die Schauspiele im Urteil der lateinischen Kirchenväter unter besonderer Berücksichtigung von Augustin, Cass. 27, Würzburg 1972, 79f. 82 E. HABEL, Ludi, 609f., vgl. auch G. FREYBURGER, Ludi, 479f. 83 „Mimus und Pantomimus sind die dramatischen Genera der Kaiserzeit. Im Unterschied zu den nunmehr antiquierten Genera Tragödie und in gewissem Sinn auch Komödie beherrschen sie das Theater“, so I. OPELT, Das Drama der Kaiserzeit, in: Das Römische Drama, hg. v. E. Lefèvre, Darmstadt 1978, 427–457, hier: 449. Ähnlich R. RIEKS, Mimus und Atellane, in: ebd., 348–377, hier: 369: „Der Mimus ist die beherrschende Gattung der kaiserzeitlichen Bühne.“ – Zur Gestalt von Mimus und Pantomimus, die übrigens auch christliche Taufe und christliches Martyrium parodierten, s. O. P ASQUATO, Art. Spettacoli, DPAC II, 1983, 3279–3284. 77

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

ös verbrämt erschienen,84 wenn auch die dargestellten Inhalte häufig keinerlei Bezüge zum religiösen Fest hatten.85 Die ludi waren feriae, d. h. sie waren „den Göttern geweihte Tage“.86 Diese Festtage beinhalteten den eigentlichen Festtag eines Gottes, den Tag der pompa sowie die der Zirkus- und Bühnenspiele.87 Der ursprünglich religiöse Zweck legitimierte auch anfänglich die Pracht der Ausstattung, die in späterer Zeit jedoch zu einem politischen Mittel pervertierte.88 Seit dem Tod Caesars umfassten allein die sechs wichtigsten ludi 59 Tage, davon 42 Tage für Bühnenspiele und 13 für den Zirkus. Alle Spiele hielten sich bis in das 4., z. T. bis in das 5. und 6. Jahrhundert. Der Kalender des Chronographen von 354 zählt 176 Spieltage.89 Die wichtigsten Spiele waren die dem Jupiter Optimus Maximus geweihten ludi Romani magni und ludi plebei, die dem Apollo und der Latona geweihten ludi Apollinares, die der Ceres, dem Liber und der Libera geweihten ludi Ceriales, die der Flora geweihten Floralia sowie die Megalensia der Magna Mater (Kybele). Bei den übrigen Festen zur Erinnerung an große Taten und den Ruhm der Machthaber trat der sakrale Charakter zurück.90 Insbesondere durch die antiquarischen Arbeiten Varros wussten noch die Kirchenväter, dass es in Rom in den Anfängen der Liber-Kult und der Ceres-Kult waren, in deren Kon-

84 S. J. A. HANSON, Roman Theater-Temples, Princton 1959, 81f. Im Gegensatz dazu schreibt G. FREYBURGER, Ludi, 480, dass die ludi scaenici zur Zeit des Plautus und Terenz, anders als früher, bereits „sicherlich keinen ausgeprägten rel[igiösen] Charakter mehr“ hatten. Er verweist aber darauf, dass AUG. civ. 2,8 (CChr.SL 47,40,4–8 Dombart / Kalb) behauptet, „die ,heidnischen Götter‘ selbst hätten die Einführung szenischer Spiele zu ihren Ehren verlangt“ (G. FREYBURGER, Ludi, 480). Andere Indizien, v. a. die unmittelbare Nachbarschaft solcher Spiele zum Tempel der jeweils geehrten Gottheit bestätigten diesen Sachverhalt. Und auch Cicero bezeuge, dass die szenischen Spiele als eine Ehrenbezeigung an die Götter betrachtet wurden (ebd., 480f.). 85 S. J. RÜPKE, Religion, 122, und ebd., 106: „es [sc. Dramen] sind Texte, die soziale Werte, Geschichte und den internationalen Horizont des römischen Gemeinwesens zum Thema machen und Kommunikation darüber anregen. Auch hier lernt man etwas über die Götter.“ 86 W. W EISMANN, Schauspiele, 611f. 87 S. ebd. 88 S. ebd., 616; vgl. auch G. FREYBURGER, Ludi, 478: „Verschiedene rel[igiöse] Riten (Opfer, Prozession, Gebet) begleiteten sie [sc. die ludi] anfänglich und verliehen ihnen ihren eigentlichen Sinn. Die rel[igiöse] Prägung von a priori profanen Aktivitäten ist vom mod[ernen] Standpunkt her erstaunlich und stellt einen genuin röm[ischen] Charakterzug der l[udi] dar.“; s. auch ebd., 479f. und J. RÜPKE, Religion, 188. 89 Ausführliche Zusammenstellung der einzelnen Tage bei G. W ISSOWA, Religion, 459. – Der römische Festkalender hatte, wie übrigens das ganze römische Sakralrecht, seit dem Bundesgenossenkrieg Gültigkeit für ganz Italien (nicht jedoch für die Provinzen außerhalb Italiens); s. G. W ISSOWA, Religion, 408; auch G. FREYBURGER, Ludi, 479. J. RÜPKE, Religion, 186f., weist allerdings darauf hin, dass die religiöse Qualität vieler Tage in erster Linie Konsequenzen für die juristisch-politische Nutzung derselben hatte. Die Gruppen, die an solchen Tagen kultisch verpflichtet waren, waren oft sehr klein. „Als Volksfeste lassen sich … nur wenige Daten identifizieren“; ebd., 187. 90 S. W. W EISMANN, Schauspiele, 617–630. Insgesamt auch G. W ISSOWA, Religion, 449–467, und G. FREYBURGER, Ludi, 479–486.

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

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text es zu szenischen Aufführungen kam.91 Das erste römische Steintheater wurde vom Pompeius im Jahr 55 dann aber in Verbindung mit einem Venustempel errichtet. 92 Dieser Hintergrund gab zahlreichen christlichen Schriftstellern einen Anlass (neben anderen), gegen das Theater und die Schauspiele zu polemisieren. 93

Im Kontext Theater und Schauspiele taucht in den zenonischen Traktaten kein direkter Hinweis auf einen Zusammenhang mit einer Kultausübung auf. Auch fällt der Begriff theatrum in den Traktaten nur ein einziges Mal.94 Dennoch ergeben sich aus dem Kontext dieser Stelle sowie durch das Erschließen eines Wortfeldes theatrum – spectaculum Indizien dafür, dass Zeno sich des kultischen Ursprungs des Theaters wohl noch bewusst ist und sich, wenn auch nur durch marginale Hinweise auf diesen Zusammenhang, einreiht in die christliche Polemik gegen das heidnische Theater.95 91

H. J ÜRGENS, Pompa, 155f. und W. W EISMANN, Schauspiele, 98f. verweisen auf Buch 10 der Antiquitates rerum divinarum und De scaenicis originibus des Varro sowie auf Suetons Ludicra historia und die Libri spectaculorum des Sinnius Capito. – Wenig Konkretes bietet C. SCHNUSENBERG, Das Verhältnis von Kirche und Theater dargestellt an ausgewählten Schriften der Kirchenväter und liturgischen Texten bis auf Amalarius von Metz (a.d. 775–852), EHS.T 141, Bern / Frankfurt am Main / Las Vegas 1981, 21–26. 92 S. H. J ÜRGENS, Pompa, 163; J. A. HANSON, Theater-Temples, 43–55. Zu weiteren Theatern in Verbindung mit Tempeln ausführlich ebd., 59–77; auch W. W EISMANN, Schauspiele, 99. – Ein Erlass der Kaiser Konstantius und Konstans, COD. T HEOD. 16,10,3 [346 [342] Nov. 1] (898 Mommsen), weist indirekt noch auf den Zusammenhang der Götterverehrung und szenischer Aufführungen (innerhalb der Städte). 93 S. H. J ÜRGENS, Pompa, 160–163.175f.; ausführlich W. W EISMANN, Schauspiele, 72–83.98–104.167–173; auch C. SCHNUSENBERG, Verhältnis, 27–55. 94 I 1,9. 95 A. SAGGIORO, Dalla pompa diaboli allo spirituale theatrum. Cultura classica e cristianesimo nella polemica dei Padri della Chiesa contro gli spettacoli, Il terzo secolo, Mythos 8, Palermo 1996, 17, geht davon aus, dass Tertullian, ungeachtet der Wechselfälle innerhalb seiner Biographie, aufgrund der Verbreitung seines Werkes De spectaculis alle nachfolgenden christlichen Autoren nicht nur beeinflusst hat, sondern dass seine Position quasi als kanonisch galt. Den Grund dafür sieht er darin, dass das frühe Christentum auf ein Theaterwesen stieß, dessen Charakteristika sich über Jahrhunderte kaum verändert hatten und die aus religiösen oder moralischen Gründen zwangsläufig mit den christlichen Prinzipen kollidieren mussten. Im ersten Teil seiner religionsgeschichlichen Untersuchung beschäftigt sich Saggioro, ebd., 18–35, daher mit antiken klassischen Schauspielen „sub specie religionis“ (ebd., 18), bevor er sich im zweiten Teil, ebd., 37– 91, griechischen christlichen Autoren und Minucius Felix zuwendet und schließlich im dritten Teil, ebd., 93–161, Tertullians De spectaculis untersucht. In seinem abschließenden Kapitel, ebd., 163–177, führt er Cyprian und Novatian als Beispiele für die dann anschließende „direzione storica“ (ebd., 163) und den „piano normativo“ (ebd., 175) an. M. KAHLOS, Pompa Diaboli. The Grey Area of Urban Festivals in the Fourth and Fifth Centuries, in: Studies in Latin Literature and Roman History, Bd. XII, hg. v. C. Deroux, Brüssel 2005, 467–483, hier: 468–471, betont dagegen, dass diese Polemik sich v. a. bei den christlichen Schriftstellern des 3. Jahrhunderts findet, da es diesen darum gegangen

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Wieder ist es die impudicitia als Ursache allen Übels,96 die in den Theatern wirkt 97 – und zwar von Zeno direkt an die Nennung ihres Wirkens im Tempel angeschlossen 98 – und dieses Wirken wird als noch schlimmer eingeschätzt als das Böse.99 Es ist die gleiche impudicitia, die, nachdem sie die Götter kreiert hat, diese bloßstellt. 100 Interessant ist in diesem Kontext die Formulierung „Ipsa Venerem ... post multa adulteria spectaculo totius mundi quoque prostituit“ in I 1,11. Auf den ersten Blick scheint der Terminus spectaculum lediglich auf die vorher beschriebene Blöße der Venus anzuspielen. Zeno beschreibt ganz offensichtlich eine bildliche Darstellung der so genannten Venus pudica. 101 Aber es klingt sei „to more sharply define Christian identity“, ebd., 469, und sie deshalb den Besuch von städtischen Festen und Schauspielen verboten, s. ebd., 470, während Kahlos die Situation im 4. Jahrhundert für „varied and confusing“ und geprägt von einer „atmosphere of pluralistic coexistence and tolerance“ hält, ebd., und bis zum Jahr 399 insbesondere für Augustinus eine ‚mildere Haltung‘ herausarbeitet, s. ebd., 472–475. Obwohl sie von der Sorge des christlichen Klerus des 4. und 5. Jahrhunderts insgesamt spricht, s. ebd., 472, bleibt sie hier allerdings jeden Beleg für das 4. Jahrhundert über Augustin hinaus schuldig. Was jedoch zweifelsohne für Zeno zutrifft, und zwar nicht nur innerhalb seiner Polemik gegen das Theater, ist ihre Feststellung, dass es den Vätern des 4. und 5. Jahrhunderts nicht mehr um Heiden („pagans“) ging, sondern dass ihre Sorge den Christen selbst galt, s. ebd., 472 (ebenfalls ohne Belege), die sie undifferenziert als incerti klassifiziert, ebd. 468 passim. Ein ausdrückliches Verbot von Theaterbesuchen spricht Zeno zwar nicht aus, die Schärfe seiner Polemik lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass er die zeitweilige Milde Augustins jedenfalls nicht teilt. 96 I 1,8: „parit omne quod malum est“. 97 Bei anderen christlichen Schriftstellern sind es Götter oder Dämonen, die die Schauspiele erfunden haben; s. H. J ÜRGENS, Pompa, 148, Anm. 1 und 2 und 159; zu Tertullian auch H. CANCIK, Römische Dämonologie (Varro, Apuleius, Tertullian), in: Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt, hg. v. A. Lange, H. Lichtenberger u. K. F. D. Römheld, Tübingen 2003, 447–460, hier: 456f. Allerdings rechnet Tertullian die impudicitia unter die Affekte, die von den Spielen erweckt werden; vgl. H. C. B RENNECKE, Pompa diaboli? Das antike Christentum und das Theater. Zur Frage nach der sozialen Integration des antiken Christentums, in: Quaerite faciem eius semper. Studien zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum. FS A. Dihle, hg. v. A. Jördens u.a., Hamburg 2008, 26. Zeno dagegen erweist die impudicitia als Ursprung der Götter; s. u. S. 289. Wenn er davon spricht, dass sie auch in den Theatern verehrt werde (s. folgende Anm. 98), dann ist das ein Hinweis auf den ursprünglich kultischen Kontext von Theatern. 98 I 1,9: „Venerandam se procurat in templis, hilarem in theatris.“ 99 I 1,8: „et peperit omne quod peius“. 100 Dazu s. u. S. 289. 101 Zum Skulptur-Typ der so genannten Venus Pudica s. u. S. 252. – M. FIEDROWICZ, Apologie, 183, weist daraufhin, dass die Darstellung mythischer Stoffe in Malerei und Skulptur bei christlichen Apologeten als gleichermaßen frivol-obszön galt wie ihre Inszenierung in den Theatern.

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hier auch der Zusammenhang von römischem Venus-Kult und Theater noch durch.102 Damit gibt Zeno jedoch einen eindeutigen Hinweis darauf, woher der größte Teil seiner Zeitgenossen und damit auch seine christlichen Gemeindemitglieder 103 ihre Kenntnisse der Mythologie, auf die Zeno selbst in seiner Götter-Polemik anspielt,104 hatte: „Nachdem die Tragödie weitgehend von der Bühne verschwunden war, hatte nun der Pantomimus nach Libanios die Aufgabe, die Erinnerung an den Mythos wachzuhalten.“ 105 So bot das Theater den christlichen Apologeten insgesamt reiches Belegmaterial ihrer These von der Immoralität der heidnischen Gottheiten. 106 „Mit den getanzten Liebesabenteuern der Götter, besonders den Amouren Juppiters und der Venus errang der Pantomime Publikumserfolge.“ 107 102

Auch anderen Kirchenvätern war dieser Zusammenhang klar, vermutlich hatten sie ihre Information aus T ERT. spect. 10,7f. (CChr.SL 1,237,26–33 Dekkers); s. H. J ÜRGENS, Pompa, 163, Anm. 5. – Andererseits ist es auffällig, dass Zeno keinen Zusammenhang zwischen dem Kult der Kybele, die er ja ausdrücklich in seine Heiden-Polemik einbezieht, und den megalensischen Spielen herstellt, obwohl die Spiele Ende des 4. Jahrhunderts wohl noch praktiziert wurden; s. H. J ÜRGENS, Pompa, 180f.; vgl. auch I. OPELT, Polemik, 86: „Die Mysterienspiele, also Theateraufführungen zu Ehren der Magna mater, beziehungsweise der Dea Caelestis, charakterisiert Augustinus, der aus eigener Erfahrung spricht, als spectacula ludibria, ludi turpissimi , qui diis deabusque exhibeantur, oblectabamur caelesti virgini et Berecynthiae matri omnium“; AUG. civ. 2,4 (CChr.SL 47,37,15–18 Dombart / Kalb). 103 Auf die Bedeutung des Veroneser Amphi-Theaters als einem der größten in ganz Italien für die Gestaltung gesellschaftlicher Strukturen weist M. HUMPHRIES, Communities, 35, hin. Das kleinere eigentliche Theater Veronas auf der anderen Seite des Flusses wird häufig übersehen; s. o. S. 48, Anm. 15. 104 S. u. S. 225 (Theologia mythica). 105 W. W EISMANN, Schauspiele, 45; auch ebd., 49: „Liebesabenteuer und Ehebruch standen auch bei den Mimen mit mythologischem Sujet im Mittelpunkt der Handlung. Die galanten Abenteuer des Göttervaters Juppiter boten für Parodierungen reichlich Stoff.“; s. auch H. J ÜRGENS, Pompa, 246, v. a. Anm. 3 und 4. S. auch I. OPELT, Drama, 452: „Diese neue Aufführungspraxis [sc. die Gebärdensprache des Pantomimus] knüpfte natürlich an griechische, aber auch römische Voraussetzungen an. Deswegen überwogen immer die mythologischen Stoffe.“ 106 S. I. OPELT, Drama, 453: „Für die besondere Ausprägung des Pantomimus als lasziv zeugen immer wieder die Äußerungen der Kirchenväter; d. h., die Pantomimendichter scheuten sich nicht, auch erotische Szenen des Mythos darzustellen.“ S. auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 183. Ders., ebd., betont allerdings: „Wenn sie [sc. die Apologeten] die Immoralität der von den Mythen erzählten Göttergeschichten in grellen Farben schilderten und die verhängnisvollen Konsequenzen für das sittliche Bewußtsein warnend ausmalten, überzeichnete polemisches Interesse ohne Zweifel den tatsächlichen Einfluß jener Mythen auf die zeitgenössische Mentalität und Moral.“ 107 W. W EISMANN, Schauspiele, 45. S. auch ebd.: „Zu den Feierlichkeiten an den Megalensia, dem Fest der Magna Mater, gehörte es, von einem Pantomimen die weinende Kybele auf der Suche nach dem geliebten Attis tanzen zu lassen.“ – Es fällt auf, dass

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Ein weiteres Indiz für das Wissen Zenos um den Zusammenhang von Theater und Kult findet sich inI 13,8. Dort deutet Zeno die alttestamentliche Erzählung von Tamar (Gn 38,6–26). Tamar wird zur Metapher für die Kirche, die sich von Heidentum und Judentum trennt. In diesem Zusammenhang fällt der Satz: „Thamar cum esset in domo patris sui, id est in templis infamibusque spectaculorum omnium locis (pater enim omnium corrupte viventium diabolus designatur, ...) vestem viduitatis deposuit, id est sordidae religionis sordidos ritus abiecit.“ 108 Auch hier folgt der Terminus spectacula direkt im Anschluss an templum, aber über diese Nähe hinaus wird ein Zusammenhang ausdrücklich artikuliert: Die Theateraufführungen, und zwar alle,109 gehören wie der Kult im Tempel zu den sordidae religionis sordidi ritus. Und als Vater derjenigen, die die Riten praktizieren, wird der Teufel genannt,110 dessen Sklavin, wie in I 1,11 ausgeführt, die impudicitia ist. Ergänzen lässt sich das Wortfeld um Theater durch mimus. In II 4,16 benutzt Zeno diesen Terminus, allerdings in übertragenem Sinn, so dass schon von daher keine kultische Konnotation zu erwarten ist. Der polemische Ton bleibt jedoch erhalten. Über den dem Geist unterlegenen Körper des Menschen und seinen Tod sagt Zeno dort: „Tunc carnalis mimus ille finitur“.111 Schon das Attribut carnalis an sich kann an dieser Stelle nur negativ klingen. In Anbindung an mimus ille bleibt jedoch kein Zweifel an Zenos Einschätzung der Körperlichkeit, ihr kann man nicht mehr Wert als einem schlechten Schauspiel beimessen. Mit dem gleichen Tenor spricht Zeno in I 2,25 wiederum über das „Fleisch“, das in der Taufe getötet als neues aus ihr hervorgeht und dann sich selbst verachtet. Das ist noch höher einzuschätzen als eine Verachtung der saeculi ludibria.112 Ob ludibria hier noch im Sinn von ‚Spiel, sich genau die Gottheiten im Pantomimus wiederfinden, deren Mythen auch von Zeno angeschnitten werden; dazu s. u. S. 246–291. W. W EISMANN, Schauspiele, 46, geht sogar soweit, auch die mythologischen Kenntnisse der Kirchenväter auf den Besuch von Pantomimen zurückzuführen. Vermutlich ist Zeno hier einzureihen, wenn er selbst auch keinen direkten Hinweis als eben die Venus-Stelle in I 1,11 gibt. 108 I 13,8. – Zur Terminologie sordidus s. o. S. 80, Anm. 125. 109 Vermutlich will Zeno hier alle Gattungen, auch diejenigen, die zu seiner Zeit vordergründig keine Konnotationen mehr mit heidnischen Kulten aufwiesen, also Tragödie, Komödie, Pantomimus und Mimus, vermutlich aber auch Tier- und Gladiatorenkämpfe, ansprechen. Vgl. dazu W. W EISMANN, Schauspiele, 33–68. 110 So auch H. CANCIK, Dämonologie, 456, Anm. 40, für Tertullian. 111 H. J ÜRGENS, Pompa, 230, Anm. 4, nennt diesen Vergleich von Mimus und menschlichem Leben „traditionell“. 112 I 2,25: „iam, non dicam saeculi ludibria, sed, ut sit honoratior, se ipsam contemnens“.

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Spielwerk, Possenspiel‘ 113 zum Wortfeld Theater hinzuzunehmen ist oder ob es schon den Beiklang von ‚Blendwerk, Täuschung, Gaukelwerk‘ 114 hat, kann kaum entschieden werden. Die etymologische Nähe zu ludus ist jedoch unüberhörbar. Eine interessante Ambivalenz bekommen Theater und Schauspiele im Zusammenhang mit Christenverfolgung und Martyrium. Dass die christlichen Martyrien vielfach in Theatern stattfanden, erfahren wir von Zeno in II 2,6. Dort nimmt er Bezug auf die Rettung der Erzmärtyrerin Thekla vor dem Martyrium in Antiochien. Nach den Acta Pauli et Theclae 115 wurde sie dort zum Tierkampf verurteilt, aus dem sie jedoch unversehrt hervorging.116 Zeno lässt den Kampf im Theater stattfinden, was aus den Termini scena und cavea geschlossen werden kann.117 Allerdings steht scena hier nicht im wörtlichen Sinn für die Bühne des Theaters, sondern für das Schauspiel, das sich auf derselben vollzieht. Deutlich werden beide Termini durch ihre Attribute (scenae tam dirae immanitatis und de illo feralis caveae ... funereo ambitu) negativ gekennzeichnet, hier jedoch nicht aufgrund ihres Zusammenhangs mit dem heidnischen Kult, sondern aus moralischen Gründen. Im übertragenen Sinn findet sich der Terminus scena noch einmal in I 1,19. Der aus dem Alten Testament bekannte Fall der Susanna (Dn 13) wird nach Zeno von der impudicitia vor die Öffentlichkeit gebracht.118 Dort spielt sich ein Schauspiel der Bosheit (malitiae scena) ab.119 Der Fall 113 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 718, und H. MENGE, Großwörterbuch, 446. 114 S. H. MENGE, Großwörterbuch, ebd. 115 P ASS. T HECLAE 33–35 (TU NS 7,2,88–101 Gebhardt). 116 Die von Zeno genannten marina monstra entsprechen den vituli marini in P ASS. T HECLAE 34 (TU NS 7,2,94f. Gebhardt), die vorher von Zeno erwähnte feritas dürfte v. a. die mit glühenden Eisen gereizten Stiere in P ASS. T HECLAE 34 (TU NS 7,2,98f. Gebhardt) meinen. 117 II 2,6: „Ne quid scenae tam dirae immanitatis deesse videatur, inmittuntur etiam marina monstra“. II 2,7: „incolumis quasi orbe subacto de illo feralis caveae – iam non miserabilis, sed mirabilis – funereo ambitu excedit“. – Auch die Formulierung „Adversus Theclam accusator accerimus linguae exserit gladium“ (II 2,6) lässt bereits an römische Spiele denken. 118 I 1,19: „Sicque Susannam, quam inpudicitia mentiente in publicum traxerant“. – Dass nicht nur, wie A. B IGELMAIR, Traktate, 100, und P. LEIPELT, Traktate, 84, übersetzen, der Prozess vor Gericht gemeint ist (s. zu dieser Bedeutung K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2062), zeigt die Antithese publicum – thalami. Im Wort publicum schwingt vielleicht auch die Bedeutung des Substantivs publica im Sinn von ,Dirne‘ mit; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2063. 119 Auch die Formulierung „iam totus populus in eius sanguine tumescebat“ in I 1,19 lässt an die Zuschauer eines ludus denken.

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der Susanna, hier in einer Reihe von Errettungsparadigmata, wie sie in der Spätantike geläufig waren,120 angeführt, wie auch das Martyrium der Thekla werden von Zeno den antiken Schauspielen parallelisiert, weil sie von der impudicitia verursacht sind. Ähnliches gilt auch für das Martyrium des Arcadius in I 39. Die Verfolgung allgemein wird von Zeno bereits mit Vokabular umschrieben, das auch von den Spielen her bekannt ist.121 Und der Kampf im Theater, zu dem schon vor dem Martyrium des Arcadius einzelne Christen verurteilt wurden, bezeichnet Zeno auch hier als funestum illud spectaculum.122 Das Bild kehrt sich jedoch ins Gegenteil mit dem Martyrium des Arcadius selbst. Das negativ besetzte Vokabular der ludi – nämlich durum certamen, pugna, proelium,123 und conluctatio 124 – wird verknüpft mit positivem Siegesvokabular: illustris martyrii palmiferans trophaeis corona,125 futura gloria,126 agnoscatur dominus triumphasse,127 dignus gloriosi exitus finis.128 Gebündelt wird diese Ambivalenz bereits ganz zu Anfang des Traktats gleichsam als Motto vorgestellt, wenn Zeno vom agon immortalis laudis spricht.129 Durch diese Verknüpfung wird den heidnischen Spielen der christliche agon, der gerade aus der Auseinandersetzung mit dem Heidentum resultiert, gegenübergestellt.130 Damit greift Zeno wiederum zu einem schon zu christlicher Tradition gewordenen, auf Paulus (1 Cor

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Vgl. etwa das Inhaltsverzeichnus bei E. DASSMANN, Sündenvergebung durch Taufe, Buße und Martyrerfürbitte in den Zeugnissen frühchristlicher Frömmigkeit und Kunst, MBTh 36, Münster 1973, IV. 121 I 39,3: „Sed dum bellum duri certaminis geritur ... Archadius ... paululum distulit pugnam, iam debitus ad coronam.“ Der Terminus certamen fällt im Übrigen auch schon im Kontext des spectaculum der Drei Jünglinge im Feuerofen in I 11 und I 22,1. Zur corona als auch schon vorchristlichem Lohn für virtus s. u. S. 551, Anm. 242. 122 I 39,3. 123 Ebd. 124 I 39,6. 125 I 39,1; auch corona in I 39,3; vgl. auch II 11,7. Zur corona als auch schon vorchristlichem Lohn für virtus s. u. S. 551, Anm. 242. 126 I 39,4; auch gloria in I 39,7. 127 I 39,9. 128 Ebd. 129 I 39,1. 130 Die griechischen, von den Römern übernommenen agones verstanden sich seit jeher eher als Leibesübungen und bewahrten offenbar einen nur schwach religiösen Charakter; s. G. FREYBURGER, Ludi, 481. Dies dürfte eine Übernahme des Vokabulars erleichtert haben.

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9,24–27) zurückgehenden Bild.131 Der christliche Märtyrer ist der wahre Athlet.132 Deutlich wird in I 29 aber etwa gegenüber der Schilderung des Martyriums der Thekla in II 2,6f. ein Zusammenhang hergestellt zwischen Christenverfolgung (und daraus resultierendem agon des Märtyrers) und heidnischem Kult. Anders als in der historischen Entwicklung der Schauspiele war jedoch der Kaiserkult, auf den Zeno hier abhebt, nicht Ursprung der Christenverfolgungen, sondern wurde lediglich als Instrument zur Überführung der dem Staat gegenüber scheinbar illoyalen Christen genutzt. 133 Zeno scheut sich jedoch keineswegs, einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen, und zwar über die Figur des Teufels 134: „Armaverat diabolus satellites suos in domini populum, veterani odii assertor antiquus, et totam familiam domini impastae feritatis grassatione turbabat. Indixerat in homine deo bellum et infaustae superstitionis busto in nefas conscium toto mundo funereum fecerat rogum.“ 135 Als antiquus assertor veterani odii ist er derjenige, der eine Verfolgung veranlasst und deshalb den heidnischen Kult wieder aufleben lässt. Es entsteht der Eindruck, als sei der heidnische Kult allgemein lediglich darauf angelegt, das Christentum zu zerstören. Dabei werden Kaiserkult und andere Formen der Kultausübung einfach identifiziert. Zeno vermischt hier sein historisches Wissen vom Mittel des Kaiserkults innerhalb der Christenverfolgung – „Cogebatur Christi populus vanis superstitionibus interesse“ 136 – mit allgemeiner Polemik am heidnischen Kult; das Weihrauchopfer des Kaiserkults wird von Zeno nur als eine von diversen Kultprakti131

S. dazu die Monographie von V. C. P FITZNER, Paul and the Agon Motif. Traditional Athletic Imagery in the Pauline Literature, NT.S 16, Leiden 1967. 132 S. W. W EISMANN, Schauspiele, 81f.111f.113, v. a. Anm. 243; auch ebd. 118f., v. a. Anm. 284, die Zenos funestum spectaculum zitiert. – Zeno dürfte schon aus dem Grund keine Probleme mit dem Bild des agon gehabt haben, da in der ihm vorliegenden Bibelfassung in Is 7,13 das Haus David und mit ihm Gott ein certamen und einen agon gegen die Menschen führen; s. II 8,7. Das Martyrium ist somit direkte imitatio. 133 Vgl. H. LAST, Art. Christenverfolgung II. Juristisch, RAC II, 1954, 1208–1228, hier: 1216–1218. 134 Dessen Sklavin ist die impudicitia (I 1,11), diese wiederum beherrscht das Theater (I 1,9.11). 135 I 39,2. – Zur der heidnischen politischen Invektive entlehnten Verbrechermetapher satellites s. u. S. 235, Anm. 69; zu assertor vgl. I. OPELT, Polemik, 247, wo auf die in heidnischer wie christlicher Polemik beliebte Verwendung deverbativer Nomina agentis auf -tor mit attributiver Disqualifizierung hingewiesen wird; assertor wird ausdrücklich als der Rechtssprache entlehnter Terminus genannt, der in der Häretiker- wie Heidenkritik von Tertullian bis Augustin begegnet. 136 I 39,2; aber auch und noch deutlicher I 39,5: „Cui cum provinciae rector pristinae eius fugae veniam sub pactione promitteret, si se vel sero nefandis superstitionibus miscuisset“.

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ken genannt, zu denen die Christen angeblich gezwungen wurden. 137 Diese Fiktion Zenos erinnert an das bereits in der vorchristlichen römischen Geschichte geläufige Instrument des ‚fiktiven Rituals‘. In (politisch) brisanten Momenten wurde etwa von Geschichtsschreibern durch Zusammenkomponieren einzelner Rituale zu einem Ganzen, das es so nie gegeben hat, ein neues Ritual erfunden, aber als althergebracht dargestellt, das von den Lesern, soweit man über die Rezeption informiert ist, für eine historisch plausible Rekonstruktion gehalten wurde.138

Durch eine Verknüpfung mit der diesem römischen Vorgehen vergleichbaren zenonischen Fiktion werden die christlichen Martyrien nur zu einer besonderen Form römischer spectacula; sie haben, wie alle anderen Schauspiele, kultischen Ursprung und sind von daher, wie diese, Machwerk der impudicitia bzw. des Teufels. Auf dem Hintergrund des vom Teufel provozierten agon der christlichen Märtyrer und als Gegenstück zu den heidnischen spectacula überhaupt kann Zeno an anderer Stelle auch vom novum spectaculum 139 sprechen: Christus ist zwar das eigentliche Vorbild der Märtyrer, 140 aber es gibt schon alttestamentliche Errettungsparadigmata, die die christlichen specta137 I 39,2: „atque in cultum nefandi ritus nunc aut libamina inceste profundere aut ornatus sertis victimas trahere aut gravia nidoribus tura succendere aut inter fumidos ignes pallenti arvina, funestos sanguine perlitare“. 138 S. J. RÜPKE, Religion, 111–114, unter der bezeichnenden Überschrift „Verknüpfen statt Deuten“, ebd., 110. Rüpke interpretiert exemplarisch das „Ritual der Kriegserklärung“, bestehend aus einer fiktiven an einen Feind gerichteten Rückforderung von Geraubtem, ebenfalls fiktivem Senatsbeschluss zur Kriegserklärung und anschließender stark ritualisierter Kriegserklärung. 139 Konkret auf den Kampf der Märtyrer bezogen auch LACT. mort. pers. 16,6 (CSEL 27,2,2,190,6f Brandt / Laubmann): „iucundum illud spectaculum deo“. Zu den spectacula Christianorum Tertullians, den Prüfungen der Christen in dieser Welt dagegen, s. H. CANCIK, Dämonologie, 456, Anm. 42. 140 Vgl. I 3,20: „vir consummatur in cruce atque eo feliciter soporato similiter de eius latere ictu lanceae non costa divellitur, sed per aquam et sanguinem, quod est baptismum atque martyrium, spiritale corpus spiritalis feminae effunditur, ut legitime Adam per Christum, Eva per ecclesiam renovaretur.“ Typen christlicher Märtyrer sind darüber hinaus Abel in I 4,12 sowie die Drei Jünglinge im Feuerofen in I 11; I 22,1. – Dass sich zur Zeit Zenos die Verehrung der Märtyrer bereits großer Beliebtheit erfreute, belegt Zeno durch die Häufigkeit, mit der er auch allgemeiner auf das christliche Martyrium rekurriert: Die Märtyrer zeichnen sich aus durch Geduld wie in I 4,22 sowie Liebe und Hoffnung in I 36,30. In I 1,20 wird ihnen ein Platz in der Reihe der kirchlichen Stände zugewiesen und als geistiger Schmuck der Kirche ersetzen sie in II 6,6 Gold und Silber innerhalb des Kirchengebäudes. Der Herbst wird in I 33,3 als Zeit des Martyriums allegorisch gedeutet. Aber auch die negativen Ausuferungen der Märtyrerverehrung sind Zeno bekannt, wenn er in I 25,11 bei der Kritik von Gebräuchen im Kontext des Totenkultes von „geschaffenen Märtyrern“ spricht.

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cula vorwegnehmen. So ruft Zeno bei der Deutung der Akedah, der Opferung des Isaak (Gn 22,1–19), aus: „O novum spectaculum ac vere deo dignum!“ 141 Und auch das martyrium (sic) 142 der Drei Jünglinge im Feuerofen veranlasst ihn zu dem Ausruf: „O vere spectaculum deo dignum!“ 143 Also auch die christlichen spectacula haben ihren religiösen Kontext, aber sie dienen der Verherrlichung des einzig wahren Gottes; ihre Akteure sind nicht heidnische Götter und Heroen, sondern christliche Vorbilder.144 Festzuhalten bleibt jedoch, dass der ursprünglich kultische Kontext der ludi in der Spätantike wohl kaum mehr war als ein Anlass, um Spiele aufzuführen. Und so nutzt Zeno sein historisches Wissen wohl auch lediglich als Aufhänger für seine generelle Heidentumspolemik. 145 Die alttestament141

I 4,14. I 22,1. – Zum Vorkommen des Motivs in der Liturgie an Märtyrerfesten seit dem 4. Jahrhundert s. H. R. SEELIGER, ÐÜëáé ìÜñôñåò. Die Drei Jünglinge im Feuerofen als Typos in der spätantiken Kunst, Liturgie und patristischen Literatur, in: Liturgie und Dichtung. Ein interdisziplinäres Kolloquium, Bd. II, hg. v. H. Becker u. R. Kacynski, St. Ottilien 1983, 257–334, hier: 305. 143 I 22,2. Die Formulierung findet sich ähnlich bezogen auf den Kampf des Menschen mit seinem Schicksal und dessen Begutachtung durch ,den Gott‘ schon bei SEN. dial. 1,2,8 (8 Waltz / Rosenbach) – „Ecce spectaculum dignum ad quod respiciat intentus operi suo deus, ecce par deo dignum“ –, wird dann aber gerne von den Kirchenvätern aufgegriffen. S. W. W EISMANN, Schauspiele, 118, Anm. 280. 144 Anders als andere christliche Schriftsteller wie etwa Novatian nennt Zeno auch keine christlichen Besucher von Theatern und Schauspielen, die dieses Tun mit dem Hinweis auf Vergleichbares in der Heiligen Schrift zu legitimieren versuchten; s. M. KAHLOS, Pompa, 470. 145 H. C. B RENNECKE, Pompa, 30, schreibt zwar: „ Für Christen gab es keine Möglichkeit, sich in irgendeiner Weise an kultischen oder auch nur am Rande kultisch konnotierten Veranstaltungen teilzuhaben [sic]“ (Hervorhebung B. D.). Dass die Kirchenväter dennoch generell mit ihrer Polemik gegen das Theater eher seelsorgliche Zwecke verfolgten, hat schon H. J ÜRGENS, Pompa, 172, herausgearbeitet. Ähnlich bemerkt auch H. C. B RENNECKE, Pompa, 22–32, hier: 27f.: „Was ist an dieser Theaterkritik [Tertullians] eigentlich christlich motiviert? Bei Lichte besehen eigentlich nur die … ursprünglich enge Bindung an den Götterkult. Alle anderen Kritikpunkte [sc. Moral und Affekte; vgl. ebd., 26] sind nicht eigentlich wirklich christlich motiviert. … Tertullians These, dass das Theater unlösbar mit dem Götterkult verbunden sei, [scheint] nicht mehr so ganz überzeugend gewesen zu sein. Der ursprünglich ohne Zweifel vorhandene religiöse Kontext wurde [schon von Tertullians Zeitgenossen an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert] nicht mehr als solcher zwangsläufig empfunden. … Interessant ist, wie im 3. Jahrhundert dann zwar immer wieder gegen den Theaterbesuch von Christen polemisiert wird, aber der kultische Aspekt zugunsten des moralischen immer mehr zurücktritt, offensichtlich weil er eben nicht mehr wirklich plausibel war.“ Im Folgenden, ebd., 28f., wird u. a. Laktanz als Zeuge für diese Haltung angeführt. Die nicht wirklich christlich motivierten Kritikpunkte ordnet Brennecke, ebd., 30–32, in den Kontext der Zweiten 142

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lichen Paradigmen und die Märtyrerlegenden werden zum Ersatz für den spätantiken (paränetischen) Mimus 146 und Pantomimus.147 Den heidnischen Mythen von den Abenteuern der Götter soll christliches Wissen vom Heilswirken Gottes und die Moralität seiner Gläubigen in biblischer und frühchristlicher Geschichte entgegengestellt werden. 148

Sophistik ein, deren Teil die christlichen Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts gewesen seien. Damit erweise sich die christliche Theaterkritik im übrigen gerade nicht als Ablehnung der zeitgenössischen [heidnischen] Kultur, sondern als Übereinstimmung mit vielen nichtchristlichen Intellektuellen der Zeit, an deren Diskurs die christlichen Kritiker gleichberechtigt und in Augenhöhe beteiligt gewesen seien, allerdings mit einer eigenen zusätzlichen Akzentsetzung. „Durch die Ablehnung des zeitgenössischen Theaterbetriebes bei einigen christlichen Autoren findet nicht nur keine Trennung von Kultur und Gesellschaft statt, sondern gerade das Gegenteil: eine Integration in den intellektuellen Diskurs der Zeit“ (ebd., 32). Ob Zeno allerdings mit dem Aufgreifen der Argumente seiner Vorgänger mit einbezogen werden kann in ein Christentum, das sich so als „ungeheuer modern und … ganz und gar auf der Höhe der Zeit“ (ebd.) erweise, erscheint doch eher fraglich, insbesondere dann, wenn man beobachten kann, dass er die im 4. Jahrhundert sich als neu erweisende Situation, die Brennecke, ebd., 32, ausdrücklich als „völlig neue Herausforderung“ charakterisiert, anders als andere christliche Autoren in seiner Kritik nicht berücksichtigt; s. folgende Anm. 146. 146 „Der Mimus ist in erster Linie farbenprächtige, heitere Abbildung des zeitgenössischen Lebens der unteren Gesellschaftsschichten, aber weit deutlicher als die Atellane zeigt er den auch der Satire eigenen Grundzug der moralischen und politischen Paränese“, so R. RIEKS, Mimus, 363 (Hervorhebung B. D.). Aber: „Die Obszönität der Mimen war sprichwörtlich, wie es uns zumal aus der Polemik der christlichen Autoren deutlich wird“, ebd. 370; s. auch I. OPELT, Drama, 449; W. W EISMANN, Schauspiele, 49f.; O. P ASQUATO, Spettacoli, 3279f. 147 S. I. OPELT, Drama, 453: „Der Pantomimus hatte bisweilen dieselbe politische Funktion wie der Mimus“; vgl. hier Anm. 146. I. OPELT, ebd., 452: „Er ging hervor aus einer Änderung der Aufführungspraxis der Tragödie, indem die Rezitation von der Darstellung mit Gebärden getrennt wurde“, thematisch lehnte er sich aber an die Tragödie an; s. W. W EISMANN, Schauspiele, 44; O. P ASQUATO, Spettacoli, 3280f. Wenn Zeno selbst in I 4,4 ein Ennius-Zitat anführt, bedeutet das nicht, dass er selbst eine direkte Ennius-Kenntniss hatte. Vielmehr dürfte er eher eine Ennius-Reminiszenz aus Cicero oder sogar Cyprian zitieren, da er darüber hinaus „nichts ,Ennianisches‘ bringt“, so H. J ÜRGENS, Pompa, 42, Anm. 1. 148 Vgl. W. W EISMANN, Schauspiele, 120, Anm. 293f. Dass Zenos Anliegen sich hier mit denen seiner Vorgänger deckt, zeigt ein Vergleich mit Tertullian und Novatian. Dazu W. W EISMANN, Schauspiele, 107–109, v. a. 108, Anm. 229. Vgl. auch H. R. SEELIGER, Art. Märtyrerakten, LACL, 32002, 470–477, hier: 471: „doch erscheint es … bedeutsam, die ganze Textgruppe der Märtyrerliteratur deutlicher … als Lesestoff wahrzunehmen, welcher nach und nach die Themen der heidnischen Mythologie verdrängte, um an ihre Stelle in einem langwierigen Prozeß mit vielfältigen gestalterischen Faktoren idealisierte oder heroisierte Typen individueller Christen zu setzen. Dabei dienten die Texte sehr unterschiedlichen Zwecken: Der Paränese wie der Doxologie, der Kultpflege und Liturgie wie der identifikatorischen Stärkung der kirchlichen communitas.“

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Damit lässt der Umgang Zenos mit dem Theaterwesen sich in der Tat in weiten Teilen einreihen in das als ‚seit Tertullian kanonisch‘ von Saggioro beschriebene christliche Schema:149 Wie seinen Vorgängern geht es Zeno auch bei der Behandlung des Themas Theater bzw. Schauspiele zuerst um eine Perfektionierung des christlichen Verhaltens, zu deren Zweck das spectaculum als negatives Paradigma für heidnische Kultur an sich attackiert wird. Schließlich schafft auch er eine Art christlichen Ersatz innerhalb eines ‚christlichen religiös-kulturellen Horizonts‘ 150, der Begriff spectaculum wird zur Metapher für den christlichen Pãþí, wie dies von Clemens von Alexandrien unter Bezug auf die Passion Christi eingeführt wurde.151 Zur Rede von ‚Schauspielen des Glaubens, die man nur erhoffen darf, aber nicht sehen kann‘ und die Saggioro unter dem Terminus spiritale theatrum als Metapher für das Ende der Welt und den Beginn des Reiches Gottes aus der Darstellung Tertullians ableitet, 152 lässt der Veroneser Bischof sich jedoch nicht hinreißen. Auch dass das Theater seit dem 4. Jahrhundert ein ‚unmittelbarer Konkurrent‘ des christlichen Gottesdienstes geworden sei,153 lässt sich so bei Zeno noch nicht verifizieren.154 Die Spiele, die von den christlichen Schriftstellern am wenigsten kritisiert werden,155 sind die Wagenrennen im Zirkus.156 Und so kann auch Zeno,

149 Vgl. A. SAGGIORO, Pompa, 86f. Vgl. jedoch dagegen die Position Brenneckes, s. o. Anm. 145. Auf Zeno scheint Saggioros Schema noch zuzutreffen. 150 So A. SAGGIORO, Pompa, 87: „l’orizzonte culturale e religioso cristiano“ für Clemens von Alexandrien. 151 S. ebd., 67f., wo Saggioro CLEM . AL. Protr. 10,110,1–3 untersucht: Danach ist innerhalb des óùôÞñéïí äñOìá Christus der (óí-)áãùíéóôxò. 152 S. A. SAGGIORO, Pompa, 160. Es handelt sich aber scheinbar um einen Neologismus des Verfassers, da er in den Texten Tertullians, die er anführt, so nicht auftaucht. In T ERT. spect. 30,7 (CChr.SL 1,253,35–37 Dekkers), von Saggioro, ebd., 156, zitiert, ist lediglich zu lesen: „haec iam quodammodo habemus per fidem spiritu imaginante repraesentata. Ceterum qualia illa sunt, quae nec oculus vidit, nec auris audivit, nec in cor hominis ascenderunt?“ In der Datenbank der LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) lässt sich unter dem Suchbegriff „spiritale theatrum“ nicht nur für Tertullian, sondern insgesamt kein Ergebnis eruieren. 153 Vgl. H. C. B RENNECKE, Pompa, 29, der Augustin, Johannes Chrysostomus und eine Fülle von Konzilsentscheiden des 5. Jahrhunderts dafür als Belege anführt. 154 Eine ausdrückliche Konkurrenz zum christlichen Gottesdienst kann nach Zeno allerdings der Tempelbesuch sein, wenn christliche und heidnische Feiern auf denselben Tag fallen; s. II 7,14: „Proponamus itaque, ut saepe contingit, in unum sibimet conuenire diuersae religionis diem, quo tibi ecclesia, illi adeunda sint templa.“ 155 Vermutlich, weil es sich nicht um offizielle Zeremonien, sondern um private, zunächst im Kontext von Begräbnisfeiern veranstaltete Aufführungen handelte (s. G. FREYBURGER , Ludi, 481). 156 S. W. W EISMANN, Schauspiele, 80.

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wie die Untersuchung von Sol und Luna aufzeigt, 157 ohne Vorbehalt auf das Bild des Zirkus zurückgreifen.158 Mit dem Bild selbst verbindet er keinerlei Polemik. 2. sepulcrum und tumulus Das Vokabular aus dem Sepulkralbereich, das Zeno verwendet, ist an sich nicht negativ gefärbt, es erscheint neutral, seine Konnotation erhält es im jeweiligen Kontext. Berücksichtigt werden müssen hier die Begriffe sepulcrum und tumulus, da Zeno mit ihnen auch heidnische Kultausübung verbindet.159 Beide Termini, sepulcrum, ursprünglich das ‚Grabmal‘, und tumulus, ursprünglich der ‚Grabhügel‘, können auch weitgehend synonym das Grab an sich bezeichnen. 160

Von den 17 Stellen, an denen das Wort sepulcrum von Zeno benutzt wird, beinhalten nur drei eine Polemik gegen heidnische Gepflogenheiten. 161 Allerdings kann der Terminus auch in anderem Kontext zu einem negativen Bild werden, so etwa in I 5,3, wo der Mutterschoß angesichts der Absicht zur Abtreibung als sepulcrum für das Ungeborene bezeichnet wird, oder in II 4,9, wo Zeno in einer umfassenden Polemik gegen den (fleischlichen) Luxus das bequem ausgestattete Bett als sepulcrum charakterisiert. Umgekehrt bekommt das Grab innerhalb der Taufmetaphorik, etwa in I 2,21, I 58 oder II 29,1, aufgrund der dahinter stehenden Auferstehungstheologie, die in I 59,8, aber auch in I 34,6 und II 2,5 anklingt, einen positiven Zug. Tumulus begegnet dreimal in den Taktaten, jeweils in Verbindung mit sepulcrum, scheinbar als Variatio des Begriffes.162 Nur einmal wird ein Konnex zum Kult hergestellt. Von der impudicitia sagt Zeno in I 1,12: „Ipsa, inquam, mortuorum sepulcra convertit in templa, tumulos in altaria, cadavera in simulacra, parentalia in sacrificia, mores in sacra.“ Zeno erwähnt den ursprünglich im Heidentum gepflegten privaten Brauch der parentalia, der erst durch das Wirken der impudicitia zu etwas Negativem wird und von daher die Begräbnisanlagen die gleiche Qualität wie 157

S. u. S. 280–286. In I 2,19; I 26; II 9,1. 159 Anderes Vokabular aus dem Sepulkralbereich bleibt in den Taktaten ganz einem neutralen Kontext vorbehalten, etwa funus in I 15,4 (2x) oder monumentum im Schriftzitat Ez 37,12f. in I 2,12 (2x). Das zenonische monumentum ist in der VULGATA Ez 37,12f. (Weber / Gryson) mit tumulus bzw. sepulchrum wiedergegeben. 160 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2616.3255 und A. B LAISE, Dictionnaire, 754.832. Zu Tumulusgrabbauten s. K. STÄHLER, Art. Grabbau, RAC XII, 1983, 397–429, hier: 408–410. 161 I 1,12; I 2,3; I 25,11. 162 I 1,12; I 2,21; I 5,8f. 158

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Tempel annehmen lässt, die einzelnen Grabmäler die von Opferaltären; 163 der Brauch selbst bekommt erst durch diese umfunktionierende Einflussnahme der impudicitia heidnisch-religiöse Qualität. Dass Zeno hier differenziert zwischen Grabbezirken (sepulcra) und eigentlichen Gräbern (tumulos), kann nur aus der Parallelisierung mit templa und altaria geschlossen werden. Deutlicher wird in I 2,3, dass nicht der Begräbnisort (sepulcrum) etwas Negatives ist,164 sondern dass er erst durch das (quasi kultische und deshalb negative) Handeln dazu wird.165 Und wenn sich Christen zu ähnlichem Handeln hinreißen lassen, ist es erst recht wieder die Handlung, die den Ort negativ belastet.166 3. locus infamis Wie es sich bereits bei der Untersuchung der primären Kultorte zeigte und von den Ergebnissen zu theatrum und sepulcrum / tumulus bestätigt wurde, wird die Qualität eines Ortes durch die Qualität der an ihm stattfindenden Handlungen bestimmt.167 Insofern kann jeder Ort zum Kultort werden,168 und seine Qualität hängt an der Qualität des an ihm ausgeübten Kultes. Dies belegt der Befund zum Terminus locus. Dieser Begriff findet sich 163 Den umgekehrten Zusammenhang erwähnt M IN. FEL. 8,4 (7,3 Kytzler), der u. a. den Vorwurf referiert, die Christen verachteten die Tempel als ob sie Gräber seien. – Zum Gesamtzusammenhang der parentalia s. u. S. 213–219. 164 Es ist interessant zu sehen, dass Zeno die Qualität eines Grabes als locus religiosus, die sowohl im Heidentum als auch im Christentum rechtlich fixiert war, in seiner Polemik völlig vernachlässigt. Ob er die Differenzierung und gleichzeitige Nähe von locus sacer und locus religiosus, s. G. W ISSOWA, Religion, 477f., hier bewusst für seine Polemik vernachlässigt, kann nicht entschieden werden. – Zum locus purus bzw. religiosus und seinem Schutz s. G. KLINGENBERG, Art. Grabrecht (Grabmulta, Grabschändung), RAC XII, 1983, 590–637, hier: 602.617–622 (heidnisch) und 630f.634f. (christlich): Aufrechterhaltung der klassischen Konzeption und Weiterentwicklung der strafrechtlichen Ahndung von Grabschändungen; s. auch A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 61. 165 I 2,3: „Gentes ... cum libamine infausto ad sepulcra concurrunt et a mortuis ... expeti a se aliquotiens alimenta contendunt“. 166 I 25,11: „displicent deo, sed et illi, qui per sepulcra discurrunt, qui foetorosis prandia cadaveribus sacrificant mortuorum, qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus subito sibi martyres pepererunt“. 167 So nennt Zeno in I 1,16 bei der Wiedergabe der Erzählung aus Gn 39,7–18 zur Illustration des Wirkens der impudicitia einen locus, „in quali etiam non irritata adolescentia invitis feminis saepe violenta esse consuevit“. 168 Zeno scheut sich nicht, Häuser, die von Christinnen zusammen mit ihren heidnischen Gatten bewohnt werden, als fanum zu disqualifizieren! II 7,12: „habentes fana, non domos“.

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sowohl im Zusammenhang mit Theatern 169 als auch mit dem Totenkult 170 und wird jeweils mit dem Attribut infamis klassifiziert. Der ursprünglich im Heidentum als heilig betrachtete (weil ursprünglich einer Gottheit zugehörig171) und geschützte Ort (locus sacer bzw. locus religiosus 172) erhält ein neues Attribut und damit die entgegengesetzte Qualität. Ein Schriftzitat 173 belegt, dass grundsätzlich jeder Ort heidnischer Kultort sein kann, wenn hier vielleicht auch an erster Stelle intendiert ist, die weite Verbreitung des Heidentums aufzuzeigen. Eine ganz ähnliche Stelle findet sich im Zusammenhang der Beschreibung der Christenverfolgung in I 39,2: „nec fuerat locus, in quo non erat pro religione sacrilegium.“ Und auch das Judentum und mit ihm sein ungenügender Kult wird von Zeno im Bild des „alten Weinbergs“ an voluptuosa ac profana loca verlegt.174 Im Gegenzug kann Zeno dann auch das Kirchengebäude als locus orationis bzw. sacrae orationis iste locus novus bezeichnen.175 Die Qualität der Handlungen (sacra oratio) bestimmt auch hier die Qualität des Ortes. III. Kultbilder 1. idolum Abweichend von der paganen Bezeichnung simulacrum 176 für das Götterbild verwendet Zeno zur Bezeichnung von Götterbildern am häufigsten den Terminus idolum, ein Lehnwort aus dem Griechischen, das in der christlichen Literatur der Ausdruck für Götterbild schlechthin ist. 177 Er bot sich den Christen zur Charakterisierung der heidnischen Götterbilder geradezu an, da es schon in vorchristlichem Kontext immer nur ein Abbild, Schattenbild oder eine

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I 13,8: „in templis infamibusque spectaculorum omnium locis“. I 25,11: „qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus subito sibi martyres pepererunt“. 171 S. o. S. 93, Anm. 6. 172 S. o. Anm. 164. 173 Mal 1,11 in I 25,7: „et in omni loco odores incensi offeruntur nomini meo et sacrificium mundum“. 174 I 10B,2: „Vinea dei quidem prior synagoga fuit, ... quae cum per voluptuosa ac profana loca lasciva passim se fronde diffundit“. 175 II 6,2.11. 176 Zu simulacrum s. u. S. 123–125. 177 In diesem Sinn wird der Terminus in der vorchristlichen Literatur ausschließlich (in seiner griechischen Form ånäùëïí) in LXX verwandt; s. H. FUNKE, Art. Götterbild, RAC XI, 1981, 659–828, hier: 665; vgl. die bei E. HATCH / H. A. REDPATH, A Concordance to the Septuagint and the other Greek Versions of the Old Testament, Grand Rapids, Mich. 21998, 376, genannten Stellen mit den entsprechenden Übersetzungen in der Vulgata. 170

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Erscheinung, nie einen wirklichen Inhalt bezeichnet. 178 Damit ist der Begriff für sich allein genommen in christlicher Anwendung auf heidnischen Kult schon ein polemischer Terminus, denn die heidnische Vorstellung, dass die Gottheit im Götterbild präsent sei – das numen tritt mit der Konsekration in das Götterbild ein, es entsteht eine Identität von Gott und Götterbild 179 –, wird mit der Verwendung dieses Terminus direkt attackiert.

Genau diese Vorstellung ist es auch, die Zeno mit der Verwendung des Terminus auf- und angreift. Was die Götterbilder auszeichnet, ist ihre Unbelebtheit. Explizit bemerkt er dies in Traktat II 6,4, wo den idola insensatia der vivens deus gegenübergestellt wird.180 Interessanterweise wird hier dem lebendigen Gott kein anderer Gott gegenübergestellt, sondern ein Götterbild. Zeno arbeitet deutlich aus polemischen Gründen also mit der Vorstellung der Identität von heidnischem Gott und dessen Götterbild. So wird jedoch nicht das Götterbild negativ belegt, sondern die heidnischen Götter schlechthin. Es sind tote Götter, sie haben keine Wirkmächtigkeit. Dabei verneint Zeno, in Anlehnung an platonisches Gedankengut, auch für das christliche Gottesbild keineswegs eine Zusammengehörigkeit von Urbild und Abbild,181 entscheidend ist vielmehr die Qualität des Abbildes, die auf die Qualität des Urbildes verweist. In die gleiche Richtung zielt Zeno innerhalb seiner allegoretischen Auslegung von Gn 38,9 in TraktatI 13,6.182 Der Mensch schafft demnach ein Götterbild aus Erde und installiert damit selbst eine Gottheit. 183 Auch hier wird die Vorstellung von der Identität des Gottes mit dem Götterbild übernommen, aber gleichsam polemisch ins Gegenteil gekehrt. Allerdings steht an dieser Stelle nicht die Polemik im Vordergrund, sondern die Paränese. 178 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 25; H. FUNKE, Götterbild, 665; auch A. B LAISE, Dictionnaire, 401. 179 S. H. FUNKE, Götterbild, 714f. Neuerdings hat T. S. SCHEER, Die Gottheit und ihr Bild. Untersuchungen zur Funktion griechischer Kultbilder in Religion und Politik, Zet. 105, München 2000, ausführlich eine Differenzierung zwischen Identität und Präsenz zumindest für das Verhältnis griechischer Gottheiten zu ihrem Kultbild herausgearbeitet. Auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 238, bemerkt unter Verweis auf Celsus, Julian und Porphyrius, dass den gebildeten Heiden der Spätantike eine solche simple Identifizierung von Gottheit und Kultbild fernlag; vgl. auch J. RÜPKE, Religion, 74f. 180 II 6,4: „nam sicut idolis insensatis similia templa conveniunt, ita viventi deo viva templa sunt necessaria“. 181 I 36,24: „Decertemus igitur, fratres, inter nos mutui amoris aemulatione gloriosa imaginemque dei dignissime venerando declaremus, quid ipsi veritati debeamus, scientes, quoniam, si quis imaginem laeserit, in exitium suae animae incitat veritatem.“ 182 I 13,6: „Terra vero hominem idolumque significat, quia et hominem deus de terra finxit et homo idolum de terra composuit. Semen ergo suum fudit in terram, hoc est dei mandata neglexit et idolis profudit ... ita detestabilior qui deum colit, quem ipse disposuit.“ 183 Zeno greift damit die seit Laktanz in der lateinischen Patristik geläufige Vorstellung von den von Heiden geschaffenen Göttern und der toten Materie der Götterbilder auf; vgl. I. OPELT, Polemik, 74.76f.

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Der die Götterbilder Verehrende gibt die mandata dei rücksichtslos den Götterbildern preis.184 Auch die Zitation von Ps 113,12 par. 134,15 in Traktat I 5,15 und I 14,4: „Idola gentium argentum et aurum“, wirkt vordergründig entmythisierend: Der Psalm weist darauf hin, dass Metall keine göttliche Wirksamkeit haben kann, es also kultisch wertlos ist, der heidnische Kult keinen Sinn macht. Im selben Kontext nennt Zeno demgegenüber die christliche Überbietung: „vos estis aurum vivum dei, Christi vos argentum, vos spiritus sancti divitiae.“ 185 Der Psalm selbst kehrt schon die Bedeutung, die gerade die Verarbeitung kostbarer Materialien zu Götterbildern in paganer Religion hatte, nämlich die Gottheit in ihrer menschliche Defizite übersteigenden Größe vor Augen zu führen,186 ins Gegenteil. Zeno seinerseits kehrt hier den Sinn des Psalms noch einmal moralisierend um: Wer Gold und Silber verehrt, verhält sich wie ein Heide. Denn die von Zeno hier metaphorisch behandelte Habsucht führt zu einem Engagement, das an das eines religiösen Kultes erinnert.187 Als Beispiele für solchen Kult führt Zeno das Horten von aus Gold und Silber geprägten Münzen mit Herrscherbildern an.188 Der Umgang mit Gold macht dessen Charakter aus. Werden Münzen gehortet, werden sie zu Götterbildern (si servaveris, simulacra).189 184

I 13,6: „dei mandata neglexit et idolis profudit“. Eine solche Paränese kann sich nur an jemanden richten, der Kenntnis hat von den mandata dei, Zeno deutet den Bibeltext also in Richtung auf Apostasie. 185 I 5,17. 186 S. J. RÜPKE, Religion, 74. 187 I 5,15: „colitur“; I 14,4: „Unde apparet eum, qui diligit aurum et argentum, non tantum deos colere, sed eorum mores et actus imitari.“ Zeno benutzt „Silber und Gold“ generell als Bild für Reichtum bereits in I 5,5, es wird parallelisiert mit facultatem beneficium, also „finanzieller Unterstützung / Protektion“. Silber und Gold werden deutlich den divitiae zugeordnet – I 5,10; vgl. auch die Aufzählung in I 5,18: „Nemo suam vestem, nemo suas margaritas abscondit, nemo lapidis pretiosos, nemo aurum, nemo argentum, et tamen ullus non timet furtum.“ –, obwohl sie nur der Natur angehören, ein bloßes Metall sind; I 14,3. 188 Vgl. S. 123, Anm. 201. – R. LIZZI, Prosopografia, 161, Anm. 74, deutet Zeno I 14,3f. („Quid talentorum magnis struis congeries? Quid hic remansura pervigil sollicitudine cassa nec tibi ipsi inde aliquid concedendo illibata custodis? … Denique aurum argentumque, penitus quod eruitur magno opere terrae visceribus, iterum celandum terrae mandatur“) im Übrigen als Hinweis auf das Vergraben von Wertgegenständen angesichts äußerer Bedrohungen. Schatzfunde in der Umgebung von Verona stammten zwar überwiegend aus dem 3. Jahrhundert, sie fehlten aber auch nicht für das 4. Jahrhundert; s. ebd., 161, Anm. 73. 189 Dass Götterbilder aus Gold und Silber hergestellt und diese also in solcher Form im heidnischen Kult verehrt werden, zeigt Zeno in I 25,3: „Colunt enim vani vana figmenta ... auri argentique“; durch den deutlichen Hinweis auf die Art und Weise ihrer Herstellung werden sie zugleich entmythisiert. Demgegenüber sollte der Christ Gold und

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An zwei weiteren Stellen nutzt Zeno die heidnischen idola deutlich zu paränetischen Zwecken. Die Christin, die vorgibt, die Götzenbilder zu verabscheuen, verehrt sie dennoch in ihrem Innern, wenn sie sich nicht vom Schmuck trennt.190 Dabei zielt Zeno zwar auf Schmuck allgemein, wie die anschließende Beschreibung zeigt, es scheint aber auch unter Christen Usus gewesen zu sein, Schmuck mit Abbildungen von Göttern oder mythologischen Gestalten zu tragen. Anders lässt sich in diesem Kontext der Terminus imago nicht erklären. Zeno stellt also die generelle ‚Putzsucht‘ der Frau, insbesondere aber die mit heidnischen Bildern verbundene, mit der Idolatrie auf eine Stufe. Ähnlich argumentiert er gegenüber dem reichen Christen in II 1,19: „amicum tibi excolis aurum, custodis argentum, vestem pretiosam ornamentaque superba et supervacanea pro sacrosancto habes sicut idolum“. Trotz der primär paränetischen Intention gibt Zeno hier Auskunft über den Status von Götterbildern, sie waren sacrosancta, das bedeutet, durch eine heilige Handlung geweiht 191 und damit gesetzlich vor profaner Inanspruchnahme und Verletzung geschützt,192 also „hochheilig“. Nur an einer Stelle durchbricht Zeno scheinbar seine Übernahme der Vorstellung von der Identität von Gott und Götterbild. In Traktat II 4,17 spricht er über die Unsichtbarkeit des Geistes, die der Gottes entspricht. Eine Geringschätzung sowohl des einen wie des anderen könnte sich äußern in einem Nachgeben gegenüber fleischlichen Begierden. Die Liebe Silber, insbesondere das der Götterbilder verabscheuen (I 14,5: exsecrari). So weist der christliche Kultbau selbst nicht Gold und Silber auf, dafür aber Märtyrer (II 6,6: „non aurum, non argentum, quia in suis martyribus computat totum.“). Hier spielt Zeno scheinbar auf goldene Siegeskränze der Märtyrer an, wie sie etwa in Mosaiken dargestellt wurden, vgl. C. IHM, Die Programme der christlichen Apsismalerei vom 4. Jahrhundert bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, FKGCA 4, Stuttgart 21992, 20; K. B AUS, Der Kranz in Antike und Christentum. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung Tertullians, Theoph. 2, Bonn 1940, 116, Anm. 21, 129.180–190 (vgl. auch das Schriftzitat Sap 3,4–6.8 in II 5,6: Die Diener Gottes, die gelitten haben, wurden auf diese Weise gleichsam wie Gold im Ofen geprüft). Die Märtyrer selbst ersetzen also die realen Reichtümer eines Kultgebäudes. Die Gläubigen insgesamt können wie die Märtyrer selbst lebendiges Gold und Silber in den Augen Gottes sein, wenn sie von der Habsucht ablassen; I 5,17: „Sed quia in vobis fides et pietas, quae est idonea expultrix avaritiae, manet atque gloriatur, digni estis universi aurum argentumque non tam habere quam esse. Nam vos estis aurum vivum dei, Christi vos argentum, vos spiritus sancti divitiae; vos si terrena metalla tempseritis, longe his vitae vestrae thesaurus.“ 190 I 14,6: „Ancilla Christi, falso idolum respuis; mihi crede: in te colis, cuius ornatum, cuius imaginem non deponis.“ 191 S. H. MENGE, Großwörterbuch, 670; vgl. G. W ISSOWA, Religion, 427.475f. 192 S. G. W ISSOWA, Religion, 473–475.

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zum Ebenbild Gottes und damit zu Gott äußert sich aber in der Enthaltung von fleischlichen Begierden. Zeno vergleicht hier diejenigen, die dem Körper vor der Seele den Vorzug geben, mit denen, die ein Götterbild (einem) Gott vorziehen.193 Soll der Vergleich stringent sein, so müssten Götterbild und Gott, von denen Zeno spricht, so zusammengehören, wie Körper und Seele einen einzelnen Menschen ausmachen. Sowohl aufgrund des inhaltlichen Kontextes als auch auf dem Hintergrund der oben festgestellten Verwendung des Terminus idolum für heidnische Götter selbst ist es jedoch keine Frage, dass Zeno hier dem wahren christlichen Gott einen toten heidnischen Gott (im Götterbild) gegenüberstellt. Auch hier kommt die gedachte Identität von totem Götterbild und unwirkmächtigem Gott wieder zum Tragen. Die Verwendung des Terminus idolum in überwiegend paränetischem Kontext, in dem er zudem fast ausschließlich zu Vergleichen herangezogen wird, lässt bereits erkennen, dass von den Götterbildern kaum mehr eine reale kultische Konkurrenz gegenüber dem Christentum ausgeht. Zeno zeigt hier eher einen Fortschritt auf, den das Christentum gegenüber dem Heidentum erbracht hat, nämlich weg von toten Götterbildern und unwirkmächtigen Göttern hin zum wahren und wirkmächtigen Gott, der auf Götterbilder nicht angewiesen ist. Dass die Situation nicht immer so war, zeigt sich in II 5,8, wo er die Terminologie servitus idolorum aus der Schrift übernimmt.194 Der formicarius, der impudicus und auch der fraudator, also diejenigen, die von der impudicitia gefangen sind, unterstehen der Knechtschaft der heidnischen Götterbilder und Götter.195 Denn die einzige wirkmächtige ‚Göttin‘ unter den ansonsten leb- und machtlosen Götterbildern ist die impudicitia: „haec [sc. impudicitia] ... nam in idolis dea est“.196 Dass die wirkliche Gefahr eines Kultes der Götterbilder, als diese noch in Massen vorhanden waren, aber weitgehend der Vergangenheit angehört, sagt Zeno selbst in I 46B,1: „A diaboli rabie idolorumque turba violenta non tantum nostri maiores, sed omnis Christiana progenies de vera Aegypto, id est isto de 193

II 4,17: „Inde est, quod stulti praeponunt corpus animae, idolum deo.“ Eph 5,5 in II 5,8: „Hoc enim scire debetis, quoniam omnis fornicarius aut impudicus aut fraudator, quod est idolorum servitus, non habent haereditatem in regno dei et Christi“. 195 Gegenüber „omnis fornicator aut inmundus aut avarus“ in V ULGATA Eph 5,5 (Weber / Gryson) weist der Zeno vorliegende Text eher in den sexuellen Bereich der impudicitia. Über den Zusammenhang von sexueller Ausschweifung und Götzendienst s. I 1,12f. 196 I 1,8; zur Wirkmächtigkeit der impudicitia und der Frage der Interpretation dieser Stelle auf konkrete Kulte oder eine generelle Haltung hinter paganer Bildverehrung s. u. S. 288, Anm. 362. 194

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mundo, semper momentis omnibus liberatur.“ Die Gefahr für die Christen hat sich in der Gegenwart verlagert auf eher weltliche Dinge. 2. simulacrum Im Gegensatz zu idolum dient der Terminus simulacrum bereits im heidnischen Sprachgebrauch u. a. zur Bezeichnung von Götterbildern. Der Terminus meint allgemein ein Ebenbild, Abbild, Bildnis, insofern auch ein Kunstwerk, etwa eine Plastik oder Malerei.197 Das Christentum übernimmt das Wort. Es ist das im Lateinischen am häufigsten gebrauchte Wort für Götzenbild.198

Zeno benutzt es in diesem Sinn nur viermal.199 Dabei wird insofern ein Unterschied zu idolum deutlich, als die Identität von Gott und Götterbild, die bei der Verwendung von idolum festzustellen war, im Zusammenhang mit simulacrum (auch indirekt) nicht zum Ausdruck kommt.200 Der Abbildcharakter von simulacrum tritt deutlich hervor in I 14,5. Dort wird der Christ getadelt, der zwar die goldenen und silbernen Götterbilder im Tempel verabscheut, das Geld aber verehrt, das durch diese Verehrung zu Götterbildern wird.201 Wie in den Tempeln (veluti templis; in 197 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2677; H. MENGE, Großwörterbuch, 699. 198 S. H. FUNKE, Götterbild, 665; vgl. auch A. B LAISE, Dictionnaire, 761. 199 I 1,12; I 14,5 (2x); I 34,9. 200 Demgegenüber sagt H. FUNKE, Götterbild, 665, dass simulacrum, effigies (das bei Zeno überhaupt nicht auftaucht) und idolum „fast gleichbedeutend nebeneinanderstehen können“. 201 I 14,5: „Aurum argentumque, Christiane, si vera dicenda sunt, exsecraris in simulacris, colis in penetralibus tuis. Nam et illic aureis argenteisque innumerabilibus veluti templis tereti moneta percussis inesse similiter regum vultus signaque cognoscis nihilque aliud distat, nisi quod in tua domo minuta sunt, in templo maiora. Quae si erogaveris, pecunia est, si servaveris, simulacra.“ Es wäre verlockend anzunehmen, dass Zeno hier auf eine verstärkte Verbreitung von Kontorniaten als Ausdrucksform paganer Resistenz gegen die Politik der christlichen Kaiser anspielte – vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 118 –, da diese Pseudomünzen gerade pagane Kaiserbilder, mythologische Gestalten und Szenen und Zirkusdarstellungen, gegen die Zeno nachdrücklich polemisiert, abbildeten. Da die Kontorniaten allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit in Rom geprägt und von der dortigen heidnisch-konservativen Senatsaristokratie anlässlich der Antrittsfeier römischer Amtsträger, des Neujahrsfestes, vornehmer Hochzeiten oder Geburtstage (auch an den Feierlichkeiten Ferngebliebene) verteilt wurden, s. A. ALFÖLDI, Die Kontorniaten. Ein verkanntes Propagandamittel der stadtrömischen heidnischen Aristokratie in ihrem Kampfe gegen das christliche Kaisertum, Bd. I, Budapest 1943, 14f. und 42, dürfte doch kaum damit zu rechnen sein, dass sich im 4. Jahrhundert eine entsprechende Klientel in der veronesischen Gemeinde befand; vgl. o. S. 48f. Außerdem nennt Zeno als Alternative zum Sammeln der Münzen, sie als Zahlungsmittel zu nutzen, was auf solche Anlassprägungen ja nicht zutreffen konnte. Ähnliches dürfte auch für Gold- oder Silber-Multipla (Medaillons) mit Kaiserbildern, an die man aufgrund der zenonischen Beschreibung vielleicht denken könnte, gelten, da diese zwar im 4. Jahr-

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templo) handelt es sich auch auf Münzen um vergoldete Bilder, die verehrt werden, wenn auch eher innerlich (in penetralibus tuis). Das Tertium comparationis ist aber nicht nur Gold und Silber, aus dem sowohl Münzen als auch Götterbilder hergestellt sind, sondern v. a. das Abgebildete: Herrscherporträts 202 und Götterstandbilder (regum vultus signaque).203 Zeno parallelisiert hier Kaiserkult und heidnischen Götterkult. Einen qualitativen Unterschied zwischen beiden sieht er offensichtlich nicht. 204 Auch an dieser Stelle, wie schon oben bei der Untersuchung von idolum festgestellt, geht es Zeno primär nicht um antiheidnische Polemik, sondern er stellt das Kritisierte in den Dienst der Paränese. Mit den heidnischen simulacra verknüpft begegnet in I 1,12 wieder die impudicitia: „Ipsa [sc. impudicitia], inquam, mortuorum sepulcra convertit in templa, tumulos in altaria, cadavera in simulacra, parentalia in sacrificia, mores in sacra.“ Kontext sind die Totengedächtnisfeiern an den Gräbern.205 Wenn in Zenos Deutung aus den Grabkomplexen Tempel und aus den Gedächtnisfeiern Opferhandlungen werden, dann kann simulacrum an dieser Stelle nur Götterbild meinen. Gemeinsam ist cadaver 206 und simulacrum in der Deutung Zenos die Unbeseeltheit, wobei durch den Terminus cadaver ein Moment der Widerlichkeit hinzukommt.207 Aber auch an dieser Stelle polemisiert Zeno nicht der Polemik wegen, sondern hundert als Largitionen auch auf nicht-römisches Gebiet gelangten, aber ebenfalls nur als Geschenke des jeweiligen Kaisers an eine entsprechende Oberschicht oder das Militär; s. M. R[ADNÓTI]-ALFÖLDI, Antike Numismatik, Bd. I, Kulturgeschichte der antiken Welt 2, Mainz 1978, 212f. Eher könnte hier auf den „Volksbrauch [im Sinne einer weit verbreiteten Gepflogenheit]“ (A. ALFÖLDI, Kontorniaten, 39) abgehoben sein, generell Münzen, auch solche aus Gold, s. ebd.,37f., zum Neujahrsfest im Bekanntenkreis als Glücksbringer zu verschenken; vgl. OV. fast. 1,219–222 (7f. Alton / Wormell / Courtney). AUG. tract. contra paganos (91,22 Dolbeau) polemisiert noch gegen pagane Neujahrsbräuche auch unter Christen: „Acturus es hodie celebrationem strenarum cum pagano“; und CHRYS. catech. 2 (PG 49,240) wendet sich gegen die Verwendung von Münzen mit dem Kopf Alexanders des Großen als Talisman. 202 S. vorhergehende Anm. 203 Zur Bedeutung von signum s. H. FUNKE, Götterbild, 665f.; auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2664f. 204 Auch hier ist der Vergleich zugunsten der Polemik wieder nicht ganz stringent. Während die Götterstatuen, in erster Linie für kultische Zwecke geschaffen, erst später zu Schmuckgegenständen wurden, verhält es sich bei den Herrscherbildern umgekehrt. Das Porträt auf Münzen hatte nie kultische Funktion, im Kaiserkult selbst ist dagegen eher mit Götterstatuen vergleichbaren Kaiserstandbildern zu rechnen, auf die der Terminus vultus nicht angewandt werden kann; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3565f. 205 Zu den Feiern selbst s. u. S. 213–219. 206 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 886. 207 Vgl. H. MENGE, Großwörterbuch, 96.

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im Grunde geht es ihm auch hier um Paränese. Das ausgeführte Wirken ist ein Beleg für luxuria, die Zeno hier verwirft.208 Aufgrund der luxuria führt auch der Totenkult wie der heidnische Kult von Gott weg. 209 Dass der Terminus simulacrum, ganz anders als idolum, nicht von vorneherein negativ belegt ist, zeigt eine Verwendung durch Zeno in völlig anderem Kontext. Der von Gott aus Lehm geschaffene Mensch ist Gott ebenbildlich, er ist deshalb, bevor ihm der Geist eingehaucht wird, simulacrum.210 Gemeinsam mit anderen simulacra ist ihm also zunächst die Unbelebtheit, erst durch Gottes Wirken wird er zur anima vivens. Deutlich das Endergebnis betonend – und damit den Unterschied zu anderen simulacra – greift Zeno den Terminus in II 4,4 wieder auf: „tunc ad imaginem et similitudinem suam fecit sibi ipse simulacrum sensibile atque intellegens.“ Zugrunde liegt diesen Ausführungen Gn 1,27 und v. a. Gn 2,7.211 So kann Zeno schließlich in II 4,6 vom Menschen ohne weitere Differenzierung als simulacrum dei sprechen. Sowohl die Verwendung des Begriffs simulacrum in paränetischem Kontext als auch die Übernahme zur Bezeichnung des Menschen als Gottes Geschöpf legen auch an dieser Stelle wieder die Vermutung nahe, dass simulacra als kultische Götterbilder kaum mehr eine Bedrohung für die Gemeinde Zenos darstellen. Andernfalls würde man eine schärfere Polemik erwarten. Dies bestätigt sich in I 34,9; dort deutet Zeno Ninive als Bild für die Heidenkirche, deren Mitglieder nach ihrer Bekehrung nicht mehr „solito more ad stupida simulacra concurrunt“. Die Paränese deutet vielmehr in die Richtung, dass das Götterbild zu einem Topos für Verführung, insbesondere durch weltliche luxuria, geworden ist. 3. statua Der bisherige Eindruck, dass reale Götterstandbilder in Zenos Gemeinde von so geringer Bedeutung sind, dass sie kaum mehr eine Attackierung wert sind, wird verstärkt durch den Befund zum Terminus statua.

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I 1,12: „Non opus est ire per singula; quamvis et haec non fuerint dictu digna, tamen ad exprimendam vim impudicitiae visa sunt necessaria, ut sciat unusquisque ad idolatriam pertinere luxuriam.“ 209 Ebd.: „Sic, sic genus humanum a dei cultura rapuit“. 210 I 56,3: „Igitur orbe perfecto postremo digito dei manuque e limo terrae fingitur homo. Construitur mobile totumque se nesciens simulacrum et, ut imago sit dei, inspiratur a deo in animam viventem.“ 211 Für II 4,4 verzeichnet Löfstedt in seinem Apparat Gn 2,7; in I 56,3 vernachlässigt er Gn 2,7 trotz deutlicher Parallelen.

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Er bezeichnet das konkrete Standbild, vorchristlich fast ausschließlich das eines Menschen,212 in christlichen Schriften kann er synonym mit simulacrum verwendet werden.213

Zeno benutzt ihn nur ein einziges Mal in I 53,1, 214 vermutlich in Anlehnung an seine lateinische Bibelvorlage.215 Da es sich um die statua des Nebukadnezzar (Dn 3) handelt, bekommt der Begriff hier eine gewisse Ambivalenz, da eben dieses Standbild wie ein Götterbild verehrt werden sollte. Der Begriff statua bleibt hier wie schon im biblischen Text uneindeutig.216 Ob Zeno damit ein Abbild Nebukadnezzars selbst meint – was der lateinische Terminus angesichts seiner vorchristlichen Verwendung nahelegen könnte 217 – und damit das biblische Geschehen dem römischen Kaiserkult parallelisiert, spielt für die Aussage selbst nur eine untergeordnete Rolle: Die Drei Jünglinge, die zu einem heidnischen Kultakt welcher Art auch immer gezwungen werden sollten, sich aber verweigerten und deshalb mit dem Tod bestraft werden sollten, sind für Zeno Typen der christlichen Märtyrer schlechthin.218 Zeno stellt hier keinen Zusammen212

S. H. FUNKE, Götterbild, 666; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2789f. 213 S. H. FUNKE, Götterbild, ebd. 214 I 53,1: „Hos [sc. Hebraeos tres pueros] barbarus rex, quod eius statuam adorare contempserint, incendi praecepit“. 215 Vgl. VULGATA Dn 3,1.14 (Weber / Gryson). 216 S. ebd.; vgl. auch O. P LÖGER, Das Buch Daniel, KAT 18, Gütersloh 1965, 62: „Die biblische Erzählung läßt zunächst aber völlig offen, ob es sich um ein Königsbild ähnlich den Herrscherbüsten in der römischen Kaiserzeit handelt.“ (In der Sarkophagplastik jedenfalls ist in aller Regel die Porträtbüste des Königs auf einer Säule abgebildet; s. etwa die Abbildung des Deckelfragmentes Lat. 100 (24) bei H. R. SEELIGER, Drei Jünglinge, 262.) O. P LÖGER, Daniel, 64, räumt jedoch ein, dass es in Vers 14 dann kultisch-religiös interpretiert werde. Ähnlich auch D. B AUER, Das Buch Daniel, Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament 22, Stuttgart 1996, 91f.: „Auch hier geht es um ein Symbol der Macht des babylonischen Reiches. Ob es nun den Herrscher selbst darstellt oder einen der Staatsgötter, spielt in dieser Hinsicht keine Rolle. Deshalb kann die Weigerung, das goldene Standbild anzubeten, in VV 12.14 auch gleichgesetzt werden mit einer Mißachtung der Götter. … Einer der Konfliktpunkte zur Zeit der Endredaktion des Danielbuches war das Selbstverständnis des griechischen Herrschers Antiochus IV. als ,Erscheinung der Gottheit‘ (gr. epiphanes).“ 217 LXX Dn 3,1.14 (Rahlfs) benutzt dagegen déêþí. – Dass im lateinischen Westen die Deutung der biblischen statua als Bild Nebukadnezzars selbst verbreitet war, belegen auch frühchristliche bildliche Darstellungen der Szene, in denen in der Mehrzahl der Fälle ein Herrscherbild als Porträtbüste auf einer Säule begegnet; s. J. ENGEMANN, Zur Interpretation der Darstellungen der Drei Jünglinge in Babylon in der frühchristlichen Kunst, in: Akten des Symposiums „Frühchristliche Sarkophage“, Marburg 30.6.– 4.7.1999, hg. v. G. Koch, Mainz 2002, 81–91, hier: 83; auch ebd., Tafel 32,1 und 34,1. 218 Damit bewegt sich Zeno ganz im Rahmen der Interpretation, die die Drei Jünglinge in der Spätantike erfahren; vgl. etwa die Zusammenstellung aus patristischem Material bei H. R. SEELIGER, Drei Jünglinge, 310–316; und für ein umfassendes Quellenspektrum ebd., 319–329; zusammenfassend ders., Christliche Archäologie und Mentalitätsge-

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hang zu einem zeitgenössischen heidnischen Umfeld her. Die Zeit der Märtyrer, in der Statuen, seien es die von Göttern oder Kaisern, als Objekt kultischer Verehrung von Bedeutung waren, ist vorüber. 4. imago Nicht eindeutig beantworten lässt sich die Frage, ob auch imago bei Zeno als Bild eines Gottes verstanden werden kann. In der heidnischen Literatur bezeichnet der Terminus neben der Totenmaske219 fast ausschließlich die Porträtbüste, in christlichem Kontext kann imago synonym mit simulacrum gebraucht werden.220 In beiden Fällen dürfte der Grund darin zu suchen sein, dass imago zwar Identität beschreibt, aber nicht die Person, deren Identität beschrieben wird, symbolisiert; imago beinhaltet vielmehr die Abwesenheit des Dargestellten.221 Wird christlich also imago für simulacrum gesetzt, beinhaltet dies automatisch eine polemische Spitze.

Für das zu verehrende Bild des Nebukadnezzar steht es bei Zeno in II 22.222 In I 14,6 könnte der Begriff in Zusammenhang gebracht werden schichte, RivAC 62, 1986, 299–313, hier: 313: „Es überwiegt bei einer behutsamen quantifizierenden Auswertung [des gesamten spätantiken Materials zu den Drei Jünglingen] die Inanspruchnahme der Drei Jünglinge als Typos der Märtyrer in allen Genera [sc. den Bildquellen, den liturgischen und nicht-liturgischen Gebeten, den gottesdienstlichen Leseordnungen der verschiedenen Liturgien, den Schriftkommentaren, den Predigten, der Hymnik, der Traktat- und Briefliteratur, der spätantiken Enzyklopädie, der Epigraphik und der Papyrologie] mit Ausnahme der Gebete und des erwähnten Fluches [eines koptischen Papyros; s. ebd., 312].“ – Zur kontroversen wissenschaftlichen Diskussion um eine solche Deutung auch der frühchristlichen bildlichen Darstellungen in Abhängigkeit von patristischen Texten zuletzt J. ENGEMANN, Interpretation, 81–91. 219 Vgl. F. DUPONT, Imago identique et imago identitaire. Le jeu du double dans la comédie romaine, in: Images romaines. Actes de la table ronde organisée à l’École normale supérieure, 24–26 octobre 1996, hg. v. C. Auvray-Assayas, Paris 1998, 247–259, hier: 247. 220 S. H. FUNKE, Götterbild, 666; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 58. 221 Vgl. F. DUPONT, Imago, 247. 222 II 22: „Tres Hebraei ... regis adorare imaginem contempserunt“. Zur Uneindeutigkeit der biblischen Vorlage s. hier Anm. 216. – Interessanterweise wird in den Traktaten an anderer Stelle, in I 36,24, das Herrscherbild, das nicht für den Kult bestimmt war, dessen Beleidigung aber dennoch als Sakrileg geahndet wurde, als vultus deutlich unterschieden vom imago dei, dem Abbild Gottes, dessen Schändung in Zenos Augen ein weit größeres Verbrechen ist. An dieser Stelle wird die Klimax Abbild – Urbild ins Spiel gebracht, die von Zeno mit der platonischem Gedankengut entlehnten und vermutlich über Hilarius vermittelten Begrifflichkeit imago – veritas (s. V. HAHN, Das wahre Gesetz. Eine Untersuchung der Auffassung des Ambrosius von Mailand vom Verhältnis der beiden Testamente, MBTh 33, Münster 1969, 251–258.291) an zahlreichen Stellen belegt wird, etwa in I 1,6; I 2,21.25; I 9; I 36,23; I 46B,1; II 16. In I 46B,1 wird synonym für imago auch figura gesetzt. Im Sinne von Abbild / Ebenbild Gottes (ohne das Gegen-

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mit idolum: „Ancilla Christi, falso idolum respuis; mihi crede: in te colis, cuius ornatum, cuius imaginem non deponis.“ Doch imago scheint hier nicht ausschließlich ein Götterbild zu meinen. Die Christin verehrt nach Meinung Zenos denjenigen, dessen „Büste“ sie als Schmuckstück trägt, und das kann auch das Bild eines Gottes sein. Dass auch hier imago eher allgemein im Sinne von Abbildung zu verstehen ist, legt die bereits bekannte Differenzierung zwischen simulacrum und imago in I 56,3 nahe: simulacrum ist ein bloßer Gegenstand, eine Form gewissermaßen, imago ist zwar auch stellvertretend (für jemand Abwesenden?) 223 zu verstehen, aber es ist – im platonischen Sinn – das Abbild einer Wirklichkeit (veritas), wie der Mensch Abbild Gottes ist. 5. figmenta Eine Zusammenfassung zu den heidnischen Götterbildern bietet Zeno in seinen Ausführungen unter dem Stichwort figmentum. In I 25,3 entwickelt er eine Theorie von den drei Genera der Opfer. 224 Das heidnische Opfer wird als inanis, inhaltslos, charakterisiert, denn: „colunt enim vani vana figmenta in quaslibet formas, vultus, sexus, aetates auri argentique detrimento matris limae moderato dente figurata.“ Der Terminus figmentum weist auf das bloße Geschaffensein des Kultobjektes,225 während das Attribut vanum – hier in seiner ganzen Bedeutungsdichte: inhaltslos, deshalb nichtig und erfolglos und von daher auch lügenhaft und falsch 226 –, den Grund für die Ohnmacht der heidnischen Götter aufzeigt. Die anschließende Aufzählung der Eigenschaften der Götterbilder soll noch einmal drastisch die Unsinnigkeit einer heidnischen Götterverehrung aufzeigen: Die Unsinnigkeit hat ihren Grund zum einen in der Uneinheitlichkeit der Göttergestalten und ihrer Eigenschaften (in stück veritas) benutzt Zeno imago in I 2,30; I 3,23; I 4,9;I 13,11; I 27,2; I 45,1.2; II 4,4.7; II 5,2; II 12,3; II 30,2. Der Charakter dieser imago, im Gegensatz etwa zum vultus, besteht in seiner Invisibilität (I 27,3; II 30,3) und Spiritualität (II 30,3). – In II 25,2 verwendet Zeno die Wortverbindung imaginem colere, allerdings nicht im Sinn von ,ein Bild verehren‘, sondern im Sinn von ,ein (Vor-)Bild (kultisch) pflegen‘. imago wird hier, wie ähnlich auch in I 3,16; I 13,7; I 15,7; I 34,8.9; I 37,1 als Terminus für typos benutzt. Das jüdische Pascha ist die Typologie des christlichen Ostern, ein imaginarium pascha (II 25,1). Die Juden, die nach wie vor (nur) dieses Pascha feiern (gerere, II 25,2), pflegen (colere, ebd.) einen falschen Kult: „ ,At imaginem colunt.‘ Nec ipsam quidem, quia falso colit imaginem, qui eius non diligit veritatem.“ 223 Vgl. den lexikalischen Befund zu imago (s. o. Anm. 219–221). 224 Ausführlich dazu s. u. S. 150–154. 225 Vgl. I. OPELT, Polemik, 85, die darauf hinweist, dass erstmals CYPR. Demetr. 16 (CChr.SL 3A,44,307f. Simonetti) von den Götterbildern als figmenta terrena spricht. 226 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3363f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 785.

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quaslibet formas, vultus, sexus, aetates), zum anderen in deren Geschaffensein aus leblosem Material. Die Spitze der Polemik besteht darin, als ihre Mutter die „Feile“ zu bezeichnen, die aus dem Material das Bild schneidet. Damit ist klar, dass figmentum hier nur das Bild meint, die bloßen ista opera manus humanae 227 – eine Identität von Gott und Bild muss insofern ausgeschlossen werden, als die Mutter der hinter dem Bild stehenden Idee ja die impudicitia ist.228 Die oben zum Zweck der Polemik beibehaltene Identität von Gott und Götterbild wird aufgegeben, im heidnischen Kult wird nach Zeno der bloße Gegenstand verehrt, 229 der die Verehrung gar nicht wahrnehmen kann (nescius 230): Ein im Götterbild angenommener Gott existiert gar nicht. Diesen vernichtenden Terminus figmentum greift Zeno noch ein zweites Mal auf in I 37,3. Aber hier setzt Zeno den Vorwurf des abominanda figmenta colere in der Vergangenheit an, es handelt sich um anterioris vitae facinora. Jetzt sind die Heiden (zusammen mit den Juden) zusammengeschmolzen in unum populum per confessionem nominis Christi. Eine ähnliche Beobachtung, dass Zeno den Kult der Götter in der Vergangenheit ansetzt, konnte schon bei der Behandlung von idolum in I 46B,1 sowie von simulacrum in I 34,9 gemacht werden. In beiden Fällen bildet wie auch hier in I 37,3 eine allegoretische Auslegung eines alttestamentlichen Textes den Kontext.231 IV. Kultinstrumentarium Von den Götterbildern als direkten Objekten des Kultes ist das Kultinstrumentarium zu unterscheiden, das als Hilfsmittel zur Ausübung des Kultes diente. An erster Stelle stehen natürlich die Altäre, auf denen das Opfer stattfand, hinzuzunehmen ist aber auch die sacra suppellex, der Hausrat der Götter, der sich im Tempel befand und zu dem neben Opfertischen (mensae) und Feuerherden (foci) auch Gefäße (vasa) und andere Gerätschaften, schließlich auch das Pulvinar (Polster zur Speisung der Götterbilder) sowie das ornamentum (Weihegeschenke) gehörten.232 Auch hier ist zu prüfen, welche Kenntnis Zeno davon hat, um daraus direkte

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I 25,5. I 1,11: „Nam deos ipsa [sc. impudicitia] genuit, ipsa intulit mundo“. 229 Vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 236–238. 230 I 25,4. 231 In I 46B,1 der Auszug aus Ägypten (Ex 12–17); in I 34,9 die Bußpredigt des Jona in Ninive (Jon 3–4); in I 37,3 der Traum des Jakob (Gn 28,10–21). 232 S. G. W ISSOWA, Religion, 475f.; ebd., 476: „Diese ganze Ausstattung (instrumentum) wird zugleich mit dem Tempel consecriert und ist unveräußerliches Göttergut“. 228

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oder indirekte Schlüsse auf den Grad der Aktivitäten des Heidentums in Verona zu ziehen. 1. altare und ara Der Altar war seit ältester Zeit sowohl bei Griechen wie bei Römern der sakrale Mittelpunkt des Kultes. Er befand sich im Freien, vor dem Tempel, in welchem neben dem Kultbild gegebenenfalls noch ein Opfertisch oder ein kleinerer Nebenaltar für unblutige Opfergaben und Rauchwerk stand. Das blutige Opfer fand jedoch immer auf dem Hauptaltar vor dem Tempel statt.233 Der Altar als Ort des Opfers war res sacra; da sich im Opfer die Präsenz der Gottheit ausdrückt, galt der Altar als heilig.234 Was die Terminologie betrifft, so bezeichnet altaria 235 wohl zunächst den Aufsatz auf dem Opfertisch zum Verbrennen der Opfertiere, also den ‚Opferherd‘, dann aber auch den gesamten zum Brandopfer bestimmten Altar, v. a. die großen und prächtigen Altäre des öffentlichen Opfers.236 Ara hingegen bezeichnet den Opfertisch insgesamt, nicht nur in den Tempelanlagen, sondern auch die an Straßen und in Privathäusern. Ara wird dann wohl als Differenzierung zu altaria der Terminus besonders für den kleinen, niedrigen Opferaltar.237 Von den eigentlichen Opferaltären sind zu unterscheiden die mensae, die im Tempel oder am Grab aufgestellt Opfergeräte oder Opfergaben, die nicht verbrannt wurden, aufnahmen. 238

Mensa begegnet in dieser Bedeutung bei Zeno nicht, er benutzt den Begriff ausschließlich in seiner profanen Bedeutung ‚Tisch‘. 239 Altare bzw. altaria hingegen begegnet insgesamt siebenmal,240 ara achtmal.241 Bei der Bestandsaufnahme fällt sofort auf, dass beide Termini je nur einmal römisch-heidnische Altäre meinen.242 Altare benutzt Zeno ansonsten v. a. in 233 S. L. ZIEHEN, Art. Altar I. Griechisch-römisch, RAC I, 1950, 310–329, hier: 319; C. H. RATSCHOW, Art. Altar I. Religionsgeschichtlich, TRE II, 1978, 305–308, hier: 307; K. LATTE, Religionsgeschichte, 386. Über die im Tempelinnern dargebrachten Opfer ( penetralia sacrificia ) sind keine Einzelheiten bekannt, so Latte, ebd. 234 S. C. H. RATSCHOW, Altar, 306f. 235 Klassisch nur im Plural, nachklassisch auch altare oder altarium; s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 339. Zeno benutzt an fünf Stellen den Plural: I 1,12; I 4,10; I 28,1; I 51; II 17, wobei er vermutlich hier auch die Mehrzahl bezeichnen will, an zwei Stellen den Singular: Zitat von Jl 1,13 in I 25,6; in I 32 ist der christliche Altar gemeint. 236 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 339.; H. MENGE, Großwörterbuch, 40; auch J. B RAUN, Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung, Bd. I, München 1924, 22f. 237 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 530; H. MENGE, Großwörterbuch, 60; auch J. B RAUN, Altar, ebd. 238 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 878; H. MENGE, Großwörterbuch, 469f.; auch J. B RAUN, Altar, 23. 239 I 13,10 (2x); I 24,2; I 41,3. 240 S. hier Anm. 235. 241 I 4,14;I 13,4; I 37,2.3; I 59,6.8; I 62,4; II 7,17. 242 Altaria in I 1,12; arae in II 7,17.

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der Auseinandersetzung mit jüdischen Schlachtopfern, 243 ein einziges Mal auch zur Bezeichnung des Altares in der christlichen Kirche. 244 Mit ara bezeichnet Zeno an vier Stellen den Altar des Isaakopfers (Gn 22,9), 245 zweimal den Altar Gottes aus Is 6,6 246 und einmal die Altäre, die sich die hemithei selbst errichten.247 In I 1,12 lässt Zeno die impudicitia Gräber in Altäre verwandeln: „Ipsa ... convertit ... tumulos in altaria“. In II 7,17 warnt Zeno die mit einem Heiden verheiratete Christin vor dem Dunst schmutziger Altäre, der noch auf den Gliedern ihres Mannes liegt: „sordidarum vaporis ararum carne tua deterges“. Ara bezeichnet hier also den Altar des Schlacht- oder des Räucheropfers für bestimmte Gottheiten, altare dagegen den Opfertisch im Totenkult. Ob Zeno den Opfertisch des Totenkultes bewusst mit altare belegt, um ihn qualitativ von den „Götzenaltären“ 248 zu unterscheiden, ist denkbar, lässt sich aber nicht klären. Aus der je einmaligen Verwendung in heidnischem Kontext lassen sich keinerlei Schlüsse ziehen. Dass Zeno heidnische Altäre jedoch nur an zwei Stellen erwähnt, lässt auch hier ähnlich wie bei den Götterbildern den Schluss zu, dass die heidnischen Altäre an sich in der Öffentlichkeit kaum mehr wahrgenommen werden und sie deshalb nicht Objekt intensiver zenonischer Polemik sind. 2. bustum und rogus Die Termini bustum und rogus bezeichnen beide an sich den Scheiterhaufen, die Leichenbrandstätte, können dann aber auch auf allgemeine Feuerstellen und insbesondere auf die des Altares übertragen werden.249

Von Zeno werden sie benutzt in Traktat I 39,2: „Indixerat [diabolus] in homine deo bellum et infaustae superstitionis busto in nefas conscium toto mundo funereum fecerat rogum.“ 250 Gleichsam als Auslöser der Christen243

I 4,10; I 25,6; I 28,1; I 51; II 17. I 32. 245 I 4,14; I 59,6.8; I 62,4. Interessanterweise hat VETUS LATINA Gn 22,9 (Database) uneinheitlich ara (6 Belege) oder altare (8 Belege), während VULGATA Gn 22,9 (Weber / Gryson) zu altare vereinheitlicht. Leider gibt es keine Parallelen in den CYPR. testim. (CChr.SL 3,1–179 Weber). 246 I 37,2.3. VULGATA Is 6,6 (Weber / Gryson) hat hier ebenfalls altare. 247 I 13,4. Zu den hemithei s. u. S. 235–244. 248 J. B RAUN, Altar, 27. 249 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 879; ders. 2, 2406; A. B LAISE, Dictionnaire, 120.725. 250 Obwohl der Traktat an vielen Stellen eng an die Passio des afrikanischen Märtyrers Arcadius angelehnt ist, ist die hier untersuchte Formulierung dort nicht wiederzufinden; s. P ASS. ARCAD. (551 Ruinart). Mit dieser Terminologie scheint Zeno eher einer Polemik Cyprians zu folgen. I. OPELT, Polemik, 85, schreibt: „Den energischen Angriff 244

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verfolgung wird hier die Installation des heidnischen Kultes durch den Teufel angeführt. Dabei steht bustum, durch das Attribut infaustae superstitionis eindeutig gekennzeichnet, für die Brandstätte heidnischer Opfer. Weniger eindeutig ist funereum rogum.251 Es könnte sowohl als Bild für die heidnischen Opfer als auch als Bild für die Christenverfolgung interpretiert werden. Da jedoch sowohl bustum als auch rogus ursprünglich von der Bedeutung her dem gleichen Kontext entstammen, liegt es nahe, dass sie auch hier ähnliches bezeichnen, ein geschlossenes Bild zeichnen. Der Interpretation beider Begriffe auf heidnischen Kult hin ist von daher der Vorzug zu geben: „Er hatte im Menschen Gott den Krieg erklärt und mit dem (bewussten) Ziel, zur Sünde (zu verführen) 252 für das Feuer des unheilvollen abergläubischen Kultus über der ganzen Welt einen Scheiterhaufen aufgeschichtet.“ 253 Das von Zeno hier übernommene Bild vom Scheiterhaufen verweist polemisch darauf, dass der heidnische Kult im Zusammenhang mit dem Tod steht, dass sozusagen die ganze Welt durch den Teufel dem Tod zugeführt wird und einer Bestattungsform unterzogen wird, die eine Wiederherstellung unmöglich macht.254 Das den Scheiterhaufen mit dem heidnischen Opferaltar Verbindende ist das Feuer. Der Kontext lässt aber auch klar erkennen, dass es sich um eine auf die Vergangenheit gerichtete Polemik handelt. Es geht um öffentliche Opfer (in publicum scelus klingt sacra publica an), die zu Zeiten der Christenverfolgungen von den Christen gefordert wurden. Für Zenos Zeit sind sie gegen heidnische Tempel und Altäre hat Cyprian mit glücklichen Formulierungen eröffnet, die sich die Späteren gern zu eigen gemacht haben. Der heidnische Altar, Stätte des Opfers, ist … ein Scheiterhaufen, rogus, nicht nur des Opfertieres, sondern Begräbnis und Grab seines Lebens, d. h. seines Seelenheils: funus et bustum vitae suae“; s. CYPR. laps. 8 (CChr.SL 3, 225, 163–166 Bévenot). In der Tat schildert Cyprian auch die Situation der Christen unter dem Opferzwang der Verfolgung. 251 A. B IGELMAIR, Traktate, 262, zieht das direkte Objekt funereum rogum mit busto zusammen und übersetzt: „das unheilvolle Feuer für die Verbrennung von Opfern des unseligen Aberglaubens.“ P. LEIPELT, Traktate, 276, übersetzt funereum rogum mit „den tödtlichen Scheiterhaufen“. Leipelts Übersetzung bleibt zweideutig wie die Textvorlage selbst. 252 „In nefas conscium“ = „auf bewusste Sünde hin ausgerichtet“. 253 Das Bild wird fortgeführt: „Scatebat per tecta culminum publicum scelus nec fuerat locus, in quo non erat pro religione sacrilegium.“ = „Aus den Dächern der Häuser quoll (wie Rauch) die vom Staat veranlasste Gottlosigkeit hervor, ja, während dieser ganzen Zeit (= Imperfekt!) gab es nicht einen einzigen Ort, an dem nicht statt wirklicher Gottesverehrung Religionsfrevel stattfand.“ 254 Die Feuerbestattung war im Christentum verpönt; s. J. KOLLWITZ, Art. Bestattung B. Christlich, RAC II, 1954, 208–219, hier: 216f.; auch V. SAXER, Art. Morti (culto dei), DPAC II, 1983, 2303–2306, hier: 2304.

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nur insofern noch von Bedeutung, als sie Anlass christlicher Martyrien waren und als solche erinnert werden. 3. Übriges Instrumentarium Das übrige Kultinstrumentarium 255 scheint für Zeno völlig belanglos, er erwähnt es, wenn überhaupt,256 nur ganz am Rande. Zeno nennt, allerdings nur im Zusammenhang mit dem Totenkult, nicht mit dem öffentlichen Opfer, lagenae und calices.257 Diese Termini sind jedoch keineswegs dem Kultinstrumentarium vorbehalten, 258 sie haben an sich also keinen polemischen Wert. Die polemische Spitze in I 25,11 entsteht durch die Zusammensetzung des Bildes: Im Totenkult werden Märtyrer mittels Weinkrügen und Kelchen kreiert. Im Zusammenhang mit öffentlichem Kult stehen die von Zeno genannten vasae in II 7,14. Es handelt sich hier allerdings nicht um offizielles Kultgeschirr, sondern um private Gebrauchsgegenstände. Sie bezeichnen Gefäße, in denen ein Teil des Opfers vom Opfernden mit nach Hause genommen wird.259 Auch poculus in II 7,17 bezeichnet hier vermutlich den Becher, der zum Verzehr der Opfergaben diente. Diese beiden Begriffe sind also ebenfalls an sich neutral.260 Es ist auch hier der Kontext, der sie pejorativ erscheinen lässt. Vom ornamentum nennt Zeno ausdrücklich die Blumengebinde, mit denen die Opfertiere geschmückt wurden.261 Die Komposition ornatus sertis victimas trahere steht hier als Bild für eine bestimmte Form des Opfers, nämlich das blutige Opfer. Den Terminus vitta für Opferbinde auch der Opfertiere kennt Zeno nicht.262 Sonst findet sich kein weiterer Hinweis auf kultisches ornamentum.263 Als eindeutiges Kultwerkzeug kennt Zeno noch den gladius, jedoch nur in Bezug auf die alttestamentliche Opferung des Isaak, die von Gott

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Zum offiziellen Opfergerät s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 384. Der Befund zu mensa als Opfertisch, focus und pulvinar ist völlig negativ. Vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance. 257 I 25,11. 258 Calix findet sich neutral inI 13,10; in II 11,7 bezeichnet calix den christlichen Kultgegenstand. 259 Möglicherweise sind darunter die eigentlich sportulae genannten Körbchen zu verstehen. Dazu s. u. S. 161, Anm.463. 260 Vgl. vasa in I 12; I 34,6; II 1,20; und poculus inI 13,10; I 46B,3. 261 I 39,2: „Cogebatur Christi populus ... ornatus sertis victimas trahere“. 262 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3527. Eine differenzierte Darstellung bei K. LATTE, Religionsgeschichte, 385f. 263 In II 6,2 nennt Zeno wohl den ornatus des jüdischen Tempels. Damit dürfte er jedoch den Baudekor meinen, was aus dem Zusammenhang zu erschließen ist. 256

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schließlich verworfen wird.264 Das römische Opferbeil hingegen hieß securis.265 Der Begriff findet sich zur Bezeichnung des Beiles des Henkers in der Passio des Arcadius.266 Das Opfermesser secespita kennt Zeno nicht.267 V. Kultpersonal Noch dünner als der Befund zum Kultinstrumentarium ist der zum Kultpersonal. Die Fachterminologie – flamen, pontifex, victimarius, cultrarius, camillus, popa, tibicen, fidicen, augur, haruspex etc.268 – begegnet in den Traktaten nicht. Der weniger spezifische Terminus sacerdos wird von ihm überwiegend zur Bezeichnung jüdischer Priester 269 oder auch christlicher Kleriker 270 benutzt. Nur an einer einzigen Stelle lässt er sich auch auf heidnische Priester deuten: Bei der Betrachtung der jüdischen Synagogen und heidnischen Tempel sind es die Baumeister, die Bewunderung verdienten, nicht die Priester.271 Dass die Gebäude trotz ihrer architektonischen Pracht nicht praecipuum sind,272 liegt an den dort agierenden Personen, also sacerdotes und allgemeiner cultores, denn: Die Gebäude sind sine legitimo ac devoto cultore.273 Nur sehr indirekt äußert sich hier eine Kultkritik. Ebenfalls nur an einer einzigen Stelle wird der Opfernde selbst von Zeno mit dem dafür geläufigen sacrificans bezeichnet. Hierbei handelt es sich jedoch um ein Schriftzitat,274 und damit um nicht genuin zenonisches Vokabular. An einer anderen Stelle findet sich dagegen das Partizip immolans,275 jedoch nicht im Zusammenhang mit zeitgenössischem heidni264

I 4,14.15; I 59,6.7.9; I 62,3.4.5. S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2565; auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 384. 266 I 39,8. 267 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2556; auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 384. 268 S. G. W ISSOWA, Religion, 479–566; auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 383f. Der Terminus vates, der im heidnischen Kult den Vorsänger, so G. W ISSOWA, Religion, 495, seit der späten Republik aber spezialisierte ,Propheten‘ bezeichnet, die sich „durch ethische Aufforderungen, Anstöße zum guten Handeln und zur Ausbildung einer konsistenten Moral“ auszeichneten, so J. RÜPKE, Religion, 222, wendet Zeno in II 9,7 auf David an. 269 I 2,8; I 3,5; I 4,14; I 8,2; I 15,8; I 19,1; I 25,6; I 28,1; I 34,7; I 46A,1; I 51; I 59,6.7; II 17; II 25,1. 270 I 1,20; I 2,14; I 6; I 10B,2; II 6,4.5.9.11; II 26,2. 271 II 6,1. 272 II 6,1. 273 II 6,3. 274 Ex 22,20 in I 25,5: „Sacrificans diis eradicabitur“. 275 I 59,7. 265

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schem Opfer, sondern angewandt auf Abraham, der das Isaakopfer vollziehen will. Der Terminus cultor zur Bezeichnung des Anhängers eines Kultes bleibt bei Zeno weitgehend Juden 276 und Christen 277 vorbehalten, wobei durchaus auch Häretiker eingeschlossen sind. 278 Aus der positiven Charakterisierung legitimus ac devotus cultor in II 6,3 könnte das Gegenteil abgeleitet werden für einen heidnischen Kultanhänger. Explizit wird der Terminus auf ihn jedoch nicht angewandt. In negativem Sinn wird er nur übertragen benutzt, zur Bezeichnung der Anhänger der impudicitia, avaritia und cupido.279 Dies mag daran liegen, dass der Bezeichnung von Heiden eindeutigeres Vokabular vorbehalten ist, der kultisch handelnde Heide ist immer sacrilegus oder impius 280 und damit automatisch auch moralisch disqualifiziert. Der Terminus minister schließlich wird überwiegend profan im Sinne von ‚Diener, Angestellter‘ benutzt.281 Dass er in I 6 Angehörige des christlichen Klerus, vermutlich Diakone,282 bezeichnet, muss nicht automatisch dazu führen, dass im Kontext um heidnischen Kult auch wirkliche Kultdiener 283 damit tituliert werden. In II 2,6 sind wohl eher allgemein ‚Staatsdiener‘ gemeint, wenn auch entfernt auf einen Kaiserkult angespielt sein könnte; in II 7,14 handelt es sich ebenfalls eher um private Hausangestellte oder Sklaven, die bei der Vorbereitung des Opfers zu Hause 284 behilflich sind.285 276

I 15,8; I 19,1. I 14,1; I 31; I 35,1; II 6,3; II 8,1. 278 I 35,1; II 8,1. 279 I 1,8; I 5,16; I 36,27. 280 S. o. S. 72–74. 281 I 15,3; I 37,13; II 2,6; II 7,14; II 9,5. 282 Auf jeden Fall aber Angehörige des niederen Klerus, explizit solche, die zwischen Priestern (sacerdotes) und Gläubigen ( fideles) einzuordnen sind. Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 531, der sowohl Diakone als auch andere im Rang unter den Diakonen angesiedelte Kleriker nennt. A. B IGELMAIR, Zeno, 122, spricht allgemein von „Priestercandidaten“. Das „ziemlich seltene minister“ (G. J. M. B ARTELINK, Einige Bemerkungen über die Meidung heidnischer oder christlicher Termini in dem frühchristlichen Sprachgebrauch, VigChr 19, 1965, 193–209, hier: 209) kennt Zeno vielleicht aus LACT. mort. pers. 15,2 (CSEL 27,2,2,188,15 Brandt / Laubmann). 283 Vgl. J. RÜPKE, Religion, 147: „Weitere Opferdiener [sc. neben victimarii], ministri, sind oft Jugendliche oder gar Kinder, die etwa das Weihrauchkästchen oder anderes tragen, halten oder zureichen“. 284 II 7,14: „Ex uno enim proficiscendo et in unum remeando“. 285 Außerdem kennt Zeno noch Diener Gottes, nämlich die Engel, s. I 37,13; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 531, und Diener des Teufels, s. I 15,3; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, ebd. Bildlich können Körperteile zu Dienern von Untugenden werden, etwa die Augen in II 9,5 oder die Hände in II 9,9. Auch können Tugenden oder Untugenden selbst Diener sein, s. I 36,4; II 6,9; I 1,8. 277

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Es bleibt zu untersuchen, ob in II 7,17 mit der Bezeichnung fanaticus, von dem ein Teil des Opfers zum Verzehr in Empfang genommen wird, heidnisches Kultpersonal attackiert wird. Der Terminus fanaticus beschreibt v. a. den von einer Gottheit in Verzückung oder Raserei Versetzten, insbesondere den Gallus des Kybele-Kultes. 286 Von der Etymologie her meint er den zum fanum gehörigen Priester.287 Im christlichen Latein kann damit aber sowohl der heidnische Priester als auch generell der Heide bezeichnet sein, wobei die negative Betonung aus dem klassischen Sprachgebrauch aufgegriffen wird.288

Diese Bedeutungsbreite lässt die Zeno-Stelle uneindeutig werden. Während sämtliche Übersetzungen 289 fanaticus auf einen Heidenpriester beziehen, deutet Blaise den Terminus auf den aus dem Tempel kommenden heidnischen Ehegatten.290 Grammatikalisch sind beide Möglichkeiten denkbar. Die Satzstellung,291 v. a. aber der Kontext geben jedoch der Deutung Blaises die höhere Wahrscheinlichkeit: Denn sowohl im vorangehenden Satz als auch im nachfolgenden wird das Verhalten der christlichen Ehefrau ihrem heidnischen Mann gegenüber kritisiert. Es scheint wenig vorstellbar, dass eine christliche Frau einen Teil des Opfers vom heidnischen Priester in Empfang nimmt (ipsa suscipis); gemeint ist doch wohl eher ‚vom Ehemann‘, der aber, wenn fanaticus den Priester bezeichnete, in diesem Satz überhaupt nicht auftauchte. Es scheint also sehr fraglich, ob mit dem Terminus fanaticus an dieser Stelle gegen heidnisches Kultpersonal polemisiert oder vielmehr der Gatte als ‚fanatischer‘ Anhänger des Heidentums gekennzeichnet werden soll. Ein einziger Hinweis auf ein kultisches ‚Amt‘ findet sich jedoch völlig unerwartet in II 7,11 im Kontext der zenonischen Ermahnung an die Gemeindemitglieder zur ehelichen Treue auch nach dem Tod eines Ehegat286 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2687.; A. B LAISE, Dictionnaire, 345; ThesLL 6, 270; vgl. I. OPELT, Polemik, 84, zu Arnobius. Schon klassisch wird aufgrund der Verbindung mit fremden, nicht-römischen Kulten fanaticus pejorativ im Sinne von ,wahnsinnig‘ benutzt; s. ThesLL, 6, 270. 287 S. A. B LAISE, Dictionnaire, 345; T HESLL 6, 270; auch P. u. G. B ALLERINI, Opera, 310f., Anm. 32. 288 S. A. B LAISE, Dictionnaire, ebd.; T HESLL 6, 270f. 289 P. LEIPELT, Traktate, 96; A. B IGELMAIR, Traktate, 110; G. B ANTERLE, Discorsi, 267; G. EDERLE, Sermones 1955, 117. 290 A. B LAISE, Dictionnaire, 345: „qui revient d’un temple, d’une cérémonie païenne: ZEN. Tract. 1, 5, 9“, vermutlich in Anlehnung an P. u. G. B ALLERINI, Opera, 310f., Anm. 32. 291 Das nachgestellte a fanatico ist nicht allein auf acceptum zu beziehen. Zur Übersetzung von II 7,17 „Et si quod forte acceptum relatumve fuerit a fanatico solemne mysterium “ s. u. S. 161f.

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ten. Unvermittelt stellt Zeno die Frage an seine Zuhörer, was er den Heiden gegenüber in seinen Bemühungen, sie für den divinus ac verus cultus zu gewinnen, denn lobend hervorheben könne. Solle er etwa auf die Glückseligkeit als Lohn der Jungfräulichkeit verweisen? Er antwortet selbst: „Auch die Heiden haben ihre Jungfrauen, und wenn diese auch nicht glückselig sind, sie haben dennoch welche.“ 292 Dass diese recht unvermittelte Erwähnung von Jungfrauen innerhalb des Heidentums eine institutionalisierte Form meint, wird deutlich aus dem Vergleich mit dem christlichen ‚Stand‘ der Jungfrauen und Witwen (nostrae sacrae virgines viduaeque),293 dem als Lohn die Unsterblichkeit winkt, während die heidnischen Jungfrauen ohne eine solche Aussicht auf jenseitige Vergeltung sich abmühen.294 Weiteres erfahren wir über die heidnischen Jungfrauen jedoch nicht. Nimmt Zeno hier Bezug auf zeitgenössisches Allgemeinwissen, das weitere Ausführungen zum Thema überflüssig macht, oder klingt an dieser Stelle seine Tertulliankenntnis 295 durch? Der Text gibt keinen Hinweis zur Beantwortung dieser Frage. Daher kann über die kultische Zugehörigkeit der genannten Jungfrauen auch nur gemutmaßt werden. Am naheliegendsten scheint es zu sein, hinter diesen von Zeno angeführten heidnischen Jungfrauen Vestalinnen als bekannteste und angesehenste Gruppe sehen zu wollen. Im Unterschied zu den christlichen Jungfrauen kam ihnen sogar eine Art Priestertum zu, ihr Keuschheitsgelübde war jedoch auf 30 Jahre beschränkt.296 Vielleicht kann darin (neben der grundsätzlichen Negativität der Zugehörigkeit zum Heidentum) ein Grund dafür gesehen werden, dass ihre Jungfräulichkeit der christlichen nicht vergleichbar ist und schon allein deswegen nicht zur Unsterblichkeit und Glückseligkeit führen kann. Neben den Vestalinnen sind noch einige wenige Gruppen von Jungfrauen im heidnischen Kult bekannt, 297 wie etwa 292 II 7,11: „Non enim video, quid in exhortationibus divini ac veri cultus gentibus praedicem. Felicitatemne virginitatis? At habent suas [sc. virgines], et si non felices, habent tamen.“ 293 Zur Bedeutung von virgo sacra im Sinne einer Standesbezeichnung s. A. B LAISE, Dictionnaire, 850. 294 II 7,11: „quia nostrae sacrae virgines viduaeque magno pro immortalitatis praemio, suae autem gratis laborent.“ 295 T ERT. praescr. 40,5 (CChr.SL 1,220,10 Refloué): „habet et virgines, habet et continentes“. Zur Uneindeutigkeit dieser Stelle in der Frage der Zugehörigkeit der virgines zu einem bestimmten Kult s. K. P RÜMM, Religionsgeschichtliches Handbuch für den Raum der altchristlichen Umwelt. Hellenistisch-römische Geistesströmungen und Kulte mit Beachtung des Eigenlebens der Provinzen, Rom 1954, 293. 296 S. G. W ISSOWA, Religion, 504f.507f. Zu den Quellen und zur Forschungsgeschichte seit Wissowa s. R. L. W ILDFANG, Why were the Vestals Virgin?, in: Hommages à Carl Deroux, Bd. IV, hg. v. P. Defosse, Brüssel 2003, 557–564. 297 Dies findet einen indirekten Beleg auch darin, dass für Vestalin im kultischen Kontext nicht verallgemeinernd der Terminus virgo steht, sondern dass sie genau als

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der Jungfrauenchor bei Bittprozessionen.298 Für Verona läge es wohl sehr viel näher, dass Zeno eine solche Gruppe statt der Vestalinnen im entfernten Rom anführte; so ist für den nahe Verona gelegenen Pagus Arusnatium innerhalb einer komplexen indigenen Kultorganisation auch ein weiblicher Flaminat bezeugt.299 Es bleibt aber unklar, inwieweit solche Gruppen im 4. Jahrhundert noch aktiv und von Bedeutung waren. 300 Für die Vestalinnen gibt es jedoch Belege, die gerade in der Auseinandersetzung des 4. Jahrhunderts zwischen Heidentum und Christentum ihre Bedeutung für den Staatskult bezeugen.301 Durch diese Funktion waren sie natürlich über die Grenzen Roms hinaus bekannt; insbesondere ihre Enthaltsamkeit als besonderes Kennzeichen dürfte (aufgrund der schweren Bestrafung bei Verstößen) 302 zum Wissen weiter Kreise der Bevölkerung und somit auch der veronesischen Gemeinde gehört haben. VI. Kulthandlungen Bezüglich der Kulthandlungen bietet Zeno ein breites Vokabular. Das abstrakte Vokabular zum Thema Verehrung ohne weitere inhaltliche Implikationen wird hier unter dem Stichwort ‚Kult‘ dem konkreteren Vokabular unter dem Stichwort ‚Opfer‘ vorangestellt, schließlich werden die Beschreibungen einzelner ‚Opferhandlungen‘ sowie das ‚Gebet‘ untersucht. Den Abschluss des Kapitels bildet die Darstellung von überwiegend privavirgo Vestalis qualifiziert wird; s. G. W ISSOWA, Religion, 504. Der Terminus virgo hatte viel häufiger die Funktion eines Götterattributs; s. W. EISENHUT, Art. Virgo (mythologisch), PRE 2. Reihe IX, 1961, 195–200. 298 S. G. W ISSOWA, Religion, 426f.; vgl. auch D. B ALSDON, Die Frau in der römischen Antike, München 1979, 269; P. u. G. B ALLERINI, Opera, 306, Anm. 23, führen zu II 7,11 T ERT. castit. 13,2f. (s. CChr.SL 2,1034f. Kroymann) an, der neben den Vestalinnen auch noch Jungfrauen der Juno, Apollos, der Minerva und Dianas kennt, und P AUS. 3,16,1 (s. 239 Rocha-Pereira), der Jungfrauen der Leukippiden erwähnt; zu letzteren s. W. KROLL, Art. Leukippides, PRE 1. Reihe XII, 1925, 2263f., hier: 2263; H. VON GEISAU, Art. Leukippides, KP III, 1979, 596. Vgl. auch T ERT. uxor. 1,6,3f. (CChr.SL 1,380,12–20 Kroymann). 299 S. I. CHIRASSI COLOMBO, Acculturazione, 177f., Anm. 47; S. B REUER, Status, 110. 300 Auch der Beleg bei Tertullian kann nicht ohne weiteres auf die Zeit Zenos übertragen werden; zudem ist es denkbar, dass Tertullian lediglich antiquarisches Wissen anführt. Dennoch weiß auch AMBR. virginit. 3,13 (PL 16,283,217A) noch von der Pflege der Jungfräulichkeit im Heidentum: „At certe ipsis gentibus inter aras et focos venerabilis solet esse virginitas; et in quibus nulla meritorum est pietas, nulla mentis integritas; iis tamen carnis virginitas praedicatur.“ Man beachte die inhaltliche Nähe zur zeonischen Einschätzung. 301 SYMM. rel. 3,7.11.15 (38.40.44 Barrow); vgl. hierzu auch R. KLEIN, Symmachus. Eine tragische Gestalt des ausgehenden Heidentums, IdF 2, Wiesbaden 21971, 78.84; AMBR. epist. 10,73,11f. (= Maur. 18) (CSEL 82,3,40f.,115–156 Zelzer). 302 S. G. W ISSOWA, Religion, 508.

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ten, jedoch von Zeno als religiös eingeschätzten Bräuchen, die den genannten Kategorien nicht konsequent zuordenbar sind. 1. Kult-Terminologie a) cultus Der Terminus cultus (bzw. colere) ist in den zenonischen Traktaten ein an sich neutraler Begriff, Zeno benutzt ihn bezüglich des Heidentums (wie des Judentums 303) und Christentums, seine Zuordnung erfährt er durch entsprechende Attribute.304 Der als dei cultus bezeichneten Verehrung des christlichen Gottes 305 bzw. dann konkret dem christlichen Kult in Form des Gottesdienstes 306 wird ein breites Spektrum heidnischen ‚Kultes‘ gegenübergestellt: Die Heiden verehren generell Götter,307 damit indirekt den Teufel,308 die lasterhaften Vergehen der Götter,309 schließlich ihre Bilder,310 insgesamt 303

Vom jüdischen Kult spricht Zeno nur indirekt in II 25,2 (2x): angesichts seiner Kritik am jüdischen Pascha wird Zeno von einem fiktiven Gesprächspartner entgegengehalten: „ ,At imaginem colunt.‘ “, worauf Zeno antwortet: „Nec ipsam quidem, quia falso colit imaginem, qui eius non diligit veritatem.“ „Sie pflegen das Bild des Pascha“ dürfte nichts anderes heißen als „sie feiern es allegorisch“, und damit bezeichnet das Verb colere auch hier eine quasi-gottesdienstliche Handlung. 304 Der Gebrauch des Terminus entspricht damit dem bei anderen christlichen Autoren. Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 169.233. 305 So in I 4,15;I 13,5; II 7,5. In II 7,11 steht cultus als Verehrung des christlichen Gottes schon fast synonym mit ,christlicher Religion‘: „Non enim video, quid in exhortationibus divini ac veri cultus gentibus praedicem.“ Ähnlich auch II 7,18 amore divini cultus und (negativ, auf Häretiker bezogen) II 9,2 mutato nomine et cultu. – Erstmals systematisiert und ins Zentrum philosophischer Überlegungen gestellt wird der verus cultus von Augustin; s. T. KOBUSCH, Christentum; eine inhaltliche Fülle, wie sie Augustin für den christlichen Kult entwickelt, bieten die zenonischen Predigten nicht; die Mittel derer sich Augustin bedient, sind jedoch schon bei Zeno grundgelegt: erst eine Abgrenzung erlaubt die positive inhaltliche Füllung; vgl. ebd. 97 u. ö. – Zenonisch beinhaltet der Terminus dagegen auch eine noch recht ,gegenständliche‘ Facette: Die Taufbewerber erfahren eine Pflege (cultus!), die sie aus „Unkraut“ zu „Getreide“ wandelt (I 41,1). S. auch dei colendus in II 9,2; derjenige, der Gott verehrt, wird in I 25,9 und I 54,1 als colens bezeichnet; zu dei cultura in I 1,12 aber s. u. S. 147. – Christlich „verehrt“ werden (coli) können nach Zeno auch die pudicitia (I 1,1), humilitas (I 36,12) und veritas (I 36,30); letzteres scheint jedoch noch nicht auf die augustinische Konzeption vom Christentum als Religion der Wahrheit abzuheben; vgl. T. KOBUSCH, Christentum. 306 I 2,14: „solemnia … divina“. 307 I 14,4: „deos colere“. 308 I 1,11: „per quos [sc. deos] aut in quibus diabolus colitur“. 309 I 1,12: „facinorosa facinorosorum ... colenda crimina“. 310 Die Christin, die sich schmückt, verehrt (wie eine Heidin) ein idolum. I 14,6: „Ancilla Christi, falso idolum respuis; mihi crede: in te colis, cuius ornatum, cuius imaginem non deponis.“

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„verabscheuungswürdige Gebilde“,311 da selbst geschaffen.312 Während der Christenverfolgungen wurden sogar die Christen zur Teilnahme an der frevelhaften Zeremonie gezwungen.313 Allein die Verknüpfung des Terminus cultus mit den Attributen macht die Polemik gegen heidnischen Kult aus, er hat die unterschiedlichsten (negativ belegten) Facetten. Konkrete inhaltliche Angaben zu dem, was heidnischer cultus ist, macht Zeno nicht.314 b) servitus Der Terminus servitus selbst wird von Zeno im Sinne religiöser Verehrung nur ein einziges Mal benutzt, und zwar innerhalb eines Schriftzitates. 315 Zusammen mit dem Verb servire und dem Nomen servus bildet es jedoch ein Wortfeld, dessen Anlage etwa deckungsgleich mit dem von cultus ist: Einem heidnischen Wortfeld wird ein christliches gegenübergestellt. 316 Das christliche Wortfeld zeichnet sich jedoch durch eine größere Vielfältigkeit aus, als direktes Objekt begegnen deus,317 dominus318 und filius.319 311

I 37,3: „abominanda figmenta“. I 13,6: „deum colit quem ipse disposuit“. 313 I 39,2: „in cultum nefandi ritus“. 314 Ähnlich wie eine christliche Verehrung auch auf Tugenden übertragen werden kann, s. I 31, so benutzt Zeno den Terminus cultus auch zur Kennzeichnung von Lastern: er kennt die Verehrung der avaritia, s. I 5,15; II 1,8, also von Silber und Gold, s. I 14,5; II 1,19; auch diese Form des cultus verhindert christliche oratio, s. I 14,6. Weiter die Verehrung des „Fleisches“, s. II 4,9: caro ... gulae labore culta, und der Welt insgesamt, s. I 14,7: cultus ... mundi, die den Vorgaben Gottes vorgezogen wird und insofern eine indirekte Form des Heidentums ist. Eine Sonderform des Kultes liegt vor, wenn Philosophen eine „gläubige Annahme“ ihrer Lehren verlangen, s. II 9,1: „cum ingenii sui carmen coli vel maxime cupiunt“. 315 Eph 5,5 in II 5,8. – Zwei weitere Male taucht servitus im ursprünglichen Sinn von Sklaverei auf, s. I 4,21; I 46B,1. 316 Beides findet sich auch bei anderen christlichen Autoren; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 756. – In Bezug auf das Judentum ist der zenonische Befund zum Begriff servitus sehr dünn: Es werden damit historische Daten belegt wie die Sklaverei in Ägypten (I 9; I 46B,1; II 16) oder die politische Abhängigkeit von Rom (I 28,2; I 52); in religiöser Bedeutung findet sich lediglich Jl 1,13 in I 25,6: „lugete omnes, qui deservitis altari“ – ob damit die vorher genannten Priester oder die Juden insgesamt gemeint sind, kann hier nicht entschieden werden – sowie die Formulierung „multisque diis ac regibus servire gestiunt, qui uni deo per inpatientiam servire minime potuerunt“ in I 4,10 (bezogen auf Ex 17,4). Die Juden verhalten sich also wie Heiden. 317 I 1,3: „in populo Christiano, qui ... deservit deo“; I 10A: „Iram dei ... qui vult effugere, debet illi inculpate servire.“ (indirekt auf ein Versagen der Juden bezogen); I 15,5: „dei servus“ (= Ijob); I 54,1: „vera cognitio est deum non nosse nisi ... requirendum quam ... eius ... voluntatem, sine qua ei nec legitime servire poterit“ (= Theologiekritik); II 3,2: „quae nos diligere deum ac soli illi servire ... compellit“; II 3,18: „Igitur si dei servus es, stultas et ineruditas quaestiones evita ... Servum autem dei non 312

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Diener Gottes sind die alttestamentlichen Vorbilder sowie die getauften Christen. Das Verhältnis Gott – Christ wird dann auch mit dem zwischen pater familias und servus verglichen, eine Vorstellung, die Zenos Hörerkreis vertraut und verständlich gewesen sein dürfte. 320 Die Getauften schließlich werden als diejenigen bezeichnet, „qui mensae deserviunt“,321 die also an der Eucharistiefeier teilnehmen können. 322 Die Heiden dienen demgegenüber fremden (im Sinne von ‚befremdlichen‘) 323 bzw. grausamen, ehebrecherischen Göttern,324 sie sind Sklaven der Dämonen 325 und der Götterbilder,326 Diener der Idolatrie.327 oportet litigare“ (Gemeint ist wohl jeder Christ, v. a. aber der theologisch gebildete. Ob Zeno mit servus dei hier ausschließlich Kleriker meint, kann allerdings nicht entschieden werden.); II 3,19: „Ceterum illa est fidei generositas vera, ut deo fideliter serviat“; II 5,6: „de eius [sc. dei] ... servis“; II 26,3: „fontem sacrum ... quibus aquis dei servi liberantur, iisdem, qui non fugiunt, sed portant peccata, delentur“ (Hier sind eindeutig alle Getauften gemeint, denen die ungetauften Sünder, also nach wie vor Heiden, gegenübergestellt werden). 318 I 43,6: Abraham ist explizit servus domini; der Begriff wird aber auch auf Ijob bezogen in I 4,19: „contumelia est laudare dominum, cuius condigne laudare non queas servum“ und in I 15,7: „et quid ditius domino, cuius sunt omnes divites servi“. 319 Is 45,14 in II 8,5: „Denique apud Esaiam ad filium sic dicit dominus deus sabaoth : ... et Sabain viri excelsi ... et tui erunt servi“. 320 I 35,8. Die Analogie zwischen Gott und dem pater familias findet sich schon bei Tertullian und Laktanz; s. A. W LOSOK, Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung, AHAW.PH 1960,2, Heidelberg 1960, 232–246. H. F. VON CAMPENHAUSEN, Lateinische Kirchenväter, UB 50, Stuttgart u. a. 61986, 70, beobachtet für Laktanz „eine Interpretation des biblischen Gottesgedankens, wie sie gerade dem römischen Empfinden entsprach, ja man darf es wohl noch schärfer ausdrücken: wir stoßen hier auf eine echte ,Kommensurabilität‘ des biblischen und des römischen Denkens (Kraft). Die römische Vorstellung des gesetzlichen Herrentums und Herrschertums, wie sie auch dem ,pater familias‘ eignet, wird in der Übertragung auf den souveränen Gott im Christentum völlig zu Ende gedacht. Die Bibel, auf die sich Laktanz hierbei stützt, ist dabei immer noch in erster Linie das Alte, und zwar das moralisch verengte Alte Testament.“ 321 I 41,3. 322 Mensa ist hier nicht als Altar und Opfertisch zu verstehen, dessen Diener wohl eher Kleriker sind, sondern als Bild für das gemeinsame Mahl. Vgl. auch „qui deservitis altari“ in I 25,6. – In übertragenem Sinn dient darüber hinaus die Natur dem Schöpfer, s. I 4,5; I 7,2 und die gesamte Zeit der „zweiten Beschneidung“, s. I 3,23. 323 Jr 25,6 in I 25,4: „Nolite ambulare post deos alienos, ut serviatis eis“. Die Formulierung ambulare post alienos deos begegnet auch in Dt 11,28. An beiden Stellen richtet sie sich an die Juden und formuliert das Verbot, Götter anderer Völker zu verehren. Zeno verfremdet das Zitat hier in zweifacher Weise: Zum einen richtet er es an die Heiden, zum anderen versteht er unter dei alieni tote und in diesem Sinne verrückte Götter; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 307. 324 II 7,18: „diis crudelibus, diis adulteris serviens“. 325 II 7,12: „daemoniorum servis“. 326 Eph 5,5 in II 5,8: „idolorum servitus“.

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Das Wortfeld servitus ergänzt also schlüssig die Facetten des heidnischen cultus. Auch hier finden sich jedoch keine inhaltlich-konkreten Angaben. c) ministerium Ebenfalls nur ein einziges Mal taucht (im von Löfstedt edierten Text) in heidnischem Kontext der Terminus ministerium auf.328 In I 39,2 spricht Zeno von der illiciti administratio ministerii und fasst damit die vorher von ihm aufgezählten kultischen Handlungen zusammen, zu denen die Christen während der Christenverfolgung zur Zeit des Arcadius gezwungen wurden. Offensichtlich bezeichnet ministerium nicht jede Art von kultischer Handlung, sondern zusammenfassend nur Arten von Opfern. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass den aufgezählten Opfergaben der Christi panis gegenübergestellt wird, der den Christen „ausgetrieben“ werden sollte.329 Eine Bestätigung findet dieser Eindruck durch die Bezeichnung des Isaakopfers als ministerium bzw. ministerium immolationis.330 Darüber hinaus wäre es denkbar, dass Zeno christliche Kleriker mit ministri bezeichnet,331 insofern sie aktiv am christlichen Opfer beteiligt sind. 332 327 I 33,2: „idolatriae deservientes“. – Im übertragenen Sinn gibt es auch einen Dienst der avaritia, s. II 1,8: „avaritia ... aetas cui universa deservit ... cui subiugata sapientia servit“. Halbe Christen, und damit im Grunde Heiden, sind diejenigen, die dem Weltlichen dienen, s. I 35,5: „Fideles non sunt ... factis saeculo servientes“. 328 S. allerdings B. LÖFSTEDT, Tractatus, 114*, der darauf hinweist, dass ministerium für mysterium und umgekehrt überliefert sind, was durchaus christlich-lateinischem Usus entspricht. Demnach könnte in I 3,2 ministerium auch statt mysterium in paganem Kontext, nämlich dem Kybele-Kult, und allgemein ministeria daemonum in I 35,5 statt mysteria daemonum gelesen werden. Diese Lesarten machen durchaus auch inhaltlich Sinn und ändern nichts an der Bedeutung des Terminus und den Ergebnissen für die Auseinandersetzung Zenos mit dem Heidentum, wie sie im Folgenden für I 39,2 aufgezeigt werden; sie bestätigen diese vielmehr. 329 I 39,2: „Cogebatur Christi populus ... nunc aut libamina inceste profundere aut ornatus sertis victimas trahere aut gravia nidoribus tura succendere aut inter fumidos ignes pallenti arvina, funesto sanguine perlitare, ut illiciti administratione ministerii Christi panis mentibus possit expelli.“ – Berücksichtigt man die Variante ministerium auch in II 6,11 wird schließlich der christliche Gottesdienst selbst mit diesem Terminus belegt. 330 I 59,6.7. – Entsprechend dem Hinweis bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 114* und der Aufnahme der Lesart ministerium in den Text durch Perazzini bzw. Giuliari kann in I 43,4 statt mysterium auch ministerium das Isaakopfer bezeichnen; liest man dementsprechend in I 37,15 ministeria universa, wird ein typologischer Zusammenhang zwischen Isaakopfer und Christi Kreuzestod deutlich. Zur Problematik der Austauschbarkeit von ministerium und mysterium s. u. S. 160, Anm. 456. 331 I 6. 332 Vgl. o. Anm. 322.

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Deutlich wird durch die angeführten Anwendungen in christlichem Kontext auch, dass der Terminus an sich neutral, ja vielleicht sogar eher positiv gefärbt ist. Das zwingt Zeno, ihn in Bezug auf heidnisches Tun näher zu qualifizieren. Erst durch illicitus 333 wird das heidnische ministerium zum verwerflichen Gegenteil des christlichen Opfers. d) ritus Ein Begriff, der von Zeno dem Heidentum vorbehalten wird und von daher deutlich negativ gekennzeichnet ist, ist ritus. Ritus bezeichnet einen „heiligen Brauch“, eine „gottesdienstliche Zeremonie“. 334 Auch von anderen christlichen Schriftstellern scheint ritus nur (oder überwiegend) auf den offiziellen heidnischen Kult angewandt worden zu sein. 335

Zeno verstärkt die Negativität des Terminus durch Hinzufügung von sordidus 336 bzw. nefandus. InI 13,8 spricht er bei der allegoretischen Deutung Tamars als Bild der ‚Heidenkirche‘ davon, dass sie die sordidae religionis sordidos ritus ablegte. Ritus ist hier als Verrichtungen des offiziellen heidnischen Kultes zu verstehen. In I 39,2 berichtet Zeno davon, dass die Christen während der Verfolgung zu Opferhandlungen gezwungen wurden in cultum nefandi ritus. Bigelmair übersetzt „zum Ausdruck der Anerkennung der verabscheuenswerten Religionsübung“.337 Cultus dürfte hier tatsächlich die Bedeutung von ‚Pflege, Übung‘ 338 haben, allerdings mit dem negativen Beiklang, der ihm im Sinne von heidnischem Kult anhaftet. Auch hier kann ritus dann übersetzt werden mit „kultischen Verrichtungen“ im Sinne von offiziellem Kult.339 Ritus steht also zenonisch auf einer Ebene mit cultus. Zeno macht bei der Verwendung keineswegs Angaben über konkrete heidnische Kultriten, wie man es zunächst bei diesem Terminus erwarten würde.

333

Vgl. auch mysteria turpiora (für ministeria turpiora ?) in I 3,2; eindeutig negativ selbstverständlich auch mysteria daemonum in I 35,5. 334 H. MENGE, Großwörterbuch, 664; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2398; L. KOEP, Religio, 45. 335 S. A. B LAISE, Dictionnaire, 725; anders L. KOEP, Religio, 48, Anm. 35 und Anm. 38. 336 S. o. S. 80, Anm. 125. 337 A. B IGELMAIR, Traktate, 262; G. B ANTERLE, Discorsi, 169, folgt Bigelmair: „per dimostrare l’ossequio a un culto nefando“. P. LEIPELT, Traktate, 277, bietet hingegen „zur Übung einer greuelhaften Religion“. 338 S. H. MENGE, Großwörterbuch, 187; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1795. 339 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 725.

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e) adorare und venerari Der Befund zum Begriff adorare als einer ‚Form‘ des Kultes ist bei Zeno sehr dünn. In I 25,4 bedient sich Zeno der Zitation von Jr 25,6: „Nolite ambulare post deos alienos, ut serviatis eis, et ne adoraveritis eos, ne quando incitetis me in operibus manuum vestrarum et disperdam vos.“ Auch hier dient das Schriftzitat wiederum als Legitimation und Verstärkung einer Argumentation gegen den heidnischen cultus insgesamt. Als heidnische Form der Verehrung begegnet man adorare dann nur noch in I 53,1 und II 22 (statuam adorare und regis adorare imaginem) als Forderung Nebukadnezzars an die Drei Jünglinge (Dn 3,15). Bei Zeno bleibt adorare im heidnischen Kontext also biblische Terminologie, er übernimmt sie nicht für das zeitgenössische Heidentum. Der Grund dafür mag in der Zusammengehörigkeit von adorare und ðñïóêíåsí liegen,340 die in biblischem Kontext noch erhalten ist,341 im römischen Kult kaum mehr eine Rolle spielte, wohl aber in das spätantike Hofzeremoniell übernommen wurde. 342

Daher kann Zeno den Terminus im eigenen Sprachgebrauch für die Verehrung Christi reservieren 343 und dies durch ein auf Christus gedeutetes Jesaja-Zitat „et adorabunt te et in te precabunt“ 344 verstärken. Interessanterweise bleibt auch die Terminologie venerari / venerabilis weitgehend christlicher Verehrung vorbehalten, 345 eine veneratio in heidnischen Tempeln kennt Zeno nur bildlich auf die impudicitia bezogen.346 Dass der Terminus kaum eine kultische Konnotation hat, sondern eher im Sinne von ‚Hochachtung‘ zu verstehen ist, belegt Zeno durch den Hinweis, dass auch Nicht-Christen Christus verehren können: „de domino nostro, quem, pro nefas, venerantur externi“.347 340

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 147; H. MENGE, Großwörterbuch, 19. 341 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 57. 342 S. A. ALFÖLDI, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 31970, 46f.58 u. ö. 343 I 59,8: „dominum .... quem nefarium fuerat etiam tardius adorari“ (auf die Juden bezogen). 344 Is 45,14 in II 8,5; s. auch Gn 18,2 in I 62,1, wo deutlich die Proskynese mit der adoratio verbunden wird: „Et tunc Abraham respiciens oculis vidit viros tres, cucurrit, adorat prostratus in faciem“. 345 Verehrung Gottes in I 35,5; II 4,4, des Kreuzes in I 35,5, des Gesetzes in I 36,18, der Sakramente in I 37,10; II 22 und des Menschen als Abbild Gottes in I 36,24; auch fratres venerandi in II 21. – Auf die Juden bezogen, allerdings ironisch, in I 4,10: „altaria divina cum venerantur, evertunt“. 346 I 1,19: „venerandam se procurat in templis“. 347 II 18,1.

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Die Verehrung der Götterstatuen, die man in Verbindung mit adorare oder venerari als das den heidnischen Kult Prägende erwarten würde, fasst Zeno gewöhnlich unter dem polemischen, wenig konkreten Sammelbegriff idolatria. Wie sich diese idolatria jedoch wirklich gestaltete, erfahren wir von Zeno nicht. f) imitari Etwas dunkel scheint zunächst die Vorstellung von der ‚Nachahmung der Götter‘; durch die Nähe zum Totenkult und zum Verb colere in I 1,12 entsteht der Eindruck, dass auf eine kultische Handlung abgehoben wird. Zeno legt dar, dass die impudicitia dazu verführe, „lasterhafte Vergehen lasterhafter (Gestalten) zu verehren und (auch) nachzuahmen“ – „Sic, sic genus humanum a dei cultura rapuit [impudicitia], dum blanda festivitate facinorosa facinorosorum et colenda crimina et imitanda persuadet.“ Dass unter den „lasterhaften Gestalten“ (facinorosorum) die Götter zu verstehen sind, kann nur aus der vorhergehenden Bemerkung, dass die impudicitia die Götter hervorgebracht habe,348 geschlossen werden sowie aus den anschließenden exemplarischen Ausführungen zu Jupiter, Herkules und Venus. Eine kultische Imitatio ist v. a. aus den Mysterienkulten und da besonders aus der Deutung der Initiationsriten bekannt.349 Leicht zu übersehen ist die jedoch durchaus verbreitete Vorstellung einer uneigentlichen Imitatio im traditionellen römischen Kult, die sich auf dem Hintergrund einer peripatetischen Kulttheorie und ihrer Anschauung von der Entspannung des Kultausübenden im Kult auf die die Kulthandlungen begleitende Festfreude, ihren Ausdruck in Trinken, Essen und Tanzen, insbesondere im „Opferschmaus“, bezieht. 350 Mit einer Spiritualisierung der traditionellen Kulthandlungen trat in späterer Zeit die Sinnesfreude beim Götterfest zwar hinter einer Freude am intellektuellen Nachvollzug zurück, so dass es auch 348

I 1,11: „Nam deos ipsa [sc. impudicitia] genuit, ipsa intulit mundo, per quos aut in quibus diabolus colitur, quorum in actibus origo monstratur.“ 349 S. A. KEHL, Antike Volksfrömmigkeit und das Christentum, in: Christentum und antike Gesellschaft, hg. v. J. Martin u. B. Quint, Darmstadt 1990, 103–142, hier: 116: „Dazu trat aber noch etwas Neues: eine sehr enge Gemeinschaft mit dem Kultgott ... durch rituellen Nachvollzug der Tat eines Gottes. Gerade dies letztere, die Nachahmung (imitatio, mimesis) des Gottes, ließ die Identifizierung des persönlichen Geschickes mit dem des Gottes sinnhaft erleben, und so entstand aus der einmaligen Erfahrung des Heils bei der Initiation die hoffnungsvolle Gewißheit, dass dies im Kulterlebnis vorweggenommene Geschick sich im Tode real und endgültig vollziehen werde.“ Vgl. auch O. P ERLER, Art. Arkandisziplin, RAC I, 1950, 667–676, hier: 668.670. 350 A. DIHLE, Zur spätantiken Kultfrömmigkeit, in: Christentum und antike Gesellschaft, hg. v. J. Martin u. B. Quint, Darmstadt 1990, 143–168, hier: 148, verweist auf Strabon, der seinerseits einen anderen Autor referiere, wenn er sagt, „daß es zwar gut sei, sich durch die Nachahmung göttlichen Wohltuns der Gottheit anzugleichen, aber noch besser, sich in der Freude des Festes der göttlichen Eudaimonie anzupassen.“

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auf religiösem Gebiet zu einer für die hellenistisch-kaiserzeitliche Kultur typischen Trennung der Gedankenwelt der Gebildeten von der der einfachen Leute kam; durch diese wurde jedoch zugleich die Beteiligung von Gebildeten an herkömmlichen oder neuen Kulten relativiert wie gerechtfertigt.351 Eine solche Festfreude war durchaus auch mit dem Totenkult verknüpft: „Wie realistisch sie [sc. die Totengedächtnismähler] verstanden wurden und welche Rolle die bei ihnen übliche Festesfreude im Leben des Volkes spielte, läßt sich daran erkennen, daß sie mit dem Terminus technicus ‚laetitia‘ bezeichnet werden konnten.“ 352

Der Terminus laetitia scheint in der zenonischen Formulierung festivitas in I 1,12 noch durchzuklingen, die gleichzeitig durch das Attribut blanda ins Negative gewendet wird.353 Denn statt heroischer Taten der Vorfahren – darauf dürfte der einen Euhemerismus beinhaltende Einschub zum Totenkult abheben 354 – werden nach Zeno crimina verehrt (und im täglichen Leben gepflegt?) (colenda) und nachgeahmt (imitanda), die sich allerdings nicht nur im Essen und Trinken in kultischem Kontext erschöpfen. Zeno pervertiert hier die von Cicero referierte Vorstellung des Sokrates von der Nachahmung des Lebens der Götter durch sittlich gutes, insbesondere enthaltsames Leben 355 ins Gegenteil. Die crimina sind oben ja durch Nennung konkreter Gottheiten exemplarisch angeklungen: Es sind luxuria, daher facinorosa crimina, sexuelle Ausschweifungen. Dargestellt werden diese, wie die Ausführungen zu Jupiter, Herkules und Venus zeigen werden,356 in der bildenden Kunst und in den Mythen, die ihrerseits im Mimos des Theaters aufgeführt werden – auch darauf dürfte imitari abheben. Der gesamte Abschnitt I 1,12 verwebt in diffamierender Absicht Mythos, Kult und Euhemerismus; das Bindeglied aller drei Elemente ist das Verb imitari. Die Vielschichtigkeit und Doppeldeutigkeit der Stelle hat ihren Nachhall in sehr unterschiedlichen Übersetzungen des letzten Satzes

351

S. ebd., 148f. Dass die Gebildeten der hohen Kaiserzeit den Glauben an die Gegenwart der Götter beim kultischen Fest der Menschen jedoch sehr ernst nahmen und dieser als Begründung und Rechtfertigung für Schmaus, Tanz und Festfreude akzeptiert wurde, belegt die Haltung eines Plutarch; s. A. DIHLE, Kultfrömmigkeit, 150f. 352 Ebd., 167. 353 Zu anderen möglichen Übersetzungen von festivitas s. u. Anm. 357. 354 S. u. S. 289. 355 S. CIC. Tusc. 1,72 (254,10–15 Pohlenz): „qui autem se integros castosque servavissent, quibusque fuisset minima cum corporibus contagio seseque ab is semper sevocavissent essentque in corporibus humanis vitam imitati deorum, is ad illos a quibus essent profecti reditum facile patere.“ Zur Imitatio der Götter durch gutes Tun s. auch SEN. benef. 3,15,4 (240 Préchac / Rosenbach). – Auch AUG. util. ieiun. 7,9 (CChr.SL 46,237,262 Ruegg) kennt die heidnische Vorstellung von der Imitatio der Götter; angesichts der Vielheit untereinander streitender Götter mokiert er sich: „Si imitantur deos suos, litigant et ipsi.“ 356 S. u. S. 246–268.

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in I 1,12 gefunden.357 Da für die Einordnung der heidnischen Götter durch Zeno jedoch der versteckte Euhemerismus von höchster Bedeutung ist und es zugleich keinen Grund dafür gibt, die kultische Imitatio nicht durch festivitas in der ursprünglichen Bedeutung anklingen zu lassen, bietet sich diese Überlegungen berücksichtigend folgende Übersetzung der Stelle an: „So hat sie (die Impudicitia) die Menschheit von der Verehrung (des einzigen wirklichen) Gottes fortgerissen, indem sie sie überredete, in zum Genuss einladender (blanda) Festfreude die lasterhaften Untaten lasterhafter (eigentlich menschlicher) Gestalten (kultisch) zu verehren (aber auch im Mythos zu ‚kultivieren‘) und (zum Ausdruck der Festfreude in Form des Opferschmauses, sonst aber auch durch zügelloses Verhalten in Anlehnung an den Mythos im täglichen Leben) nachzuahmen.“ 358 Die singuläre Verwendung der Terminologie dei cultura als das eigentlich dem einzigen wahren Gott gegenüber gebührende Verhalten scheint mehr zu beinhalten als dei cultus, die Formulierung, die Zeno häufiger benutzt; der dei cultura sind heidnisches colere und imitari gegenübergestellt, deren kultische wie alltägliche Doppeldeutigkeit aufgezeigt wurde. Gemeint dürfte daher nicht nur die grundsätzliche, über einzelne kultische Akte hinausgehende Verehrung des christlichen Gottes sein, sondern auch ein Sich-Bemühen um ‚christliche‘ Tugendhaftigkeit 359 und eine sich in der Folge ergebende Nachahmung tugendhafter ‚christlicher‘ Vorfahren im Alltag, die gegenüber den Göttern und ihren Mythen als Inhalte heidnischen Bildungsgutes von Zeno als Elemente christlichen Bildungsgutes an anderen Stellen immer wieder hervorgehoben werden. 360 357

Während A. B IGELMAIR, Traktate, 96, den Euhemerismus erkennt, deshalb von „schändliche[m] Tun von schändlichen Menschen“ spricht und vermutlich aus diesem Grunde die impudicitia auf ,angenehm lockende Art einreden‘ lässt, festivitas also als rhetorischen Terminus technicus für ,Zierat der Rede‘, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2740, dort allerdings für den Plural festivitates angeführt, auffasst, übersetzt G. B ANTERLE, Discorsi, 29, facinorosorum mit einem vergleichbar uneindeutigen „scelerati“ und hebt bei der Übersetzung von festivitas durch das italienische „festevolezza“ stärker auf die Imitatio in kultischem Kontext ab. G. EDERLE, Sermones 1955, 87, folgt scheinbar Bigelmair in der Übersetzung von festivitas als rhetorischem Terminus, lässt jedoch durch das uneindeutige „malvagi“ den Euhemerismus außen vor. P. LEIPELT, Traktate, 81, hingegen hatte schon, wie später Bigelmair, durch die Hinzufügung des Substantives „Menschen“ den Euhemerismus deutlich betont, jedoch blanda festivitas als „zur Lüsternheit reizende Festfeier“ verstanden, so dass die Verknüpfung der kultischen Imitatio in der Festfreude nicht zum Ausdruck kommt. 358 I 1,12: „Sic, sic genus humanum a dei cultura rapuit, dum blanda festivitate facinorosa facinorosorum et colenda crimina et imitanda persuadet.“ 359 Vgl. I 1,1: „Pudicitiam qui colit“. 360 S. u. S. 488–503. – Ein eindeutiger Beleg für eine solche Verwendung von cultura lässt sich nicht finden, vgl. ThesLL 4, 1323f., da diese Bedeutung hier nur auf dem Gesamthintergrund der Traktate aufscheint. Sowohl Tertullian als auch Cyprian als auch

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Dass nämlich Imitatio der luxuria der Götter tatsächlich im täglichen Leben auch der Christen 361 stattfindet, belegt gleich der im Traktat anschließende Passus, der die Verknüpfung von luxuria und imitari anwendet auf Ehefrauen, die es ihren Männern gleichtun und Ehebruch begehen: „Adeo viris contra dei legem deique iustitiam evagandi extra legitimum torum peregrina luxuria inspirat [impudicitia] … ac sic eorum quoque feminas a pudore divellit, quae desertae … si talia gerant, putant se aut imitari aut vindicari.“ 362 Das Vorbild der Götter ‚inspiriert‘ die Ehemänner, welche wiederum von den Ehefrauen nachgeahmt werden, zu peregrina luxuria. Die Ehefrauen betrachten es aufgrund solcher imitierender Gewohnheiten geradezu als ein ihnen zustehendes Recht. 363 Hier äußert sich deutlich die Befürchtung des Veroneser Bischofs, dass der Alltag der zenonischen Gemeinde weniger Gefahr läuft, vom heidnischen Kult, als vielmehr von ‚säkularisiertem‘ heidnischen Kulturgut, nämlich dem Vorbild der Götter, wie der Mythos es darstellt und es über das Theater verbreitet wird, beeinflusst zu werden. Er sieht jedenfalls darin die Ursache untugendhaften Verhaltens auch der Christen. Ein zweites Mal fällt der Begriff imitari in I 14,4; und auch hier zeigt sich – die vorangehende Beobachtung bestätigend –, dass durchaus das alltägliche Verhalten Imitatio der als tote Verbrecher entlarvten Götter ist: Derjenige (und auch hier sind selbstverständlich christliche Zuhörer angesprochen), der Gold und Silber verehrt, praktiziert nach Zenos Ansicht heidniLaktanz benutzen dei cultura offensichtlich im Sinn von rein religiöser Verehrung Gottes, s. ebd., 1323; allerdings kennen einige christliche Autoren in bildlichen Zusammenhängen auch gegenüber einer mundi cultura, s. AUG. serm. 166,2 (371 Mai), eine eigene christliche cultura : So sagt etwa LEO M. serm. 14,1 (CChr.SL 138,56,1–3 Chavasse): „in dominico agro … oportet nos prudenter atque vigilanter spiritalem exercere culturam“. Wie eine solche spiritalis cultura konkret aussehen konnte, beschreibt GREG. T UR. glor. conf. 33 (MGH.SRM 1,2,8–17 Krusch): „puella quaedam religiosa atque devota Deo, quae in rure conmanens, quo ab urbica populatione submota, liberius dignas Deo laudum hostias exhiberet; cotidie autem ieiuniis et orationibus insistebat. … sic exercuit mentem cultura spiritali …“. Nach EUCHER. form. 3 (CSEL 31,1,14,21 Wotke) sind unter cultura zu verstehen: „sancti qui excoluntur in deum“; die Formulierung ‚excoli in deum‘ dürfte auf eine auf Gott ausgerichtete ,Bildung‘ abheben; zu excolere im Sinne von ,bilden, veredeln, verfeinern‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2529. 361 Nur wenn dies gemeint ist, macht der Einschub „contra dei legem deique iustitiam“ in I 1,13 Sinn. 362 I 1,13. 363 Nicht nur der Gleichklang von imitari und vindicari in I 1,13 dürfte bewusst von Zeno eingesetzt sein, um einen gewissermaßen zwangsläufigen Zusammenhang herauszustellen; auch die Doppeldeutigkeit von vindicare im Sinne von ,in Anspruch nehmen, zustehend fordern‘ einerseits und von ,ahnden, bestrafen, rächen‘ andererseits, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3497f., dürfte durchaus gewollt sein.

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schen Kult und davon geprägten heidnischen Alltag: „Unde apparet eum, qui diligit aurum et argentum, non tantum deos colere, sed eorum mores et actus imitari.“ Der Hinweis auf mores et actus der Götter im Zusammenhang mit Gold und Silber soll nach Zenos eigenen Angaben im folgenden Abschnitt erhellt werden. Danach scheinen die mores der Götter darin zu bestehen, dass sie sich in Form von goldenen und silbernen Götterbildern in den Tempeln verehren lassen, sie also Gold und Silber als Schmuck ihrer selbst schätzen.364 Zu den actus im eigentlichen Sinn finden sich keinerlei weitere Ausführungen. Hier dürfte auf die allseits bekannten mythologische Untaten abgehoben sein, die eine Hemmungslosigkeit im täglichen Leben der Menschen nach sich ziehen. Der Imitatio der mores et actus der Götter wird von Zeno ein christliches imitari gegenübergestellt.365 Nachahmenswert für Christen sind die Vorfahren,366 eigens genannt sind auch die Propheten 367 und generell Tugenden.368 Die Mehrschichtigkeit des Begriffes imitari und v. a. die Gegenüberstellung der heidnischen und der christlichen Imitatio deutet bereits hier darauf hin, dass die Göttergestalten zwar auch als kultisch Verehrte (in der kultischen Imitatio), dann aber durch den Euhemerismus entmythisiert v. a. auch als kulturelles Bildungserbe (des Mythos, der im Theater vermittelt wird und zu Imitatio im täglichen Leben verlockt) für das Christen364

I 14,5f. A. DIHLE, Kultfrömmigkeit, 154f., referiert die Position des Origenes bezüglich einer ,Überlegenheit‘ christlicher Feste: Dieser „lehnt … für den vollkommenen Christen jede Art von Kult und Fest, also jede in der Sinnenwelt fixierte und nur dort faßbare Äußerung einer Kommunikation zwischen Gott und Mensch als überflüssig ab, da sich das ganze Leben eines solchen Menschen in ununterbrochener geistiger Gemeinschaft mit Gott vollzieht. Umgekehrt anerkennt er Kulthandlungen und Feste als notwendige Orientierungs- und Erinnerungshilfen für den Normalchristen, dessen Denken und Handeln bei allem Streben nach völliger Vergeistigung von Materie und Geist bestimmt bleibt.“ So explizit führt Zeno dieses hier nicht aus. Dass die christliche Imitatio jedoch der erinnernden Hilfestellung bedarf, bemerkt er, wenn er als einen der Gründe für seine Predigt über die Passio des Märtyrers Arcadius in I 39,1 anführt: „cum ad caeleste praemium populus accenditur“. 366 In II 20,2 wird der Jude aufgefordert: „In eremum proficiscere, si tuos vis imitari maiores.“ Als Vorfahren der Christen werden biblische Vorbilder vorgestellt, s. I 4,12; ausdrücklich auch in I 15,1: „Sacrae historiae, fratres dilectissimi, ad hoc nobis est tradita legenda narratio, ut maiorum, si fieri potest, saltem aliqua ex parte mores imitemur, si non possumus imitari virtutes.“ Maiores sind auch vom Heidentum zum Christentum Bekehrte; s. I 46B,1. 367 II 9,3: „Indicat ille [sc. propheta], sed nobis, quos cupit quod facit ac praedicat imitari.“ 368 I 15,1; II 29,3: „cuius exsecratus sis corruptelam, optes imitari virtutem“. Dazu s. u. S. 534–562 (discere virtutem und mores imitari). 365

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tum eine Konkurrenz darstellten, an dem die Christen sich eben nicht orientieren sollen. Sie haben ihre eigenen Vorbilder. 2. Opfer-Terminologie Unter ‚Opfer-Terminologie‘ sollen an dieser Stelle Begrifflichkeiten untersucht werden, die noch nicht konkret beschreiben, sondern erst abstrakt kultische Akte bezeichnen (abgesetzt von den abstrakten, den Kult als Oberbegriff kennzeichnenden). Es ist zu überprüfen, ob Zeno den allgemeinen Sprachgewohnheiten folgt und welche Schlüsse sich daraus für die Intention der zenonischen Polemik ziehen lassen. a) sacrificium Mit dem Terminus sacrificium bezeichnet Zeno eindeutig das Opfer sowohl heidnischer wie auch jüdischer Provenienz. Im übertragenen Sinn kann der Begriff sogar auch ein christliches Opfer meinen. 369 Eine Schlüsselfunktion kommt dabei Traktat I 25 zu, das in Auslegung von Ps 49,7.12–15 die Neugetauften 370 in eine Lehre vom christlichen Opfer 371 einführen und das nach Zenos Ansicht unzulässige Hinwegsehen von Christen über den Vollzug heidnischer Opfer auf ihrem Grund und Boden rügen soll.372 Von daher ist eine deutliche Differenzierung nötig: „Primo omnium sacrificiorum tria esse genera, novelle, disce, Christiane, ne quo seducaris errore.“ 373 Im Folgenden erläutert Zeno das gentium sacrificium,374 die Judaeorum sacrificia bzw. das Judaei sacrificium 375 und das

369 Vgl. die Differenzierung „Die Opfer der ,anderen‘ “ – „Das eigene Opfer“ bei K. S. FRANK, Zum Opferverständnis in der Alten Kirche, in: Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche, hg. v. K. Lehmann u. E. Schlink, Freiburg / Göttingen 2 1986, 40–50, hier: 40f. 370 Der Traktat richtet sich zwar generell an fratres dilectissimi, s. I 25,1, insbesondere aber an die neu in die Gemeinde aufgenommenen, I 25,3: „Primo omnium ... novelle, disce, Christiane“; auch „dulcissimi flores mei“ in I 25,13. Es könnte sich also um eine der zahlreichen zenonischen Mystagogien handeln, so dass mit fratres dilectissimi nicht die gesamte Gemeinde gemeint sein muss. 371 I 25,9. Anders als bei anderen westlichen Kirchenvätern, vgl. A. P OLLASTRI, Art. Sacrificio, DPAC II, 1983, 3060–3062, hier: 3061, bietet Zeno keine Opfertheologie: sacrificium bezeichnet weder den Tod Christi noch die Eucharistie im eigentlichen Sinn. 372 I 25,10: „in praediis autem vestris fumantia undique sola fana non nostis, quae, si vera dicenda sunt, dissimulando subtiliter custoditis.“ Demgegenüber gehört das Opfer der Juden der Vergangenheit an, s. I 25,6: „Multa sunt, quae dici possunt, sed satis otiosum est in his demorari, quae in toto iam non sunt.“ 373 I 25,3. 374 Ebd. 375 I 25,6.7.

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Christiani sacrificium.376 Die Terminologie lässt sich ergänzen durch die Verbalausdrücke sacrificare,377 sacrificium procurare,378 (sacrificium) proferre,379 (sacrificium) comparare,380 sacrificium aut sumere aut offere 381 und schließlich inplere sacrificium.382 Etwas konkreter ist der im Schriftzitat (Ps 49,14) übernommene Terminus immolare sacrificium 383 und das ihm negativ gegenübergestellte iugulare.384 Ihre Wertigkeit erhalten heidnisches, jüdisches und christliches sacrificium durch die ihnen jeweils beigegebenen Attribute. Das heidnische Opfer unterscheidet sich zunächst formal vom christlichen dadurch, dass es, entsprechend gängiger Terminologie,385 die hier jedoch für das heidnische Opfer insgesamt verallgemeinert wird, publicum 386 ist. Wertend nennt Ze376 I 25,7. Ähnlich differenziert Zeno in II 7,14 mit suum sacrificium („das je seinige Opfer“) zwischen heidnischem und christlichem Opfer; eine Differenzierung wird auch angedeutet durch sacrificium nostrum (I 25,9), sacrificium vestrum (I 25,10; = das ,halber Christen‘) und sacrificia sua (I 28,1; = das der Juden). 377 Sacrificare beschreibt sowohl heidnisches (I 25,5 (2x).11), jüdisches (I 51) wie christliches (I 34,9) Opferhandeln. 378 Dieser Ausdruck steht in I 25,4 für heidnisches, in I 25,13 für christliches Opferhandeln. 379 Dieser Ausdruck steht in I 25,9 sowohl für heidnisches wie für christliches Opferhandeln. 380 Ebd., ebenfalls für heidnisches wie für christliches Opferhandeln. 381 Der Ausdruck wird in I 25,(7).12 neutral gebraucht; seine Zuordnung erfährt der Terminus offere durch Hinzufügung eines Attributes – non cruentibus manibus, sed sensibus mundis offere in I 25,9 –, eines Adverbs – indigne offere in I 25,12 – bzw. durch das handelnde Subjekt – sanctus spiritus offerat in I 25,13. 382 Subjekt zu diesem Ausdruck in I 43,4 ist Abraham. 383 I 25,1.3.8. 384 I 25,9: „quod non iugulatur ut pereat, sed, sicut Isaac, immolatur ut vivat“. – Umgekehrt können die Opfer von Gott entweder verworfen (repudire in I 25,6) oder angenommen werden (approbare in I 25,7; accipere in I 25,7.10; probare (2x) in I 25,13); schließlich kann Christus durch sie verherrlicht werden (gloriari in I 25,13). 385 Zur Differenzierung der sacra publica von den sacra privata s. etwa G. W ISSOWA, Religion, 398–402, oder auch J. RÜPKE, Religion, 27–31. Zeno bezeichnet hier jedoch den isolierten Akt des sacrificium mit dem entsprechenden Attribut; zur zenonischen Differenzierung von sacra und sacrificium s. u. S. 150–158. 386 II 7,14: „Quid, quod illius sacrificium publicum est, tuum secretum? Illius a quovis libere tractari potest, tuum etiam a Christianis ipsis minime consecratis sine sacrilegio videri non potest?“ Vgl. auch publicum scelus in I 39,2. Im Gegensatz zum heidnischen ist das christliche Opfer secretum. Der Glaube, der die Inhalte der Arkandisziplin, auf die Zeno hier anspielt, preisgibt, ist nicht publica (= allgemein bekannt) oder publicata (= geoffenbart; vgl. oraculis frequentibus publicavit in II 4,3), sondern fides ... publicana (II 3,10; = dirnenhaft oder zöllnerhaft; vgl. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 115*f.)! – Zur Arkandisziplin, die das Christentum mit den Mysterienkulten gemeinsam hatte s. O. P ERLER, Arkandisziplin, 667–676 (ebd. 672.673.674 wird Zeno mit II 3,10 und II 7,14 ausdrücklich als Zeuge für die Praktik der Arkandisziplin im Westen angeführt); zur

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no es detestabile,387 quam exsecrabile, tam inane,388 nec legitimum,389 es ist dementia,390 weil es sich an nescientibus 391 bzw. an daemoniis 392 und diis 393, und zwar als sacrificium corporale an diis corporalibus,394 wendet. Alles in allem ist das heidnische Opfer ein sacrificium vituperationis.395 Der Befund zu sacrificium bzw. sacrificare zeigt, dass abgesehen von den jeweiligen Inhalten der Terminus an sich neutral ist. Die jeweilige Bewertung hat ihren Grund natürlich in den inhaltlichen Verknüpfungen. So wird dem heidnischen sacrificium corporale das christliche sacrificium spiritale, ex corde gegenübergestellt.396 In Anlehnung an Ps 49,14 ist es für Zeno ein sacrificium laudis.397 Eine explizite Bewertung des christliVorsicht gemahnt allerdings C. J ACOB, „Arkandisziplin“, Allegorese, Mystagogie. Ein neuer Zugang zur Theologie des Ambrosius von Mailand, Theoph. 32, Frankfurt am Main 1990, passim. Insofern ist Zenos verallgemeinernde Gegenüberstellung heidnisch = öffentlich – christlich = verborgen nicht ganz korrekt. Die starke Vernachlässigung der Mysterienkulte durch Zeno – ein einziger Hinweis auf den Kybele-Kult, der ihm allerdings auch allein durch eine Catull-Lektüre bekannt sein könnte, findet sich in I 3,2, für den Terminus imitari konnte gezeigt werden, dass er nicht ausschließlich auf Mysterienkulte abheben muss –, deutet daraufhin, dass sie trotz der archäologischen Befunde für Zenos Gemeinde kaum mehr eine Konkurrenz sind. Oder sollte Zenos Unkenntnis gerade an der auch in ihnen praktizierten Arkandisziplin liegen? 387 I 25,3. 388 Ebd. 389 I 25,5. 390 I 25,4; vgl. LACT. inst. 2,4,6 (CSEL 19,1,108,6f. Brandt). 391 Ebd. 392 Dt 32,17 in I 25,5.8. 393 Ex 22,20 ebd. 394 I 25,9; der polemisch gemeinte Begriff corporale deutet gleichzeitig schon auf den Inhalt des heidnischen Opfers, dem auf christlicher Seite ein spiritueller Inhalt (spiritale) gegenübergestellt wird; s. hier Anm. 397. Ganz ähnlich LACT. epit. 53,1 (CSEL 19,1,734,3–5 Brandt), der sacrificium corporale und incorporale gegenüberstellt. 395 I 25,8. 396 I 25,9. Diese Terminologie entstammt noch der frühen Apologetik, die mit dem Verweis darauf, dass Gott keiner materiellen Opfergaben bedürfe, sondern vielmehr ,auf dem Altar des Herzens‘ bzw. ,im Tempel des menschlichen Leibes‘ angemessen verehrt werde, den heidnischen Vorwurf des Atheismus des Christentums, der sich nach paganem Verständnis in der Verweigerung traditioneller Kultformen äußerte, zu entkräften versuchte. S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 190f. Zu sacrificium spirituale vgl. auch M. FINI, „Sacrificium spiritale“ in Tertulliano. Ricerca sul significato del culto christiano, Bologna 1978. Leider ist unter diesem Titel lediglich das vierte Kapitel einer „tesi dottorale“ veröffentlich, das sich auf die Darstellung des „Inizio di una dottrina sul ‚sacrificio eucaristico‘ “ beschränkt, während die für einen Vergleich Tertullian – Zeno vermutlich ergiebigeren Kapitel 1 „Terminologia culturale“, 2 „Il ‚sacrificio‘ nella vita di preghiera“ und 3 „Il ‚sacrificio‘ nella vita di ascesi“ unzugänglich bleiben. 397 I 25,1.3.8. Dass diese Spiritualisierung des Opfers zur Zeit Zenos bereits eine christliche Tradition bis hin zur gleichen Begrifflichkeit hat, zeigt K. S. FRANK, Opfer-

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chen Opfers erschöpft sich hingegen in den Attributen mundum 398 und gratum.399 Indirekt ist es natürlich als einziges der drei Arten von Opfern als legitimum zu erschließen,400 da ja auch der opfernde Christ als einziger legitimus ac devotus cultor ist.401 Ein Gott angemessenes Opfer ist konkret ein „zerknirschtes Herz“ (cor contribulatum) 402 bzw. die Tugend der pudicitia.403 Darüber hinaus bezeichnet Zeno in christlichem Kontext mit dem Terminus sacrificium das Isaakopfer,404 aber auch die konkrete (eucharistische) Opfergabe, die vom Gottesdienst mit nach Hause genommen wird.405 Aus den Charakterisierungen, mit denen Zeno das christliche Opfer belegt, wird schon klar, dass auch hier die Qualität des Adressaten, aber auch des Opfernden ganz deutlich die Qualität der Handlung bestimmen. So kann Zeno zum Abschluss seiner Differenzierung der drei Genera von Opfern über die nichtchristlichen Opfer sagen: „cetera autem nihil proderunt, si colentis pura mens non sit“ – die Bestätigung liefert wiederum die

verständnis, 41–43, mit seinen Ausführungen zu den Apostolischen Vätern und zur Apologetik. Grundlage sind auch hier natürlich alttestamentliche Vorgaben (ebd., 41). Vom sacrificium als laus sprechen etwa auch T ERT. adv. Marc. 3,22,6 (CChr.SL 1,539f.,17f. Kroymann) und LACT. inst. 6,25,7 (CSEL 19,1,578,18 Brandt); vgl. E. FERGUSON, Spiritual Sacrifice in Early Christianity and its Environment, in: ANRW II,13,2. Religion. Vorkonstantinisches Christentum. Verhältnis zu römischem Staat und heidnischer Religion, hg. v. W. Haase, Berlin / New York 1980, 1151–1189, hier: 1186, Anm. 206–208. 398 I 25,3.7. 399 I 25,7. 400 I 25,5. 401 S. II 6,3. 402 In Übernahme von Ps 50,19 in II 9,3; s.auch I 34,9: „spiritumque suum tota humilitate contribulatum ambitiose sacrificant“. Vgl. K. S. FRANK, Opferverständnis, 41. Jedoch erst Augustin wird in seiner Opfertheorie in Abgrenzung zur seit Theophrast auch heidnischer Philosophie bekannten Spiritualisierung des Opfers das ,zerknirschte Herz‘, also die Reue, als zentrales Kennzeichnen des christlichen Opfers herausstellen; s. T. KOBUSCH, Christentum, 117–120. Allerdings ist auch das augustinische Opfer des zerknirschten Herzens, nach T. KOBUSCH, Christentum, 125, zugleich ein Opfer des Lobes: „Da das Bekenntnis der eigenen Schuld vor Gott ja nur im Lichte schon anerkannter Wahrheit möglich ist, stellt es selbst einen ,Lobpreis‘ der Wahrheit dar.“ 403 I 1,21. Vgl. M. FINI, Sacrificium, 13f., der „la verginità, la vedovanza, la monogamia“ als Teil einer „liturgia della vita“ Tertullians beschreibt. 404 I 43,3.4.7; I 62,5. Ähnlich verstehen die Apostolischen Väter das Martyrium als Opfer für Gott, dessen Typos natürlich der Opfertod Christi ist; s. K. S. FRANK, Opferverständnis, 42. Dass Zeno Isaak seinerseits als Präfiguration Christi deutet, wird sich unten, s. S. 489, erweisen. 405 II 7,15. Vgl. A. B IGELMAIR, Traktate, 109, Anm. 2; auch A.-G. HAMMAN, Art. Comunione, DPAC I, 1981, 750. Eine Eucharistie-Lehre, wie M. FINI, Sacrificium, 10–71, sie für Tertullian konstruiert, lässt sich bei Zeno jedoch nicht identifizieren.

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Schrift – „in Ecclesiastico Salomone clamante: Dona iniquorum non probat altissimus.“ 406 b) sacra Ganz anders ist der Befund zum Terminus sacra, das substantiviert von Zeno nur dreimal benutzt wird, an zwei Stellen in heidnischem Kontext, 407 die dritte Stelle bezieht sich auf das alttestamentliche Isaakopfer (Gn 22).408 Einen Aufschluss darüber, was der Terminus sacra zenonisch bedeutet, bietet die Verwendung in I 1,12. In einer Aufzählung, die das Unwesen der impudicitia beschreibt, werden aus parentalia sacrificia, aus mores sacra. Hier zeigt sich deutlich, dass sacrificia und sacra zu differenzieren sind. Aus der konkreten Feier der parentalia, den „Totenopfern“ 409 oder besser „Totengedächtnismählern“,410 werden Opfer(akte), aus den mores, den privaten Bräuchen,411 werden sacra. Opfer können hier mit sacra nicht gemeint sein, das verbietet das vorangehende sacrificia. Die (privaten) Bräuche pervertieren zu (offiziellen, durch vorgegebene Riten bestimmten) Feiern, heiligen Handlungen. Mores bezeichnet offensichtlich die den konkreten parentalia übergeordnete Größe, sacra den den sacrificia übergeordneten Rahmen.412 Dies findet eine Bestätigung in der Verwendung des Terminus mores in den Traktaten insgesamt. Während im lateinischen Sprachgebrauch consuetudo generell die Gewohnheit oder den allgemeinen Gebrauch bezeichnet,413 wird mit mos in der Regel etwas Positives verbunden, es bezeichnet den „als schicklich angenommenen Gebrauch“, 414 den „für die Handlungsweise zur Regel gewordene[n] Wille[n]“. 415 406

Sir 34,23 in I 25,9. I 1,12; II 7,12. 408 I 43,3. 409 So K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1476; H. MENGE, Großwörterbuch, 540. 410 Nach A. B LAISE, Dictionnaire, 594. 411 Vgl. A. B IGELMAIR, Traktate, 96: „Volksgebräuche“. 412 G. B ANTERLE, Discorsi, 29, übersetzt: „Essa ha mutato ... le ceremonie funebri in sacrifici, le consuetudini in sacri riti.“ Vgl. auch J. RÜPKE, Religion, 27: „Sacra sind die den Göttern geschuldeten Rituale.“ 413 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1568–1571. Zeno benutzt das Nomen consuetudo nicht. Gewohnheitsmäßiges Tun umschreibt er allerdings mit consuescere; s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 50. Usus bzw. uti weisen zenonisch immer auch in Richtung ,Nutzen‘; s. ebd., 403.407. 414 K. E. GEORGES, Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch, Leipzig 81913, Repr. Darmstadt 1985, 2137 (Lemma „Sitte“). 415 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1017; ausführlich zu mos, mores und mos maiorum, auch zum Zusammenhang mit und zur Abgrenzung von consuetudo 407

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In den zenonischen Traktaten sind mores die privaten, quasi für die Person selbst stehenden Gepflogenheiten, die den von außen gewonnenen Eindruck eines Menschen ausmachen.416 Damit scheint auch in der zenonischen Verwendung des Begriffs mos die Differenzierung von „mos als innerer Einstellung [des einzelnen] und seiner gesellschaftlichen Akzeptanz in Form der consuetudo “ durch, wie sie seit Varro im Lateinischen anzutreffen ist.417 So gefährdet die mit Hilfe von Argumentation und Rhetorik arbeitende Weisheit die Sitten (mores), d. h. das geziemende Verhalten in der Öffentlichkeit. 418 Die Aufforderung Zenos an seine Gemeindemitglieder schließlich, die mores der Vorfahren nachzuahmen, steht ebenfalls ganz in römischer Tradition und greift damit gleichzeitig eine normative Komponente auf.419 Wenn Zeno hier unter Vorfahren nicht mehr römische, sondern ‚christliche‘, d. h. biblische Vorbilder versteht,420 entspricht er einerseits dem Vorwurf des Traditionsbruchs, der den Christen von Seiten des Heidentums v. a. in der frühen Auseinandersetzung gemacht wurde, 421 er adaptiert aber gleichzeitig ein römisches ‚Kulturgut‘ und christianisiert es. Auch dieser Aspekt der Veränderlichkeit eignet der Vorstellung des mos maiorum als „inhärentes Paradox“ auch schon in vorchristlicher Zeit,422 durchaus auch im religiösen Bereich.423 Der mos maiorum präsentiert sich „nicht als ein definitives Modell …, weil die Definition der mores in Wahrheit mittels eines Spiels von Gegenüberstellungen zwischen einer Gemeinschaft und einer anderen oder

vgl. M. B ETTINI, Mos, mores und mos maiorum. Die Erfindung der „Sittlichkeit“ in der römischen Kultur, in: Moribus antiquis res stat Romana, hg. v. M. Braun u. a., München / Leipzig 2000, 303–352. 416 So bezeichnet mos in II 7,8 etwa das Verhalten eines Menschen einem anderen gegenüber, oder in I 4,18 auch das Verhalten des Teufels den Menschen gegenüber. Auch das von den Menschen wahrnehmbare und daher allgemein bekannte Verhalten der Götter bezeichnet Zeno in I 14,4 als mores et actus. 417 M. B ETTINI, Mos, 317; vgl. ebd.: „Für sich allein ist mos eine rein individuelle Entscheidung.“ Ders., ebd., spricht sogar von einer „Definition des mos als einfache persönliche Haltung“. 418 II 1,7: „[sapientia] pravos ac lubricos colligit mores“. Dies kann bezogen sein sowohl auf Einzelne als auch auf die Gesellschaft als Gruppe von Einzelnen; vgl. dazu M. B ETTINI, Mos, 317f., der beschreibt, wie ein individueller mos durch consensus mit der Zeit auch zum kollektiven mos werden könne. 419 Vgl. T. MAYER-MALY, Art. Mores, KP III, 1979, 1425–1427, hier: 1429f.; auch D. HARMENING, Superstitio, 78; vgl. auch M. B ETTINI, Mos, 321–339, zur Verbindlichkeit des mos maiorum insbesondere 322. 420 I 15,1: „Sacrae historiae, fratres dilectissimi, ad hoc nobis est tradita legenda narratio, ut maiorum, si fieri potest, saltem aliqua ex parte mores imitemur, si non possumus imitari virtutes.“ 421 S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 208f. 422 M. B ETTINI, Mos, 326; zum Phänomen der Veränderbarkeit des mos maiorum insgesamt ebd., 324–329, vgl. auch ebd., 339: „Erinnerungsfiguren [mittels derer der mos maiorum lebendig erhalten wurde und zu denen u. a. exempla gehören; vgl. ebd., 337] hängen nämlich … sehr stark von der Zeit und von den gesellschaftlichen Dynamiken ab.“ 423 Vgl. ebd., 327–329; s. insbesondere ebd., 327: „Das bedeutet also, daß die sacra von außen einen mos voraussetzen, der nicht derjenige der eigenen Ahnen ist, sondern auf die Vorfahren anderer zurückgeht.“

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mittels eines analogen Spiels von Gegenüberstellungen zwischen Gruppen innerhalb derselben Gemeinschaft erfolgt.“ 424 In dieser Weise folgt Zeno selbst in I 38,2 einem alten Brauch (morem geram) und legt ein – allerdings christianisiertes – Horoskop425 bei der ‚Geburt‘ seiner Täuflinge vor; ein an sich heidnischer, verwerflicher Brauch ist offensichtlich schon soweit säkularisiert, dass er im Kontext der Allegorie der Taufe als secunda nativitas 426 eine neue christliche Funktion bekommen kann. Schließlich berichtet Zeno in I 1,12 von der impudicitia, dass sie an den Gräbern die parentalia in Opfer (sacrificia) verwandelt, d. h. den (an sich positiven und harmlosen, in gewisser Weise aufgrund römischer pietas sogar verpflichtenden) privaten Brauch in eine (verwerfliche) offiziell-kultische Handlung (mores in sacra). Hier zeigt sich deutlich, dass Zeno einen Unterschied zwischen privaten Bräuchen, zu denen er die Totengedächtnisfeiern und die Horoskoperstellung zählt, und dem eigentlichen Kult, der sich an die Götter richtet, sehr wohl kennt. 427 Der Terminus mores ist also an sich auch zenonisch zunächst positiv besetzt. Die mores sind nicht sofort gleichbedeutend mit den zu verurteilenden actus veteris vitae.428 Die Qualität der mores hängt an der Qualität der Vorbilder, die sie installiert haben. So sind die mores der Götter natürlich zu verurteilen 429 wie auch die (aufgrund der Nähe zum Opferhandeln des offiziellen heidnischen Kultes) heidnisch-religiös wirkenden Bräuche.430 Von diesen Bräuchen sind die traditiones zu unterscheiden. Der Begriff fällt inI 13,12: Der Kirche wird von Seiten der Juden vorgeworfen, sie habe den Sabbat gebrochen und ihre traditiones verworfen. Dass hier mehr gemeint sein muss als Bräuche, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, zeigt sich in II 3,10. Dort sagt Zeno über den Glauben: „O quam praesumpta [fides], quae mavult magis novellae traditioni suae credi quam antiquitati, quam deo domino dicenti: Reicitis mandatum dei, ut traditiones vestras statuatis!“ Das Attribut novella verbietet eine Übersetzung mit „Brauch“ oder „Überlieferung“ 431 geradezu. Gemeint ist hier eine neuerdings tradierte „Lehre“.432 Die traditiones

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Ebd., 350. S. u. S. 306–311. 426 S. u. S. 389–393. 427 Es wird sich jedoch erweisen, dass solche mores aufgrund des Wirkens der impudicitia gleichermaßen verwerflich sind. 428 I 34,9. Actus bezeichnet zenonisch das Tun im Allgemeinen; vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 7. Bezogen auf die Götter sind damit v. a. ihre im Mythos überlieferten Taten gemeint; s. v. a. I 1,11; aber auch I 14,4. Die Taten der biblischen Vorbilder und Märtyrer werden demgegenüber in der Regel als gesta bezeichnet; s. I 39,1; I 43,1; II 18,1. Die Ereignisse der Heilsgeschichte, auch der aktuellen, heißen salutaria gesta ; s. I 34,9: „salutaria gesta ... quae et in nobis manent“. Allerdings kann gerrere auch negatives kultisches Tun bezeichnen: Mit dem Terminus sind die religiösen Untaten der Juden in II 21, insbesondere ihre Pascha-Feier in II 25,1.2 belegt, aber auch das Handeln des heidnischen Ehegatten zu Hause und im Tempel, s. II 7,13. 429 S. I 14,4. 430 Die Formulierung solito more in I 34,9 spielt über die Grundbedeutung ,wie gewohnt‘ sicherlich auch auf die im Folgenden genannten Praktiken an. 431 So übersetzen A. B IGELMAIR, Traktate, 62, und P. LEIPELT, Traktate, 42; „nuova tradizione“ schreibt G. B ANTERLE, Discorsi, 235, und „tradizione di ieri“ G. EDERLE, Sermones 1955, 31; vgl. auchI 13,12 „Traditionen“ bei A. B IGELMAIR, Traktate, 250, G. 425

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beschreiben also keine Handlungen wie mores, außerdem ist ihr verbindlicher Charakter gegenüber den mores stärker betont. Schlüssig ist von daher die Schrift als autoritative christliche Vorgabe tradiert: „Sacrae historiae ... nobis est tradita legenda narratio.“ 433

Im Sinn von ‚Feier‘ ist der Begriff sacra in II 7,12 zu verstehen. Die mit Heiden verheirateten Christinnen „verwischen, da sie das Licht (des Christentums) verloren haben und nun an der Dunkelheit (des Heidentums) Freude finden, die (Unterschiede zwischen den) Opferfeiern (mit je eigenen Riten und Inhalten).“ 434 Wenn in I 43,3 auch kein wörtliches Schriftzitat vorliegt, 435 legt Zeno den Terminus sacra doch quasi zitierend Gott selbst in den Mund. Die unterschiedlichen Übersetzungen 436 zeigen die Schwierigkeit einer Einordnung an dieser Stelle, da auch hier im gleichen Satz schon der Begriff sacrificium fällt, eine Übersetzung als „Opfer“ von daher auch hier keinen Sinn macht. Auf dem Hintergrund der aufgezeigten Bedeutung von sacra an den beiden anderen Stellen bietet sich als Übersetzung hier an: „Dieser [sc. Isaak] ist für die an mich gerichtete (Blut-)Opferfeier bestimmt.“ Dass es sich bei sacra offensichtlich um einen Terminus technicus handelt,437 belegen die religionsgeschichtlich nachgewiesenenen Bezeichnungen „sacra sollemnia“, die „ständigen und regelmäßigen Opferhandlungen eines jeden Kultes“, die durch „Satzung“ bestimmt waren, 438 sowie „sacra

B ANTERLE, Discorsi, 99, und G. EDERLE, Sermones 1960, 137, und „Überlieferungen“ bei P. LEIPELT, Traktate, 262. 432 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3166; A. B LAISE, Dictionnaire, 822. 433 I 15,1. 434 II 7,12: „sacra confundunt amissa luce laetantes in tenebris“. Auch hier sind die Übersetzungen sehr uneinheitlich, v. a. weil die syntaktischen Abhängigkeiten übersehen werden; A. B IGELMAIR, Traktate, 108: „die Opfer vermengen“; P. LEIPELT, Traktate, 93: „die Heiligthümer in Unordnung bringen“; G. EDERLE, Sermones 1955, 113: „svalorizzano le cose sacre“. Am deutlichsten G. B ANTERLE, Discorsi, 265: „perduta la luce si rallegrano nelle tenebre confondendo tra loro i sacri riti“. Vgl. auch K. S. FRANK, Opferverständnis, 42, der das Begriffspaar nostra sacrificia – dei sacra, wie es MIN. FEL. 32,3 (30,34 Kytzler) benutzt, mit „unsere Opfer“ – „unser Gottesdienst“ übersetzt. 435 Vgl. Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 114. 436 A. B IGELMAIR, Traktate, 227, übersetzt „er [sc. Isaak] gebührt meinem Altar“; P. LEIPELT, Traktate, 236, „er ist das gebührende Opfer für mich“; G. EDERLE, Sermones 1960, 93, „quest’ostia si deve ai miei altari“; G. B ANTERLE, Discorsi, 179, „egli è dovuto al mio culto“. 437 Im Gegensatz zum Adjektiv sacer: „Sacrum ist für den Römer, was den Göttern gehört und darum profanem Gebrauch entzogen ist ... Selbstverständlich ist auch das Opfer und alles Eigentum der Götter sacrum“, so K. LATTE, Religionsgeschichte, 38. 438 G. W ISSOWA, Religion, 414. Der Begriff „Opferhandlungen“ des Zitates trifft jedoch nicht das bei Zeno Gemeinte

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publica“ bzw. „popularia sacra“,439 denen die „sacra privata“ 440 bzw. „Familiensacra“,441 gegenübergestellt werden. Nicht immer scheint eine Differenzierung zwischen sacrificium als dem eigentlichen Opferakt und sacra als den jeweiligen rahmenden Feierlichkeiten durchgehalten oder auch nur wahrgenommen worden zu sein.442 Zeno kennt jedoch den Unterschied, wie er durch seine Wortwahl belegt. Das Adjektiv sacer unterscheidet Zeno deutlich von den sacra, die offensichtlich ausschließlich reale sacrificia (und deshalb nicht das christliche Opfer) rahmen, es bleibt bei sehr unterschiedlicher Verwendung doch ausschließlich dem christlichen Kontext vorbehalten. 443 Dies kann nur damit erklärt werden, dass die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs sacer auf das Eigentum einer Gottheit abhebt;444 in christlicher Rede kann damit also nur auf eine Zugehörigkeit zu ‚dem einen Gott‘ abgehoben werden. Die Beobachtung einer solchen Kenntnis und Differenzierung auf Seiten des Veroneser Bischofs ist insofern bedeutsam, als dass ein Verschweigen oder eine Verkürzung anderer Zusammenhänge und Details damit nicht immer als Unkenntnis bewertet werden können; ein christlicher Prediger, der Gepflogenheiten des heidnischen Kultes durchaus zu differenzieren weiß, verschweigt und verkürzt (und entstellt damit) vielleicht ganz bewusst.

439 Ebd., 398f.; zu sacra publica s. auch J. RÜPKE, Religion, 27–31. – K. LATTE, Religionsgeschichte, 382, differenziert, wenn auch nicht sehr deutlich, zwischen „kultischen Akten“, die er weiter unten mit dem Terminus „collativum sacrificium“ belegt, und den gesamten Feiern, die von der Familie bzw. „von dem ganzen Volk begangen“ werden. Denn der Opferakt kann nicht von allen Teilnehmern der Feier begangen werden. 440 G. W ISSOWA, Religion, 398; s. auch J. RÜPKE, Religion, 36f. 441 K. LATTE, Religionsgeschichte, 382. 442 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2440f.2445; H. MENGE, Großwörterbuch, 670; A. B LAISE, Dictionnaire, 729.731f., die die vielfach synonyme Verwendung belegen. 443 Aus den diversen Kombinationen seien beispielhaft angeführt: sacer nomen (Name Gottes im Exorzismus) in I 2,6; gurges sacer (Taufquell) in I 2,25; II 10,2; II 29,1; sacer oceanus in I 44,2; sacer fons in II 4,8; II 11,4; II 26,3; sacra lex in I 8,1;I 13,5; I 35,1; I 37,4; II 1,5; II 4,1; II 20,1; sacra historia in I 15,1; I 29,1; I 48; arx sacra in II 6,1 und sacra turris (Kirchengebäude) in II 6,10; expiatio sacra (Taufe in Anlehnung an den heidnischen Ritus der expiatio ) in I 24,1; sacra crux in I 36,29; paritas sacra (von Gott und Mensch) in I 45,2; sacra praedicatio in II 3,12 und sacra oratio in II 6,11; nostrae sacrae virgines viduaeque in II 7,11; etc. vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 325–327. 444 A. DUBOURDIEU / J. SCHEID, Lieux, 60.

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c) mysterium Der schillernde, als griechisches Lehnwort nicht erst christlich übernommene Terminus mysterium mit einer sehr weiten, uneinheitlichen Bedeutungsspanne ‚Geheimnis, Geheimlehre, Symbol, Geheimkult‘ 445 findet sich in fast eben dieser Bedeutungsspanne wie bei anderen christlichen Autoren 446 so auch in den zenonischen Traktaten. An drei Stellen wird er eindeutig im Zusammenhang mit heidnischem Kult verwandt, 447 auf den ersten Blick scheint er für ‚Opfer‘ zu stehen. Eine genauere Untersuchung zeigt aber, dass mysterium in heidnischem Kontext (wie schon sacra) keineswegs mit sacrificium synonym ist. In I 3,2 spricht Zeno über die jüdische Beschneidung und zieht zum Vergleich die Entmannung der Galli im Kybele-Kult heran. Er sagt, dass der Gallus „ipsum membrum radicitus abscisum mysteriis turpioribus immolavit.“ Es scheint keine Schwierigkeiten zu machen, den Terminus mysterii als solchen in einer Übersetzung stehen zu lassen, wie dies Bigelmair tut,448 da es sich beim Kybele-Kult in der Tat um einen Mysterienkult handelt. Die Entmannung wird dann vom Übersetzer als Opfer (immolavit) innerhalb der Zeremonien des Mysterienkultes dargestellt. Was jedoch stutzig machen muss, ist der mit mysteriis verbundene Komparativ turpioribus.449 Womit werden die mysteria verglichen? Der Kontext bietet einzig die circumcisio selbst an, diese hat aber mit einem Mysterienkult nichts gemeinsam. Mysterium ist hier aus diesem Grund eher im allgemeinen Sinn von ‚Ritus / Feier‘ zu verstehen.450 In I 35,5 berichtet Zeno von ‚halben Christen‘ (ambigui Christiani): „Signum salutare venerantur et tamen a mysteriis daemonum non rece445

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1083. S. A. B LAISE, Dictionnaire, 547f. Eine umfassendere Untersuchung dieses weit verbreiteten Terminus würde an dieser Stelle zu weit führen. Zur Unterscheidung von mysterium und sacramentum bei den Kirchenvätern s. C. MOHRMANN, Sacramentum dans les plus anciens Textes chrétiens, in: dies., Études sur le latin des chrétiens, Bd. I, SeL 65, Rom 21961, 233–244. Nachweislich in ähnlicher Bedeutung wie Zeno gebraucht ihn auch Maximus von Turin; s. M. MODEMANN, Die Taufe in den Predigten des hl. Maximus v. Turin, EHS.T 537, Frankfurt am Main u. a. 1995, 63–73, der zwar einen differenzierten Gebrauch feststellen kann, in der inhaltlichen Einordnung des Terminus jedoch an der Oberfläche bleibt. 447 I 3,2; I 35,5; II 7,17. An zehn weiteren Stellen findet er sich in christlichem Kontext; die auf das Judentum bezogene Anwendung in I 19,2 beinhaltet eine Negativaussage, die sich an einer der ,christlichen‘ Bedeutungen orientiert. 448 A. B IGELMAIR, Traktate, 157; auch G. EDERLE, Sermones 1960, 23, „misteri“; P. LEIPELT, Traktate, 151, übersetzt „Geheimnisse“; G. B ANTERLE, Discorsi, 53, „riti“. 449 A. B IGELMAIR, Traktate, 157, und G. EDERLE, Sermones 1960, 23, unterschlagen ihn. 450 G. B ANTERLE, Discorsi, 53, erkennt den Komparativ und übersetzt folglich „sacrificò a piú turpi riti“. Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 547: „7. rites, rites païens“. 446

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dunt.“ Da an dieser Stelle mit daemones generell auf heidnische Götter und nicht nur auf die in den Mysterienkulten verehrten abgehoben wird, muss auch hier die Übersetzung weiter gefasst werden. 451 Berücksichtigt man das christliche venerari als Gegenpart, macht auch die Übersetzung ‚Opfer‘ nur eingeschränkt Sinn.452 Hier ist Umfassenderes gemeint; von daher bietet sich auch hier eine Übersetzung durch ‚Riten‘ oder ‚Feiern‘ an.453 Ein paralleler Gebrauch lässt sich auch an zwei Stellen christlichen Inhalts feststellen. Am Ostertag werden die heilbringenden mysteria des Leidens und der Auferstehung des Herrn gefeiert (celebrare).454 Und da das jüdische Opfer von Gott verworfen wurde, kann der Jude überhaupt kein mysterium feiern.455 Die Verknüpfung mit dem Verb celebrare lässt mysterium an beiden Stellen eindeutig werden, wenn auch durch die Nennung von sacrificium in I 19,2 angedeutet wird, worin die Feier eines Ritus bestehen könnte.456 Die dritte Stelle, an der mysterium in heidnischem Zusammenhang von Zeno benutzt wird, bereitet größere Schwierigkeiten. Der mit einem Heiden verheirateten Christin wird in II 7,17 vorgeworfen: „Et si quod forte acceptum relatumve fuerit a fanatico solemne mysterium, ipsa suscipis, ipsa reponis, ipsa custodis. Una cibum praeterea capis, reliquias poculi propinati lambendo labris exhauris“. Da quod ... solemne mysterium direktes Objekt ist, ist sofort klar, was gemeint ist, die Christin nimmt etwas von einer heidnischen Opfergabe in Empfang.457 Mysterium solemne erinnert stark an die Fachterminologie ‚sacrum solemne‘ zur Bezeichnung regelmäßiger Opferhandlungen, für die bestimmte Opfergaben bestimmten 451

A. B IGELMAIR, Traktate, 272, übersetzt dagegen nur „Mysterien der Dämonen“. Vgl. G. EDERLE, Sermones 1960, 173: „sacrificio ai demoni“. 453 Vgl. G. B ANTERLE, Discorsi, 141: „Tuttavia non desistono dal culto dei demoni.“ 454 I 26. 455 I 19,2: „Non potest ... ullum celebrare mysterium, cuius sacrificium divina sententia advertitis esse damnatum“. 456 Entsprechend der bei A. B LAISE, Dictionnaire, 547f., aufgezeigten Bedeutungsbreite lassen sich in den Traktaten weitere christliche Bedeutungen finden. Den breitesten Raum nimmt die Bedeutung ,Bild, Metapher, Symbol‘ ein (hier könnte auch wörtlich ,Geheimnis‘ stehen gelassen werden): I 8,2;I 13,3; I 33,2; I 37,15; I 42,1. Im Sinne von ,Schriftzitat‘ (A. B LAISE, Dictionnaire, 547, „enseignement sacré“ und „texte sacré, écriture sainte“) findet sich mysterium in II 5,5. – Eine Verwechslung mit ministerium (s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 114*; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 532.548) könnte vorliegen in I 43,4 und II 6,11. Vergleicht man die Übersetzungen, zeigt sich auch an diesen beiden Stellen wieder, welche inhaltlichen Schwierigkeiten der Terminus bereitet. 457 So übersetzt A. B IGELMAIR, Traktate, 110, nun interessanterweise „ein Stück von der feierlichen Opferfeier“; P. LEIPELT, Traktate, 96, „ein feierliches geheimnisvolles Opferfleisch“; G. B ANTERLE, Discorsi, 267, „una porzione della vittima sacrificata“; G. EDERLE, Sermones 1955, 117, „qualche misterioso dono“. 452

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Gottheiten zugeordnet sind. Diese Bezeichnung (im Singular) kann offensichtlich auch auf die Opfergabe selbst übertragen werden, 458 stünde dann aber hier im Widerspruch zum adjektivischen (ali-)quod. Probleme bereitet daher nicht so sehr der gemeinte Inhalt, sondern die Terminologie. Mysterium im Sinne von ‚Opfergabe‘ scheint hier singulär belegt. 459 Doch wäre es vielleicht denkbar, dass auch an dieser Stelle mysterium für ministerium steht 460 und dieses dann hier auf ein Opfergefäß 461 abhebt? Der Christin würde dann vorgeworfen: „Und wenn zufällig, wie es sich eingebürgert hat,462 irgendein Opfergefäß (mit Resten der Opfergaben) empfangen 463 und dann wohl auch 464 mitgebracht (und dir übergeben 465) wird von deinem (vom heidnischen Kult) begeisterten Mann, (dann) nimmst du

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S. G. W ISSOWA, Religion, 414f. T HESLL 8, 1753 (I.A.b) unter „metonymice de instrumentis sim. in cultu adhibitis, á) variis“ wird diese Zeno-Stelle im Wortlaut angeführt mit den Zusätzen „(i. sacerdote gentili)“ als Erklärung zu fanatico und „(de cibo e paganorum sacrificio a marito domum allato)“ als Erklärung zu mysterium, womit das in der Tat im anschließenden Satz von Zeno benutzte cibum aufgegriffen ist. Die zweite dort angeführte Stelle aus M AX. T AUR. serm. 107,2 (CChr.SL 23,420,33–35 Mutzenbecher): „cernis aras ligneas et simulacra lapidea, congruens mysterium, ubi diis insensibilibus aris putrescentibus ministratur“, überzeugt nicht, da hier eine Übersetzung mit der oben herausgearbeiteten Bedeutung ,Ritus, Feier‘ durchaus auch einen Sinn ergibt; vgl. auch A. MERKT, Maximus, 274, Anm. 25. 460 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 114*; auch A. B LAISE, Dictionnaire, 532.548. 461 Vgl. T HESLL 8, 1014: „i. q. res ad ministrandum destinata, vas, supellex … in usu sacro“ und auch „in usu profano … de supellectile, qua in cena et convivio utimur“; s. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 929; A. B LAISE, Dictionnaire, 532. Übertragen dann, nach T HESLL 8, 1014, christlich auch: „i.q. diaconia … collatio locupletiorum, ex qua pauperioribus a diaconis ministretur“. 462 Zu solemne s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2713; A. B LAISE, Dictionnaire, 765; vgl. auch B. LÖFSTEDT, Tractatus, 59*. 463 Hier könnte dann eine so genannte sportula gemeint sein, ein Körbchen, in dem profanierte Anteile des Opfers abgefüllt und den Teilnehmern mitgegeben werden; s. J. RÜPKE, Religion, 143.148. Dass die zum Opfer benötigten Gaben nicht vernichtet zu werden brauchten, sondern für den Gebrauch freigegeben waren, schreibt auch F. J. DÖLGER, Grundbesitzer, 301–303, zur Erläuterung des Kanon 40 der Synode von Elvira, der darauf abhebt, dass heidnische Opfergaben von christlichen Grundbesitzern nicht als Teil der Pacht angenommen werden (accepto ferre) dürften, da sie sonst selbst Anteil nähmen am heidnischen Opfer. 464 Zu -ve in der Bedeutung von -que (et) s. J. B. HOFMANN / A. SZANTYR, Lateinische Syntax und Stilistik, HAW II,2,2, München 1965, Repr. 21997, 503, mit Verweis auf den nachklassischen Gebrauch u. a. bei Apuleius, dem Zeno sprachlich bekanntlich, s. u. S. 320–322, gerne folgt. 465 Zu referre im Sinn von ,davontragen‘ auf der einen und ,überbringen, abliefern‘ auf der anderen Seite s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2263f. 459

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selbst es in Empfang, du selbst legst es beiseite und bewahrst es auf, 466 du selbst sorgst dafür, dass es nicht verdirbt.467 Zusammen (mit deinem Mann) nimmst du später dann auch noch die Speise zu dir und leerst mit schlürfenden Lippen den Rest des Bechers, den er dir reicht.“ Wie die Untersuchung gezeigt hat, ist der Terminus mysterium selbst frei von jeder Polemik, da er sowohl im heidnischen wie im christlichen Kontext, z. T. sogar in gleicher Bedeutung, angewandt wird. Wenn auch mysterium im Sinne von heidnischer (Opfer-)Feier deutlich vom eigentlichen sacrificium unterschieden werden kann, so sagt der Begriff allein jedoch nichts über Form oder Inhalt der Feierlichkeiten aus. Erst im negativ gekennzeichneten Kontext wird auch das heidnische mysterium (bzw. ministerium) negativ. 3. Einzelne Opferhandlungen a) immolatio Das Verb immolare bedeutet ursprünglich das Opfertier „mit Opfermehl, Opferschrot (mola salsa) bestreuen“.468 Es scheint aber für die Spätantike weitgehend diese konkrete Bedeutung zugunsten der Verallgemeinerung ‚opfern‘ verloren zu haben. 469

Im zenonischen Sprachgebrauch klingt insofern jedoch die ursprüngliche Bedeutung noch deutlich durch, als dass die Verwendung von immolatio bzw. immolare zunächst das blutige (Schlacht-)Opfer bezeichnet. So benutzt Zeno die Terminologie vorzüglich im Kontext des Isaakopfers.470 Aber auch das kultische Opfer der Juden nennt er immolatio,471 es gehört allerdings ausdrücklich der Vergangenheit an. 472 Wenn Zeno da466

Zu reponere im Sinn von ,aufbewahren‘ oder ,beiseite legen‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2326. 467 Zu custodire im Sinn von ,vor dem Verderben bewahren, konservieren‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1855. 468 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 77; H. MENGE, Großwörterbuch, 359. Auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 46: „Darum muß die Mächtigkeit des Opfers möglichst verstärkt werden; diesem Zweck dient das Bestreuen des Tieres mit heiligem Opferschrot, der mola salsa, woraus das zweite Wort für opfern, immolare [neben mactare, B. D.], gebildet ist.“ 469 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 409. 470 I 4,15; I 25,9; I 43,3.5.7.8 (3x);I 59,6.7 (4x). 471 I 25,6; II 17; interessanterweise führt an der erstgenannten Stelle das Schriftzitat Jl 1,13 die Unterscheidung hostia et immolatio ein; VULGATA Jl 1,13 (Weber / Gryson) hat hier sacrificium et libatio. Es ist zu untersuchen, ob Zeno hier eine Unterscheidung von Opfergattungen (wie es der Vulgata-Text eindeutig macht) oder die zwischen Opfertier und Opfervollzug meint. 472 I 25,6: „Multa sunt, quae dici possunt, sed satis otiosum est in his demorari, quae in toto iam non sunt.“

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rauf an der Stelle, an der er sich mit den drei Genera der Opfer auseinandersetzt und vorher ausführlich das heidnische sacrificium beschreibt, ausdrücklich hinweist, dürfte daraus zu schließen sein, dass im Gegensatz zum jüdischen Opfer die heidnischen durchaus noch aktuell sind. Auffällig ist dabei jedoch, dass die heidnischen Opfer lediglich mit dem Oberbegriff sacrificium belegt werden, die Spezifizierung immolatio fehlt hier. Möglicherweise könnte dies als ein Hinweis darauf gewertet werden, dass sich die antiheidnische Gesetzgebung soweit durchgesetzt hat, dass Zeno keine heidnischen Schlachtopfer mehr kennt.473 Nur ein einziges Mal spricht Zeno im heidnischen Kontext von immolare, und das im übertragenen Sinn: beim Vergleich der jüdischen Beschneidung mit der Entmannung der Galli des Kybele-Kultes. 474 Der Grund für die Verwendung von immolare an dieser Stelle dürfte wohl in der Blutigkeit des Vorgangs liegen.475 Trotz der mit dem Terminus verbundenen Vorstellung der Blutigkeit taucht er auch in christlichem Kontext, überwiegend allerdings in Schriftzitaten, auf. So wird Christus mit 1 Cor 5,7 als das wahre Paschalamm gedeutet: „Pascha nostrum immolatus est Christus.“ 476 Und hier greift Zeno ohne zu zögern den Terminus immolare bezogen auf den Kreuzestod auch wieder auf.477 Dass immolare auch auf das christliche unblutige Opfer angewandt werden kann, überrascht nach dem bisherigen Befund. Vermutlich liegt der Grund dafür in dem zugrundeliegenden Psalm-Zitat: „Immola deo sacrificium laudis.“ 478 Ähnlich wie die zenonische Kritik am heidnischen Opfer wendet sich Ps 49,13–15 scheinbar gegen das blutige Opfer der Ju-

473

Der Befund für mactatio, die ursprünglichste Bezeichnung für Opfer (s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 45; vgl. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 750), fällt ganz ähnlich aus. Es findet sich zur Bezeichnung bzw. im Kontext des Isaakopfers in I 4,15 bzw. I 43,7 sowie zur Bezeichnung des jüdischen Opfers in II 25,1. Übertragen wird es eingesetzt zur Bezeichnung der Ermordung der „prophetarum omniumque sanctorum“ durch die Juden in I 34,7. In heidnischem Kontext taucht der Terminus überhaupt nicht auf. 474 I 3,2: „sed ipsum membrum radicitus abscisum mysteriis turpioribus immolavit“. 475 Die Polemik gegen diesen blutige Ritus gehörte gewissermaßen zum Repertoire christlicher Apologetik; s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 233. Man wundert sich, dass Zeno die Gelegenheit nicht wirklich nutzt; dazu s. u. S. 268–276. 476 I 8,2. 477 Ebd.: „Pascha nostrum immolatus est Christus. Cur autem dignatus fuerit immolari, Iohannes Baptista ante praedicavit his verbis: Ecce agnus dei, ecce qui tollit peccatum mundi.“ 478 Ps 49,14 in I 25,1.3.8 (2x).

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den.479 Schon in der biblischen Vorlage ist es nicht eindeutig, ob ein rein spirituelles Opfer oder eine Dankopfermahlzeit gemeint ist, 480 der lateinische Terminus immolare erscheint in Verbindung mit sacrificium laudis jedoch deutlich verfremdet. Zeno greift diese schon in seiner biblischen Vorlage angelegte Verfremdung bewusst auf, wenn er in I 25,9 vom christlichen Opfer sagt: „quod non iugulatur ut pereat, sed, sicut Isaac, immolatur ut vivat, apostolo hortante nos Paulo, cuius ista sunt verba: Exhibete corpora vestra hostiam vivam, sanctam, placentem deo.“ 481 Durch die Hinzufügung von ut vivat bekommt immolare hier eine neue, christliche Qualität, dem das heidnische Blutopfer nun mit iugulatur ut pereat eindeutig negativ gegenübergestellt wird.482 Schließlich kann Zeno davon sprechen, dass der candidus animus, gemeint ist natürlich der Christ, sich selbst Gott ‚opfern‘ solle: „Hoc enim placitum est domino, ubi se ipsum candidus animus immolaverit domino.“ 483 Hier wird immolare endgültig zu christlicher Terminologie. Auf das heidnische Schlachtopfer hebt Zeno jedoch trotz des quasi negativen Befundes bezüglich des Terminus immolatio in zahlreichen Umschreibungen ab. Am häufigsten begegnen Umschreibungen, die das Verbrennen des Opfertieres nennen, gefolgt von der Nennung der Opfertiere selbst, schließlich thematisiert Zeno ausdrücklich auch die Blutigkeit des Opfertodes. Das deutlichste Kennzeichen des heidnischen Opfers ist offensichtlich das Feuer bzw. der Rauch. So begegnet an drei Stellen ignes,484 ebenfalls 479

Zeno zitiert in I 25,1: „Numquid manducabo carnes taurorum aut sanguinem hircorum potabo? Immola deo sacrificium laudis et redde altissimo vota tua et invoca me in tribulatione tua“. 480 Nach K. SEYBOLD, Die Psalmen, HAT 1 / XV, Tübingen 1996, 207, ist die theologische Diskussion in Ps 49,10–13 „nur denkbar als relecture in einer Zeit, als der Gedanke der Tieropfer mit der Gottesvorstellung kollidierte … Gemeint ist [in V. 14 jedoch, B. D.] wohl nicht eine metaphorische Aussage mit rein spirituellem Sinn („opfere Gott Dank“), vielmehr der direkte Aufruf an den verunsicherten Laien, wie bisher seine private Dankopfermahlzeit kultisch zu feiern.“ 481 Auch der neutestamentliche Text (Rm 12,1) verfremdet hier das Wort hostia , das das Opfertier bezeichnet. 482 Iugulare wird von Zeno fast ausschließlich in negativer Bedeutung im Sinn etwa von ,morden, umbringen, zu Grunde richten‘ benutzt; vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 196. Auf das Isaakopfer wird es noch ein zweites Mal angewandt in I 4,13 (2x). In einen positiven Zusammenhang wird es nur bei der Ausdeutung des Taufgeschehens in I 42,2 und II 24,3 gesetzt; ähnlich wie das Isaakopfer wird beide Male die Taufe als Tod zum Leben gedeutet: homo iugulatur ut vivat. 483 I 25,9. 484 Eindeutig sind I 34,9 und I 39,2. Als Bild für das Heidentum dürfte inI 13,13 die Formulierung diabolo praesentes ignes interpretiert werden, darauf weist auch „haec

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an drei Stellen vapor bzw. fumans oder fumidus gleichsam als Signum für sacrificium bzw. immolatio: Für die Gegenwart werden die fumantia undique sola fana auf christlichen Landgütern erwähnt.485 Außerdem wird der mit einem Heiden verheirateten Christin vorgehalten: „fumantia busto complecteris membra sudoremque sordidarum vaporis ararum … deterges.“ 486 Ausdrücklich der Vergangenheit gehören jedoch die im Zusammenhang mit der Christenverfolgung erwähnten fumidi ignes 487 sowie das von Ninive als Bild für die Heidenkirche überwundene Verhalten „non aris foetentibus funestos excitant ignes“ 488 an. Die Opfertiere des heidnischen Opfers nennt Zeno in I 25,9 und I 34,9 pecudes, in I 39,2 victimae. Pecus ist an sich eine unspezifische Bezeichnung, es meint lediglich ein Stück Vieh. Victima dagegen bezeichnet in klassischem Gebrauch gewöhnlich das größere Opfertier des Dankopfers, etwa den Stier, während davon die hostia, das kleinere Opfertier des Sühneopfers, etwa das Lamm, unterschieden wird.489

So differenziert Zeno jedoch nicht, er benutzt den Terminus hostia – anders als Tertullian etwa490 – nur in biblischem Zusammenhang.491 Auch konkrete Opfertiere nennt Zeno im Zusammenhang mit heidnischem Kult [sc. ecclesia] glorificata vestri numeri incrementis ac fidei“ hin. Indirekt steht ignis auch in den Schilderungen des Martyriums der Jünglinge im Feuerofen für das Heidentum insofern ihr Martyrium der Typos des christlichen Martyriums ist, s. I 48: „Mirum ... ac delectabile certamen ... ignis ac fidei“; auch I 22,1: „Tanta enim vis certaminis fuit, ut eam ipse quoque ignis horruerit.“ Dem menschlichen Feuer, das sich durch fumus amarus auszeichnet, wird in I 41,2 der ignis divinus der christlichen Taufe gegenübergestellt. Man könnte, obwohl Zeno hier eigentlich das Bild des Brotbackens malt, auch an das se ipsum candidus animus immolaverit domino in I 25,9 denken. 485 I 25,10. 486 II 7,17. 487 I 39,2. 488 I 34,9. 489 K. E. GEORGES, dt.-lat. Handwörterbuch, 1833f.; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 3087; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1534; ebd., 3473. 490 Nach M. FINI, Sacrificium, 24, bezeichnet Tertullian mit dem Terminus hostia das ‚geistliche Opfer des Gebets‘, während er sacrificium ausschließlich zur Bezeichnung der Opfer des Alten Testaments verwendet. 491 Zum einen zur Bezeichnung des Opfertieres des Isaakopfers in I 43,4; I 59,2.6 (jeweils 2x) und der Sühneopfer des Ijob für seine Kinder in I 15,2, zum anderen in Zitation von Jl 1,13 in I 25,6 zur Bezeichnung jüdischer und von Rm 12,1 in I 25,9 zur Bezeichnung christlicher Opfer (hostia viva ). – Ähnlich steht auch victima überwiegend für das Opfertier des Isaakopfers, s. I 4,13.14; I 43,3 (3x).5 (2x).6.7 (3x).8; I 59,2. 5.6; I 62,4, wird dann aber auch auf Christus übertragen, s. I 8,2. – Pecudes begegnet noch ein weiteres Mal zur Bezeichnung des Opferviehs des jüdischen Opfers in I 46A,1; daneben tritt dann auch pecora , ebenfalls zur Bezeichnung des Opferviehs des jüdischen Opfers in II 20,1 und II 25,1.

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nicht,492 aus der Schrift kennt er hingegen die Opfertiere des jüdischen Kultes.493 Der Eindruck der Unkenntnis Zenos 494 wird dadurch verstärkt, dass die Rede von heidnischen Opfertieren sich entweder auf die Vergangenheit bezieht 495 oder als Negativ-Aussage zum heidnischen Kult etwas Positives über den christlichen Kult sagen will, also nur verallgemeinernd, nicht konkret den heidnischen Kult beschreibt.496 Schließlich thematisiert Zeno die Blutigkeit der heidnischen Opfer, auch hier jedoch in sehr verallgemeinernder Form. Er spricht davon, dass es cruentibus manibus dargebracht wird;497 ausdrücklich erwähnt er auch das Durchschneiden der Kehle des Opfertieres. 498 An dieser Stelle wird deutlich, worum es Zeno bei der Umschreibung heidnischer Opfer eigentlich geht. Es ist gar nicht seine Absicht zu beschreiben – dies würde sich ja auch erübrigen, würden heidnische Opfer nach wie vor zahlreich und in aller Öffentlichkeit praktiziert –, ihm geht es vielmehr darum, mithilfe der Polemik heidnische Opfer zu entwerten, um demgegenüber das christliche Opfer aufzuwerten. So dienen bereits die Bilder ‚Feuer‘ und ‚Rauch‘ dazu, diese Eigentümlichkeit heidnischer Opfer zu Zeichen ihrer Körperlichkeit zu machen. Die Nennung der Opfertiere ist bereits negativ gefärbt, wenn Zeno ausdrücklich darauf hinweist, dass sie einen unnatürlichen Tod sterben (inexpectata morte).499 Die antithetische Beschreibung des christlichen Opfers in I 25,9 schließlich stellt in einer Klimax alle negativen Eigenschaften des heidnischen Opfers den positiven des christlichen gegenüber: Nunc sacrificii nostri proprietatem nos convenit nosse, quae facile ex adverso cognoscitur. Nam si diis corporalibus sacrificium convenit corporale, utique et spiritali deo sacrificium est necessarium spiritale; quod non ex sacculo, sed ex corde 492

Zu den einzelnen Arten von Opfertieren s. G. W ISSOWA, Religion, 35.411–416. Er nennt agnus in I 19,2; I 25,6; I 51; II 20,1; II 25,1, ovis in I 28,2, hircus in I 19,2; I 25,1.6; I 51, aries in I 19,2; I 25,6; I 43,7 (2x).8; I 51; II 25,1 und taurus in I 19,2; I 25,1.6; I 51. 494 Dem ,entschuldigenden‘ Einwand, dass die einzelnen Opfertiere seinen heidenchristlichen Zuhörern ja bekannt gewesen sein dürften, kann gerade entgegengehalten werden, dass Zeno, was das jüdische Opfer betrifft, auf der Grundlage seiner Schriftkenntnis gerne die Nennung der einzelnen Tiere variiert. S. o. Anm. 493. 495 Pecudes in I 34,9 werden von den Bewohnern Ninives (= Heidenchristen) nicht mehr geopfert; victimae in I 39,2 mussten die Christen während der Verfolgung zu den Altären bringen. 496 In I 25,9 wird das christliche Opfer mithilfe von Antithesen umschrieben: „sacrificium ... quod non bromosis pecudibus, sed suavissimis moribus comparatur“. 497 I 25,9. 498 Ebd.: „iugulatur ut pereat“. 499 I 34,9. Vgl. auch die Elemente der Antithese bezüglich des Isaakopfers victima imparata und hostia ... sanguinis in I 59,2. 493

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profertur; quod non bromosis pecudibus, sed suavissimis moribus comparatur; quod non cruentis manibus, sed sensibus mundis offertur; quod non iugulatur ut pereat, sed, sicut Isaac, immolatur ut vivat ... Hoc enim placitum est domino, ubi se ipsum candidus animus immolaverit domino; cetera autem nihil proderunt, si colentis pura mens non sit. Die positive Absetzung des christlichen Opfers ist die eigentliche Intention der polemischen Umschreibungen der heidnischen Opfer. Im Grunde interessiert Zeno das Schlachtopfer der Heiden nur insofern, als dass es einen idealen Aufhänger für eine polemische Gegenüberstellung bietet. Und dazu spielt es letztlich keine Rolle, ob es sich um Opfer in der Vergangenheit oder der Gegenwart handelt. Für das zeitgenössische Heidentum in Verona kann jedoch aus dem Befund abgeleitet werden, dass es keineswegs mehr so stark war, dass Zeno Details in seine Polemik miteinbeziehen konnte. Es wird von ihm immer nur dann thematisiert, wenn Mitglieder seiner Gemeinde mit Resten desselben in Berührung kommen. b) tura (con-)cremare und libamina profundere Das Weihrauch-Opfer bildete in klassischer Zeit zusammen mit der Wein-Spende „bei außerordentlichen und feierlicheren Opfern ... die praefatio sacrorum, indem die vor dem eigentlichen Empfänger des Opfers angerufenen Götter Wein, Weihrauch und Kuchen als Spende erhalten“.500 Diese unblutigen Opfer beschränkten sich jedoch mehr und mehr auf die Darbringung im privaten Kult der Hausgötter. 501 Darüber hinaus sind Weinund Weihrauch-Opfer v. a. Teil von Supplikationen,502 über welche sie vermutlich auch Eingang in den römischen Kaiserkult fanden. 503

500 G. W ISSOWA, Religion, 412; s. auch ebd., 417; S. EITREM, Opferritus und Voropfer der Griechen und Römer, Kristiania 1915, Repr. Hildesheim 1977, 228; W. W. MÜLLER , Art. Weihrauch, PRE.S XV, 1978, 700–772, hier: 757f.759. 501 S. G. W ISSOWA, Religion, 412. 502 S. ebd., 424. Terminus technicus ist ture et vino supplicare; s. ebd., Anm. 10; auch W. W. MÜLLER, Weihrauch, 759. 503 S. S. EITREM, Opferritus, 228; G. W ISSOWA, Religion, 425. – Man wird die direkten orientalischen Einflüsse auf den Kaiserkult, zu denen auch das Verbrennen von Weihrauch gezählt werden kann, nur schwer von ursprünglich Römischem trennen können. Schon die lateinischen Klassiker setzen die Weihrauch-Verwendung anachronistisch ein; so W. W. MÜLLER, Weihrauch, 757. A. ALFÖLDI, Repräsentation, 113, bemerkt jedoch, dass „schon in der sullanischen Zeit … das dankbare Volk vor den Statuen des Marius Gratidianus Weihrauch ... gebrannt“ hat. Den Bezug von Supplikation und Kaiserkult sieht auch W. W. MÜLLER, Weihrauch, 759. Zu den Riten der Supplikation s. D. FISHWICK, The Imperial Cult in the Latin West. Studies in the Ruler Cult of the Western Provinces of the Roman Empire, Bd. II,1, EPRO 108, Leiden u. a. 1991, 501–590, dort v. a. „Italy“: 509–512.

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Der Terminus turificatio ist eine Schöpfung christlicher Autoren zur Bezeichnung des heidnischen Weihrauch-Opfers, das klassische Latein kennt ihn nicht.504 In dieser Form begegnet er auch nicht bei Zeno; ähnlich wie schon beim Schlacht-Opfer beschreibt er vielmehr den Vorgang. 505 Anders verhält es sich mit dem Terminus libatio, der schon klassisch Fachterminus für das Trank-Opfer ist.506 Er klingt auch bei Zeno noch stärker durch in der Verwendung des Wortes libamen,507 das die Spende selbst, also den ‚Opferguss‘ bezeichnet. 508

Zeno nennt das Weihrauch-Opfer im Kontext der Gegenüberstellung des heidnischen, jüdischen und christlichen Opfers in I 25,4 zusammen mit dem eigentlichen heidnischen Opfer (sacrificium) und dem heidnischen Gebet (preces). Auf der einen Seite entsteht dadurch der Eindruck, dass alle wesentlichen Teile einer öffentlichen Opferzeremonie genannt sind, auf der anderen Seite beschreibt Zeno jedoch das Weihrauch-Opfer mit dem Verbalausdruck tura concremare als eigenständigen Akt, der der Nennung des sacrificium in einer lockeren Aufzählung folgt (und nicht vorausgeht), woraus geschlossen werden kann, dass er keine Kenntnis mehr davon hat, dass es sich, wie übrigens auch beim anschließend genannten Gebet,509 um eine Teilhandlung des sacrificium insgesamt handelt, die der immolatio vorausgeht. Auch in I 34,9 nennt Zeno das Weihrauch-Opfer in der Umschreibung tura cremare in einer Aufzählung zum Opfer gehörender Handlungen, die Ninive, d. h. die Heidenkirche, nicht mehr praktiziert. Für das eigentliche Opfer steht das Bild des Feuer-Entzündens an stinkenden Altären (aris foetentibus funestos excitare ignes), es folgen Weihrauch- und WeinSpende sowie Haruspizien und Auspizien.510 Hier entsteht noch eher der Eindruck einer vollständigen Beschreibung eines Opfers; was jedoch wieder irritiert, ist die inkorrekte Reihenfolge der einzelnen Handlungen. 511 Es scheint auch nicht so, dass Zeno quasi in einer absteigenden Klimax vom Verwerflichsten, dem Blut-Opfer, zum weniger Verwerflichen schrei504 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3264; A. B LAISE, Dictionnaire, 833. Für das Weihrauch-Opfer stehen klassisch Verbalausdrücke wie tus praebere, tus incendere oder tus dare; s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3267f. 505 Tura cremare in I 34,9, tura concremare in I 25,4, tura succendere in I 39,2. 506 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 632; H. MENGE, Großwörterbuch, 434; A. B LAISE, Dictionnaire, 493. 507 I 2,3; I 39,2. 508 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 631f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 434; A. B LAISE, Dictionnaire, 493. 509 Das Gebet wurde vermutlich zusammen mit der eigentlichen Darbringung des Opfers gesprochen, s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 393; vgl. auch J. RÜPKE, Religion, 104f. Zum römischen Gebet s. u. S. 176–178. 510 S. u. S. 181–190. 511 Zum Ablauf des Opfers s. G. W ISSOWA, Religion, 416–420; K. LATTE, Religionsgeschichte, 385–391.

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tet. Denn Weihrauch- und Wein-Spende bildeten das Voropfer, während die Haruspizien eng mit dem Schlacht-Opfer verbunden waren. 512 Die Auspizien sind an sich ein eigenständiger Kultakt; 513 sind sie mit einem Opfer verbunden, dürften sie diesem insgesamt jedoch vorausgegangen sein. Eine ähnliche Unordnung bezüglich des Ablaufs des heidnischen Opfers begegnet auch bei der Erwähnung des Weihrauch-Opfers in I 39,2. Zeno spielt auf den Opfertest, dem die Christen sich während der Verfolgungen unterziehen mussten, an: „Cogebatur Christi populus vanis superstitionibus interesse atque in cultum nefandi ritus nunc aut libamina inceste profundere aut ornatus sertis victimas trahere aut gravia nidoribus tura succendere aut inter fumidos ignes pallenti arvina, funesto sanguine perlitare“. Die Libation steht an erster Stelle der Aufzählung, man könnte hier den Eindruck eines Voropfers bekommen. Davon getrennt wird das Weihrauch-Opfer jedoch durch das Herbeibringen der Opfertiere. Der Weihrauch-Spende ist auch hier die Eingeweideschau angehängt, während die eigentliche Schlachtung gar nicht erwähnt ist. Dass der Ablauf in dieser Beschreibung dennoch nicht ganz so ungeordnet wie in I 34,9 erscheint, erhärtet die Vermutung, dass Traktat I 39 die Passio des Arcadius als Vorlage zugrunde liegt, die das Geschehen noch besser kennt.514 Es fällt zudem auf, dass Zeno in I 39,2 den Akt des Weihrauch-Opfers anders als an den beiden vorangegangenen Stellen mit tura succendere (nicht mit tura (con-)cremare) umschreibt. Auch diese Terminologie dürfte Zeno der Passio des Arcadius entnommen haben.515 Besonders interessant ist an Traktat I 39, dass Zeno auch im Zusammenhang mit der Christenverfolgung sämtliche zum Opfer gehörigen Handlungen nennt und sich nicht auf das vielfach als ausreichend für einen Opfer-Libellus angesehene Weihrauch-Opfer 516 beschränkt, den in der 512

S. G. W ISSOWA, Religion, 418f. S. ebd., 524. 514 S. P ASS. ARCAD. (551 Ruinart). 515 Ein solches Abweichen des Vokabulars ist wohl kaum „stilistisch“ zu erklären, wie B. LÖFSTEDT, Tractatus, 6*, Anm. 2, es tut, der Zeno für den Verfasser der Passio hält. Auch das Rekurrieren auf ein „materiale lessicale lontano dall’uso comune, in gran parte caratteristico della lingua poetica“, wie U. B ARELLI, Arcadio, 145f., es für I 39 nachweist und es mit der Intention, dem Gedenken des Märtyrers einen gehobenen Stil zu verleihen, erklärt, dürfte an dieser Stelle nicht greifen. Die Abhängigkeit von Passio und Traktat I 39 sind, trotz der Arbeit von Barelli, noch nicht befriedigend untersucht (so B. LÖFSTEDT, Tractatus, 6*, Anm. 2, selbst; vgl. auch C. T RUZZI, Zeno, 220, Anm. 83). – Das succendere erinnert vielmehr an das klassisch überlieferte tus incendere, der Anlaut suc- spielt vielleicht auf ture supplicare (und damit auf den Kaiserkult) an. 516 S. J. VOGT, Art. Christenverfolgung I. Historisch, RAC II, 1954, 1159–1208, hier: 1186; auch H. LAST, Christenverfolgung, 1213. 513

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dekischen und diokletianischen Verfolgung 517 mit dem Opferzwang verbundenen Kaiserkult 518 jedoch überhaupt nicht als solchen erwähnt. Zweifelsohne ist der Akt der Weihrauch-Spende für Zeno natürlich negativ belegt. Dies ergibt sich schon aus der ausschließlichen Erwähnung im Zusammenhang mit heidnischem Opfer, Weihrauch überhaupt wird weder als Bestandteil des jüdischen noch des christlichen Kultes in den Traktaten genannt.519 Mit der ausschließlichen Zugehörigkeit zum Heiden517

Das Martyrium des Arcadius wird gewöhnlich in die diokletianische Verfolgung datiert; s. P. SAINT-ROCH, Art. Arcadius v. Caesarea, LThK3 I, 1993, 940. 518 S. R. F. P RICE, Between man and god. Sacrifice in the Roman imperial cult, JRS 70, 1980, 28–43, hier: 29f., zeigt in seiner Untersuchung der zum Kaiserkult gehörigen Rituale, dass neben dem Weihrauch-Opfer auch Libationen, Kuchen-Spenden und Schlachtopfer Bestandteile der Zeremonie waren. Insofern ist Zeno also gar nicht gezwungen, zu differenzieren zwischen gewöhnlichen Opfern und demjenigen, das die Christen leisten sollten. Die Forschung konnte außerdem zeigen, dass es nicht primär der Kaiserkult war, der den Christen während der Verfolgungen abverlangt wurde; vgl. J. VOGT, Christenverfolgung, 1185.1195. Schon Plinius lässt zwar das den Christen abverlangte Opfer auch vor einer Statue Trajans vornehmen, s. H. LAST, Christenverfolgung, 1216f. und unter Decius wird das allgemeine Opfer wahrscheinlich in Form der Supplikation, bei der die Weihrauch-Spende üblich war, vorgenommen worden sein, so J. VOGT, Christenverfolgung, 1185. Der Befund bei Zeno deckt sich jedoch mit der Feststellung J. R. FEARS’, Art. Herrscherkult, RAC XIV, 1988, 1047–1093, hier: 1088: „Um von der Anklage, ein Christ zu sein, freigesprochen zu werden, mußte der Angeklagte ein Gebet zu den Göttern nachsprechen, ein Wein- und Weihrauchopfer dem Bild (imago) des Kaisers sowie den Kultstatuen (simulacra) der Götter darbringen u[nd] den Namen Christi schmähen. Demnach stellte für Plinius die Verehrung des Kaisers nur einen Teil der Forderung an den Angeklagten dar, die Götter generell zu verehren ... Im Vergleich zu der Forderung nach dem Opfer an die Götter findet sich das Bestehen auf einem besonderen Opfer an den Kaiser sehr viel seltener in den Märtyrerakten“. Vgl. auch W. P ÖHLMANN, Art. Herrscherkult II. Neues Testament und Alte Kirche bis Konstantin, TRE XV, 1986, 248–253, hier: 252: „Vor allem durch die Kombination von Plin., ep. 10,96,5 (Opfertest) mit dem Apologeticum Tertullians, der die Verweigerung des Opfers für den Kaiser auf der gleichen Stufe mit der Abstinenz von der heidnischen Götterverehrung zur summa causa des Konflikts der Christen mit der römischen Staatsgewalt erklärt hatte (apol. 10,1), hatte sich unter Zuhilfenahme der Antithese Christuskult – Kaiserkult die Überzeugung durchgesetzt, die Verweigerung des Kaiserkultes, insbesondere des Opfers für den Kaiser sei das entscheidende Moment für die Christenverfolgung gewesen. Tatsächlich steht an erster Stelle der heidnischen Vorwürfe gegen die Christen die Distanzierung vom Kult der Götter ... die Aufforderung zum Opfer für den Kaiser ist in den Märtyrerakten nur die geringere Alternative nach der Weigerung der Christen, den Göttern zu opfern. Folgerichtig wurden die Opfer allgemein und im Rahmen der Kaiserverehrung durch Konstantin untersagt, während zahlreiche Elemente des Kaiserkultes durch Transformation in die christliche Kaiserverehrung eingingen.“ Vgl. auch S. R. F. P RICE, Sacrifice, 36f. 519 Die Frage nach der Einführung des Weihrauchs als Gabe oder Ehrenzeichen im christlichen Gottesdienst ist nicht eindeutig zu beantworten; erstes Zeugnis im Osten bietet vermutlich für das Jahr 363 Ephräm der Syrer, so M. P FEIFER, Der Weihrauch.

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tum erübrigt sich eine differenzierende Polemik. Und so wird die Handlung an zwei der drei Stellen 520 ohne weiteren Kommentar in die ansonsten durchaus mit polemischen Attributen ausgeschmückten Aufzählungen eingereiht. Nur in I 25,4 wird der Verbalausdruck tura concremare durch non spirantibus ergänzt, was allerdings seinen Grund an erster Stelle wohl in der völlig parallel strukturierten Aneinanderreihung von Oxymora haben dürfte, die die Polemik besonders ironisch werden lässt. Die Libation erwähnt Zeno an drei Stellen. Wenn auch die Verwendung des Nomens libamen in I 2,3 und I 39,2 an die schon klassische Bezeichnung libatio erinnert, so benutzt Zeno dennoch die eigentliche Fachterminologie nicht: Statt des Fachausdrucks vinum inferre bzw. vinum inferium 521 steht in I 34,9 merum profundere,522 vermutlich direkt auf den Opferguss bezogen. In Zusammenhang mit der turificatio begegnet das Wein-Opfer in I 34,9 und in I 39,2. In beiden Fällen könnte, wie oben bereits ausgeführt, das klassische Voropfer beschrieben sein; Zenos Kenntnisse erweisen sich jedoch als sehr verkürzt. Zu dieser Beobachtung passt die Tatsache, dass Zeno Vorgänge aus der Vergangenheit beschreibt. Christen wurden zu diesen Opferhandlungen während der längst vergangenen Verfolgungszeit gezwungen,523 und Ninive als Bild für die sich nunmehr aus dem ehemaligen Heidentum rekrutierende Kirche praktiziert diese Handlungen nicht mehr.524 Entsprechend gering fällt die direkte Polemik Zenos an der Libation aus. Für sich genommen ist sie natürlich ebenso inakzeptabel wie das Weihrauch-Opfer. Eine differenzierende Polemik angesichts ähnlicher christlicher Gepflogenheiten erübrigt sich auch hier. In I 2,3 berichtet Zeno dagegen ausdrücklich, dass das zeitgenössische Heidentum die Wein-Spende noch ausübt, allerdings im Zusammenhang Geschichte, Bedeutung, Verwendung, Regensburg 1997, 47; ob unter Ambrosius in Mailand schon Weihrauch real im Gottesdienst verbrannt wurde, oder ob mehrere Erwähnungen, etwa das von M. P FEIFER, Weihrauch, 48f. und 181, Anm. 9, erwähnte adolere in Ambr. in Luc. 1,28 (CChrL 14,20) „im Sinne des Weihrauchs des Gebetes“, ebd. 49, zu verstehen ist, ist umstritten. Weihrauch als Ehrenzeichen für den Bischof dokumentiert für das 6. Jahrhundert das Mosaik des Justinian in der Apsiszone von San Vitale in Ravenna; vgl. M. P FEIFER, Weihrauch, 52. 520 I 34,9; I 39,2. 521 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 376. Vielleicht klingt die Fachterminologie aber noch im Ausdruck lumen inferre in I 25,4 durch. – Als Trankopfer wurde neben Wein auch Milch als Spende dargebracht, so K. LATTE, Religionsgeschichte, 378. Zeno berichtet davon nicht. Der Terminus libamen ist jedoch neutral und könnte von daher auch eine andere Spende als die Wein-Spende beinhalten. 522 Vgl. auch libamina profundere in I 39,2. 523 I 39,2. 524 I 34,9.

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mit dem Totenkult. Zeno bedient sich dieser Feststellung hier als Argument für die Auferstehung der Toten, die die Heiden zwar leugneten, durch die Form ihres Totenkultes aber dennoch bezeugten. 525 Der an sich von Zeno als negativ betrachtete Akt (libamine infausto) wird hier in ironischer Manier zum Argument gegen christlichen Zweifel. 526 An dieser Stelle wird also nur ganz am Rande gegen das Heidentum polemisiert, gleichsam als Nebenprodukt. Auf den privaten (religiösen?) Brauch der Weinspende im Totenkult spielt Zeno ein zweites Mal in I 25,11 an. Dort spricht er nun allerdings von Christen, die verschiedenen Elementen des an sich heidnischen Totenkultes nachkommen und dabei u. a. in nun ‚christianisierter‘ Manier „mit Schalen und Kelchen Märtyrer kreieren.“ 527 Solches Verhalten insgesamt, insbesondere aber die ausschweifende Weinspende muss aufgrund der prinzipiellen Verbindung von luxuria mit heidnischen Göttern 528 als verwerflich qualifiziert werden. Sowohl Weihrauch- als auch Wein-Spende bieten nichts die Sinne Abstoßendes wie etwa die Blutigkeit oder den Gestank der immolatio und damit auch keinen so idealen Aufhänger für gezielte Polemik. Die Erwähnung der Weihrauch-Spende durch Zeno ist daher an allen drei untersuchten Stellen in die Polemik gegen das heidnische Opfer insgesamt eingebunden. Zwei dieser Stellen attackieren deutlich in der Vergangenheit liegende Verhältnisse (Christenverfolgung und vor-‚ninivitische‘ Zeit). Die dritte Erwähnung ist in eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem heidnischen Opfer eingebunden, dem überbietend das christliche gegenübergestellt wird. Obwohl es in Verona offensichtlich noch keinen Einsatz von Weihrauch im christlichen Gottesdienst gibt und damit der Akt als ein noch genuin heidnischer gelten kann, scheint nicht gegen zeitgenössisch noch Praktiziertes und insofern christliche Gemeindemitglieder Gefährdendes polemisiert zu werden. Anders bei der Wein-Spende, die zwar als Teil des Gesamtopfers ebenfalls der Vergangenheit angehört, nach wie vor aber eine Rolle im Totenkult spielt und in diesem Kontext zum einen zwar als ironisches Argument herhalten kann, als Praktik für den Christen aber nicht in Frage kommen darf.

525 Hier folgt Zeno inhaltlich T ERT. resurr. 1,2 (CChr.SL 2,921,4–7 Borleffs), der genau diesen inhaltlichen Widerspruch (tamen ) benennt. 526 S. u. S. 352–366. 527 I 25,11: „displicent deo sed et illi, …qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus subito sibi martyres pepererunt.“ 528 S. o. S. 145f.

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c) Sonstige Riten Im Zusammenhang mit dem sacrificium nennt Zeno weitere Riten, die nicht unbedingt jedes Opfer begleiten müssen. Es handelt sich auch in den Traktaten um einzelne Randbemerkungen, deren Bedeutung an dieser Stelle jedoch kurz nachgegangen werden soll. So benutzt Zeno in der generellen Beschreibung des heidnischen sacrificium in I 25,4 an zweiter Stelle (nach der Nennung des Opfers selbst: sacrificium ... procurare und vor der Nennung der Weihrauch-Spende: tura ... concremare) die Formulierung lumen ... inferre. Neben der Einordnung in diese Aufzählung weist darüber hinaus schon das Verb inferre daraufhin, dass es sich um einen kultischen Akt handeln muss. 529 Die parallele Struktur zu vinum inferre als Fachterminologie für die Libation 530 legt den Schluss nahe, dass es sich auch bei lumen inferre um eine Darbringung handelt. Latte und Wissowa geben keinen Hinweis auf einen solchen Akt innerhalb des Vollzugs des römischen Opfers. Dass aber in der Antike durchaus Feuer als Opfergabe dargebracht werden konnte, belegt Eitrem in seinen Ausführungen zum Voropfer bei Griechen und Römern,531 sogar die Fackel, als eine Form der Feuer-Spende, stellt er auf eine Ebene mit dem Thymaterion.532

Da lumen inferre auch in den zenonischen Traktaten nur ein einziges Mal eben an der genannten Stelle begegnet, in den übrigen Opferbeschreibungen aber fehlt, kann geschlossen werden, dass es sich nicht um einen generell oder häufig praktizierten Opferritus handelt. Insofern geht es Zeno vermutlich auch nicht zuerst um eine Polemik gegen diesen Akt an sich, der selbstverstädlich als Teil des heidnischen Opfers für ihn grundsätzlich indiskutabel ist. Betrachtet man die Aufzählung von Opfer-Handlungen in I 25,4 als Ganzes, fällt die parallele Struktur mit eingefügtem DativObjekt auf. Die dementia, mit der hier das sacrificium belegt wird, macht nicht der einzelne Akt aus, die dementia besteht in der Darbringung der Opfer an die heidnischen Götter, die eben zu keiner Wahrnehmung fähig sind, in diesem Fall die Licht-Spende gar nicht sehen können (lumen caecis inferre), da sie ja mit den geschaffenen Götterstandbildern identisch sind.533 So kann Zeno schließlich resümieren: „Haec gentes, nisi conver529

S. A. B LAISE, Dictionnaire, 441; auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 235. 530 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 376. 531 S. S. EITREM, Opferritus, 138.144.147.150 u. ö. Seine Belege beziehen sich allerdings weitgehend auf griechische Opfer. Als Teil des Schlacht-Opfers führt W. FAUTH, Art. Opfer, KP IV, 1979, 307–310, hier: 310, das präliminäre Opfer-Feuer an. 532 S. S. EITREM, Opferritus, 147. 533 I 25,3. Vgl. caecus als Gebrechensmetapher und Teil der intellektuellen Disqualifizierung bei I. OPELT, Polemik, 246.

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tantur, manet divina sententia, quae nec deum nec sacrificium etiam ipsae cognoscunt se habere legitimum.“ 534 Sie haben keine akzeptablen 535 Opfer, weil sie keine akzeptablen Götter haben. Auf eine weitere eher selten praktizierte Spende spielt Zeno vielleicht in I 25,9 innerhalb der Charakterisierung des christlichen Opfers in Gegenüberstellung mit dem heidnischen Opfer an. Vorangestellt ist der gesamten Charakterisierung gleichsam als Thema der Satz: „Nam si diis corporalibus sacrificium convenit corporale, utique et spiritali deo sacrificium est necessarium spiritale“. Die folgende Aufzählung der jeweiligen Eigenschaften will diesen Satz an einzelnen Beispielen belegen. Zeno spricht im Folgenden davon, dass das christliche Opfer aus dem Herzen hervorgeht, während das heidnische dem Geldbeutel entstammt: „[sacrificium] quod non ex sacculo, sed ex corde profertur“. Diese Rede vom sacrificium ex sacculo kann nur verstanden werden als ein Wiederaufnehmen der Charakterisierung corporale. Zu fragen ist jedoch, ob ex sacculo sich auf den Wert des nachfolgend genannten Opfertieres bezieht (bromosis pecudibus), oder ob vielleicht auch das Geld-Opfer angesprochen sein könnte. Das Geld-Opfer war im römischen Kult durchaus bekannt, es richtete sich in der Regel an unterirdische Gottheiten oder Quellgötter. Der Fachterminus zur Bezeichnung dieses Opfers war stips.536 Davon sind die nachträglich mit dem gleichen Terminus belegten Geldspenden zugunsten der Tempelkasse zu unterscheiden, die überwiegend in den adaptierten griechischen Kulten vorkamen.537

Denkbar wäre darüber hinaus, dass hier generell auf die Finanzierung des heidnischen Kultes über Sporteln abgehoben werden soll. 538 Da Zeno jedoch weder den Terminus stips noch sportulae in diesem Sinne in seinen Traktaten benutzt,539 kann über die Terminologie nicht auf das hier Gemeinte geschlossen werden. Betrachtet man jedoch die nachfolgend angeschlossenen Glieder der Aufzählung, zeigt sich deutlich, dass sie sich sämtlich auf die Opferung 534

I 25,5. Legitimus dürfte von Zeno im Sinn von ,biblischen Vorgaben entsprechend‘ gemeint sein, da er mit lex häufig die Schrift (als Maßstab für christliches Handeln) bezeichnet, s. u. S. 445–447. 536 S. G. W ISSOWA, Religion, 428f. 537 S. ebd., 429. – Darüber hinaus sind auch öffentliche Kollekten auf der Straße bekannt, allerdings nur für fremde Kulte wie den der Magna Mater oder der Isis; s. ebd. 538 Vgl. ebd., 407. Schon T ERT. nat. 1,10,24 (CChr.SL 1, 26,23–25 Borleffs) polemisiert dagegen: „exigitis mercedem pro solo templi, pro aditu sacri, pro stipibus, pro hostiis; venditis totam divinitatem, non licet eam gratis coli.“ Vgl. auch T ERT. apol. 13,6 (CChr.SL 1,111,25f. Dekkers). 539 Stips wird übertragen im Sinn von Opfergabe in I 3,14 allerdings auf die jüdische Beschneidung angewandt (iniuriosam corporis stipem). 535

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des Opfertieres, die immolatio, beziehen.540 Von daher darf wohl für die Formulierung ex sacculo zurückgeschlossen werden, dass hier ebenfalls Bezug genommen wird auf die immolatio, dass also für Zeno ein Aspekt der Körperlichkeit des heidnischen Opfers der materielle Wert des Opfertieres ist.541 Dass ihm darüber hinaus Geldopfer bekannt waren, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Eine Anspielung darauf könnte in I 14,4 stecken, wenn er sagt, dass derjenige, der Gold und Silber liebt, die Sitten der Götter nachahmt.542 Schließlich steht in direktem Zusammenhang mit dem heidnischen Opfer, insbesondere mit der immolatio, ein mögliches anschließendes Mahl der Priesterschaft oder auch der Kultgemeinde. Im römischen Kontext ist es zu unterscheiden von der Vorstellung vom Opfermahl für die Götter, die Grundlage des römischen Opfers an sich war.543 Der Charakter eines den Göttern im Opfer dargebotenen Mahles (daps, epulum) 544 hat sich u. a. darin erhalten, dass die Stücke des Opfers zerkleinert wurden.545 Der Mensch wurde an diesem Opfermahl erst im Anschluss an das Opfer beteiligt. Nach der Darbringung der exta wurden die Reste des Opfers, die viscera, in der visceratio profaner Nutzung zugänglich gemacht, was deshalb auch mit profanare bezeichnet werden konnte. 546 An einem anschließenden Mahl (epulum) nahmen beim Staatsopfer die Priester, beim privaten Opfer der Darbringende sowie von ihm geladene Gäste teil.547 Eine profane Nutzung durch Volksbewirtung oder durch Verkauf des Opferfleisches zugunsten der Tempelkasse begegnet darüber hinaus in eingewanderten Kulten. 548

In den zenonischen Traktaten begegnet der Begriff epulum in diesem Sinne nicht. Zeno benutzt die Wendung prandia sacrificare,549 bezeichnet damit aber das Mahl im Totenkult.550 Einen Hinweis auf den Verzehr von 540

I 25,9: „bromosis pecudibus ... cruentis manibus ... iugulatur ut pereat“. Auch Tertullian hebt darauf ab ( pro hostiis); s. S. 178, Anm. 538. 542 I 14,4: „Unde apparet eum, qui diligit aurum et argentum, non tantum deos colere, sed eorum mores et actus imitari.“ Hier ist mit mores vermutlich mehr gemeint als ,gebräuchliches Verhalten‘ der Götter; Zeno dürfte hier bewusst den Terminus mores benutzen, der auch eine ethische Konnotation, wie sie auch im deutschen Wort ,Sitte‘ mitschwingt, beinhaltet. Vgl. u. S. 556–559. 543 S. J. RÜPKE, Religion, 144–146. 544 S. G. W ISSOWA, Religion, 422f. 545 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 389. 546 S. ebd., 390f; G. W ISSOWA, Religion, 419. 547 S. ebd., 419. 548 S. ebd., 419f. 549 I 25,11. 550 Dazu s. u. S. 213–219. – Die Formulierung sacrificium sumere in Verbindung mit dem Verb manducare im nachfolgenden Satz, I 25,12, bezieht sich auf die Teilnahme am christlichen Opfer. Die vorher wegen ihrer heidnischen Praktiken getadelten Christen können weder Gott würdig ein Opfer darbringen noch würdig daran teilnehmen: „Iam videat unusquisque, quemadmodum sacrificium aut sumat aut offerat; sicut enim indigne 541

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Teilen des Opfers bietet er allerdings in II 7. Dort berichtet Zeno, dass die christliche Ehefrau eines Heiden etwas von der Opfergabe entgegennimmt, verwahrt und schließlich gemeinsam mit ihrem Mann davon isst und trinkt.551 Dies geschieht aber nicht direkt im Anschluss an das Opfer, sondern zu Hause; es handelt sich offensichtlich um profanierte Anteile des Opfers.552 Die Folge solchen Tuns ist es, dass die christliche Frau den Geist der Sünde des Heidentums (iniquitatis spiritus) durch ihren Mann in sich aufnimmt, ja, sie dieser Geist mehr durchdringt als den Tempel. 553 Zeno polemisiert hier nur am Rande gegen die heidnische Gepflogenheit. Ihm geht es darum darzustellen, dass die Ehe einer Christin mit einem Heiden unweigerlich zur Sünde führen muss. Der Verzehr von Opfergaben dient dabei nur als Beispiel. 4. Gebet a) preces und petere Über den Akt des Opfers (sacrificium) hinaus kennt Zeno offensichtlich noch das Gebet als heidnischen Kultakt, das in I 25,4 unter zweifacher Terminologie begegnet. Im Anschluss an die Unterscheidung der drei Genera der Opfer in I 25,3 stellt Zeno in einer Aufzählung zunächst verschiedene heidnische Opferhandlungen,554 dann aber auch das pagane Gebet in Frage: „[Quae est ergo ista dementia] ... allegare preces surdis, ab his custodiam petere, quos fur non timet involare?“ Ob Zeno weiß, dass das Gebet nach römischer Vorstellung „nicht ... ein selbständiger Akt der Frömmigkeit [ist] als vielmehr die zu jeder sakralen Handlung und Darbringung notwendig gehörende mündliche Erklärung, die das sakrale Rechtsgeschäft von seiten des Sterblichen perfekt macht und, wenn in richtiger Form abgegeben, zugleich auch die

offerre sacrilegum est, ita indigne manducare mortiferum, in Levitico scriptura dicente: Omnis mundus manducabit carnem. Anima autem quaecumque manducaverit de carne sacrificii salutaris, quod est domini, et inmunditia eius super ipsum est, peribit anima illa de populo suo.“ Zeno scheut sich nicht, mit dieser konkreten Terminologie vom geistlichen Opfer der Christen zu sprechen. Er fürchtet offensichtlich keine Verwechslung mit dem Verzehr beim heidnischen Opfer. 551 II 7,17: „Et si quod forte acceptum relatumve fuerit a fanatico solemne mysterium, ipsa suscipis, ipsa reponis, ipsa custodis. Una cibum praeterea capis, reliquias poculi propinati lambendo labris exhauris futurique haustus quasi quasdam primitias auspicaris“. 552 Zur profanen Nutzung von Teilen der Opfergaben s. G. W ISSOWA, Religion, 353. 553 II 7,17: „totum prorsus iniquitatis spiritum libens concipis per maritum: infelix, iam plus in te est quam in templo remansit!“ 554 I 25,4: „Quae est ergo ista dementia sacrificium nescientibus procurare, lumen caecis inferre, tura non spirantibus concremare“.

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Gottheit in dieses einzutreten zwingt“,555 kann aus der Erwähnung in dieser Aufzählung nicht abgeleitet werden.

Erkennbar bezeichnet Zeno mit preces, das lediglich durch ein Dativ-Objekt zur Kennzeichnung der Adressaten erweitert ist, offensichtlich das Gebet im Sinne einer bloßen Kommunikation ohne konkrete inhaltliche Implikationen,556 was allerdings für den römischen Kult als untypisch gilt.557 Das folgende petere hingegen wird konkreter, es bezeichnet das Bittgebet, denn über die Adressaten hinaus benennt das Akkusativ-Objekt custodiam den Inhalt der Bitte.558 Gemeint ist also: „Was ist das für ein Unsinn, ... Gebete (im Sinn einer Kontaktaufnahme) an Taube zu richten (die sie also weder wahrnehmen können noch kommunikativ darauf reagieren können), (ja konkret sogar) Schutz von denen durch Bitten zu erlangen zu suchen,559 die ein Dieb zu stehlen nicht fürchtet (da sie nicht einmal in der Lage sind, sich selbst zu schützen)?“ Die Ironie dieser Frage liegt nicht in der Terminologie selbst, es wird nicht gegen das heidnische Gebet oder Bittgebet an sich polemisiert, sondern die Polemik richtet sich gegen die Urheber, die die Unsinnigkeit ihres Unterfangens nicht sehen 555 G. W ISSOWA, Religion, 397; der Terminus technicus ist precatio (Belege ebd., 396f.), auch bonae preces (K. LATTE, Religionsgeschichte, 393); das ebenfalls anzutreffende carmen (G. W ISSOWA, Religion, 398) ist bei Zeno für biblische Texte reserviert: I 30; I 45,1; II 4,10; II 9,1.8; II 21. 556 Preces muss nicht einen konkreten Wunsch bezeichnen; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1917; H. MENGE, Großwörterbuch, 597. 557 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 47: „die ausdrückliche Zweckbegrenzung bezeichnet auch sonst den Verkehr des Römers mit seinen Göttern. In den Gebetsformeln, die das Opfer begleiten, wird der besondere Zweck ausdrücklich angegeben ... Die gleiche Denkweise zeigt sich in der Genauigkeit, mit der man den Kreis umschreibt, für den Opfer und Gebet gelten sollen: ... Die Sorgfalt, mit der hier die Absicht der Handlung formuliert wird, verrät ... die bewußte Richtung auf das nächste Ziel, die dem Denken des Römers eigentümlich ist“. Die übertragene Bedeutung von orare im Sinn von ‚beten‘, die anfänglich immer mit der Formulierung precibus verbunden sein musste, um als religiöser Akt verstanden zu werden, vgl. L. GAVOILLE, Oratio ou la parole persuasive. Études sémantique et pragmatique, Bibliothèque d’études classique 53, Löwen / Paris / Dudley, Mass. 2007, 121–136, ist zenonisch (und hier selbstverständlich ohne den Zusatz precibus!) ganz dem christlichen Gebet vorbehalten; s. etwa I 14,6; I 35,5; I 39,7 (2x); II 1,6; II 5,5; II 6,2.11. – Bestätigt wird die von Zeno in I 25,4 eingeführte Vorstellung von einer Kommunikation zwischen Betendem und Göttern durch die Rede von den deorum responsa in II 7,16, den Antworten der Götter auf Fragen nach dem zukünftigen Wohlergehen. Inhaltlich dürfte hier auf eine Orakelerstellung angespielt sein. 558 Über mögliche konkrete Inhalte oder gar die notwendigen Formeln, wie sie bei G. W ISSOWA, Religion, 396–398, und K. LATTE, Religionsgeschichte, 392f., beschrieben sind, informiert Zeno nicht. 559 Vgl. T ERT. apol. 29,5 (CChr.SL 1,141,20f. Dekkers): „vos … eam [sc. salutem imperatorum] quaeritis ubi non est, petitis a quibus dari non potest“.

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(dementia), und die Adressaten, die heidnischen Gottheiten. Im Hintergrund steht hier wieder die Vorstellung von der Identität des Götterbildes mit der Gottheit – „colunt enim vani vana figmenta ... detrimento matris limae moderato dente figurata“ 560 –, die Zeno wiederum polemisch nutzt. Die Attacke richtet sich hier scheinbar bloß gegen die Machtlosigkeit der Götter, letztlich liegt diese Machtlosigkeit jedoch in deren Irrealität begründet. Sie hat ihren Grund nicht allein im Geschaffensein der Götterbilder, sondern in der Identität von Bild und Gott. 561 An sich wird das Gebet sowohl im Sinne einer Kommunikation als auch im Sinne des Bittgebets als religiöse Äußerung von Zeno akzeptiert und auch für das Christentum mit der gleichen Begrifflichkeit belegt. Der Unterschied liegt im Urheber wie im Adressaten und damit in der Wirksamkeit des Gebetes.562 So kann Zeno in I 1,21 mit der gleichen Terminologie das christliche Gebet mit der pudicitia verbinden, die die Qualität des Betenden bestimmen sollte: „per te allegatae priusquam fundantur acceptantur preces.“ Adressat christlicher Gebete sind entweder Christus – „Denique apud Esaiam ad filium sic dicit dominus deus sabaoth: ... et adorabunt te et in te precabuntur“ 563 – oder Gott Vater – „Per hanc [sc. pudicitiam] a deo patre quod petitis impetratis.“ 564 b) votum Neben dem das Opfer begleitenden Gebet kennt Zeno noch das votum.

560

I 25,3. Dazu s. o. S. 119, Anm. 179. 562 Vgl. auch M. FIEDROWICZ, Das Gebet in der Argumentation der Apologeten, in: La preghiera nel tardo antico. Dalle origini ad Agostino, XXVII Incontro di studiosi dell’antichità cristiana, Roma, 7 – 9 maggio 1998, hg. v. Istituto Patristico Augustinianum, Rom 1999, 167–178, hier: 174f. S. etwa T ERT. apol. 29,5–30,1 (CChr.SL 1,141,20–24.1f. Dekkers): „Sed vos religiosi, qui eam [sc. imperatorum salutem] quaeritis ubi non est, petitis a quibus dari non potest, praeterito eo, in cuius est potestate, insuper debellatis, qui eam sciunt petere, qui etiam possunt impetrare, dum sciunt petere! Nos enim pro salute imperatorum Deum invocamus aeternum, Deum verum, Deum vivum“. 563 II 8,5. 564 I 1,4. Zum Adressaten im heidnischen und christlichen Gebet s. auch A.-G. HAMMAN, La prière chrétienne et la prière païenne. Formes et différences, in: ANRW II,13,2. Religion. Vorkonstantinisches Christentum. Verhältnis zu römischem Staat und heidnischer Religion, hg. v. W. Haase, Berlin / New York 1980, 1190–1247, hier: 1233–1243. – Heidnische Supplikationen, s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 245.393; G. W ISSOWA, Religion, 423–426, sind Zeno offensichtlich auch kein Begriff. Ein einziges Mal begegnet das Verb supplicare in II 6,9, es bezeichnet jedoch die christliche (Für-)Bitte. 561

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Unter votum versteht man in der römischen Religionsgeschichte „die in rechtsverbindlicher Form gegebene Feststellung sowohl dessen, was der Gelobende von der Gottheit erbittet, als dessen, was er für den Fall der Gewährung seiner Bitte jener als Gegenleistung darzubringen sich verpflichtet.“ 565 Unterschiedliche Anlässe bedingten vota publica und Privatgelübde.566 Sehr verschieden konnten auch die versprochenen Leistungen sein, angefangen bei der Weihung eines Tempels über Abhaltung von Spielen, Ausrichtung von Opfern bis zu Stiftung von Weihegeschenken. 567

Von all dem spricht Zeno nicht. In Traktat II 7,16 äußert er lediglich gegenüber der mit einem Heiden verheirateten Christin die Befürchtung, dass sie von einem Bericht ihres Mannes über die ungünstigen Antworten der Götter auf seine Fragen bezüglich ihrer beider Wohlergehen dazu veranlasst werden könnte, diesen Göttern illicita vota darzubringen. Als Ursache für solches Verhalten nennt er ausdrücklich den Wunsch der Ehefrau, ihrem Mann zu Gefallen zu sein, oder sogar ihre eigene Furcht. Bewertet werden muss ein solches votum durch eine Christin auf jeden Fall als ein sacrilegium. Interessant ist darüber hinaus noch der Einschub, dass solches Verhalten auch unter Frauen gläubiger Christen vorkomme. Es handelt sich daher offensichtlich um ein nur schwer zu überwindendes heidnisches Relikt in christlichen Kreisen. Die Bewertung als illicitum 568 und sacrilegium scheint selbst die Form als für Christen nicht übernehmbar zu brandmarken. Es ist allerdings wieder festzuhalten, dass nicht der Terminus an sich schon Verwerfliches beschreibt. Zeno kennt den Begriff auch in christlichem Kontext. Er bezeichnet jedoch nicht mehr die gleichsam gesetzmäßige Verbindung von Leistung Gottes und Gegenleistung des Beters. Direkte vota gegenüber Gott begegnen nur noch im Schriftzitat.569 Sonst bezeichnet votum nicht mehr den Akt des Versprechens, sondern eher eine generelle, quasi an das Christsein gebundene Verpflichtung, ein typisch christliches Streben oder Verhalten, dessen Triebfeder der Glaube ist: „generosa ac perfecta fides quique illi fuerit cruciatus sua complicat vo565

G. W ISSOWA, Religion, 381f. Dazu schreibt K. LATTE, Religionsgeschichte, 46: Auch das votum „dient der Herstellung einer Beziehung zwischen Mensch und Göttern. Es hat regelmäßig die Form eines Bedingungssatzes ... Gewiß handelt es sich dabei um einen Vertrag, wie namentlich Wissowa scharf betont hat, aber die gleiche Form begegnet auch bei anderen Völkern (z. B. Genesis 28,20). Sie ist also an sich nichts spezifisch Römisches. Es ist richtig, dass man im Lateinischen juristische Ausdrücke verwendet.“ Vgl. auch R. K. YERKES, Sacrifice in Greek and Roman Religions and Early Judaism, New York 1952, 62f., und J. RÜPKE, Religion, 162. 566 S. G. W ISSOWA, Religion, 382. 567 S. ebd., 385. 568 Interessant ist die hier angedeutete Umkehrung der Verhältnisse. Das Christentum als ehemalige religio illicita verwirft nun heidnische Religionsäußerungen als illicita. Vgl. auch illiciti administratione ministerii in I 39,2. 569 Ps 49,14 in I 25,1.8.

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ta“.570 Vorbildhaft haben diese vota v. a. die Märtyrer erfüllt, so Abraham und Isaak 571 und die Drei Jünglinge 572 als Typen der christlichen Märtyrer, aber auch konkret der Märtyrer Arcadius.573 Nur indirekt kann als ‚Gegenleistung‘ Gottes die „Siegeskrone“ erschlossen werden. 574 5. Divination und Observation „Die offizielle Religionsausübung, ob sie den längst unlebendig gewordenen Göttern der alten Zeit oder den Kaisern galt, war [spätestens seit der Kaiserzeit] zu einer gesellschaftlichen Angelegenheit geworden ... Für die breiten Massen ersetzt[e] ein Aberglaube, der an Gespenster, Vorzeichen aller Art und Zauberei glaubt, die Stelle der Religion.“ 575 Aber auch die Oberschicht scheint trotz intellektueller Kritik von verschiedenen Praktiken im Bereich der Divination und Observation 576 Gebrauch gemacht zu haben.577

Die Verbreitung solcher Formen der Religiosität, die z. T. (in Form der Divination) mit dem heidnischen Opfer im Zusammenhang stehen konnten, z. T. aber auch selbständig und weitgehend privat praktiziert wurden, findet für das 4. Jahrhundert in den zenonischen Traktaten eine Bestätigung. Bei Betrachtung des Umgangs Zenos mit diesem Phänomen gilt es zu sich zu vergegenwärtigen, dass während seines Episkopats die Haruspizin nicht verboten war.578 570

I 11. I 4,14. 572 I 11. 573 I 39,3. 574 I 11: „Quantum etenim multiformis crudelitatis lugubris contemplatio retrahit a corona, tantum generosa ac perfecta fides quique illi fuerit cruciatus sua complicat vota.“ Auch I 39,3: „Archadius ... iam debitus ad coronam.“ Zur corona als auch schon vorchristlichem Lohn für virtus s. u. S. 551, Anm. 242. – In Richtung ,Verpflichtung‘ deutet auch die Bezeichnung der Eheschließung als votum in II 7,10; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 860; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3556. Negativ bezeichnet votum als Eigenschaft der avaritia nur mehr das gierige, unersättliche Streben ohne jegliche Verpflichtung; s. I 5,2; I 14,1; I 21. 575 K. LATTE, Religionsgeschichte, 327. 576 Vgl. D. HARMENING, Aberglaube, 42, der Observation als Beachten von vorbedeutenden oder ungünstigen Zeichen und Divination als „ ,wissenschaftlich-technische‘ Wahrsagekunst“ (neben Zauber) als Formen des ,Aberglaubens‘ unterscheidet. 577 S. J. RÜPKE, Religion, 221. 578 S. o. S. 57; zur diesbezüglichen Gesetzgebung im gesamten 4. Jahrhundert s. M. HANO, Témoinage. Angesichts der schwer zu rekonstruierenden Gesetzgebung unter Julian, s. ebd., 13–15, werden Zeugnisse des Kaisers selbst oder anderer zu seiner Begeisterung für die Mantik im Allgemeinen und für die Haruspizin im Besonderen von großem Interesse; s. dazu J. B OUFFARTIGUE, L’empereur Julien et l’etrusca disciplina, in: Les écrivains du IVe siècle. L’etrusca disciplina dans un monde en mutation, Actes de la Table-Ronde tenue à Clermont-Ferrand les 17 et 18 septembre 1999, Paris 2005, 96– 104. 571

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a) fibras consulere und salutem in ventribus quaerere Von den im Folgenden beschriebenen Handlungen ist die der Haruspizin bzw. der Extispizin am engsten mit dem Opfer verbunden. Zeno nennt sie nicht unter ihren eigentlichen Namen, durch seine Umschreibungen fibras consulere 579 bzw. salutem in ventribus quaerere 580 nimmt er jedoch eindeutig darauf Bezug. Das Verhältnis der Römer zur Zukunftserkundung anhand von Vorzeichen, die die Götter senden, war ursprünglich ein eher passives. „Auch bei der Eingeweideschau, die mit dem Opfer verbunden ist, handelt es sich zunächst nur um die Frage, ob das Tier vollwertig und den Göttern genehm ist.“ 581 Denn bei allen Opfern erhielten die Gottheiten die exta, d. h. Leber, Lunge, Galle, Herz und Netz.582 Nur die viscera, der Rest des Tieres, wurden profaner Nutzung zugänglich gemacht. 583 Erst durch die Etrusker wurden die Römer mit dem komplizierten System, aus den einzelnen Teilen der Leber die Zukunft zu erkunden, der Extispizin als Teil der Haruspizin, bekannt. 584 Die Ausübung dieser Zukunftsdeutung, die zum Bestandteil eines Teils der staatlichen Religionsausübung wurde und Auskunft gab über den Ausgang einer geplanten Unternehmung im Zusammenhang mit dem Opfer, etwa vor Beginn eines Feldzugs oder einer Schlacht,585 blieb bezeichnenderweise jedoch bis in die Kaiserzeit hinein dem sich aus Etruskern rekrutierenden Kollegium der Haruspizes vorbehalten.586 Dagegen ist kein Fall bekannt, in dem ein Privatmann das offizielle Kollegium um eine Zukunftsdeutung befragt hätte.587 Insofern sind davon „herumziehende Winkelharuspices“ 588 zu unterscheiden, die private Zukunftsdeutung betrieben, über die schon Cato spottete und die häufig von den Machthabern beargwöhnt und auch eingeschränkt wurden. 589 Namentlich im 4. Jahrhundert gin579

I 34,9. I 25,11. 581 K. LATTE, Religionsgeschichte, 158; s. auch J. RÜPKE, Religion, 149. 582 S. G. W ISSOWA, Religion, 418. 583 S. ebd., 419. 584 S. J. TER VRUGT-LENTZ, Art. Haruspex, RAC XIII, 1986, 651–662, hier: 651f. – Zur Haruspizin gehörte neben der Eingeweideschau auch noch die Blitzlehre sowie die Ausdeutung naturwidriger Ereignisse; s. G. W ISSOWA, Religion, 544; auch J. TER VRUGT-LENTZ, Haruspex, 653–656. – Während die antike Terminologie z. T. die Opferschau (haruspicina (ars) ) von der Weissagung (haruspicium) unterscheidet, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 3013, macht die moderne Religionsgeschichte offensichtlich keinen terminologischen Unterschied, wenn sie mit Haruspizin bzw. Extispizin immer auch die Zukunftsdeutung verbindet; vgl. G. W ISSOWA, Religion, 419; J. TER V RUGT-LENTZ, Haruspex, 658–661. 585 S. G. W ISSOWA, Religion, 548; auch J. TER VRUGT-LENTZ, Haruspex, 658f. 586 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 158; auch G. W ISSOWA, Religion, 419. 587 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 158. 588 G. W ISSOWA, Religion, 547. 589 S. ebd., 547, Anm. 7, und 549; auch J. TER VRUGT-LENTZ, Haruspex, 659f. – G. W ISSOWA, Religion, 543–547, kennt über diese zwei Gruppen hinaus noch Haruspizes aus Etrurien selbst, deren Gutachten aus Anlass bestimmter Prodigien durch den Senat hinzugezogen wurden, gleichsam als Hilfeleistung einer fremden Religion bei Versagen der eigenen. Diese Form der Haruspizin spielt in den zenonischen Traktaten 580

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gen die christlichen Kaiser gegen die private Haruspizin wie überhaupt gegen jede Form privater heidnischer Mantik streng vor,590 die offizielle Befragung der Haruspizes blieb dagegen (bis 385) ausdrücklich gestattet. 591

Einen deutlichen Zusammenhang zwischen Eingeweideschau und Opfer stellt Zeno in I 39,2 her bei der Aufzählung dessen, wozu die Christen während der Verfolgung gezwungen wurden. Im Anschluss an die Nennung von Libation, Vorbereitung des Schlachtopfers und WeihrauchSpende sagt er: „Cogebatur Christi populus ... aut inter fumidos ignes pallenti arvina, funesto sanguine perlitare“. Der Terminus perlitare erfüllt in diesem Zusammenhang eine doppelte Funktion. Zum einen benennt er das eigentliche Schlachtopfer, das konkret bisher nicht genannt wurde, auf das nur durch victimas trahere und inter fumidos ignes angespielt wurde. Zum zweiten verweist er auf eine Schlachtung unter guten Vorzeichen,592 und diese werden pallenti arvina, funesto sanguine gewonnen. Diese Formulierung ist aufgrund der benutzten Attribute deutlich polemisch, sie macht aber keine Aussagen über den Inhalt des Aktes der Eingeweideschau. Betrachtet man die beiden anderen im Folgenden behandelten zenonischen Stellen zur Eingeweideschau, gewinnt man den Eindruck, dass Zeno wesentlich Genaueres wusste, als er hier der Beschreibung der Passio des Arcadius in Art einer Anspielung hinzufügt (funesto sanguine perlitare).593 Die Eingeweideschau befragt eigentlich Eingeweide und nicht Fett und Blut. Diese polemisierende und fälschlich verkeine Rolle. Die Terminologie prodigium hat dort durchgängig ihre kultische Konnotation verloren; vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 286. Die Negativität im Sinne von ,Unnatürlichkeit‘ wird übernommen, bedarf jedoch keiner Deutung mehr. 590 S. o. S. 57–60. Die entsprechende Gesetzgebung untersucht J. M. LAWRENCE, Hepatoscopy and extispicy in graeco-roman and early christian texts, Diss. masch. Miami, Fla. 1979 = UMI Microform No. 7920292, 142–207. Im vorangehenden Kapitel 3 seiner Untersuchung zur Divination nach der Darstellung durch christliche Autoren, bleibt Zeno im Unterkapitel „Latin Christian Authors“, ebd., 118–139, unberücksichtigt. Aber auch die Ergebnisse etwa zu Tertullian, ebd., 118–121, zu Laktanz, ebd., 125–128, oder zu Augustin, ebd., 133–137, sind so unergiebig, dass ein Vergleich mit Zeno auf der Grundlage dieser Untersuchung nicht möglich ist. Eine Untersuchung der entsprechenden Gesetzgebung würde man auch in Kapitel 2.1 der Arbeit von N. ZEDDIES, Religio, 49–68, erwarten; dort wird Mantik und Divination jedoch nur mit Verweis auf das ein oder andere Gesetz in den Vorbemerkungen, ebd., 50f. und 52, die Haruspizin in Verbindung mit der Terminologie superstitio, ebd., 60, schließlich die Haruspizes, als „untrennbar mit den Tempeln verbunden“ (ebd., 66) charakterisiert, ebd., S. 65f., gestreift. 591 S. COD. T HEOD. 16,10,1 [320 / 1 dec 17] (897 Mommsen). 592 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1610; H. MENGE, Großwörterbuch, 558. 593 S. P ASS. ARCAD. (551 Ruinart). – Der Einmaligkeit des zenonischen Gebrauchs des Verbums perlitare in heidnischem Kontext, steht ein Gebrauch des Simplex litare in I 8,2 in eindeutig christlichem Kontext, nämlich für die Hingabe Christi (in Anlehnung und Überbietung des jüdische Opferlammes), gegenüber.

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kürzende Darstellung reiht sich ein in die durch pejorative Attribute gekennzeichnete Aufzählung der illiciti administratio ministerii.594 Im Zusammenhang mit heidnischen Opfern spricht Zeno ein zweites Mal in I 34,9 von der Extispizin. Dort deutet er Ninive als die Heidenkirche, die den heidnischen Kult in seinen verschiedenen Äußerungen nicht mehr praktiziert. Im Anschluss an die Verehrung von Götterbildern, das Schlachtopfer sowie Weihrauch- und Weinspende nennt Zeno die Eingeweideschau: „nec pecudum inexpectata morte rapti iecoris spirantes consulunt fibras“. Er weiß offensichtlich noch, dass die Extispizin als Zukunftsdeutung v. a. die Leber untersucht. Der Terminus fibra in Verbindung mit iecoris scheint sehr geläufig zu sein;595 auf eine Kenntnis von der Unterteilung der Leber in verschiedene Bereiche kann hieraus nicht geschlossen werden. Deutlich hebt Zeno jedoch mit dem Verb consulere darauf ab, dass es um mehr geht als um eine Begutachtung der Qualität des Opfertieres. Die Leber des Tieres wird vielmehr (wie etwa eine Gottheit selbst oder ein Priesterkollegium 596) befragt,597 es handelt sich deutlich um Divination. Ob die Befragung zwingend zu den vorher beschriebenen Opferhandlungen gehört, kann nicht entschieden werden. Man hat den Eindruck, Zeno beschreibt ein komplettes heidnisches Opfer. Was jedoch irritiert, ist, wie schon oben angemerkt, die inkorrekte Aneinanderreihung der einzelnen Akte. Möglicherweise sind diese auch als je einzelne Akte von Zeno hier gedacht. Jeder Akt für sich genommen ist natürlich verwerflich. Im Vordergrund der Argumentation steht auf jeden Fall die nach Zenos Ansicht mit den heidnischen Akten verbundene Suche nach Heil. Dieses soll jedoch durch diese Akte erkauft werden (salute redimenda). Zeno erkennt hier zwar das Do-ut-des-Prinzip des heidnischen Kultes, er unterstellt jedoch unzulässig ein umfassendes Heilsverlangen, das das römische Heidentum eigentlich nicht kennt. Das christliche Heil wird dem angeblich erkauften heidnischen Heil in einem Wortspiel gleichsam als Gegenmittel (remedium) gegen die ‚Krankheit‘ Heidentum gegenübergestellt. Die Christen suchen es innerlich und opfern erst daraufhin spirituell: „a suo corde remedium salutare deposcunt spiritumque suum ... sacrificant“.598 Ein drittes Mal erwähnt Zeno die Eingeweideschau in I 25,11, dieses Mal unabhängig von einem Opfer, interessanterweise jedoch hier als Vorwurf gegen Christen. Insgesamt attackiert Zeno drei Verhaltensweisen, die auf heidnischen Ursprung zurückgehen, offensichtlich jedoch von einem

594

I 39,2. S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2745. 596 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1577f. 597 S. ebd., 1578: „spirantia exta consulere“. 598 I 34,9. 595

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Teil seiner Gemeindemitglieder gepflegt werden.599 Nachdem er zuvor die Akzeptanz von heidnischen Heiligtümern auf privatem Gelände 600 sowie die Ausschweifungen innerhalb des ‚Totenkultes‘ 601 angeprangert hat, nennt er die Eingeweideschau als eine Form der Vorzeichenbeachtung neben Augurien und Tagwählerei. Es gibt also Christen, die „salutemque suam pecudum violenter scissis in ventribus quaerunt“. Wieder weiß Zeno von den Eingeweiden der Opfertiere (pecudum ... ventribus),602 wieder geht es um Befragung (quaerere), wieder steht die salus als Motiv für solches Verhalten im Vordergrund. Die Parallelen zur Beschreibung in I 34,9 (gegenüber der Darstellung in I 39,2) sind nicht zu übersehen. Aber hier handelt es sich nicht um ehemals begangene Vergehen, sondern um aktuelle Taten von Christen seiner Gemeinde: „Hic quaerite, Christiani, sacrificium vestrum an esse possit acceptum ... hi ..., qui tales sunt, displicent deo.“ 603 Dies lässt rückschließend vermuten, dass auch in I 34,9 nicht nur konstatierend auf die Heidenkirche, die von ihren ehemaligen Taten Abstand nimmt, hingewiesen wird, sondern dass auch dort ein paränetisches Interesse im Hintergrund steht: ‚Ihr Heidenchristen, enthaltet euch als Christen dieser Taten! Euer Heil bedarf anderen Verhaltens!‘ Damit deckt sich der zenonische Befund, was die Haruspizien angeht, mit der Situation in der Spätantike allgemein: Trotz mehrfacher gesetzlicher Verbote, endgültig 385 durchgesetzt (jedoch nicht während des Episkopats Zenos), und heftiger Auseinandersetzung zwischen Haruspizes und christlichenTheologen604 konnte sich die Haruspizin ungeachtet des Wegfalls der Tieropfer bis ins 9. Jahrhundert hinein behaupten. Der Grund hierfür „muß wohl dem Umstand zugeschrieben werden, daß sie mehr als eine Art Wissenschaft denn als ein Bestandteil des heidn[ischen] Götter-

599 Es schließen sich dort noch Vergehen an, die eher allgemeiner Art sind und nicht in direktem Zusammenhang mit heidnischer Praxis stehen; s. I 25,11. 600 S. o. S. 97f. (ius templorum). 601 S. u. S. 213–219. 602 Interessant ist eine parallele Formulierung im Zusammenhang mit dem jüdischen Opfer in II 20,1: „Iudaee, … qui salutem tuam in incerti pecoris sitam visceribus opinaris.“ Hier ist jedoch sicherlich nicht eine Kritik an einer Eingeweideschau gemeint – dagegen spräche auch die Verwendung des Terminus viscera, die im heidnischen Kult eben nicht der Eingeweideschau dienten –, sondern vielmehr – und das deckt sich mit heidnischem Do-ut-des-Verständnis –, dass das jüdische Opfer als Bedingung für die Erlangung von Heil angesehen wird. 603 I 25,10f. 604 Die Entwicklung der gegenseitigen Attackierung schildert und analysiert ausführlich D. B RIQUEL, Chrétiens et Haruspices. La religion étrusque, dernier rempart du paganisme romain, Paris 1997.

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kults betrachtet wurde.“ 605 Zeno attackiert hier also einen religiösen Brauch im eigentlichen Sinne.606 b) auguria captare Die der römischen Religion seit ältester Zeit eigentümliche Lehre der Augurien hat ihren Grund in dem Gefühl der Abhängigkeit von den Göttern. Weder im privaten noch im öffentlichen Leben glaubte man, eine wichtigere Handlung ohne Übereinstimmung mit dem Willen der Götter vornehmen zu dürfen. Man holte daher diese göttliche Zustimmung in Form von Zeichen ein (auguria impetrativa) oder unterbrach eine bereits begonnene Handlung, wenn in deren Verlauf ein Zeichen der Missbilligung wahrgenommen wurde (auguria oblativa).607 Zuständig für das Augurium war zuerst das Kollegium der Auguren, einer eigenständigen Gruppe von Priestern, denn das Augurium war eine vom Opfer unabhängige, selbständige Kulthandlung. Es konnte mit einem Opfer verbunden sein, für das dann jedoch nicht der Augur, sondern ein Pontifex verantwortlich war. Da die Kultakte des Auguriums der Geheimhaltung unterlagen, ist von den Inhalten nur sehr wenig bekannt.608 Häufig wurde die Bezeichnung für die Beobachtung des Vogelfluges, auspicium, als der zeitweilig bedeutendsten Form des Auguriums deckungsgleich auf alle auguralen Erkundungen des Götterwillens übertragen. 609 Die Beobachtung des Vogelflugs wurde aber zunehmend durch auguria caelestia, also etwa Blitze oder andere Erscheinungen am Himmel verdrängt.610 Da das Augurium v. a. durch die Ausgestaltung des augurium impetrativum „zu einer ihres Inhalts beraubten leeren Form erstarrt[e], die nur noch als Kampfmittel im Ringen der politischen Parteien ihren Wert hatte“,611 wurde

605

J. TER VRUGT-LENTZ, Haruspex, 660. Vgl. D. HARMENING, Superstitio, 78. 607 S. G. W ISSOWA, Religion, 386. 608 S. ebd., 523–526. Die auguratio kam zur Anwendung beim Amtsantritt eines Königs, beim augurium salutaris für den gesamten Staat, beim Flursegen und wahrscheinlich beim Mauersegen. Man unterschied fünf Arten, von denen die zweite und dritte der Vogelschau zuzurechnen sind: Himmelserscheinungen, Vogelflug, Tierzeichen, tripudium und Unheilzeichen; s. F. MULLER / J. H. W ASZINK, Art. Augurium, RAC I, 1954, 975–981, hier: 979. 609 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 66f; ders., 141, Anm. 2, zeigt allerdings, dass Augurium und Vogelschau zunächst zwei völlig voneinander unabhängige Dinge sind. Für die spätere Zeit gilt jedoch G. W ISSOWA, Art. Auspicium, PRE 1. Reihe II, 1896, 2580–2587, hier: 2580: „Wo aber augurium und auspicium als Bezeichnung von Handlungen bewusst geschieden werden, bezeichnet augurium die von den Augurn vorgenommenen sacralen Akte, welche Befragung des Götterwillens und Fürbitte für bestimmte Dinge miteinander vereinigt ..., auspicium dagegen die Einholung bzw. Erteilung der göttlichen Zustimmung für staatliche Handlungen durch die Magistrate.“ Vgl. auch ders., Religion, 456f. 610 S. F. MULLER / J. H. W ASZINK, Augurium, 979. 611 G. W ISSOWA, Religion, 533; vgl. auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 201: „Aber wenn nun diese bei Gelegenheit auftretende Erscheinung zum offiziellen Erfordernis jeden Amtsantritts gemacht wird ..., so hat das für die Handelnden mit Religion nichts mehr zu tun.“ 606

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es in seiner religiösen Bedeutung weitgehend von der Haruspizin verdrängt.612 Dennoch sind für das 4. Jahrhundert noch Träger der Auguren-Würde belegt. 613 Die Einholung der göttlichen Zustimmung war ursprünglich nicht auf das Staatsleben beschränkt, sondern es gab auch private Augurien wie auch auspicia privata,614 von deren Inhalten jedoch ebenfalls kaum etwas bekannt ist. Dass die privaten Augurien als Form der Wahrsagekunst v. a. ab dem 4. Jahrhundert von Bedeutung werden, ist aus der christlichen Polemik zu erschließen.615 Ob das Verbot von Augurien aus den Jahren 357 und 358 616 sich nur gegen die private Ausübung oder auch gegen offizielle Augurien richtet, ist umstritten.617

Die Bedeutung der Augurien im 4. Jahrhundert wird auch durch den Befund in den Traktaten des Zeno gestützt. Zeno spricht an drei Stellen von Augurien, zweimal belegt er sie mit der klassischen Terminologie auguria captare,618 einmal spricht er ausdrücklich von der Deutung der avium volatus.619 Besonders bemerkenswert ist, dass Zeno sich in I 25,11, also im Traktat über die drei Opfer-Genera, mit seiner Rede über das Augurium an Christen wendet. Nicht bei der Beschreibung des heidnischen Opfers, 620 sondern bei der Frage nach der Würdigkeit der Darbringung des christlichen Opfers wird das Thema angesprochen. Er benennt Christen, die Gott missfallen, und dazu sind auch solche zu zählen, die neben anderen divinatorischen Praktiken, wie Tagwählerei oder Haruspizin, Augurien anstellen: „et illi [displicent deo], ... qui auguria captant“. Ohne jegliche beschreibende Erweiterung wird das Faktum genannt.621 Das Augurium steht in 612 613

981.

S. G. W ISSOWA, Religion, 533.548; ders., Auspicium, 2587. S. G. W ISSOWA, Religion, 533, Anm. 8; F. MULLER / J. H. W ASZINK, Augurium,

614 Diese haben sich v. a. „in verdunkelter Form“ bei der Hochzeit erhalten, so G. W ISSOWA, Auspicium, 2581; aber: „Diese private Auspication tritt in historischer Zeit so sehr zurück, dass, wenn von auspicia schlechthin die Rede ist, damit die auspicia populi Romani ... gemeint sind, welche die Gemeinde in Gestalt von auguria impetrativa ... für die wichtigeren Handlungen ihres Lebens erhält“, ebd., 2582. 615 S. F. MULLER / J. H. W ASZINK, Augurium, 980; D. HARMENING, Superstitio, 85f., bemerkt, dass sich die christlichen Schriftsteller mit ihrer Kritik an Augurium und Vogelflug sehr schwer getan haben, und führt dies u. a. auf die wichtige Rolle der Vogelschau innerhalb der römischen Religionspraxis zurück. 616 COD. T HEOD. 9,16,4 [357 Ian. 25] (461 Mommsen) und COD. T HEOD. 9,16,6 [358 Iul. 5] (461 Mommsen). 617 S. F. MULLER / J. H. W ASZINK, Augurium, 981. 618 I 25,11; I 38,3. Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 727; H. MENGE, Großwörterbuch, 82. 619 I 34,9. 620 I 25,4. 621 Es fällt auf, dass Zeno nicht wie andere Kirchenväter eine Verbindung von Augurium und Dämonen herstellt. Letzteres war dann notwendig, so D. HARMENING, Superstitio, 91f., wenn die Leistungsfähigkeit der Augurienpraxis (etwa von einem Origenes)

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enger Verbindung mit der Haruspizin, die betont durch -que 622 angeschlossen ist. Damit steht Zeno am Anfang einer christlichen Tradition, die „die Haruspizin zusammen mit anderen Formen der Vorzeichendeutung nicht nur ohne Hinweis auf ihren spezifischen Charakter als Form abzulehnender Wahrsagekunst qualifiziert ..., sondern in krassem Gegensatz zur antik-klass[ischen] Theorie und Praxis ... der Stunden- und Tagwählerei zuordnet.“ 623 Über die Inhalte ist auch hier in den zenonischen Traktaten nichts zu eruieren. Es wird lediglich deutlich, dass Augurium wie Haruspizin unabhängig vom heidnischen (Opfer-)Kult auch von Christen noch praktiziert werden. Einen weiteren Beleg für diese Tatsache bietet Zeno in I 38,3 innerhalb der Erstellung eines christlichen Horoskops. Ganz zu Anfang der Deutung wird Christus als das Kalb (im Gegensatz zum Stier des heidnischen Horoskops) vorgestellt, der die Gläubigen mahnt, niemals in irgendeiner Angelegenheit irgendeine Art von Augurium einzuholen (nulla ullo in opere captantes auguria). Auch hier steht die Nennung des Auguriums kommentarlos.624 Auch hier kann aufgrund der Adressierung des Traktates an die Neugetauften geschlossen werden, dass es für Christen nicht selbstverständlich zu sein scheint, diese heidnische Praktik zu unterlassen. 625 Schließlich nennt Zeno ausdrücklich den Vogelflug in I 34,9, interessanterweise diesen jedoch als letztes Glied einer Aufzählung im Zusammenhang mit heidnischer Kultausübung. Er beschreibt Ninive als Bild der Heidenkirche, die sich von der Verehrung der Götzenbilder, vom Schlacht-, Weihrauch- und Weinopfer, von der Extispizin und vom Auspicium distanziert hat. Im Gegensatz zu den kommentarlos genannten Augurien spart Zeno hier nicht mit polemisierenden Attributen. Die Deutung des Vogelflugs ist inanis, denn das Heil, das darin gefunden werden soll, gründet in Flaumfedern (plumea salus). Drastischer kann die Unsinnigkeit anerkannt wurde. Zeno jedoch erkennt eine solche Leistungsfähigkeit nicht an. Er verknüpft die Leistungsfähigkeit einer solchen Praxis mit der zu erwartenden salus. 622 „-que verbindet meist eng zusammengehörige (synonyme oder gegensätzliche) Begriffe“, so H. RUBENBAUER / J. B. HOFMANN / R. HEINE, Lateinische Grammatik, Bamberg / München 101977, 259; vgl. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2146f. 623 J. TER VRUGT-LENTZ, Haruspex, 659. Nach D. HARMENING, Superstitio, 76f. beruht diese Gleichsetzung auf einer Fehlinterpretation der Kirchenväter von Gal 4,10; s. VETUS LATINA Gal 4,10 (Database 4 / 52 passim) „dies observatis et menses et annos et tempora “; s. auch VULGATA Gal 4,10 (Weber / Gryson). 624 Vielleicht kann aus dem Plural in Verbindung mit dem verneinten Indefinitum darauf geschlossen werden, dass Zeno unterschiedliche Formen des Auguriums kennt. Er benennt jedoch bis auf den Vogelflug keine. 625 Dies kann indirekt auch daraus geschlossen werden, dass Zeno diese Paränese einbaut in die Konzession eines christlichen Horoskops anstelle eines üblichen heidnischen. Dazu s. u. S. 306–311.

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solchen Tuns kaum dargestellt werden. Der Eindruck, der schon bei der Untersuchung der Haruspizin entstand, dass nämlich hier nicht nur ein Nicht-mehr-Zustand konstatiert wird, sondern dass auch ein paränetisches Interesse dahinter steht, findet sich durch diese spitze Polemik bestätigt, die sich im Fall einer bloßen Beschreibung der Vergangenheit eigentlich erübrigte. Die Vogelflugbeobachtung, so darf man wohl vermuten, wird als eine Form des privaten Auguriums auch unter Christen noch in Anspruch genommen worden sein. Dies könnte dann aber für die Interpretation der gesamten Aufzählung in I 34,9 heißen, dass auch Götterkult und Opfer noch praktiziert wurden. Diese Kult-Praxis steht jedoch (inzwischen) auf einer Ebene mit den „halb magischen“ 626 privat-religiösen Bräuchen der Haruspizin und des Auspiciums. Ihr liegt keine religiöse Überzeugung mehr zugrunde als vielmehr diffus-religiös motiviertes Sicherheitsstreben.627 Auf dem Hintergrund dieser Deutung dürfte dann aber auch davon ausgegangen werden, dass Zeno an dieser Stelle nicht die Absicht hat, den kompletten Ablauf einer kultischen Handlung darzustellen, wie oben vermutet, sondern eine Zusammenstellung einzelner, voneinander unabhängiger Praktiken vorzulegen, um daran die allen gemeinsame abergläubische Unsinnigkeit 628 aufzuzeigen, natürlich auch das aus Gründen der Paränese. Auf die paränetische Intention Zenos weist ferner die entfremdende Verwendung des Begriffs salus im Zusammenhang mit Haruspizin und Augurium.629 Im heidnischen Sprachgebrauch kann salus im Sinne von 626 F. MULLER / J. H. W ASZINK, Augurium, 979. Zur häufig verfehlten Bezeichnung „magisch“ s. J. RÜPKE, Religion, 166f. 627 Auf dieses Sicherheitstreben weist die Formulierung salutem quaerere in I 25,11 bzw. statum salutis inquirere in I 34,9. Zeno kennt auch die Formulierung oracula inquirere, s. II 7,8; im Zusammenhang mit der Horoskoperstellung formuliert er außerdem requiratis qua genitura quove signo ... vos peperit mater in I 38,2. Dass quaerere v. a. ein materielles Sicherheitsbedürfnis zum Ausdruck bringt, belegen zahlreiche Formulierungen, etwa quaestus in I 5,1, opes quaerere in I 5,11, summam quaerere in I 5,12, quaerere aurum in I 5,14, aliena quaerere in II 1,15.18, quaerere lucrum in II 1,17, quaerere panem in II 1,20, bona carnis requirere in II 4,13. Dem hält Zeno Streben nach ideellen Werten entgegen, so: veritatem quaerere in I 2,25, veritatem requirere in I 3,9, beata vita quaeri in I 4,1, quae sursum sunt quaerere in I 37,12, quaerere illum [sc. deum] in I 56,3, quaerere veram iustitiam in II 1,4, requirere dominum in II 1,20. Verwerflich ist jedoch auch ein Sicherheitsstreben bezüglich der Erkenntnis Gottes. Gott soll man verehren, nicht erforschen: deus illi [sc. sapientes] non colendus sit, sed quaerendus, II 9,2; vgl. auch nisi deum requirendum, I 54,1; fides requiratur, II 3,12; altiora te ne quaesieris, II 3,16; und quaeritur fides, II 3,4. 628 Wie die Auslegungen des Vogelflugs inanes sind, s. I 34,9, so ist auch das heidnische Opfer tam inane, s. I 25,3. 629 I 25,11: „qui auguria captant salutemque suam pecudum violenter scissis in ventribus quaerunt“; I 34,9: „nec per varios avium volatus coniecturis inanibus statum plu-

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Staatswohl mit dem Augurium verbunden werden: Das augurium salutis beinhaltet die Frage, „ob man die Gottheit um Staatswohl (de salute) bitten dürfe“.630 Zeno kennt scheinbar noch die Terminologie, wendet sie hier aber individualisiert an: Der Einzelne stellt Augurien an, um sich über sein zukünftiges Wohlergehen zu informieren. Es geht hier im Gegensatz zum ursprünglichen augurium salutis also deutlich um Wahrsagung. Gleichzeitig wendet sich Zeno mit dieser Begrifflichkeit aber an christliche Zuhörer, die mit dem Terminus salus längst mehr als nur ‚Wohlergehen‘,631 nämlich persönliches Heil durch Erlösung 632 verbinden. Diese spiritualisierte Form von salus kann aber nur in Innerlichkeit und durch spiritualisiertes Opfer erlangt werden.633 An die Stelle von heidnischen Vorzeichen tritt die Schrift mit ihren (duorum testamentorum) salutaria monita 634 und salutiferes praedicationes der vier Evangelien.635 Der Prophet Jona verkündete dieses Heil der Stadt Ninive noch durch terribilibus oraculis.636 Die zeitgenössischen (Heiden-)Christen jedoch, die bereits wissen, dass sie mehr als ein weltliches Wohlergehen erwartet, können Augurium und Haruspizin nicht mehr wirklich zufrieden stellen. Die mit Hilfe des Auguriums ermittelte salus muss dem Christen geradezu lächerlich erscheinen.637 Auf diesem Hintergrund kann Zeno dann auch ohne weiteres das Verb auspicari losgelöst von seiner heidnisch-religiösen Bedeutung in übertragenem, wenn auch negativem Sinn benutzen. In I 54,4 sagt Zeno von der Geburt Jesu: „Das (gerade) geborene und (nun) in die Welt eintretende Kind beginnt nicht wie gewöhnlich von sich aus mit vorausgehenden Trä-

meae salutis inquirunt“; vgl. auch die Gegenüberstellung salus redimenda – remedium salutare in I 34,9. 630 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 727. 631 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2468f. Im Sinne von ,physischem Wohl‘ benutzt auch Zeno an wenigen Stellen den Terminus, und dort keineswegs ausschließlich negativ; s. I 5,2; I 31; II 1,3.21; II 2,2; II 7,3.16. 632 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 734. Bis auf wenige Male, benutzt Zeno salus ausschließlich in dieser religiösen Bedeutung; s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 329f. Erlangen kann ein solches Heil einzig der gläubige und orthodoxe Christ. (Juden und Häretiker haben die Aussicht auf dieses Heil verloren; s. etwa I 3,5.8.13; II 18,2; II 21). 633 I 34,9: „sed a suo corde remedium salutare deposcunt spiritumque suum tota humilitate contribulatum ambitiose sacrificant“. 634 I 3,16;I 13,10; I 37,10; auch I 38,4: duobus salutare canentibus testamentis. 635 II 12,4. 636 I 34,6: „Ninevitas illustrat terribilibus oraculis salutem civitati credulae praestaturus“. 637 S. I 34,9: plumea salus.

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nen als Vorzeichen eines dahinschleichenden Lebens.“ 638 Und in II 7,17 hält er der mit einem Heiden verheirateten Christin vor, dass sie nicht nur die aus dem Tempel mitgebrachten Speisen verwahrt, sondern mit ihrem Mann auch davon genießt: „Außerdem nimmst du (sogar) zusammen (mit ihm) die Speise zu dir, leerst mit den Lippen schlürfend den Rest des Bechers, den er dir reicht, und den folgenden Trunk beginnst (nun) du gleichsam zur Vorbedeutung mit den ersten Schlücken.“ 639 In beiden Fällen kann auspicari nur „beginnen“ heißen. Was sich von seiner ursprünglichen Bedeutung erhalten hat, ist das ‚mit Vorzeichen VerknüpftSein‘. Es ist sicher kein Zufall, dass Zeno den Terminus auf Situationen anwendet, die aus seiner Perspektive negativ sind. c) sciscitari deorum responsa In II 7,16 beschreibt Zeno, wie bereits mehrfach angesprochen, das mögliche zu missbilligende Verhalten einer mit einem Heiden verheirateten Christin. Dabei nennt er als eine theoretische Ausgangssituation den Bericht des Gatten über eine Befragung der Götter bezüglich der gemeinsamen Zukunft. Zeno fasst dies in die Worte „utique a templo regrediens necessario ennarabit tibi sciscitanti sibi de utriusque salute vel unanimitate deorum quae fuere responsa.“ Auf welche Form der Götterbefragung Zeno hier anspielt, erfahren wir aus diesem Wortlaut nicht. Von den Umständen berichtet Zeno: Die Befragung findet im Tempel statt (templo regrediens), sie thematisiert das persönliche Wohlergehen des Fragenden und seiner Familie (de utriusque salute vel unanimitate), sie richtet sich an mehrere Götter (deorum) oder – der Plural lässt sich auch verallgemeinernd erklären – sie kann sich an unterschiedliche Götter richten, 640 man erhält konkrete Antworten (responsa), die positiv oder negativ ausfallen können (si terribilia ... sin vero pacifica et salutaria), es folgen entsprechende Maßnahmen der Betroffenen, die sich im Negativfall in vota äußern können. Betrachtet man auf diesem Hintergrund die Praxis der römischen Mantik, so könnten zwei verschiedene Formen für die von Zeno genannten deorum responsa in Frage kommen, nämlich Orakel oder Haruspizin.

638 I 54,4: „Non mundum, ut assolet, infans fusus ingrediens sponte vitae reptantis praeviis lacrimis auspicatur.“ 639 II 7,17: „Una cibum praeterea capis, reliquias poculi propinati lambendo labris exhauris futurique haustus quasi quasdam primitias auspicaris“. 640 Wahrscheinlich will Zeno verdeutlichen, dass es im Grunde unwichtig ist, welchen Gott der Ehemann verehrt, welchem Kult er angehört. In der hier beschriebenen Gefahr steht jede mit einem Heiden verheiratete Christin.

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Der Terminus responsum weist im weitesten Sinn auf Orakel,641 insbesondere da die alten Orakel seit dem 1. Jahrhundert eine neue Blütezeit erlebten, die sich bis in die Spätantike im Bereich der privaten Frömmigkeit durchhielt.642 Da responsum bei Zeno jedoch mit dem Genitivattribut deorum verbunden ist, kommen die klassischen Orakel hier vermutlich nicht in Frage, die sich im Rauschen von Bäumen, im Gemurmel einer Quelle o. Ä. äußerten.643 Mit dem Einfluss aus dem Orient wurden im Römischen Reich aber auch Orakel bekannt, in denen sich das Götterbild selbst äußerte.644 Eine Reise an die Stätte des Orakels war zur Befragung nicht notwendig, man konnte seine Anfragen auch schriftlich an das Orakel senden. Auch wurden ‚redende Statuen‘ des Gottes selbst in entlegenen Provinzen des Reiches aufgestellt.645 Daneben sind aber auch „orakelnde Wanderphilosophen“ bekannt.646 Von den Christen wurden die Orakel interessanterweise gewöhnlich als real angenommen, „sie führen sie selten auf menschlichen Betrug zurück, öfter dagegen auf die Inspiration durch einen Dämon.“ 647

Dagegen, dass Zeno an ein eigentliches Orakel denkt, spricht der Befund zum Terminus oraculum selbst. Von den sechs Stellen, an denen Zeno den Begriff benutzt, steht nur eine in nicht-christlichem Kontext. Übertragen wird von der sich schmückenden Witwe in II 7,8 gesagt: „Du befragst den Spiegel nach Orakeln, wie du einen Freier zweckmäßig umgarnen könntest.“ 648 Die Terminologie oracula inquirere lässt noch das Fachvokabular durchklingen,649 die Befragung des Spiegels verweist auf eine Kenntnis der Katoptromantie.650 Der Terminus oraculum ist selbst nicht negativ gefärbt, es geht vielmehr um die Unsinnigkeit des Aktes und die Verwerflichkeit des mit dem Akt verbundenen Zieles. Die übrigen fünf Verwendungen des Terminus beziehen sich auf biblische Voraussagungen, eine Verwendung, die auch von anderen christli641

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2354. S. W. RUGE, Art. Orakel, PRE 1. Reihe XVII, 1939, 829–866, hier: 861f.; K. LATTE , Religionsgeschichte, 329. 643 S. K. P RÜMM, Handbuch, 414f. 644 S. ebd., 419f. 645 Ebd.: „Durch ein Zauberverfahren, das uns nicht genau bekannt ist, hatte man Statuen des klarischen Gottes redend gemacht und konnte sie nunmehr in der Heimat befragen. Für die spätere Kaiserzeit liegen Zeugnisse von Befragungen des kleinasiatischen Gottes aus so entlegenen Gegenden wie dem nördlichen Britannien vor.“ 646 W. FAUTH, Art. Orakel, KP IV, 1979, 323–328, hier: 324; K. P RÜMM, Handbuch, 421. 647 P. COURCELLE, Art. Divinatio, RAC III, 1957, 1235–1251, hier: 1245; auch D. HARMENING, Superstitio, 103, der die Anerkennung mit der der Leistungsfähigkeit der Augurien vergleicht. 648 II 7,8: „ab speculo oracula inquiris, quam commode possis circumscribere petitorem.“ 649 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1384: oraculum consulere / petere. 650 S. R. GANSCHINIETZ, Art. Êáôïðôñïìáôåßá (Spiegelzauber), PRE 1. Reihe XI, 1922, 27–29; vgl. D. HARMENING, Superstitio, 103f. 642

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

chen Autoren bezeugt ist.651 Der Inhalt dieser zenonischen oracula kann die Zukunft generell betreffen,652 v. a. aber das Kommen Christi ankündigen.653 Im Gegensatz zu heidnischen Orakeln handelt es sich bei den alttestamentlichen Voraussagen um freiwillige Mitteilungen Gottes. Was sie mit heidnischen Orakeln gemeinsam haben, ist ihre erzieherische Komponente. Sie kommen dem spätantiken religiösen Denken also durchaus entgegen und sollen mit Hilfe dieser Terminologie wahrscheinlich auch in den zenonischen Traktaten als Ersatz fungieren; explizit sagt Zeno dies jedoch nicht. Eine andere und auf dem Hintergrund des Befundes zu oraculum näherliegende Deutungsmöglichkeit der Terminologie deorum responsa bietet die Haruspizin. Sie muss als im westlichen Teil des Reiches verbreiteteste Form der Wahrsagung betrachtet werden. Die Haruspizin verstand sich auch als Zeichenorakel.654 Die Ergebnisse einer Haruspizin werden ausdrücklich als haruspicum responsa bezeichnet.655 Auch der Plural deorum fände hier eine eindeutige Erklärung: Bei der eigentlichen Eingeweideschau, aber auch bei der Blitzdeutung sind verschiedene Felder der Leber bzw. des Himmels unterschiedlichen Göttern zugeordnet.656 Mit der Haruspizin erklärte sich zudem die Verwendung des Verbs sciscitari. Ein Orakel wird befragt (consulere, petere).657 Bei der Haruspizin wird der Wille der Götter hingegen erkundet.

Letztendlich kann aus dem zenonischen Befund nicht abgelesen werden, an welche Form der Wahrsagung Zeno in II 7,16 denkt. Dies scheint insofern auch keine Rolle zu spielen, als dass Zeno keine qualitative Abstufung zwischen einzelnen Formen, wie die Untersuchung von Haruspizin und Augurium gezeigt hat, vornimmt. Entscheidend ist demgegenüber 651

T HESLL 9,2, 873f.: „apud ecclesiasticos de testimoniis (maxime prophetiis, promissionibus), quae ex script. sacris sumuntur, vel de ipsis verbis divinis: ...“. S. auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 282–287. 652 So in I 34,6 die Drohungen, die Jona den Niniviten mitteilt. Auch der Terminus vaticinari bleibt biblischer Prophezeiung vorbehalten, s. I 37,2: Esaias ... vaticinando; vgl. auch die Bezeichnung Davids als vates in II 9,7; zur weitgehenden Identifizierung von „Dichter, Theologe, Seher und Wundermann“ s. K. P RÜMM, Handbuch, 421. 653 I 46B,2; I 54,2; II 4,3; II 20,1; vgl auch II 12,1: „Secundum quod deus suos promiserat per prophetas, filium suum salvatorem generi humano se esse missurum ... metatura praedicta sacrario templi virginalis hospes pudicus inlabitur“. 654 Während das Spruch-Orakel in der Regel an bedeutende Gottheiten geknüpft war, s. W. FAUTH, Orakel, 324f. Außerdem begegnet man der Haruspizin in der Spätantike auch in Verbindung mit anderen Formen des Orakels; vgl. dazu die Beschreibung des Orakels des Trophonios in Lebadeia durch P AUS. 9,39,6 (78 Rocha-Pereira). 655 S. K. P RÜMM, Handbuch, 425. 656 S.ebd. 657 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1384; s. auch II 7,8: „ab speculo oracula inquiris“.

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vielmehr, dass es sich um eine zu seiner Zeit in unterschiedlichen Formen verbreitete heidnische Praktik handelt, zu der sich offensichtlich auch Christen nach wie vor verleiten lassen. Eine besondere Faszination scheint sie v. a. auf Frauen auszuüben. Während der genannte heidnische Ehemann angesichts der Antworten der Götter untätig bleibt, übernimmt die christliche Frau die erforderlichen Maßnahmen. 658 Darüber hinaus erwähnt Zeno auch ausdrücklich Ehefrauen christlicher Männer, die sich zu solchen Taten hinreißen lassen.659 d) dies observare und Aegyptiacos de candidis facere In I 25,11 spricht Zeno in zweifacher Weise den privaten (noch als religiös empfundenen?) Brauch der Tagwählerei an. Aufgenommen in die Kritik am überzogenen Toten- und Märtyrerkult und der Praxis des Auguriums und der Extispizin wirft er bestimmten Christen vor, Tage zu beobachten und aus glücklichen „ägyptische“ zu machen: „displicent deo sed et illi … qui dies observant, qui Aegyptiacos de candidis faciunt“. Anders als bei der anschließenden Kritik an Augurium und Extispizin sind hier die beiden Glieder der Aufzählung nicht mit -que verbunden. Man wird daher darunter vermutlich unterschiedliche Formen der Tagwählerei zu verstehen haben. Die allgemeinere Terminologie dies observare dürfte ursprünglich an den römischen Kult gebunden gewesen sein. Die Festlegung heiliger Zeiten spielte im offiziellen Kult immer eine bedeutende Rolle, die dazu führte, dass auch im Privatleben gewisse Tage als

658 Zeno nutzt in diesem Zusammenhang die Gelegenheit, auch auf die Verwerflichkeit des sexuellen Umgangs einer Christin mit einem Heiden anzuspielen. Die Freude über eine positive Antwort der Götter wird dazu führen, dass die Christin, s. II 7,16, „als (sexuell) willfährige Gattin“ dem Ehemann „ihre Gunst nicht verweigern wird“ – „Sin vero pacifica et salutaria [sc. responsa], profecto laetaberis eique tanto pro nuntio morigera coniux pacem si non ingeris, nec negabis.“ Schon an anderer Stelle in diesem Traktat hebt Zeno deutlich auf die Verwerflichkeit des sexuellen Umgangs mit Heiden ab. Unter Anspielung auf 1 Cor 6,15.19 sagt er in II 7,12: „membra Christi daemoniorum servis addicunt, dei templum profanis patefaciunt, sacraria usque ipsa denudant ... ? Digne, digne iugulantur quae Christi ingratae beneficiis sponte ad mortem, de qua evaserant, revertuntur.“ Das Vergehen ist ein religiöses (!), s. II 7,16: „Sed multo peius est, si places marito: neque enim sine sacrilegio possis placere sacrilego.“ Es besteht im physischen Kontakt mit dem am Ehemann haftenden heidnischen Kult, s. II 7,17: „Non est pax ista, sed bellum; non osculum, sed venenum. Pro nefas! Adhuc fumantia busto complecteris membra sudoremque sordidarum vaporis ararum carne tua deterges, iocaris, blandiris, obsequeris.“ – Zu venenum vgl. die Ausführungen zur Giftmetapher in der Heidenpolemik Tertullians bei I. OPELT, Polemik, 244. 659 II 7,16: „quod maritis etiam sub fidelibus multae fecere peiores, Evae non discipulae, sed magistrae“.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

unheilig galten.660 Mit dem Eindringen der Astrologie in den Westen hat sich diese Vorstellung wohl mit der von der Zuordnung der Tage und Stunden zu bestimmten Göttern verbunden. Jeder Wochentag hatte demnach einen durch die Herrschaft des jeweiligen Planetengottes vorgegebenen Charakter, der ihn für bestimmte Handlungen geeignet oder ungeeignet erscheinen ließ.661 Die Tagwählerei war damit zu einer vom Kult unabhängigen Praktik geworden,662 die gegenüber der eigentlichen Astrologie den Vorteil hatte, dass jeder Laie sie ohne Vorkenntnisse für sich praktizieren konnte.663 Sie wurde schon von Paulus,664 dann in Anlehnung daran v. a. von Augustin bekämpft, 665 blieb aber trotz anhaltender Bekämpfung doch in der christlichen privaten Frömmigkeit erhalten, ja wurde z. T. sogar von mittelalterlichen Theologen gefördert. 666

Eine besondere Form scheint die Beachtung „ägyptischer Tage“ gewesen zu sein. Die Erwähnung durch Zeno in I 25,11 ist eine der wenigen lateinischen Belegstellen und offensichtlich deren früheste. 667 Inhaltlich wird lediglich deutlich, dass mit den „ägyptischen Tagen“ die Vorstellung von einer negativen Belegung verbunden ist.668 Aus candidi,669 also aus glück660 S. K. P RÜMM, Handbuch, 70; F. P FISTER, Art. Kultus, PRE 1. Reihe XI, 1922, 2106–2192, hier: 2149. Als Unglückstage galten weniger die dies nefasti, also die Ruheund Festtage, als die tabuisierten dies religiosi; so G. J UNGBAUER, Art. Unglückstage, HWDA VIII, 1987, 1427–1440, hier: 1428. Dies atri, also „schwarze Tage“, waren nach J. RÜPKE, Religion, 193, schon früh insbesondere die dies postriduani, die Tage, die auf Kalenden, Nonen und Iden folgten; s. auch K. VON STUCKRAD, Art. Tagewählerei, DNP XI, 2001, 1220–1223, hier: 1220f. 661 S. EITREM, Art. Hebdomas, PRE 1. Reihe VII, 1912, 2547–2579, hier: 2571; auch D. HARMENING, Superstitio, 159; K. VON STUCKRAD, Tagewählerei, 1221; vgl. J. RÜPKE, Religion, 196. 662 S. EITREM, Hebdomas, 2571, schreibt: „An wirklichen Kultus dieser vergöttlichten Tage und anderer Zeiteinheiten ist allerdings zumeist weniger zu denken als an jenes ängstliche Beobachten: man fühlt sich abhängig von dem Gang der großen Weltenuhr und ist ängstlich beflissen, sein Tun in Einklang mit jenen alles beherrschenden in den Sternen thronenden Mächten zu halten; trotz der uns stellenweise überlieferten Planetengebete ... will man weniger diese Götter sich geneigt oder untertänig machen als vorauswissen, was in Stunde und Tag und Jahr kommen wird und muss, und Unheil von sich fernhalten.“ 663 S. ebd., 2572. Vgl. jedoch die Bemerkungen zu komplexen Kalendern und Lunationen bei K. VON STUCKRAD, Tagewählerei, 1221f., die deutlich machen, dass es auch im Bereich der Tagwählerei ,Spezialisten‘ gegeben haben muss. 664 Gal 4,10; s. auch W. GUNDEL, Art. Astrologie, RAC I, 1954, 817–831, hier: 825f. 665 AUG. in Gal. 35,8 (CSEL 84,104,4–9 Divjak). 666 S. G. J UNGBAUER, Art. Tagewählerei, HWDA VIII, 1987, 650–657, hier: 651; vgl. auch ders., Unglückstage, 1429f. 667 S. T HESLL 1, 963; A. B LAISE, Dictionnaire, 65. Weitere Erwähnung nur bei AMBR. epist. extra coll. 13,4 (= Maur. 23,4) (CSEL 82,3,223,43 Zelzer); AUG. in Gal. 35,3 (CSEL 84,103,15 Divjak). 668 Davon ist die negative Deutung von Aegyptus durch christliche Autoren im Sinne von ,weltlich‘ zu unterscheiden; s. T HESLL 1, 959; auch Zeno I 46B,1: „de vera Aegypto, id est isto de mundo“ und II 26,2: „Quantum spiritaliter intellegi datur, Aegyptus mundus est iste.“ Eine solche Deutung hat ihren Grund in einer allegoretischen Übertra-

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lichen Tagen,670 werden Aegyptiaci gemacht, solche, die unter einem schlechten Vorzeichen stehen.671 Die dies Aegyptiaci, von den Römern vermutlich so genannt, weil sie die Herkunft jedes Zahlenglaubens in Ägypten annahmen,672 sind doch wohl in Rom selbst entstanden,673 und zwar nicht vor der Kaiserzeit.674 Vermutlich sind sie wie die dies senatus legitimi zunächst lediglich feste dies religiosi,675 und zwar je einer am Monatsanfang und ein zweiter am Monatsende. In der privaten Frömmigkeit werden sie dann zu Unglückstagen,676 und schließlich scheint der Name für Unglückstage überhaupt verwendet worden zu sein,677 denn die Qualifizierung solcher Tage hatte wohl nur in den seltensten Fällen Konsequenzen für das Handeln – „meistens lassen die Handlungs- bzw. Reaktionszwänge solches gar nicht zu“; wichtiger war vielmehr ihre „Interpretationskapazität“ als Erklärungsmuster für Misslungenes.678

gung des biblischen Ägyptens als Ort der ,Gefangenschaft‘ (Ex 1–14; s. auch Zeno I 9; I 18,1; I 29,1; I 46B,1; I 52; I 61,7; II 11,1; II 16; II 25,1; II 26,1) auf die für Christen negative Welt. Nach C. GNILKA, Begriff, 63, bedeutet Ägypten „nach der den Vätern geläufigen Exegese das Böse (Heidnische)“. 669 S. T HESLL 3, 244; auch ebd., 245: „proverbialiter: ... diem candidiore notat lapide, pro die fausto felici“. 670 Es ist fraglich, ob Zeno damit als glücklich ausgewiesene, also für bestimmte Handlungen günstige Tage meint (dazu vgl. G. J UNGBAUER, Art. Glückstage, HWDA III, 1987, 899–904, hier: 899: Unter den günstigen Tagen, die neben den weit häufiger genannten Unglückstagen auch eine Rolle bei der Tagwählerei spielten, sind bei den Römern zuerst wahrscheinlich die dies fasti zu verstehen, die zur Vornahme öffentlicher und privater Geschäfte geeignet waren). Vielmehr ist bei seiner grundsätzlichen Ablehnung der Tagwählerei damit zu rechnen, dass er lediglich zum Ausdruck bringen will, dass die Tage erst durch die Tagwählerei zu negativen werden, dass sie ohne die Tagwählerei für die Betroffenen glückliche Tage sein könnten. 671 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 65. 672 S. G. J UNGBAUER, Art. Ägyptische Tage, HWDA I, 1987, 223–226, hier: 226. 673 Anders S. EITREM, Hebdomas, 2573, der sie tatsächlich mit Juvenal auf einen Ägypter namens Petosiris zurückführt. 674 S. G. J UNGBAUER, Ägyptische Tage, 223f. 675 Vgl. G. W ISSOWA, Religion, 515, Anm. 7. 676 S. G. J UNGBAUER, Unglückstage, 1429. 677 S. ders., Ägyptische Tage, 223–226. Anders D. HARMENING, Superstitio, 164– 169; er sagt, dass genauere inhaltliche Informationen erst mittelalterliche Schriften böten; aber auch diese erlaubten nicht immer eine genaue Feststellung bzw. Abgrenzung der Ägyptischen Tage von anderen Unglückstagen. Ihren Namen verdankten sie ihrer angeblichen Entdeckung in Ägypten, sie dürften aber wohl mit den von den Römern gemiedenen Tagen nach den Kalenden, Nonen und Iden identisch sein; so auch J. RÜPKE, Religion, 194, unter Bezug auf den [christlichen!] Kalender des Polemius Silvius aus der Mitte des 5. Jahrhunderts. Dies widerlegt jedoch die bei G. J UNGBAUER, Ägyptische Tage, 224, abgedruckte Tabelle; vgl. auch ThesLL 1, 963. G. J UNGBAUER, Ägyptische Tage, 225, bemerkt ausdrücklich, dass die mittelalterlichen Ägyptischen Tage wesentlich von den römischen abwichen. 678 J. RÜPKE, Religion, 194.

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Dass Zeno den Vorwurf der Tagwählerei im Zusammenhang mit dem des überzogenen ‚Totenkults‘ und dem des Augurien- und ExtispizinEinholens macht, zeigt, dass diese Praktiken alle zur privaten Frömmigkeitsausübung gehören, d. h. sie nicht mehr (unbedingt) an den heidnischen Kult gebunden sind. Darin wird der Grund zu suchen sein, warum auch Christen weiterhin diesen Praktiken nachgehen. 679 Zeno erkennt allerdings einen Unterschied zwischen den Christen, die heidnisches Tun (lediglich) schützen, indem sie es auf ihren Gütern ignorieren, 680 und denen, die diese Bräuche und damit heidnische Praktik pflegen (non hi solum ... displicent deo, sed et illi).681 Ein qualitativer Unterschied besteht jedoch offensichtlich nicht, ja, das Vergehen ist in beiden Fällen auch mit sozialen Verfehlungen, die ihren Grund nicht im Heidentum haben, vergleichbar.682 e) timere culpa, metuere naturam Angesichts des Befundes zur Vorzeichenbeachtung und Divination in den Traktaten erstaunt es, dass Zeno nicht auch expressis verbis über Prodigien spricht, die römisch stark kultischen Charakter hatten, häufig an den Tempel gebunden waren und deren Deutung den Haruspizes oblag. 683 Der Terminus prodigium selbst begegnet nur in seiner quasi säkularisierten Bedeutung, im Sinn von ‚Ungeheuer‘ oder ‚Ungeheuerlichkeit‘; 684 er erinnert insofern wohl an seine ursprüngliche Bedeutung, in der er zur Bezeichnung außergewöhnlicher Naturereignisse als Zeichen göttlichen Zornes steht. Damit folgt der Veroneser Bischof offensichtlich jüdischhellenistischer Tradition, die in Auseinandersetzung mit der hellenistischen Volksreligiosität das Prodigienwesen übernommen und so für die auch christliche Apokalyptik verfügbar gemacht hatte. 685

679 Dass Christen darin keine Sünde sahen, bezeugt auch AUG. in Gal. 35,6f. (CSEL 84,103f.,25–3 Divjak). Auch zu seiner Zeit waren diese Gewohnheiten tief eingewurzelt und weit verbreitet; s. D. HARMENING, Superstitio, 164f. 680 I 25,10. 681 I 25,11. 682 Ebd.: „qui coniugale exasperant iugum ..., qui publicanas mulieres cum vi subiciunt ..., qui iracundia tument, qui litibus fremunt, qui calumnias pariunt, qui pauperes ... exspoliant, qui profanis fabulis ... divina sacramenta contaminant.“ 683 S. K. B ERGER, Hellenistisch-heidnische Prodigien und die Vorzeichen in der jüdischen und christlichen Apokalyptik, in: ANRW II,13,2. Religion. Vorkonstantinisches Christentum. Verhältnis zu römischem Staat und heidnischer Religion, hg. v. W. Haase, Berlin / New York 1980, 1428–1469, hier: 1451f. 684 S. II 7,8 bzw. I 1,9.17; das Adjektiv prodigiosus ist im Sinn von ,unnatürlich‘ mit sexueller Begierde verbunden, s. I 1,8; I 4,10; I 36,26. 685 S. K. B ERGER, Prodigien, 1452–55.

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Die Religionsgeschichte versteht unter prodigium „als Zeichen des göttlichen Zornes geltende[.] aussergewöhnliche[.] oder naturwidrige[.] Vorkommnisse,“ 686 die ihren Grund darin haben, „daß das normale Verhältnis zwischen Gemeinde und Gottheit eine Störung erfahren hat und der ersteren daraus ernste Gefahren drohen.“ 687 Die Wiederherstellung des normalen Verhältnisses bzw. die Abwendung der drohenden Gefahren macht eine Sühnung erforderlich, die im öffentlichen Leben in der Regel in Form einer Lustration vorgenommen wurde. 688 Im Anschluss an Prodigien wurden häufig die Sybillinischen Bücher befragt, welche Maßnahmen zur Sühnung zu ergreifen seien, 689 oder aber Haruspizes, die darüber hinaus erkunden sollten, welche zukünftigen Ereignisse durch die Prodigien angedroht wurden. 690 Die Prodigien konnten von sehr unterschiedlicher Art sein, sie reichten von Blitzschlag über Sonnenfinsternis, Stein- und Blutregen bis zu Missgeburten und anderen widernatürlichen Abweichungen. 691

Ganz ähnliche erschreckende Ereignisse beschreibt Zeno in Traktat II 2,3, ohne sie allerdings mit dem Terminus prodigium zu belegen. Dennoch dürfte jedem heidnischen oder ehemals heidnischen Zuhörer klar gewesen sein, worauf er abhebt: „Cum gravamur rumpentibus sonis, concussis undique cardinibus, cum praeter morem terrifico fragore intonans concrepat caelum, cum inter caecas pinguibus conductas nubibus tenebras crebrae micantes curvis ignibus flammae intercepti diei lumen inconstanter assimulant, cum ardent plura fulminibus, cum terra vel tremit vel hiatu se recipit in se, nullus hic beatitudinis locus est, ubi non devotionis, sed necessitatis est quod timetur.“ Deutlich weist auf das Phänomen der beängstigenden Vorzeichen der Einschub praeter morem, doch auch die durch zahlreiche lautmalerische Bilder (wie etwa rumpentibus sonis oder concussis cardinibus) und die Alliteration auf ‚c‘ sehr lebhaft ausgestaltete Darstellung spricht eine deutliche Sprache. Zeno greift hier in dem mit De timore überschriebenen Traktat bewusst etwas aus dem Heidentum Bekanntes auf, auch wenn er den heidnischen Kult, wie schon den Terminus technicus prodigium, überhaupt nicht erwähnt. Worauf er abzielt, verrät die Gegenüberstellung der möglichen Ursachen für Furcht: devotio und necessitas. Die beschriebene Furcht hat für ihn ihren Grund in der Bedrängnis durch die Naturereignisse, nicht in einer religiösen Einstellung. D. h. jeder wird in solchen Situation quasi automatisch von Furcht ergriffen, sei er ein religiöser oder ein areligiöser Mensch (wobei letzteres für die Antike an sich undenkbar ist), sei er Heide oder Christ. Was Zeno beabsichtigt, ist zunächst die Entmythisierung der Naturereignisse: Man ist der Furcht vor ihnen unabhängig von einer religiösen Konnotation ausge686

G. W ISSOWA, Religion, 59. Ebd., 391. 688 S. ebd., 60.391f. 689 S. ebd., 538–540. 690 S. ebd., 544–547. 691 S. ebd., 391; s. auch die Auflistung bei K. B ERGER, Prodigien, 1455–1459. 687

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liefert – im Deutschen spricht man hier wohl eher von Angst 692 –, weil dies der Natur des Menschen oder überhaupt aller Lebewesen entspricht. Dieser Angst wird weiter unten die religiös und hier natürlich christlich motivierte Furcht gegenübergestellt, die ihren Ausdruck vorbildhaft und vorzüglich im Verhalten des Märtyrers fand. Im Anschluss an die beispielhaften Ausführungen zu Daniel, Jona, Petrus und Thekla 693 beschreibt Zeno zusammenfassend noch einmal die Eigenschaften dieser Furcht: „O necessarius timor, qui nihil aliud agit nisi ut beatos efficiat; qui timet arte, non casu, voluntate, non necessitate, religione, non culpa; qui deum metuit, non naturam.“ 694 Die Reihe casu – necessitate – culpa weist noch einmal deutlich auf das heidnische prodigium. Es ist ein unerwartetes Zeichen,695 es versetzt in Bedrängnis, es verursacht ein Schuldgefühl, das schließlich den Versuch der Sühnung auslöst. Demgegenüber ist die christliche Furcht, und gemeint ist natürlich die Gottesfurcht, eine angestrebte Haltung, ein willentlicher Akt.696 Religiosität hat also eine intellektuelle Komponente, die dem heidnischen Kult nach Zenos Einschätzung fehlt. Ohne direkt gegen das Heidentum zu polemisieren, erarbeitet Zeno einmal mehr ein Kriterium, das gegenüber den Defiziten des Heidentums das Christentum empfiehlt. Allerdings weist die Argumentation Zenos bezüglich der christlichen Gottesfurcht an dieser Stelle eine Widersprüchlichkeit auf. Er sagt von ihr, sie beruhe nicht auf necessitas, auf der anderen Seite nennt er sie aber necessarius.697 Wenn sie aber necessarius ist, dann eignet sie nicht nur dem Menschen, sondern, wie er selbst sagt, allen Lebewesen: „nulla gens est, nulla sunt pecora, animantium denique nulla natura, quae non timeat deum“.698 Damit ist sie aber (nur nach heutigem Verständnis?) kein Akt des bloßen Willens oder der Vernunft, sondern unterliegt doch der necessitas, die zwar nicht von Naturereignissen ausgelöst wird, aber von Gott. Dieser Zirkelschluss zeigt, dass Zeno doch nicht soweit gehen will, das prodigium als völlig überflüssig darzustellen. Es ist lediglich in seiner heidnischen Ausprägung überholt. Das Christentum bietet jedoch Ersatz. Auch der Gott der Christen äußert seine Erwartungen an den Menschen und, falls diese nicht erfüllt werden, auch seinen Zorn. Direkt im Anschluss an die Beschreibung der angsteinflößenden Naturereignisse sagt 692

Vgl. J. GRIMM / W.GRIMM, Art. Angst, DWb NA II, 1998, 1000–1002, hier: 1000. – Man kann natürlich auch vor Naturereignissen Furcht empfinden; dieses setzt jedoch Reflexion voraus und macht von daher ein Ausgeliefert-Sein unmöglich. 693 II 2,5–7. 694 II 2,7. 695 Es entspricht von daher dem augurium oblativum. 696 Vgl. II 3,4: „fides autem tenaciter inhaeret suo soli proposito“. 697 II 2,7. 698 II 2,3.

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Zeno deshalb: „Itaque audiamus scripturam, quid dicat, cuius ista sunt monita: Et nunc, Israel, quid dominus deus tuus postulat a te, nisi ut timeas dominum deum tuum et ambules in omnibus viis eius et diligas eum et custodias praecepta eius ex toto corde tuo et ex tota anima tua ut bene sit tibi?“ 699 Das Ziel der Befolgung der Forderungen Gottes an den Menschen ist das persönliche Wohlergehen! Soweit übernimmt Zeno biblisches Denken. Hinweise auf den Willen Gottes liefert (als Prodigiums-Ersatz) die Schrift Dies bezeugt auch der zenonische Befund zu „Zorn Gottes“ – ira / iracundia dei.700 Aus der Schrift übernimmt Zeno die Vorstellung, dass sich der Zorn Gottes im Feuer und Sturmwind äußere,701 was deutlich an das heidnische prodigium erinnert. Verzichtet er jedoch auf dieses Bild, geht der Argumentation immer ein Schriftzitat als Beleg der Nennung des Zornes Gottes voraus oder folgt ihr,702 d. h. die Schrift übernimmt gewissermaßen die Funktion eines Indikators des Zornes Gottes. 703 Damit folgt Zeno inhaltlich 704 der Verteidigung des zürnenden und in gerechtem Zorn strafenden Gottes, wie sie Laktanz in seiner Schrift De ira dei zum Aufweis der Gottesfurcht als Ursprung aller Religion bietet. 705 6. Totenkult Der Totenkult 706 fällt etwas aus dem bisher durch das Stichwort ‚Kult‘ vorgegebenen Rahmen. Zeno selbst differenziert, wie gezeigt werden konnte, zwischen offiziellem Kult und privaten, von ihm z. T. als religiös eingeschätzten Bräuchen. Zu letzteren zählt er den Umgang mit den Verstorbenen; er weiß, dass es im Heidentum so etwas wie kultisch geprägte 699

Dt 10,12f. in II 2,4. S. I 3,12; I 10A; I 25,4; I 61,1; II 12,4. 701 Jr 4,4 in I 3,12; Is 66,15 in II 12,4. 702 Traktat I 10A und I 30 schließen sich direkt als Auslegung an eine Lesung aus Is an; in I 25, 4 äußert sich der Zorn Gottes im Schriftzitat Jr 25,6; in I 61,1 wird Is 1,2 als Ausdruck des Zornes Gottes gedeutet. 703 Ausdrücklich sagt Zeno daher in II 3,5 auch von ihr: „[Lex] ... index dei voluntatis est“. (Das Gesetz entspricht dem Buch Genesis: „lex semper manat ex libro Genitali“ in II 3,4. Vgl. aber auch I 37,1: „duo testamenta ..., quae et evangelicis intexta praeceptis credentes homines voluntatemque dei facientes quasi per quosdam observantiae gradus in caelum levare consuerunt.“ und II 3,3: „per ipsam [sc. legem] dei voluntas populis intimatur“.) – Zum Umgang Zenos mit der Schrift s. u. S. 444–459. 704 Ohne dass der Testimonienapparat in B. LÖFSTEDT, Tractatus, 151f., auf sprachliche Parallelen hinweist. 705 Vgl. K. H. SCHWARTE, Art. Laktanz, LACL, 32002, 443–445, hier: 444; vgl. auch K. B ERGER, Prodigien, 1460. Zeno übersieht Berger in seinen Quellenlisten, ebd., 1455– 1465, allerdings. 706 Zum Kult der Unterwelts- und Totengötter, der nicht mit dem hier behandelten Totenkult identisch ist, s. G. W ISSOWA, Religion, 232–240. 700

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Bräuche um die Toten gibt. Diese dürfen von Christen nicht übernommen werden. Da auch das Christentum zunächst private (religiöse?) Bräuche kennt, die dann von offiziellem ‚Kult‘ im Zusammenhang mit dem Tod abgelöst werden, wird in dieser Arbeit (inkonsequent, aber dem Sprachgebrauch verpflichtet) der Terminus Totenkult als Oberbegriff auch für christliche Bräuche beibehalten.707 a) mors timetur Das Verhältnis der Römer zu den Toten war ein ambivalentes. Die Ehrfurcht, die man den Verstorbenen entgegenbrachte, gründete sowohl in der Liebe zum Angehörigen als auch in der Furcht vor dem Toten. Dies belegen die Zeremonien, die sich unmittelbar an den Tod eines Familienmitglieds anschlossen.708 Außer in den Trauer- und Bestattungsriten hat diese Ambivalenz ihren Niederschlag v. a. auch im Grabrecht gefunden: Das Grab war geschützt, mit der Bestattung eines Leichnams wurde es locus religiosus; diese Religiosität konnte nicht willkürlich aufgehoben werden. Ein Verstoß gegen die Totenruhe oder die religio des Platzes selbst galt als Grabschändung.709 Diese Regeln wurden auch in christliches Recht übernommen.710

Einen Beleg für die auch von Christen geforderte Ehrfurcht vor den Toten bzw. vor dem Grab bietet Zeno in Traktat I 5 (De avaritia). Dort wirft Zeno den Habgierigen die Maßlosigkeit ihres Besitzstrebens vor, die selbst gegen Recht, Gesetze oder aber den Anstand verstößt: „Huic [sc. avariti-

707 Vgl. C. VOGEL, L’environnement cultuel du défunt durant la période paléochrétienne, in: La maladie et la mort du chrétien dans la liturgie. Conférences Saint-Serge, XXIe semaine d’études liturgiques, 1er – 4e juillet 1974, Rom 1975, 381–413, hier: 392: „Faute d’un terme plus adéquat et plus pratique, il a été question d’environement cultuel pour qualifier l’ensemble des faits, gestes et attitudes ... . Enfait – en dehors de l’Eucharistie et du banquet funéraire – il s’agit moins d’un culte et d’un rituel que de coutumes et d’usages, dont les survivants entourent la dépouille d’un être qui leur fut cher; les termes «liturgie» et «culte» sont impropres.“ 708 Die conclamatio ist der Versuch, den geliebten Toten zurückzurufen, die Aufbahrung erfolgte jedoch mit den Füßen zur Tür, um sich gegen eine Rückkehr zu sichern; s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 101. 709 S. G. KLINGENBERG, Grabrecht, 605f.617f. Danach kam das Christentum mit dem Grabrecht durch die mit dem Märtyrerkult verbundene Suche und Überführung von Reliquien in Konflikt. Die christliche Gesetzgebung übernahm dennoch die Vorstellung von der Unverletzlichkeit des Grabes. Man suchte einen Kompromiss in der Errichtung von Kultstätten direkt über dem Grab; s. ebd., 628f. – Die Errichtung von Kultstätten über dem Märtyrergrab ist eine Erscheinung, die in der Tat die Haltung zum Grab, jedoch v. a. dem des Märtyrers, erkennen lässt, während die umliegenden Gräber bei solchen Maßnahmen durchaus verletzt wurden. Erstmals setzte sich bereits Konstantin mit dem Bau der Petersbasilika über solche Bedenken hinweg; s. A. ARBEITER, Alt-St. Peter in Geschichte und Wissenschaft. Abfolge der Bauten, Rekonstruktion, Architekturprogramm, Berlin 1988, 63. 710 S. G. KLINGENBERG, Grabrecht, 630.

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ae] non iura, non leges, non honor ullus obsistit“.711 Das nun Folgende ist in seiner Deutung sehr umstritten.712 Als ein Beispiel für das Verhalten Habsüchtiger führt Zeno an: „Construunt praedia, sepulcra defodiunt.“ 713 Zeno bezieht sich hier möglicherweise auf ein Zerstören von Gräbern zur Gewinnung von Baumaterial, das zur damaligen Zeit gang und gäbe war und gegen das sich daher mehrfach verschärfte Gesetzesmaßnahmen seit der Zeit des Konstantius richteten.714 Was im Kontext des ‚Totenkults‘ mehr interessiert als eine vor dem Grab geforderte Ehrfurcht, ist die vor dem Tod. „Timeant omen, qui non timent mortem.“ 715 Übernimmt man den in der Löfstedt’schen Ausgabe emendierten Konjunktiv timeant, so muss dieser sich auffordernd an die Zerstörer von Grabbauten richten: „Sie (sc. die Habsüchtigen) bauen auf ihren Landgütern Gebäude und ebnen (zu diesem Zweck) Gräber ein. Mögen sie, die den Tod nicht fürchten (wie es ihr bedenkenloses Verhalten zeigt), (doch wenigstens) das Omen fürchten!“ 716 Dieses bedrohliche Omen, das sie sich durch die Zerstörung selbst schaffen, besteht darin, 711

I 5,5. Schon P. u. G. B ALLERINI, Opera, 327f., Anm. 11, dokumentieren verschiedene Deutungen, die von A. B IGELMAIR, Traktate 134, Anm. 1, und von B. LÖFSTEDT, Tractatus, 39 (Emendation im Text mit Nennung der überlieferten Varianten im Apparat), unterschiedlich auswählend rezipiert werden. 713 I 5,8. 714 S. G. KLINGENBERG, Grabrecht, 634f. Die bloße Entfernung von Bauteilen wurde, nach einigen Verschärfungen der Gesetze und ihrer Wieder-Rückgängigmachung, durch eine Geldstrafe geahndet, kam es jedoch auch zu Übergriffen auf den Leichnam, entweder bei Verwüstungen heidnischer Gräber durch Christen oder als Grabspoliation im Zusammenhang mit dem Reliquienkult, wurde gemäß des Kaiserrechts des 3. Jahrhunderts schwerer bestraft, z. B. mit der poena metalli; s. ebd. – Auf diesem Hintergrund wäre das Wort praedium in I 5,8 nicht, wie A. B IGELMAIR, Traktate, 134, gefolgt von G. B ANTERLE, Discorsi, 79, dies tut, mit „Landgüter“ oder „Grundstücke“ zu übersetzen (obwohl A. B IGELMAIR, ebd., Anm. 1, Kenntnis von der Nutzung als Baumaterial zeigt), sondern es meint hier offensichtlich die auf solchen Gütern errichteten Gebäude; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1841. Allerdings ist defodere im Sinne von „abtragen“ oder „zerstören“ nirgends belegt; vgl. T HESLL 5,1, 366. Denkbar wäre höchstens noch eine Übersetzung mit „einebnen“ (vgl. auch die Variante deserunt im Sinne von „verlassen, aufgeben“), oder aber man weicht auf die Textvariante destruunt aus; s. kritischer Apparat, B. LÖFSTEDT, Tractatus, 39. G. B ANTERLE, Discorsi, 79, Anm. 8, denkt nicht an ein Abtragen von Gräbern, sondern an ein Anlegen unterirdischer Gräber, das eine Vergrößerung des Grund und Bodens zur Folge hätte. – Völlig verfehlt scheint die Übersetzung von P. LEIPELT, Traktate, 125. Er übersetzt zwar „Landhäuser“, sieht aber keinen Zusammenhang mit den Gräbern, der jedoch durch die chiastische Stellung naheliegt. (G. EDERLE, Sermones 1958, 57, übersetzt diesen Absatz nicht.) 715 I 5,8. 716 I 5,8: „Construunt praedia, sepulcra defodiunt; timeant omen qui non timent mortem“. 712

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dass die mit den Gräbern aus dem Wege geräumten Leichname 717 ungeschützt unter freiem Himmel liegen.718 Eine andere Deutung erfordert das in sämtlichen Codices überlieferte timent.719 Diese Variante entspräche ganz Zenos Art ironischer Einwürfe: Diejenigen, die durch ihr Verhalten zeigen, dass sie nicht bedenken, jederzeit aus dem Leben gerissen werden zu können,720 und in diesem Sinne den Tod nicht fürchten, scheinen sich vor dem Hinweis auf denselben in Form von Gräbern zu fürchten und diese deshalb zu zerstören. 721 Es wäre dann folgendermaßen weiter zu übersetzen: „Deswegen 722 liegen sie (selbst), nachdem sie aus dem Leben gerissen wurden, meistens unbeachtet da,723 Hunden, Vögeln und wilden Tieren überlassen, überall hin zerstreut, von oben und von unten 724 verdorben, mit halbverzehrtem Gerippe und schon ihres Fleisches beraubt.“ Unabhängig von der Entscheidung für oder gegen den Konjunktiv kann als Ergebnis für die Frage nach der Haltung des Christentums zum Tod aus I 5,8 abgeleitet werden, dass die ehrfürchtige Einstellung gegenüber dem Tod aus dem Heidentum übernommen wird: Im Verb timere klingt – so oder so – v. a. die negative Komponente der Ehrfurcht, das Fürchten, durch. Zeno zeigt an dieser Stelle, wenn er das Schicksal desjenigen beschreibt, der ohne Grab bleibt, deutlich, dass dem Toten die Ehre einer Bestattung zusteht, ohne dass es einer spezifisch christlichen Argumentation dazu bedarf.725 717 I 5,8: interempti. E. W ISTRAND, Textkritisches, 366, versteht hier in inhaltlicher Anlehnung an VERG. georg. 1,493–497 (44f. Mynors) aufgepflügte Gräber, die den Anblick eines Schlachtfeldes bieten, und ergänzt interempti durch zu „in der Schlacht Gefallene“. 718 I 5,8: „sic, sic interempti plerumque iacent canibus, alitibus ferisque donati, ubique dispersi, utrobique deperditi, semesis ossibus, etiam suis carnibus nudi.“ – Diese Deutung referieren P. u. G. B ALLERINI, Opera, 328 D, als Deutung zu der Emendation, die B. LÖFSTEDT, Tractatus, 39, in seinen Text übernimmt. 719 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 39. 720 S. I 5,7. 721 A. B IGELMAIR, Traktate, 134, Anm. 1, erklärt die Zerstörung von Gräbern eben mit der Furcht davor, durch die Grabbauten an den Tod erinnert zu werden, erkennt aber die für Zeno typische ironische Spitze nicht, obwohl diese bereits von P. u. G. B ALLERINI, Opera, 328 (D) – 329 (B) als Argument für ihre Entscheidung für den Indikativ angeführt wird. 722 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2649; man beachte auch den von B. LÖFSTEDT, Tractatus, 39, Zeile 60, gesetzten Doppelpunkt; ein Komma hinter dem zweiten sic wäre eindeutiger. 723 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2. 724 Zu utrobique vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3337f.: „auf (jeder von) beiden Seiten“. 725 Die Bestattung eines Leichnams gehörte in der gesamten Antike zur religiösen und moralischen Menschenpflicht. Sie wurde als solche vom Christentum übernommen. Vgl.

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Noch ein zweites Mal spricht Zeno, dieses Mal eindeutiger, davon, dass der Tod zu fürchten sei. In II 7,9 geht er mit der Frau ins Gericht, die nach dem Tod ihres Gatten ein zweites Mal heiraten will und dies mit der „Glut“ ihrer Jugend begründet.726 Ihr hält er entgegen: „non habet concupiscentia locum, ubi patientia dominatur, ubi vivitur sobrie, ubi mors timetur.“ 727 Hier kann so unvermittelt mit der „Furcht vor dem Tod“ nur die Ehrfurcht vor dem verstorbenen Gatten gemeint sein, angesichts derer eine zweite Ehe unangemessen ist. Auch hier fehlt eine spezifisch christliche Argumentation. Zeno denkt hier an die gemeinantike Pietät (im Sinne einer gesellschaftlich, nicht unbedingt religiös, geforderten Verpflichtung 728) gegenüber den Toten. Diese kann jedoch von einem Christen, so vermitteln die weiteren Ausführungen, noch überboten werden durch einen religiösen Impetus: „Itaque hanc observantiam, hunc timorem, quod est verius atque iustius, transfer ad deum et, quale velit illud sit, repente exstinguetur incendium.“ 729 Die Einbindung einer allgemeinen Pietät in einen religiösen, christlichen Zusammenhang garantiert die Überwindung der menschlichen Schwäche.730 b) plangere Die antike Totentrauer, soweit sie äußerlich wahrzunehmen war, folgte wie auch die anschließende Bestattung bestimmten Regeln. Nach der Aufbahrung der Leiche im Trauerhaus versammelten sich Freunde und Verwandte zur Totenklage, die mit deutlichen Zeichen des Schmerzes verbunden wurde. Zu diesen Äußerungen gehörten neben dem Tragen dunkler Trauerkleidung 731 Weinen, Sich-an-die-Brust-Schlagen, Raufen der Haare, Zerkratzen der Wangen, Sich-auf-dem-Boden-Wälzen, Mit-dem-Kopf-gegen-PflasterSchlagen oder Zerreißen der Kleider.732 Außerdem gab man dem Schmerz um den Verlust des Toten Ausdruck durch längere Anreden an denselben, wobei sein Kopf liebkost wurde.733 Gleichzeitig wurde zudem von gemieteten Sängern und Klageweibern eine

L. KOEP U. A., Art. GENBERG, Grabrecht,

Bestattung, RAC II, 1954, 194–219, hier: 200; auch G. KLIN597f.632. 726 II 7,9: „Sed dicis: ,Ardor me tenerae compellit aetatis.‘ “ 727 Ebd. 728 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1702 (Lemma „pietas“). 729 II 7,9. 730 Angesichts des Fehlens weiterer argumentativer Ausführungen kann nicht eindeutig entschieden werden, was mit timorem ... transfer ad deum gemeint ist: Soll an die Stelle der Ehrfurcht vor dem Tod die Gottesfurcht treten oder soll die Pietät gegenüber dem Toten im Glauben an den christlichen Gott ihren eigentlichen Grund suchen? 731 S. L. KOEP U. A., Bestattung, 201.214. 732 S. ebd. 203.209.213f. 733 Auch am Grab selbst verabschiedete man sich vom Verstorbenen durch einen Kuss; s. ebd., 207.

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offizielle Totenklage vollzogen.734 Der Sinn der letzteren bestand v. a. darin, „der anwesend gedachten Seele des Verstorbenen die Größe des Schmerzes um seinen Verlust [zu] bezeugen u[nd] sie dadurch [zu] beschwichtigen; die Totenklage ist also schon Teil des Seelenkultes“ 735, nicht so sehr Ausdruck der Trauer. Das Lateinische differenziert deutlicher als die modernen Sprachen zwischen den verschiedenen Arten der Trauer. Sie unterscheidet maeror, die stille Trauer, die sich in einer innerlichen Traurigkeit erschöpft,736 von luctus, der Trauer v. a. über den Tod, die sich in lautem Klagen und anderen äußeren Zeichen artikuliert. 737 Unter luctus lassen sich squalor, die „schmutzige äußere Erscheinung als Zeichen der Trauer“ 738, sowie die conclamatio, die Totenklage,739 subsumieren.

Da Zeno gegen die Trauer als Äußerung, die einem Christen nicht gebührt, polemisiert, verwundert es nicht, dass der Befund zu maeror in den zenonischen Traktaten negativ ist,740 dieser entzieht sich ja der Wahrnehmung durch andere. Zeno konzentriert sich auf die äußerlich wahrnehmbare, gleichsam institutionalisierte Form der Trauer, wie sie oben für die Antike insgesamt beschrieben wurde. Er kennt den Terminus luctus,741 ersetzt ihn aber in seiner Polemik durch das deutlichere plangere,742 das „das mit Wehklagen verbundene Schlagen auf Brust, Arme, Hüften als Zeichen der Trauer“, dann allgemeiner „lautes Trauern“ schlechthin bezeichnet. 743 Die 734

S. ebd., 204. Ebd. 736 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 756f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 453. 737 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 715f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 446. 738 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2779. 739 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1402f. Ursprünglich handelt es sich bei der conclamatio um das Anrufen des Toten mit seinem Namen unmittelbar nach dem Tod zur Sicherstellung, dass er tatsächlich verstorben ist, und dann zum Ausdruck dafür, dass man ihn zurückhalten möchte. S. L. KOEP U. A., Bestattung, 203; vgl. K. LATTE, Religionsgeschichte, 101; V. SAXER, Morti, 2304. 740 Maestus bzw. maerere begegnen wohl im Sinne von ,traurig (sein)‘ in I 34,3 und I 59,8, jedoch ohne Verknüpfung mit dem Tod. 741 Mit dem Tod in Verbindung gebracht begegnet er nur in II 7,8, dort auch lediglich innerhalb einer Metapher (odorato pulvere luctus pulverem mutas), sonst steht er eher wie maeror für ,Traurigkeit‘, die sich allerdings nach außen zeigt, so etwa metaphorisch für die Trauer der Natur beim Tod Jesu (funerei luctus) in I 47 oder für die von den Juden eingeforderte ,Trauer‘ über ihren Status vor Gott in I 19,2; I 28,2; II 17. Auch das Adjektiv lugubris wird von Zeno nur einmal im Zusammenhang mit Totentrauer benutzt, s. I 15,3: „Iob ... nuntiis lugubribus tunditur“, sonst weist es in die gleiche Richtung wie luctus, auch in der Anwendung auf die Juden in I 11; I 15,3; I 34,7. 742 In I 2,13.14; I 15,4; I 62,4; II 4,16 ist eindeutig die Totentrauer mit plangere bezeichnet. Ausnahmen sind I 2,6, wo der Begriff das Jammern eines Dämon meint, und I 25,6, wo plangere wie schon maeror, von den Juden gefordert wird. 743 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1729; vgl. H. MENGE, Großwörterbuch, 573. 735

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konkreten Äußerungen der Trauer beschreibt Zeno jeweils im Anschluss an das Stichwort plangere. Eine terminologische Differenzierung führt Zeno noch ein durch das nur einmal begegnende Partizip conclamatum,744 das Bezug auf den Terminus technicus für die institutionelle Totenklage, die conclamatio,745 nimmt, sowie ululatus, das zwar kein Terminus technicus im eigentlichen Sinne ist, von Zeno aber deutlich als Begriff für das individuelle Wehklagen benutzt wird.746 War durch eine Überbietung der heidnischen Furcht und Ehrfurcht vor den Toten nur andeutungsweise eine Abgrenzung eingefordert worden, so zeigt Zeno, dass die scheinbar selbstverständlich weiterpraktizierte Totentrauer und die damit verbundenen Riten 747 mit dem Christentum nicht vereinbar sind.748 Traktat I 2 handelt von der Auferstehung. Nachdem Zeno zahlreiche Beispiele als Belege für ein Leben nach dem Tod angeführt hat – zunächst aus der heidnischen Philosophie und Religion, 749 dann greift er zu alttestamentlichen und neutestamentlichen Belegen, 750 die er als certiora 744

I 2,14: „cadaver ... conclamatum“. Dass es sich hier um den Fachterminus für die institutionelle Totenklage handelt, belegen H. MENGE, Großwörterbuch, 150, und K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1402f., wenn sie zum einen auf ein gemeinschaftliches Tun verweisen, zum anderen die Totenklage als das Erweisen der letzten Ehre kennzeichnen. – Den Begriff neniae für die rituellen Klagen, die von den Klageweibern vorgesprochen und von den Umstehenden aufgegriffen wurden, was auf konventionelle Formeln weist, die von jedem Toten ausgesagt werden konnten, s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 101, kennt Zeno nicht. 746 Dass es sich nicht um einen Fachterminus handelt, belegt die Verwendung in I 53,2; vgl. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3289, und H. MENGE, Großwörterbuch, 775. Im Kontext der Totentrauer begegnet der Begriff in I 2,14 und II 7,7. Die Terminologie clamor supremus oder lugubris für die Totenklage, s. H. MENGE , Großwörterbuch, 129; K. E. u. H. G EORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1190, kennt Zeno nicht. 747 S. C. VOGEL, Environnement, 388. 748 Hierin folgt Zeno wie schon seine ,Kollegen‘ Tertullian, Origenes, Cyprian und Johannes Chrysostomos der neutestamentlichen Argumentation der Evangelien und des Paulus, die auf die Errettung durch Tod und Auferstehung Christi abhebt; s. R. LIZZI, Il sesso e i morti, in: La mort au quotidien dans le monde romain. Actes du colloque organisé par l’Université de Paris IV, Paris – Sorbonne 7–9 octobre 1993, hg. v. F. Hinard, Paris 1995, 49–68, hier: 64–66. 749 Das in I 2,5–7 ausgeführte Beispiel einer Besessenheit für das Weiterleben der Seelen Verstorbener gehört einem Grenzbereich an. Zum eigentlichen Kult kann die Dämonologie nicht gezählt werden, sie entstammt vielmehr dem weiten Bereich der privaten Frömmigkeit, die an keinen bestimmten Kult gebunden ist und so offensichtlich auch problemlos für die Christen weiterhin von Bedeutung ist. Zur spätantiken Dämonologie s. u. 227–235. 750 Vgl. u. 488–499. 745

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bezeichnet,751 und schließlich zu einem Logion Jesu,752 der damit die exempla bestätigt 753 –, fragt er in I 2,13 nach dem Grund für den Zweifel der Christen an der Auferstehung.754 Als Beleg für solchen Zweifel nennt er eben die Trauer 755 und die Formen, in denen sie sich äußert. Die Unsinnigkeit der Trauer verdeutlicht Zeno gleich zu Beginn durch das Oxymoron vom „Verderben dieser Welt“ und den „besseren jenseitigen Zuständen“.756 Die Trauer, auch die eines Christen (Christiane), ist eine „laute Trauer“.757 Die einzelnen Trauerriten schließt Zeno dann in konkreteren Beispielen an. Er zeichnet zunächst das Bild einer Mutter, die mit zerrissenen Kleidern (scissa veste), zerrauften Haaren (laniatis crinibus), zerkratzen Wangen (laniatis et genis) und von Schlägen blauer Brust (totum crebris ictibus livida pectus) ihr totes Kind betrauert. Dies entspricht heidnischem Verhalten (gentili vanitate), ja erinnert an ekstatischen Kult (bacchatur) und ist von daher als Gottlosigkeit zu verurteilen (Pro nefas!).758 Eine Christin, die sich dazu hinreißen lässt, ist insana. Vielmehr wäre von ihr in solcher Situation Gottvertrauen zu erwarten, wie es die Mutter der Makkabäer vorgelebt hat (religiose confidens). Als zweites Beispiel nennt Zeno gleich im Anschluss das Gebaren einer durch den Tod von ihrem Gatten getrennten Frau. 759 Nicht nur, dass sie ihre Vereinsamung beklagt, sie macht Gott deswegen sogar Vorwürfe und stört die kirchliche Feier, in der durch den Priester der Entschlafene Gott anempfohlen wird.760 Nach Art der Heiden 761 betrauert sie den Verstorbenen mit Geheule (profanis ululatibus / cadaver amplectitur conclamatum / 751

I 2,8. Lc 23,43 in I 2,11. 753 I 2,11: „exempla confirmans“. 754 I 2,13: „Cum haec ita sint, resurrectionem futuram cur, Christiane, non credis?“ 755 Ebd.: „Cur de huius mundi labe in meliora migrantes tam pertinaciter plangis?“ – Schon in I 2,12 wurde mittels des Paulus-Zitates 1 Th 4,13 die Trauer als Zeichen fehlender Hoffnung gedeutet: „Nolumus autem ignorare vos, fratres, de dormientibus, ne contristemini sicut ceteri, qui spem non habent“. 756 I 2,13: „Cur de huius mundi labe in meliora migrantes tam pertinaciter plangis?“. 757 Zu plangere s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1729. Zeno scheint hier nicht an das ursprüngliche, konkrete An-die-Brust-Schlagen zu denken – die konkreten Äußerungen schließen sich erst noch an –, sondern versteht hier plangere wohl als Oberbegriff. 758 Zur christlichen Verwendung des Terminus nefas s. A. B LAISE, Dictionnaire, 552. 759 I 2,14. 760 Ebd.: „Hinc uxor amissi mariti desolationem se ferre non posse testatur frigidumque latus male dilatato queritur lecto; invidiosis vocibus deo concinnat invidiam, solemnia ipsa divina, quibus a sacerdotibus dei quiescentes commendari consuerunt, profanis aliquotiens ululatibus rumpit“. 761 Zur Bedeutung von profanus s. A. B LAISE, Dictionnaire, 668. 752

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uberiores fletus) , Umarmung (cadaver amplectitur), Küssen (frigentia tepefacit crebris osculis labra) und Beweinen des Leichnams (totum corpus imbribus relavat lacrimarum), selbst von Schmutz verunstaltet (tetraque inluvie suum totum deformans cultum) und mit abgeschnittenem Haar (crinium suorum damno). Die Darstellung entspricht den heidnischen Gebräuchen. Zeno setzt sie jedoch v. a. zur Beschreibung der Affektiertheit des Schmerzes ein.762 Die anschließende ironische Feststellung, dass der Schmerz angesichts einer bald folgenden zweiten Heirat nicht so arg sein kann, dient zum einen als weiteres Argument gegen die Trauer, betont zum anderen darüber hinaus die fehlende Verehrung (in Form reiner Liebe) gegenüber dem Verstorbenen und das mangelnde Gottvertrauen. 763 Ganz ähnlich arbeitet Zeno auch in Traktat II 7,7. Kontext ist hier die Verurteilung der zweiten Ehe einer Frau. Die Argumentation wird an dieser Stelle umgekehrt. Wie in I 2,14 eine zweite Ehe als Zeichen für die Unaufrichtigkeit der Trauer angeführt wurde, wird hier die Trauer über den Tod des ersten Mannes als Grund gegen eine zweite Ehe genannt. Die Szenerie ist nahezu deckungsgleich, man hat den Eindruck, Zeno tadelt die gleiche (fiktive) Christin wie in I 2,14.764 An Trauerriten begegnen wiederum das Abwaschen des Leichnams mit Tränen, das Abtrocknen mit Küssen, das Bedecken mit dem abgeschnittenen Haar, die blau geschlagene Brust, das Trauerkleid, die Klagen gegen Gott. 765 Zusätzlich nennt Zeno hier die zerfurchten Wangen und die Verwendung von Asche als Zeichen der Trauer. Wie in I 2,14 werden auch hier die Trauergäste durch das Verhalten der Trauernden zu Tränen gerührt. Das Bild wird nur noch etwas drastischer gezeichnet durch Hinzufügung individueller Schmerzensäußerungen (nunc clusis dolore gemitibus saepe intermortua spiritu, labentibus membris ad terram incertas).766 Deutlicher ist Zeno hier auch in seinem 762

Vgl. ambitiosior in dolore in I 2,14. I 2,14: „Exsecrabilis res est, fratres, nec coniugio servare caritatem nec deo fidem.“ Der Tadel bezüglich einer zweiten Heirat trifft auch Männer. Zu fragen bleibt, ob Zeno hier generell die zweite Ehe tadelt, also sowohl Frauen als auch Männer, die ein zweites Mal heiraten, oder ob er nur die zweite Ehe von Frauen tadelt. Dieser Tadel träfe dann nur die Männer, die eine Ehe mit einer Frau eingehen, die bereits verheiratet war. Beide Interpretationen wären an dieser Stelle denkbar. Für letztere spricht II 7,11, wo Zeno in ähnlichem Kontext ausdrücklich von mariti, nicht generell von viri spricht. Nur die Ehemänner bereits einmal verheirateter Frauen trifft der Tadel, den Zeno vorher an die Frauen richtet: „Talis est etiam causa maritorum, ad quos aliquid loqui superfluum est, quia, si uxor et maritus in carne sunt una, dubium non est, quia quod alter audit amborum est.“ 764 Dafür spricht auch die Anrede in II 7,7: „Tune non illa es, quae ... ?“ 765 Hier ersetzt durch „Geheul, das den Himmel erschüttert“. 766 Ebd.: „Tune non illa es, quae mariti corpus expositum lavisti lacrimis, osculis detersisti, crinium damno velasti, scissis genis, livore foedatis uberibus, sordido plus pulvere tecta quam veste? Tu, inquam, non es, quae nunc caelum ipsum ululatibus rumpens 763

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Urteil: Eine zweite Heirat wäre der Beleg dafür, dass die Trauer bloße Vortäuschung war.767 Neben der direkten Kritik an den Äußerungen der Trauer vermittelt Zeno an weiteren Stellen Hinweise auf Trauergebräuche. So schließt er in II 7,8 eine Kritik an dem neuerlichen Sich-zurecht-Machen der Verwitweten an, aus der ihr Verhalten während der Trauer erschlossen werden kann. Sie muss in dieser Zeit ihr Äußeres gänzlich vernachlässigt, insbesondere das Schminken und die Haarpflege unterlassen haben. Den Vorwürfen kann darüber hinaus der Hinweis entnommen werden, dass die Witwe zum Zeichen der Trauer sich mit Asche verunstaltet hatte. An gleicher Stelle wird auch noch einmal auf das Beweinen des Toten angespielt. 768 Die Tränen tauchen auch in biblischen Kontexten als Zeichen der Trauer auf, so in I 62,4 bei der Beschreibung des Isaakopfers 769 oder in I 36,9, wo Zeno unter den Wundern, die von den Aposteln vollbracht wurden, auch Totenerweckungen nennt.770 In beiden Fällen wurde die Trauer durch Gottes Heilswirken als überflüssig erwiesen. c) exsequiae Der Aufbahrung und Totenklage folgte das Leichenbegängnis, das sich aus dem Leichenzug und der eigentlichen Bestattung zusammensetzte. Den Leichenzug bildeten die Verwandten und Freunde des Verstorbenen, aber auch die gemieteten Klagemänner und Klageweiber. Die Bahre wurde von berufsmäßigen Leichenträgern, Angehörigen oder jungen Männern aus dem Bekanntenkreis getragen. Brennende Fackeln wurden vorangetragen. Sie kündeten das Nahen der Leiche an und dürften v. a. apotropäischen und lustralen Charakter gehabt haben.771 Die eigentliche Beisetzung fand in der Spätantike nur mehr in Form der Erdbestattung statt.772 Direkt am Grab wurde die laudatio funebris gehalten. Man küsste den Toten und verabschiedete sich von ihm mit einem dreimaligen Vale. Noch am gleichen Tag fand am Grab oder im Haus des Verstorbenen ein Leichen-

post talem maritum puncto temporis vivere te non posse clamabas, nunc clusis dolore gemitibus saepe intermortua spiritu, labentibus membris ad terram incertas reddebas exsequias, cui magis lacrimas commodarent: mortuo anne morienti?“ 767 Ebd.: „Post haec si libet nubere, omnia illa mentita es.“ 768 II 7,8: „Quid hoc est? Ecce rursus ad lenocinia redis, colorem de pyxide mutuaris paulo ante damnatum. Ecce indulgenter excolis crinem; odorato pulvere luctus pulverem mutas; in stibio fletus includis“. Vgl. auch II 7,10: „mortuis suspirantes“. 769 I 62,4: „Nemo plangit vivas exsequias et innocentis hominis obsequium nemo ante fletibus rigat, ne pater dubitasse videretur, si flesset.“ 770 I 36,9: „Per hanc apostoli ... mortuosque saepe ipsos a sepulcris cum suis sibi exsequiis reverti iusserunt, ut omnes mirarentur fieri lacrimas gaudii, quae nunc fuerant orbitatis.“ 771 S. L. KOEP U. A., Bestattung, 204f.212f. 772 S. ebd., 216.

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mahl (silicernium) statt,773 häufig mit einem (schon im Zwölftafelgesetz verbotenen) Trinkgelage verbunden. Das Mahl diente der Beschwichtigung des Toten, dem, anwesend gedacht, wie einem Lebenden aufgetragen wurde. 774

Auf den Terminus pompa, der den prunkvollen Leichenzug mit Ahnenbildern u. a. bezeichnet, trifft man in den zenonischen Traktaten nicht. Eine pompa fand nur beim Tod prominenter Persönlichkeiten statt, 775 Zeno aber bezieht sich auf durchschnittliche Feiern ( funus translaticum 776), wie sie in seiner Gemeinde an der Tagesordnung waren. Zur Bezeichnung des Leichenbegängnisses begegnen bei Zeno die Begriffe funus und exsequiae. Funus meint zunächst das Hinaustragen der Leiche,777 wird dann aber zum Oberbegriff für die Bestattung insgesamt.778 Exsequiae bedeutet eigentlich die Begleitung bei der Leichenfeier durch Freunde und Verwandte, meint also den Leichenzug.779 Zur Bezeichnung konkreter Leichenbegängnisse bevorzugt Zeno den Terminus exsequiae. Dabei denkt er grundsätzlich die Beteiligung einer Trauergemeinde mit, so in I 36,9, wo Zeno die von den Aposteln wieder auferweckten Toten cum suis sibi exsequiis aus den Gräbern zurückkehren lässt, in I 39,9, wo er das Martyrium des Arcadius als Teilnahme des Märtyrers am eigenen Leichenbegängnis beschreibt (exsequiis funeris ipse praecedit), in I 62,4 beim Isaakopfer, das Zeno ‚Leichenbegängnis eines noch Lebenden‘ (vivas exsequias) nennt, zuletzt in II 7,7 bei der Beschreibung einer konkreten Feier in seiner Gemeinde. Hier wird mit exsequiae jedoch nicht der Leichenzug als Vorgang bezeichnet, sondern die Trauergäste selbst.780 Schließlich greift Zeno in I 2,17 für den Beleg der Auferstehung als Ereignis auch in der Natur zum Bild der Stern-

773 Nach K. LATTE, Religionsgeschichte, 102, ist es nicht klar, ob das Mahl direkt nach der Bestattung oder erst am Schluss der neuntägigen Trauer (zur Reinigung von der Klage) stattfand. J. M. C. T OYNBEE, Death and Burial in the Roman World, London / Southhampton 1971, 51, unterscheidet zwei Mähler, das silicernium und die cena novemdialis. 774 S. L. KOEP U. A., Bestattung, 207. – Vom Leichenschmaus sind die Opfer zu unterscheiden, die zuvor am Grab dargebracht wurden, eines zur Heiligung des Grabes, ein zweites für die Seele des Verstorbenen; ebd. 775 S. L. KOEP U. A., Bestattung, 205. – Die pompa gehörte übrigens nicht zum Totenkult, sondern sollte den Glanz der Familie vor Augen führen, so K. LATTE, Religionsgeschichte, 100. 776 S. J. M. C. T OYNBEE, Death, 43. 777 S. K. E. GEORGES, dt.-lat. Handwörterbuch, 1577. 778 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2881. Vgl. Auch J. M. C. T OYNBEE, Death, 43: „The term funus can be used to cover all that took place between the hour of death and the performance of the last post-burial ceremonies.“ 779 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2608; vgl. ebd., 2881. 780 Die Konstruktion in II 7,7 gestattet nur diese Deutung: „incertas reddebas exsequias, cui magis lacrimas commodarent: mortuo anne morienti?“

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schnuppen, die ‚in einer Art Leichenbegängnis‘ (quasi quibusdam ... exsequiis) als Totenfackeln gedeutet werden. Weit weniger häufig benutzt Zeno den Begriff funus. Er bezeichnet damit die Vernichtung der Kinder Ijobs durch den Teufel 781 und in Verbindung mit dem Wort exsequiae das Martyrium des Arcadius.782 Das Adjektiv funereus begegnet eher allgemein auf den Tod bezogen.783 Anders als die drastischen und lauten Äußerungen der Trauer akzeptiert Zeno die Feier des Leichenbegängnisses als letzte Ehre, die einem Verstorbenen erwiesen wird.784 Darauf verweist die Formulierung crudi funeris in I 15,4, die einen Anklang an den Terminus iusta (funebria oder exsequiarum) zur Bezeichnung der gehörigen Feierlichkeiten 785 enthält.786 Über den Ablauf dieser Feierlichkeiten erfahren wir von Zeno wenig. 787 Die bereits behandelten Ausführungen Zenos zur Trauer beziehen sich direkt lediglich auf die nächsten (weiblichen) Verwandten eines Verstorbenen. Auf eine offizielle conclamatio kann nur aus dem Partizip conclamatum in I 2,14 geschlossen werden. Ob daran jedoch gemietetes Personal beteiligt war, bleibt offen. Das gleiche gilt für den Leichenzug; es ist zwar eine Trauergemeinde beteiligt,788 aus welchem Personenkreis sie sich zusammensetzte, kann aber auch nicht mit Eindeutigkeit gesagt werden. Er

781

I 15,4: „ut in illa unius funeris turba paternus dolor non sufficeret orbitati“. I 39,9: „exsequiis funeris ipse praecedit“. 783 I 2,17: funereae faces; I 39,2: funereum rogum; I 47: funereus luctus; II 2,7: funereus ambitus. Es ist weniger negativ gefärbt als funestus; vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 142. 784 Indirekt folgt er damit der Vorstellung von den zum Umherirren verurteilten Seelen der Nicht-Bestatteten, wie sie v. a. aus VERG. Aen. 6,325–328 (237 Mynors) bekannt ist. Diese Stelle wird etwa von AUG. cur. mort. 2,3 (CSEL 41,624,9–15 Zycha) ausdrücklich verworfen, s. auch P. COURCELLE, Lecteurs païens et lecteurs chrétiens de l’Enéide, Bd. I, Mémoires de l’Institut de France, Académie des Inscriptions et BellesLettres N. S. 4,1, Paris 1984, 435.713f., während Zeno keine Hemmungen hat, eine Reminiszenz aus VERG. Aen. 6,371 mit einer Anspielung auf diese Vergil-Stelle zu verknüpfen; s. I 2,3: „puto animas nostras … pro qualitate factorum quasdam locis poenalibus relegari, quasdam placidis sedibus refoveri“(Unterstreichung = Vergilzitat). 785 S. H. MENGE, Großwörterbuch, 417; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 505. 786 Vgl. auch II 1,12: „abiecta cadavera intecta inhumataque esse non patitur [iustitia]“. 787 Aus verschiedenen Quellen lassen sich einzelne Elemente zusammentragen; vgl. C. VOGEL, Environnement, 389f., und W. GESSEL, Bestattung und Todesverständnis in der Alten Kirche. Ein Überblick, in: Im Angesicht des Todes. Ein interdisziplinäres Kompendium, Bd. I, hg. v. H. Becker, B. Einig u. P. O. Ullrich, St. Ottilien 1987, 535– 568, hier: 546–550. Zu den aus Zeno rekonstruierbaren Elementen im Folgenden. 788 Auf eine solche ist aus dem Terminus exsequiae zu schließen. 782

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muss jedoch über den der Verwandten und Freunde hinausgegangen sein.789 Die Trauergemeinde kam in einer gottesdienstlichen Feier (solemnia divina) zusammen, in welcher der Klerus den Verstorbenen Gott anempfahl (quibus a sacerdotibus dei quiescentes commendari consuerunt).790 Hierbei handelt es sich um eine eindeutig christliche Feier, worauf die Verwendung des Adjektivs divinus 791 und die Nennung christlicher Priester (sacerdotes dei) verweisen. Eine solche Feier muss in Zenos Gemeinde die Regel gewesen sein (consuerunt). Der Terminus consuerunt relativiert die Darstellung Gessels,792 wonach „im Verlauf des 4. Jahrhunderts sich einzelne Bischöfe allmählich der Leichenfeier annahmen“,793 insgesamt das „privat-familiäre Handeln“ aber erst spät, seit Dionysius Aeropagita durch eine „kirchliche Leichenfeier“ ersetzt wurde.794. Dagegen findet der zenonische Befund Bestätigung, auch in anderen Quellen, 795 insbesondere für Rom; auch Augustin betont im Kontext der Bestattung seiner Mutter die römische Gewohnheit (illic fieri solet), ein ‚Opfer‘ anlässlich der Bestattung zu feiern.796

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I 2,14: „miserandis affatibus in uberiores fletus incendit etiam eos, quos causa non tangit“. Weniger eindeutig, aber dennoch möglicherweise auf Trauergäste bezogen ist die Formulierung ebd.: „Non deest enim qui dicere possit: ,Si est resurrectio, quare plangis? ...‘ “. 790 I 2,14. – Zu den möglichen Inhalten einer Anempfehlung des Toten vgl. B. B OTTE, Les plus anciennes formules de prière pour les morts, in: La maladie et la mort du chrétien dans la liturgie. Conférences Saint-Serge. XXIe semaine d’études liturgiques, Paris 1 er – 4 e juillet 1974, Rom 1975, 83–99, und D. SICARD, La liturgie de la mort dans l’église latine des origines à la reforme carolingienne, LWQF 63, Münster 1978, v. a. 79.279f. 791 Zur christlichen Exklusivität des Gebrauches von divinus s. u. S. 227, Anm. 19. 792 W. GESSEL, Bestattung, 537–552. 793 Ebd., 545. Auch wenn W. GESSEL, ebd., fortfährt „und eine Eucharistiefeier beim Todesfall da und dort üblich wurde“, sagt Zeno, dass sie bereits zu seiner Zeit üblich ist. 794 Ebd., 552. 795 S. L. KOEP U. A., Bestattung, 216, nennt als älteste Quelle E US. v. C. 4,71,1 (GCS 1,1,149,21–23 Winkelmann); dort heißt es anlässlich der Bestattung des Konstantius Chlorus: „Åðår ä ›ðå÷þñåé ó˜í ôïsò óôñáôéùôéêïsò ôÜãìáóé, ìÝóïé ä ðáñ„åóáí ”é ôï™ èåï™ ëåéôïñãïr ó˜í ášôïsò ðëÞèåóé ðáíäÞv ôå èåïóåâåßáò ëá² ôÜ ôå ôyò díèÝï ëáôñåßáò äé åš÷§í PðåðëÞñïí“; als weitere, jedoch spätere Belege führt er an Possid. vita Aug. 31 und Dion. Ar. e. h. 7,2. Zu letzterem auch W. GESSEL, Bestattung, 550–552. 796 AUG. conf. 9,12,32 (CChr.SL 27,151,43–46 Verheijen): „Nam neque in eis precibus, quas tibi fundimus, cum offeretur pro ea sacrificium pretii nostri iam iuxta sepulchrum posito cadavere, priusquam deponeretur, sicut illic fieri solet, nec in eis ergo precibus flevi …“; W. GESSEL, Bestattung, 549, räumt hier eine „Eucharistiefeier für die Verstorbene“ ein. V. SAXER, Morti, 2304, hält dies für eine „usanza … che non è attestata in altri casi“. Dies kann lediglich insofern zutreffen, als Zeno keine Auskunft darüber gibt, wo die Feier für den Verstorbenen stattfindet.

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Denkbar wäre für die Zenostelle auch, dass es sich bei der erwähnten Feier um einen Gottesdienst während der neuntägigen Trauerzeit handelt. 797 Anhand des Textes kann diese Frage nicht entschieden werden. So oder so belegt jedoch diese Stelle eine schnelle Klerikalisierung des privaten Brauchtums in Verona.

Für den Leichenzug kann geschlossen werden, dass auch von Christen weiterhin Totenfackeln mitgeführt wurden. Zeno sagt dies zwar nicht ausdrücklich. Die Erwähnung von Totenfackeln ohne negative, auf das Heidentum verweisende Charakterisierung, eher noch positiv hervorgehoben durch solemnitas in I 2,17, legt dies jedoch nahe.798 Schließlich kann den Traktaten noch ein Hinweis auf den Usus von Totenmählern entnommen werden, die jedoch Zenos Missbilligung erfahren. In I 25,11 spricht Zeno vom Missfallen Gottes an den Christen, „qui foetorosis prandia cadaveribus sacrificant mortuorum“. Die genannten prandia sind wahrscheinlich nicht mit denen an den noch zu behandelnden parentalia identisch; eher dürfte das in der Aufzählung zu tadelnder Verhaltensweisen darüber hinaus erwähnte ‚Kreieren von Märtyrern mit Schalen und Bechern‘ 799 auf die parentalia bezogen sein. Bei den prandia könnte es sich vielmehr um eine Anspielung auf die im Heidentum üblichen Leichenmähler im Anschluss an die Bestattung (silicernium) handeln, zumal ausdrücklich von Leichnamen (cadavera) die Rede ist, ein Terminus, der schon bei der Beschreibung der Trauer begegnete. 800 Das Adjektiv foeterosus könnte als Hinweis darauf gedeutet werden, dass das Mahl erst nach Abschluss der neuntägigen Trauer stattfand. Der Grund für die Ablehnung dieser Form der Mähler wird klar durch das Verb sacrificant. Obwohl das silicernium kein eigentliches Opfer war,801 führte die Tendenz einer verallgemeinernden Heroisierung der Toten in der Spätantike zu einer Vermengung von Totenopfer am Grab, das ursprünglich ganz verbrannt wurde, 802 und Leichenmahl.803 Jede 797

Vgl. V. SAXER, Morti, 2305. I 2,17: „Stellae praecipites labuntur e caelo et a tergo longo flammarum albescentium tractu funereae facis solemnitate in occasus suos quasi quibusdam deducuntur exsequiis“. 799 I 25,11: „qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus subito sibi martyres pepererunt“. Die hier anschließenden Glieder der Aufzählung liegen auch inhaltlich sehr nahe beieinander, meinen aber, wie oben S. 180–199 (Divination und Observation) bereits gezeigt werden konnte, unterschiedliche Formen der Mantik. Insofern ist auch für den Totenkult zu schließen, dass hier zwei unterschiedliche Praktiken nebeneinander gestellt sind. 800 I 2,13.14. 801 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 392. 802 Am Grab wurde ein porcus dargebracht, unbekannt ist aber, wem dieses Opfer galt. Erst durch dieses Opfer wurde das Grab jedoch locus religiosus, s. J. M. C. T OYNBEE , Death, 50. Es ist zu unterscheiden von weiteren Opfern an Ceres und an den Lar familiaris. Sie dienten der Entsühnung, so K. LATTE, Religionsgeschichte, 101f. 798

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Form von Opfer musste jedoch vom Christentum als deutlich heidnisches Spezifikum verworfen werden, zumal die Riten des ‚Totenkultes‘ sich in der Form nicht von denen sonstiger Opfer unterschieden, wenn sie auch terminologisch von den übrigen Opfern als sacrificia humana abgegrenzt wurden.804

Offen bleibt, ob das Leichenmahl zu Hause auch das Missfallen Zenos erregte. Die Vermengung mit dem Totenopfer war an einem profanen Ort nicht so leicht gegeben. d) parentalia Außer zur Grabpflege besuchte man in der Antike das Grab des Verstorbenen v. a. am dritten, siebten bzw. neunten, dreißigsten bzw. vierzigsten Tag nach dem Tod sowie an den Jahrestagen. Von der cena novemdialis ist bekannt, dass eine Libation an die Manen vorgenommen und für den Toten selbst Speisen am Grab gelassen wurden. 805 Aber auch am Geburtstag des Verstorbenen (dies natalicius) 806 und an den Jahrestagen erneuerte man das Totenmahl.807 Aus Inschriften weiß man, dass neben Brot, Wein, Salz, Trauben, Kuchen, Wurst und Früchten auch Weihrauch und Blumen, insbesondere Rosen und Veilchen, bzw. Kränze dargebracht wurden. 808 Die Bedeutung, die den Totenmählern zukam, kann den zahlreichen bildlichen Darstellungen derselben entnommen werden. 809 Ihr Sinn bestand scheinbar zum einen darin, die Toten im Jenseits zu ernähren, zum anderen, die Verbindung zwischen Lebenden und Verstorbenen aufrecht zu erhalten, sie hatten also eine nicht zu unterschätzende soziale Bedeutung. 810 Häufig waren die Gräber 803

S. L. KOEP U. A., Bestattung, 207. S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 392. 805 S. J. M. C. T OYNBEE, Death, 51. 806 Aus dem sich im Christentum das Gedenken am so genannten dies natalis (antik dies natalicius; vgl. I 2,21: „[est] mors natalicius dies“), dem Sterbetag zunächst der Märtyrer, dann aller Verstorbenen, als Tag der ,eigentlichen Geburt‘ entwickelte; s. V. SAXER, Morti, 2305; auch ders., Art. Natale (dies natalis), DPAC II, 1983, 2346; vgl. SEN. epist. 102,26 (386 Préchac / Rosenbach): „aeterni natalis“! 807 S. J. M. C. T OYNBEE, Death, 51.63; vgl. auch L. KOEP U. A., Bestattung, 218; V. SAXER, Morti, 2305. 808 S. J. M. C. T OYNBEE, Death, 62. Ob sich die Liste der Speisen bei V. SAXER, Morti, 2305, nämlich Brot, Fisch, Wein, Wasser, Milch und Getreidebrei, ausschließlich auf christliche oder auch auf heidnische Mähler bezieht, ist uneindeutig. Scheinbar nennt Saxer die in der christlichen Katakombenmalerei dargestellten Elemente; vgl. ebd., 2305f. 809 S. J. M. C. T OYNBEE, Death, 62; ein ausführlicher Katalog christlicher wie heidnischer Bankett-Darstellungen in der Sepulkral-Kunst bei E. J ASTRZEBOWSKA, Les scènes de banquet dans les peintures et sculptures chrétiennes des IIIe et IVe siècles, RechAug 14, 1979, 3–90, hier: 3–60, mit Interpretation, ebd., 60–90, s. v. a. 71: „Elles [sc. les scènes de banquet] peuvent être réalistes (repas effective familial ou collégial) ou représenter symboliquement le type stéréotypé du banquet funéraire, où le nombre de sept convives est conventionel. Ces deux formules iconographiques illustrent le même rite du culte des morts, rite concret et activité importante de la vie quotidienne“. 810 So V. SAXER, Morti, 2306; vgl. auch J. M. C. T OYNBEE, Death, 62, und P.-A. FÉVRIER, Kult und Geselligkeit. Überlegungen zum Totenmahl, in: Christentum und 804

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mit entsprechendem Inventar ausgestattet 811 und besaßen im Vestibul regelrechte Speisezimmer.812 Von der Feier der individuellen Gedächtnistage sind die offiziellen parentalia zu unterscheiden, die von der gesamten Bevölkerung am alten Jahresende, vom 13. bis 21. Februar, begangen wurden. Nur der letzte Tag war für staatliche Zeremonien reserviert, die übrigen Tage galten dem privaten Kult an den Gräbern. Man brachte den divi parentum ausschließlich unblutige Opfer dar in Form von Brot, Salz, Wein und Kränzen. 813 Sowohl die privaten wie die offiziellen Totenfeiern fanden Eingang in das Christentum.814 Man praktizierte die Gebräuche der Umwelt weiter. Erst nach und nach, da Verbote seitens der Bischöfe sich nicht durchsetzen konnten, wurden die Elemente der Feiern christianisiert, so dass schließlich mit den christlichen Gedächtnisfeiern, insbesondere für die Märtyrer, eine Eucharistiefeier und ein Gedächtnismahl verbunden waren. 815 Zahlreiche Termini dienen der Bezeichnung heidnischer wie christlicher Totenmähler;816 die häufigsten sind convivium, das an sich jede Tischgesellschaft bezeichnen kann, 817 und refrigerium, das eigentlich eine ‚Erfrischung‘ oder allgemeiner ‚Labung‘ meint,

antike Gesellschaft, hg. v. J. Martin u. B. Quint, Darmstadt 1990, 358–390. Sie wurden sekundär scheinbar Mittel der Armenspeisung (vgl. V. SAXER, Morti, 2306; auch J. M. C. T OYNBEE, Death, 51), und dies nicht erst christlich (diesen Eindruck erweckt P.A. FÉVRIER, Kult, 386f.). – Im Folgenden wird sich jedoch erweisen, dass Zeno noch nicht in der Lage war, diese soziale Komponente für seine Gemeinde zu adaptieren. 811 Gedacht ist hier an Feuerstellen für die Zubereitung der Speisen und Libationsröhren, um sie den Toten direkt zukommen zu lassen; s. J. M. C. T OYNBEE, Death, 51. Die Opfer wurden auf einem Altar oder dem Grab selbst dargebracht; s. E. J ASTRZEBOWSKA, Untersuchungen zum christlichen Totenmahl aufgrund der Monumente des 3. und 4. Jahrhunderts unter der Basilika des Hl. Sebastian in Rom, EHS.A 2, Frankfurt am Main / Bern / Cirencester 1981, 180. 812 S. J. M. C. T OYNBEE, Death, 136; auch A.-G. HAMMAN, Art. Refrigerium, DPAC II, 1983, 2977f, hier: 2978; er führt Zeno I 25,11 als Beleg für die cellae in Form von Hypogäen an. Es ist nicht eindeutig, ob er sich bloß auf sepulcra oder auf infamibus locis bezieht. Beides scheint mir jedoch nicht als Beleg für spezifische Speiseräume in Gräbern auszureichen. Belegt werden kann lediglich der Usus von Totenmählern. 813 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 98; J. M. C. T OYNBEE, Death, 63f.; V. SAXER, Morti, 2305. – Von anderer Qualität sind die lemuria am 9., 11. und 13. Mai, die die Mitglieder der Familie vor Gespenstern schützen sollen, welche erst seit Ovid im Sprachgebrauch mit den manes paterni identifiziert wurden; s. K. LATTE, Religionsgeschichte, 99; J. M. C. T OYNBEE, Death, 64. 814 S. C. VOGEL, Environnement, 396; ausführlich zur Rezeption und Ablehnung E. FREISTEDT, Altchristliche Totengedächtnistage und ihre Beziehung zum Jenseitsglauben und Totenkultus der Antike, LQF 24, Münster 1928. 815 S. V. SAXER, Morti, 2303.2305; A.-G. HAMMAN, Refrigerium, 2978; C. VOGEL, Environnement, 400.403f., v. a. 404, Anm. 61, mit ausdrücklicher Erwähnung Zenos. 816 S. V. SAXER, Morti, 2305. 817 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1673f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 176.

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dann auch auf das Jenseits bezogen, schließlich aber geradezu zum Terminus technicus für das Gedächtnismahl wird.818

Beide Termini begegnen bei Zeno im Sinne von ‚Totenmahl‘ nicht. 819 Er verwendet stattdessen zum einen den Begriff prandium,820 das ganz allgemein eine Mahlzeit bezeichnet,821 zum anderen den Terminus parentalia,822 mit dem sowohl die Totenfeier als Ganzes als auch das Totenopfer oder das Mahl als Teil der Feier bezeichnet werden kann. 823 Insgesamt spricht Zeno an drei Stellen vom Totengedächtnis im weitesten Sinn. Ausdrücklich und ausschließlich auf das Heidentum bezogen und ohne einen eigentlichen Terminus für eine Gedächtnisfeier zu nennen ist seine Rede in I 2,3. Kontext ist auch hier der Auferstehungsglaube, für den Zeno als Argument das Verhalten der Heiden anführt. Denn: „ac sic fidem rei quam reprobant faciunt.“ 824 Zeno erweckt den Eindruck, dass das Verhalten der Heiden widersinnig sei. Für ihn scheinen Jenseitsglaube und Auferstehungsglaube identisch. Er hat zwar Recht, wenn er behauptet, dass die Heiden die vorher von ihm beschriebene Auferstehung nicht kennen, sie kennen aber durchaus einen Aufenthaltsort der Seelen nach dem Tod. Seine Verallgemeinerung „quae ista non credunt“ 825 und die Unterstellung „quos [sc. mortuos] in quiete tacitae noctis agnoverint“ 826 sind also inkorrekt, da ista als Pluralwort sich auch auf seine Ausführungen zu den zuvor von ihm angeführten loca poenalia und placidae sedes beziehen muss.827 Was an dieser Stelle jedoch interessiert, ist das von ihm beschriebene Verhalten der Heiden: „cum libamine infausto ad sepulcra concurrunt et a mortuis ... expeti a se aliquotiens alimenta contendunt“. 828 Concurrere 829 verweist darauf, dass sich eine Gruppe am Grab traf, vermutlich die Verwandschaft und der Freundeskreis des jeweiligen Verstorbenen. 818

S. A.-G. HAMMAN, Refrigerium, 2977f.; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2272; A. B LAISE, Dictionnaire, 705f. 819 Auch feralia als Terminus für den offiziellen Tag der Parentalien und inferiae als Begriff für das Totenopfer begegnen in den zenonischen Traktaten nicht. Schon das legt die Hypothese nahe, dass Zeno nicht mit einem offiziellen Totenkult zu kämpfen hat, sondern mit dem privaten Brauch des Totengedenkens. 820 I 25,11. 821 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1906; H. MENGE, Großwörterbuch, 596. Vgl. zur profanen Bedeutung auch I 24,1.4; II 2,5; II 18,1. 822 I 1,12. 823 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1476; H. MENGE, Großwörterbuch, 540; A. B LAISE, Dictionnaire, 594. 824 I 2,3. 825 I 2,3. 826 Ebd. 827 Zum Jenseitsglauben s. u. S. 316f. 828 I 2,3. 829 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1413–1415.

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Darüber hinaus erfahren wir, dass zum einen geopfert wird (libamine 830), zum anderen den Toten Speisen gespendet werden (alimenta), welche, wird jedoch nicht gesagt. Ob beides, Opfer und Totenspeisung, genau zu differenzieren ist, geht aus dieser Stelle nicht eindeutig hervor, ist aber aus der gesonderten Erwähnung und der ausdrücklichen Apostrophierung als libamen infaustum gegenüber den neutralen alimenta zu schließen. Wem das vermutliche Trankopfer gilt, wird ebenfalls nicht gesagt. Was diese Stelle für die Fragestellung nach christlichem Totenkult bedeutsam macht, ist die Tatsache, dass Zeno diese Form des Totengedächtnisses ausdrücklich als heidnisch ausweist. Das hat Konsequenzen für die beiden anderen Stellen. Ausdrücklich in Zusammenhang mit dem Heidentum gebracht werden die parentalia auch in I 1,12. Dort spricht Zeno über die Perversion, die der Totenkult durch den Einfluss der impudicitia erfährt. Durch sie werden die Grabanlagen zu Kultorten, die Gräber zu Altären, die Leichname bekommen die Qualität von Götterstandbildern, die parentalia die von Opfern, die private Frömmigkeitsausübung die von offiziellen kultischen Feiern.831 Klar wird aus dieser Stelle, dass Zeno das Totengedächtnis an sich nicht für etwas Typisches des heidnischen Kultes hält, sondern für einen privaten Brauch, der allerdings durch die Ausgestaltung quasi kultische Züge erhält, die wiederum zu verurteilen sind. Zu diesen kultischen Zügen gehört es, dass den Toten geopfert wird. Anders lässt sich die Formulierung convertit cadavera in simulacra nicht deuten, denn welche andere Verehrung sollte den Toten sonst entgegengebracht werden, die einer Verehrung von Götterbildern entspricht? Damit dürfte die oben angestellte Vermutung, dass Zeno zwischen Totenopfer und Gedächtnismahl unterscheidet, eine Bestätigung finden. Indirekte Informationen über die Ausgestaltung der Gedächtnisfeiern lassen sich zum einem aus dem Hinweis ableiten, der der Beschreibung vorangestellt ist – „ut sciat unusquisque ad idolatriam pertinere luxuriam“ –, zum anderen aus der angefügten Formulierung blanda festivitate. Es darf für das Totengedächtnis eine gewisse Schwelgerei und Verschwendung sowie eine Ausgelassenheit der Gesellschaft angenommen werden.832 Das, was bisher als typisch heidnisch dar830

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 631f. Es dürfte sich um eine bewusst anachronistische Darstellung Zenos handeln, denn der spätantike Totenkult war offensichtlich nicht mehr als bloße „usages populaires“. So schreibt V. SAXER, Morts, martyrs, reliques en Afrique chrétienne aux premiers siècles. Les témoignages de Tertullien, Cyprien et Augustin à la lumière de l’archéologie africaine, ThH 55, Paris 1980, 312: „Il est vrai qu’ils avaient alors perdu toute signification proprement religieuse: c’étaient les vestiges fossilisés d’un paganisme vidé de son esprit sinon de sa vie.“ 832 S. o. S. 145f. Vgl. dazu auch V. SAXER, Morti, 2305. 831

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gestellt wurde, wird offensichtlich aber auch von Christen praktiziert. Denn: Sic, sic genus humanum a dei cultura rapuit [sc. impudicitia].833 Schließlich nennt Zeno es in I 25,11 endgültig beim Namen: Zu den Christen, die Gott missfallen (und das bedeutet natürlich auch dem Bischof), gehören auch solche, die in irgendeiner Form einen ans Heidentum anknüpfenden oder daran erinnernden Totenkult feiern: „displicent deo, sed et illi, qui per sepulcra discurrunt, qui foetorosis prandia cadaveribus sacrificant mortuorum, qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus subito sibi martyres pepererunt“. In Anlehnung an die Heiden, die ad sepulcra concurrunt,834 spricht Zeno hier von Christen, die sich zwischen Gräbern zerstreuen – die also nicht wie die Heiden dort eine Gruppe bilden (con-currere), sondern sich von ihrer Gruppe, nämlich der um den Bischof gescharten Gemeinde, separieren (discurrere) 835 –, die dort vor den Leichnamen (bzw. faktisch doch wohl eher vor Porträt(-büsten) der Verstorbenen,836 welche dadurch in den Rang von simulacra gelangen 837) prandia opfern.838 Wie oben bereits angesprochen, kann nicht entschieden werden, ob Zeno hier die eigentlichen Totenmähler oder Gedächtnismähler meint.839 Bezeichnend ist, dass Zeno hier wiederum die Terminologie vom Opfern anbringt, obwohl dies an sich einem prandium nicht entspricht. In der Verwischung der Konturen von Mahl und Opfer scheint der eigentliche Grund für eine Ablehnung der Gedächtnismähler durch das Christentum zu liegen.840

833 I 1,12. – Eine dei cultura könnte in Abgrenzung von der Vielgötterei des Heidentums theoretisch auch den Juden zugesprochen werden, mit einer solch positiven Einschätzung ist angesichts der antijüdischen Polemik Zenos jedoch nicht zu rechnen. 834 I 2,3. 835 Vgl. die Differenzierung zwischen privatem Märtyrerkult und liturgisch-eucharistischem Gedenken durch die Gemeinde bei V. SAXER, Morts, 311, und auch die Erwähnung christlicher Gottesdienste für die Toten in I 2,14. 836 Vgl. E. J ASTRZEBOWSKA, Untersuchungen, 152, die Deutung von Konsolfriesen und Kathedren in Grabanlagen zum Zweck der Aufstellung von Büsten bzw. Porträts. Problematisch allerdings die Übersetzung von cadavera in diesem Sinn; vgl. ThesLL 4, 12–15, wo eine solche Bedeutung von cadaver, wie nicht anders zu erwarten, nicht belegt ist. Meint Zeno Büsten oder Porträts, sagt aber cadavera, um zynisch die Unsinnigkeit des Götterkultes aufzuzeigen? 837 I 1,12. 838 Vgl. ebd.: „convertit ... parentalia in sacrificia.“ 839 Für eigentliche Totenmähler spricht foeterosis cadaveribus, außerdem die anschließende Differenzierung. 840 Auch für Ambrosius scheint nach dem Bericht AUG. conf. 6,2,2 (CChr.SL 27,74,19f. Verheijen) der Grund für sein ausdrückliches Verbot der Gedächtnismähler in der Nähe zum heidnischen Kult gelegen zu haben: „quia illa quasi parentalia superstitioni gentilium essent simillima“.

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Außerdem beklagt Zeno Christen, „die aufgrund ihrer Liebe zu Schwelgerei und Trinkerei 841 sich mit Schalen und Bechern Märtyrer kreieren.“ 842 Hier geht es offenbar um Exzesse bei Gedächtnismählern im Zusammenhang mit dem Märtyrerkult. Diese Kritik, die bald von Ambrosius aufgegriffen wird und zu einem Verbot in ganz Italien führt, 843 begegnet für (Ober-)Italien erstmals in den zenonischen Traktaten. Zeno rügt an dieser ersten Form christianisierter Totenmähler 844 zunächst, dass die so verehrten Märtyrer nicht den ‚offiziellen‘ der Kirche entsprechen (pepererunt) und dass die Verehrung nicht an angemessenen Orten stattfindet (infamibus locis) – denkt er hier vielleicht an kirchliche Memorialbauten in Verona? 845 –, dass diese Feiern also nicht im Kontext der Gemeinde stattfinden. Anders als Augustin 846 bietet Zeno jedoch keinen kirchlichen Ersatz an. Die These Doignons, Zeno propagiere in I 24,1 die Feier der Eucharistie als Ersatz für das private Märtyrergedächtnis,847 findet im Text selbst keine Bestätigung. In I 24,1 wird keinerlei Bezug zum Totenkult hergestellt. Möglicherweise interpretiert Doignon die dortige Verknüpfung von spes immortalitatis, nativitatis festa und convivium auf den dies natalis eines Märtyrers bzw. Verstorbenen; er übersieht dabei jedoch, dass die Allegorie der nativitas in I 24,1 auf die Taufe abhebt.848 Das Resumée Doignons, „Mais au lieu de les attaquer de front [sc. les refrigeria], comme le fait Ambroise, Zénon invite ses fidèles à opérer, à leur sujet, un transfert ... Ainsi Zénon se refuse à briser des croyances auxquelles la sensibilité commune reste attachée, mais il s’efforce de les intégrer à une tradition authentiquement chrétienne.“ 849, führt daher in die Irre. Eben das leistet Zeno im Kontext des ‚Totenkultes‘ noch nicht!

An erster Stelle der zenonischen Kritik steht jedoch die Intention hinter solchen Gedächtnismählern: Es geht diesen Christen gar nicht um das To841

Vgl. I 1,12: luxuria. I 25,11: „qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus sibi martyres pepererunt“. – Vgl. dazu auch V. SAXER, Morti, 2305. 843 S. E. J ASTRZEBOWSKA, Untersuchungen, 212; dies., Scènes, 84f.; vgl. auch A. B IGELMAIR , Traktate, 182, Anm. 1. – In Afrika, für das der private Märtyrerkult besonders belegt ist, s. V. SAXER, Morts, 312 u. ö. (vgl. auch die Beschreibung in AUG. serm. (Denis) 13,4 (58f. Morin), die der zenonischen Darstellung sehr ähnlich ist) begegnete diese Kritik schon bei Tertullian und Cyprian, so V. SAXER, Art. Martirio II. Culto dei martiri, dei santi e delle reliquie, DPAC II, 1983, 2135–2140, hier: 2136; Augustin bemüht sich dann jedoch, den privaten Brauch durch offizielle kirchliche Feiern in andere Bahnen zu lenken und zu kontrollieren; s. E. J ASTRZEBOWSKA, Scènes, 85. 844 S. V. SAXER, Morts, 282. 845 Vgl. E. J ASTRZEBOWSKA, Untersuchungen, 205–216. 846 S. hier Anm. 843. 847 J. DOIGNON, Refrigerium et catechèse à Vérone au IVe siècle, in: Hommages à Marcel Renard, Bd. II, hg. v. J. Bibauw, Brüssel 1969, 220–239, hier: 221f. 848 S. u. S. 389–393. 849 J. DOIGNON, Refrigerium, 238. 842

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

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tengedächtnis, dieses wird lediglich als Anlass für Ausschweifungen vorgeschoben (amore luxuriandi atque bibendi).850 Und Ausschweifungen sind als Zeichen von impudicitia automatisch mit Idolatrie verbunden, wie Zeno ja in I 1,12 verallgemeinernd gesagt hatte: „ad exprimendam vim impudicitiae visa sunt necessaria, ut sciat unusquisque ad idolatriam pertinere luxuriam.“ VII. Resümee: Zenos Kenntnis des heidnischen Kultes Im Bereich der Theologia civilis zeigten sich historisch zuerst die Konfliktpotentiale zwischen Heidentum und Christentum; in diesem Bereich kehrt sich das Verhältnis nach dem ‚Sieg des Christentums‘ um: Der heidnische Kult ist permanentes Objekt christlicher Polemik, dem auch Zeno überaus breiten Platz einräumt. Der Veroneser Bischof setzt sich in allen Teilbereichen mit heidnischem Kult auseinander; bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, dass, anders als angesichts des Umfangs der Auseinandersetzung erwartet, seine Kenntnisse nicht bis in Details reichen oder aber sein Interesse nur speziellen Themen gilt. So interessiert ihn etwa die äußere Gestalt von Kultgebäuden im Allgemeinen nur am Rande; sie zeichnen sich durch Vergänglichkeit aus, seien sie heidnischer, jüdischer oder auch christlicher Provenienz. Entscheidender ist jedoch ihre Qualität, die an der Qualität der in ihnen Verehrten und Verehrenden hängt. Daher sind die nichtchristlichen Kultgebäude saecularia. Den heidnischen fana, die sowohl den Ort des heidnischen Kultes als auch den Kultausübenden bezeichnen, werden die christliche Kultgemeinde und die einzelnen Christen als viva und legitima templa und wirkliche sacraria gegenübergestellt. Hier werden drei methodische Schritte erkennbar, derer sich Zeno in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum bedient und die er, in Abfolge und Gestalt zwar variierend, doch in allen Bereichen zum Einsatz bringt: Zunächst wird der Versuch unternommen, das Objekt der Kritik zu entmythisieren; für die Kultgebäude bedeutet das, sie sind geschaffen und vergänglich (aedes, capitolia, saecularia). Diese Qualität gilt quasi neutral auch im christlichen Kontext; das bedeutet, entmythisierte Terminologien (templum) werden für den christlichen Bereich adaptierbar. Nicht Neutralisierbares, genuin Heidnisches (fana) hingegen muss verworfen werden. Die Auseinandersetzung gipfelt jedoch in einer das Christentum auszeich850 Vgl. auch AUG. conf. 6,2,2 (CChr.SL 27,74,1–25 Verheijen), wo er die Zurückhaltung seiner Mutter im Totenkult gegenüber den Gepflogenheiten anderer schildert; vgl. auch AUG. epist. 22,3.6 (CSEL 34,1,56f. Goldbacher). – J. DOIGNON, Refrigerium, 222f., verweist auf die mutmaßliche afrikanische Herkunft Zenos und seine möglicherweise darin begründete Sensibilität für das Problem. Das Problem war aber auch in Oberitalien etwa einem Ambrosius bekannt; s. S. 217, Anm. 840.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

nenden inhaltlichen Überbietung: Das heißt im Fall der Kultgebäude, die Qualität des Kultausübenden macht diesen selbst zum Wohnort Gottes (sacrarium). Die Funktion und Qualität von heidnischen Tempeln kann auch jeder andere Ort (loca infamia) annehmen, wenn dort für den Christen ungebührliches Verhalten anzutreffen ist. Dies gilt insbesondere für das Theater (theatrum) sowie für Grabanlagen (sepulcra und tumuli). Dabei steht in der zenonischen Polemik gegen Ersteres nicht so sehr sein kultischer Ursprung im Vordergrund als vielmehr die verwerfende Kritik an heidnischer Mythologie, die im Theater vermittelt wird. Die Helden der neuen und wahren Schauspiele (spectacula nova / vera) stellen demgegenüber für Christen die exempla der biblischen und nachbiblischen Märtyrer dar. Auch diese spectacula haben einen religiösen Kontext, denn sie dienen der Verherrlichung des wahren Gottes. An erster Stelle geht es Zeno hier jedoch, wie schon bemerkt, nicht um eine Einbindung in den Kult. Den Hintergrund seiner Mythenkritik bildet eine generellere Kulturkritik, da das veronesische Christentum offensichtlich stärker als durch wirklichen heidnischen Kult bedroht war durch eine Übernahme heidnisch-traditioneller Kulturgüter, denen Zeno bemüht ist, genuin Christliches überbietend gegenüberzustellen. Auch in der Auseinandersetzung mit den Kultobjekten, den Kultbildern, wendet Zeno seine Methode an: Obwohl die Standbilder leicht als unbelebt weil von Menschen geschaffen zu entmythisieren sind, übernimmt Zeno aus Gründen der Polemik die Vorstellung von der Identität von Götterbild (idolum / simulacrum) und Gottheit. Wie das Götterbild unbelebt ist, so ist für ihn auch der in ihm verehrte Gott unwirkmächtig; beide sind von daher figmenta. Umgekehrt ist der Mensch als Abbild Gottes ein das heidnische simulacrum überbietendes simulacrum sensibile atque intelligens. Auch in diesem ein Proprium des heidnischen Kultes thematisierenden Kontext begegnet jedoch keine eigentliche Kultkritik. Der Kult scheint nicht mehr von wirklich gefährdender Bedeutung zu sein; die gegen den Kult polemisierenden Aussagen beziehen sich weitgehend auf die Vergangenheit. Die Kritik an den Götterbildern dient vielmehr der Paränese gegen weltliche luxuria. Eine Verknüpfung wird hergestellt über das Laster der impudicitia, die Zeno als Verursacherin heidnischen Kultes darstellt. Sie ist Antrieb für die Verehrung und Nachahmung von Gestalten, die nach dem Mythos jede Form der Zügellosigkeit praktizierten. Deshalb kann sie als einzige Wirkmächtige unter den ansonsten leb- und machtlosen Göttern präsentiert werden. Damit deutet sich an, dass Zenos Kultkritik keine Relevanz für die gegenwärtige Kultpraxis hat; für Zeno ist es völlig irrelevant, ob es sich um einen vergangenen oder gegenwärtigen

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

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Kult handelt. Er dient ihm lediglich als Aufhänger einer die sittlichen Zustände anprangernden Kritik der heidnischen Gesellschaft. Der Befund zum Kultinstrumentarium bestätigt den Eindruck, der bei der Untersuchung der Polemik gegen die Kultbilder gewonnen wurde: Ein Kultinstumentarium ist in der Gegenwart der veronesischen Gemeinde kaum mehr wahrnehmbar; die zenonische Polemik nimmt offensichtlich Vergangenes zum Anlass für eine Kritik anderer Art. Auch das Kultpersonal wird von Zeno weitgehend vernachlässigt, hier schwingt jedoch ein leicht moralischer Unterton mit. Denn es gibt zum einen noch den praktizierenden Heiden, der, wenn auch nur in Einzelfällen, jeden Christen, der mit ihm in engeren Kontakt tritt (etwa als Ehefrau), gefährdet. Zum anderen kann der gute Ruf, den die heidnischen Vestalinnen (oder vergleichbare weibliche flamines in der Umgebung Veronas) genießen, als ein Ansporn zu überbietender Leistung für die Christen dienen. Das abstrakte Vokabular zur Beschreibung des Kultes (cultus, servitus, ritus) zeichnet sich dadurch aus, dass es an sich neutral ist, erst der Kontext oder polemisierende Attribute ordnen es dem Heidentum zu. Einzig ritus ist von vornherein dem heidnischen Bereich vorbehalten, es bezeichnet kultische Praktiken, gegen die Zeno auch im Konkreten stark polemisiert, während adorare und venerari weitgehend der Bezeichnung der Verehrung Christi vorbehalten bleiben. Über kultische Inhalte erfährt man im Zusammenhang mit dem abstrakten Vokabular nichts. Die Funktion seiner Verwendung erschöpft sich in allgemein gehaltener Polemik. Dies gilt insbesondere auch für die Terminologie mores et actus [deorum] imitari. Die Vermutung liegt nahe, dass Zeno hier nicht nur an kultische Nachahmung, sondern an den Vorbildcharakter der Göttergestalten des Mythos denkt. Die gleichsam säkularisierte Mythologie bedeutete nach Einschätzung Zenos offensichtlich eine größere Gefahr für das junge Christentum als der deutlich als verwerflich erkennbare heidnische Kult. Was für die abstrakte Kult-Terminologie gilt, gilt auch weitestgehend für die Opfer-Terminologie. Dem heidnischen sacrificium corporale wird das christliche sacrificium spiritale gegenübergestellt. Dieses ist selbstverständlich das einzig angemessene (legitimum), da auch der opfernde Christ als einziger legitimus ac devotus cultor ist. Ganz anders verhält es sich mit dem übergeordneten Begriff sacra zur Bezeichnug der das Opfer rahmenden Feier; dieser Terminus bleibt auf den paganen Bereich beschränkt. Zur Bezeichnug christlicher Feiern greift Zeno auf den Terminus mysterium zurück, der wiederum erst durch den Kontext einer Religionsgemeinschaft zugeordnet wird. Allen Begriffen der Opfer-Terminologie ist jedoch gemeinsam, dass auch sie keinerlei Auskunft über Inhalte oder Gestalt kultischer Handlungen geben, sondern vielmehr einer generalisierenden polemischen Gegenüberstellung von verwerflichem heidnischem

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

(und z. T. auch jüdischem) Kult und dem einzig angemessenen und wahren christlichen Kult dienen. Zeno kennt zwar einzelne kultische Handlungen, so das Schlachtopfer (immolatio), die Weihrauchspende (tura concremare) und das Trankopfer (libamina profundere). Konkreteres erfährt man jedoch auch in diesen Zusammenhängen nicht. Die Aussagen beziehen sich vielfach auf die Vergangenheit oder wollen, indem sie Negatives zum heidnischen Kult vorbringen, das Positive des christlichen Kultes herausstellen. Zeno will die heidnischen Opfer nicht beschreiben, er will sie entwerten, um demgegenüber das christliche Opfer aufzuwerten. Dazu dient ihm als polemisch-entmythisierendes Element v. a. wieder die Materialität des heidnischen Opfers, die sich in Feuer, Rauch, Blutigkeit und auch materiellem Wert der Opfergabe äußert. Sofern die Rituale jedoch konkret Gefahr laufen, aus dem ursprünglichen Kontext herausgenommen in irgendeinerweise auch von Christen angewandt zu werden, wie etwa die Libation, werden sie scharf attackiert. Die Polemik gegenüber dem heidnischen Gebet (preces, votum) richtet sich nicht gegen eine Kommunikation mit der Gottheit an sich, vielmehr versteckt sich hinter den Angriffen auf heidnisches Beten wiederum eine Polemik gegen die heidnischen Götter als Adressaten sowie gegen die Beter selbst. Letzteren wird dementia unterstellt, da mit einer Wirksamkeit des Gebetes kaum zu rechnen ist angesichts der Leblosigkeit und damit der Unwirkmächtigkeit der heidnischen Götter. Das votum, von dem im Besonderen eine erfahrbare Wirkung erhofft wurde, scheint als Relikt auch in christlichen Kreisen weiterpraktiziert zu werden. Daher sieht Zeno sich hier gezwungen, es schärfer anzugreifen, es ist illicitum und sacrilegium. Der Christ verpflichtet nicht eine Gottheit durch einzelne Handlungen, sondern erwirkt sich die ‚Gegenleistung‘ des wahren Gottes durch eine grundsätzliche Einstellung und ein dementsprechendes Verhalten. Detailreiches Wissen zeigt Zeno in seiner Polemik gegen divinatorische und observatorische Praktiken. Er kennt Haruspizin, Augurium, Orakelbefragung und Tagwählerei. All diese Praktiken haben ihren Grund in der ursprünglichen Angst der Menschen vor dem Wirken von Naturgewalten und daraus resultierender Suche nach Sicherheit. Der Grund für die Ausführlichkeit, mit der Zeno dieses Thema behandelt, liegt klar auf der Hand: Er attackiert hier private Bräuche, die, gerade weil nicht zum offiziellen Kult gehörig und tiefgründige Ängste des Menschen ansprechend, auch in weiten christlichen Kreisen praktiziert werden. Die Paränese zwingt ihn zu solcher Ausführlichkeit. Indem er die mantischen Praktiken ins Lächerliche zieht, stellt er deutlich ihre Leistungsfähigkeit in Frage. Der Grund für diese Entmythisierung liegt v. a. darin, dass dem Christen etwas anderes als weltliches Wohlergehen in Aussicht steht; er sollte sich

B. Theologia civilis – heidnischer Kult

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seiner salus im Sinne persönlichen Heils aufgrund von Erlösung bewusst sein. An die Stelle unreflektierter Angst hat der Christ die Gottesfurcht als willentlichen Akt zu setzen. Der Wille Gottes aber artikuliert sich in der Schrift, die insofern hier eine deutlich überbietende Ersatzfunktion zugewiesen bekommt. Ähnlich wie die Naturgewalten bewirkt auch der Tod eine Angst, die Zeno als Pietät in Form von Ehrfurcht vor den Toten gelten lässt, aber selbst diese kann christlich in der Gottesfurcht überboten werden. Anders verhält es sich mit Äußerungen der Trauer, die in den drastischen antiken Ausdrucksformen offensichtlich ins Christentum übernommen wurden, und erst recht mit an den Kultus erinnernden Bräuchen des Totengedenkens. Der Tod hat durch die erlösende Auferstehung Christi seine Macht verloren; ein die Macht des Todes in Betracht ziehendes Verhalten hat im Christentum daher keinen Platz mehr. Trost gewinnt der Christ wiederum aus biblischen Beispielen, die das Heilswirken Gottes an Verstorbenen erweisen. Einzig das Leichenbegängnis akzeptiert Zeno als die letzte Ehre, die einem Toten erwiesen wird. Es wird christlich verbrämt von einer gottesdienstlichen Feier, die in Verona die Regel war und ein Zeichen schneller Klerikalisierung privaten Brauchtums ist. Ein anschließendes Leichenmahl ist abzulehnen, vermutlich aufgrund seiner Nähe zum heidnischen Totenopfer; Ähnliches gilt für Gedächtnismähler, ganz besonders natürlich für tatsächliche Totenopfer. All dies ist genuin heidnisch, die Nähe zum tatsächlichen heidnischen Kult verbietet eine irgendwie geartete Adaption. Die veronesische Gemeinde praktiziert aus diesem Grunde auch noch keinen eben daran anknüpfenden Märtyrerkult. Resümierend kann gesagt werden, dass Zeno mit seiner Polemik im Bereich der Theologia civilis nicht den offiziellen römischen Kult als Objekt der Kritik anzielt, sondern vielmehr das, was sich in isolierter oder säkularisierter Form in die spätantike Kultur (als das, was man pflegt) hinübergerettet hat. Ein in diesem Sinne gewissermaßen ‚passives‘ Heidentum gefährdet aufgrund der ursprünglich aus dem paganen Kult im weitesten Sinne hervorgegangenen kulturellen Traditionen, die es pflegt, die mit eben diesen Traditionen nach wie vor vertrauten Christen mehr als jeder real praktizierte Kult. Daher richtet sich Zenos Abwehr zum einen auf weiterhin praktizierte, mit dem Christentum nicht zu vereinbarende private Bräuche. Diese scheinen sich hartnäckig gehalten zu haben, v. a. in unreflektierter Form, was an der Schärfe der polemischen Entmythisierungsbemühungen Zenos abzulesen ist. Zum anderen trachtet Zeno, jedoch weniger scharf, weil für die Praxis offensichtlich nicht von vergleichbarer Relevanz, nach einem Simplifizieren und Lächerlich-Machen eher abstrakter religiöser Vorstellungen, um antithetisch damit christliches Gedanken-

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

gut aufzuwerten, es als das Bessere an die Stelle traditioneller Vorstellungen zu setzen. Die Polemik gegen die Äußerungen des Heidentums in Kult und Bräuchen im Verbund mit der Paränese verfolgt so v. a. das Ziel, eine Opposition zwischen Heidentum und Christentum zu erzeugen, die eine Abgrenzung einerseits ermöglicht und andererseits dann auch notwendig erscheinen lässt. Die Polemik gegen heidnischen Kult und heidnisches Brauchtum hat – unabhängig von der auf diesem Hintergrund obsoleten Frage nach Vergangenheit oder Gegenwart des Attackierten – für die Hörer die Funktion einer Art ‚negativen Dogmatik‘ und in der Konsequenz v. a. ‚negativen Ethik‘: Das Heidentum repräsentiert in Kult und Brauchtum das, was ein Christ nicht tun soll, weil es von Konstrukten ausgeht, die ein Christ nicht glauben soll. Idolatria ist – ohne dass der heutige Leser erfährt, wie sie sich konkret gestaltet, die Hörer Zenos verbinden offensichtlich noch eine Vorstellung damit – ein Sammelbegriff für inhaltlich unsinniges und ethisch verwerfliches Tun.

C. Theologia mythica – Götter, Gestalten, Orte

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C. Theologia mythica – Götter, mythologische Gestalten und der Ort ihrer Darstellung Im Mythos und seiner Verbreitung durch das Theater sowie in Literatur und bildender Kunst konkretisiert sich in der heidnischen Antike die Theologia mythica, die Rede von den Göttern. Deshalb wird die Frage nach der zenonischen Einordnung und Bewertung der Götter als Gesamtheit, einzelner konkreter Götter und ihrer Verehrung sowie anderer mythologischer Gestalten zusammen mit dem Verhältnis Zenos zu vorchristlicher Literatur und bildender Kunst diesem Bereich heidnischer Kultur zugeordnet.1 I. Die Götter Im Folgenden sollen die Traktate auf explizite oder implizite Hinweise untersucht werden, die eine Kenntnis Zenos heidnischer Gottheiten belegen. Ob es sich dabei um generelle Aussagen zum Heidentum handelt, um Kenntnisse über Kulte, die (in Verona) nicht mehr gepflegt werden, oder ob Angaben gemacht werden zu noch in Verona und damit in Zenos Gemeinde aktiven Kulten, wird im Einzelfall zu entscheiden sein. Zunächst ist zu klären, welcher Begriffe sich Zeno bedient, um generell Gottheiten zu benennen, um sie gegebenenfalls vom christlichen Gott abzuheben und sie ihm gegenüberzustellen. 1. deus, dea, dii Der Terminus deus wird von Zeno in unterschiedlichen Kasus, im Pural durchgängig in der Form dii, insgesamt 482-mal benutzt. Eindeutig auf heidnische Gottheiten bezogen sind davon zwei feminine Formen 2 – einmal wird eine tatsächlich verehrte Gottheit, nämlich Kybele, dea genannt, das zweite Mal nennt Zeno das Abstraktum impudicitia abschätzig dea. Von den 13 Pluralformen meinen nur elf heidnische Gottheiten, 3 auch solche, die frevelhafterweise von den Juden verehrt werden. 4 Zeno selbst hält die Bezeichnung dii aufgrund des Plurals vermutlich für eindeutig. Nur in Schriftzitaten, die er anführt, werden die heidnischen Gottheiten noch nä-

1 Auf eine erneute Behandlung des Theaters als Ort der Darstellung des Mythos durch Zeno wird hier verzichtet; vgl. o. S. 103–116. 2 I 3,2; I 1,8. 3 I 1,11; I 4,10; I 14,4; I 25,4; I 25,5 (2x); I 25,9; I 37,3; II 7,16; II 7,18 (2x). Zu den beiden anderen, nicht auf heidnische Götter bezogenen Puralformen s. hier Anm. 9f. 4 I 4,10.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

her gekennzeichnet. So werden dort die dii dem dominus gegenübergestellt 5 oder aber genauer als alieni dii 6 bzw. dii gentium 7 bezeichnet. Dass Zeno selbst auf solche Epitheta verzichtet, während sie in den von ihm herangezogenen alttestamentlichen Zitaten gängig sind, lässt erkennen, dass für ihn nicht mehr ein nur qualitativer Unterschied zwischen ‚den Göttern‘ und ‚Gott‘ besteht, so dass sie einander gegenübergestellt werden können, sondern vielmehr ein inhaltlicher, so dass eine Unterscheidung sprachlich über die Differenzierung durch den Numerus hinaus gar nicht mehr ausgedrückt werden muss.8 Die beiden übrigen Pluralformen von dii bezeichnen zum einen Menschen, die sich in Überheblichkeit selbst wie Götter gebärden, 9 – ihnen kommt damit die gleiche Einschätzung wie den heidnischen Gottheiten zu –, zum anderen Engel, die als Wesen zwischen Gott und den Menschen stehen. Hier zitiert Zeno Ps 81,6f. Er selbst meint aber, dass es sich auch bei den Engeln um Menschen handle.10 Eine solche biblische Ausweitung des Terminus dii kann Zeno hinnehmen aufgrund des inhaltlichen Unterschieds zwischen dii und deus. Dieser inhaltliche Unterschied äußert sich weiterhin darin, dass gegenüber der Vielheit der heidnischen Götter, die sich im Terminus dii eindeutig zeigt, darüber hinaus aber keiner weiteren ausdrücklichen Kritik durch Zeno unterzogen wird,11 der Singular deus fast ausschließlich der Benennung des christlichen Gottes vorbehalten bleibt. Aus der 467-maligen Verwendung können nur fünf Stellen angeführt werden, an denen deus nicht den Christengott meinen kann.12 An zwei dieser Stellen handelt es sich wiederum um alttestamentliche Zitate, in denen ein deus alienus ge-

5 Ex 22,20 in I 25,5. – In dem ebd. vorangehenden Zitat von Dt 32,17 als daemonia dem deus gegenübergestellt. Vgl. u. 227–235. 6 Jr 25,6 in I 25,4. 7 Ps 95,5 in I 25,5. 8 Die den Göttern dennoch von Zeno zugeschriebenen disqualifizierenden Eigenschaften lassen ein widersprüchliches Bild erstehen: So kann er auf der einen Seite von grausamen und ehebrecherischen Göttern (dii crudeles, dii adulteri) sprechen, die von Menschen bezüglich ihres Schicksals befragt antworten; s. II 7,18. Auf der anderen Seite sind die Götter aber nur real in den von Menschen geschaffenen Götterbildern. S. o. S. 118–129. Solche Widersprüchlichkeiten werden noch häufiger begegnen; Zeno hebt sie nicht systematisierend auf. 9 I 13,4. 10 I 37,11. 11 Anders dagegen wird die Vielheit der Götter von Augustin neben der Idolatrie als das anstößige Moment der heidnischen Religion kritisiert; s. T. KOBUSCH, Christentum, 102f. 12 I 13,6 (2x); I 25,5; II 8,5; II 8,6.

C. Theologia mythica – Götter, Gestalten, Orte

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genüber dem einzigen Gott negiert wird.13 Generalisierend wird an einer der übrigen Stellen festgestellt: „sicut est detestabilis qui, cum sit homo, deum se fingit, ita detestabilior qui deum colit, quem ipse disposuit.“ – „Wie derjenige verabscheuenswert ist, der, obwohl er ein Mensch ist, sich für einen Gott hält, so ist der noch verabscheuenswerter, der einen Gott verehrt, den er selbst aufgestellt hat.“ 14 So müssen die Heiden, vergleichbar der biblischen Negierung, selbst erkennen, dass sie ‚keinen rechtmäßigen Gott‘ haben,15 d. h. nichts, was rechtmäßig deus genannt werden könnte. Dass auch hier ein inhaltlicher Unterschied zum christlichen Gott besteht, ist eindeutig. Die Verwendung des Singulars hat an diesen Stellen ihren Grund in der Negierung oder aber in der Sentenzhaftigkeit der Aussagen. Gänzlich positiv und damit auf den christlichen Bereich beschränkt verwendet Zeno demgegenüber das Abstraktum deitas 16 bzw. dealitas.17 Sie können nur dem wahren deus zukommen – und zwar sowohl dem Vater wie dem Sohn,18 sie machen sein Wesen aus und damit den inhaltlichen Unterschied zu den dii.19 2. daemones bzw. daemonia 20 Aufschluss über das, was die heidnischen Götter in den Augen Zenos inhaltlich sind, und was von daher auch ihre noch zu beleuchtende Qualität ausmacht, liefert ein Psalmen-Zitat: „Omnes dii gentium daemonia.“ 21 Mit dem Terminus ‚Dämon‘ greift Zeno die gemeinantike Vorstellung der

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Is 45,14 in II 8,5 und Bar 3,36 in II 8,6. I 13,6. Zur Entlehnung des detestabilis aus religiösem Sprachgebrauch vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2103 (Lemma „detestor“). 15 I 25,5: „gentes ..., quae nec deum ... etiam ipsae cognoscunt se habere legitimum.“ 16 I 37,2; I 37,9; II 8,4. 17 I 45,2. 18 S. ebd. 19 Gleiche Ausschließlichkeit beanspruchen auch das Abstraktum divinitas und die Adjektive divinus und caelestis; vgl. dazu B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 34.85. 20 Zeno schwankt im Gebrauch. Bei insgesamt neunmaliger Verwendung handelt es sich an fünf Stellen um Neutra-Formen, erkennbar im Plural an den Endungen der oDeklination, an vier Stellen um maskuline (denkbar wären auch feminine) Formen der konsonantischen Deklination, diese nur im Plural. Vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 63. 21 Ps 95,5 in I 25,5. 14

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Existenz von ‚Geistern‘ auf 22 und reiht seine Traktate ein in die lange Abfolge von Beiträgen zur Bedeutungsgeschichte des Begriffs. Das griechische äáίìùí steht bei Homer zunächst noch synonym für èåüò, v. a. in den Pluralformen dient es dazu, nicht näher bestimmte Gottheiten zu bezeichnen. Ihnen kommt Unbestimmtheit und damit Geheimnishaftigkeit zu. Herodot benutzt äáίìùí dann für den Heros, der als verstorbener Held zum Halbgott wird, so dass Platon schließlich die Differenzierung zwischen Göttern, Dämonen und Menschen einführen kann. 23 Alttestamentlich werden die Gottheiten, die nicht mit Jahwe identifiziert oder als sein Hofstaat, als die ‚Söhne Els‘, adaptiert werden können, sondern zu ihm in Konkurrenz treten, wie etwa Ba’al, dämonisiert. Dabei ist die Grenze zwischen Dämonen und strafenden Engelwesen fließend. 24 In Erwartung des Eschatons neigt das Frühjudentum, wie zahlreiche Stellen etwa in den Qumran-Schriften, im Jubiläenbuch oder im äthiopischen Henochbuch belegen, dazu, alle hindernden Einflüsse, wie etwa politische Feindesmächte, fremde Kulte, aber auch die Natur oder unmoralisches Verhalten zu mythologisieren. Im Kontext einer solchen dämonisierenden Geschichtsdeutung werden auch die heidnischen Götter mit Dämonen gleichgesetzt. Als Ursprung dieser bösen Geister wird der Engelfall angesehen. 25 Diesem Kontext entstammt auch Ps 95,5. 26 In einer bewussten Kakophonie werden im Hebräischen El (‫ )אל‬und elilim (‫ )אלילים‬einander gegenübergestellt. Dabei bedient sich dieses verächtlich machende Wortspiel der Diminutivform zu El im Plural. Der Psalm setzt an dieser Stelle Deutero-Jesaja und damit den Topos, die Götzen seien Menschenwerk, voraus. Kontrastierend werden Macht und Größe Jahwes und Ohnmacht und Nichtigkeit der Götzen einander gegenübergestellt.27 Die LXX übersetzt elilim mit äáéìüíéá, was in Vetus Latina und Vulgata schließlich zum Lehnwort daemonia wird.28 Auch das Neue Testament kennt die Vorstellung von Dämonen, es übernimmt zur Bezeichnung den Terminus äáéìüíéá aus der LXX. Neben den guten, von Gott gegebenen Geistern sind die Dämonen die zwischen Gott und den Menschen stehenden Wesen, die sich in Besessenheit und Krankheit der Menschen äußern. Ihnen tritt Jesus gegenüber, er ist der Sieger über die Dämonen; seine Jünger sind wie er dazu in der Lage, Dämonen 22

S. C. COLPE, Art. Geister (Dämonen) A. Grundsätzliches zur Theorie des Animismus u. zur Bewertung antiker Geistervorstellungen, RAC IX, 1976, 546–553, hier: 552: „G[eister] und Dämonen ändern, bei aller Variabilität im Einzelnen, vom Beginn der hellenist. bis zum Ende der altkirchlichen Zeit ihren Charakter nicht, soweit er unabhängig von Revitalisierungen und von den Umwertungen erfaßt werden darf, die das Christentum mit sich brachte.“ 23 S. K. RUDOLPH, Art. Dämon, Das große Lexikon der Antike, 31979, 122. 24 S. J. MAIER, Art. Geister (Dämonen) B.I.c. Israel, RAC IX, 1976, 579–585, hier: 579–582. 25 S. ders., Art. Geister (Dämonen) B.III.b. Frühes u. hellenistisches Judentum, RAC IX, 1976, 626–640, hier: 626–637. 26 S. H. D. P REUSS, Art. ‫΄( ֱא לִיל‬ælîl), ThWAT I, 1973, 305–308, hier: 306–308. 27 S. Ps 95,5a (Hebr. Ps 96,5a): ki kal-elohe haamim elilim (‫כל־אלהי העמים אלילים‬ ‫)כי‬. 28 S. LXX Ps 95,5a (Rahlfs) und VETUS LATINA Ps 95,5a (Database) bzw. VULGATA Ps 95,5a (Weber / Gryson); man beachte an allen Stellen das Neutrum.

C. Theologia mythica – Götter, Gestalten, Orte

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auszutreiben.29 In der Offenbarung des Johannes schließlich werden Dämonen und heidnische Götterbilder auf eine Ebene gestellt.30 Bei den christlichen Vätern sowohl im Osten als auch im Westen 31 fließen schließlich die verschiedenen Traditionsstränge zusammen. Auch für sie sind die Dämonen eine unbezweifelbare Realität,32 die in Anlehnung an jüdische Vorstellungen ihren Ursprung im Engelfall haben, insofern aber wie die Engel als Geschöpfe gelten.33 Aus dem Himmel vertrieben wirken sie nun auf der Erde und in der diese umgebenden Luft. Sie entsprechen damit zugleich den bösen Geistern aus der Vorstellungswelt der heidnischen Dämonologie. Ihre Tätigkeit ist in jeder Hinsicht auf das Böse ausgerichtet. Als Feinde Gottes werden sie durch Lüge und Arglist zu Initiatoren der menschlichen Laster. Am wirksamsten sind die Dämonen bei den Ungläubigen; die Christen versuchen sie vom Glauben überhaupt oder vom rechten Glauben abzubringen. Durch sie verliert der Mensch seine Freiheit und erleidet ein Höchstmaß an Qual. Die menschenfeindliche Aktivität der Dämonen dokumentiert sich am deutlichsten in der Besessenheit eines Menschen. 34 Unter Berufung auf alttestamentliche Tradition werden die Götter der Heiden mit den Dämonen identifiziert. Ohne den Widerspruch aufzuheben, werden die Dämonen auch als diejenigen gesehen, die die Menschen dazu verführen, Götterbilder zu verehren, dies meistens in einem Kontext, der diesen Bildern keine lebendige Realität zuerkennt.35 Der Widerspruch wird hin und wieder aufgehoben in einer Vorstellung, die in Verbindung mit dem hellenistischen Euhemerismus steht: Danach nehmen die Dämonen die Bilder der sogenannten Götter, bei denen es sich in Wirklichkeit um verstorbene Menschen handelt, in Besitz und verbergen sich in ihnen. 36 So werden sie körperlich greifbar. Aus neutestamentlicher Tradition übernehmen die Väter die Vorstellung von der Macht Jesu über die Dämonen. Jedoch ist die Herrschaft der Dämonen durch die Inkarnation nicht absolut aufgehoben. Es bedarf vielmehr eines beständigen Kampfes der

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S. E. SCHWEIZER, Art. Geister (Dämonen) C.I. Neues Testament, RAC IX, 1976, 688–700. 30 Apc 9,20; vgl. F. J. DÖLGER, Großmutter, AuC 3, 1932, 153–176, hier: 158. 31 Das Folgende nach A. KALLIS, Art. Geister (Dämonen) C.II. Griechische Väter, RAC IX, 1976, 700–716, und P. G. VAN DER NAT, Art. Geister (Dämonen) C.III. Apologeten u. lateinische Väter, RAC IX, 1976, 715–761, passim. 32 Vgl. auch P. STOCKMEIER, Teufels- und Dämonenglaube in der Geschichte der Kirche, in: ders., Glaube und Kultur. Studien zur Begegnung von Christentum und Antike, Düsseldorf 1983, 155–180, hier: 166. 33 S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 245. 34 Vgl. P. STOCKMEIER, Teufels- und Dämonenglaube, 170. 35 Schon im Neuen Testament, etwa in 1 Cor 10,14–21 (dämonisierte Götter) und 1 Cor 12,2 (unbelebte Bilder). 36 Zur Verknüpfung euhemeristischer und dämonologischer Interpretation heidnischer Gottheiten durch die Kirchenväter s. auch M. W INIARCZYK, Euhemeros von Messene. Leben, Werk und Nachwirkung, BzA 157, Leipzig 2002, 171, und besonders J. M. VERMANDER , La polémique des apologistes latins contre les dieu du paganisme, RechAug 17, 1982, 3–128, hier: 30–36.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Christen gegen die Dämonen. Die Möglichkeit zur Befreiung erlangen die Menschen beim Eintritt in die Kirche mittels der Taufe.37

Mit seiner Verwendung des Terminus daemones bzw. daemonia bewegt sich Zeno ganz im Rahmen der spätantiken Dämonologie. 38 Wie es durch die gleichzeitige Rezeption unterschiedlicher Traditionsstränge nicht nur zwischen den Vorstellungen verschiedener Kirchenväter, sondern auch innerhalb der Dämonologie Einzelner von ihnen zu Widersprüchlichkeiten kommt, so greift auch Zeno unterschiedliche Facetten aus den verschiedenen Traditionen nebeneinander auf, ohne sich um einen Ausgleich der Widersprüche zu bemühen. Gar keine Frage scheint es für ihn zu sein, dass es sich bei Dämonen um eine wirksame Realität handelt. Nur unter dieser Voraussetzung kann er davon sprechen, dass der christliche Glaube der Schrecken der Dämonen sei.39 Ob Zeno hier an heidnische Gottheiten denkt, kann nicht entschieden werden. 37

S. die detailreiche Untersuchung zu antiker Dämonenfurcht und -abwehr als Vorgeschichte bzw. „Hintergrund des christlichen Taufsakramments“ von O. B ÖCHER, Dämonenfurcht und Dämonenabwehr. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der christlichen Taufe, BWANT 90 / 5. F. 10, Stuttgart u. a. 1970; Zitat ebd., 11. 38 Vgl. I. OPELT, Polemik, 76f.; M. FIEDROWICZ, Apologie, 238–240. 39 I 36,4: „ipsa [sc. fides] est enim ... daemonum terror“. – Die Stelle I 36,4f. ist grammatikalisch uneindeutig, theoretisch könnte auch spes Subjekt sein: „fides enim spei substantia est et spes fidei gloria, quoniam praemium quod spes habet fides meretur, quae quidem pro spe pugnat, sed sibi vincit. Amplectanda est igitur, fratres, tenaciter nobis et omni genere custodienda virtutum … ipsa est enim … martyrum virtus … Huic et praesentia subiacent et futura … nec spes timet, ne non veniant“. Diese Uneindeutigkeit hat schon in den Handschriften ihren Niederschlag gefunden; der Codex Venetianus ergänzt spes hinter custodienda, während der zweite Korrektor desselben Codexes es wieder ausstreicht; s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 92, kritischer Apparat. P. LEIPELT, Traktate, 50, und A. B IGELMAIR, Traktate, 68, übersetzen „sie“ und machen damit spes zum Subjekt; die italienischen Übersetzungen von G. EDERLE, Sermones 1955, 47, und G. B ANTERLE, Discorsi, 145, bleiben ebenso uneindeutig wie die Textvorlage. Inhaltlich kann jedoch nur fides Subjekt sein: „fides … quidem pro spe pugnat“ ist zu übersetzen mit „der Glaube kämpft zwar infolge der Hoffnung / von der Hoffnung bewirkt“ (vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1931 (Lemma „pro“); deshalb nicht: „für die Hoffnung“, so P. LEIPELT, Traktate, 50, und A. B IGELMAIR, Traktate, 68; inhaltlich ähnlich auch G. EDERLE, Sermones 1955, 47: „in vista della speranza“ – ,im Hinblick auf die Hoffnung‘; geschickter G. B ANTERLE, Discorsi, 145: „per la speranza“, denn italienisches „per“ ist ebenso uneindeutig wie lateinisches pro ). Der Satz schließt mit (fides) sibi vincit; ohne weitere Erläuterung schließt amplectanda an, das Gerundivum muss daher auf fides bezogen sein. Es folgt eine Aufzählung von Funktionszuweisungen an fides; abschließend wird das wechselseitige Verhältnis von Glaube und Hoffnung wieder aufgegriffen, indem von der Hoffnung gesagt wird, dass sie nicht fürchten müsse, dass die Ereignisse der Zukunft, die dem Glauben untertan seien, nicht einträfen.

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Eindeutiger ist die schon oben genannte Stelle, an der er mit dem Psalmzitat dii gentium und daemonia identifiziert.40 Zeno, der, wie sich noch zeigen wird,41 Apuleius gelesen hat, kann diesen inhaltlich aufgreifen: Aus der Gattung der Dämonen stammen nach Apuleius die Götter, die das Genus mythicum den Menschen präsentiert.42 Kontrapunktierend wird ihnen von Zeno der christliche dominus bzw. deus gegenübergestellt.43 Hier geht es darum, die Götter in ihrer in der Gegenüberstellung erkennbaren Machtlosigkeit bloßzustellen. So kann Zeno im gleichen Kontext davon sprechen, dass es sich bei den verehrten Göttern um „Werke von Menschenhand“ handelt.44 An dieser Stelle tritt der oben angekündigte Widerspruch klar zutage. Zum einen bekommt der Leser bzw. der Zuhörer den Eindruck, dass es sich bei den verehrten Götterbildern um leblose Gegenstände handele, zum anderen vermittelt die Einführung des Psalmzitates die Anerkennung eines realen Vorhandenseins von bösen, wenn auch machtlosen Geistern. Dass den heidnischen Gottheiten eine gewisse Realität zugeschrieben wird, belegen weitere Stellen, an denen daemones bzw. daemonia eindeutig für dii steht. So spricht Zeno an einer Stelle vom heidnischen Kult als von mysteria daemonum,45 an anderer Stelle bezeichnet er die Heiden als daemoniorum servi, denen die membra Christi gegenübergestellt werden.46 Dass diesen Dämonen gar eine religiöse Realität und damit eine Konkurrenz gegenüber dem christlichen Gott zukommt, belegt eben an der letztgenannten Stelle die Bezeichnung des Vergehens der Christen, die sich mit Heiden verheiraten, als sacrilegium, also als religiöses Vergehen.47 Würde der Glaube der Heiden als bloßes Phantasma gesehen, dem keine Realität zugrunde liegt, dürfte konsequenterweise das Verhalten der Dazu wird spes mit kopulativem nec ausdrücklich angeschlossen, zuvor muss also von fides gesprochen worden sein. (P. LEIPELT, Traktate, 50, unterschlägt das nec; A. B IGELMAIR , Traktate, 68, schließt mit „und sie“ an. Italienisches „nè“ bei G. E DERLE , Sermones 1955, 47, und G. B ANTERLE, Discorsi, 145, entspricht wieder lateinischem nec.) 40 Ps 95,5 in I 25,5. 41 S. u. S. 320–322. 42 S. APUL. Socr. 12,146 (22 Moreschini): „ex hoc ferme daemonum numero poetae solent haudquaquam procul veritate osores et amatores quorundam hominum deos fingere“. 43 I 25,5.8. 44 I 25,5: „opera manus humanae“. Ob er dies hier wörtlich meint und damit auf die Identität von Gott und Götterbild abhebt oder an einen Euhemerismus denkt, ist nicht zu entscheiden, vermutlich ist genau diese Doppeldeutigkeit gewollt. 45 I 35,5. 46 II 7,12; die Formulierung membra Christi beinhaltet eine Anspielung auf 1 Cor 6,15. 47 II 7,12.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Heiden und der sich ihnen anschließenden Christen lediglich als auf Irrtum beruhender Dummheit betrachtet werden. Mit der religiösen Bewertung vertritt Zeno jedoch unterschwellig statt eines reinen Monotheismus eine aus dem Alten Testament übernommene Monolatrie, die einen Polytheismus im Sinne einer Akzeptanz des Vorhandenseins fremder Gottheiten voraussetzt.48 Wie die Realität der Dämonen sich für jeden wahrnehmbar äußert, zeigt Zeno in Traktat I 2 auf, in dem er einen Beweis für ein Leben nach dem Tod liefern will.49 Nach einer Berufung auf Hinweise von verschiedenen Vertretern heidnischer Kreise auf ein Leben nach dem Tod 50 leitet Zeno zu einer ausdrücklich den Christen einsichtigen Argumentation über. Diese ist aber keineswegs theologisch gehalten, sondern erklärt „augenfällige Sachlagen“, die also jeder selbst wahrnehmen kann.51 Zeno will ausdrücklich aufzeigen, dass die Seelen der Toten leben. 52 Einige von ihnen dringen als „vagi atque inmundi spiritus“ 53 in andere Menschen ein,54 sie machen sie besessen, sie bewirken epileptische Anfälle, und erst beim Exorzismus geben sie sich mit Namen und Todesdatum zu erkennen.55 Diese unreinen Geister können sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts sein.56 Häufig stellt sich dann heraus, dass es sich um die Seelen verstorbener Heiden handelt.57 48 Zur religionswissenschaftlichen Diskussion, der so genannten „Monotheismus-Debatte“, um das Phänomen und die Definition der Terminologien „theoretischer Monotheismus“, „praktischer Monotheismus“, „Henotheismus“ und „Monolatrie“ s. W. H. SCHMIDT, Art. Monotheismus II. (Altes Testament), TRE XXIII, 1994, 237–248, hier: 237f. 49 I 2,5–7. 50 I 2,3f. 51 I 2,5: „nos vero … oculatis rebus sufficimus approbare.“ 52 Auch hier greift Zeno auf einen schon vorchristlich gesetzten Zusammenhang zurück: Der Kern der Dämonologie eines Apuleius wie eines Varro ist Psychologie, so H. CANCIK, Dämonologie, 454; in der christlichen Polemik spiegele sich die römische Dämonologie. 53 I 2,5. 54 Vgl. die „niedrigen Dämonen“ in menschlichen Körpern im Schema der Dämonologie des Apuleius bei H. CANCIK, Dämonologie, 449. 55 So etwa auch MIN. FEL. 27,3–7 (26 Kytzler). Diese inhaltliche Nähe wird im Testimonienapparat, B. LÖFSTEDT, Tractatus, 16, nicht berücksichtigt. Vgl. zu Besessenheit und Exorzismus insgesamt die Artikel von E. LESKY / J. H. W ASZINK, Art. Epilepsia, RAC V, 1962, 819–831; J. H. W ASZINK / E. STEMPLINGER, Art. Besessenheit, RAC IV, 1954, 183–185 und K. T HRAEDE, Art. Exorzismus, RAC VII, 1969, 44–117. 56 I 2,5f.: „vagi atque inmundi spiritus utriusque sexus humani ... viventium domos corporales infringunt ... et nomen proprium confitetur discessumque“. Wenn Zeno insgesamt auch bereits auf einen Topos zurückgreifen kann (s. vorhergehende und nachfol-

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Von einem fiktiven Zuhörer wird Zeno entgegengehalten, dass es sich dabei nicht um die Seele eines bekannten Verstorbenen handele, sondern dass von Dämonen ein falscher Name vorgegeben werde. 58 Zeno streitet dies zunächst nicht ab. Vielmehr wird für ihn der Beweis noch schlagkräftiger, da in diesem Fall Betrüger, als welche er die Dämonen bezeichnet, Zeugnis für die Wahrheit (eines Lebens der Seelen nach dem Tod) ablegten.59 Warum allerdings, so fragt er dann weiter, sollten sie sich falsche Namen zulegen, wenn ihre Angaben im Übrigen der Wahrheit entsprächen? 60 Zumal sie selbst davon keinen Nutzen hätten und auch dem Besessenen nicht damit geschadet werde, sondern durch ihr Bekenntnis dieser entgegen ihrer Absicht zur Gottesfurcht gelange. Sie gestünden also nur unter dem Zwang der Beschwörung im Namen Gottes, und insofern könne am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen kein Zweifel bestehen. 61 Interessant an dieser Stelle ist, dass Zeno die volkstümliche Vorstellung, epileptische Anfälle seien ein Zeichen von Besessenheit durch böse Geisgende Anm.), so scheint doch dieses Wissen von unreinen Geistern beiderlei Geschlechts eine zenonische Eigenleistung zu sein. 57 I 2,6: „ut plerumque aliquos noscamus eos esse, quos in idolatria commorantes ... meminerimus.“ Im Hintergrund dieser Interpretation Zenos steht möglicherweise ein Motiv aus Apuleius, der auf eigenwillige Weise „die Idee von der Unvergänglichkeit der Seele mit platonischer Dämonologie“ verbindet, wonach die Seele, die nichts anderes ist als ein Dämon, in den Körper eingeht, nach dem leiblichen Tod aber zu einem Mitglied der niederen Gattung von Dämonen wird, die ihrem irdischen Wandel entsprechend gut oder böse geraten; s. C. COLPE U. A., Art. Jenseits (Jenseitsvorstellungen), RAC XVII, 1996, 246–407, hier: 319f. APUL. Socr. 15,152f. (26 Moreschini) schreibt: „Est et secundo significatu species daemonum animus humanus emeritis stipendiis vitae corpori suo abiurans … qui vero adversa vitae merita nullis [bonis] sedibus incerta vagatione ceu quodam exilio punitur, inane terriculamentum bonis hominibus, ceterum malis noxium“ (eckige Klammer = Athetese des Hg.). Gerade auch das Substantiv vagatio lässt an die zenonischen vagi atque inmundi spiritus denken; s. hier Anm. 56 – Ähnlich wie Zeno, ebenfalls im Kontext des Nachweises der Existenz der Seele nach dem Tod, auch schon J UST. apol. 1,18,4 (Paradosis 39,60 Munier): „êáß ”é ø÷ásò Pðïèáíüíôùí ëáìâáíüìåíïé êáß ñéðôïýìåíïé Tíèñùðïé, •ò äáéìïíéïëÞðôïò êáß ìáéíïìÝíïò êáëï™óé ðÜíôåò“. – Eine solche Dämonologie liefert die Grundlage für eine Verknüpfung von Euhemerismus und Dämonologie, die an dieser Stelle von Zeno jedoch nicht vollzogen wird, indirekt aber doch mitschwingt, da an anderen Stellen ja Götter und Dämonen von ihm identifiziert werden. 58 I 2,7: „At dicis: ,Hoc daemones fingunt‘.“ 59 Ebd.: „O probatio melior, quod etiam fallaces testmonium perhibent veritati!“ 60 Dieses Argument findet sich schon bei T ERT. apol. 23,17 (CChr.SL 1,133,86–89 Dekkers): „Credite illis, cum verum de se loquuntur, qui mentientibus creditis. Nemo ad suum dedecus mentitur, quin potius ad honorem. Magis fides proxima est adversus semetipsos confitentes quam pro semetipsis negantes.“ 61 I 2,7.

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ter,62 aufgreift und auch die Bezeichnung der Geister als daemones nicht zurückweist. Einmal mehr geht es ihm darum aufzuzeigen, dass der christliche Gott und der, der in seinem Namen handelt,63 mächtiger sind als böse Mächte. Deren Existenz wird also nicht abgestritten. 64 Dass Zeno die Existenz von Dämonen, die den Körper anderer Menschen in Besitz nehmen, nicht anzweifelt, belegen weiterhin Rückgriffe auf neutestamentliche Aussagen über Besessenheit: Jesus wird von den Juden vorgeworfen, „er habe einen Dämon“.65 Und: Aufgrund des Glaubens vermöchten es die Apostel, Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben und selbst Tote aufzuerwecken.66 Ob die Dämonenaustreibung hier von Zeno zu den Heilungen gezählt wird oder ob diese Leistung der Apostel eine Zwischenstellung zwischen Krankenheilungen und Totenauferweckungen einnimmt, ist nicht eindeutig entscheidbar. Die sprachliche Konstruktion legt jedoch letzteres nahe, da parallel die Aktivität der Apostel an einem direkten Objekt genannt wird. Dieses Objekt ist jeweils der Kranke bzw. der Tote, bei der Dämonenaustreibung jedoch der Dämon und nicht der Besessene. Das legt die Vermutung nahe, dass für Zeno die Besessenheit eine andere Qualität hat als Krankheit. Eine ausdrückliche Identifikation der heidnischen ‚Dämonen-Götter‘ und der menschliche Körper in Besitz nehmenden bösen ‚Dämonen-Geister‘

62 Vgl. E. LESKY / J. H. W ASZINK, Epilepsia, 819–831; auch P. STOCKMEIER, Teufelsund Dämonenglaube, 171; O. B ÖCHER, Dämonenfurcht, 152. 63 I 2,7: „divina adiuratione“. 64 Dass Zeno damit noch keineswegs einen Beweis geleistet hat für eine Auferstehung, scheint ihm selbst klar. Die Vorstellung einer Strafe bzw. Belohnung der Seelen nach dem Tode entsprechend der Taten während des Lebens ist für ihn Voraussetzung eines Glaubens an die Auferstehung; s. I 2,3: „primo omnium probandum puto animas nostras suorum corporum exuviis nec cum labe ... dissolvi, ... ut tunc demum credi possit resurgere, quod omnibus palam sit non penitus interire.“ Da das gewählte Beispiel für die Existenz der Seelen nach dem Tod jedoch nicht ganz überzeugt, greift er im Folgenden, I 2,8–12, zu biblischen Belegen, die gesicherter erscheinen; s. I 2,8: „Accipe et alia exempla et quidem certiora.“ 65 Jo 8,48 in I 37,10. – Interessanterweise übernimmt Zeno hier das Neutrum daemonium des biblischen Textes, wie schon im Ps-Zitat und im Dt-Zitat in I 25,5. Ein inhaltlicher Vergleich der beiden verschiedenen von Zeno verwendeten Formen zeigt jedoch, dass sie keinen Bedeutungsunterschied zum Ausdruck bringen, wie etwa eine Unterscheidung zwischen den von Heiden verehrten Götzen-Dämonen und denen, die in Besessenen zu vermuten sind, sondern austauschbar und damit synonym verwendet sind. 66 I 36,9.

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wird nicht vorgenommen.67 Dämonen gelten gemeinantik als etwas Geheimnisvolles und so wird eine konsequente Erstellung von Bezügen auch von den Zuhörern vermutlich gar nicht erwartet. Widersprüchlichkeiten gehören sozusagen zur Welt der Dämonen.68 Klar wird jedoch durch die Untersuchung der Dämonologie des Zeno in Hinblick auf heidnische Gottheiten, dass diese keineswegs als Hirngespinste abgetan werden, wenn ihre Verehrung im Kult auch als Sakrileg gilt. Der Irrtum, der den Heiden unterläuft, besteht nicht in der Annahme der Existenz von Gottheiten, sondern in der Einschätzung ihrer Qualität als Göttlichkeit. Damit erklärt sich im Übrigen auch der negative Befund zu anderen, heidnisch gängigen Termini zur Bezeichnung von Gottheiten wie etwa divus oder numen. Da durch die Terminologie dii gentium daemones eine Göttlichkeit den heidnischen Göttern abgesprochen wird, können solche, eine Göttlichkeit implizierenden Begriffe nicht mehr verwendet werden. Göttlichkeit kommt nur dem christlichen Gott zu, alle anderen Mächte sind Dämonen, sie sind böse und damit Feinde Gottes und der Christen.69 3. hemithei Dass Zeno bedenkenlos die Vorstellung von geheimnisvollen Wesen aus vorhandenen Traditionen übernimmt, ohne dies näher zu erläutern, zeigt die in den Traktaten singuläre Verwendung des Terminus hemithei, der keineswegs eindeutig mit ‚Halbgötter‘ übersetzt werden kann. In Traktat I 13 gibt Zeno in Form einer allegorischen Deutung von Gn 38,3–26 eine heilsgeschichtliche Genealogie der Religion, die die Grö67 Möglicherweise will Zeno die Differenzierung, wie Apuleius sie vornimmt, nicht in Frage stellen; vgl. das Schema der Dämonologie des Apuleius bei H. CANCIK, Dämonologie, 449. 68 Vgl. dazu die Differenzierung bei J. RÜPKE, Religion, 72, für die pagane römische Religion auf dem Hintergrund der gleichzeitigen Verehrung der Verstorbenen als di manes und Furcht vor den Toten als lemuria: „Eine klare Trennlinie verläuft zwischen Unsterblichen – Göttern – und Sterblichen – Menschen –; dazwischen bleibt nicht vermessenes Terrain.“ 69 Zur „Verteufelung“ und „Kriminalisierung“ der heidnischen Götter seit Tertullian s. H. CANCIK, Dämonologie, 457f. Bemerkenswert ist allerdings, dass Zeno, obwohl er sich mit der Kennzeichnung der Dämonen als an sich machtlose Feinde Gottes ganz im Rahmen der gemeinantiken Dämonologie bewegt, den Begriff daemones bzw. daemonia nicht im Zusammenhang mit Christenverfolgungen oder Häresien verwendet, wie dies A. KALLIS, Geister, 708f., für andere Väter konstatiert. Bei der Beschreibung des Martyriums des Arcadius in I 39 spricht Zeno direkt vom diabolus und seinen satellites, ohne sie näher zu kennzeichnen. Zur „Verbrechermetapher“ satellites, so I. OPELT, Polemik, 234, vgl. jedoch die Beobachtung ebd., 97f., nach der innerhalb der Polemik gegen heidnische wie häretische Kaiser diese häufig mit dem Teufel in Zusammenhang gebracht und als dessen Knecht tituliert werden.

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ßen Urvolk, Judentum und schließlich Christentum in eine zeitliche Abfolge setzt. Zeno versteht Juda als Typos der Propheten, Patriarchen und (Ur-)Väter; seinen ältesten Sohn Er deutet Zeno als das aus diesen ‚Vätern‘ hervorgehende Urvolk, das er gleichzeitig als hemithei bezeichnet. Näher charakterisiert er diese hemithei als „omnes potentissimi et reges, qui ferocitate virtutis ac libidinis rabie digladiantes omnem orbem corruperant terrarum.“ 70 Dies beinhaltet eine Anspielung auf die „Riesen“ (bzw. Giganten), „Gottessöhne“ und „Helden der Vorzeit“ der Perikope Gn 6,2–4 (welche ihrerseits bereits eine Genealogie enthält) und die Bewertung der Erde und ihrer Bewohner als „verdorben“ und „voller Gewalttat“ in Gn 6,11f. 71 Der Text der hebräischen Fassung von Gn 6,2–4 setzt sich aus verschiedenen Schichten zusammen, die zusammenkomponiert der Erzählung über die Sintflut vorangestellt sind. Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Schichten sowie möglicherweise damit verknüpfte stilistische Überlegungen des Redaktors haben dazu geführt, dass in der Perikope verschiedene Termini vorgegeben sind, die bei einer Auslegung einander zuzuordnen sind. Die heutige Exegese ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in der vorliegenden Form der Genealogie in Gn 6,2–4 aus syntaktischen Gründen die in V. 2 mit bene ha’elohim (‫ )בני־האלהים‬bezeichneten Wesen mit den nefilim (‫ )נפילים‬bzw. gibborim (‫ )גיבורים‬in V. 4 zu identifizieren sind.72

70 I 13,4. Die Stellung von omnes legt es nahe, hemithei substantivisch mit nachfolgender Apposition omnes potentissimi et reges zu interpretieren. 71 Vgl. A. B IGELMAIR, Traktate, 247, Anm. 1, und B. LÖFSTEDT, Tractatus, 53, Testimonienapparat. C. T RUZZI, Zeno, 122, hält die Rede von den hemithei dagegen für „un elemento della tradizione pagana“ und beruft sich ebd., Anm. 17, auf Arnobius. Hätte Zeno sich direkt auf die von Truzzi ins Feld geführte Belegstelle, ARNOB. nat. 2,75 (CSEL 4,109,14–16 Reiferscheid): „nonne litteras auditis commemorantes vestras fuisse homines olim semideos, heroas, cum immanibus corporibus atque vastis?“, bezogen, dürfte er auch das lateinische Wort semidei aufgenommen haben. Zeno muss daher an eine andere Vorlage gedacht haben; s. u. S. 239. Vielleicht ist auch die Bemerkung des Arnobius eine Verquickung und damit christliche Interpretation der Informationen aus Gn 6,2–4 mit dem Wissen um ein von diversen heidnischen Schriftstellern (litterae vestrae) im Kontext der auf Hesiod zurückgehenden Weltzeitaltervorstellung angesetzten Zeitalter der Heroen, da heroas offensichtlich Apposition zu semideos ist. 72 S. B IBLIA HEBRAICA Gn 6,2–4 (Kittel u. a.). Zur alttestamentlichen und frühjüdischen Bedeutung s. P. W. COXON, Art. Gibborim, Dictionary of Deities and Demons in the Bible, hg. v. K. van der Toorn, B. Becking u. P. W. van der Horst, Leiden u. a. 2 1999, 345f., und ders., Art. Nephilim, ebd., 618–620; zur neuzeitlichen Interpretation s. F. DEXINGER, Sturz der Göttersöhne oder Engel vor der Sintflut? Versuch eines Neuverständnisses von Genesis 6,2–4 unter Berücksichtigung der religionsvergleichenden und exegesegeschichtlichen Methode, WBTh 13, Wien 1966, v. a. 44–46.132.

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Die LXX übersetzt bene ha’elohim wörtlich mit ”é ›éïß ôï™ èåï™, während sie nefilim und gibborim identifiziert und mit ãéãÜíôåò wiedergibt. Die Charakterisierung als anše hašem (‫ )אנשי השם‬übersetzt sie mit ”é Tíèñùðïé ”é “íïìáóôïß.73 Die Vetus Latina übersetzt ebenfalls wörtlich bene ha’elohim mit filii dei (erst in späten, frühjüdisch beeinflussten Auslegungen findet man angeli dei). In V. 4 übernimmt sie das zweimalige gigantes der LXX und übersetzt die Charakterisierung wörtlich mit homines nominati.74 Die Vulgata schließlich ersetzt das zweite gigantes durch potentes und gibt die Charakterisierung mit viri famosi wieder. Gleichzeitig wird in V. 4b eine Glosse des hebräischen Textes, die in LXX und Vetus Latina mit êáß ìåô€ dêåsíï ªò bzw. et post illud cum wörtlich wiedergegeben worden war, umgewandelt in postquam enim.75 Während also in LXX und Vetus Latina der Text selbst sowohl Identifikation als auch Nicht-Identifikation zulässt und damit uneindeutig bleibt, ist die Vulgata um einen eindeutigen Text bemüht, der filii dei und gigantes klar unterscheidet: Die gigantes werden zu den Söhnen der filii dei, und als solche werden sie potentes und viri famosi genannt. Die unterschiedlichen Übersetzungen weisen schon auf die uneinheitliche Deutung, die diese Stelle bereits in der Antike erfuhr. Auch bei den Vätern hat sich dies niedergeschlagen, zum einen aufgrund eben der unterschiedlichen Textvorlagen, zum anderen, weil sie bei ihren Deutungen Gedankengut weiterer, unterschiedlicher Traditionen aufgreifen. So kann leicht verkürzend gesagt werden, dass sich im Großen und Ganzen zwei Deutungen herauskristallisiert haben: Unter frühjüdischem Einfluss insbesondere durch die Verbreitung des Henochbuches76 stehen die Vätertexte, die die Genesis-Stelle mit der mythischen Vorstellung vom Engelsturz verbinden und die ‚Gottessöhne‘ als gefallene Engel deuten, deren Nachkommen die Dämonen sind. Eine zweite Deutung argumentiert soziologisch-rationalisierend, wenn sie die Nachfahren der ‚Gottessöhne‘ mit den Setiten identifiziert. Diese Deutung versucht einen Zusammenhang mit der nachfolgenden Erzählung von der Sintflut herzustellen. 77

Der Gruppe der Kirchenväter, die die letztgenannte Deutung favorisieren, kann Zeno nicht zugerechnet werden. Es findet sich im Text keinerlei Hinweis auf einen Zusammenhang mit den Nachkommen des Set. Zeno steht vielmehr der ersten Gruppe nahe.78 Da er jedoch die Perikope nicht zitiert, sondern lediglich andeutet, woran er denkt, ergibt sich folgende Schwierigkeit: Es ist nicht bekannt, welche Textfassung Zeno vorliegen hat, ob also „Gottessöhne“ und „Giganten“ von ihm als identisch verstanden werden oder nicht. Falls es für ihn zwei unterschiedliche Größen sind, bleibt fer73

S. LXX Gn 6,2a.4 (Rahlfs). S. VETUS LATINA Gn 6,2a.4 (Fischer); vgl. auch die Database. 75 S. VULGATA Gn 6,4 (Weber / Gryson); vgl. VETUS LATINA Gn 6,3 (Database 2 / 36). 76 W. SPEYER, Art. Gigant, RAC X, 1978, 1247–1276, hier: 1264. 77 S. F. DEXINGER, Sturz, 59–124, v. a. 97–124. 78 Dies wird die Untersuchung im Folgenden aufzeigen. Man darf jedoch nicht seine rationalistische Haltung zum Phänomen ,Engel‘ in I 37,11, übersehen. 74

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ner die Frage offen, worauf sich nun der Terminus hemithei bezieht, ob damit die filii dei oder die gigantes gemeint sind. Beide Möglichkeiten ließen sich denken: Hemithei als Übersetzung von „Gottessöhne“ 79 würde auf Wesen deuten, die direkt zwischen Gott und den Menschen stehen. Hemithei als Übersetzung von „Giganten“ würde die Wesen eine Ebene tiefer ansetzen. Als Nachkommen der „Gottessöhne“ wären sie den Menschen eine Stufe nähergerückt. Zu fragen ist von daher: Gibt der Terminus selbst oder der zenonische Kontext Aufschluss darüber, welche Vorstellung Zeno mit hemithei verknüpft und welche Stellung diesen Wesen innerhalb der Ordnung Gott – Dämonen – Menschen zukommt? Obwohl die wörtliche Bedeutung – hemithei = Halbgötter – offensichtlich zu sein scheint, findet der Terminus sich sowohl bei den antiken griechischen als auch lateinischen Schriftstellern kaum belegt. Die wenigen griechischen Belegstellen deuten auf einen synonymen Begriff für {ñïò. So spricht etwa Hesiod von der göttlichen Abstammung der Heroen, weshalb diese auch {ìßèåïé genannt würden. 80 Vereinzelt begegnet der griechische Terminus im Singular, auch in Verbindung mit dem Begriff ½ìéÜíèñùðïò, zur Charakterisierung Christi als von göttlicher und menschlicher Natur in den Auseinandersetzungen um den Monophysitismus. Dabei handelt es sich jedoch ausschließlich um Schriftsteller des 6. und 7. Jahrhunderts. 81 Die Vermutung liegt nahe, dass der Terminus zu dieser Zeit kaum mehr einen Anklang an seine ursprüngliche Bedeutung beinhaltet haben dürfte. Noch weniger ergiebig ist der Befund im lateinischen Bereich.82 Dies dürfte daran liegen, dass es sich um ein Lehnwort aus dem Griechischen handelt, der Begriff im Griechischen selbst aber schon kaum Verwendung findet. Von den wenigen lateinischen Zeugnissen im paganen Bereich ist hier eine Stelle aus dem Vergil-Kommentar des Servius zu nennen, die die Übernahme von Hesiod belegt. Die hemithei werden gegenüber Hesiod jedoch auf einer Ebene zwischen Gottessöhnen und Heroen eingestuft. 83 Schon diese Differenzierung lässt erkennen, welch diffuses, heute kaum mehr fassbares Verständnis hinter dem Terminus steckt. Gleiches belegt die Verwendung bei Martianus Capella. Er hält es nicht nur für nötig, die Funktion der hemithei zu erklären – sie sind nach seiner Ansicht den himmlischen Geistern vorgesetzt und verursachen unter menschlicher Gestalt die angenehmen Dinge 79

Vgl. hier Anm. 73 die alttestamentliche Bemühung, heidnische Gottheiten als ,Söhne Els‘, die den Hofstaat Jahwes bilden, zu adaptieren. Die Bedeutung der hemithei hätte dann, von Zeno vermutlich nicht bewusst intendiert, den gleichen alttestamentlichen Ursprung wie die Vorstellung von Dämonen. 80 HES. op. 159f. (Solmsen): „Áíäñ§í ½ñþùí èåsïí ãÝíïò, ”é êáëÝïíôáé ½ìßèåïé.“ 81 G. W. H. LAMPE, Lexicon, 607, nennt Leontius Hierosolymitanus, Ephraem Antiochenus, Georgius Pisida Poeta und Anastasius Sinaita. 82 Nach T HESLL 6,3, 2606. 83 SERV. Aen. 8,314 (Thilo / Hagen 244): „Et sciendum secundum Hesiodi theogoniam primo deos genitos, inde hemitheos, post heroas, inde homines innocentes, ultimos sceleratos.“

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in der Welt –, sondern sogar zunächst den Terminus im Lateinischen wiederzugeben, wobei er sich neben der wörtlichen Übersetzung durch semidei zusätzlich des fast noch unverständlicheren Terminus Semones bedient.84 Auch hier wird deutlich, dass mit hemithei diffuse Vorstellungen von Zwischenwesen zwischen Göttern und Menschen verbunden werden, dass eine genaue Identifizierung jedoch nicht geleistet werden kann.

Neben den beiden angeführten späten Stellen vom Übergang des 4. zum 5. Jahrhundert ist im lateinischen Bereich ZenoI 13,4 der Hauptzeuge für die Verwendung des Terminus.85 Bedenkt man die zeitliche Nähe zu den beiden anderen lateinischen Schriftstellern, so lässt sich mutmaßen, dass Zeno bezüglich der Inhalte des Terminus einen ähnlichen Kenntnisstand gehabt haben dürfte. Es bleibt nun zu fragen, welche Informationen zum Verständnis des Terminus der Kontext der zenonischen Traktate selbst liefert. Bereits erwähnt wurde, dass Zeno in Anlehnung an die biblische Vorlage in Gn 6 das Urvolk (primitivus populus) als potentissimi et reges bezeichnet. Diese scheinbar entmythisierende Charakterisierung der biblischmythologischen Wesen dürfte ihren Grund in der Zeno vorliegenden Bibelfassung haben. Sowohl eine rekonstruierbare Fassung der Vetus Latina als auch die Vulgata sprechen in V. 4b von potentes und viri famosi. Damit erhält das mythologische Urvolk bereits im biblischen Kontext einen realen Bezug. Dass Zeno mit solchen Widersprüchen arbeitet, wurde bereits oben bei der Untersuchung der Verwendung der Begriffe dii und daemones aufgewiesen. Auch dort hatte sich gezeigt, dass die dii scheinbar entmythisiert werden durch ihre Charakterisierung als Menschenwerk, dass ihnen aber gleichzeitig eine mythologische Qualität als daemones zukommt. Zeno folgt der biblischen Vorlage, wenn er von der Zugrunderichtung der Erde spricht,86 er erklärt dies jedoch über die Vorlage hinaus mit der Wildheit und Zügellosigkeit des Urvolkes.87 Diese Anmerkung dürfte ihren Grund in den biblischen gigantes in V. 4a haben. Die Giganten gelten 84

MART. CAP. 2,156 (Willis, 47): „sed superior portio eos, sicut conspicis, claudit, quos hemithei, quosque latine Semones aut Semideos convenit memorare. Hi animas caelestes gerunt sacrasque mentes, atque sub humana effigie in totius mundi commoda procreantur.“ – Zu Semones = Nichtmensch, Gottheit s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2594. – Vgl. mit dieser Charakterisierung die bei W. SPEYER, Gigant, 1262, geschilderte frühjüdische Vorstellung des äthiopischen Henochbuches von den Giganten, die von Gott vernichtet noch als Schaden stiftende Dämonen in der Welt weiterwirken; s. äthHen 15,8–12 (JSHRZ 5,543f. Uhlig). Die Vorstellung scheint eine den Semones sehr ähnliche zu sein, lediglich die Wertung der Wesen ist diametral entgegengesetzt! 85 S. A. B LAISE, Dictionnaire, 388; ThesLL 6,3, 2606. 86 I 13,4: „omnem orbem corruperant terrarum“. 87 Ebd.: „ferocitate virtutis ac libidinis rabie digladiantes“.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

in der Antike gemeinhin nicht nur als übermenschliches, sondern v. a. auch als wildes und sittlich verrohtes Volk. 88 Betrachtet man den zenonischen Wortlaut der Stelle näher, entsteht der Eindruck einer erheblichen Nähe zur Beschreibung der Giganten im äthiopischen Henochbuch. 89 Man meint, einzelne Elemente des zenonischen Satzes eindeutig in bestimmten Partien der Genesis einerseits, andere Partien im Henochbuch andererseits wiedererkennen zu können. Zeno I 13,4 (Löfstedt): Zeno I 13,4 (Dümler): Gen 6,2 (LXX): Gen 6,2 (VL): Gen 6,2 (Vulgata): äthHen 15,11 (Uhlig):

hemithei Die Hemithei, ïj jïß ôï™ èåï™ … filii dei /└ angeli dei ┘/└ angeli caelorum ┘… filii dei …

Zeno I 13,4 (Löfstedt): Zeno I 13,4 (Dümler): Gen 6,4 (LXX): Gen 6,4 (VL): Gen 6,4 (Vulgata): äthHen 15,11a (Uhlig):

[o. hier: hemithei] omnes potentissimi et reges [o. hier: Die Hemithei,] allesamt große Herrscher und Könige ïj äc ãßãáíôåò … ïj ãßãáíôåò … ïj Tíèñùðïé ïj “íïìáóôïß gigantes… gigantes… homines nominati gigantes … potentes a saeculo viri famosi Die Geister der Riesen, /└ ┘

Zeno I 13,4 (Löfstedt): Zeno I 13,4 (Dümler): Gen 6 (LXX): Gen 6 (VL): Gen 6 (Vulgata): äthHen 15,11b (Uhlig):

qui ferocitate virtutis die in Wildheit (ihrer) übermenschlichen Kraft

Zeno I 13,4 (Löfstedt): Zeno I 13,4 (Dümler): Gen 6 (LXX): Gen 6 (VL): Gen 6 (Vulgata): äthHen 15,11b–d (Uhlig):

88

sind gewalttätig, ac libidinis rabie digladiantes und in Zügellosigkeit (ihrer) Begierde sich (mit tödlichen Waffen) herumschlagend

sind verdorben, brechen herein, kämpfen,

S. W. SPEYER, Gigant, v. a. 1248. ÄthHen 15,11 (JSHRZ 5,543f. Uhlig). Diese Nähe verrät sogar die bloße deutsche Übersetzung des äthiopischen Henoch. Selbstverständlich müsste zukünftig noch am äthiopischen Original mittels einer Analyse der grammatikalischen Struktur des in Frage kommenden Satzes überprüft werden, ob die inhaltliche Nähe sich auch sprachlich bestätigen lässt. Entsprechende äthiopistische Hilfe stand leider kurzfristig nicht zur Verfügung. Dazu vgl. äthHen. 15,11 (1,61 Knibb). 89

C. Theologia mythica – Götter, Gestalten, Orte Zeno I 13,4 (Löfstedt): Zeno I 13,4 (Dümler): Gen 6,11 (LXX): Gen 6,11 (VL): Gen 6,11 (Vulgata): äthHen 15,11d–e (Uhlig):

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omnem orbem corruperant terrarum den gesamten Erdkreis vernichtet hatten döèÜñ äc ½ ãy díáíôßïí ôï™ èåï™ êár dðëÞóè ½ ãy Päéêßáò corrupta est omnis terra coram Deo et repleta iniquitate corrupta est autem terra coram Deo et repleta est iniquitate zerstören auf Erden, schaffen Leid

Zeno wird selbstverständlich keinen äthiopischen Text als Vorlage gehabt haben, dagegen spricht die Überlieferungsgeschichte des Henochbuches insgesamt. 90 Diese Nähe lässt aber danach fragen, ob die Zenostelle inI 13,4 nicht einen Beleg liefert für die lange diskutierte Existenz einer lateinischen Fassung des Henochbuches. 91 Naheliegender könnte es scheinen, dass Zeno Henoch aus dem Werk seiner lateinischen Vordenker, etwa Tertullian oder Laktanz, kannte; allerdings lässt sich unter den dortigen HenochReminiszenzen äthHen 15,11 bisher nicht verifizieren.92 Insofern muss also für Zeno bis jetzt von einer eigenen Henoch-Vorlage ausgegangen werden. Gerade die Verwendung des griechischen Lehnwortes hemithei scheint dann aber (gegen eine lateinische) für eine verlorene griechische Version zu sprechen, die mit der Vorlage des äthiopischen Henochbuches verwandt gewesen sein dürfte. 93

Es bleibt insgesamt unklar, ob Zeno mit hemithei die „Gottessöhne“ oder die „Giganten“ der biblischen Vorlage anvisiert. Dennoch lassen sich weitere Charakterisierungen der hemithei aufzeigen: Die sich anschließende Passage des Traktates beschreibt die hemithei, indem sie völlig losgelöst von der Genesis-Vorlage die biblischen Daten ergänzt. Einen Hinweis darauf, dass es sich um eine zusätzliche Information handelt, liefert Zeno selbst durch das Adverb insuper. Die Beschreibung schließt sich in Form von Partizipien an, während die Fortführung in 90

Vgl. etwa S. UHLIG, Henochbuch, 470–494; M. A. KNIBB, Enoch, Bd. II, 6–47. Das Fragment einer lateinischen Version des äthiopischen Henochbuches meinte M. R. J AMES (Hg.), Apocrypha anecdota. A Collection of thirteen Apocryphal Books and Fragments, TaS 2, Cambridge 1893, Repr. Nendeln 1967, 146–150, schon 1893 vorlegen zu können. Abgesehen davon, dass dieses Fragment äthHen 15,11 nicht enthält, damit ein Vergleich mit der Zenostelle wegfällt, scheint sich in der Forschung doch eher die Meinung durchzusetzen, dass dieser Text nicht Teil des Henochbuches war, sondern einer Weltchronik, der selbst ein griechisches Original zugrunde lag; s. J. T. MILIK (Hg.), The Books of Enoch. Aramaic Fragments of Qumrân Cave 4, Oxford 1976, 80f. Belegt sind allerding lateinische Zitate und Referenzen des äthiopischen Henochbuches bei einer Reihe lateinischer Autoren; s. ebd., 20f.78-80; M. A. KNIBB, Enoch, 21; sehr ausführlich G. W. E. NICKELSBURG, 1 Enoch 1. A Commentary on the Book of 1 Enoch. Chapters 1-36;81–108, Minneapolis, Minn. 2001, 14.88–95; was für die Verbreitung in einer griechischen oder lateinischen Version im Westen spricht. 92 Vgl. J. T. MILIK.), Enoch, 78–80, v. a. zu Tertullian; er verweist etwa darauf, das äthHen 15,8–9 (nicht jedoch Vers 11! B. D.) in T ERT. apol. 2223rezipiert werde. Ausführlicher G. W. E. NICKELSBURG, Enoch, 89f.92–95, u. a. zu Tertullian, Cyprian, Laktanz, Hilarius von Poitiers, Hieronymus, Rufin und Augustin. 93 Vgl. das Stemma bei S. UHLIG, Henochbuch, 491. 91

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Relativsätzen indirekte Wertungen liefert. Bei der Frage, wer oder was mit hemithei gemeint ist, interessieren also zunächst nur die Partizipien: „insuper decernentes sibimet ipsis pro domibus templa, erigentes aras nomini suo, ... caelum promittentes sibi, ... postremo deos esse adversus deum asserentes“.94 Die Partizipialkonstruktionen weisen eindeutig in den religiösen Bereich. Aus Zenos Ausführungen geht hervor, dass es für die Wesen, die er beschreibt, Tempel und Altäre gab, dass sie mit dem Himmel in Zusammenhang gebracht und für Götter gehalten wurden. Aus der Sicht Zenos liegt der Grund dafür in den oben genannten Eigenschaften der hemithei. Durch die ferocitas virtutis wurden die hemithei zu Zerstörern der Erde, durch die libidinis rabies zu Verursachern ihrer eigenen kultischen Verehrung (sibimet ipsis). Dies steht ihnen jedoch nicht zu und hat deshalb die Qualität einer Anmaßung, weil sie eindeutig der Sphäre der Erdbewohner zuzurechnen sind – sie bauten sich Tempel statt Häuser –, weil sie eigentlich zu den Menschen zu zählen wären – dieser Bezeichnung haben sie sich jedoch nicht als würdig erwiesen 95 –, weil sie sich damit jedoch nicht zufrieden gaben und sich so nicht nur gegenüber der Erde und den Mitmenschen vergingen, sondern v. a. gegenüber Gott. Als Folge trifft sie die Strafe Gottes. Eine ausdrückliche Bewertung folgt erst weiter unten innerhalb eines Rückverweises durch das dem religiösen Sprachgebrauch entlehnte Adjektiv detestabilis.96 Mittels eines Euhemerismus werden auch die hemithei, die eigentlich Wesen aus mythologischer Vorzeit sind, von Zeno entmythisiert zu menschlichen Vorfahren. Da ihnen jedoch aufgrund ihres unsittlichen Verhaltens das vocabulum hominum nicht zukommt, wird der mythologische Terminus hemithei beibehalten, er ist jedoch eindeutig pejorativ belastet. Durch diese Beschreibung rücken die hemithei ganz in die Nähe der zenonischen Einschätzung heidnischer Götter generell. Es handelt sich bei den hemithei um ‚selbstgemachte Götter‘. Sie werden von Zeno wieder durch den Gegensatz dii – deus charakterisiert.97 Durch die Antithese wird wiederum auf ihre Machtlosigkeit hingewiesen, die darin begründet ist, dass ihre Göttlichkeit lediglich Produkt ihres Hochmutes ist. 94

I 13,4. Ebd.: „qui a sanae mentis hominibus ne hominum quidem vocabulo digni iudicarentur.“ 96 I 13,6: „sicut est detestabilis qui, cum sit homo, deum se fingit“. Zu detestabilis als Terminus religiöser Sprache vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2103 (Lemma „detestor“). 97 I 13,4: „deos esse adversus deum“. 95

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Im Kontext einer Genealogie der Religionen, wie sie in Traktat I 13 vorliegt, ergibt es sich, dass diese Einschätzung insgesamt auf die Götter des Heidentums zu übertragen ist. Danach hat kultische Verehrung von Gottheiten – und eben das ist Heidentum, sowohl biblisches als auch römisches – ihren Grund in der Urzeit der Menschheitsgeschichte. Diese Urzeit ist nur mythologisch verbrämt fassbar, durch die Mythologisierung bekommt sie religiösen Charakter. Die Religion des Heidentums, auch die des gegenwärtigen, römischen ist noch auf diesem vorzeitlichen, mythologischen Stand. Das Heidentum ist religiöse Primitivform und damit als Vorgänger von Judentum und Christentum einzuschätzen. Dies dürfte durchaus übertragbar sein auf das Heidentum der zenonischen Gegenwart oder aber zumindest der jüngeren Vergangenheit unter Kaiser Julian. Zeno sagt dies zwar nicht explizit. So ließe sich aber sein polemischer Eifer erklären, der sich an dieser Stelle scheinbar nur gegen Wesen der Urzeit wendet. Im Vordergrund steht eine Verhältnisbestimmung der Religionen und implizit eine Ortsbestimmung des Christentums. Ob Zeno sich möglicherweise mit einer solchen Genealogie Urvolk – Judentum – Christentum, denen (inkonsequent aufgrund der Identifizierung von Urvolk und hemithei) hemithei, deus und Christus zugeordnet werden, gegen die Vorstellung ethnischer Götter, wie sie Kelsos und v. a. Julian vertraten,98 wandte, kann nur im Bereich des Hypothetischen bleiben. Die zeitliche Nähe zu Julian und gerade auch dessen Erstellung eines Zusammenhangs zwischen solchen „Ethnarchengöttern“ 99 und den Gottessöhnen und Giganten in Gn 6,2–4,100 deren letztere nach Julian ausdrücklich keine Menschen sind, sondern einer Verbindung von Sterblichen und Unsterblichen entstammen,101 könnten jedoch den Gedanken nahe legen, Julians Christenpolemik habe den aktuellen Anlass für den Traktat geliefert,102 und Zeno bemühe sich aus solchem Grunde, diese durch Julian 98

S. C. RIEDWEG, Mit Stoa und Platon gegen die Christen. Philosophische Argumentationsstrukturen in Julians Contra Galilaeos, in: Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 22.–25. September 1997 in Trier, hg. v. T. Fuhrer u. M. Erler, Stuttgart 1999, 55– 81, hier: 78–81. 99 Ebd., 79; vgl. J UL. Gal. 67,290 E (Testi e Commenti 9,163 Masaracchia): „fíá êáß ìüíïí däßäáóêå [sc. Ìùóyò] èåüí, ›éï˜ò äc ášôï™ ðïëëï˜ò ôï˜ò êáôáíåéìáìÝíïò ôN hèí.“ 100 Gn 6,4 in J UL. Gal. 67,290 C (Testi e Commenti 9,162 Masaracchia). 101 J UL. Gal. 67,290 D (Testi e Commenti 9,162 Masaracchia): „dê ãNñ èíôï™ êáß PèáíÜôï ìßîåùò PðïöÞíáóèáé [sc. Ìùóyò] ìïé äïêås ô’ ô§í ãéãÜíôùí ›ðïóôyíáé ãÝíïò.“ 102 Ließen sich über diesen Zufallsfund hinaus weitere Inhalte in Julians Schriften finden, auf die Teile aus Zenos Traktaten als Antwort bezogen sein könnten, gäbe dies

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wieder aufgekommene Vorstellung von heidnischen Göttern zu entmythisieren. Ein solcher Zusammenhang könnte auch ein Indiz dafür liefern, warum Zeno den ansonsten so ungebräuchlichen Terminus hemithei benutzt. Von seiner Bedeutung her deckt er sich genau mit der Umschreibung des Julian;103 da Julians Argumentation aber eben nur in Fragmenten vorliegt, kann man nicht ausschließen, dass er selbst genau diesen Terminus benutzt hat und damit auch die terminologische Vorgabe für Zenos ‚Replik‘ lieferte. 4. inferi und superi Da Zeno die heidnischen Gottheiten zu entmythisieren bemüht ist und zu ihrer Bezeichnung und gleichzeitigen Charakterisierung daher vorwiegend auf den Terminus daemones zurückgreift, können andere Begrifflichkeiten dagegen aus dem paganen Latein in den christlichen Sprachgebrauch übernommen werden.104 Dies gilt in den Traktaten insbesondere für das Begriffspaar inferi und superi. Es handelt sich ursprünglich um lokalisierende Adjektive, die substantiviert die Wesen der Unterwelt von denen der Oberwelt unterscheiden, also zunächst die verstorbenen von den noch lebenden Menschen, dann auch in Verkürzung die dii inferi, die Götter, die der Unterwelt zugeordnet werden, von den dii superi, denen des Himmels. Der bloße Plural der beiden Termini kann dann aber auch gleichsam als Pars pro toto jeweils wieder für den gemeinten Ort selbst, die Unter- bzw. Oberwelt, stehen. 105

Ähnlich benutzt Zeno das Begriffspaar, jedoch gänzlich ohne Anklang an heidnische Gottheiten. Den Terminus inferi benutzt er ganz neutral im Sinn von Totenwelt,106 die auch von Zeno möglicherweise noch lokal unter der Erdoberfläche angenommen wird.107 Diese Totenwelt war bis zur Erlösung der Menschheit durch Christus für alle Verstorbenen eine „Totennacht“ (ferales tenebrae), eine „immerwährende Kerkerqual“ (perpetui carceris poena perpetua), eine „unerbittliche Unterwelt“ (inplacabilis infernus).108 Erst durch die Überwindung des Todes durch die Auferstehung einen Hinweis auf eine genauere Datierung der Amtszeit Zenos. Eine solche vergleichende Untersuchung würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 103 Vgl. hier Anm. 101; vgl. auch die vorchristliche Bedeutung „demigod“ in H. G. LIDDELL / R. SCOTT / H. S. J ONES, Lexicon, 772. 104 Vgl. o. S. 226 zur fast ausschließlichen Anwendung des Terminus deus auf den christlichen Gott. 105 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 231f.2951f. 106 I 2,4.22; II 4,6.10; II 19,2. 107 In I 2,22 spricht er vom Samenkorn, das „conditum terrae … quasi ab inferis emersum superna“ sein Haupt erhebt. Allerdings deutet das quasi bereits auf ein Bild, so dass eine Identität von unterirdischem Raum und Unterwelt hier nicht zwingend gegeben ist. 108 II 4,6 in Anlehnung an VERG. Aen. 6,734 (250 Mynors).

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Christi hat der Mensch Hoffnung auf Überwindung auch seines Todes und Zutritt zum Lohn der Unsterblichkeit erhalten.109 Die damit eröffnete positive Seite des Jenseits bezeichnet Zeno nun jedoch keineswegs mit dem Terminus superi, wie man erwarten könnte. Vielmehr übernimmt er die Unterteilung der Totenwelt (inferi) in Tartarus als Ort verstorbener impii und Elysium als Ort verstorbener pii aus Vergil.110 Superi benutzt Zeno demgegenüber nur ein einziges Mal zur Bezeichnung der Oberwelt im Sinne des irdischen Lebens des Menschen. 111 Bigelmair übersetzt an dieser Stelle superi und inferi m. E. falsch: „Nicht Himmel und nicht Hölle hatten Schonung für das Abbild Gottes: der Herrscher Tod hatte es ganz in seine Gewalt genommen.“ 112 Er übersieht dabei, dass dieser Satz gewissermaßen die Summe des vorher Gesagten bildet: „Nec fuit ullus ulli usquam solacii locus. Nam hominem vivum, ut adhuc usque, consumebat labor, gemitus, impietas, dolor, aegritudo, miseria; mortui quippe corpus figuramque illam florentissimam edax in aeternum terra delebat; animam [sc. mortui] quoque feralibus tenebris relegatam perpetui carceris poena perpetua inplacabilis affligebat infernus. Non superi, non inferi parcebant simulacro dei: etenim mortis imperium sibimet vindicaverat totum.“113 Es gab keinen Ort des Trostes, weder Oberwelt (als Ort des homo vivus, zu dem möglicherweise auch der den Leib zerstörende Erdboden zu rechnen ist) noch Unterwelt (als Ort der anima mortui) schonten den Menschen als das Abbild Gottes. Denn das Reich des Todes hatte sich alles angeeignet.114 Es zeigt sich also, dass zur Zeit Zenos die Vorstellung von bestimmten Ober- und Unterweltswesen nicht mehr greift und die Terminologie daher 109 II 4,7: „Postremam suscipit mortem [sc. filius dei], ut ea devicta resurgens homini per hominem, quem gerebat, et spem vicendae mortis offeret et eum ad praemia inmortalitatis admitteret.“ 110 VERG. Aen. 6,542f. (244 Mynors) in I 2,4. 111 II 4,6: „Non superi, non inferi parcebant simulacro dei: etenim mortis imperium sibimet vindicaverat totum.“ 112 A. B IGELMAIR, Traktate, 149 (Hervorhebung B. D.). 113 II 4,6 (Hervorhebung B. D.). 114 Leider bietet die Verwendung des Superlativs superior durch Zeno keinen Hinweis, der diese Deutung von superi bestätigen oder auch widerlegen könnte. „Iam morte superior, iam caelestia aspirans“ in I 2,25 auf den Menschen nach der Taufe bezogen, hebt zwar auf eine Überwindung des Todes und eine Vorwegnahme der himmlischen Situation ab, die jedoch deutlich mit caelestia benannt ist. Die causae naturaeque „caeli huius et superiorum“ in I 34,1 differenzieren zwischen dem Ort und den Phänomenen, die sich in der Atmosphäre (aer; ebd.) abspielen. Mit superiora in II 9,8 schließlich wird auf ,Höheres‘ im Sinne von ,vorzüglicher, vornehmer, andere übertreffend, wichtiger‘ abgehoben; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2952.

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völlig losgelöst von diesen Vorstellungen verwendet werden kann, damit gewissermaßen ‚säkularisiert‘ ist. Dies fällt um so leichter, als hier auf die ursprüngliche Bedeutung zurückgegriffen wird. II. Einzelne Gottheiten Nach der Untersuchung des Vokabulars zur generellen Bezeichnung von heidnischen Gottheiten ist nun die Kenntnis, die Zeno von konkreten Gottheiten und Mythen hat, zu behandeln. Dabei kann es nicht allein darum gehen, die von Zeno explizit oder implizit genannten Götter zusammenzustellen. Sie sind v. a. auf ihr Verhältnis untereinander und zum Christentum zu untersuchen, um so mögliche Motivationen Zenos zu einer Auseinandersetzung mit den heidnischen Kulten aufzuspüren. 1. Iupiter, Hercules, Venus In Traktat I 1 spricht Zeno über die pudicitia und ihren Gegenpart, die impudicitia.115 In diesem Zusammenhang nennt er – scheinbar als beliebige Beispiele von vielen – die drei paganen Göttergestalten Jupiter, Herkules und Venus, um an ihnen den Zusammenhang von Zügellosigkeit (luxuria) und Götzenverehrung (idolatria) aufzuzeigen.116 Die Macht der impudicitia, deren Ziel die luxuria ist, zeigt sich eben an den Gestalten der Götter und ihren Taten, denn die impudicitia selbst hat die Götter erschaffen und sie in die Welt hineingebracht. Nur aus dem Grunde aufzuzeigen, wozu die Macht der impudicitia führen kann, erwähnt Zeno die Reihe der genannten Gottheiten und erinnert in knappen Anspielungen an ihr in den Mythen überliefertes Tun.117 Jupiter ist bei den Römern schon sehr früh der Name für den im gesamten indogermanischen Bereich vorkommenden Gott des Himmels, im italischen Bereich in den Anfängen von den Bauern v. a. als Wettergott auf Berggipfeln kultisch verehrt. Neben den Kult115

Zu den Personifikationen der beiden Eigenschaften s. u. S. 286–291. In diesem Punkt folgt Zeno inhaltlich T ERT. pudic. 5,4 (CChr.SL 2,1288,14–17 Dekkers), der einen ähnlichen Zusammenhang zwischen idololatria (sic) und moechia bzw. fornicatio herstellt. 117 I 1,11 und v. a. 12: „Non opus est ire per singula; quamvis et haec non fuerint dictu digna, tamen ad exprimendam vim impudicitiae visa sunt necessaria, ut sciat unusquisque ad idolatriam pertinere luxuriam.“ Das zenonische „non opus est ire per singula“ lässt an APUL. Socr. 12,145 (22 Moreschini) denken, der nach einer Reihe konkreter Götterbeschreibungen sagt: „Ac ne ceteros longius persequar“. Es schließt sich dort die Einordnung dieser Götter in die Gattung der Dämonen an, dann folgt in APUL. Socr. 12,146 (22 Moreschini) eine Beschreibung der ,Leidenschaften‘ der Götter des Mythos – „omnemque humani animi faciem pati [sc. poetae solent fingere]“ –, die zwar nicht sprachlich, aber sehr wohl inhaltlich an die zenonischen luxuria in I 1,12 passim erinnern. 116

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stätten in Rom, deren bedeutendste auf dem Kapitol lag, sind in quasi allen Gegenden Italiens und darüber hinaus in Noricum und Pannonien Jupiter-Tempel auf Bergeshöhen bekannt.118 Spätestens im 6. Jahrhundert v. Chr. wird Jupiter in Rom mit dem griechischen Zeus gleichgesetzt und erhält damit auch dessen politische Funktionen.119 Der Kapitolinische Jupiter des Staatskultes wird von den Numina gleichen Namens durch den Beinamen Optimus Maximus abgehoben. Als solcher ist er Schirmherr von Recht, Treue und Wahrheit.120 Von Rom ausgehend verbreitet sich der Kult des Jupiter Optimus Maximus mit der Errichtung von Capitolia in den Städten des Römischen Reiches. Der kapitolinische Kult behält bis in die Kaiserzeit hinein seine Bedeutung, Jupiter Optimus Maximus bleibt bis zum Untergang des Römischen Reiches „die göttliche Verkörperung seines Bestandes“.121 Neben dem Staatskult wird Jupiter aber auch im privaten Kult verehrt, sowohl als Jupiter Optimus Maximus als auch unter den Bezeichnungen für bestimmte Numina, etwa als Jupiter Tonans, Stator, Victor etc.122 Mit der Ausweitung des Römischen Reiches bzw. dem Eindringen fremder Kulte kann Jupiter sowohl aufgrund seiner einzigartigen Stellung im römischen Götterpantheon als auch aufgrund seiner breiten Palette an numinösen Eigenschaften v. a. in den Provinzen Funktionen nicht-römischer Gottheiten übernehmen; besonders bedeutsam wird die Gleichsetzung mit dem orientalischen Ba’al etwa als Jupiter Dolichenus. 123 Jupiter wird „in allen Teilen des Reiches an erster Stelle in Weiheinschriften genannt, und in der westlichen wie in der östlichen Reichshälfte werden mit Vorliebe die einheimischen Hauptgottheiten mit Juppiter O[ptimus] M[aximus] gleichgesetzt, so dass dieser gewissermaßen die Gesamtheit der im Reiche verehrten Gottheiten in sich vereinigt“. 124 Anders als Zeus fehlen dem römischen Jupiter ursprünglich ethisch störende Züge. Als reiner, strenger, v. a. mythenloser Gott entspricht er dem, was man vom höchsten Gott erwarten würde.125 Dass dies jedoch auch als ein Manko empfunden wurde, belegt die Adaption der Mythen, die sich um Zeus ranken, v. a. in der römischen Dichtung. Dort tritt Zeus-Jupiter nach der Sicherung seiner Position als höchster Gott durch gewaltige Kämpfe gegen Titanen und Giganten als unumschränkter Herr über Götter und Menschen auf und zeichnet sich durch seine zahlreichen Verbindungen mit göttlichen und menschlichen Gemahlinnen oder Geliebten aus. 126

118

S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 79.80, Anm. 1; auch G. RADKE, Die Götter Altitaliens, Fontes et Commentationes 3, Münster 1965, 156; G. W ISSOWA, Religion, 114.116. 119 S. G. RADKE, Götter, 158. 120 S. G. W ISSOWA, Religion, 118.125; K. P RÜMM, Handbuch, 68. 121 G. W ISSOWA, Religion, 128. 122 Vgl. etwa G. RADKE, Götter, 156–158; G. W ISSOWA, Religion, 115–125 u. ö.; H. HUNGER, Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Reinbek bei Hamburg 6 1974, 203. 123 Vgl. K. P RÜMM, Handbuch, 656f.; H. HUNGER, Lexikon, 203; zu Dolichenus s. ebd., 117f. 124 S. G. W ISSOWA, Religion, 129. 125 S. K. P RÜMM, Handbuch, 68. 126 Vgl. H. HUNGER, Lexikon, 429f.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

An die Inhalte dieser Mythen dürfte Zeno denken, wenn er in der knappen Erwähnung Jupiters davon spricht, dass dieser aufgrund unzähliger Verbrechen zum maximus geworden sei.127 Die Kenntnis dieser crimina wird offensichtlich von ihm bei den Zuhörern vorausgesetzt, ohne dass er auch nur eine Anspielung darauf anbringen müsste.128 Welche konkreten mythologischen Daten Zeno an dieser Stelle vor Augen schweben, kann von daher nicht gesagt werden. Die aufwendige attributive Erläuterung innumerabilibus variis magnisque deutet jedoch in die Richtung, dass Jupiter als der größte der heidnischen Götter wohl auch die zahlreichsten Taten, und in den Augen Zenos natürlich Untaten, aufzuweisen habe. Interessant ist, dass Jupiter von Zeno tatsächlich als maximus bezeichnet wird. Hier klingt deutlich der im gesamten Reich verbreitete Beiname Optimus Maximus durch. Für Zeno beinhaltet dieser Titel nicht mehr die Abgrenzung des politischen Jupiter von den Numina – wie wohl kaum mehr in der Spätantike die Entstehung des Beinamens bewusst gewesen sein dürfte.129 Vielmehr versteht er das maximus als Ausdruck für die Stellung Jupiters als höchster unter den heidnischen Gottheiten. Darauf deutet auch die Erwähnung Jupiters an erster Stelle innerhalb der zenonischen Aufzählung der drei Gottheiten. Diese Stellung Jupiters als höchster unter den heidnischen Göttern wird von Zeno auch keineswegs in Frage gestellt. Er entzieht diesem Gott jedoch das Epitheton optimus, das eine eindeutig positive Stellungnahme beinhalten würde. Vielmehr wird das optimus von Zeno in sein Gegenteil verkehrt, wenn er die crimina als Grund für die Stellung Jupiters anführt. Er erscheint damit als der ‚Größte unter Verbrechern‘. Damit wird auch für die folgenden Gottheiten der Tenor der Einschätzung vorgegeben. Jupiter vereinigt als maximus quasi alle schlechten Eigenschaften aller ihm unterstehenden Götter in sich.

127 I 1,11: „Ipsa [sc. impudicitia] Iovem innumerabilibus variis magnisque criminibus maximum fecit.“ Vgl. auch I. OPELT, Polemik, 80f.: „Der erste dieser dii selecti wird, nicht anders als schon von Tertullian, vornehmlich wegen seiner Liebschaften attackiert. … Mit einer Reihe von metonymisch gebrauchten Abstrakta wird der oberste Gott schließlich zum Ausbund der Verbrechen“. 128 Bei dieser bloßen Andeutung von Untaten folgt Zeno indirekt Laktanz; vgl. I. OPELT, Polemik, 78. – Selbst wenn Christen sich von Kult und vielmehr noch vom Theater, das der eigentliche Ort der Vermittlung diesbezüglicher Kenntnisse gewesen sein dürfte, distanzierten, konnten sie als Teil der Gesellschaft sich einer Kenntnis, so sie nicht noch aus ihrer persönlichen Bildung vor dem Übertritt zum Christentum stammte, vermutlich überhaupt nicht entziehen: So schreibt etwa F. J. DÖLGER, Nonna, AuC 5, 1936, 44–75, hier: 60: „Oftmals wurden die im Theater gehörten Gesänge zu Liedern der Straße und zum Volksgesang.“ 129 Zur ursprünglichen Bedeutung G. RADKE, Götter, 159; vgl. auch G. W ISSOWA, Religion, 125f.

C. Theologia mythica – Götter, Gestalten, Orte

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Direkt an die knappen, aber eindeutigen Ausführungen zu Jupiter schließt Zeno die Erwähnung des Herkules an. Bei Herkules, abgeleitet vom griechischen Herakles, handelt es sich um einen deus novensidis, der vermutlich über Unteritalien und Latium nach Rom gelangt ist. Sein Kult in Rom reicht bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. oder noch früher zurück. Neben die älteste griechische Schicht tritt zu Beginn des 4. Jahrhunderts eine italische, die die apotropäische Kraft des Herkules betont.130 Trotz der griechischen Herkunft wird der Kult des Gottes sakralrechtlich nicht als fremder behandelt, sondern es wird sogar jährlich ein staatliches Opfer dargebracht, allerdings nach griechischem Ritus. Dieses prätorische Opfer an der Ara maxima in Rom wird nachweislich bis in die Zeit Konstantins des Großen gepflegt. Auch das sacrum Herculi, der Stiftungstag eines HerkulesTempels, spielt in der Kaiserzeit noch eine bedeutende Rolle und wird beispielsweise mit Zirkusspielen gefeiert.131 Schon in früher Zeit wird Herkules nicht nur in Unteritalien und Latium verehrt, es finden sich auch archaische Inschriften, die einen Kult in den Adria-Regionen und im Apennin belegen. Dies bestätigt auch Dionysios von Halikarnass (um 30 v. Chr.), wenn er sagt, man finde in Italien nicht leicht eine Gegend, in der man den Kult des Herkules nicht kenne.132 Sowohl in Rom als auch in den übrigen Gebieten verfügt der HerkulesKult „über eine Fülle kleiner Heiligtümer, die private Dankbarkeit dem Gott errichtet hat.“ 133 Herkules wird verehrt als Invictus, im römischen Denken jedoch weniger im kriegerischen Sinn. Er gilt als der Patron der Kaufleute und des Gewinns. 134 So wird ihm in vorchristlicher Zeit der Zehnte geweiht, in der Kaiserzeit geht man davon jedoch wieder ab.135 Auf dem Land wird er v. a. als Hercules Domesticus, also als Beschützer des Anwesens verehrt. In der Kaiserzeit wird er auch zum comes et conservator dominorum nostrorum. „Wenn sich dagegen die Kaiser selbst ... als Hercules feiern lassen, so ist dabei an den unbesieglichen Überwinder aller Gefahren und Ungeheuer gedacht, wie ihn der griechische Mythos darstellte.“ 136 Auch in den Provinzen spielt Herkules als interpretatio Romana barbarischer Gottheiten eine Rolle, so im punischen, illyrischen, keltischen und germanischen Bereich. 137 Im griechischen Mythos gilt Herakles als Sohn des Zeus und der Alkmene, also als Halbgott, und wird als Heros verehrt. Die Gefahren, die Herakles schon als Kind, dann aber auch als Erwachsener zu überstehen hat, entstammen der Eifersucht der Hera, der Gattin des Zeus. Besonders bekannt sind die zwölf Taten, der Dodekathlos, die Herakles im Auftrag des delphischen Orakels im Dienst des Eurystheus erfüllt. Der Mythos stellt Herakles nicht nur als tapfer und heldenhaft dar, der Heros weist auch stark aufbrausende Züge auf, die ihn seine übermenschliche Kraft häufig missbrauchen lassen. Als Strafe für Vergehen gegen Apollo gilt sein Dienst als Sklave bei der lydischen Königin Omphale. Während seiner einjährigen Dienstzeit verweichlicht der 130

S. G. RADKE, Götter, 141f. S. G. W ISSOWA, Religion, 274–276. 132 S. ebd., 272, v. a. Anm. 5; auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 214. 133 K. LATTE, Religionsgeschichte, 220. 134 S. ebd. 135 S. ebd., 216, auch Anm. 4; vgl. auch G. W ISSOWA, Religion, 279. 136 Ebd., 282. 137 S. ebd., 284. 131

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Heros so sehr, dass er Löwenfell und Keule, die Attribute seiner Heldenhaftigkeit, an Omphale abgibt und sich in Frauenkleidern ans Spinnrad setzt. Der Hellenismus betont das Liebesverhältnis zwischen Herakles und Omphale und malt den Rollentausch zwischen Mann und Frau drastisch aus; die erotische Hörigkeit des Heros wird geradezu zu einem Topos.138 Von den Satyrspielen, Komödien, aber auch den Tragödien, die den Stoff behandelten, ist nur relativ wenig erhalten.139 Jedoch greift auch die antike Malerei und Plastik gerne das Thema auf. 140 Das Erhaltene insgesamt lässt darauf schließen, dass der Stoff im gesamten Bereich der griechisch-römischen Welt hinlänglich bekannt war.141 Neuerdings scheint zudem ein Papyrus-Fragment die Rezeption des OmphaleStoffes im Mimus nahezulegen,142 so dass nicht nur eine weite lokale Verbreitung, sondern auch eine solche quer durch alle gesellschaftlichen Schichten angenommen werden kann. Andererseits kann eine jüngere Untersuchung des Stoffes aufzeigen, dass der Rollentausch des Herakles nicht allein als eine abirrende hellenistische Zutat zum Mythos oder übertreibende Erfindung ‚priapischer‘ römischer Liebesdichtung abgetan werden kann, 143 sondern er schon klassisch die Deutungsmöglichkeit als eine Art Übergangsritus des Helden zu seinem neuen Status als Gott beinhaltete, die Episode die Heldenhaftigkeit des Herakles also vielmehr bestätigt.144 So bleibt Herakles in antiker Deutung insgesamt weitgehend der Heros, der die Erde von zahllosen menschlichen und tierischen Ungeheuern befreit und dafür in den Himmel aufgenommen wird und Unsterblichkeit erlangt. Seine körperlichen und charakterlichen Eigenschaften machen ihn zum Sieger in allen Kämpfen, aber auch zum großen Nothelfer und Heiland der Menschen. Die ethischen Vorzüge des Herakles werden v. a. von der griechischen Philosophie in den Vordergrund gestellt, während der Mythos ihn auch als grobsinnlichen Genüssen hingegebenen Naturburschen zeichnet. 145

Zeno greift auch bei der Darstellung des Herkules auf den Mythos zurück. Naheliegenderweise stellt er auch bei ihm Negatives in den Vordergrund, 138

S. G. HERZOG-HAUSER, Art. Omphale, PRE 1. Reihe XVIII, 1939, 385–396, hier: 390; H. HUNGER, Lexikon, 290f.163–167. 139 S. H. HUNGER, Lexikon, 291. – Zur literarischen Verarbeitung in Tragödie und Komödie s. G. K. GALINSKY, The Herakles Theme. The Adaptations of the Hero in Literature from Homer to the Twentieth Century, Oxford 1972, 46f.92.154–157, und besonders G. HERZOG-HAUSER, Omphale, 390f.; M. SILVEIRA CYRINO, Heroes in D(u)ress. Transvestism and Power in the Myths of Herakles and Achilles, Arethusa 31, 1998, 207– 241, hier: 217–226; zur Verarbeitung insgesamt, namentlich bei Sophokles, Ion, Achaios, Diodorus Siculus, Properz, Ovid, Seneca, Statius, Achilleus Tatios, Plutarch, Apollodor, Hygin, Lukian knapp V. N. J ARCHO, Zu dem neuen Mimos-Fragment (P. Oxy. 53,3700), ZPE 70, 1987, 32–34, hier: 34, Anm. 3. 140 S. H. HUNGER, Lexikon, 290f.163–167; auch M. SILVEIRA CYRINO, Heroes, 215, und v. a. K. SCHAUENBURG, Herakles und Omphale, RMP 103, 1960, 57–76. Ders., 57, merkt an, dass die erhaltenen Darstellungen fast ausschließlich der Kaiserzeit entstammen. 141 S. V. N. J ARCHO, Mimos-Fragment, 33f. 142 S. ders., passim. 143 S. M. SILVEIRA CYRINO, Heroes, 214f. 144 S. ebd., 216–226. 145 S. H. HUNGER, Lexikon, 167f.

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und zwar die Beziehung zu Omphale, über die sich schon die vorchristliche Antike belustigt, die Zeno aber vermutlich hier in Anlehnung an Tertullian und Laktanz,146 aus deren Repertoire er häufig schöpft, aufgreift. Die libido, aufgrund derer Herkules der Omphale unterliegt, ist nach Zeno das Instrument der personifizierten impudicitia.147 Diese ist für Zeno noch schlimmer als Hera, die Stiefmutter des Herakles. Während Hera aus wohlberechtigter Eifersucht den Herakles bekämpft, ihn jedoch dadurch erst zum Helden werden lässt, ist es die Gier der impudicitia, die den Heros der Lächerlichkeit preisgibt (turpiter) und ihn dadurch besiegt (vicit). Stärker als bei der Darstellung des Jupiter hebt Zeno bei Herkules jedoch auch die positiven Seiten des Gottes hervor. 148 Während Jupiter nur scheinbar durch das Epitheton maximus einen positiven Zug erhält, wird die Stärke des Herkules anerkannt. Selbst die terribilis turba monstrorum – Zeno denkt hier wohl an die zwölf Taten und andere Abenteuer des Helden – vermag nicht, ihn zu überwinden. Dahinter steckt eine gewisse An146

Der Testimonienapparat in der Ausgabe von B. LÖFSTEDT, Tractatus, 11, nennt keine wörtliche Parallele; vgl. jedoch T ERT. pall. 2f. (CSEL 76,115f.,32–53 Bulhart): „uterque habitus mutandi malus, alter adversus naturam, alter contra salutem. Turpius adhuc libido virum cultu transfiguravit quam aliqua materna formido … Tantum Lydiae clanculariae licuit, ut Hercules in Omphale, et Omphale in Hercule prostitueretur … Qualis ille Hercules in serico Omphales fuerit, iam Omphale in Herculis scorto designata descripsit.“; LACT. inst. 1,9,6f. (CSEL 19,1,32,8–17 Brandt): „Ex quo fit ut ille solus vir fortis debeat iudicari, qui temperans et moderatus et iustus est. Quodsi cogitet aliquis quae sint dei opera, iam haec omnia quae mirantur homines ineptissimi ridicula iudicabit. Illa enim non divinus virtutibus, quas ignorant, sed infirmitate suarum virium metiuntur. Nam illut quidem nemo negavit, Herculem non Erystheo tantum servisse regi, quod aliquatenus honestum videri potest, sed etiam inpudicae mulieri Omphalae, quae illum vestibus suis indutum sedere ad pedes suos iubebat pensa facientem. Detestabilis turpitudo! Sed tanti erat voluptas.“; LACT. epit. 7,3f. (CSEL 19,1,681,12–17 Brandt): „ipse [sc. Hercules] vitiis genitoris addictus nec feminis umquam nec maribus abstinuit orbemque totum non tam gloriae quam libidinis causa nec tantum ad necandas beluas quantum ad serendos liberos peragravit. Cumque esset invictus, ab una tamen Omphale triumphatus est, cui clava et spolio leonis tradito indutus ipse feminea veste atque ad pedes mulieris abiectus pensa quae faceret accepit.“ Dazu auch I. OPELT, Polemik, 82: „Hercules kommt nicht besser weg [sc. als Jupiter]. Sein Mythos war in vielen Punkten anstößig … Die Omphaleepisode war besonders anstößig: hier lässt Lactanz den Triumph der Frau über den Unbesiegten, seine weibliche Tracht mit seinen traditionellen Waffen, Keule und Löwenfell, kontrastieren“. 147 Vgl. die hier Anm. 146 genannten Stellen bei Tertullian und Laktanz. 148 Dies deckt sich mit der Darstellung des Herkules bei anderen Autoren der Kaiserzeit und der Spätantike; s. O. ZWIERLEIN, Senecas Hercules im Lichte kaiserzeitlicher und spätantiker Deutung, AAWLM.G 6, Mainz 1984, 7 und 32f., Anm. 75. Diese rekurrieren weitgehend auf die Darstellung des Heros in den Tragödien des Seneca, die zwischen 380 und 394 eine Neu-Edition erfuhren, was auf die Bedeutung des Heros für das Selbstbewusstsein des Heidentums und die Auseinandersetzung desselben mit dem Christentum Einfluss hatte; s. ebd., 5–7.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

erkennung. Aber – so der von Zeno genannte Einwand – selbst eine so starke und heldenhafte Gestalt wie Herkules wird Opfer der impudicitia. Sie ist schlimmer und v. a. mächtiger als die eifersüchtige Göttin Hera und selbst als die schrecklichen Ungeheuer.149 Gewollt oder ungewollt imitiert Zeno auf diese Weise den Umgang eines Ovid mit dem Stoff, der einerseits in politisch subversiver Absicht (gegen Augustus) auf die Schwäche des Helden in der Omphale-Episode abhebt, gleichzeitig aber der Dominanz des kanonischen Heros durchaus wieder zur Geltung verhilft. 150 Ob Zeno in ähnlicher Manier hier mit seiner Mythenkritik zugleich gegen die gezielt wider das Christentum gewandte Favorisierung des Heros durch Kaiser Julian polemisiert, kann nur im wenn auch nicht unplausiblen Bereich des Hypothetischen bleiben.

Schließlich bleibt festzuhalten, dass die Macht der Hera und die der Ungeheuer von Zeno nicht in Frage gestellt wird. Sie ist jedoch geringer als die der impudicitia, die ihre Macht dem Teufel verdankt. Insofern ist sie also erst recht geringer einzuschätzen als die des christlichen Gottes. Indirekt werden so Götter, Heroen und Ungeheuer an ihm gemessen. Auch bei der Beschreibung des Herkules setzt Zeno also bei den Zuhörern die Kenntnis des Mythos voraus, was angesichts der Beliebtheit des Stoffes in Komödie und Mimus verständlich wird. Auf die Eifersucht der Hera wird lediglich durch noverca deterior angespielt, für die Taten des Herkules stehen die Ungeheuer (turba monstrorum), der Name Omphale fällt ohne jegliche Erläuterung. Ausführlicher fällt die sich anschließende Charakterisierung der Venus aus. Die Beschreibung zeigt deutlich, dass Zeno nicht eigentlich an die italische Göttin denkt, die ursprünglich als Vegetationsgöttin verehrt wird. Er beschreibt vielmehr die griechische Aphrodite, mit der Venus spätestens im 3. Jahrhundert v. Chr. gleichgesetzt wird. 151 Seine Beschreibung hebt im Übrigen deutlich auf die bildliche Darstellung der so genannten Venus pudica ab. Mit dem Terminus Venus pudica bezeichnet man in Archäologie und Kunstgeschicht solche bildlichen Darstellungen der Venus, die die Göttin unbekleidet zeigen, wobei sie mit einer Hand den Schoß bedeckt, mit der anderen die Brust. Als monumentale Vorlage gilt die Knidische Venus des Praxiteles, Nachahmungen sind die Kapitolinische und die Mediceische Venus. Diese Vorbilder aus hellenistischer Zeit haben zu zahlreichen Nachbildungen in der Kaiserzeit geführt. Nicht selten sind die kaiserzeitlichen Statuen mit Porträtköpfen sowohl von Privatpersonen wie auch von Kaiserinnen versehen. 152 149

I 1,11: „Ipsa [sc. impudicitia] Herculem noverca deterior in Omphales libidine turpiter vicit, quem terribilis turba monstrorum superare non potuit.“ 150 Vgl. M. SILVEIRA CYRINO, Heroes, 220–226, besonders 221.226. 151 Vgl. K. LATTE, Religionsgeschichte, 185; vgl. auch G. RADKE, Götter, 311. 152 S. E. SCHMIDT, Art. Venus, LIMC VIII / 1, 1997, 192–230, hier: 204f.

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Gerade die Ausstattung mit Porträtköpfen könnte möglicherweise zur Identifikation mit der im Privatkult verehrten Venus Pudica und zur (neuzeitlichen? 153) Übertragung der Terminologie auf diesen Typ Statue geführt haben. Kultisch verehrt wird Venus besonders bei den Latinern, ursprünglich nicht als Liebesgöttin, sondern als Personifikation göttlicher Gnade. 154 Der früheste römische Tempel ist jedoch bereits der Venus als Liebesgöttin geweiht. Als solche spielt sie allerdings in der Dichtung eine sehr viel größere Rolle als im Leben und im Kult.155 Erst durch Caesar gewinnt Venus als Genetrix an Bedeutung; kaiserzeitliche Weihungen belegen die private Verehrung der Venus Pudica. In den Provinzen hat die Verehrung der Venus im privaten Bereich eine etwas stärkere Bedeutung, wenn Weihungen an Venus in honorem oder in memoriam einer Frau vorgenommen werden. 156 Außerdem besteht die Neigung, Lokalgöttinnen in Veneres umzuschmelzen.157 Dichtung und bildende Kunst orientieren sich ganz an der griechischen Aphrodite des Mythos. Die Tochter des Zeus und der Dione gilt als Göttin der geschlechtlichen Liebe und der Schönheit. Sie schützt die Liebenden und straft die Verächter der Liebe. In späterer ethischer Deutung unterscheidet man zwischen der ‚himmlischen‘ Göttin der edlen Liebe (Urania) und der ‚dem ganzen Volk gehörenden‘ (Pandemos) als Göttin gemeiner Sinnlichkeit.158 Die Beziehung der Venus zu Ares wird dagegen schon von der homerischen Götterburleske ausgestaltet. Aus dieser Verbindung geht u. a. Eros hervor. In der bildenden Kunst ist Venus zusammen mit dem verspielten Knaben ein beliebtes Motiv. Aber auch sonst dient Venus als Motiv für die „Verknüpfung des Begriffes körperlicher Schönheit mit dem schöner Kunstwerke“.159

Eben darauf hebt auch Zeno, wieder ganz in Anlehnung an Laktanz, 160 in seiner Beschreibung der Venus ab. Es scheint, als beschreibe er zunächst nur eine bildliche Darstellung, wenn er sie „am ganzen Körper entblößt

153

Die einschlägige Fachliteratur lässt diese Frage unbeantwortet. S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 184. 155 S. ebd., 187. 156 S. ebd., 188f. 157 S. G. RADKE, Götter, 311. 158 S. H. HUNGER, Lexikon, 44. 159 H. HUNGER, Lexikon, 45; dort auch eine Zusammenstellung antiker Venusplastiken. 160 Auch hier nennt der Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 11, keine wörtliche Parallele; s. aber I. OPELT, Polemik, 82f.: „Von den Göttinnen werden nur Venus … und Minerva der Kritik unterzogen; immer wieder wegen ihrer behaupteten Unzüchtigkeit. … Mit einem disqualifizierenden Relativsatz attackiert Lactanz die Göttin [sc. Venus], man zähle bei ihr mehr Liebschaften als Kinder: cuius plura numerantur adulteria quam partus (div. inst. 1,17,11). Wegen ihrer Erscheinungsform als Nackte und ihrer zahlreichen Liebschaften … trifft sie Lactanz: als dea nuda et adultera et quasi apud deos prostituta (div. inst. 5,10,15).“ Das von Laktanz verwendete Vokabular klingt deutlich in Zenos Beschreibung der Venus als denudata, die post multa adulteria … prostituit, in I 1,11 durch. 154

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

und mit gewölbten Handflächen sich zu bedecken suchend“ nennt. 161 Dass er diese genaue Beschreibung voranstellt, deutet an, dass Zeno die im Kult verehrten positiven weiblichen Eigenschaften der Venus auf die Körperlichkeit reduziert versteht. Die bildlichen Darstellungen dienen seines Erachtens als Beleg auch für die innere, geistige Verderbtheit, sie belegen das animi sui vitium et corporis.162 Durch die Anspielung auf solche verbreiteten bildlichen Darstellungen der Venus gewinnt – (neuzeitlich) verstärkt durch die archäologische Fachterminologie – die Polemik eine besonders ironische Spitze: Zeno kritisiert die im heidnischen Privatkult als besonders pudica verehrte Göttin, indem er sie als Geschöpf der impudicitia erweist. Dies wird fortgesetzt, wenn Zeno im Anschluss an die Beschreibung auf den Mythos abhebt. Er denkt vermutlich an die Kinder der Aphrodite, die aus dem Ehebruch gegenüber ihrem Gatten Hephaistos mit Ares hervorgehen (multa adulteria) und den Zuhörern aus der Burleske bekannt sein dürften (spectacula totius mundi).163 Der negative Ton der Beurteilung liegt ganz am Ende der zenonischen Ausführungen im Verb prostituit. Damit wird Venus eher indirekt bewertet, das Urteil trifft auch hier die eigentliche Ursache, die impudicitia, die das Beschriebene bewirkt. Nachdem die einzelnen Gottheiten der Auflistung in Traktat I 1 vorgestellt sind, ist nun zu fragen nach den Auswahlkriterien Zenos, gerade diese Götter anzuführen. Im Kontext des Traktates stehen Jupiter, Herkules und Venus exemplarisch für die Ergebnisse des Einwirkens der impudicitia auf das Weltgeschehen.164 Dass jedoch der griechische und auch in dieser Form römisch adaptierte Mythos genügend andere Beispiele für luxuria liefern könnte, belegen die vielfältigen Polemiken der Kirchenväter im Allgemeinen. 165 Der Text selbst liefert keine Anhaltspunkte für die Auswahl Zenos; es handelt sich hier also um eine religionsgeschichtlich gesprochen ‚syntaktische Verbindung‘ ohne Deutung.166 Es sind jedoch Hypothesen zur dahinterstehenden ‚semantischen‘ 167 Motivation Zenos denkbar, die durch extraliterale Befunde gestützt werden können.

161 I 1,11: „Venerem membris omnibus denudatam, convexis manibus se tegere conantem“. Vgl. auch F. E. VOKES, Zeno, 132f. 162 I 1,11. 163 Vgl. o. S. 106f. 164 I 1,11: „intulit mundo“. 165 S. etwa M. FIEDROWICZ, Apologie, 234, Anm. 20. 166 S. J. RÜPKE, Religion, 114–116. 167 S. ebd.

C. Theologia mythica – Götter, Gestalten, Orte

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Naheliegend ist die Vermutung, dass die drei genannten Gottheiten in Verona eine besondere Verehrung erfuhren, wenn auch Zeno selbst in der Auflistung keine Anspielungen auf einen spezifischen Kult dieser Gottheiten macht. Die vorausgesetzte Kenntnis der Mythen wird von Zeno in Zusammenhang mit kultischer Verehrung gebracht, wenn zum einen vorausgeschoben wird, dass in den Göttern der Teufel angebetet werde, 168 zum anderen angefügt wird, dass die angeführten Beispiele dazu dienen, die Beziehung von luxuria und idolatria aufzuzeigen, in der schändliches Tun gefeiert und nachgeahmt werde.169 Wie oben bereits ausgeführt wurde, darf die Verehrung aller drei in Traktat I 1 genannten Gottheiten im gesamten Gebiet des Römischen Reiches als gesichert gelten. V. a. für die spätantike Epoche kann kein Zweifel daran bestehen, dass die römischen Kulte bzw. die romanisierten griechischer Provenienz auch in die entlegeneren Reichsgebiete vorgedrungen sind, wobei sie besonders in den Provinzen mit einheimischen Kulten verschmelzen. Dennoch ist die Frage nach einer genauen Datierung und die differenzierte Analyse der Ausgestaltung der einzelnen Kulte im lokalen Rahmen mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da die Untersuchung sich in der Regel neben den wenigen literarischen Zeugnissen hauptsächlich auf epigraphisches oder archäologisches Material stützen muss. Dies gilt auch für die Untersuchung der Kulte in Verona und seiner Umgebung.170 Die Verehrung des Jupiter in Verona und Umgebung wird deutlich durch das archäologische Material belegt. Sowohl in der Stadt wie in der Umgebung gefundene Weiheinschriften als auch der Namenszug des Jupiter auf zahlreichen Tonlampen im Museo Archeologico von Verona belegen die Hochschätzung des Gottes vor allen anderen Gottheiten. Besondere Verehrung genießt er als Jupiter Optimus Maximus, Optimus Maximus Augustus und Optimus Maximus Conservator. Mit Numina wird er in Verbindung gebracht durch die Beinamen Lustralis oder Summanus, weiterhin wird er verehrt als Victor und Sanctus.171 Orientalische Einflüsse spiegeln die Bezeichnungen Jupiter Serapis bzw. Serapis Optimus Maximus und Jupiter Dolichenus bzw. Jupiter Ammon, rätischen Einfluss der Name Jupiter Felvennis.172 Die hervorragende Rolle des Jupiterkultes 168

I 1,11: „in quibus diabolus colitur“; vgl. auch I 46B,1: „A diaboli rabie idolorumque turba violenta ... nostri maiores [sc. liberati sunt]“. 169 I 1,12: „ad idolatriam pertinere luxuriam ... dum blanda festivitate facinorosa facinorosorum et colenda crimina et imitanda persuadet.“ 170 Im Folgenden werden die archäologischen Funde aus Verona-Stadt und aus dem Agro Veronese, d. h. der heutigen Provincia di Verona, sowie aus Teilen der heutigen Provincia di Vicenza Berücksichtigung finden, wie von der archäologischen Karte für Verona vorgegeben. Dieses Gebiet deckt sich mit dem antiken Einzugsbereich der Stadt; s. SOPRINTENDENZA ALLE ANTICHITÀ DELLE VENEZIE (Hg.), Edizione archeologica della carta d’Italia al 100.000. Foglio 49 (Verona), Florenz 1975 (im Folgenden zitiert als SOPRINTENDENZA, Edizione); zu den Schwierigkeiten s. F. SARTORI, Verona, 231. 171 S. F. SARTORI, Verona, 232.236.239; auch C. B. P ASCAL, The Cults of Cisalpine Gaul, CollLat 75, Brüssel 1964, 80–82. 172 F. SARTORI, Verona, verzichtet in seinem Überblick über Kulte in Verona auf Belege. Nachweisen lassen sich mit Hilfe der SOPRINTENDENZA, Edizione, folgende Zeugnisse:

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

in Verona belegt selbst noch zu Anfang des 9. Jahrhunderts der Autor des Versus de Verona, der eine Verehrung des Jupiter neben anderen Göttern in Verona erwähnt. 173 Für den Episkopat Zenos weisen die archäologischen Befunde inzwischen jedoch darauf, dass zumindest ein Kult des Jupiter Optimus Maximus im kapitolinischen Tempel Veronas nicht mehr stattfand.174 Eine besondere Rolle des Herkules ist spätestens seit der Zeit des Augustus für die Region zwischen Padua und den Alpen insgesamt zu konstatieren, 175 eine besondere Konzentration der Inschriften ist für Mailand und Brescia festzustellen.176 Dabei begegnet Herkules vermutlich in Form einer schon frühen Assimilierung einer lokalen Gottheit bzw.

In Verona-Stadt: (1) Verehrung des Jupiter Optimus Maximus im Tempel des Capitolium (Nr. 102f.); (2) vier Votivinschriften an Jupiter lustralis (Nr. 92 und 94); (3) ein Jupiter-Serapis-Tempel (Nr. 42); (4) ein Votivaltar an Jupiter Dolichenus (Nr. 95). Im Umland von Verona: (5) eine Jupiter-Darstellung in einer Bronzegruppe (Nr. 38); (6) eine Dedikation an Jupiter ohne Beinamen (Nr. 17); (7) zwei Dedikationsinschriften und ein Votivaltar für Jupiter Optimus Maximus (Nr. 13, 22, 39); (8) zwei weitere Inschriften mit dem Namen des Jupiter Conservator (Nr. 36). Einen weiteren Votivaltar für Jupiter Optimus Maximus publizierte A. B UONAPARTE, Nuove iscrizioni di Verona, Epig. 52, 1990, 159–177. Eine künstlerisch nicht unbedeutende Jupiter-Bronze, die aus Verona stammt, behandelt L. B ESCHI, Una statuetta bronzea di Giove dai pressi di Verona, BMAH 4. Ser. 38 / 39, 1966 / 1967, 45–62. Zu den Inschriften s. auch B. FORLATI T AMARO, Iscrizioni votive di Verona, Epig. 4, 1942, 159– 166, hier: 163f.; dies., 164, Anm. 1, belegt die Inschrift des Jupiter Felvennis in der Valpolicella. Vgl. F. SARTORI, Verona, 236. In der weiteren Umgebung Veronas belegen 17 Inschriften in Aquileia die Verehrung des Jupiter, s. A. CALDERINI, Aquileia Romana. Ricerche di storia e di epigrafia, StHis 81, Rom 1972, 143–150, sowie 43 Weihungen im Bereich Istriens, s. K. P RÜMM, Handbuch, 783. Auch für Noricum gilt Jupiter als der meist verehrte Gott, ebd., 778. C. B. P ASCAL, Cults, 16, schreibt bezüglich des Jupiter Optimus Maximus: „The greatest concentrations of extant inscriptions are at Aquileia, the foothill communities of Verona and Brescia“. Stark vertreten ist Jupiter Optimus Maximus auch in der Venezia Tridentina; s. A. DEGRASSI, I culti romani della Venezia Tridentina, AV 5. Ser. 26, 1940, 95–112, hier: 97f. Dort wird er auch als Jupiter Optimus Maximus Dolichenus verehrt; s. ebd., 111. 173 S. VERSUS DE VERONA 5 (MGH.PL 1,120 Dümmler); vgl. A. SCOLARI, Vicende, 207, Anm. 5. 174 S. o. S. 62, Anm. 112 und S. 64, Anm. 113. 175 R. CHEVALLIER, Un aspect de la personnalité de l’Hercule alpin, Atti del Centro studi e documentazione sull’Italia romana 7, 1975 / 1976, 137–155, hier: 137, spricht daher von einem „Hercule padan ou plutôt subalpin“. V. a. in der Kaiserzeit spielt der Herkules-Kult sowohl privater wie offizieller Natur in ganz Oberitalien eine bedeutende Rolle, seine Anhänger sind in allen Schichten und Volksgruppen vertreten, v. a. im militärischen Bereich; s. C. B. P ASCAL, Cults, 159–165. Allerdings ist der Kult stark geprägt von lokalen Elementen; s. ebd., 164f. Zum Herkules-Kult in der Venezia Tridentina s. A. DEGRASSI, Culti, 105f. Dort wird Herkules als Saxanus und als Invictus verehrt. 176 S. R. CHEVALLIER, Aspect, 148. Weitere Zeugnisse im Bereich Oberitaliens mit bibliographischen Hinweisen ebd., 148–151; ebd., 154f., auch einige Hinweise auf die Adaption von Elementen des Mythos in Folklore und Christentum in dieser Region.

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eines lokalen Heros, die schließlich eine Transformation in „una potenza ‚soterica‘ “ gestattete.177 In Verona selbst sind nur wenige Zeugnisse für eine Verehrung des Herkules anzutreffen. Im archäologischen Museum findet man heute eine Reihe bronzener HerkulesStatuetten; zwei Inschriften sowie ein Votivaltar sind dem Gott dediziert.178 Eine der beiden Inschriften bezieht sich auf die Stiftung eines Tisches mit einer Statuette des Herkules und der Omphale. 179 Im Zusammenhang mit Herkules soll die von Zeno nur in einer Anspielung als dessen Stiefmutter angesprochene Hera, die im römischen Bereich mit Juno identifiziert wird, kurz genannt sein. Wenn Zeno hier auch nicht die besonders für den Schutz der Frauen und der Ehe zuständige Gottheit im Blick hat, sondern sich lediglich auf den Zusammenhang mit dem Herakles-Mythos beschränkt, so soll dennoch darauf hingewiesen werden, dass unter den zahlreichen Votivgaben an Juno bzw. an die unter dem Namen Junones romanisierten provinziellen Mutter- oder Fruchtbarkeitsgottheiten 180 eine Inschrift auffällt, die Herkules in Zusammenhang bringt mit den Junones. 181 Dies lässt erkennen, dass die verfremdeten Junones durchaus noch an den Herkules-Mythos erinnern, oder anders ausgedrückt, dass die Daten des Mythos Bedeutung für den Kult bekommen können, auch wenn sie sich dort verselbständigen. 182 Der im Vergleich zu den anderen Kulten im Römischen Reich wenig frequentierte Kult der Venus ist in Verona und Umgebung nachweislich vertreten. Nach einer Tradition soll sich an der Stelle der Kirche S. Lorenzo ein Venus-Tempel befunden haben. Dies kann jedoch von archäologischer Seite noch nicht bestätigt werden. 183 Zeugniswert haben lediglich zwei Dedikationsinschriften, eine in Verona-Stadt, die andere aus der Umgebung von Bardolino.184 Daneben haben sich im Museo Archeologico einige wenige Bronzestatuetten der Göttin und ein paar Darstellungen auf Tonlampen erhalten. Einen weiteren Hinweis auf eine Venus-Verehrung will man im Namen der Ortschaft Vendri erkennnen, der aus vicus Veneris entstanden sein könnte.185 Trotz dieser dünnen Bezeu177

I. CHIRASSI COLOMBO, Acculturazione, 163. S. F. SARTORI, Verona, 243. Nur eine Statue und eine Herkules-Inschrift sind in SOPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 100 und 104, aufgenommen. 179 S. F. SARTORI, Verona, 234; SOPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 104. – Interessanterweise wird laut Inschrift der Tisch von zwei Mitgliedern eines Dendrophoren-Kollegiums gestiftet. Da ein Zusammenhang zwischen Herkules- und Kybele-Kult kaum denkbar ist, bietet dieses Zeugnis einen Beleg für die Selbstverständlichkeit der Zugehörigkeit zu mehreren Kulten. C. B. P ASCAL, Cults, 162, Anm. 3, hält die Figuren allerdings für eher dekorativ als für votiv. 180 S. dazu F. SARTORI, Verona, 232.238; auch SOPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 17, 43, 57 und 132; B. FORLATI T AMARO, Iscrizioni, 160–162; C. B. P ASCAL, Cults, 83f. 117f.120. 181 S. B. FORLATI T AMARO, Iscrizioni, 161, Anm. 8. 182 Der Zusammenhang Herkules – Juno des Mythos wird hier umgedeutet. Herkules erscheint als männlicher Genius, während die Junones für weibliche Genien stehen; s. ebd. 183 S. SOPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 88. 184 S. ebd., Nr. 36 und 55. 185 S. F. SARTORI, Verona, 233. – Im Vergleich zu anderen römischen Reichsteilen scheint Oberitalien eine stärkere Ausprägung des privaten Venus-Kultes gekannt zu ha178

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

gung durch Realien hat vom Venuskult in Verona jedenfalls noch der Versus de Verona zu Beginn des 9. Jahrhunderts Kenntnis. 186

Die Untersuchung der Verbreitung der Kulte in Verona und Umgebung zeigt, dass die drei von Zeno in Traktat I 1 exemplarisch angeführten Gottheiten sicherlich in der Hörerschaft Zenos bekannt sind. Ob sich unter den Zuhörern Zenos sogar ehemalige Anhänger des einen oder anderen Kultes finden, kann jedoch kaum geklärt werden, bedenkt man die Schwierigkeiten, die mit der Datierung epigraphischen und archäologischen Materials verbunden sind. Nachgewiesen werden kann lediglich, dass die untersuchten Kulte irgendwann einmal in Verona präsent waren. Ob sie jedoch zur Zeit Zenos oder kurz davor noch aktiv sind, muss in den meisten Fällen offen bleiben; eindeutige Ergebnisse wie für das Kapitol Veronas sind bisher noch selten. Betrachtet man das archäologische Material zu Verona insgesamt, fällt auf, dass die drei von Zeno ausgewählten Gottheiten nur ein ganz begrenztes Spektrum der in veronesischen Kulten verehrten Gottheiten ausmachen. Es sind in der Stadt andere Gottheiten vertreten, von denen man fast mit Sicherheit annehmen kann, dass sie noch im 4. Jahrhundert verehrt werden. Hierzu sind v. a. die Kulte orientalischer Religionen zu zählen. 187 Es bleibt also immer noch die Frage, warum gerade diese drei Gottheiten von Zeno genannt werden. Die Überlegung, ob sie in besonderer Weise mit der von Zeno traktierten luxuria bzw. impudicitia in Zusammenhang zu bringen sind, erscheint müßig, da der Mythos kaum eine Gottheit als nicht irgendwie in das Ränkespiel der Liebe verstrickt ausgelassen hat. ben. Dies können weitere fünf Inschriften aus Aquileia belegen, die sich an Venus richten. A. CALDERINI, Aquileia, 160, spricht von einem „culto privato e a carattere individuale come appare generalmente nelle province latine dell’impero.“ Auch im tridentinischen Venezien ist der Venus-Kult belegbar durch eine Reihe von Bronzestatuetten; s. A. DEGRASSI, Culti, 101. – Dagegen spricht F. SARTORI, Verona, 233, gerade für Oberitalien von einem wenig verbreiteten Kult. „Ma è singolare che il culto di Venere nell’alta Italia sia stato in genere poco sentito, come dimostra il numero piuttosto scarso dei testi epigrafici che lo concernono.“ Dies deckt sich m. E. mit den Beobachtungen, die das gesamte Reich betreffen; insofern kann Oberitalien in einem auf das gesamte Reich erweiterten Kontext durchaus herausragen, was die Venus-Verehrung angeht; vgl. K. LATTE , Religionsgeschichte, 187; auch G. W ISSOWA, Religion, 292. Bezüglich der Verbreitung des Venus-Kultes in Oberitalien schreibt C. B. P ASCAL, Cults, 67: „The majority of texts come from about Aquileia, with a couple turning up as far west as Vicenza and Verona.“ 186 S. VERSUS DE VERONA 5 (MGH.PL 1,120 Dümmler); vgl. A. SCOLARI, Vicende, 207, Anm. 5. 187 Vgl. etwa M. C. B UDINKOVSKY, Les cultes orienteaux à Aquilée et leur diffusion en Istrie et en Vénétie, in: Aquileia e l’Oriente mediterraneo. Atti della VII Settimana di Studi Aquileiesi, 24 aprile – 1 maggio 1976, Udine 1977, 99–123; auch C. B. P ASCAL, Cults, 44f.

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Eine andere mögliche Motivation Zenos tut sich auf bei dem Versuch, Beziehungen zwischen den drei Gottheiten aufzudecken. Dabei sticht zuerst hervor, dass Herkules nach dem Mythos der Sohn des Jupiter ist. In dieser Verbindung werden die beiden Götter besonders in der Kaiserzeit verehrt. Im Kontext einer imperialen Theologie, die ihren Höhepunkt unter Diokletian findet, 188 sind sie als Vater und Sohn Vor- und Urbilder der Aufgaben der Kaiser. „Der jugendliche Heros vertritt dabei das Amt des aktiven Befrieders des Erdkreises, während der ältere Göttervater die Majestät des in unbeirrbarer Ruhe verharrenden Herrn der Welt verkörpert.“ 189 Diese Vorstellung eines himmlischen Göttervaters und seines auf Erden wirkenden Sohnes lässt – auch auf dem Hintergrund der arianischen Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts – sofort an eine Analogie mit dem christlichen Gott in den Personen des Vaters und des Sohnes denken. 190 Bekräftigt wird der Eindruck einer gedanklichen Parallele, wenn man bedenkt, dass schon bei den Apologeten, 191 verstärkt dann aber bei den Vätern des 4. Jahrhunderts Herkules als Konkurrent Christi gilt 192 und er auch eine Rolle spielt bei den Versuchen, das Heidentum gegenüber dem Christentum wiederzubeleben. 193 Der Grund dafür liegt vermutlich in den auffälligen Parallelen ihrer Biographie und entsprechend paralleler theologischer Deutung. 194 So gilt Herkules etwa aufgrund seines Gehor188 S. A. J. MALHERBE, Art. Herakles, RAC XIV, 1988, 559–583, hier: 566; auch J. RÜPKE, Religion, 231. 189 K. P RÜMM, Handbuch, 88. – In diese Vorstellung fließen weniger mythologische als philosophische Gedanken ein; s. ebd.; vgl. auch O. ZWIERLEIN, Hercules, 5, Anm. 3. 190 Vgl. M. SIMON, Hercule et le christianisme, PFLUS.A 19, Paris 1955, 125–165, v. a. 140–144. 191 M. FIEDROWICZ, Apologie, 262, verweist darauf, dass solche Analogien von den frühen Apologeten selbst aufgegriffen wurden, um etwa unter Hinweis auf den gewaltsamen Tod der Zeussöhne Dionysos und Herakles die Passion Christi heidnischem Verstehen näherzubringen. 192 S. A. J. MALHERBE, Herakles, 573f. – „Die Warnung des Hieronymus, Christen sollten nicht bei H[erkules] schwören (ep. 213,8), legt nahe, dass H[erkules] u[nd] sein Kult christlichem Alltag nicht fernstanden. Dafür spricht auch, dass die Synode v[on] K[onstantino]pel i[m] J[ahr] 360 Eleusios v[on] Kyzikos absetzte, weil er einen H[erkules]priester aus Tyros zum Diakon geweiht hatte“; ebd. 574. Die Bemerkung des Hieronymus scheint m. E. allerdings eher so zu verstehen zu sein, dass er davor warnt, den alltäglichen, fast säkularisierten Ausruf ,mehercle!‘ in einer Situation verstärkter Herkules-Verehrung nicht unreflektiert zu benutzen. 193 A. J. MALHERBE, Herakles, 567, deutet J UL. or. 7,14,219b–16,222a (2,1,63–67 Rochefort) als Beleg dafür, dass Kaiser Julian Herkules als Gegenstück zu Christus präsentiere; so auch H. B LOCH, Ein neues Zeugnis der letzten Erhebung des Heidentums in Westrom 393 / 394 n. Chr., in: Das frühe Christentum im römischen Staat, hg. v. R. Klein, Darmstadt 1971, 129–186, hier: 177f. Ders., 177, erwähnt zudem, dass Julian bei seiner Thronbesteigung von Themistios als Herkules begrüßt wurde. 194 Vgl. etwa F. P FISTER, Herakles und Christus, ARW 34, 1937, Repr. 1965, 42–60; auch M. SIMON, Hercule, 47–74; A. J. MALHERBE, Herakles, 569–573. – Auch in einer späteren Auseinandersetzung zwischen Christentum und Heidentum spielt Herkules noch einmal eine Rolle, und zwar in der Schlacht am Frigidus (394); C. B. P ASCAL, Cults,

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sams gegenüber seinem göttlichen Vater und den daraus erwachsenden Leistungen für die Menschen in der philosophischen Idealisierung des Hellenismus als óùôÞñ.195 In der Spätantike betrachtet man ihn auf dem Hintergrund der Darstellung des Heros durch Seneca in seinen Tragödien als Typos des tapferen Stoikers. 196 Wenn die christliche Polemik demgegenüber euhemeristische Kritik an Herkules übt und seine Leidenschaften herausstellt,197 so greift sie damit zwar bereits vorchristliche Elemente der Mythenkritik auf,198 trifft das Heidentum der Spätantike damit aber genau an der Stelle, an der dieses sich bemüht, den Helden gerade als Konkurrenten gegen das Christentum einzusetzen: Herkules, gezeugt vom unsittlichen Zeus, liefert das beste Beispiel der Unzucht. Besondere Verachtung verdient seine Erniedrigung durch Omphale. 199 Wie könnte ein solcher ‚Held‘ óùôÞñ oder gar Stoiker sein?

Wenn Zeno also in seinem Traktat zum einen die Verbindung Jupiter – Herkules aufgreift, zum anderen auf die Beziehung Herkules – Omphale anspielt, dann tut er zwei für das 4. Jahrhundert anscheinend typische Schritte: Er erkennt die im Götterpaar Jupiter – Herkules dem Christentum drohende Konkurrenz; und er versucht diese Konkurrenz zu zerschlagen, indem er die Schwäche eines scheinbar mächtigen Erlösers aufzeigt 200 und 159, schreibt: „The final battle for a dying paganism was fought by Eugenius against Theodorus at the end of the fourth century, near Gorizia, a short distance north of Aquileia, and the standard carried by the losing forces bore the image of Hercules.“ Die Schlacht wurde als eine „zwischen Herkules und dem Kreuz“ und der die Schlacht entscheidende Sturm als ein Wunder gedeutet, so H. B LOCH, Zeugnis, 180;. auch O. ZWIERLEIN, Hercules, 5, Anm. 4. 195 S. A. J. MALHERBE, Herakles, 560f; vgl. auch J. FINK, Herakles, Held und Heiland, AuA 9, 1960, 73–87, v. a. 86f.; C. SCHNEIDER, Herakles, der Todesüberwinder. Zur Interpretation eines Reliefzyklus aus Speyer, WZ(L).GS 7, 1957 / 58, 661–666, passim. 196 S. O. ZWIERLEIN, Hercules, 29. Anders dagegen W. EISENHUT, Virtus romana. Ihre Stellung im römischen Wertsystem, STA 13, München 1973, 151f., zu Herkules in den Tragödien Senecas: „Hercules ist als der Mann der virtus immer wieder ins Licht gerückt, aber es ist nicht die virtus des Philosophen, sondern die heldische Tapferkeit. Sogar die Züge des großen, unsere Sympathie und unser Mitleid erweckenden Dulders sind nicht die eines stoischen Weisen.“ 197 LACT. inst. 1,9,1f. (CSEL 19,1,31,5–16 Brandt) etwa sagt, dass Herkules, hätte er nur seine Leidenschaften besiegt, durchaus ein Vorbild auch für die Christen hätte sein können. So aber sei er nur ein Athlet gewesen. AUG. civ. 6,7 (CChr.SL 47,175,36–57 Dombart / Kahl) dagegen führt Herkules als negatives Beispiel dafür an, dass die heidnischen Götter sich den gleichen Freuden hingeben wie die Menschen. 198 Vgl. A. J. MALHERBE, Herakles, 562f. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass der Text des Euhemeros, der in seiner lateinischen Fassung durch Ennius auf uns gekommen ist, ursprünglich nicht die Götter als falsche Götter entlarven, sondern zeigen wollte, dass eine Divinisierung von Menschen nichts Neues und Verwerfliches sei; s. J. RÜPKE, Religion, 126. 199 S. A. J. MALHERBE, Herakles, 577. 200 Darin besteht ein indirekter Euhemerismus, da die aufgezeigte Schwäche der Macht eines Gottes widerspricht, Herkules also wie ein Mensch als abhängig von der impudicitia dargestellt wird.

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ihn der Lächerlichkeit aussetzt. Dass dies ohne eine explizite Stellungnahme zum spezifischen Jupiter- oder Herkules-Kult eine Spitze auch gegen die Verehrung eines solchen Gottes oder Götterpaares bedeuten kann, versteht sich von selbst.201 Nun bleibt allerdings noch zu fragen, was Zeno dazu veranlasst haben könnte, die Göttin Venus in die Reihe aufzunehmen. Der Zusammenhang fällt nicht sofort ins Auge, bei genauerer Betrachtung ist jedoch eine kultische Verbindung zwischen Jupiter und Venus auszumachen. 202 Es handelt sich um das am 19. August gefeierte Fest der Vinalia rustica. Ursprünglich ein Fest des Jupiter, das in den Weinbergen veranstaltet die Fürbitte um das Gedeihen des Weines in der vor der Lese entscheidenden Zeit zum Inhalt hatte,203 wurde es aufgrund des Stiftungstages der beiden ältesten stadtrömischen Venus-Tempel am gleichen Termin „später gemeinhin vielmehr als eine Feier der Venus angesehen“, da dieser als Gartengöttin dann der Weinbau als ein Teil des Gartenbaus zugeordnet wurde. 204 Die später als Liebesgöttin verehrte Venus wurde wiederum mit dem Fest der Vinalia priora am 23. April in Verbindung gebracht. 205 Auch dies ein ursprünglich dem Jupiter geweihtes Fest, das „der Einführung des nunmehr nach vollendetem Gährungsprozesse trinkbar gewordenen Weines in die Stadt galt“,206 fiel auf den Stiftungstag eines weiteren Venus-

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Auf die Bedeutung des Herkules im Kontext einer „imperialen Theologie“ wurde bereits hingewiesen; s. o. S. 259, Anm. 188f. Dass dies im 4. Jahrhundert auch noch kultische Konsequenzen hatte und nicht auf eine Panegyrik beschränkt blieb, belegt etwa der Wiederaufbau des Herkules-Tempels in Ostia im Jahr 394; s. O. ZWIERLEIN, Hercules, 6; vgl. auch ebd. 5. 202 R. CHEVALLIER, Aspect, 143.146, bleibt einen Beleg für eine „alliance“ zwischen Herkules und Venus leider schuldig. 203 S. G. W ISSOWA, Religion, 115. – Das Wissen um die Bedeutung dieser Zeit für die Qualität des Weines findet sich auch in zahlreichen deutschen ,Bauernregeln‘, wie sie bei G. GRAFF-HÖFGEN / D. GRAFF, Maria in den Reben. Brauchtum und Bekenntnis, Saarbrücken 1990, 28f., aufgeführt sind oder man sie im Internet bei der Suche einer Verbindung der Schlagwörter ,Wein‘ und ,August‘ zu Hauf findet, etwa: „Der August muss Hitze haben, will man an Wein und Most sich laben“; aber v. a. auch in Verbindung mit dem 15. August: „Maria Himmelfahrt Sonnenschein bringt meistens uns viel guten Wein“; „Schön Wetter zu Mariä Himmelfahrt, verkündet Wein von bester Art“; „Scheint die Sonne hell und zart an Mariä Himmelfahrt, so soll’s guten Wein bedeuten, was erwünscht bei allen Leuten“; „Scheint an Mariä Himmelfahrt die Sonne hell nach ihrer Art, so freuen sich des Winzers Reben, um einen guten Trunk zu geben“; eine deutlicher religiöse Bindung der Weinlese-Qualität zeigt der Spruch „Hat uns’re Frau gut Wetter, wenn sie zum Himmel fährt, gewiss sie guten Wein beschert“ oder auch „Himmelfahrt im Sonnenschein, wird der Wein gesegnet sein“. Zur religiösen Verbindung von Mariä Himmelfahrt und Weintrauben s. u. Exkurs S. 263f. 204 G. W ISSOWA, Religion, 289. 205 S. ebd., 290. 206 Ebd., 115.

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Tempels in Rom, „was der falschen Ansicht, daß die Vinalia nicht dem Juppiter, sondern der Venus zugehörten, weitere Stützen zu geben schien.“ 207 So also ursprünglich zusammenhangslos (daher irrtümlich? 208) kultisch schon miteinander in Beziehung stehend und schließlich auch in einem gemeinsamen Tempel (in Terracina) verehrt,209 leistet dann die Dichtung ihren Beitrag zur Erstellung einer besonderen Beziehung zwischen den beiden Gottheiten. Während Venus bei Lukrez zunächst zur Schutzgöttin mit privilegierter Stellung im römischen Götterpantheon wird,210 ist es v. a. Vergil, der Venus in der Aeneis die Rolle einer Vermittlerin zwischen Jupiter und den Menschen angedeihen lässt, so dass ihre Präsenz an der Seite Jupiters sich nun auch im Kontext der Vinalia mittels der ‚Idee der Interzession‘ deuten lässt.211 Hier liegt gewissermaßen schon eine antike semantische Deutung der vorgefundenen deutungslosen Syntax der Verknüpfung der Kulte vor. 212

Das Fest der Vinalia dürfte, wenn auch nicht eigens von Zeno erwähnt, in einer landwirtschaftlich geprägten Region mit gerade für die Antike berühmtem Weinbau 213 nicht nur auf jeden Fall bekannt gewesen, sondern gerade auf den Latifundien auch noch lange begangen worden sein. 214 Wenn Zeno bewusst oder auch unbewusst aus Gründen einer spezifischen Konkurrenz zu christlichen Theologumena auf Jupiter und Herkules zurückgegriffen hat, so lässt sich nun auch die Nennung der mit Jupiter durch den kultischen Kontext verknüpften Venus an dieser Stelle in ähnlicher Richtung deuten. Da es sich um eine weibliche Gestalt handelt, liegt der Gedanke nahe, dass die Göttin für Zeno als abgelöst durch die für das veronesische Christentum so wichtige weibliche Gestalt, Maria, betrachtet wurde. 215 207

Ebd., 290. Es handelt sich um eine Umkehrung der von J. RÜPKE, Religion, 115, als „materielle Theologie“ bezeichneten Verbindung zweier Rituale ohne erkennbaren Bedeutungszusammenhang: hier nicht am selben Ort, aber zur gleichen Zeit begangen. 209 S. R. SCHILLING, La religion romaine de Vénus depuis les origines jusqu’au temps d’Auguste, BEFAR 178, Paris 1954, 91. 210 S. ebd., 356. 211 S. ebd., 372. 212 Vgl. J. RÜPKE, Religion, 115f. 213 S. o. S. 49; vgl. auch die allegoretische Deutung des Weinbergs, der Weinlese und -kelter in II 11 passim. In II 11,3 führt Zeno ausdrücklich den Beitrag der Natur beim Reifungsprozess der Trauben an: „fructus adridunt, quos solis ardores, pluviae ventique exercendo provehunt ad maturitatemque perducunt.“ 214 Vgl. I 25,10: „Christiani … qui vicinarum possessionum omnes glebulas, lapillos et surculos nostis, in praediis autem vestris fumantia undique sola fana non nostis, quae, si vera dicenda sunt, dissimulando subtiliter custoditis.“ 215 Zur zenonischen Mariologie s. A. B IGELMAIR, Zeno, 113–117. – Eine trinitarische Tradition, die den Geist als Femininum auffasst wie das altestamentliche ‫( דוח‬ruah) und in der alten Kirche v. a. in orientalischen (semitischen oder semitisch beeinflussten) Quellen begegnet, s. etwa G. W INKLER, Überlegungen zum Gottesgeist als mütterlichem Prinzip und zur Bedeutung der Androgynie in einigen frühchristlichen Quellen, in: Liturgie und Frauenfragen. Ein Beitrag zur Frauenforschung aus liturgiewissenschaftlicher 208

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Ein Indiz für die Wahrscheinlichkeit einer solchen Ablösung nicht nur in Verona könnte eine Beobachtung liefern, die in einen entfernteren Raum ausgreift: Die armenischapostolische Kirche hat offenbar eine Erinnerung an die Vinalia des 19. August oder ein vergleichbares Fest im Osten des Römischen Reiches 216 bewahrt; bis heute feiert sie am Sonntag, der dem 15. August am nächsten ist, also zwischen dem 12. und 18. August, zusammen mit dem Fest ¾ÕðÑóèÝèòäæ ½Ò. ¡íïìòÑÞÑÞæÛ (Erhöhung der heiligen Gottesmutter 217) das Fest −Ñâèâõðàæ×ô (Weintraubensegen);218 im Anschluss an den Gottesdienst zum Marienfest segnet ein Priester, in aller Regel der Bischof oder Katholikos, in der Kirche (möglichst kernlose) Trauben, die an die Gemeindemitglieder verteilt werden.219 Erst nach diesem Fest dürfen Trauben der neuen Ernte gegessen werden. Bei der theologischen Deutung beruft man sich auf die alttestamentliche Darbringung der Erstlingsfrüchte (Dt 26,1–11) sowie auf den Weinanbau Noachs (Gn 9,20). Die VerbinSicht, hg. v. T. Berger u. A. Gerhards, St. Ottilien 1990, 7–29, dürfte als Hintergrund für die zenonische Nennung der Venus höchst unwahrscheinlich sein, da der lateinische Terminus spiritus (wie schon griech. ðíå™ìá) dies nicht nahe legt und auch die zenonische Pneumatologie keinerlei Hinweis darauf zulässt; vgl. etwa die allegoretische Auslegung von Apc 1,16 in I 37,2: „Gladius enim spiritus sanctus est“. 216 Etwa das Fest des Aphroditesohnes (!) Dionysios Protrygaios, das christlich offensichtlich auch in der Legende des zyprischen Heiligen Tychon adaptiert wird; s. dazu R. KANY, Dionysos Protrygaios. Pagane und christliche Spuren eines antiken Weinfestes, JAC 31, 1988, 5–23. R. KANY, ebd., 6, erwähnt bei der Frage nach der Bedeutung des Dionysos-Epithetons ðñïôñãásïò auch eine eigens von ihm als solche gekennzeichnete spekulative Verknüpfung des Sternes Protrygeter mit dem Epitheton; bemerkenswert für den Zusammenhang des Weinfestes mit Venus und vielleicht auch Maria ist das, was Kany nicht ausführt: Der Stern ist Bestandteil des Sternbildes Virgo (daher sein wissenschaftlicher Name ,Epsilon Virginis‘), sein erster Aufgang im August gilt als Beginn der Weinlese (vgl. R. KANY, Dionysos, 6, Anm. 13f., mit Beleg), einer seiner heute gebräuchlichen Namen ist feminin und lautet Vindemiatrix; s. etwa (Zugriff 22.08.2004). 217 Nebenbei bemerkt bedeutet im Altarmenischen îÕðÑóèÝèòä auch Umwandlung durch Erhöhung – also Apotheose (?); vgl. M. B EDROSSIAN, New Dictionary Armenian – English, Venedig 1879, Repr. Beirut 1985, 676, zu îÕðÑóèÝÕÜ. 218 Auch die syrisch-orthodoxe Kirche kennt einen Traubensegen am 15. August; freundliche Auskunft Diakon Dr. Josef Önder, Göppingen. Ein zu diesem Segen gesprochenes Gebet ist jedoch weiter gefasst, dazu A. HEINZ, Feste und Feiern im Kirchenjahr nach dem Ritus der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien (M’ad’dono), Sophia 31, Trier 1998, 105: „Weil Maria die Mutter des Königs ist, hat ihre Fürsprache ein besonderes Gewicht … Auch die Früchte der Erde werden unter den Schutz Mariens gestellt. Im Westen segnet man an Mariä Himmelfahrt Heilkräuter und Blumen (Kräutersegen); bei den Griechen ist [sic; vgl. u. Anm. 222 zu Konstantinopel] es üblich, am 15. August Trauben zu segnen. Die Syrer beten: ,Segne, Herr Gott, in deiner Güte die Früchte des Jahres auf die Fürbitte der Mutter, die dich gebar … Behüte die Weinberge, die Saaten, das Vieh, die Felder, die Ernte und Weinkeltern vor allem Schaden. Möge es reichlich Früchte und überquellende Vorräte für die Armen geben, die Bekümmerten, die Waisen und Witwen, auf daß sie, wenn sie essen und dank deiner Güte satt werden, dich preisen ohne Ende …‘ “ (Auslassungen innerhalb des Gebetes im Original). 219 Man nimmt sie auch mit nach Hause, um sie Angehörigen mitzubringen, die nicht zur Kirche kommen konnten.

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dung zu Maria wird hergestellt durch einen Vergleich: Wie aus den Trauben der Wein gewonnen wird (der dem Blut Christi entspricht), so kam durch Maria Christus selbst in die Welt. Die Kernlosigkeit der Traube verweist darauf, dass dies ohne männlichen Samen geschah.220 Der Ursprung des Festes ist nicht mehr bekannt, gefeiert wird es spätestens seit dem 12. Jahrhundert, da bei der Segnung ein für das Fest spezifisches Gebet des Nerses Shnorhali (1102–1173) gesprochen wird. 221 Vergleichbares konnte Usener für Konstantinopel anhand älterer Bestimmungen, die im 12. Jahrhundert von Theodor Balsamon zusammengetragen wurden, aufzeigen: In Konstantinopel begaben sich danach am 15. August, dem Fest der Himmelfahrt Mariens, Kaiser und Patriarch gemeinsam zum Weingarten der unter Justinian erbauten Marienkirche in den Blachernen, um dort eigenhändig eine feierliche symbolische Lese zu vollziehen, deren Trauben anschließend vom Patriarchen auf dem Altar der Kirche geopfert wurden.222 Das Trullanum (692) bezieht sich nach Ansicht Useners in Kanon 28 auf dieses Ereignis, wenn es untersagt, auf dem Altar geopferte Trauben „nach einem herrschenden brauche … mit dem messopfer in verbindung zu bringen und so beides zugleich dem volk auszutheilen“.223 Usener meint die Konstantinopler Zeremonie mit der am 6. August für Rom im Sacramentarium Gregorianum belegten benedictio uvae 224 verbinden zu können, 225 die er wiederum auf das Fest der Vinalia rustica zurückführt. 226 220 Hier liegt möglicherweise eine eigentümliche armenische Deutung vor. Bei den Kirchenvätern ist im Allgemeinen Christus die Traube; bei Efrem dem Syrer, Epiphanius von Salamis, Proclus von Konstantinopel und v. a. bei Johannes von Damaskus, der am Fest Mariä Himmelfahrt davon spricht (Jo. D. hom. 9 = hom. 2 in dormitionem B. V. Mariae (PG 96,722–754)), ist Christus die Traube, die von Maria, der Rebe, hervorgebracht wird; Belege bei A. T HOMAS, Maria die Weinrebe, Kurtrierisches Jahrbuch 10, 1970, 30–55, hier: 30–32. 221 Freundliche Auskunft Vardapet Serovpé Isakhanyan, Hanau. 222 S. H. USENER, Der heilige Tychon, Sonderbare Heilige 1, Leipzig 1907, 42f.; Beleg ebd., 42, Anm. 5. 223 Ebd., 43. 224 Also noch vor der in das 10. Jahrhundert zu datierenden Einführung des Festes der Verklärung Christi am 6. August im Westen – will heißen Traubensegnung und Verklärung Christi stehen in keinem inhaltlichen Zusammenhang; s. H. USENER, Tychon, 41f. B. SCHNEIDER, Die Trauben- und Johannesweinsegnung in der Trierer Bistumsliturgie vom Spätmittelalter bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, AMRhKG 37, 1985, 57–74, hier: 71, Anm. 79, führt auch einen Beleg aus dem Sacramentarium Gelasianum an, „jedoch ohne Tagesangabe“. – Ein Traubensegen am 6. August ist ab dem 15. Jahrhundert bis zum Vaticanum I. für Köln, bis zum Tridentinum für Trier (für Mainz und Speyer ohne Zeitangabe), bis in das 17. Jahrhundert für Lyon, Tours und Rouen belegt; s. H. USENER, Tychon, 39f. und B. SCHNEIDER, Weinsegnung, 71, Anm. 81f. Ende des 19. Jahrhunderts pflegten mehrere vom Weinbau geprägte Orte an Rhein und Mosel an Gedenktagen verschiedener Heiliger im August deren Schnitzbild oder ein Marienbild „mit den ersten reifen trauben zu schmücken; wenn diese nicht einmal durch ein treibhaus geliefert werden konnten, behalf man sich mit künstlichen trauben“; H. USENER, Tychon, 37, mit Beleg 38, Anm. 1. B. SCHNEIDER, Weinsegnung, 73, Anm. 92, berichtet von einer „Praxis im Marienwallfahrtsort Auw an der Kyll …, wo … eine Traubensegnung im Zusammenhang mit der Kräuterweihe an Maria Himmelfahrt stattfand“. Auch G. GRAFF-HÖFGEN / D. GRAFF, Maria, 10, spricht von „Marienstatuen, denen die Winzer ihre ersten Trauben am Fest Mariä Himmelfahrt in die Hand legen. Nach katholischer

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Trotz einer möglichen Nähe von Vinalia und Marienfest lassen sich keineswegs so flüssig wie im Vorangegangenen quasi austauschbare Charakteristika der Venus und der Maria anführen, da zum einen kein spätantikes ‚marianisches Weinfest‘ im Raum Verona belegt ist und zum anderen Zeno die Deutung Mariens als Fürbitte-Leistende, wie sie für Venus inzwischen gebräuchlich war, noch nicht kennt. Einige wenige weitere Parallelen zwischen Venus- und Marienverehrung können jedoch genannt werden, die die Nennung der Venus als Konkurrentin Mariens durch Zeno plausibel erscheinen lassen. Es ist in der Forschung unumstritten, dass die Anerkennung Marias als Gottesmutter durch das Konzil von Ephesus für „die volksmissionarische Situation der Kirche gegenüber den heidnischen Massen, die in die Kirche geströmt waren,“ 227 von ungeheurer Bedeutung ist, da Maria so an die Stelle der ‚Göttermutter‘ treten konnte. Marienfeste werden auf ehemalige Festtage solcher Göttinnen gelegt, etwa auf das Hilaria-Fest der Kybele oder ein der Ischtar geweihtes Datum. Außerdem werden Symbole übernommen, wie die Ähre der Spica Virgo, der Sternenmantel der Aphrodite Urania, die Taube der Ischtar.228 Die Vorstellungen von Astarte als Meeres- und Mondgöttin werden auf Maria Lehre gilt Maria als Mittlerin zwischen Gott und den Menschen. So wird Maria um Gottes Gnade und Segen für Winzer und Weinberge gebeten.“ Regionen, in denen dieser Brauch noch heute gepflegt wird, werden ebd., 28, aufgeführt; vgl. auch ebd., 72; ebd., 28, auch der Hinweis, dass am 15. August in Südtirol die Saltner (Weinbergshüter) ihr Amt antreten. Um den 15. August wird auch das „Fränkische Weinfest“ gefeiert, s. ebd., 63; und auch die Gemeinden Igel oder Pünderich (Zell) an der Mosel werben im Internet mit ihrer jährlich am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt stattfindenden „Weinkirmes“. Zudem dürfte die Verehrung Mariens als höchste unter den sieben Weinheiligen sowie der Typos der Weinreben- oder Traubenmadonna in der darstellenden Kunst sich letztendlich einer Verbindung des höchsten Marienfestes mit einem Traubensegen verdanken; vgl. A. T HOMAS, Maria, 43–55; G. GRAFF-HÖFGEN / D. GRAFF, Maria, 41–49. 225 S. H. USENER, Tychon, 46f. 226 S. ebd., 44–46. A. T HOMAS, Maria, 42, hingegen führt den Konstantinopler „Brauch“ auf ein älteres „Festum uvarum, Festum Dei Matris de vitibus“ zurück, „das in Antiochien, Jerusalem und Byzanz mit der Feier Mariä Himmelfahrt verbunden wurde. In syrischen Menologien führt sie den Namen ,Obitus Dei Matris, quae protegit vineas‘ “.– Das Wissen um eine Konkurrenz zwischen Heidentum und Christentum im Kontext der Weinreife scheint eine bulgarische Legende zu bewahren, die davon berichtet, dass der Teufel die Brombeeren schuf, als Gott die Weintrauben schuf; deshalb heißen im bulgarischen Volksmund Brombeeren auch ,falsche Trauben‘. Da es dem Teufel gelang, die Brombeeren früher reifen zu lassen als die Trauben, durften vor dem Verklärungsfest (s. o. Anm. 224) keine Brombeeren gegessen werden, da zuerst von der am 6. August geweihten „Gottesfrucht“ zu kosten sei; so zu lesen unter (Zugriff am 21.08.2004). Auch für Mariä Himmelfahrt berichtete diese Internetseite übrigens von einer Weintraubenweihe in der bulgarischen Kirche; von beiden Segnungen hieß es dort jedoch, dass sie „früher“ stattfanden, ohne dass dies zeitlich genauer eingegrenzt worden wäre. 227 W. DELIUS, Geschichte der Marienverehrung, München / Basel 1963, 113. 228 S. ebd.

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übertragen.229 Der Aphroditeschrein auf Cypern wird schließlich in ein Marienheiligtum umgewandelt.230 Es werden also – zumindest was Funktion und Symbole angeht – Parallelen gesehen zwischen Ischtar–Astarte–Aphrodite–Venus, die in der Spätantike synkretistisch verschmelzen, und Maria. Da aber der Konzilsbeschluss den Endpunkt einer Auseinandersetzung markiert, müssen vorher solche Tendenzen bereits virulent gewesen sein, die auf diese Weise kontrollierbar werden. Wenn Maria, als ‚große Liebende‘ verehrt, so an die Stelle der antiken Liebesgöttinnen tritt, unterscheidet sie sich aber gerade in ihrem Hauptwesenszug, der Liebe, von diesen. „Nicht nur dass der Marienkult frei ist ... von kultisch sexuellen Praktiken ..., die Liebe, welche die biblische Maria symbolisiert, ist die einer fürsorglichen Mutter. Auch in ihrer Gottesliebe steht Maria in der Frömmigkeitstradition für höchste Sublimierung und Spiritualisierung.“ 231 Die Gegenbildlichkeit Mariens wendet sich also gegen die sittlichen Verirrungen der Liebesgöttinnen, wie sie der Mythos tradiert.

Der spätantike Venus-Kult richtet sich zwar, wie oben gezeigt, v. a. an Venus als Vorbild, etwa als Mutter des Gemeinwesens (Venus Genetrix) oder als Schutzpatronin einzelner Frauen. Wenn aber Zeno in Traktat I 1 Venus bewusst als Gegenbild zu Maria gesetzt haben sollte (was nicht nachweisbar ist, da er keinen expliziten Hinweis liefert), so passt dies doch in das Bild der Zeit. Zeno markiert die sittlichen Makel der Venus des Mythos, deren Ausdruck die Venus-Darstellungen der paganen Kunst liefern. Der Tochter der impudicitia und Mutter des Eros gegenüber kann Maria, obwohl nur Mensch, als Mutter der wahren Liebe gedacht werden. Sie liefert das Bild der wahren Mutterschaft und gleichzeitig der Jungfräulichkeit 232 und wird damit zum Vorbild und zur Patronin für die christlichen Frauen,233 wie Venus es für die Heidinnen war. Die Untersuchung der Göttergestalten in Traktat I 1 zeigt, dass Zeno mit der Auflistung der drei Gottheiten keine Kultkritik äußert. Da sich im Text keinerlei Hinweise auf spezifische kultische Praktiken finden, der Mythos, auf den angespielt wird, offensichtlich Ziel der Polemik ist, legt dies die Vermutung nahe, dass es in Verona möglicherweise zwar noch Kulte gibt, die nach wie vor praktiziert werden, worauf die zahlreichen Belege für kultische Verehrung deuten könnten, dass diese Kulte aber keine wirkliche kultische Konkurrenz für das Christentum mehr bedeuten. Zeno zielt vielmehr auf eine ideelle Konkurrenz, die er ganz nach apologetischer Manier zu entkräften versucht, indem er verspottet und diffamiert. In einem Traktat, das mit der pudicitia eine vorzügliche christliche 229 S. M. STENZEL, Art. Aphrodite, LMK, 1967, 305; B. AMMICH, Art. Aphrodite Venus, Marienlexikon I, 1988, 188–190, hier: 189. 230 S. B. AMMICH, Aphrodite, 189. 231 Ebd. 232 Vgl. A. B IGELMAIR, Zeno, 116. 233 Vgl. II 8,8: „Exsultate, feminae, promotionemque vestri sexus agnoscite.“

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Tugend behandelt,234 stehen Jupiter, Herkules und Venus als Beispiele für das Wirken ihrer Umkehrung, ihrer ‚Pervertierung‘, der impudicitia. Dadurch wird die sittliche Schwäche des Heidentums generell gebrandmarkt; Kulte aber, die ‚Schwächlinge‘ ins Zentrum der Verehrung stellen, können kaum mehr Konkurrenten des Christentums sein. Im Anschluss an die Beschreibung der drei Gottheiten spielt Zeno zwar auf Praktiken an, die allerdings nicht mit den drei beschriebenen Gottheiten in Zusammenhang stehen, sondern eher dem Brauchtum zuzurechnen sind. 235 Die Ausführungen zu Jupiter, Herkules und Venus stehen auf diesem Hintergrund also exemplarisch, wenn das Motiv für die Auswahl auch ein theologisches gewesen sein könnte. Eine solche ‚semantisch‘ deutende, angesichts der Konkurrenzsituation aktualisierende 236 Zusammenstellung kann dem heutigen Leser plausibel erscheinen; sie mag auch vom damaligen Hörer herausgehört worden sein. Nachweisbar von Zeno gewollt ist sie jedoch nicht.237 Was über eine solch spezifische Deutung(smöglichkeit) hinaus auffällt, ist, dass Zeno jedoch auch an dieser Stelle keineswegs direkt die Existenz der Gottheiten in Frage stellt. Ähnlich wie bei der Anerkennung der Realität von Dämonen werden hier die vorgefundenen mythologischen Daten übernommen, jedoch entkräftet, indem sie in ein pejoratives Licht gerückt werden. Die Kinder einer personifizierten impudicitia, die ihrerseits Sklavin des Teufels ist, können keine eigentlichen Götter sein. Im Wirken der impudicitia schimmert auch hier die Anerkennung der Wirklichkeit böser Mächte klar durch. Diese Mächte gehören zum Reich des Teufels. Die

234 I 1,3: „quanto magis debet esse gloriosior in populo Christiano, qui eius sanctificatori inviolabili deseruit deo?“ 235 I 1,12: „Ipsa [sc. impudicitia], inquam, mortuorum sepulcra convertit in templa, tumulos in altaria, cadavera in simulacra, parentalia in sacrificia, mores in sacra.“ 236 Vgl. die Ausführengen bei J. RÜPKE, Religion, 115, zur aktualisierenden Deutung der Parilia. 237 Vgl. ebd., 108f.: „Deutungen sind immer wieder spannend. Deuten ist ein Geschäft, das seit der Antike betrieben worden ist, und man wird niemanden [sic] verbieten können, solche Deutungen als Teilnehmer vorzunehmen. Das Problem für uns besteht darin, daß wir diese Deutungen nicht kontrollieren können. Es gibt aber kein Kriterium, keine gesicherten Bedeutungen, nach denen wir sagen könnten, eine Deutung sei richtig oder falsch. Die Kultur selbst hat dafür keine Maßstäbe entwickelt. Wir können eine Deutung auf dem Hintergrund dessen, was wir sonst kennen, als für viele Zeitgenossen plausibel einstufen oder können Interessen, die hinter einer Deutung stehen, wahrscheinlich machen ... Das semantische Wissen, das Wissen um die Bedeutung von Zeichen bei den Handelnden, ist ein unkontrolliertes Wissen, das versprachlicht zu keinen eindeutigen Zuordnungen führt“ (Hervorhebungen B. D.).

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heidnischen Götter erweist der Mythos daher als vom Teufel mittels der impudicitia beherrschte Gestalten.238 2. Kybele und Attis Eine ursprünglich orientalische Gottheit spricht Zeno in Traktat I 3 an. Abschnitt 2 liefert eine „geradezu medizinisch exakte … Definition“ 239 der jüdischen Beschneidung als Grundlage für die im Traktat anschließende Auseinandersetzung mit dieser Praxis. Sofort im Anschluss an die Definition gibt Zeno seine scheinbar neutral beschreibende Haltung auf, indem er die positive Bewertung der Beschneidung durch die Juden in Frage stellt durch einen Vergleich der Beschneidung mit der Autokastration innerhalb eines paganen Kultes. Worum es sich hier namentlich handelt, führt er nicht aus; auch an dieser Stelle setzt er offenbar ein Wissen der Hörer voraus. Es kann hier nur die im Kybele- und Attis-Kult gebräuchliche Selbstentmannung der Galli gemeint sein. Die Namen der beiden Gottheiten nennt Zeno nicht, Kybele wird als dea, sane anus turpis atque amatrix bezeichnet,240 – anus beinhaltet einen Hinweis auf das Alter der Verehrung dieser Gottheit, turpis hingegen kann seit Juvenal als ein auf die auch in heidnischen Kreisen vorherrschende Abscheu vor diesem Kult abhebendes Epitheton der Göttin betrachtet werden 241 –, auf Attis als Geliebten wird indirekt angespielt durch die Charakterisierung Kybeles als amatrix. Kybele ist eine schon in vorgeschichtlicher Zeit bekannte Muttergöttin aus Anatolien, die bei mehreren Völkern unter verschiedenen Namen verehrt wird. Bei den Phrygiern 238

I 1,11: „eius [sc. diaboli] ... regnum“. B. B LUMENKRANZ, Die Judenpredigt Augustins. Ein Beitrag zur Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen in den ersten Jahrhunderten, BBGW 25, Basel 1946, 29, zu eben dieser Zeno-Stelle. 240 I 3,2: „maior est eius, qui in honorem deae suae – sane anus turpis atque amatricis – ... ipsum membrum radicitus abscisum mysteriis turpioribus immolavit“. – I. OPELT, Schimpfwörter, 266, zählt anus ausdrücklich zu den christlichen Schimpfwörtern; dass der Terminus aber auch schon klassisch in den meisten Fällen nicht gerade schmeichelhaft war, sondern insbesondere auf sexuelle Unattraktivität abhob, aber auch mit abergläubischer Volksreligiosität verknüpft wurde, zeigt V. ROSIVACH, Anus. Some Older Women in Latin Literature, ClW 88, 1994 / 1995, 107–117, v. a. 110–112 und 112f. Sofern eine alte Frau (anus) sexuelles Interesse haben sollte, wird sie in Verbindung mit Prostitution gebracht; s. ebd., 111. – Zeno betont also nicht nur die unterschiedlichen Aspekte, die mit der Vorstellung von anus sowieso schon verbunden sind, er macht daraus quasi zusätzlich ein Hendiadyoin, wenn er anus und amatrix hier verknüpft. 241 Vgl. IUV. 2,111 (47 Clausen); s. auch A. T. FEAR, Cybele and Christ, in: Cybele, Attis and Related Cults. FS M. J. Vermaseren, hg. v. E. N. Lane, Leiden / New York / Köln 1996, 37–50, hier: 48. 239

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verschmilzt die hethitische Kubaba mit einer phrygischen Muttergottheit zur Matar Kubile, Mutter Kybele, so genannt nach einem Berg in Phrygien. Als Mutter allen Lebens ist sie Göttin der Erde und Herrin der Tiere. Sie wohnt in den unberührten Wäldern der Berge. Ihr zugeordnet ist ein jugendlicher Kultgefährte, der gleichzeitig ihr Sohn, Geliebter und Priester ist. Auch er taucht bei unterschiedlichen Völkern unter verschiedenen Namen auf. In Phrygien heißt dieser Kultheros Attis. Das phrygische Kultzentrum ist die Stadt Pessinus am Fuß des Agdosgebirges. Das dort verehrte Idol der Muttergöttin, ein schwarzer Meteorstein, wird im Jahr 204 v. Chr. anlässlich der Bedrohung Roms durch Hannibal auf den Rat der Sibyllinischen Bücher hin nach Rom überführt. Dort wird der Kybele als Mater deum Magna Idaea, als Göttermutter vom Berge Ida, im Jahre 191 v. Chr. ein eigener Tempel auf dem Palatin errichtet. Das bestimmende Merkmal des phrygischen Kultes ist die Ekstase, die durch Musik und Tanz bewirkt und soweit getrieben wird, dass man sich Stich- oder Schnittverletzungen selbst zufügt, um durch das fließende Blut in Verzückung zu geraten. Einige Kultbeteiligte entmannen sich schließlich dabei selbst, um sich ganz der Großen Mutter als Priester (Galli) zu weihen. Diese Elemente des Kultes zeitigen in Rom eine ambivalente Wirkung. Neben die Begeisterung für das Fremdartige tritt der Abscheu, v. a. vor der barbarischen Selbstverstümmelung.242 Die wilde Göttin wird zunächst zu einer vergöttlichten römischen Matrone umgewandelt, neben der Attis als Kultheros verblasst; der Tempeldienst darf von römischen Bürgern nicht ausgeübt werden. Er wird von eigenen phrygischen Priestern, die sich nur innerhalb ihres heiligen Bezirkes aufhalten dürfen, vorgenommen. Doch mit dem Anwachsen der römischen Bevölkerung aus den Ländern des östlichen Mittelmeerraums nimmt das Interesse am ekstatischen Kult wieder zu. Seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. setzen die phrygischen Züge des Kultes sich wieder durch, auch unter Einfluss der kaiserlichen Gesetzgebung. Vermutlich seit der Zeit der Antonine tritt an die Stelle des Hauptfestes zum Gedächtnis der Überführung des Meteorsteins nach Rom im April das große Frühlingsfest im März, das sich über fast 14 Tage hinzieht. Höhepunkt der vielgestaltigen mysteriösen kultischen Akte ist der als Sanguis bezeichnete Tag, an dem Kybele-Anhänger ihr Blut zum Zeichen der Trauer über den Tod des Attis vergießen. Höchstes Opfer ist die Selbstentmannung der zukünftigen Galloi. 243 In der Kaiserzeit tritt also Attis wieder stärker in den Mittelpunkt des Kultes. Auch römische Bürger können nun Kybele- und Attis-Priester werden. 244 242

S. A. T. FEAR, Cybele, 45–47. M. RAUHALA, Devotion and Deviance. The Cult of Cybele and the Others Within, in: The Faces of the Other. Religious Rivalry and Ethnic Encounters in the Later Roman World, hg. v. M. Kahlos, Turnhout 2011, 51–82, hier: 54f., bemerkt neuerdings, dass bei aller ‚Dichotomie‘ v. a. die römische Oberschicht dem Kult mit „enthusiasm“ begegnete und dass die Platzierung des Tempels auf dem Palatin, also innerhalb des pomeriums, darauf deutet, dass die Göttin längst als eine „essentially Roman godess“ betrachtet wurde. Dies verhinderte aber keinesfalls, alle erdenklichen negativen Charakteristika in ein Negativ-Bild der Galli zusammenzuschnüren, s. ebd., 56f. 243 In dieser Form ist die Feier noch im Chronographen von 354 überliefert; s. M. J. VERMASEREN, Cybele and Attis. The Myth and the Cult, London 1977, 113. 244 Überblick bei M. GIEBEL, Das Geheimnis der Mysterien. Antike Kulte in Griechenland, Rom und Ägypten, Zürich / München 1990, 115–147, und R. T URCAN, Les

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Für die Spätantike ist schließlich die Entwicklung des Kybele- und Attis-Kultes hin zu einer Mysterienreligion erkennbar. Durch synkretistische Strömungen kommt es zu einer neuen Form der Religion, der sich auch der Kybele-Kult nicht verschließt. Es gibt Bekenntnisformeln, ein rituelles Mahl sowie den Ritus des Eingehens in das Brautgemach der Göttin. Daneben tritt der Akt des Tauroboliums, einer Taufe mit Opferblut, die eine geistige Wiedergeburt bewirken soll.245 Seit dem ausgehenden 3. Jahrhundert n. Chr. findet der Kult großen Zulauf v. a. von römischen Bevölkerungsteilen der oberen Schichten. Er wird in den Auseinandersetzungen mit dem Christentum zur „letzten Bastion der Altgläubigen“.246 Gerade unter Julian, der der Mater deorum eine eigene Oratio widmet 247 und sogar auf seinem Persienfeldzug in Pessinus Station macht, um ihr ein Opfer darzubringen, erhält die Verehrung Kybeles durch die neuplatonische Neudeutung nochmals Auftrieb. 248 Die späte Entwicklung auch des eigentlichen Kultes wird schon von den Kirchenvätern, aber auch von der heutigen Forschung 249 als bewusst imitierende und insofern reaktionäre Maßnahme gegenüber dem Christentum bewertet; diese wiederum könnte ein Grund dafür gewesen sein, warum gerade der Kybele- und Attis-Kult als besondere Bedrohung von Seiten der Kirchenväter betrachtet und von ihrer Polemik ausnehmend häufig und hart attackiert wurde.250 cultes orientaux dans le monde romain, Paris 1989, 35–75; ausführlich H. HEPDING, Attis. Seine Mythen und sein Kult, RVV 1, Gießen 1903; zur Einführung und den Umgestaltungen des Kultes in Rom s. auch G. W ISSOWA, Religion, 317–327; K. LATTE, Religionsgeschichte, 258–262; K. P RÜMM, Handbuch, 255–263; G. SFAMENI GASPARRO, Soteriology and Mystic Aspects in the Cult of Cybele and Attis, EPRO 130, Leiden 1985, 56–63. Die lange und intensive Forschungsgeschichte zusammengetragen und systematisiert hat M. G. LANCELLOTTI, Attis. Between Myth and History. King, Priest and God, Religions in the Graeco-Roman World 149, Leiden / Boston / Köln 2002. 245 S. M. GIEBEL, Geheimnis, 135–145; ausführlich G. SFAMENI GASPARRO, Soteriology; M. G. LANCELLOTTI, Attis, 105–115. 246 M. GIEBEL, Geheimnis, 144.; s. A. T. FEAR, Cybele, 42–44. Vgl. das Carmen ad quendam senatorem, erwähnt bei M. FIEDROWICZ, Apologie, 119, aus der Zeit zwischen 384 und 394, das sich an einen Apostaten und Priester der Magna Mater und Isis wendet. 247 J UL. or. 8 [5] (2,1,103–131 Rochefort). 248 S. J. B IDEZ, Kaiser Julian. Der Untergang der heidnischen Welt, Rowohlts deutsche Enzyklopädie 26, Hamburg 1956, 164–167.178f.; M. J. VERMASEREN, Cybele, 86f.121; M. G. LANCELLOTTI, Attis, 125–135. 249 S. A. T. FEAR, Cybele, 41f.44. 250 S. ebd., 37f.42–44. An inhaltlichen, z. T. seitens der Kultbetreibenden bewusst gesetzten Parallelen nennt A. T. FEAR, Cybele, 39–42.44, eine vom Kult in Aussicht gestellte Unsterblichkeit bzw. Auferstehung, die ,Auferstehung‘ des Attis nach drei Tagen, die Verehrung des Attis als Hirt, die Pinie des Attis als Parallele zum Kreuz Christi, Kybele, die Göttermutter, als Parallele zu Maria als Theotokos, das Festdatum der Hilaria am 25. März als Parallele zum Osterfest, das Taurobolium als Parallele zur Taufe, ein dem Kult von christlicher Seite unterstelltes Fasten und schließlich die Intellektualisierung und theologische Ausgestaltung des Kultes durch Julian Apostata und den Neuplatoniker Proclus. Ebd., 45: „This would explain the violent reaction of Christian writers to Cybele. Not only would her cult be seen as a direct challenge to the faith, but its rituals would be regarded as a deliberate blasphemous parody of Christian religious practice aimed at tempting the faithful away from the truth. Cybele and Attis became a target for

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Als Mysterienreligion ist der Kult in Rom, Italien und Gallien seit nachkonstantinischer Zeit belegt und bleibt das ganze 4. Jahrhundert hindurch von Belang.251 Insbesondere auf dem Land verbindet sich mit dem Kult wieder die Vorstellung von Kybele als einer Fruchtbarkeitsgöttin.252 Entsprechend dem vielverzweigten Ursprung des Kultes gibt es auch mehrere Versionen der Sage. Im Mittelpunkt des jüngeren Mythos steht die Entmannung des Attis. Kybele liebt den schönen jungen Mann, der auf mythisch verschlungene Weise zugleich ihr Sohn ist. Dieser bricht jedoch der Göttin die Treue, woraufhin sie ihn wahnsinnig werden lässt. Unter einer Pinie entmannt sich Attis und stirbt. Kybele begräbt die Genitalien in der Erde, ihrem Element. Sie bereut ihre Tat und kann bei Zeus erreichen, dass der Körper des Attis nicht verwest. Aus dem Blut des Attis wachsen Bäume und Blumen. 253 Der Mythos macht Kybele zur Leben schenkenden und wieder vernichtenden Allmutter. Kultsymbol sind Pinie und Veilchen als Zeichen des Phallos und des immer wieder erstehenden Lebens. Attis lebt verwandelt weiter als Teil der Natur.254 Es handelt sich also um einen in primitiven Naturvorstellungen wurzelnden Vegetationskult, in dem Kybele für den Mutterschoß der Natur steht und Attis für die immer wieder absterbende, aber auch wieder auflebende Vegetation. Die kultische Entmannung ist dementsprechend nicht als Sühneritus, Askese oder als Lösegeld an Stelle eines Menschenopfers zu bewerten, sondern als kultischer Zeugungsakt zur Sicherstellung neuen Lebens. Erst später wird dies vergeistigend umgedeutet. 255 Der Mythos dürfte auch in weiten Kreisen bekannt gewesen sein, die nicht dem Kult anhingen. Es ist belegt, dass es eine eigene Hymnodik gab, deren Lieder zu Ehren von Kybele und Attis in Theatern, begleitet von Tanz und Pantomime, aufgeführt wurden.256 Die Hymnen selbst sind verloren, jedoch zitiert Hippolyt in seiner Refutatio einen AttisHymnus der gnostischen Naassener. 257

Über die Kenntnis Zenos des den Kult deutenden Kybele-Attis-Mythos kann kaum eine Aussage getroffen werden. Die Charakterisierung der Kybele als amatrix weist oberflächlich auf ein Wissen vom Zusammenhang Christian polemic not because they presented easy pickings, but because they had been posted at the fore-front of the battle [sc. in der Auseinandersetzung zwischen intellektuellem Heidententum und Christentum].“ 251 M. J. VERMASEREN, Cybele, 119–121, weist auf den bemerkenswerten Befund hin, dass fast sämtliche literarischen Daten zum Hilaria-Fest in Rom aus der Spät-Phase des Kultes im 4. Jahrhunderts, archäologische Daten dagegen alle aus einer früheren Phase stammen. 252 S. G. W ISSOWA, Religion, 326; H. STRATHMANN, Art. Attis, RAC I, 1950, 889– 899, hier: 891.897. 253 S. H. HUNGER, Lexikon, 80; ausführlicher M. GIEBEL, Geheimnis, 118–122; H. HEPDING, Attis, 98–122. 254 S. M. GIEBEL, Geheimnis, 120–122. 255 S. H. STRATHMANN, Attis, 894f.; M. G. LANCELLOTTI, Attis, 84–91. 256 S. M. J. VERMASEREN, Cybele, 86. 257 HIPPOL. haer. 5,9 (PTS 25,167f.,55–62 Marcovich). Zur gnostischen Neu-Interpretation des Attis-Kults s. M. G. LANCELLOTTI, Attis, 119–125. Eine Abhängigkeit der Attis-Verehrung des Julian vom genannten Hymnus wird in der jüngeren Forschung bestritten; s. ebd., 125–135.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

des Kybele- und Attis-Kultes, wie er für die späte Phase als Mysterienreligion wieder bedeutsam wird. Zum Verzicht Zenos auf nähere Ausführungen zu den gemeinten Gottheiten und ihrem Mythos in Traktat I 3 tritt auch der Verzicht auf Mythenkritik. Die Charakterisierung der Kybele als amatrix weist zwar in die gleiche Richtung wie die Einschätzung des Jupiter, des Herkules und der Venus. Dies wird hier jedoch nicht ausgeführt. Angesichts der Beliebtheit der Polemik gerade gegen diesen Kult auf Seiten der Kirchenväter 258 könnte dies verwundern. Zenos Schweigen dürfte jedoch seinen Grund darin haben, dass er in Traktat I 3 etwas anderes in den Mittelpunkt stellen und attackieren will, nämlich die jüdische Beschneidung. Kybele wird lediglich im Vergleich von jüdischer Beschneidung und heidnischer Selbstkastration erwähnt. Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass der Attis-Kult und und der Akt der Selbstkastration259 gegenüber dem Judentum geradezu positiv beurteilt werden. Dies liegt jedoch keineswegs auf der Schiene der zenonischen Argumentation. Zeno setzt vielmehr sowohl den Argwohn und die Verachtung von römisch-heidnischer Seite 260 wie auch den auf diesen Vorbehalten aufbauenden Hohn, der der Selbstentmannung im Attiskult von Seiten der christlichen Väter regelmäßig gezollt wird, 261 als Grundlage seiner Argumentation gegen die Beschneidung voraus. Nur auf diesem Hintergrund kann die Anspielung auf den paganen Kult eine Bewertung der Beschneidung beinhalten. Das Tun des Attis und seiner Anhänger, das nicht nur von den Christen, sondern von allen zivilisierten Menschen verachtet wird,262 wird mit süffisantem Spott als eine größere Leistung als die Beschneidung der Juden dargestellt. Dass es genau dieser sarkastische Vergleich ist, den Zeno anzielt, belegt die Übertragung des gängigen Epithetons turpis der Kybele 263 in seinem Komparativ turpior auf die Beschneidung. Der einzige Nutzen, den die „widernatürliche Verkommenheit“ 264 der Verstümmelung haben kann, liegt darin, dass ein Verschnittener mit dem Glied nicht mehr sündigen kann, während ein (Nur)Beschnittener dazu noch in der Lage ist. Es ist beißende, „fast obszö258

S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 233; vgl. auch die Zusammenstellung der christlichen Stellungnahmen zu diesem Kult bei M. RAUHALA, Devotion, 70–81. 259 Zum Akt und zur Bedeutung der Selbstentmannung sowie zur Rolle der Galli im Attis-Kult s. M. G. LANCELLOTTI, Attis, 96–105. 260 S. A. T. FEAR, Cybele, 45–47. 261 S. H. STRATHMANN, Attis, 897f.; vgl. auch I. OPELT, Polemik, 84: „Weit schärfer noch [als Arnobius] verurteilt später Lactanz diese Priesterkaste wegen der Kastration als impii et parricidae (Lact. div. inst. 6,23,10)“. 262 S. A. T. FEAR, Cybele, 46f. 263 S. I 3,2. 264 H. STRATHMANN, Attis, 897f.

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ne“ 265 Ironie, die den Juden die Frage nach dem Nutzen ihrer Beschneidung entgegenschleudert. Dass Zeno zum Beispiel der Selbstentmannung im Attis-Kult greift, könnte darauf schließen lassen, dass diese Praxis, entgegen der in der Forschung für den römischen Bereich vertretenen Ansicht, dass die Selbstentmannung in der Kaiserzeit weggefallen sei, 266 möglicherweise noch geübt wird. Man könnte geneigt sein anzunehmen, dass in den Provinzen oder auf dem Land die Kulte nicht so stark einer Kontrolle unterzogen werden wie in der Hauptstadt Rom. Allerdings ist nicht nur aus der Polemik gegen den Kybele- und Attis-Kult bekannt, dass die Attacken der Kirchenväter sich häufiger gegen frühe Formen als gegen das zeitgenössische Heidentum richten.267 Dass der Kybele- und Attis-Kult insgesamt jedoch noch bis zum Ende des 4. Jahrhunderts praktiziert wurde, belegen Inschriften 268 und andere literarische Zeugnisse.269 Auch in Oberitalien, insbesondere in den Städten, wurde der Kult intensiv gepflegt: In Verona selbst ist das Heiligtum der Mater deum das bedeutendste neben dem des Jupiter;270 damit ist Verona nach Mailand das wichtigste Zentrum des Kultes in Oberitalien.271 Mehrere Inschriften mit einer Erwähnung der Kybele oder anderen Hinweisen auf den Kult belegen dies (wenigstens für das 2. bis 3. Jahrhundert);272 Attis taucht nicht 265

B. B LUMENKRANZ, Judenpredigt, 30. G. W ISSOWA, Religion, 322, und K. LATTE, Religionsgeschichte, 261f., nehmen an, dass die Selbstkastration in der Kaiserzeit wegfällt und stattdessen nur symbolische Verletzungen zugefügt werden. Dies sei Voraussetzung, dass überhaupt römische Bürger am Kult beteiligt werden können. – Fest steht, dass Kastration seit Domitian generell verboten ist. Möglicherweise dient das Taurobolium, dessen Ursprung sehr umstritten ist, als Ersatz. Dies muss jedoch nicht heißen, dass sich die Kultgemeinde immer an das Verbot hält. 267 Vgl. A. T. FEAR, Cybele, 38. 268 S. ebd., 50, Anm. 68. 269 S. M. J. VERMASEREN, Cybele, 119–121. 270 S. G. RADKE, Verona, 2433. 271 S. M. J. VERMASEREN, Cybele, 69. 272 K. SCHILLINGER, Untersuchungen zur Entwicklung des Magna Mater-Kultes im Westen des römischen Kaiserreiches, Diss. Konstanz 1979, 74–92, listet das Material für die Gallia Cisalpina auf; Verona ist, ebd., 81f., mit vier Inschriften vertreten, Aquileia, ebd., 78f., mit dreien; Brescia, ebd., 82f., mit fünfen, Mailand, ebd., 86f., ebenfalls mit fünfen, um nur die bedeutendsten, nächstgelegenen Orte zu nennen. M. J. VERMASEREN, Corpus cultus Cybelae Attidisque, Bd. IV, EPRO 50, Leiden 1978, führt alle Gegenstände auf, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Kybele-Kult und / oder -mythos stehen, neben Inschriften (mit Nennung der Kybele bzw. mater de(or)um) etwa Statuen, Figurinen, Büsten, Votiv-Statuetten und Reliefs von Grabmonumenten – überwiegend dargestellt ist Attis – und auch Altäre etc. So kann er, ebd., 90–101, für die östlich von Verona gelegene Venetia et Histria immerhin 36 solcher Belege für die Verbreitung des 266

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namentlich, allerdings bildlich auf einer Reihe von Sepulkralmonumenten auf.273 Nachgewiesen ist für Verona darüber hinaus ein Dendrophoren-Kollegium. 274

Da die gegenständlichen Zeugnisse für Verona sich scheinbar auf das 2. und 3. Jahrhundert beschränken, ist es wahrscheinlicher, dass Zeno sein Wissen über die Praktiken des Kybele- und Attis-Kultes aus anderen QuelKultes bzw. des Mythos anführen, davon 20 allein für Aquileia; ebd., 86–89, sechs Belege für die südlich von Verona gelegene Gallia transpadana einschließlich Bononias (Bologna), zu dem vermutlich Kontakte von Verona aus bestanden (s. o. Seite 33 zu Petronius), ebd., 102–109 und Tafel 103–105, 16 Belege für die Gallia transpadana, zu der auch Verona mit sieben Fundstücken und S. Giorgio in Valpolicella, der antike Pagus Arusnatium, mit zwei weiteren Fundstücken, davon eines in einem größeren Votivkontext zusammen mit einer Venus-Statuette, 20 Fortuna-Statuetten u. a., gehört. Weitere Nachbarorte Veronas, für die Belege zu verzeichnen sind, sind Malcesine, Riva, Brescia, Bergamo und Mailand. Aus dem nordwestlich von Mailand gelegenen Ort Parabiago stammt ein bemerkenswerter Fund, um dessen Datierung (2. Jahrhundert, Ende 3. Jahrhundert oder nachkonstantinisch) und Verwendung (Deckel einer Urne oder Patera zur Verwendung während thiastischer Mähler innerhalb des Kybele-Kultes) die Wissenschaft nach wie vor ringt: Es handelt sich um eine Silberplatte, in deren Zentrum Kybele und Attis auf einer Quadriga dargestellt sind; umgeben sind sie u. a. von wild tanzenden Korybanten, aber auch von Sol in Quadriga und Luna in Biga, vier Jahreszeiten-Genien, Oceanus und einer Nereide, Tellus, Nymphen und einem Atlas, der einen ovalen, einen Jüngling rahmenden Ring trägt, auf dem ein halber Zodiakus erkennbar ist; s. M. J. VERMASEREN, Corpus, Tafel 107. Dieser Fund mag Zeichen sein für eine synkretistische Verbrämung des Kybele-Kultes oder aber für ein kultisches Verblassen mythologischer Gestalten hin zu überwiegend ornamentalen Versatzstücken, wie sie die gebildete Oberschicht der Spätantike liebte. – Belege für die Verbreitung in den oberitalienischen Städten werden in zusammenhängenden Darstellungen auch genannt bei C. B. P ASCAL, Cults, 57, und M. C. B UDINKOVSKY, Cultes, 117–122. Aus den Befunden schließt M. C. B UDINKOVSKY, Cultes, 118–120.122, auf Kybele-Tempel in Riva, Malcesine und Triest. Ein Kultzentrum befand sich danach auch in Nesactium in Istrien. Synkretistisch soll Kybele in Oberitalien verbunden worden sein mit Isis, mit Junones oder lokalen Muttergöttinnen. – Betrachtet man die Karten zu Fundorten in Etruria, Gallia Cispadana, Venetia et Histria, Gallia Transpadana und Liguria bei M. J. VERMASEREN, Corpus, 81.87.91.103.111, fällt auf, dass das Netz der Fundorte in den östlichen Teilen Oberitaliens sehr dicht ist und nach Westen immer dünner wird. In der Liguria vermerkt M. J. VERMASEREN, Corpus, 110, nur vier Funde an zwei Orten, nämlich in Industria und Augusta Taurinorum. Für Verona bedeutet das, dass es in der Tat im Zentrum der Verbreitung des Kultes (bzw. Mythos) in Oberitalien zu liegen scheint. 273 S. hier Anm. 272. – Dies lässt die in der Spätzeit mit Attis verbundene Vorstellung von Errettung aus dem Tod erkennen. Hier liegt der Ansatzpunkt für eine von mehreren beobachteten Parallelen zum Christentum; vgl. A. T. FEAR, Cybele, 39, Anm. 11–13. 274 S. F. SARTORI, Verona, 239. Möglicherweise ist die Entstehung von Dendrophoren-Kollegien berufsbedingt; auf jeden Fall wurden sie neben kultischen auch zu profanen Diensten herangezogen, was u. a. erklärt, dass diese Kollegien auch in christlich dominierten Gemeinwesen weiter bestanden; s. J. RÜPKE, Religion, 202 (ohne Beleg). In Oberitalien ist ihre ökonomische Bedeutung für Pula und Brescia belegt; s. M. C. B UDINKOVSKY, Cultes, 117.

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len schöpft, die gerade für diesen schon lange in Rom ansässigen, aber seit jeher besonders exotisch wirkenden Kult in Fülle vorhanden gewesen sein dürften.275 Hier ist v. a. an das Carmen 63 des Catull – der ja aus Verona oder Umgebung stammt – zu denken,276 selbst wenn er wohl auch schon aus einer griechischen Quelle schöpft 277 und „kein sicherer Erlebnisbezug“ zum Kult bestehen dürfte. 278 Dennoch kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Verbreitung des Kultes auch in Oberitalien mit Anregung für diese literarische neoterische Bearbeitung gewesen sein könnte. Auch Catull empfindet offensichtlich Abscheu vor diesem Kult. Abschließend bittet er, selbst von der Raserei eines Attis-Priesters verschont zu bleiben.

Kenntnisse über den Kult und v. a. auch über die Selbstentmannung der Galli könnte Zeno auch den Institutiones des Laktanz, den er, wie schon mehrfach festgestellt, sehr gut kannte, entnommen haben. 279 Aktualität jedenfalls gewann das Thema gerade zur Zeit Zenos noch einmal durch Kaiser Julian und sein Verhältnis zum Kybele-Kult. Es kann hier also kein abschließendes Urteil über die Kenntnis Zenos vom Kult der Kybele und des Attis gefällt werden. Auffällig ist, dass er bei der Nennung erheblich weniger deutliche Hinweise gibt als bei den Anspielungen auf Jupiter, Herkules und Venus. Ob der Grund darin liegt, dass er aus Unkenntnis gezwungen ist, sich auf Allgemeingut zu beschränken, oder, dass der Kult in Verona noch so aktiv ist, dass die Praktiken allgemein bekannt sind, oder aber schlichtweg darin, dass er hier ein anderes Thema in den Mittelpunkt der Polemik stellt und den Kybele-Kult nur am Rande anführt, wird endgültig nicht zu entscheiden sein. 280 Ganz erstaun275

Vgl. A. T. FEAR, Cybele, 38. CATULL. 63 (73–78 Bardon). H. P. SYNDIKUS, Catull. Eine Interpretation, Bd. II, IdF 55, Darmstadt 1990, 76, Anm. 3, nennt weitere lateinische Literatur, in welcher sich der Eindruck, den v. a. die lauten, malerischen Prozessionen in der römischen Öffentlichkeit hinterließen, widerspiegelt. 277 S. H. P. SYNDIKUS, Catull, 79f. 278 S. E. SCHÄFER, Das Verhältnis von Erlebnis und Kunstgestalt bei Catull, Hermes.E 18, Wiesbaden 1966, 95f.; Zitat ebd., 107; s. auch H. P. SYNDIKUS, Catull, 98f. 279 Etwa LACT. inst. 1,17,7 (CSEL 19,1,65 Brandt) und ebd., 1,21,16 (CSEL 19,1,81 Brandt). 280 Ganz ähnliche Beobachtungen macht E. SCHÄFER, Verhältnis, 95–107, v. a. 95f., im Übrigen auch für Catull gegen verschiedene Versuche, dessen Attis-Gedicht als Schilderung eines Bekehrungserlebnisses zu interpretieren. Auch dieser verzichtet nämlich in Carmen 63 auf jegliche Anspielung auf den Mythos oder auf rituelle Details. Ebd., 96: „Die vorhandenen Elemente des Kultes aber ,haben fast alle einen mehr typischen Charakter, stellen das heraus, was jedem Leser einigermaßen vertraut sein mochte.‘ “ Vgl. auch H. P. SYNDIKUS, Catull, 85, der u. a. darauf hinweist, dass die Reihenfolge des Catullgedichts „nicht dem realen Kultgeschehen“ entspricht. – Was die negative Bewertung der Galli insgesamt betrifft, dürfte Zeno auch die Darstellung der Raserei 276

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lich ist es jedoch, dass sich Zeno jeder Polemik gegen Attis enthält angesichts der in der Spätantike andernorts 281 oft beobachteten Konkurrenz gegenüber dem Christentum aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe von „so-called ‘dying’ gods“282. 3. amor bzw. cupido Traktat I 36 (De spe, fide et caritate) behandelt nach Rm 13 die drei christlichen Grundtugenden.283 Der weitaus größte Teil des Traktates ist der Liebe gewidmet. Dabei setzt Zeno die Begriffe caritas und dilectio quasi synonym. Diese machen den amor sincerus aus. Davon wird ein alius amor unterschieden, der – nur weil er mit dem gleichen Namen bezeichnet wird – die Wahrheit zu pervertieren versucht.284 Bevor Zeno diese Art der Liebe bei ihrem wirklichen Namen nennt, beschreibt er sie ausführlich. 285 Dem Zuhörer kann es kaum verborgen bleiben, dass er sich dabei an den paganen Vorstellungen vom griechischen Gott Eros orientiert. Eros ist als Sohn des Ares und der Aphrodite eine Schöpfung der Dichter, Maler und Philosophen, nicht der Religion. So wird er idyllisch als geflügelter Knabe mit Pfeil und Bogen dargestellt, der Götter und Menschen ins Herz trifft und damit der Liebe unterwirft. Kultische Verehrung genießt er kaum.286 Er gilt aber als Verkörperung einer lebensbeherrschenden Macht 287 und auch die Vorstellung von seiner Todüberlegenheit ist von Bedeutung, in bestimmten Kreisen tritt sie oft sogar in den Vordergrund. Bei den Platonikern steht Eros für die unsterbliche Seele im Zustand der Körperlichkeit, bei den Orphikern gilt er gar als Weltschöpfer.288 entmannter Priester der Dea Syria, die hier nicht sauber getrennt werden von denen der phrygischen Kybele, in den Metamorphosen des Apuleius, vgl. APUL. met. 8,25–29.9,9f. (SQAW 1,240–245.254–257 Helm), bekannt gewesen sein. – Zu weiteren (negativen wie positiven) Darstellung der Galli, ihrer Göttin und deren Kult in nicht-christlichen Quellen s. N. RAUHALA, Devotion, 59–70. 281 S. o. S. 270, Anm. 249.250 und S. 272, Anm. 258. 282 M. G. LANCELLOTTI, Attis, 139. Das gesamte Kapitel, ebd., 135–142, liefert leider auch keinen Anhaltspunkt für den Verzicht Zenos auf eine solche Polemik. 283 I 36,1: „Christiani culminis fundamenta“. 284 I 36,25. 285 I 36,25–27: Aussehen und Verhalten – bibl. Beispiele – Ort – Mittel – Wirkung – Ursprung. 286 So wird er in rein religionsgeschichtlichen Handbüchern, etwa bei G. W ISSOWA, Religion, K. LATTE, Religionsgeschichte, oder G. RADKE, Götter, nicht behandelt. Anders für den römischen Bereich dagegen H. FLIEDNER, Amor und Cupido. Untersuchungen über den römischen Liebesgott, BKP 53, Meisenheim am Glan 1974, 82–93, der einen Cupido-Kult, allerdings nur in Verbindung mit Venus-Kult, nachweisen kann. Da die Wirksamkeit des Gottes für ein Kollektiv jedoch nur wenig Bedeutung gehabt haben dürfte, schließt der Autor auf größere Verehrung im Privatkult; ebd. 92f. 287 S. H. HUNGER, Lexikon, 129. 288 S. C. SCHNEIDER, Art. Eros, RAC VI, 1964, 306–342, hier: 307; H. HUNGER, Lexikon, 129.

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Von den Römern wird der griechische Gott seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. als Cupido, v. a. von den Dichtern dann als Amor übernommen.289 Beide Bezeichnungen werden zunächst synonym verwendet. Dann verliert Eros aber völlig seine geistigen Züge, er wird als Cupido zum Gott der unwiderstehlichen sexuellen Begierde, als Amor zum Gott des Liebesspiels.290 Er scheut weder Götter noch göttliche oder menschliche Ordnung. Selbst die Ehe ist ihm nicht heilig. Er gilt als heimlich und listig und lässt nicht ab von denen, denen er nachstellt.291 In der spätantiken (auch christlichen) Plastik wird die Darstellung des Gottes in Form zahlreicher geflügelter und ungeflügelter Eroten zum Ausdruck der Idylle und des Paradiesischen, also quasi ornamental, verwendet. Als Amoretten, Putti und Genien tauchen diese Eroten in der Kunst der Renaissance, des Barock und des Rokoko in der gleichen Funktion wieder auf.292 Im christlich-literarischen Bereich lassen sich zwei Linien unterschiedlichen Umgangs mit den heidnischen Vorgaben aufweisen. Zum einen wird die Figur des Mythos bereits relativ früh aufgegriffen und als Bild für Gott oder Jesus gedeutet. Zum anderen wird Eros deutlich gegenüber der christlichen Liebe abgegrenzt.293 Amor ist mit Gott, Cupido mit dem Teufel gleichzusetzen.294 Für diese Zuordnung fungiert die zenonische Darstellung als Hauptbelegstelle.295

Deutlich und an exponierter Stelle sagt Zeno zunächst, dass er – im Gegensatz zu den Heiden – die Personifikation dieser Liebe keineswegs für einen Gott hält. Dies ist der einzige explizite Euhemerismus, der sich in den Traktaten Zenos findet. Interessant, weil mit der Doppeldeutigkeit spielend und die explizite Aussage damit wieder relativierend, ist die Begründung: Dieser Liebe wird zu Recht die Gestalt eines Menschen verlie289

S. H. FLIEDNER, Amor, 3–44.52–81. Cupido steht dabei für die volkstümliche, sich an den griechischen Eros anlehnende Vorstellung des pfeilschießenden, geflügelten Knaben; s. ebd., 69, Anm. 9, und 77. 290 Der Terminus cupido hatte gegenüber amor, mit dem auch der seelische Bereich angesprochen sein kann, s. H. FLIEDNER, Amor, 41, auch in (pagan-)römischen Ohren einen eher negativen Klang, s. ebd., 36; dennoch war ersterer der im kultisch-religiösen Sprachgebrauch bevorzugte Begriff, s. ebd., 14f. 291 S. C. SCHNEIDER, Eros, 308. 292 S. H. HUNGER, Lexikon, 129; vgl. die ausführliche Behandlung bei A. RUMPF, Art. Eros (Eroten) II (in der Kunst), RAC VI, 1966, 312–342. 293 Nach H. FLIEDNER, Amor, 25f., vermieden die frühen christlichen Schriftsteller das Wort amor weitgehend aus Gründen der Abgrenzung gegenüber dem erotischen und heidnisch-kultischen Moment, die allein mit dem Terminus verbunden waren. 294 S. C. SCHNEIDER, Eros, 310f. 295 S. ebd., 311. H. FLIEDNER, Amor, 80, merkt an, dass Laktanz, Arnobius, Rufin, und Augustin nur den Namen Cupido benutzen, auf Amor als Bezeichnung für den Gott gänzlich verzichten. Zeno scheut in diesem Kontext keineswegs den Terminus amor, er differenziert eben zwischen der Tugend des sincerus amor und alius amor, der recte hominis forma begegnet – I 36,25; s. hier Anm. 296 –, jedoch eben keinen wirklichen Gott meint. Möglicherweise lässt sich dieses terminologische Zugeständnis auf Zenos Wertschätzung des Apuleius zurückführen, der bewusst mit beiden Terminologien spielt; vgl. H. FLIEDNER, Amor, 68–79.

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hen, weil sie (wie ein Mensch – und dies bedeutet eine Relativierung) zeitlich und vergänglich sei.296 Mit der Formulierung forma tribuitur stellt Zeno geschickt eine Verbindung her zwischen den bildlichen Darstellungen des Eros 297 und seiner eigenen Bewertung der durch diesen Gott verkörperten Liebe. Zeno nimmt Bezug auf die gebräuchliche Darstellungen des Gottes als nackter und geflügelter Knabe mit Pfeilen und Fackel, den Werkzeugen, mit denen er die Menschen ins Herz trifft und ihre Liebe entzündet. 298 Die Elemente des dichterischen Mythos werden im Anschluss von Zeno auf biblische Ereignisse übertragen. So wird das Herz Evas durch die Fackeln des Eros entzündet; die von Eros verschossenen Pfeile töten den Adam.299 Damit wird Eros von Zeno eine Unheil auslösende Rolle in der Schöpfungsgeschichte zugewiesen.300 Als weitere Versuche der Verführung durch Eros werden die biblischen Geschichten von Susanna und von Josef angeführt. 301 Dann wird Zeno wieder allgemeiner: Die Synagoge, d. h. das Judentum insgesamt, ist von Eros verführt worden. Dieser wirkt einfach überall. 302 Erst jetzt wird durch eine Aufzählung von jeweils entgegengesetzten Eigenschaften die Unstetigkeit, aber auch die Listigkeit der durch Eros verkörperten Liebe aufgewiesen. Ihr Ziel ist es, Schaden zuzufügen; daher muss sie als Übel gekennzeichnet werden.303 Schließlich wird sie durch ein biblisches Zitat mit der concupiscentia gleichgesetzt.304 Ganz zum Schluss der Ausführungen fällt dann ihr Name, mit dem auch der Gott Eros von den Römern tituliert wird: Cupido. Durch eine etymologische Ableitung von capere wird Cupido als Werkzeug des Teufels entlarvt.305 296

I 36,25: „alius amor ..., cui recte hominis forma tribuitur, quia temporalis ac fragilis esse cognoscitur.“ 297 Ebd.: „depingitur“. 298 Ebd.: „Ideo lineamento puerili depingitur, … ideo nudus, … ideo pennatus, … ideo telis facibusque“. – Eine solche Eros-Statuette wurde übrigens im Amphitheater Veronas gefunden und befindet sich heute im Museo archeologico del Teatro romano; Abbildung bei G. P. MARCHINI, Verona, 72. 299 I 36,26. 300 I 36,25: „saluti nostrae contrarius“. Dabei handelt es sich interessanterweise um eine Umkehrung der Interpretation der Orphiker; s. o. S. 276, Anm. 288. 301 I 36,26. 302 Ebd.: „ubique … ubique“. 303 I 36,26f.: „Occasionem ullam prorsus nocendi non praeterit. Vultis scire, quod malum sit?“ 304 1 Jo 2,15f. in I 36,27. 305 I 36,27. Diese Etymologie scheint erstmals bei Zeno belegt; R. MALTBY, A Lexicon of Ancient Latin Etymologies, Arca 25, Leeds 1991, 165, wie auch ThesLL 4, 1429, führen für die gleiche Ableitung von cupidus ISID. orig. 10,42 (1,C,13 Lindsay):

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Deutlich dürfte sein, dass Zeno mit der Kritik an Cupido keineswegs eine Kultkritik übt. Auch in Verona dürften Eros oder Cupido kultisch kaum eine Rolle gespielt haben. 306 Es sind zwar zahlreiche Bronzestatuetten von Eroten im Museo Archeologico vorhanden. Diese können jedoch wie eine ebenfalls vorhandene Kopie einer lysippischen ErosStatue 307 als reine Schmuckausstattungsstücke betrachtet werden.

Besonderes Interesse hingegen beansprucht Traktat 36 aufgrund der eigenartigen Weise der Mythenkritk. Anders als bei Gottheiten, für die eine Mythenkritik selbstverständlich erscheint, da Zeno sie als Gottheiten behandelt, bedient sich Zeno hier einer ganz eigenen Vorgehensweise. Zunächst merkt er an, dass Cupido keineswegs ein Gott ist. Damit greift er implizit das Fehlen eines Kultes im heidnischen Bereich auf. Wie für die Heiden Eros das Bild einer Macht ist, so funktioniert Zeno Cupido um zum Werkzeug des Teufels, das eine Untugend verkörpert. Diese Untugend lässt sich in allen Bereichen finden, so auch in der christlichjüdischen Tradition. In typisch allegorisierender Manier deutet Zeno von daher biblische Erzählungen mit Hilfe des paganen Mythos. Umgekehrt bekommt der pagane Mythos dadurch eine Funktion im Kontext christlichen Gedankengutes. Während jedoch der pagane Mythos nur die Existenz und das Wirken des Eros beschreibt, bekommt der Cupido-Mythos in christlichem Kontext eine eindeutig negative Wertigkeit. Da aber alles Negative in christlicher Deutung vom Teufel verursacht ist, kann auch Cupido als Werkzeug des Teufels gelten. Insofern wird er, obwohl als bereits im heidnischen Bereich säkularisiert erkannt, nachträglich von Zeno wieder mit den heidnischen Gottheiten auf eine Stufe gehoben. Einzig aus diesem Grund kann Zeno dann ganz am Ende seiner Ausführungen zu Cupido in übertragenem Sinn wieder von Kultanhängern (cultores) sprechen.308 Diese teilen mit wirklichen Kultanhängern etwa des Jupiter, des Herkules oder der Venus ihre Neigung zur luxuria.309 Diese Form der christlichen Inanspruchnahme des heidnischen Mythos ist als Element der Katechese Zenos zu bewerten. Da mit der negativen Wertung des heidnischen Mythos in christlichem Kontext kaum Heiden für das Christentum gewonnen werden können – von einem eigentlichen Kult soll „Cupidus a capiendo multum, id est accipiendo, vocatus.“ an, vernachlässigen aber diese Zeno-Stelle. 306 So werden weder Amor noch Cupido noch Eros bei C. B. P ASCAL, Cults, behandelt. 307 S. F. SARTORI, Verona, 233; SOPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 84. 308 I 36,27. 309 Ebd.: „sic Cupido vocitari a luxuriosis suis sibi cultoribus coepit.“

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in diesem Fall ja nicht abgehalten werden –, so wird jedoch die Übernahme heidnischen Gedankengutes ehemalige Heiden, v. a. aber kulturell Interessierte in der zenonischen Gemeinde angesprochen haben. Auffällig ist an dieser Stelle, dass Zeno auch nicht mit einem einzigen Hinweis abhebt auf den in der Antike längst auch platonisch gedeuteten „himmlischen Eros“, der in sich alles aufgesammelt hatte, „was die Antike an Idealität hatte“.310 Zeno nimmt hier anders als andere Väter statt eines sich des Platonismus bedienenden Bemühens um Ausgleich vielmehr den direkten ‚Kampf‘ auf.311 Nicht Eros in seiner auch philosophisch deutbaren umfassenden Gestalt ist Ziel der zenonischen Attacke, sondern nur ein Aspekt des Eros: Cupido, die egozentrische Liebe.312 Zeno führt die eigentliche Bekehrung seiner Zuhörer weiter durch Paränese. Endgültig hat man als Christ mit allem aus der heidnischen Vergangenheit zu brechen, denn selbst das heidnische Kulturgut zeugt für die Schlechtigkeit der paganen Welt. Cupido steht aus christlicher Sicht für eine Untugend und kann auch in säkularisierter Form von Christen nicht verehrt werden. 4. sol und luna An den meisten Stellen, an denen sol und luna in den Traktaten Zenos auftauchen, geht es nicht um eine Auseinandersetzung mit Mythos oder Kult. Sol und luna benutzt Zeno hauptsächlich als Beispiele zur Beschreibung von Vorgängen in der Natur.313 Ihr Aufgang und Untergang, ihr Weg am Himmel, ihre Veränderung sind Phänomene, die der bildreichen Sprache Zenos als Mittel der Verdeutlichung dienen. Die Natur, und damit auch Sonne und Mond, sind Gott untergeordnet und werden von ihm beherrscht,314 ja selbst der Glaube an ihn vermag es, die Natur zu überwinden.315 Dagegen bedeutet es nach Ansicht Zenos Vermessenheit, sie mit dem menschlichen Verstand beherrschen zu wollen.316 Entsprechend der Einschätzung durch Zeno als Naturdinge werden sol und luna in der Textausgabe klein geschrieben. Aber auch an Stellen, an 310

A. NYGREN, Eros und Agape. Gestaltwandlungen der christlichen Liebe, Gütersloh 1954, 30. 311 Vgl. ebd., 13. 312 Vgl. ebd., 120f. Da Zeno sich ganz auf eine Polemik gegen die körperhaft greifbare Form dieser Liebe beschränkt, ist das Werk von Nygren, das auf den Eros der Philosophen abhebt, für diese Untersuchung weitgehend irrelevant. Zeno nimmt zwar an dieser Stelle die Gegenüberstellung Augustins von caritas und cupiditas vorweg, vgl. A. NYGREN, Eros, 378–395, weist dabei jedoch anders als Augustin selbst mit seinen biblischen Beispielen deutlich und ausschließlich in den physischen Bereich der cupiditas. 313 I 4,4f.; I 25,7; II 1,18; II 11,3.6. 314 I 29,1; I 36,8. 315 I 36,8; II 3,14. 316 II 9,1. 2

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denen Sonne und Mond als Allegorien verwendet werden, hält sich die Textausgabe an die Kleinschreibung. Es werden jedoch Elemente aus dem Mythos von Zeno aufgegriffen, die zeigen, dass ihm die mythologischen Vorstellungen durchaus bekannt sind; eine Kenntnis, die er mit seinen Zuhörern offensichtlich teilt. Sol und Luna sind als Götter im Rom der republikanischen Zeit bekannt, ohne dass genaue Angaben über Alter und Herkunft eines Kultes gemacht werden könnten. Die Verkörperung des Tagesgestirns auf der Quadriga und des Nachtgestirns auf der Biga dürften jedoch aus Griechenland übernommen sein, obwohl bei den Griechen ihr Kult als barbarisch gilt.317 Der Mythos stellt sie dar als Bruder und Schwester, gelegentlich auch als Gatten. Sol oder besser Helios fährt am Tage auf einem von vier geflügelten 318 Feuerrossen gezogenen Wagen über den Himmel. Sein Strahlenkranz ist Ausdruck seiner Macht. Seine Schwester Selene wird des Nachts von einem Wagen mit zwei Pferden oder Rindern über den Himmel gezogen. Die Gestaltveränderung des Mondes wird in privater Frömmigkeit frühzeitig mit Werden und Vergehen auf der Erde in Zusammenhang gebracht. 319 Als Gottheiten besitzen Sol und Luna in Rom einzeln oder gemeinsam Tempel. Über ihren Kult wissen wir jedoch nichts. Der offizielle Kult scheint niemals volkstümlich geworden zu sein. 320 Die inschriftlichen Denkmäler Roms und Italiens stammen zum größten Teil aus der Kaiserzeit. Sie beziehen sich meist nicht auf den alten römischen Kult, sondern auf die aus dem Orient nach Rom gebrachten Gestirnkulte.321 Besondere Verehrung genießt in der Spätantike unter dem Einfluss veränderter geistiger Voraussetzungen mit Tendenz zum Monotheismus Sol. Als oberster unter den römischen Staatsgöttern wird er von Kaiser Elagabal etabliert, der den Ba’al von Emesa als Sol Invictus nach Rom bringt. Aufgrund mangelnder Rücksicht auf römische Traditionen gelingt es dem Kaiser aber nicht, den Sonnenkult orientalischer Provenienz in Rom endgültig durchzusetzen. Es bedarf eines erneuten Engagements Kaiser Aurelians, der im Jahr 274 dem Deus Sol Invictus – der Titel bezieht sich hier vermutlich auf den Stadtgott von Palmyra – einen Tempel in Rom errichtet. Stiftungstag ist der 25. Dezember. 322 Der Sonnengott dient dem Kaiser dazu, dem Reich eine einheitliche Religion zu geben. Nicht nur syrische und persische Gottheiten werden in steigendem Maß mit Sol identifiziert. Auch der Neuplatonismus als ‚Religion‘ der Gebildeten sieht in der Sonne

317 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 231f.; G. W ISSOWA, Religion, 315; F. RICKERT, Vom Sonnengott zum Krippenfest, Leipzig 2001, 22–26. 318 Vgl. u. S. 284, Anm. 340. 319 S. H. HUNGER, Lexikon, 156f.238.372f.381f. 320 S. G. W ISSOWA, Religion, 315f; vgl. auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 231– 233. 321 S. G. W ISSOWA, Religion, 317; K. LATTE, Religionsgeschichte, 233. 322 S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 349; G. W ISSOWA, Religion, 365–367; F. RICKERT, Sonnengott, 33–47.

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ein Symbol des die Welt regierenden Göttlichen.323 Im 4. Jahrhundert unternimmt Julian noch einmal den Versuch, Sol in dieser Funktion einzusetzen. 324 Solch monotheistische Tendenzen werden auch vom Christentum genutzt, den christlichen Gott den Heiden näherzubringen. So lassen sich seit Konstantin deutlich Versuche wahrnehmen, die Vorstellungen vom Sol Invictus auf Christus zu übertragen. Die Feier des Weihnachtsfestes am 25. Dezember ist insofern keineswegs zufällig.325 Zur Vermittlung bedient man sich u. a. des alttestamentlichen Zitates, das vom „sol iustitiae“ (Mal 4,2) spricht.326

Auch Zeno unternimmt offensichtlich ähnliche Versuche, wenn er von Christus als sol noster und sol verus spricht.327 Das betonte noster wird offensichtlich einem nicht genannten sol vester entgegengestellt, und sol verus verweist darauf, dass der heidnische sol ein sol falsus sein muss. An anderer Stelle wird die Vorstellung von Christus als sol indirekt aufgegriffen. So bedient sich Zeno des oben angeführten Schriftzitats von der ‚Sonne der Gerechtigkeit‘ 328 oder er spielt auf Christus an mit der Re-

323

S. K. LATTE, Religionsgeschichte, 350. S. F. RICKERT, Sonnengott, 71f.; vgl. G. W ISSOWA, Religion, 368, Anm. 3; auch F. J. DÖLGER, Das Sonnengleichnis in einer Weihnachtspredigt des Bischofs Zeno von Verona, AuC 6, 21976, 1–56, hier: 46. 325 S. etwa F. RICKERT, Sonnengott, 73–80.97–100; F. HEIM, Solstice d’hiver, solstice d’été dans la prédication chrétienne du Ve siècle. Le dialogue des èvêques avec le paganisme de Zénon de Vérone à saint Léon, Latomus 58, 1999, 640–660. Obwohl im Titel des Aufsatzes Zeno eigens genannt ist, referiert der Aufsatz überwiegend Ergebnisse, die sich aus den Sermones Augustins ableiten lassen. Auf Zeno dagegen wird zwar zweimal im Text ohne Nennung eines Belegs abgehoben (s. ebd., 650f.), nur ein einziges Mal wird ein Zeno-Traktat als Beleg in einer Fußnote eigens angeführt (ebd., 655, Anm. 92); diese Fußnote ist jedoch im Text zweimal vergeben (!), so dass Zeno einmal fälschlich als Beleg für ein Zitat aus MAX. T AUR. serm. 99,1 angeführt wird. Vermutlich ist sogar die Zitation im Text an dieser Stelle falsch, denn dasselbe Zitat taucht schon einmal weiter oben, diesmal unter Angabe der korrekten Belegstelle in der Fußnote, wörtlich auf (s. ebd., 655, Anm. 85), während im Text unter der ersten Nennung der Anm. 92 von einem Sermo des Ambrosius die Rede ist. Das zweite Mal ist Anm. 92 tatsächlich für ein Zeno-Zitat vergeben (s. ebd., 656); allerdings wird der Fußnotentext auf dieser Seite kein zweites Mal abgedruckt. Eine Überprüfung der Fußnote auf der Seite zuvor (wo er, wie beschrieben, Beleg für ein angebliches Ambrosius-Zitat ist, das tatsächlich ein Zitat aus Maximus von Turin ist) zeigt, dass Heim zudem eine veraltete Zählung der ZenoTraktate verwendet. Er benutzt offensichtlich hier die alte Zählung der BalleriniAusgabe (II 9,2) (das entspricht II 12,1 bei Löfstedt), da er vermutlich mit dem ebenfalls dort genannten Aufsatz von Dölger, Sonnengleichnis, arbeitet. So liefert die Anführung der Zeno-Stelle durch Heim auch kein neues Ergebnis über die Untersuchung von Dölger hinaus. 326 Vgl. F. RICKERT, Sonnengott, 53–71, besonders 67f. 327 II 12,4. S. auch F. RICKERT, Sonnengott, 68. 328 I 15,7: „Orietur vobis sol iustitiae.“ Vgl. F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 15. 324

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de vom Licht der Osternacht.329 Und auch wenn Zeno vom sol aeternus – ein Terminus, der durchaus in gleicher Form dem Heidentum bekannt ist 330 – als dem Licht des christlichen Kultbaus spricht, meint er Christus oder den christlichen Gott generell.331 Inhaltlich fühlt der Leser sich an Apc 21,21–23 erinnert, zumal Zeno auch weiter von zwölf Toren spricht.332 Es dürfte klar sein, dass Zeno nicht nur ein Vokabular aufgreift, um das Interesse der Zuhörer zu wecken, sondern auch, um ganz bewusst gegenüberzustellen. Die antike Vorstellung von sol wird „als in viel höherem Maße im Christentum erfüllt“ dargestellt.333 Dabei wird Christus von Zeno jedoch nicht mit der realen Sonne gleichgesetzt – wie dies von Seiten der Kirchenväter dem Manichäismus zur Last gelegt wurde –, sondern allegorisch wird er zum Licht- und Lebensspender erklärt.334 Zeno scheut sich keineswegs im Kontext dieser Allegorese auch mythologische Daten aufzugreifen und zugleich umzuinterpretieren. Der christliche sol verus wird ebenfalls auf einem Wagen um die Welt fahrend gedacht; gewissermaßen als Legitimation der Übernahme dieses Bildes aus heidnischer Mythologie dient ein eine Weltgerichtsepiphanie 335 thematisierendes Schriftzitat.336 Den Wagen des sol noster ‚ziehen‘ jedoch nicht die vier Feuerrosse, die Zeno als „stumme Tiere“ (muta quattuor animalia) bezeichnet, sondern diese übertreffend „ ‚verbreiten‘ diesen sol die vier Evangelien durch heilbringende Verkündigung“. 337 Zeno spielt an dieser Stelle mit der Doppeldeutigkeit des Verbums circumferre, das sowohl ‚herumbewegen, herumtragen‘ – so bezogen auf die vier Feuerrosse – bedeuten kann als auch ‚herumtragen, verbreiten, unter die Leute bringen‘ – bezogen auf die Evangelien.338 Wenn er die Evangelien die vier 329 I 24,1: „post clarissimae noctis suo sole dulces vigilias“; vgl. F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 17. 330 S. G. W ISSOWA, Religion, 365. 331 II 6,7: „Non fenestrarum lumen implorat, quia sol aeternus in eo [sc. viventi dei templo] manet.“ Vgl. F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 18. 332 I 2,7: „patentes semper duodecim portae“; vgl. VULGATA Apc 21,21–23 (Weber / Gryson); s. auch A. B IGELMAIR, Traktate, 171, Anm. 11. 333 F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 1. – F. J. DÖLGER, ebd., 3, vertritt sogar die Meinung, dass Zeno in II 12,4 einen antiken Sonnenhymnus aufgreife. 334 S. ebd., 4; vgl. auch F. RICKERT, Sonnengott, 84–88. 335 S. C. W ESTERMANN, Das Buch Jesaja. Kapitel 40–66, ATD 19, Göttingen 1966, 334. 336 Is 66,15 in II 12,4. – Zum Wagen in der antiken Kunst und bei den Kirchenvätern s. F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 51–54. 337 II 12, 4: „quem per ambitum totius orbis non muta quattuor animalia, sed salutiferis praedicationibus quattuor circumferunt evangelia.“ 338 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1154f.

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stummen animalia, die vier (geflügelten 339) Feuerrosse, ablösen lässt, denkt er an die vier Symbole der Evangelisten.340 Ihrer Verkündigung gegenüber müssen die vier Feuerrosse natürlich als stumm erscheinen. Auch darin liegt eine Steigerung der Darstellung des sol verus. Schließlich kann sich Zeno bezüglich des „Feuerwagens“ auf ein alttestamentliches Zitat als Beleg stützen.341 Und auch der Strahlenkranz des heidnischen Sol wird aufgegriffen und ausgetauscht: An die Stelle seiner zwölf Strahlen treten die zwölf Apostel, die von Zeno auf einer weiteren Ebene mit den zwölf Sternzeichen des Zodiakus identifiziert werden. 342 339 Nach H. HUNGER, Lexikon, 156, sind die Rosse der Quadriga im Mythos des Sol geflügelt (wie Pegasus, der selbst auch als Bote der Sonne gilt; s. LCI (REDAKTION), Art. Pegasus, geflügelte Pferde, LCI III, 1971, Repr. 1994, 389f., hier: 389). Die Darstellungen der spätantiken Kunst kennen zwar geflügelte Rosse als Lichtsymbole, s. ebd., jedoch nicht in Verbindung mit der Quadriga. Da sich auch bei Zeno kein Hinweis auf die Vorstellung von geflügelten Rossen oder ebensolchen Evangelistensymbolen findet, kann dies hier nicht als Tertium comparationis betrachtet werden. – Sowohl die Literatur wie die Kunst der Spätantike (s. hier Anm. 340) haben Elemente des Tetramorph bzw. der Vier Wesen, wie sie in Is 6,1–4 und Ez 1,4–28 den den Thron(wagen) Gottes tragenden Serafim zugeschrieben werden und in der spätantiken Darstellung der Maiestas Domini abgebildet wurden, auch auf die Evangelistensymbole übertragen; s. F. VAN DER MEER, Art. Maiestas Domini, LCI III, 1971, Repr. 1994, 136–142, hier: 136f. F. J. DÖLGER , Sonnengleichnis, 54, meint eine Anspielung auf diese Serafim im Bild der von den Evangelien gezogenen Quadriga Christi zu erkennen. Eine solche Assoziation lässt sich, auch wegen der von Zeno nicht erwähnten Flügel der Rosse bzw. Evangelistensymbole, am Text nicht erhärten. Allerdings würde bei einer solchen Assoziation, die man natürlich nicht ausschließen kann, aus der Doppeldeutigkeit des zenonischen circumferre durch Ergänzung des Aspekts des Tragens eine noch dichtere Mehrdeutigkeit. 340 IREN. haer. 3,11,8 (FC 8,3,108–112 Brox) bezieht erstmals die Vier Wesen der Visionen in Ez 1,1–28 und Apc 4,1–11 auf die Evangelien. Die ,kanonische‘, mit der Abfolge bei Ez übereinstimmende, chronologische Zuweisung an die Evangelisten geht auf HIER. in Matth. [praef. Vulg.] (CChr.SL 77,3,59–67 Hurst / Adriaen) zurück. In der christlichen Kunst begegnen die Darstellungen der apokalyptischen Wesen ab etwa 400 (Trivulzio-Elfenbein, Mailand), während des gesamten 5. Jahrhunderts jedoch zunächst noch ohne eindeutigen Bezug durch Buch oder Schriftrolle auf die Evangelisten; s. U. NILGEN, Art. Evangelisten, LCI I, 1968, Repr. 1994, 696–713, hier: 697f. Wenn also aus der Zeit Zenos auch keine bildlichen Darstellungen bekannt sind, so hat er dennoch den Bezug zwischen Vier Wesen (quattuor animalia ) und Evangelisten (evangelia ) gekannt. – F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 54, Anm. 21, weist darauf hin, dass das Bild der Quadriga auch von anderen Vätern mit den Evangelisten in Zusammenhang gebracht wird: P ETR. CHRYS. serm. 92,1 (CChr.SL 24A,569,5 Olivar) spricht von „Evangeliorum quadriga“, EUCHER. form. 1 (CSEL 31,1,8,19 Wotke) von „currus dei sedes dei vel quadriformitas evangeliorum“. Zu letztem Zitat vgl. hier Anm. 339. 341 Is 66,15 in II 12,4. 342 Zur Strahlenkrone, auch in der antiken Kunst, F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 41– 51; zum Zusammenhang von Sonne und Tierkreis vgl. auch F. RICKERT, Sonnengott, 88– 90.

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Die Überbietung des Mythos im Christentum 343 wird auch an anderen Stellen, an denen nicht direkt auf Christus als sol verus abgehoben wird, zum Ausdruck gebracht. So kann Zeno bei der Überwindung der Elemente der Natur durch den Glauben vom „Zaumzeug“ sprechen,344 was unwillkürlich an die Gespanne Sols und Lunas denken lässt. Und auch bei der Heranziehung von Sonne und Mond als exemplarische Hinweise für eine Auferstehung in der Natur,345 die natürlich durch die Auferstehung in Christus überboten wird,346 tauchen mythologische Elemente auf. Die Sonne wird als Bruder Lunas und als Wagenlenker bezeichnet. Sie wird personifiziert, wenn Zeno von ihr sagt, dass sie über ihr bevorstehendes Ende nicht erschrecke.347 Indem Zeno zwar sehr diskret Elemente des heidnischen Mythos scheinbar ohne eine Abwertung aufgreift, sie dann aber christlich umdeutet und überbietet,348 nimmt er auch an diesen Stellen eine Art Mythenkritik vor, insofern Umdeutung und Überbietung selbstverständlich eine Kritik der ursprünglichen Inhalte bedeuten. Hinweise auf eine Kultkritik fallen nicht ins Auge. Wenn auch einige wenige Belege einer Verehrung Sols und Lunas für Verona angeführt werden können, 349 scheint Zeno keine kultische 343

Vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 157–160. Frenum in I 36,8 und II 3,14. 345 I 2,18f. – Ähnlich schon frühe Apologeten, im Westen Tertullian und Minucius Felix, die in Anlehnung an naturphilosophische Reflexionen Senecas die Plausibilität der Auferstehung mit Hinweis auf analoge Naturprozesse darlegten; nach M. FIEDROWICZ, Apologie, 171.270, Anm. 147; s. dazu E. AHLBORN, Naturvorgänge als Auferstehungsgleichnis bei Seneca, Tertullian und Minucius Felix, WSt 103, 1990, 123–137. Rein sprachlich scheint Zeno von allen dort aufgeführten Beispielen zwar unabhängig zu sein. Zeno ergänzt zudem die von Tertullian und Minucius Felix angeführten Analogien noch um das Beispiel Luna in I 2,19 und orientiert sich beim Beispiel des Samenkorns in I 2,22 am biblischen Text ( granum), nicht an Tertullian und Minucius Felix (semen ). Der Aufbau der Reihe ähnelt jedoch sehr der Folge bei T ERT. resurr. 12,1–9 (CChr.SL 2,934f. Borleffs), ebd., 13,2 (CChr.SL 2,936,5–9 Borleffs) und ebd., 52,1–19 (CChr.SL 2,995f. Borleffs). 346 Vgl. F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 17f. 347 I 2,18f. 348 Vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 157–160. 349 F. SARTORI, Verona, 234, nennt einige Inschriften, in denen Sol zusammen mit anderen orientalischen Gottheiten auftaucht sowie Luna mit Diana Lucifera. Von beiden Gottheiten gibt es zahlreiche Darstellungen auf Tonlampen. Vgl. auch S OPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 71. – Im Bereich des Pagus Arusnatium werden Sol und Luna wohl besonders verehrt, allerdings in der alten lokalen Form als Astralgottheiten; s. F. SARTORI, Verona, 234, und ausführlich I. CHIRASSI COLOMBO, Acculturazione, 177f., Anm. 47. Auch der Versus de Verona vom Beginn des 9. Jahrhunderts nennt Luna und Sol in einer Reihe von Göttern, denen in Verona Tempel geweiht waren; V ERSUS DE VERONA 5 (MGH.PL 1,120 Dümmler). S. auch A. SCOLARI, Vicende, 207, Anm. 5. 344

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Konkurrenz vorgefunden zu haben. Es ist viel eher anzunehmen, dass er mit der ideellen, neuplatonischen Vorstellung von Sol als der Gottheit schlechthin zu kämpfen hat. Die ideelle Nähe kann erst in Verbindung mit einem Fehlen kultischer Konkurrenz eine Übertragung des Gedankenguts auf Christus erlauben. Damit dürften dann neben der schon christlichen Gemeinde, die hier Altbekanntes neu präsentiert bekommt, möglicherweise auch Hörer angesprochen werden, die noch einer neuplatonischmonotheistischen Religiosität zugewandt sind und v. a. in den gebildeteren Kreisen vermutet werden müssen. 5. pudicitia und impudicitia Ein zweites Mal soll an dieser Stelle Traktat I 1 näher betrachtet werden. Er handelt laut Überschrift von der pudicitia. Diese wird als Tugend vorgestellt, die eine Grundlage der menschlichen Gesellschaft ausmacht. 350 Als solche nimmt sie die Christen in eine besondere Pflicht. 351 Sie ist zwar keineswegs eine rein christliche Tugend,352 doch kann sie von Heiden niemals ganz verwirklicht werden, da sie unter dem Einfluss des Teufels 350

I 1,1: „Haec totius humani generis fundamenta confirmat“. I 1,3: „quanto magis debet esse gloriosior in populo Christiano ... ?“ – Die pudicitia taucht in den Traktaten noch einige Male auf zur Charakterisierung alttestamentlicher Paradigmata, die in ihrer Vorbildfunktion vom Christentum übernommen sind; in I 1,15f. für Josef und in I 1,17–20 für Susanna sowie in Traktat I 40 wiederum für Susanna. Außerdem ist die pudicitia ein Element des christlichen Tugendkataloges in II 6,9. – Ähnliche Tugendkataloge, wie sie hier auch noch in I 4,1 und I 37,15 begegnen, gehören (in Anlehnung an vergleichbare Kataloge der griechischen Philosophie v. a. Platons und Aristoteles’, der Stoa, der hellenistischen Diatribe und der neutestamentlichen Briefliteratur, s. dazu A. VÖGTLE, Die Tugend- und Lasterkataloge im Neuen Testament exegetisch, religions- und formgeschichtlich untersucht, NTA 16,4–5, Münster 1936, 46–56.58–73) schon früh zum patristischen Repertoire; vgl. etwa LACT. inst. 6,4,7 (CSEL 19,1,490,11–14 Brandt). 352 I 1,3: „ergo exsultat gloria eius saepe in gentibus“. Ob in I 1,1 „est etenim tantae virtutis, ut sit honorabilis etiam hostibus suis“ mit hostes, wie A. B IGELMAIR, Traktate, 91, Anm. 1, meint, Heiden bezeichnet sind, bleibt an der Stelle selbst unklar, könnte aber in der Erwähnung von gentes in I 1,3 Bestätigung finden. Vgl. zum Terminus I. OPELT, Polemik, 232 u. ö. Zenonisch bleibt der Terminus hostis bzw. hostilis insgesamt uneindeutig: in I 7,1 sind die Adressaten der Polemik nicht eindeutig zu identifizieren, im Zentrum steht eine philosophische Chaostheorie, hostis könnte daher sowohl heidnische Philosophen als deren christlich-häretische Rezipienten meinen; in I 15,5 bezeichnet der Begriff den Teufel als Feind Ijobs; eindeutig dagegen der adjektivische Gebrauch in I 39,4, dort wird umgekehrt der Christ „feindliche Beute“ der (heidnischen) Christenverfolger; in I 51 wird mit „feindlicher Verwüstung“ des jüdischen Tempels auf die (heidnischen?) Römer abgehoben; II 3,18 richtet sich wiederum deutlich gegen Häretiker (bzw. theologisch Streitende) als Feinde der Liebe und des Glaubens; in II 6,7 schließlich wird auf apotropäische (Kreuz-?)Zeichen an Kirchenportalen angespielt, die ganz allgemein dazu dienen, vor feindlichen Angriffen zu schützen. 351

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steht,353 was auf ihre Verehrung als Göttin im Heidentum hinweisen dürfte. Die römische Religion kennt schon in republikanischer Zeit, etwa seit dem Ende des 4. vorchristlichen Jahrhunderts, die Personifikation abstrakter Begriffe und ihre Vergöttlichung. Darin drückt sich ein Wandel religiösen Denkens aus.354 Nicht um den Tugenden generell Achtung zu erweisen, sondern weil sie als Gabe des Göttlichen verstanden werden, erhebt man sie in den Götterrang.355 Zu den so verehrten Tugenden zählt auch die Pudicitia. Aus der Existenz eines Tempels der Pudicitia Plebeia seit dem Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. in Rom wird auf die Verehrung auch der Pudicitia Patricia geschlossen. Die Kultpraktiken entsprechen vermutlich denen der Fortuna Muliebris. Ein Mythos entwickelt sich nicht, Pudicitia gilt jedoch als Beschützerin insbesondere der ehelichen Keuschheit der Frauen. Weihungen an Pudicitia sind aus der Kaiserzeit erhalten, wo die Personifikation v. a. für die Tugendhaftigkeit der Kaiserin steht. Aber auch private Dedikationen als Kompliment an die eigene Frau kommen vor.356 Auch für Verona ist eine private Verehrung der Pudicitia nicht auszuschließen. Darauf könnte Zeno selbst in I 1,3 anspielen.357 Einen weiteren Hinweis könnte auch eine erhaltene, als Pudicitia gekleidete Frauenstatue aus dem städtischen Bereich Veronas liefern.358 Ein offizieller Kult ist jedoch nicht anzunehmen.

Da die pudicitia auch für das Christentum eine positive Größe ist, kann Zeno sie selbstverständlich nicht als Gottheit bezeichnen. Daher wird sie auch nicht Ziel direkter zenonischer Götterpolemik. Allegorisierend wird stattdessen mittels gegenüber heidnischem Kult kontrastierenden Attributen kultisches Vokabular auf die christliche Tugend pudicitia angewandt: „Per te [sc. pudicitiam] legitima ieiunia celebrantur, per te allegatae priusquam fundantur acceptantur preces. Tu es sacrificium deo carum, tu legitimum dei templum, sacrarium pudoris.“ 359 An die Stelle des realen (heidnischen) Kultes tritt für den Christen also die Pflege der Tugend. Sie ist ein Teil der dei cultura.360

353 I 1,3: „quamvis illic [sc. in gentibus] fructuosa vel vera esse non possit, quia sub inpudico praedone versatur“. Vgl. I. OPELT, Polemik, 80. 354 Vgl. G. W ISSOWA, Religion, 327f.; K. LATTE, Religionsgeschichte, 241. 355 S. G. W ISSOWA, Religion, 328. 356 S. G. RADKE, Götter, 267; G. W ISSOWA, Religion, 333f.; K. LATTE, Religionsgeschichte, 239, auch Anm. 2. 357 I 1,3: „ergo exsultat gloria eius saepe in gentibus“.A. B IGELMAIR, Traktate, 91, Anm. 1, denkt hier neben der Verehrung der Personifikation auch an die in die Tat umgesetzte pudicitia etwa der Vestalinnen. 358 Vgl. SOPRINTENDENZA, Edizione, Nr. 121. 359 I 1,21. 360 I 1,12.

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Der pudicitia wird im weiteren Verlauf der Predigt die impudicitia gegenübergestellt.361 Da es sich um den Gegenpart der von den Heiden als Göttin verehrten pudicitia handelt, wird sie von Zeno wie diese personifiziert, Zeno nennt sie gar ausdrücklich – und dies ist hier möglich, weil es sich um eine negative Größe handelt – eine Göttin. 362 Mit der Einführung der personifizierten impudicitia verknüpft Zeno ein weiter greifendes Ziel. An ihr macht er seine Einschätzung des Heidentums und die Einordnung heidnischer Götter fest. Wäre das Heidentum bereits gänzlich untergegangen, könnte Zeno konsequent die Position durchhalten, dass es eine religiöse Primitivstufe und damit ein Vorläufer des Christentums gewesen sei, der eben durch die ecclesia ex gentibus gänzlich substituiert sei.363 Auf dem Hintergrund der Vorstellung von einer sich entwickelnden Heilsgeschichte muss ein noch existierendes Heidentum jedoch als Hemmnis der Entwicklung aufgefasst werden. Von daher erscheint es nur konsequent, die heidnischen Gottheiten mit dem Widersacher Gottes in Person, dem Teufel, in Verbindung zu bringen. Zeno kehrt so das Prinzip römischer Religion, wonach die Tugend Gabe des Göttlichen ist und deshalb in den Rang eines Gottes erhoben wird, 364 um: Die Untugend ist Gabe des Teufels und kann deshalb als Göttin bezeichnet werden. Zeno charakterisiert die impudicitia nicht durch einzelne Attribute, sondern durch eine ausführliche Beschreibung ihres Wirkens. 365 Durch dieses erweist sie sich zwar als Sklavin des Teufels, 366 innerhalb seines Einflussbereiches wirkt sie jedoch machtvoll.367 Insofern ist sie genau wie

361

I 1,6–14; I 1,6: „eius aemulae rabiem breviter etiam ex ratione nominum publicemus“. 362 I 1,8f.: „nam in idolis dea est, in cultoribus vero eorum ministra. Venerandam se procurat in templis“. P. u. G. B ALLERINI, Opera, 204, Anm. 22f., denken hier zum einen an Kultbilder der Venus, zum anderen an orgiastische Praktiken etwa im Liber-Kult. Dies steht aber im Widerspruch zur auch der Venus übergeordneten Rolle, die Zeno der impudicitia zuteilt, durch die impudicitia wird Venus erst hervorgebracht; s. o. S. 254. Vielmehr dürfte Zeno hier auf die in diversen Götterbildern zum Ausdruck kommende und von deren Verehrern praktizierte Haltung abheben, die er für impudica hält; vgl. seine Einschätzung der bildlichen Darstellungen sowohl der Venus in I 1,11 als auch des Eros in I 36,25. 363 Vgl. Traktat I 13 insgesamt, besondersI 13,7: ex gentibus venientis novellus populus. 364 S. o. S. 287. 365 I 1,6–14: Ursprung – Wirken unter den Menschen – Orte – Mittel – Ziel – Aussehen – religiöses Wirken – Beispiel: Ehebruch. 366 I 1,11: „diaboli ... mancipium“. 367 Ebd.: „eius enim possidet regnum“.

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der Teufel selbst ein Widersacher Gottes.368 Dies manifestiert sich u. a. darin, dass sie die heidnischen Gottheiten hervorbringt und in die Welt setzt. Deren Verehrung bedeutet wiederum Teufelskult. 369 Die Abstammung der Götter von der impudicitia aber manifestiert sich in ihren Taten.370 Zeno schließt an dieser Stelle, wie bereits aufgezeigt, exemplarische Ausführungen zu Jupiter, Herkules und Venus und ihren im Mythos überlieferten Untaten an, um diese am Ende der Ausführungen verallgemeinernd als facinorosa facinorosorum crimina zu charakterisieren.371 Dass die Herkunft dieser „schändlichen Gestalten“ (facinorosi) weitreichende Konsequenzen nach sich zieht, gelingt ihm aufzuzeigen durch einen, man möchte fast sagen, gerissenen Schachzug: In einem Einschub zum heidnischen Totenkult entlarvt Zeno die Götter, ohne es ausdrücklich zu sagen, als verstorbene Menschen, die im Totenkult zu Göttern stilisiert wurden; Zeno bedient sich eines schon vorchristlich weit verbreiteten, von den Christen in simplifizierter Form jedoch gerne aufgegriffenen Mittels der Kultkritik, des Euhemerismus, den er hier als so genannten negativen Euhemerismus bzw. Euhemerismus inversus verwendet.372 Kenntnisse dieser Form der Götterkritik dürfte Zeno aus seinen Tertullian- und Laktanzstudien gehabt haben, die als Hauptvertreter eines Euhemerismus im Westen zu gelten haben.373 Den Topos ‚deos homines fuisse‘ findet man

368 Ebd.: „Praeterea numquam diligit deum, quem scit operibus suis esse contrarium.“ 369 Ebd.: „Nam deos ipsa genuit, ipsa intulit mundo, per quos aut in quibus diabolus colitur“; vgl. auch I 46B,1: „A diaboli rabie idolorumque turba violenta … nostri maiores [liberati sunt]“. Zeno sagt an keiner Stelle, wer der Teufel seines Erachtens konkret ist. Er weist ihm jedoch eindeutige Funktionen und Eigenschaften zu: Er ist Urheber der impudicitia (I 1,6: „eius [sc. impudicitiae] auctor“) und damit vermittels dieser auch Urheber der heidnischen Götter, s. I 1,11; man fühlt sich fast an das Verhältnis von höchstem Gott und Demiurg erinnert. Weiterhin gilt vom Teufel inI 13,8: „pater enim omnium corrupte viventium diabolus designatur, domino Iudaeos sic increpante: Vos de diabolo patre estis et concupiscentias patris vesti facere vultis“ und I 36,27: „Per hanc [sc. concupiscentiam] enim diabolus cum diverse hominum mentes capit ac decipit, sic Cupido vocitari a luxuriosis suis sibi cultoribus coepit.“ 370 I 1,11: „Nam deos ipsa [sc. impudicitia] genuit, ipsa intulit mundo, per quos aut in quibus diabolus colitur, quorum in actibus origo monstratur.“ 371 I 1,12. 372 M. W INIARCZYK, Euhemeros, 171f., führt als ein typisches Beispiel für einen negativen Euhemerismus bzw. euhemerismus inversus gerade Passagen christlicher Schriftsteller an, die dem Heidentum vorwerfen, im Totenkult ihren Verstorbenen göttliche Ehrungen zu erweisen. – Zur ursprünglichen Intention des Euhemeros jedoch s. o. S. 259, Anm. 193. 373 Vgl. K. T HRAEDE, Art. Euhemerismus, RAC VI, 1966, 877–890, hier: 887f.; auch E. HECK, Lactanz und die Klassiker. Zu Theorie und Praxis der Verwendung heidnischer Literatur in christlicher Apologetik bei Lactanz, Ph. 132, 1988, 160–179, hier: 165.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

zwar in den Traktaten ausdrücklich nicht, doch häufig klingt eine Kenntnis Zenos dieses Instruments der Götterkritik auch an anderen Stellen an. 374 Wenn Zeno nun hier von der impudicitia sagt: „Ipsa, inquam, mortuorum sepulcra convertit in templa, tumulos in altaria, cadavera in simulacra, parentalia in sacrificia, mores in sacra“,375 so geht es ihm nicht primär darum – das zeigt die Einleitung des Passus durch den Hinweis auf den Ursprung der Götter im Wirken der impudicitia – die Gebräuche des heidnischen Totenkults als Gebräuche zu kritisieren. Es geht ihm vielmehr darum aufzuzeigen, dass die impudicitia diese Gebräuche menschlichsozialen Ursprungs zu heidnischem Götterkult pervertiert hat, dass daher im Umkehrschluss, der nicht eigens ausgeführt, aber doch mitgedacht wird, der heidnische Kult insgesamt nichts anderes ist als Verehrung von Vorfahren: Die Tempel sind nichts anderes als Grabkomplexe dieser Vorfahren, die Altäre sind einzelne Gräber,376 die Götterstandbilder sind die (toten Hüllen 377 der) Verstorbenen selbst, die Opfer sind ursprünglich nur Totengedächtnismähler, heilige Handlungen daher nichts anderes als ehemalige Gebräuche im Kontext des Totengedächtnisses.378 Die zuvor von

374

Der einzige ausdrückliche Euhemerismus findet sich in der Auseinandersetzung mit der Gestalt des Eros, s. I 36,25: „amor ... cui recte hominis forma tribuitur ... Ideo lineamento puerili depingitur“. 375 I 1,12. 376 Vgl. E. J ASTRZEBOWSKA, Untersuchungen, 180, die davon spricht, das die Opfer des Totenkultes auf einem Altar oder auf dem Grab selbst dargebracht wurden. 377 Spricht Zeno hier bewusst von cadavera, um in aller Schärfe die Unsinnigkeit des Götterkultes aufzuzeigen? Die Schärfe dieser Form der Polemik liegt darin begründet, dass sich mit cadaver eine negative Konnotation verbindet, die dem Toten jegliche Verbindung zu den Lebenden aberkennt. Ein cadaver hat keine Identität mehr und daher nichts mehr mit dem corpus einer Person gemein, dem an einem jenseitigen Ort eine gewisse Kontinuität zuerkannt wird und dem daher bestimmte Formen des ,Totenkultes‘ durch die Hinterbliebenen gelten. Bei Apuleius wird dem corpus, dem die Sorge der Hinterbliebenen gilt, der cadaver, der dem missbräuchlichen Einfluss von magischen Kreaturen unterliegt, gegenübergestellt; s. A. ALLARA, Corpus et cadaver, la „gestion“ d’un nouveau corps, in: La mort au quotidien dans le monde romain. Actes du colloque organisé par l’Université de Paris IV, Paris – Sorbonne 7–9 octobre 1993, hg. v. F. Hinard, Paris 1995, 69–79, hier: 77f. 378 „Ipsa, inquam, mortuorum sepulcra convertit in templa, tumulos in altaria, cadavera in simulacra, parentalia in sacrificia, mores in sacra“ (I 1,12) ist demnach zu übersetzen: „Ich sage es noch einmal, sie (die Impudicitia) war es, die die Grabbauten (irgendwelcher) verstorbener Menschen in die Tempel (der heidnischen Götter, wie wir sie heute kennen) verwandelt hat, deren Grab(-denk-)mäler in (unsere heutigen) Altäre (der Götter), Tote in die Götterbilder, deren Totengedächtnismähler in die Opfer (an die Götter), die (bloßen) Gebräuche (der Vorfahren also) in die heiligen Handlungen (des heutigen Heidentums).“ Nur wenn man den bestimmten Artikel zu templa, altaria, simulacra, sacrificia und sacra in der Übersetzung setzt, wird klar, dass der Tenor auf diesen

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Zeno beschriebenen Götter sind daher nur verstorbene Vorfahren; über die Entmythisierung ihres Kultes werden sie selbst entmythisiert. Als Tote nunmehr identifiziert, sind sie damit zugleich ihrer Wirkmächtigkeit beraubt.379 Ob so deutlich wie hier oder nur im Anklang, die Intention Zenos ist die gleiche wie beim Einsatz ausdrücklicher Euhemerismen bei anderen christlichen Autoren: Die Götter werden nicht völlig vernichtet, sondern in Verbindung mit moralischer Abwertung in ihrer Realität degradiert. 380 Damit liefert Traktat I 1 den eigentlichen Schlüssel zur zenonischen Götter- und Heidenpolemik; der impudicitia, die realiter doch nichts Anderes als eine Haltung der Menschen ist, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu: Das Heidentum wurde zu dem, was es ist, durch von der impudicitia beherrschte Menschen. Als Werkzeuge des Teufels machten sie aus heroischen Vorfahren Götzen.381 Exemplarisch greift Zeno auf drei bedeutende, auch in Verona verehrte Gottheiten zurück, um ihren Ursprung, d. h. ihr Verhältnis zum Teufel, aufzuweisen. Sie bieten sich besonders an, weil sie aufgrund ihrer ‚Qualitäten‘ als spezielle Konkurrenten des christlichen Gottes gelten können. Wenn Zeno sie so als Geschöpfe des Teufels kennzeichnet, ihren Kult als Teufelskult abstempelt, wirft dies auch ein Licht auf das Folgende: Die von Zeno genannten Kultpraktiken des Heidentums sind v. a. deshalb zu verurteilen, weil sie Ausdruck einer Verehrung des Teufels sind. Diese besteht nicht in einem bewussten Satanskult, sondern in der Abwendung von Gott, die immer Hinwendung zu seinem Widersacher ist. 382 Hinter dieser Art der Paränese dürfte kaum das Anliegen einer aktiven Missionierung zu erkennen sein. Vielmehr scheint Zeno mit dem Mittel der Diffamierung 383 und der Ängstigung 384 formal zum Christentum Gehörende endgültig vom Heidentum abschrecken zu wollen. Unter den hier angeführten Vorgaben muss jedes Abweichen eines Christen vom Weg der pudicitia, wie es von Zeno in breiter Vielfalt vorgeführt wird, 385 als ein Rückfall ins Heidentum erscheinen Kulteinrichtungen liegt, dass zuerst ihre Entmythisierung intendiert ist, erst an zweiter Stelle die Darstellung der Pervertierung des Totenkultes. 379 S. o. S. 225–227 und S. 227–235. 380 K. T HRAEDE, Euhemerismus, 887f., spricht in diesem Zusammenhang von einer „Topos-Kombination“. 381 Hier zeigt sich wieder ein latenter Widerspruch zwischen dem Geschaffen-Sein der Götter auf der einen und Anerkennung real wirkender Mächte auf der anderen Seite. 382 Vgl. I 1,12: „Sic, sic genus humanum a dei cultura rapuit [sc. impudicitia]“. 383 Zusammenhang von heidnischem Kult und impudicitia. 384 Gleichsetzung von heidnischem Kult und Verehrung des Teufels. 385 I 1,6–10.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

III. Resümee: Zenos Kenntnis und Charakterisierung der heidnischen Götter Im Mythos (und seiner Verbreitung durch das Theater) sowie in Literatur und bildender Kunst konkretisiert sich in der heidnischen Antike die Theologia mythica, die Rede von den Göttern. Zenos Rede von den heidnischen Göttern, seine Terminologie zur Bezeichnung derselben zielt dahin, die Machtlosigkeit der heidnischen Götter und Dämonen gegenüber dem einzig wirklichen Gott aufzuweisen. Er zweifelt nicht die Realität anderer Kräfte an, aber er erweist sie als letztlich unwirksam und in diesem Sinne als nichtig. Diese Nichtigkeit findet ihren Ausdruck etwa im Unvermögen der Götter, kultische Verehrung wahrzunehmen, Gebete zu erhören bzw. Bitten zu erfüllen. Dieses Unvermögen ist begründet in ihrem Geschaffensein, von daher in ihrer Körperlichkeit. Die ihnen zugeschriebenen mores et actus entsprechen dieser Körperlichkeit. Der darin zum Ausdruck kommende Mangel an Göttlichkeit äußert sich in den Traktaten u. a. im negativen Befund zu Begriffen wir divus oder numen. Göttlichkeit kommt eben einzig dem christlichen Gott zu. Alle anderen dii sind nur Dämonen. Ähnlich entmythisiert werden auch die biblischen Gestalten der hemithei, auch sie sind geschaffen, denn es handelt sich nach zenonischer Einschätzung um Menschen, die sich selbst zu Göttern erhoben hatten. Der Entmythisierung dieser Gestalten kommt jedoch eine besondere Funktion zu: An ihnen erweist sich das Heidentum als primitiver Vorläufer (des Judentums und) des Christentums. Der Eifer, den Zeno auf ihre Entmythisierung, obwohl Gestalten der Vorzeit, verwendet, könnte seinen Grund möglicherweise in einer Reaktion auf Theologumena Kaiser Julians haben. Wenn dies auch Hypothese bleiben muss, kommt einer Genealogie Heidentum – Judentum – Christentum jedoch auf jeden Fall die Funktion einer Selbstbewusstsein stiftenden Standortbestimmung des Christentums zu. Die Entmythisierung der heidnischen Götter und ein darauf gründendes Selbstbewusstsein des Christentums führen dazu, dass ursprünglich religiöse Begrifflichkeiten, die auch in nichtchristlichem Kontext bereits säkularisiert und ihrer heidnisch-religiösen Konnotationen beraubt sind, auch bedenkenlos christlich verwendet werden können. Zeno praktiziert, ohne dies eigens zu thematisieren, gewissermaßen eine terminologische Chresis.386 Zuerst aufgezeigt werden kann das an den Termini superi und inferi. Auch auf sol und luna trifft dies zu; allerdings geht Zeno hier einen Schritt weiter in der Chresis: Er entmythisiert sie als Elemente der Natur, die durch den christlichen Glauben überwunden werden kann, adaptiert aber die Terminologie und wendet dann das mythologische Bild des sol über386

S. o. S. 7, Anm. 29.

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bietend auf Christus an. Kein heidnischer Kult und keine kultisch verehrte Gottheit wird hier überboten, sondern ein säkularisiertes Kulturgut, nämlich neuplatonisch beeinflusste Popularphilosophie, die bereits in ähnlich allegorisierender Manier Göttergestalten und Mythen für sich adaptiert hatte. Die Ausführungen Zenos zu konkreten Göttergestalten des Mythos, sowohl was die Anzahl der genannten Gottheiten als auch deren Charakterisierung betrifft, sind sehr knapp. Dies darf nicht zu dem Schluss führen, dass die Kenntnisse des Veroneser Bischofs entsprechend beschränkt sind. Was jedoch daraus abgelesen werden kann, ist die nur geringe Bedeutsamkeit einzelner Göttergestalten als Konkurrenten gegenüber dem christlichen Gott. Mit seiner Auswahl und Verknüpfung bestimmter Gottheiten beansprucht Zeno, wie schon vor ihm die Dichter, die gemäß der varronischen Differenzierung die eigentlichen Theo-Logen sind, „offensichtlich eine Kompetenz. Er weiß oder er maßt sich an, Gottheiten in bestimmter Weise, für bestimmte Zwecke zu verknüpfen, um sie auf eine ganz bestimmte Situation hin zu beziehen.“ 387 „Die individuelle Interpretation [sc. von Gottheiten] ergibt sich aus der Neukombination eher standardisierter Elemente“,388 zu deren Verständnis es keiner hohen Bildung bedurfte. 389 So kann Zeno sich bei diesen konkreten Gestalten weitgehend darauf beschränken, ihre auf negativen Eigenschaften beruhenden Untaten, wie sie der Mythos überliefert, kurz anzudeuten. Die negative Einordnung klingt lediglich in dem sehr allgemeinen, fast selbstverständlich eingefügten Attribut turpis auf. Das Bemühen Zenos um Entmythisierung der Göttergestalten macht eine detailliertere Polemik überflüssig: Den machtlosen Göttergestalten kommt keine echte religiöse Relevanz zu. Die wenigen exemplarisch von Zeno genannten Götter scheinen kulturell, im Sinne einer Mythos-Rezeption, noch eine Rolle zu spielen, ihr Kult wird von Zeno nicht mehr oder nur am Rande behandelt. Die religiöse Relevanzlosigkeit, die den heidnischen Göttern von Zeno zugewiesen wird, lässt bereits vermuten, dass auch die Auseinandersetzung mit ihnen vornehmlich im paränetischen Interesse Zenos gründet. Dies bestätigt die Untersuchung der polemischen Charakterisierung der impudicitia. Zeno spricht zwar von ihr als einer Göttin, es wird jedoch klar, dass es sich um eine Untugend handelt, die gleichsam als Mutter allen Übels, so auch der heidnischen Göttergestalten selbst, vorgestellt wird. Das bedeutet für Jupiter, Herkules und Venus als Kinder der impudicitia, dass sie zwar keine wirkmächtigen Gottheiten sind, in ihrem von der impudicitia ausgelösten Tun, das der Mythos referiert, kommt 387

J. RÜPKE, Religion, 11, über Horaz. Ebd., 84, wiederum unter Bezug auf römische Dichter. 389 S. ebd. 388

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aber eine Wirklichkeit böser Mächte zum Ausdruck, die von Zeno als real anerkannt und dem Reich des Teufels zugewiesen werden. Die im mythologisch referierten Tun der Götter wirkende impudicitia wird der pudicitia gegenübergestellt, einem tatsächlich als Göttin verehrten Gegenpart. Zeno kehrt damit das Prinzip der römischen Religion, wonach die Tugend Gabe des Göttlichen ist und deshalb selbst in den Rang des Göttlichen gehoben wird, um: Untugend ist eine Gabe des Teufels und kann deshalb als Göttin bezeichnet werden. Die Charakterisierung der impudicitia durch eine ausführliche Beschreibung ihres Wirkens bedeutet also keine Polemik gegenüber einem heidnischen Kult, da sich ihrer Einschätzung als Untugend jeder Heide dürfte anschließen können, wie umgekehrt die pudicitia zwar nicht als vergöttlichte Größe, aber doch als erstrebenswerte Tugend auch von Christen anerkannt ist. Hier wird also deutlich paränetisch gefragt: Wenn schon die Heiden zu differenzieren wissen, was gilt dann erst recht für die Christen? Jedes Ablassen von pudicitia bedeutet Rückfall auf die unterste Stufe des Heidentums. Ähnliches wie für impudicitia gilt für cupido, bei der es sich trotz der Gleichsetzung mit dem Eros des Mythos ebenfalls nicht um eine Gottheit, sondern um eine verführerische Kraft, nämlich den egozentrischen Aspekt der Liebe, handelt. Als concupiscentia wird auch sie als Werkzeug des Teufels enttarnt. Ähnlich wie das malum der impudicitia der (heidnischen wie christlichen) Tugend der pudicitia gegenübergestellt wird, wird das malum der cupido als Gegenpart der christlichen Tugend des amor vorgestellt und beschrieben. Auch hier polemisiert Zeno nicht gegen einen Kult, deutlich weist die pejorative Wertung eines heidnischen, weitgehend säkularisierten Kulturgutes (Eros) auf den sittlichen Mangel des Heidentums. Die Kritik an heidnischen Gottheiten mutiert so zur Kritik an mangelnder Sittlichkeit des Heidentums, die die Christen zur Überwindung mangelnder Sittlichkeit anspornen soll. Es ist also die Tugend – und das heißt gegebenenfalls die Überbietung heidnisch vorhandener Tugend –, die das Christentum vor dem Heidentum auszeichnet. Nachzutragen bleibt, dass Zeno seine Einschätzung der heidnischen Götter insgesamt wiederum mit Bibelzitaten belegt. Dabei lassen sich unterschiedliche Formen der Verwendung feststellen: Zum einen führt Zeno Zitate an, die ausdrücklich Stellung zu den heidnischen Göttern beziehen 390 oder aber Sanktionen als Folge ihrer Verehrung benennen. 391 Davon unterscheiden lassen sich biblische Beispiele für das Wirken von personifizierten Untugenden wie impudicitia und cupido. Dabei greift Zeno of390

Ps 113,12 par. 134,15 in I 5,15 und I 14,4. Ps 49,4.12–15 in I 25,4; Ex 22,20 in I 25,5; Sir 34,23 in I 25,9. InI 13,4 denkt Zeno wohl an Gn 6,3. 391

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fensichtlich auf ein alttestamentliches Repertoire zurück: Es wiederholen sich die Versuchung der Susanna (Dn 13) und des Josef (Gn 39), 392 einmal nur wird die Versuchung Adams und Evas (Gn 3) erwähnt. 393 Unterstützt wird diese Argumentation durch biblische Anweisungen. 394 Im Falle von sol schließlich dienen die biblischen Zitate als Beleg für die Richtigkeit der Rede vom sol noster. Jede dieser Verwendungen biblischer Inhalte bzw. Zitate erweist sich auch hier als je eigenes Instrument der Paränese. IV. Andere mythologische Gestalten Die Mythologie ist nach dem varronischen Schema der Theologia tripartita der ursprüngliche Ort von ‚Theologie‘, der Rede von den Göttern. Dass Zeno bei seinen Zuhörern eine Kenntnis der heidnischen Mythologie 395 voraussetzt, hat sich schon bei der Behandlung der einzelnen Göttergestalten gezeigt. Neben die negativ dargestellten Götter, etwa Jupiter und Venus, und Halbgötter, wie Herkules und Cupido, treten ganz selbstverständlich auch andere Gestalten, die im Kontext einer so verstandenen heidnischen ‚Theologie‘ von Bedeutung sind. Nur kurz erwähnt werden von Zeno im Zusammenhang mit Herkules Omphale, durch deren libido Herkules besiegt wird, sowie genereller eine terribilis turba monstrorum.396 Die Untersuchung der Götter hat darüber hinaus gezeigt, dass neben negativ besetzte Begriffe und Namen gleichsam auch neutralisierte Termini treten, wie etwa die Rede von den inferi.397 Ähnlich neutralisiert begegnet bei Zeno auch der der Mythologie entlehnte Name Hydra. 398 Zeno 392

I 1,15–19; I 36,26. Vgl. Traktat I 40 (De Susanna). I 36,26. 394 Mt 5,32 und 1 Cor 2,4 in I 1,13; 1 Jo 2,15 in I 36,27. 395 Der Terminus technicus selbst fällt bei Zeno in diesem Sinne nicht. Fabula, profanae fabulae bzw. fabulari werden von ihm weitgehend in Zusammenhang gesetzt mit (christlichen) Irrlehren, deutlich in I 25,11: „qui profanis fabulis neglecta dei secta alios non bene avocantes divina sacramenta contaminant.“ Unmissverständlicher als A. B IGELMAIR , Traktate, 182f., ließe sich folgendermaßen übersetzen: „die, da sie die Orthodoxie ignoriert haben und (nun auch) andere auf unrechte Weise entfremden, die göttlichen Geheimnisse mit weltlichem Geschwätz (oder unheiligen / heidnischen Erdichtungen?) in Berührung bringen (und dadurch vergiften).“ Völlig am Gemeinten vorbei geht die Übersetzung von P. LEIPELT, Traktate, 178. – S. auch II 8,1: „Licet sectae sint plures, quae iniuriam Christi fabulari nitantur“; vgl. auch II 3,17; in etwas anderem Kontext II 7,2 und II 3,10; fabula im Sinn von ,Geschichte / Märchen / Erzählung‘ in I 28,1. 396 I 1,11. Zu den mythologischen Inhalten H. HUNGER, Lexikon, 163–175. Indirekt vorausgesetzt wird von Zeno außerdem ein Wissen über die von Eros durch Verbrennen ihrer Flügel eroberte Psyche (s. H. HUNGER, Lexikon, 358–360), da Zeno in I 36,26 davon spricht, Cupido habe das Herz der Eva mit Fackeln in Flammen gesetzt. 397 S. o. S. 244–246. 398 I 1,10. 393

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denkt hier keineswegs mehr an die neunköpfige Schlange des HerkulesMythos;399 hydra wird vielmehr zum Terminus technicus für Vielgesichtigkeit, wie wir ihn auch im modernen Sprachgebrauch kennen. Dies belegt deutlich das hinzugefügte formarum. Wenn überhaupt noch eine Nähe zum Mythos besteht, dann lediglich darin, dass die so beschriebene impudicitia in ihrer Bösartigkeit den Monstren des Mythos gleicht. Schließlich begegnete beim Umgang Zenos mit heidnischen Gottesvorstellungen in Einzelfällen auch ein gleichsam christianisierendes Aufgreifen und Umgestalten, etwa bei der Gegenüberstellung sol vester – sol noster.400 Zur Beantwortung der naheliegenden Frage, ob sich ein ähnliches Verfahren Zenos auch im Umgang mit weiteren mythologischen Elementen erkennen lässt, seien solche hier im Einzelnen ausführlicher untersucht. 1. Jahreszeiten Es dürfte kaum verwundern, dass in einer ursprünglich bäuerlichen Gesellschaft wie der römischen neben eigentliche Gottheiten des Ackerbaus früh auch unspezifischere Personifikationen des Wachsens, Blühens und Reifens treten, die als Begleiter verschiedener Gottheiten anfänglich auch kultisch verehrt werden. Die bei den Griechen KÙñáé genannten Töchter des Zeus und der Themis, die zunächst als Personifikationen des Zeitenwechsels verehrt werden, werden später auf drei, dann vier Jahreszeiten übertragen. 401 Den Jahreszeiten selbst kommt dann v. a. kulturgeschichtliche Bedeutung zu. So werden sie schon in der vorchristlichen Literatur adaptiert als Bild für Vergänglichkeit oder die zyklische Erneuerung der Natur; unter pythagoreischem Einfluss werden sie mit den Lebensaltersstufen parallelisiert; in der antiken Philosophie von den Vorsokratikern bis zum Neuplatonismus wird der Kreislauf des Jahres funktionalisiert zum Beweis für die Existenz einer kosmischen Ordnung. Darauf basierend können die Jahreszeiten schon früh auch von christlichen Schriftstellern zum Nachweis einer teleologischen Ordnung der Welt durch den Schöpfer oder zur Veranschaulichung des Auferstehungsgedankens, so etwa bei Tertullian, 402 herangezogen werden. 403 Anders als die in Mythos und Kult verankerten Horen werden die Jahreszeiten bildlich erst gegen Ende der griechischen Klassik dargestellt und gelangen auf diesem Weg auch nach Italien. Als Bild für Reichtum und Überfluss dringen Jahreszeiten-Genien ab dem 2. Jahrhundert auch in den Sepulkralbereich ein 404 als Zeichen für ‚glückliches Le-

399

S. dazu H. HUNGER, Lexikon, 164. S. o. S. 280–286. 401 S. H. HUNGER, Lexikon, 184; T. HEINZE, Art. Horai, DNP V, 1998, 716f. hier: 716. 402 S. T ERT. apol. 48,8 (CChr.SL 1,167,57 Dekkers) und ders., resurr. 12,2 (CChr.SL 1,947,5 Borleffs). 403 S. H. HECKEL, Art. Jahreszeiten II.B. Kulturgeschichtlich und literarisch, DNP V, 1998, 839–841, hier: 839. 404 S. ebd., 841. 400

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ben‘ nach dem Tod. Als ornamentale Versatzstücke begegnen sie auch in christlichen Kontexten.405

In mehreren Traktaten zum Osterfest bedient sich auch Zeno des Bildes der Jahreszeiten. Eine ausführliche Allegorese bietet er in Traktat I 33, wo er gleichsam die Notizen aus I 26, I 44, I 57, I 58, II 13 und II 19 aufgreift und untereinander verbindet. Der Kontext ist jeweils derselbe: Zeno hebt die Bedeutung des Osterfestes aus dem regelmäßigen Ablauf des Jahres hervor. Dabei verknüpft er zwei Bildfelder, die seinen Hörern einerseits unabhängig voneinander aus eigener Erfahrung bekannt gewesen sein müssen, die aber andererseits auch schon vorzenonisch gerne miteinander verknüpft wurden und, wie es Darstellungen in afrikanischen Fußbodenmosaiken nahe legen, durchaus auch in dieser Verknüpfung einer breiteren Öffentlichkeit nicht unbekannt waren, nämlich Zirkusrennen und Jahreszeiten.406 Möglicherweise lehnt sich Zeno an eine Stelle bei Tertullian an, den er, wie sich noch häufiger zeigen wird, gut kannte; dieser erwähnt, dass die vier Gespanne jeweils eines Zirkusrennens farblich so differenziert seien, dass sie den Jahreszeiten zugeordnet werden könnten: das weiße dem Winter, das grüne dem Frühling, das rote dem Sommer und das blaue dem Herbst.407 Zeno zeichnet das Bild des Zirkusrennens mittels der Wortfelder circulus – inflexus – quadriga – perpetuus cursus – statio – currere – recurrere 405

S. H. LECLERQ, Art. Saison, DACL XV,1, 1950, 573–582. Vgl. K. MÖSENEDER, Der römische Circus als Bild der Welt und des Lebens, in: Das antike Rom und Europa. Die Kaiserzeit und ihre Nachwirkungen, hg. v. H. Bungert, Regensburg 1985, 207–266, hier: 207: „Vielleicht enthielt schon eine verlorene Schrift des Caesarenbiographen Sueton über die Spiele der Griechen und Römer Hinweise auf sinnbildliche Auslegung der Wagenrennen und ihres Schauplatzes, den Circus.“ Vgl. auch H. HECKEL, Jahreszeiten, 839f. Neben Tertullian, s. folgende Anmerkung, nennt K. MÖSENEDER, Circus, 207, Cassiodorus und Isidor von Sevilla, die die Verknüpfung der Bilder aufgreifen. Dass die Kenntnis der Verknüpfung dieser Bilder bis in die Neuzeit nicht verloren ging, belegen die bei K. MÖSENEDER, Circus, 208–228, anschließenden Ausführungen zur Rezeptionsgeschichte seit dem 16. Jahrhundert. – Die von K. MÖSENEDER , Circus, 207, angeführten afrikanischen Fußbodenmosaiken, „in denen Circuspferde eindeutig als Vertreter der Jahreszeiten zu identifizieren sind“, wie auch eine ebd. genannte Kölner Glasschale, die jedoch m. E. , soweit es die Abbildung, ebd., 229, erkennen lässt, eher auf den beim Wagenrennen verehrten Sonnengott abhebt als auf die Jahreszeiten, s. auch F. RICKERT, Sonnengott, 68, ordnet er „gewissen gebildeten Kreisen“ zu. 407 T ERT. spect. 9,5f. (CChr.SL 1,236,16–26 Dekkers): „Talibus auctoribus quadrigae productae merito et aurigas coloribus idololatriae vestierunt. Namque initio duo soli fuerunt, albus et russeus. Albus hiemi ob nive candidas, russus aestati ob soli ruborem voti erant. Sed postea tam voluptate quam superstitione provecta russeum alii Marti, alii album Zephyris consecraverunt, prasinum vero Terrae matri vel verno, venetum Caelo et Mari vel autumno.“ 406

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– praeterire – redire – spatium – orbita,408 pernicies cursus – procurrere – recurrere – meta – rotatus – proferre – finis – principium,409 cursor / cursus – ambages – recalcans – successor – decessor – antecedere – sequi – finis – principium,410 meta – perennis cursus – orbita 411 und schließlich auriga – sempiternus cursus – meta – gyrus – successor – decessor – antecedere – sequi – finis – principium.412 Als eindeutige Schlüsselwörter fungieren quadriga, meta und auriga. Das Bild der von der Natur ausgestatteten Jahreszeiten mit den Wortfeldern flores – color – odor – pratum – frumentum – spicea palma – mustulentus – panis – vinum 413 und fructuum fetus – temporum munera – flores – messis – panis – mustum 414 greift deutlich die Erfahrungen einer Landbevölkerung auf. Schlüssel für diese Felder ist der Terminus temporum munera. Beide Bilder, das des Zirkusrennens und das von den Gaben der Natur, werden durch die tempora miteinander verknüpft.415 Das eine Wortfeld erschließt sich durch den Terminus quadriga temporum,416 das andere durch temporum munera.417 Die Jahreszeiten selbst werden nun über die Verknüpfung der Bilder hinaus von Zeno – da er es, wie die rethorische Frage in I 33,2 zeigt, 418 für absolut naheliegend hält – in II 13 knapp, in I 33,2–4 aber in aller Ausführlichkeit allegoretisch auf die verschiedenen Stadien eines Christenlebens gedeutet. Möglicherweise assoziiert Zeno hier, ohne dass er es aus408

I 26. I 33,1. 410 I 44; I 57. 411 I 58. Die meisten Handschriften haben zwar – statt perenni cursu – perenni curru, s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 133, das sich problemlos in das Bild fügte, vgl. M. SIMONETTI, Rezension zu Zeno Veronensis, Tractatus, edidit B. Löfstedt, RSLR 9, 1973, 160; der Vergleich mit den zuvor genannten Wortfeldern stützt jedoch, etwa angesichts des dort begegnenden perpetuus cursus und pernicies cursus, gegen die Lectio difficilior Simonettis die Entscheidung Löfstedts. 412 II 19. Im Zusammenhang mit der Wiederkehr des Ostertages wird dieses Bild außerdem kurz aufgegriffen in I 6 und I 16. 413 I 33,1. Die Fruchtlosigkeit des Winters beschreibt dort darüber hinaus die Wortverbindung hiemis tristitudo. 414 II 13. 415 V. a. in I 33. In I 44, I 57 und II 19 schimmert das Bild des Wirkens der Natur in den Jahreszeiten durch in den Begriffen disseminare, parens und progenies. Auch Traktat I 4 verknüpft in Abschnitt 4 und 6 die beiden Bilder lose. 416 I 26. 417 II 13. 418 I 33,2: „Quis non haec caelestibus mysteriis coaptata cognoscat?“ Es scheint, als wenn Zeno an dieser Stelle sich selbst dabei ertappt, den Zusammenhang verloren zu haben. 409

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drücklich aufgreift (was ja nicht bedeutet, dass es ihm und auch den Hörern nicht bewusst ist), die antike Deutung auch des Geschehens im Zirkus als Bild für den Ablauf des Lebens.419 Der römische Fachterminus cursus vitae könnte ein nicht genanntes Tertium comparationis sein; denn Zeno beginnt das Traktat I 33,1 mit dem Hinweis auf den pernix cursus des Ostertages im Bild des Zirkusrennens.420 Der Winter jedenfalls ist nach Zeno das Stadium der Heiden, das Stadium, das im Idealfall vor der ‚Geburt‘ des Christen in der Taufe liegt; wer jedoch in diesem Stadium verharrt, ist dem Tod und damit der Nacht geweiht.421 Damit entspricht die christliche Zuordnung des Winters der auch schon vorchristlich durchweg negativen Einordnung dieser Jahreszeit. 422 Entsprechend der auch andernorts in den Traktaten begegnenden Dreiteilung des (christlichen) Lebens 423 gehört das Stadium des Heidentums nicht

419 Vgl. T HESLL 4, 1537: „cursus (tempora vitae)“; auch Zeno I 43,1: longae vitae transacti cursus. – Eine Parallelisierung von Lebensaltern und Jahreszeiten kann für die gesamte Antike als beliebtes Motiv nachgewiesen werden. Erstmals soll dieser Vergleich von Pythagoras aufgestellt worden sein, so E. EYBEN, Die Einteilung des menschlichen Lebens im römischen Altertum, RMP 3. Ser. 116, 1973, 150–190, hier: 164; auch H. HECKEL, Jahreszeiten, 839. – Zum Zirkusgeschehen als Bild für den Lebenslauf s. K. MÖSENEDER, Circus, 224, mit Belegen aus Lukian und Lukrez, und auch ebd., 226, unter Verweis auf 1 Cor 9,24–27 und 2 Tm 4,7ff. I SID. orig. 18,36,1 (2,36,14 –16 Lindsay) wird später differenzieren, er verbindet die Quadriga mit den Jahreszeiten: „Quadrigam ideo soli iungunt quia per quattuor tempora annus vertitur: vere, aestate, autumno et hieme.“; in ebd., 18,36,2 (2,36,18–20 Lindsay) hingegen verbindet er die Lebensalter mit der Triga: „Trigas diis inferis, quia is per tres aetates homines ad se rapit: id est per infantiam, iuventutem atque senectatem.“ 420 Vgl. auch I 16,1; I 26, dort besonders „inmortalitas eius est cursus“; I 44,1.2, dort ebenfalls inmortalitatis cursus; I 57 und I 58: temporum cursus. 421 Vgl. II 29,3: „Itaque beatus est, semper qui meminit, quod renatus sit; beatior, qui non meminerit, quid fuit, antequam renatus sit; beatissimus, qui infantiam suam provectu temporis non mutaverit.“ 422 Schon in der heidnischen Metaphorik ist der Winter „die tote Zeit, also eigentlich gar keine Zeit“, so A. DEMANDT, Metaphern für Geschichte. Sprachbilder und Gleichnisse im historisch-politischen Denken, München 1978, 139. – Nach S. P ALUMBO, La rappresentazione delle stagione in Ambrogio, Invigilata Lucernis 32, 2010, 115–122, deutet AMBR. hex. 4,5,22 die Jahreszeiten allegoretisch auf die Heilsgeschichte; in dieser Allegorie steht der Winter für die alttestamentliche Geschichte des Volkes Israel „in cui non era avvenuta la rivelazione di Cristo“, ebd., 118; s. auch ebd.; 119f. 423 In I 58 findet sich nur eine Anspielung auf die Lebensalter: „Sine pausa crescit in senium et tamen a cunis genitalibus non recedit.“ Hier wird dies vom Ostertag selbst gesagt, der immer wieder neue Christen hervorbringt und sie von daher den verschiedenen Stadien zuführt. Was die drei Stadien des christlichen Lebens auszeichnet, wird auch in II 6,9 aufgeführt: „in primo innocentia, aequitas in medio, in fine patientia“. Näher bezeichnet werden sie noch einmal in II 6,10: „Exsultate, seniores: vos estis huius operis [sc. vivi templi] firmamenta. Exsultate, iuvenes: vos estis lapidibus adamantinis

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

zum Leben, hat es nicht dessen Qualität, ist im besten Fall Vorstufe. 424 Der Frühling dagegen ist angesichts des Tauftermins an Ostern das Stadium der Taufkompetenten und Neophyten mit ihren unterschiedlichen Charismen, der Sommer das des gläubigen Volkes, der VollGemeindemitglieder in ihrer Bemühung um christliche Lebensführung, der Herbst schließlich das der im Martyrium das ewige Leben erlangenden Christen.425 Damit greift Zeno eine antike Metaphorik auf und modifiziert sie, die den Frühling der Kindheit und frühen Jugend, den Sommer dem Erwachsenenalter und den Herbst dem Greisenalter zuordnet. 426 In I 33,4 wird die Allegorese ausgeweitet auf Christus, den ewigen Tag, die Apostel als die zwölf Stunden, die Propheten als die zwölf Monate und die vier Evangelien, die wiederum den Jahreszeiten zugeordnet werden. 427 An dieser Stelle wird die Allegorese unstimmig. Es zeigt sich, dass ihr

meliores. Exsultate, pueri, sacrae turris dulces ac sine pretio margaritae.“ – Vgl. zur ursprünglichen Dreiteilung des antiken Jahres unten Anm. 426. 424 Insofern würde dann auch im zenonischen Schema die Zuordnung der Triga, wie sie Isidor vornimmt, s. o. Anm. 419, greifen. Dies verhindert hier jedoch die Kombination mit dem Bild eben der vier Jahreszeiten. 425 I 33,2f. 426 Vgl. A. DEMANDT, Metaphern, 139. Ein ausführliches Beispiel bietet OV. met. 15,199–213 (364f. Anderson). Zeno nutzt einen der dieser Metaphorik nach A. DEMANDT, ebd., zugrundeliegenden Zwecke: Er gliedert den ,Prozess‘ des Christ-Seins und liefert eine Binnengliederung, „die nicht nur der beliebten Dreiteilung entspricht, sondern dieser auch noch emotionale Akzente zuweist, indem das aus dem Jahresverlauf Vertraute im jeweiligen Geschichtsverlauf [hier: Lebensablauf, B. D.] wieder erscheint.“ – Durch das Bild der christlichen Lebensstadien schimmert auch noch das gemeinantike Schema der Lebensalter (aetates) durch. Ursprünglich handelte es sich dabei um eine Einteilung in die drei Altersstufen pueritia / infantia – adulescentia / iuventus – senectus. Die Erweiterungen zu einem Viererschema differenzieren zwischen pueritia und infantia oder zwischen adulescentia und iuventus, während im Fünferschema beide Differenzierungen aufgegriffen sind. Weiter ausdifferenziert lassen sich auch Sechser- und Siebenerschemata finden. Für das Dreierschema liegen v. a. Belege aus klassischer Zeit vor, während das Vierer- und Fünferschema weitgehend in der Spätantike auftauchen. S. hierzu E. EYBEN, Einteilung, 150–163; B. LÖFSTEDT, Tractatus, 111*–113*. An zwei Stellen, I 1,5 und I 38,1, verwendet Zeno neben seinem Dreierschema des Christenlebens, s. hier Anm. 423, das ,profane‘ Viererschema pueritia – adulescentia – iuventus – senectus. Dieses deckt sich nach B. LÖFSTEDT, Tractatus, 111*, mit dem von Ambrosius verwendeten. In I 38 werden aus diesen ,profanen‘, vorchristlichen „pueri, adolescentes, iuvenes, senes“ durch die Taufe jedoch „infantes et, quod est admirabile et gratum, subito uno momento facti aetatibus diversis aequaevi“. Dies entspricht dem ,Frühling des Christenlebens‘ in I 33,2 und II 13. 427 Vgl. das bei K. MÖSENEDER, Circus, 212, genannte Vorhaben des 15. Jahrhunderts, auf dem Petersplatz in Rom den Obelisken aus dem Circus des Nero aufzustellen und ihn mit Statuen der vier Evangelisten zu umgeben.

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letzter Abschnitt lediglich auf der Analogie der Zahlen basiert 428 und kein geschlossenes Bild mehr liefern kann. Diese Allegorese zeigt eindrücklich, dass Zeno sich keineswegs scheut, Elemente aus der Umwelt und damit aus profaner heidnischer Tradition aufzugreifen und sie für das Christentum nutzbar zu machen. Ermöglicht wird dies dadurch, dass diese Elemente schon im paganen Kontext nur noch profan verstanden werden. Wenn die Jahreszeiten im Zirkusbild auch quasi personifiziert als Gespanne auftauchen, die ehemals dem Kult zugeordnet waren, und die Gaben der Natur an die Attribute von JahreszeitenGenien erinnern, spielt dies für die zenonische Allegorese jedoch keinerlei Rolle mehr. Es ist klar, dass die Natur ihrem Schöpfer untergeordnet ist, die Jahreszeiten daher dem Menschen nach dem Willen Gottes zu dienen haben.429 Eine drastischere Form der Entmythisierung ist kaum mehr vorstellbar. Zirkus 2. Phoenix Expressis verbis spricht Zeno in Traktat I 2,20f. ausführlich über den Vogel Phönix, zwei kurze Anspielungen finden sich in I 58 und II 29,1. Damit greift Zeno auf einen Mythos zurück, der durchaus schon vorchristlich von Bedeutung war, der aber – wie hier bei Zeno auch andernorts – schnell Eingang gefunden hat in christliches Repertoire.430 Der Vogel Phönix der antiken Mythologie geht auf den ägyptischen Reihervogel Bennu zurück, der erstmals im Schöpfungsmythos von Heliopolis mit dem Schöpfergott gleichgesetzt wird. In ganz Ägypten wird er zum Symbol für die göttliche Schöpferkraft. „Aus dem Gott, der Licht und Leere zugleich ist, stammt der Bennu, die erste und wesentlichste Manifestation dieser schöpferischen Leere, die identisch ist mit dem ‚Gott, der die Gestalten entlässt‘.“ 431 Der Bennu ist das Lebensprinzip schlechthin und kündigt als

428

Die Zwölf etwa lässt an die zwölf carceres des Zirkus denken, aus denen die Gespanne losfuhren; vgl. K. MÖSENEDER, Circus, 208; zur Zwölfer-Analogie, Apostel bzw. Propheten – Monate bzw. Stunden, vgl. auch W. HÜBNER, Zodiacus, 37f.61f. Die Vierzahl der Evangelien war im Kontext der christlichen Sol-Deutung bereits begegnet, dort jedoch auf die vier Pferde nur einer Quadriga übertragen worden. 429 I 36,28: „[Ille, qui hominem fecit,] ei [sc. homini] annos, tempora, menses, noctes ac dies clarissimosque duos regalium orbium currus munerifero semper vicissitudinis delectamento servire praecepit“; vgl. auch I 3,23: „huic [sc. secundae circumcisioni] deserviunt tempora, dies, horae universaeque momenta“. 430 Zur christlichen Adaption v. a. F. B ISCONTI, Aspetti e significati del simbolo della fenice nella letteratura e nell’arte del cristianesimo primitivo, VetChr 16, 1979, 21–46, hier: 21–26 und M. W ALLA, Der Vogel Phoenix in der antiken Literatur und der Dichtung des Laktanz, DUW 29, Wien 1969, 111–196. 431 M. W ALLA, Phoenix, 11.

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solcher einen neuen Äon an. Diese Grundkonzeption liegt allen späteren Deutungen zugrunde.432 In der Folge wurden einzelne Aspekte der Bennu-Symbolik zu einer vollständigen Erzählung über den Wundervogel Phönix mit folgenden Grundzügen verbunden: Die Heimat des golden-pupurgefiederten Vogels ist Indien oder Arabien, aus der er alle 500 Jahre nach Heliopolis kommt, um dort seinen Vater zu bestatten. In einer späteren Fassung des Mythos verbrennt er dort, um aus der Asche neu zu erstehen. Die Identität von altem und neuem Phönix ist Grundlage einer christlichen Nutzung des Mythos als Auferstehungssymbolik.433

In Traktat I 2 (De resurrectione) will Zeno gegen populärphilosophische Einwände den Beweis der Auferstehung von den Toten liefern. Der Mythos vom Vogel Phönix wird in eine Reihe von beweiskräftigen Beispielen aufgenommen.434 Neben das Beispiel der Besessenheit treten solche aus dem Alten und dem Neuen Testament 435 und schließlich aus der Natur.436 Der Mythos vom Phönix gehört in die letzte Gruppe. Als ein Beispiel aus der Natur tritt er zwischen das Beispiel vom Untergang und Aufgang der Gestirne und Planeten und das vom Begrabenwerden und Aufkeimen des Samenkorns.437 Schon die Stellung in der Reihe von Beispielen zeigt, dass dem Mythos hier keine mythologische Qualität mehr zukommt, er wird vielmehr in populärer Manier als real vorgestellt und ist damit seiner paganen Konnexe enthoben. Mit der Einführung des Vogels Phönix wird schließlich auch auf der Ebene des Vokabulars deutlich, dass es sich bei der Auferstehung geradezu um ein Naturgesetz handelt: „Similiter Phoenix avis illa pretiosa resurrectionis evidenter nos edocet iura“.438 Dieses scheint so selbstverständlich, dass Zeno, abgesehen von den anderen Natur-Beispielen, keine 432

Zum ägyptischen Bennu insgesamt ebd., 1–50. Zu den einzelnen Motiven der Phönix-Sage s. ebd., 51–98. 434 I 2,5: „oculatis rebus sufficimus approbare“. 435 1 Rg 28,3–25 (I 2,8); Mt 17,1–9 parr. (I 2,9); Lc 16,19–31 (I 2,9.10). Ihre Qualität ist, so Zeno in I 2,8, „quidem certiora“, und sie werden durch die Worte Christi in Lc 23,43 in I 2,11 bestätigt: „Nam et dominus ista exempla confirmans“. Auch Paulus und Ezechiel werden als Zeugen angeführt: 1 Th 4,13f. und Ez 37,12.14 in I 2,12. 436 Diese Beispiele sollen schließlich auf alle natürlichen Erscheinungen beweiskräftig übertragbar sein. I 2,17: „Unde pauca de multis attingam, ut omnium probationem haud dubie in paucis expediam.“ 437 Hierbei greift Zeno deutlich auf Material aus Tertullian zurück, der in seiner dem gleichen Thema gewidmeten Schrift De resurrectione mortuorum ganz ähnlich argumentiert: Als Belege für die Auferstehung werden in T ERT. resurr. 12,1–3 (CChr.SL 2,934f. Borleffs) die Gestirne und ihr Unter- und Aufgang genannt, ebd., 13,2 (CChr.SL 2,936,5–9 Borleffs) der Vogel Phönix und ebd., 52,1–19 (CChr.SL 2,995f. Borleffs) das Begrabenwerden und Aufkeimen des Samenkorns. Zur Phönix-Stelle vgl. auch M. W ALLA, Phoenix, 113f. 438 I 2,20. Zum Gebrauch von ius im Sinne von ,Naturgesetz‘ s. A. B LAISE, Dictionnaire, 480. 433

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weiteren Ausführungen dazu macht, sondern das Beispiel des Phönix selbst reden lässt. Es folgt eine Aufzählung seiner Eigenschaften und Fähigkeiten im Rückgriff auf von Zeno bevorzugte Quellen. Rein vom Wortlaut her lassen sich Parallelen nicht nur zu Tertullian, sondern auch zu Laktanz konstatieren.439 Zunächst hebt Zeno auf die Asexualität des Phönix, wie sie in Beschreibungen des Vogels üblich ist, 440 ab. Dann wendet er sich dem Tod des Phönix zu, dem eigentlichen Indiz für die Realität der Auferstehung. Die Wiedergeburt wird in einer Reihe von antithetischen Bildern beschrieben,441 von denen er in zwei weiteren Traktaten das Bild vom Grab als ‚Nest‘ wieder aufgreifen und damit dann lediglich auf den Phönix-Mythos anspielen wird.442 Eine christliche Konnotation erhält die Beschreibung durch die Antithese „mors natalicius dies“, die an die Feier des Dies natalis christlicher Märtyrer erinnert. 443 Erst jetzt fällt die Formulierung, die an Auferstehung denken lässt: „exsultat in tumulo“.444 Die entscheidende Aussage des Abschnitts über den Phönix in I 2 – und damit unterscheidet sich Zeno in seiner Interpretation des Phönix-Mythos grundlegend von Laktanz, greift die Idee Tertullians vom Phönix auf und führt diese detailierter zu Ende445 – ist die leibliche Auferstehung des Menschen von den Toten, des gleichen Menschen, jedoch in einer veränderten, d. h. zu seiner originären und perfekten Einheit zurückgefundenen Leiblichkeit, für die das Sterben und die Wiedergeburt des Phönix vorbildhaft sind.446 Phönix wird zum Symbol für den paradiesischen Zustand 439 T ERT. resurr. 13,2 (CChr.SL 2,936,5–9 Borleffs).; LACT. Phoen. 77.99f. (CSEL 27,2,1,140.142 Brandt); vgl. auch R. VAN DEN B ROEK, The Myth of the Phoenix according to the Classical and Early Christian Traditions, EPRO 80, Leiden 1971, 217.222f. 348. Offensichtlich kennt Zeno auch die älteste Physiologus-Version; s. ebd., 204. 440 S. ebd., 357 und 366, Anm. 1; auch J. HUBAUX / M. LEROY, Le mythe du phénix dans les littératures grecque et latine, BFPUL 82, Lüttich / Tournon 1939, 5f., Anm. 5. 441 I 2,21: „Sepulcrum nidus est illi, favillae nutrices, cinis propagandi corporis semen, mors natalicius dies.“ 442 Vgl. I 58 und II 29,1 nach LACT. Phoen. 77 (CSEL 27,2,1,140 Brand). 443 Vgl. A. STUIBER, Art. Geburtstag, RAC IX, 1976, 217–243, hier: 229–233; auch A. B LAISE, Dictionnaire, 549. 444 Inhaltlich und phonetisch lässt exsultare an exsurgere denken. Zeno benutzt jedoch an den entsprechenden Stellen das gängigere resurgere. Exsultare im Sinne von „aufgehen, sich erheben“ findet sich nur noch in I 33,1: „exsultat aestas nova“; s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 126f. Resurgere hingegen verwendet Zeno sowohl für die Auferstehung Christi als auch für die aller Toten; s. ebd., 323f. 445 Vgl. R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 222f. Laktanz benutzt den Phönix-Mythos als Bild für christliche virginitas und zwar als Verwirklichung eines eschatologischen Status bereits vor dem Tod im irdischen Leben; s. ebd., 422; auch ebd., 381. 446 Insgesamt verwirft Zeno mit seiner Phönix-Interpretation eine Spiritualisierung der Auferstehung, wie sie bei Origenes und seinen Schülern zu finden ist, so R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 375; s. auch J. HUBAUX / M. LEROY, Phénix, 189, Anm. 4. Vgl. T ERT. resurr. 48,1–7 (CChr.SL 2,987f.,76–30 Borleffs).

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

des Menschen nach der Auferstehung. 447 Eindringlich ruft Zeno seine christlichen Zuhörer auf, sich dessen bewusst zu werden, dass auch ihnen diese Zukunft bestimmt ist. In gleichem Sinn kann Zeno dann auch in Traktat II 29,1, das sich an die Neophyten richtet, auf den Phönix mit der Wendung „ut sepulcri nido vivificatus resurrectionis iura gustaret [sc. vetus homo]“ anspielen, da er in der Taufe ganz paulinisch eine Vorwegnahme des Todes und der Auferstehung sieht.448 Der Mensch wird durch die Taufe schon auf den Zustand im Eschaton hin umgeformt.449 Die zweite Anspielung auf Phönix in Traktat I 58, „sepulcri nido vegetatus“, scheint zunächst lediglich als Bild für immerwährende Wiederholung, wie sie schon im vorchristlichen Mythos angesprochen und dann in quasi säkularisierter Form in den populären Bildschatz übergegangen ist,450 zu dienen. Mit dem immer gleichen Ablauf des Jahres kehrt auch der Ostertag wie der wiederbelebte Phönix immer wieder. Der Ostertag seinerseits ist aber wiederum Bild für das Heilsgeheimnis der Auferste-

447 S. R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 382f. Diese Deutung deckt sich mit frühen christlichen Deutungen des Phönix-Mythos, wie sie bei M. W ALLA, Phoenix, 113f., schon für Clemens von Rom oder die erste Physiologus-Fassung aufgezeigt wurde. 448 Neben II 29,1: „sacri gurgitis unda sepultus, ut sepulcri nido vivificatus resurrectionis iura gustaret“ s. auch II 29,3: „Itaque beatus est, semper qui meminit, quod renatus sit“. Vgl. Rm 6,3–5; Col 2,12f.; Eph 2,5; auch 1 Pt 3,20f. Zur Grabmetapher vgl. auch B., Art. Grab, RAC XII, 1983, 366–397, hier: 395, und W. M. B EDARD, The symbolism of the baptismal font in early christian thouhgt, SST 2. Ser. 45, Washington, DC 1951, 4–16.49–51. Zur Taufe als Begrabenwerden und Auferstehung bzw. Geburt bei den Kirchenvätern H. M. RILEY, Christian Initiation. A Comparative Study of the Interpretation of the Baptismal Liturgy in the Mystagogical Writings of Cyrill of Jerusalem, John Chrysostom, Theodore of Mopsuestia and Ambrose of Milan, Washington, DC 1974, 225–348; zum Niederschlag in frühchristlichen Baptisterien J. M. EMMINGHAUS, Semiotik altchristlicher Taufhäuser, ZKTh 107, 1985, 39–51, hier: 47–51. – Auf diese Vorstellung hebt Zeno auch bei der Charakterisierung des Täuflings in II 24,3 ab. Durch einen terminologischen Rückgriff auf LACT. Phoen. 169 (CSEL 27, 2,1,147 Brandt) „ipsa quidem, sed non eademque nec ipsa est“ entsteht eine Analogie, die einem literarisch gebildeten Hörer möglicherweise auffallen konnte: Wie der Phönix nach der Wiedergeburt so ist auch der Täufling nach der Taufe er selbst und doch nicht derselbe: „Ipse est et tamen ipse non est.“ 449 II 29,1: „hodie nati fratres in Christo ... Vetus enim homo vester feliciter condemnatus est, ut absolveretur, sacri gurgitis unda sepultur, ut sepulcri nido vivificatus resurrectionis iura gustaret.“ 450 Dies belegen v. a. Phönix-Darstellungen auf Münzen. S. J. KRAMER, Art. Phönix, LCI III, 1971, Repr. 1994, 430–432, hier: 430; auch R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 434– 436; F. B ISCONTI, Aspetti, 30; M. W ALLA, Phoenix, 106–111.

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hung Christi, die auch den Christen zukünftig bestimmt ist. 451 Gleichsam auf einem Umweg ist also auch hier das Bild des Phönix wieder mit der Auferstehung verknüpft, an dieser Stelle sogar mit der Christi. Wie bei den bisher behandelten mythologischen Gestalten zeigt sich beim Phönix-Mythos einmal mehr und grundsätzlicher, dass dem Mythos keinerlei pagan-religiöse Konnotationen mehr anhängen. Schon im vorchristlichen Kontext ist er bereits ‚säkularisiert‘, was eine Übernahme in christliches Repertoire gleichsam als Transskription in eine christliche Allegorie ermöglicht. Interessanterweise sind es gerade archäologische Befunde aus dem 4. Jahrhundert, und zwar überwiegend aus der zweiten Hälfte, die den Phönix in christlichem Ambiente repräsentieren. Ursprünglich im Sepulkralbereich angesiedelt, erscheint der Phönix mit der Entwicklung einer typischen Traditio-legis-Szene auch in der Monumentalkunst. Auf der in dieser Szene üblicherweise neben Paulus dargestellten Palme findet sich regelmäßig ein Phönix (mit Strahlenkranz oder Nimbus), vermutlich als Hinweis auf die durch Paulus den Heiden verkündete Auferstehungstheologie. 452 Für Oberitalien lassen sich Beispiele anführen,453 insbesondere eine Traditio-legisDarstellung auf einem Sarkophag in Verona, der in das letzte Viertel des 4. Jahrhunderts datiert.454

Auch der archäologische Befund kann also zeigen, dass gerade zur Zeit Zenos das Bild des Phönix den Christen nicht unbekannt war. Zeno jedenfalls dürfte zur Verbreitung einer christlichen, von heidnischen Konnotationen gereinigten Interpretation in Verona beigetragen haben.

451 I 58: „Profecto sacramenti dominici imaginem portat, nam occasu passionem resurrectionemque ortu redivivo concelebrat, per quem nobis quoque resurrectionem futurae beatitudinis pollicetur.“ 452 Zu Phönix-Darstellungen generell s. M. W ALLA, Phoenix, 116–118; F. B ISCONTI, Aspetti, 26–40, Fig. 1–9. Zur Verknüpfung mit Paulus ebd., 31–33 und R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 448; zu den Gemeinsamkeiten von Phönix und Palme s. M. W ALLA, Phoenix, 99–101.117. 453 Aquileia: R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 446f.; F. B ISCONTI, Aspetti, 35.38; Bobbio: R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 446. 454 S. F. B ISCONTI, Aspetti, 31; R. VAN DEN B ROEK, Phoenix, 450; ausführlich G. W ILPERT, I sarcofagi cristiani antichi, Bd. I, MAC 1, Rom 1929, 177, und ebd., Tavole CL; besonders ebd., 177: „Pietro e Paolo si vede, posata in cima alla palma la fenice, noto simbolo della resurrectio carnis.“ D. STUTZINGER, Die frühchristlichen Sarkophagreliefs aus Rom. Untersuchungen zur Formveränderung im 4. Jahrhundert n. Chr., HDD.A 16, Bonn 1982, 163–168, konnte die Datierung in das letzte Viertel des 4. Jahrhunderts erhärten, darüber hinaus aber nachweisen, dass es sich um ein Werkstück aus einer römischen Werkstatt handelt.

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3. Bilder des Zodiakus „Jede Betrachtung spätantiker Kulturformen muß v[on] dem Faktum ausgehen, dass zumindest die heidnischen Volksreligionen des Hellenismus u[nd] des röm[ischen] Kaiserreiches v[on] astrolog[ischem] Glauben zutiefst geprägt waren … Die Haltung der KVv [sc. Kirchenväter] g[egen]über diesem Glauben ihrer heidnischen Mitwelt ist keineswegs einheitlich ablehnend.“ 455 Während man bei Tertullian möglicherweise den Eindruck haben könnte, dass er zwar die Astrologie im Sinne einer Zukunftsdeutung aus den Gestirnen ablehne, nicht jedoch die Wirkmächtigkeit des Zodiakus im Sinne einer Einflussnahme der Gestirne auf den Menschen verneine,456 wendet sich Augustinus deutlich gegen den Zodiakus.457 Zenos vollständige christliche Deutung nimmt unter den schriftlich fixierten Stellungnahmen jedoch eine in jeder Hinsicht singuläre Stellung ein. Einen antiken Mythos des Zodiakus gibt es nicht, da er erst spät, „lange nach einer in erster Linie mythisch bestimmten Epoche“ 458 entstanden ist. Insofern gibt es auch keinen Kult, dem der Zodiakus zuzuordnen wäre. „Zu den einzelnen Zodiakalbildern existieren jedoch Sternsagen“,459 in denen Elemente der Mythologie oder auch Gottheiten mit den Tierkreiszeichen in Verbindung gebracht werden. Diese mythologischen Zusammenhänge haben jedoch keine echte religiöse Grundlage. Die religiöse Bedeutung des Zodiakus liegt vielmehr in einer generellen antiken religiösen Verehrung von Gestirnen, Planeten oder des Kosmos insgesamt als personifizierte göttliche Phänomene. Insofern kennt man auch eine Verehrung von aus dem Zodiakus gelösten Einzelbildern. Werden

455

O. HOLL, Art. Zodiakus, LCI IV, 1972, Repr. 1994, 574–579, hier: 574. So interpretiert O. HOLL, ebd., T ERT. idol. 9,1 (34 Waszink / van Winden): „Non allego, quod idola honoret [sc. quidam astrologus], quorum nomina caelo inscripsit, quibus omnem dei potestatem addixit, quod propterea homines non putant deum requirendum praesumentes stellarum nos immutabili arbitrio agi.“ Ausschließlich aus dieser Äußerung eine Anerkennung der Wirkmächtigkeit des Zodiakus abzuleiten, scheint m. E. eine Überinterpretation der Stelle zu sein. Anders dagegen T ERT. anim. 25,9 (CChr.SL 2,821,89–93 Waszink), wo die Horoskoperstellung der alten Astrologen für den Zeitpunkt der Zeugung als Argument für die Verbindung von Seele, die von Anfang an unter dem Einfluss der Gestirne steht, und Körper eben im Moment der Empfängnis angeführt wird. S. auch T ERT. Scap. 3,3 (CChr.SL 2,1129,15–18 Dekkers), wo Tertullian selbst astrologisch zu argumentieren scheint, die Argumentation jedenfalls abschließt mit der schlichten Bemerkung „Habetis astrologos.“ 457 In AUG. haer. 70,1 (CChr.SL 56,334,13–21 vander Plaetse / Beukers) wird der Zodiakus zu den „fabulosa, vana, sacrilega“ gezählt. 458 H. G. GUNDEL, Zodiakos. Tierkreisbilder im Altertum, Kulturgeschichte der antiken Welt 54, Mainz 1992, 29. 459 Ebd. – Die einzelnen den Sternbildern zugeordneten Sagen sind aufgelistet bei H. HUNGER, Lexikon, 384f. 456

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die Bilder nicht mit konkreten Gottheiten identifiziert, so betrachtet man sie vielfach, v. a. in der Kaiserzeit, als Dämonen, die das tägliche Leben mitbestimmen. 460

Wenn Zeno also in I 38 den Zodiakus aufgreift und eine christliche Deutung vorlegt, ist dies zwar nicht auf konkrete Kult- oder Mythenkritik ausgelegt, er streift aber mythologisches Ambiente. Zeno selbst merkt an, dass das Erstellen eines Horoskops zu heidnischen Gewohnheiten zählt. 461 Den Ausgangspunkt für die Erstellung eines christlichen Horoskops bildet die Taufe. Zeno gewährt, gewissermaßen vorbeugend, den in der Taufe ‚Neugeborenen‘ 462 einen Gefallen und erstellt ihnen eine Genethlialogie, wie dies u. a. aus dieser Zeno-Stelle für die damalige Zeit als bei Geburten üblich abgeleitet wird.463 Schon an dieser Stelle setzt eine Allegorik (Geburt / Taufe – Genethlialogie / christliches Horoskop) ein, die sich durch den gesamten Traktat zieht. Zeno deutet den gesamten Zodiakus „im Sinne landläufiger unkomplizierter Sonnenstandsprognosen, d. h. der einfachen Tierkreishoroskopie, in allegorischer Weise nicht nur das eine Zeichen, in dessen Bereich die Taufe an Ostern fällt, den Widder, sondern alle zwölf Zeichen als ‚Prognose‘ für das Leben des Christen.“ 464 Schon ein Blick auf das von Zeno in diesem Kontext verwendete Vokabular zeigt, dass er nicht rein assoziativ arbeitet – wie es dem heutigen, mit der antiken Astrologie unvertrauten Leser erscheinen könnte –, sondern dass er auf diesem Gebiet offensichtlich Kenntnisse hatte.465 Termini wie genitura, nativitas, signum, horoscopus oder die Aufzählung der aetates diversae 466 entstammen nachweislich dem astrologischen Fachjargon.467 Allerdings verweist 460

S. H. G. GUNDEL, Zodiakos, 29–31. I 38,2: „Veteris vitae usurpatione“. 462 I 38,1: „novella pignora in Christo, florentissimique hodierni spiritalis ortus vestri“; ebd.: „iam liberi mundi estis infantes“; I 38,2: „una uno partu vestra vos peperit mater ... parvulis“. Zum Gesamtbild einer secunda nativitas der Christen in der Taufe s. u. S. 389–393. 463 S. H. G. GUNDEL / A. KEHL, Art. Horoskop, RAC XVI, 1994, 597–662, hier: 630: „Es dürfte der in dieser Zeit [sc. 3. Jahrhundert bis Anfang 4. Jahrhundert] erheblich anwachsenden Verbreitung der Astrologie ... entsprochen haben, dass im christlichen Schrifttum damals sehr viel häufiger u[nd] eingehender auf die Horoskopie eingegangen worden ist.“ Und ebd., 647: „In einer Predigt an die Ungetauften [sic!] ,Über die Zwölf Zeichen‘ ... erweist Zeno indirekt, wie verbreitet es im 4. Jh. war, sich ein H[oroskop] erstellen zu lassen.“ 464 Ebd. 465 Also nicht nur das Faktum, dass Zeno den Brauch des Horoskoperstellens anlässlich einer Geburt aufgreift, sondern auch die Art und Weise, in der er dies tut, sprechen für die starke Verbreitung dieser Praxis. 466 I 38,1f. 467 S. H. G. GUNDEL / A. KEHL, Horoskop, 600–602; ganz ähnlich auch F. T ASCA DIRANI, Sermone, 546–550; ausführlicher und sehr fundiert T. H EGEDUS, Zeno, 553f. passim. 461

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der Begriff genesis 468 mit der für das Christentum spezifischen Bedeutung ‚Schöpfung‘ auf eine „pervertierende“ Modifizierung einer Horoskoperstellung.469 Als Zeitpunkt der Geburt bestimmt Zeno die Taufe.470 Dann geht er den gesamten Zodiakus, beginnend mit dem Widder, dem ersten Bild des Zodiakus im Frühling, der ja auch Beginn des neuen christlichen Lebens nach der Taufe ist,471 und endend mit den Fischen, durch und gibt den einzelnen Tierkreiszeichen christliche Deutungen.472 Positive Deutungen erfahren Widder (modifiziert zum Lamm), Stier (modifiziert zum Kalb), Löwe und Wassermann als Bilder für den zur Taufe rufenden, sich opfernden und auferstehenden und die Kirche begründenden Christus, Zwillinge als Bild für Altes und Neues Testament, Jungfrau als Bild für Maria und Waage als Bild für Gleichheit und Gerechtigkeit durch Christus. Negativ besetzt sind der Krebs als Bild für Laster, Skorpion als Bild für Übel, Schütze als Bild für Teufel, Steinbock als Bild für einen vom Teufel entsandten Dämon 473 und Fische als Bild für Juden und Heiden. 474 Dabei übernimmt Zeno weitgehend die Wertung der einzelnen Zeichen aus der traditionellen Astrologie, ohne sich an deren konkrete Deutungen 468

I 38,3. Nach T. HEGEDUS, Zeno, 554, ist genesis ein gebräuchliches Synonym für horoscopus. Von einer „pervertierende[n]“ Modifizierung einer Horoskoperstellung spricht dagegen W. HÜBNER, Horoskop, 122f. Darauf verweist auch die Betonung sacer horoscopus in I 38,2. – Der Bemerkung W. HÜBNERs, ebd., 123, Zeno könne damit „die Technik des Horoskopstellens pervertierend, alle Täuflinge in den zodiakalen Kreis, der der neuen Gemeinde entspricht, einschließen“, widerspricht m. E. die Tatsache, dass die Tierzeichen von Zeno – vermutlich bewusst (I 38,2: „Veteris vitae usurpatione, quod quidem vobis ulterius non licebit, fortassis requiratis“) – nicht auf die Gläubigen hin gedeutet werden. Diese werden vielmehr betont als „neue Einheit“, so W. HÜBNER, ebd., 123, selbst, angesprochen. 470 I 38,1: „subito uno momento“. 471 Vgl. u. S. 389–393(secunda nativitas). 472 Eine astrologische Gesamtinterpretation bietet W. HÜBNER, Horoskop; die Gemeinsamkeiten von Astrologie und Allegorese sehr verständlich auch für den astrologischen Laien dargestellt bei T. HEGEDUS, Zeno; hier werden auch zahlreiche Parallelen zu Zenos Traktat in der antiken astrologischen Literatur sowie Parallelen bei anderen Kirchenvätern dokumentiert. Ähnlich, aber weniger systematisch und fundiert F. T ASCA DIRANI, Sermone; dagegen betonend, dass es sich um eine bloße Allegorese und damit ein Schein-Horoskop (aufgrund astrologischer Mängel) handele R. B ECK, Star-Talk. 473 Die Verhaltensweisen, die er auslöst, sind Eigenschaften, die als heidnisch zu gelten haben; I 38,6: „Alios amentes, alios furiosos, alios homicidas, alios adulteros, alios sacrilegos, alios avaritia efficit caecos.“ 474 Die Darstellung und Erklärung der zenonischen Allegorese wie sie erschöpfend insbesondere T. HEGEDUS, Zeno, in Teilen aber auch F. T ASCA DIRANI, Sermone, vornimmt, zu paraphrasieren, erübrigt sich hier angesichts der Frage nach dem Zodiakus im Kontext heidnischer Mythologie. 469

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zu halten, und kombiniert bzw. modifiziert sie mit biblischen Bildern. 475 Bei den positiven Deutungen greift er jedoch – ob bewusst oder unbewusst, kann hier nur assoziativ hypothetisiert werden – auf Elemente zurück, die aus der Mythologie bekannt gewesen sein dürften, 476 und deutet so das gesamte Bild christlich. Relativ eindeutig wird etwa bei der Deutung des Widders das Vlies zum Tertium comparationis und erinnert an das Taufkleid, Stier und Christus verbindet das Joch. Die Zweizahl verbindet die Zwillinge mit den beiden Testamenten, die Unverwundbarkeit hat der auferstandene Christus mit dem (nemeischen) Löwen gemein, die Jungfrau Maria als umgedeutete Dike kündigt die Gerechtigkeit der Waage an. Bei den negativen Deutungen lassen sich kaum konkrete Gemeinsamkeiten mit pagan-mythologischen Deutungen aufzeigen. Am ehesten erinnert noch die zenonische Deutung des Schützen als Teufel an die pagane Darstellung als Kentaur und die Interpretation des Steinbocks als Gesandter des Teufels an die heidnische Deutung als Sohn des Pan. Diese Verbindungen sind jedoch rein assoziativ und im Text nicht nachweisbar. Dass die Fische für Juden und Heiden stehen, hängt wohl mit der (nicht mythologisch begründeten) Bedeutung des Zeichens im paganen Horoskop zusammen, in welchem sie alle Vorgänge ‚vor der Geburt‘ repräsentieren. In einer „Ringkomposition“ 477 gelangt Zeno damit am Ende seiner Allegorese im Bild des die Juden und Heiden (Fische) zur Kirche zusammenschließenden Wassermanns Christus wieder zum Ausgangspunkt der Taufe zurück. Innerhalb der Deutung kombiniert Zeno seine astrologischen Kenntnisse, die bis hin zum Wortlaut antiker astrologischer Literatur folgen, 478 mit biblischen Bildern und Deutungen, die seine christliche Interpretation stützen und legitimieren.479 In diesem Traktat legt Zeno also in einem Kunstgriff – denn eigentlich missbilligt er den heidnischen Usus der Horoskoperstellung – das erste ‚christianisierte‘ Horoskop vor, das uns bekannt ist. 480 Er entmythisiert 475 Ausführlich zu den zugrundeliegenden biblischen Stellen T. HEGEDUS, Zeno; F. T ASCA DIRANI, Sermone, 538–546, spricht von „biblicizzazione“; verbunden mit einer „oroscopizzazione“ entwickelt sie ein Inkulturationsprogramm für den zenonischen Traktat. 476 Mythologische Parallelen werden in den genannten astrologischen Arbeiten zu Zenos Traktat nicht thematisiert! 477 W. HÜBNER, Horoskop, 135. 478 S. ebd., 124, Anm. 7, oder ebd., 126. 479 Zu den astrologischen Zusammenhängen und biblischen Verquickungen ausführlich W. HÜBNER, Horoskop, z. B. 135, Anm. 37. 480 Ders., Zodiacus, 11. Dies scheint neuerdings von T. H EGEDUS, Zeno, widerlegt zu sein; allerdings spricht dieser nicht von ‚christianisierten‘ Horoskopen.

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auch hier die in den Ohren der Zuhörer vielleicht noch durchklingenden mythologischen Aussagen, indem er an ihre Stelle neue, christliche Deutungen setzt. Es handelt sich hier zwar nicht um eine konkrete Kult- oder Mythenkritik, aber doch um eine durch die Umwandlung geübte indirekte Kritik an heidnischen Gebräuchen.481 Jeder ‚Heide‘, der diese christliche Modifizierung gehört haben könnte, dürfte angesichts der Unverfrorenheit des Veroneser Bischofs ein solches Schein-Horoskop 482 für eine boshaftironische Parodie gehalten haben. Paradoxerweise dürfte Zeno damit ungewollt zu einer „erfolgreiche[n] Amalgamierung“ 483 dieses vorchristlichen Brauchtums mit dem Christentum beigetragen haben, wie die Rezeptionsgeschichte des Traktates es nahelegt.484 Eine kurze, auf den Zodiakus anspielende Adaption findet sich darüber hinaus in Traktat II 12,4. Innerhalb christologischer Ausführungen wird Christus als sol noster vorgestellt, den ein Kranz von zwölf Sternen umgibt. Diese Sterne werden mit den Aposteln gleichgesetzt. 485 Tertium comparationis innerhalb der geschlossenen Allegorie ist an dieser Stelle die Zwölfzahl. Diese spielt schon „für die religiöse Deutung der zwölf Bilder des Zodiakos als göttlicher Mächte o. ä. ... eine zumindest unterstützende Rolle, nicht nur durch die ihr immanente Zahlensymbolik von hohem Alter, sondern auch durch die Angleichung an die zwölf Monate, die überdies nach verbreiteter Anschauung zwölf Göttern als Schutzmächten (tutelae) unterstellt waren.“ 486

481

Der positiven Deutung als Inkulturation bei Tasca Dirani kann m. E. nur bedingt gefolgt werden, da Zenos Kritik an den Neophyten angesichts ihrer der curiositas geschuldeten Verhaftetheit mit diesem vor-christlichen Brauch und seine Betonung der Verbindung der negativ besetzten Zeichen mit dem Heidentum dem widerspricht! Vgl. u. S. 371–381 (curiosi). 482 Vgl. R. B ECK, Star-Talk, 175.177, der von einem „Make-Believe Star-Talk“ und von „nonsensical statements“, ebd. 177, spricht. 483 Auf eine solche schließt J. RÜPKE, Religion, 221, aus Darstellungen des Zodiakus in Synagogen und einer „wirkungslose[n] Polemik der Kirchenväter“. 484 Zur Wirkungsgeschichte schreibt W. HÜBNER, Zodiacus, 11: „Einzelheiten dieser zodiakalen Taufpredigt, deren astrologischer Kern (§ 3–7) von einem mittelalterlichen Nachfolger des Bischofs Zeno, von Pacificus von Verona (9. Jahrhundert) in Verse gebracht worden ist, haben bis ins 17. Jahrhundert fortgewirkt.“ Ebd., 64: „Das astrologische Wissen, das in Zenos Predigt verarbeitet ist, und die Art, wie die einzelnen Gedanken dynamisch miteinander verbunden werden, ist vor und nach ihm bei keiner Christianisierung erreicht worden. Einzelne Gedanken kehren jedoch nicht selten wieder.“ 485 II 12,4: „Hic sol noster, sol verus ... Hic, qui semel occidit et ortus est rursum numquam repetiturus occasum. Hic, inquam, quem duodecim radiorum, id est apostolorum duodecim, corona circumdat“. 486 H. G. GUNDEL, Zodiakos, 30f. Vgl. o. S. 301.

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Offensichtlich gehörte die Metapher auf der Basis der Zwölferzahl der Apostel zum rhetorischen Bildschatz des 4. Jahrhunderts. Häufig stehen die zwölf Stunden des Tages oder die zwölf Monate für die Apostel (entsprechend ist Christus dann der Tag oder das Jahr).487 Aber auch für die Gleichsetzung Zodiakus – Zwölferkreis der Apostel lassen sich Belege finden.488 Daniélou sieht die Ursprünge in einem von der Gnosis beeinflussten frühen juden-christlichen Synkretismus, in dem ein zodiakaler Symbolismus der zwölf Patriarchen auf die zwölf Apostel übertragen wurde. 489

Diese Tradition dürfte für Zeno jedoch keine direkte Rolle gespielt haben. Das Bild des sol noster verweist vielmehr auf den heidnischen Götterhimmel, der hier ein weiteres Mal entmythisiert und in dieser Form für eine christliche Symbolik adaptiert wird. V. Der Ort mythologischer Darstellung Nachdem bisher dem Schema der Theologia tripartita folgend konkrete Inhalte der Theologia mythica, nämlich Götter und andere mythologische Gestalten, in den zenonischen Traktaten untersucht wurden, bleibt zu fragen, welches Verhältnis Zeno zu den Ausdrucksformen hat, in denen die mythologischen Inhalte tradiert werden und die auch für die zenonische Zeit, wie sich bereits andeutete, das Medium sind, durch das die Christen (weiterhin) mit diesen Inhalten konfrontiert werden. Zu fragen ist also zunächst nach dem Verhältnis Zenos zur Dichtung als einem der Orte der Konservierung des Mythos, auch angesichts der Tatsache, dass dem Werk etwa eines Vergil gerade in der Auseinandersetzung zwischen Christentum und Heidentum von heidnischer Seite verstärkt religiöse Relevanz beigemessen wurde. 1. poetae Obwohl bisher als ein Hauptanliegen Zenos in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum die Entmythisierung hervorgetreten ist, kann (und will?) der Veroneser Bischof seine Herkunft aus einer (pagan) gebildeten Schicht nicht verhehlen.490 So spricht er etwa an einer Stelle von den Tugenden

487 Vgl. J. DANIÉLOU, Les douze apôtre et le zodiaque, VigChr 13, 1959, 14–21, hier: 14–16. 488 S. ebd., 17. 489 S. ebd., 18–21; auch W. HÜBNER, Zodiacus, 37–39; dort auch ein Verweis auf eine frühchristliche Tonlampe in Genf, die die Köpfe der zwölf Apostel um eine in der Mitte thronende Gestalt abbildet. 490 D. CERVATO, Diocesi, 40f.; ders., Verona, 62, geht sogar soweit zu sagen, dass Zeno sich der ‚antiken Kultur‘ stärker verbunden fühlte als seine bischöflichen Amtskollegen, etwa Ambrosius, obwohl seine philosophische Bildung sehr viel niedriger gewesen sei als die des Ambrosius.

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der Vorfahren, die in deren Büchern vermittelt werden. 491 Und Zeno weiß auch von einem litterarum fructus, den der Schüler von seinem Literaturunterricht erhofft.492 Zur Literatur insgesamt und insbesondere zur Dichtung, die doch als das Medium der Überlieferung der Mythologie schlechthin zu gelten hat, hat er ein erstaunlich positives Verhältnis. Dies zeigt sich zuerst an solch konkreten Äußerungen. Eine direkte inhaltliche Äußerung zur Dichtung findet sich unter dem Stichwort poetae in I 2,4. Dort wird im Kontext der Behandlung der Unsterblichkeit der Seele, von ‚den Dichtern‘ gesagt, dass sie, gemessen an ‚den Philosophen‘,493 eine noch bessere Vorstellung von dem, was der Seele nach dem Tod des Menschen widerfährt, vermitteln, nämlich die Differenzierung zweier Möglichkeiten in Abhängigkeit vom religiösen Verhalten zu Lebzeiten.494 Der folgende Hinweis auf Tartarus und Elysium sowie eine anschließende Vergil-Zitation, die ausdrücklich als Zitat gekennzeichnet ist,495 lässt keine andere Möglichkeit, als unter poetae Vergil und die in seiner Nachfolge stehenden Dichter zu verstehen. Wer jedoch unter den Nachfolgern verstanden werden darf und damit den Plural rechtfertigt, bleibt unklar. Wahrscheinlich handelt es sich hier um das bewusst eingesetzte Stilmittel der pauschalierenden Gruppenzuweisung zum Hinweis auf eindeutig pagane Ausführungen,496 ein Hinweis, dem gerade im Kontext der ausdrücklichen Heidenkritik 497 besondere Relevanz zukommt: Unter den kritisierten Heiden gibt es eben auch andere Vergil vergleichbare. Wenn Vergil zitiert, verallgemeinernd aber von poetae recte dicentes gesprochen wird, zeigt sich zugleich, welche Stellung Vergil unter den lateinischen Dichtern überhaupt zukommt. Dass Zeno die klassische Hochschätzung für ihn als ‚den Dichter schlechthin‘ teilt, bestätigt die Qualifizierung Vergils als poeta sapientissimus in I 2,26. Dort wird ein weiteres ausdrücklich als solches gekennzeichnetes Zitat (dicens) mit dem 491 I 36,14: „Huius [sc. caritatis] est munus, quod antiquorum aut virtutes ex libris aut ex virtutibus libros agnoscimus.“ Dass hier unter den antiqui nicht Verfasser biblischer Texte, sondern römisch-heidnische Schriftsteller zu verstehen sind, legt die Rede von libri nahe. Wären biblische Schriften gemeint, dürfte Zeno eher zum Terminus sacer lex oder sacra scriptura gegriffen haben; s. u. S. 444–459. Die angesprochenen virtutes weisen auf Schriften zur philosophischen Sittenlehre. 492 I 36,3: „Quid facit ad litteratorem puer, si litterarum non sperat fructum?“ 493 Vgl. u. S. 330f. 494 I 2,4 in Anlehnung an LACT. inst. 6,3,9 (CSEL 19,1,487,10f. Brandt): „qui duplicem viam apud inferos ponunt: impiorum unam ... piorum aliam“. 495 I 2,4: „recte dicentes“. 496 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen und Funktionen der Vergilzitate bei Augustin von Hippo. Formen und Funktionen der Zitate und Anspielungen, SGKA 18, Paderborn u. a. 2003, 428f. 497 S. das betont an den Satzanfang gestellte pagani in I 2,3.

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Hinweis eingeleitet, dass der poeta sapientissimus, dessen Name nicht angeführt ist, der also nur über das Zitat 498 als Vergil zu erschließen ist, (als Nicht-Christ) bereits eine Vorausahnung von der Unsterblichkeit des Fleisches gehabt habe.499 Vergil ist damit nicht mehr nur das wegen seiner sprachlichen Fähigkeiten verehrte Vorbild, an dem man sich selbst sprachlich schult, die rühmende Hervorhebung dient also nicht allein dem Ausdruck formaler Hochschätzung,500 auch inhaltlich wird Vergil, der Heide, damit durch die zenonische Deutung des Zitats rehabilitiert 501 und das Argument Zenos erfährt zugleich eine Aufwertung durch die auf diese Weise hervorgehobene Autorität hinter dem Zitat.502 2. Literarische Reminiszenzen Wenn Zeno zur Mythologie ein deutlich gebrochenes Verhältnis hat, bestimmte Dichter aber schätzt, dann ist zufragen, wie sich dies im Bereich konkreter literarischer Rezeption spiegelt. Die Reminiszenzen lateinischer Dichtung in Form von Zitaten, Parallelen oder Anspielungen 503 innerhalb 498

VERG. Aen. 6,730f. (250 Mynors) in I 2,26. I 2,26: „inmortalitatis semine (de quo etiam poeta sapientissimus praesagavit dicens: Igneus est ollis vigor et caelestis origo seminibus), scilicet spiritus sancti conceptione“ (Klammern in der kritischen Ausgabe). Die Fähigkeit des Vorausahnens wird Vergil auch schon von heidnischer Seite zuerkannt (wenn dies auch in völlig anderem Kontext geschieht und von Sueton deutlich als persönliche Überheblichkeit des Urhebers Varro gekennzeichnet ist), s. SUET. gramm. 23,4 (CUFr Série latine 310,23 Vacher): „praesagante Vergilio“. – Das Verb praesagare findet sich in dieser Form (gegenüber ursprünglichem praesagire) hauptsächlich bei Apuleius, der es mehrfach in unterschiedlicher Bedeutung benutzt; vgl. T HESLL 10,2, 813f. Apuleius erfährt nicht nur in diesem Punkt eine besondere Rezeption durch Zeno; s. u. S. 320–322. Eher auszuschließen ist, dass Zeno vielleicht auch eine Kenntnis vom übertragenen Gebrauch für das griechische díèïóéÜæù im Sinne von „divini spiritus plenum esse“, so T HESLL 10,2, 813, hatte; vgl. den zu Vorsicht und philologischer Genauigkeit mahnenden Aufsatz von V. B UCHHEIT, Cicero inspiratus – Vergilius propheta? Zur Wertung paganer Autoren bei Laktanz, Hermes 118, 1990, 357–372. 500 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 430f. 501 Vgl. dazu das Kapitel „Vergil als Repräsentant paganer Kultur“ in S. FREUND, Vergil im frühen Christentum. Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius, SGKA 16, Paderborn u. a. 2000, 14–19, wo unterschieden wird zwischen „Vergil als Schulklassiker“, „Vergil als Nationaldichter“, „Vergil als Theologe“ und „Vergil als Poet“. 502 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 431. 503 Dem Terminus ,Reminiszenz‘ wird hier weitgehend gegenüber Begriffen wie ,Zitat‘, ,Parallele‘ oder ,Anspielung‘ der Vorzug gegeben, da er als Oberbegriff sowohl bewusste wie auch unbewusste Anklänge an Vorlagen umfassen kann und zudem formale Ähnlichkeiten, deren augenfälligste natürlich die Wortwahl ist, als auch inhaltliche einschließt; vgl. M. LÜHKEN, Christianorum Maro et Flaccus. Zur Vergil- und Horazrezeption des Prudentius, Hyp. 141, Göttingen 2002, 23.25. 499

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der Traktate scheinen auf den ersten Blick einen weiteren, sehr eindrücklichen Hinweis auf die Hochschätzung vorchristlicher und in diesem Sinne paganer Literatur zu liefern. Zeno ist damit zu denjenigen christlichen Autoren zu zählen, die eine „wohlwollende[.] Anverwandlung“ im Umgang mit den Dichtern praktizieren.504 Zum selbstverständlichen Instrumentarium antiker Rhetorik und Argumentation zählt der Rückgriff auf Zeugnisse namhafter Autoritäten zur Stützung eigener Thesen bzw. Widerlegung gegnerischer Positionen. Laktanz ist unter den christlichen Schriftstellern der erste, der systematisch einen solchen Rückgriff auch auf nicht-christliche Autoritäten zur Stützung christlicher Argumentation praktiziert.505

Eine Systematik wie bei Laktanz 506 ist in den Predigten Zenos nicht zu erkennen; dennoch finden sich auch in seinen Traktaten zahlreiche Reminiszenzen, die indirekte Hinweise auf eine Hochschätzung der Dichtung, insbesondere Vergils, auf Seiten des Predigers liefern. 507 504

Zu den unterschiedlichen Einstellungen anderer christlicher Autoren vgl. P. GEChristentum, 411–417. Ebd., 411, nennt er als Pole, zwischen denen der Umgang mit den Dichtern schwankt: „scharfe[.] Ablehnung und wohlwollende[.] Anverwandlung“. 505 S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 172f.; auch E. HECK, Lactanz, 172–178. Zur Art und Weise solcher Argumentation s. ebd., 174: „Nahezu alle Klassiker erscheinen sowohl als Zeugen bekämpfter Ansichten – dann sind sie verrückt – wie als Verkünder von Wahrheiten – dann sind sie inspiriert – oder als Lieferanten von Munition zur Polemik, so Persius und Lucrez gegen den Götterkult.“ 506 Vgl. A. GOULON, Les citations des poètes latins dans l’œuvre de Lactance, in: Lactance et son temps. Recherches actuelles, Actes du IV e Colloque d’Études Historiques et Patristiques, Chantilly 21–23 septembre 1976, hg. v. J. Fontaine u. M. Perrin, Paris 1978, 107–156; R. M. OGILVIE, The Library of Lactantius, Oxford 1978, zu den lateinischen Dichtern v. a. 7–19. 507 Die hervorragende Stellung Vergils gegenüber anderen Autoren lässt sich schon allein am Umfang der im Index locorum aliorum scriptorum, B. LÖFSTEDT, Tractatus, 225f., angeführten Vergil-Reminiszenzen ablesen. Vgl. dazu auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 174, der diese Hochschätzung für die christliche Apologetik verallgemeinert. – Die im Folgenden untersuchten Reminiszenzen sind dem Testimonienapparat bzw. dem Index locorum aliorum scriptorum der kritischen Zeno-Ausgabe von Löfstedt entnommen. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 65*, weist ausdrücklich darauf hin, dass er nur eindeutige Reminiszenzen aufgenommen, „allgemein verbreitete Klischees“ und „vage Ähnlichkeiten“ aber ausgeschieden hat. Er betont darüber hinaus, ebd., 66*, dass er „Parallelen“ anführt, denn „in vielen der notierten Fälle handelt es sich wahrscheinlich nicht um direkte Zitate oder Nachahmungen, sondern lediglich um indirekte Einflüsse, deren Weg zu verfolgen mehrfach schwer oder unmöglich ist.“ Zur Relativität von Parallelen s. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 9. S. auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 174, der darauf hinweist, dass es durchaus üblich war, pagane Autoren auch aus den Werken früherer Apologeten zu zitieren. – Durch die Beschränkung auf diese eindeutigen Reminiszenzen arbeitet dieses Kapitel methodisch ähnlich wie zuletzt G. A. Müller zu den Vergilzitaten bei Augustin: nämlich zuerst beschreibend, vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 16f.20, um sich auf diesem Wege weniger der Methode, als vielmehr der Intention des Autors zu nähern. MEINHARDT,

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a) aus dem Werk Vergils Aus dem Werk Vergils kennt Zeno selbstverständlich die Aeneis, aber auch die Georgica und die Eklogen, wobei die Zitation der Aeneis überwiegt.508 Es lassen sich drei verschiedene Arten der Anwendung von Vergil-Reminiszenzen in den zenonischen Traktaten unterscheiden 509 (wobei die Grenzen nicht immer scharf zu ziehen sind): die rein sprachlichen, den bloßen Wortlaut übernehmenden Parallelen, denen eine neutrale OrnatusFunktion zukommt,510 die Übernahme neutraler Beschreibungen oder Bilder,511 deren Schmuck-Funktion eine deutlich positive Verstärkung bewirkt, und die Adaption von Wertungen oder Inhalten, die sowohl „Argumentationszitat“ wie „Autoritätszitat“ sein können. 512 Um bloß wörtliche Übernahmen ohne irgendwelche inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der vergilischen Vorlage 513 handelt es sich bei caenosus gurges in I 1, 6, quietae gentes in I 1,8, oderat moras in I 1,19, pinguescere in I 5,3, cupido dira in I 5,16, clangor tubarum in I 34,7,514 pernices plantae in I 44,1 und edax flamma in I 54,5. An neutralen Beschreibungen übernimmt Zeno ähnlich wie schon andere christliche Autoren vorkonstantinischer Zeit von Vergil überwiegend dichterische Naturbeschreibungen,515 so die Beschreibung einer Sternschnuppe,516 die der Veredelung einer Pflanze,517 des Flugs der Kraniche,518 schäumender Buchten im Sturm,519 der zehn bzw. neun

Soweit methodisch anders erarbeitete Ergebnisse, wie etwa die Freunds, sich am zenonischen Text bestätigen, ist dies eigens angemerkt. 508 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 225f. 509 Ähnlich differenziert M. LÜHKEN, Rezeption, 5.31f., die Vergil- und Horazrezeption des Prudentius nach formalen und inhaltlichen Kriterien. 510 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 32; S. FREUND, Vergil, 27f., verwendet den Terminus „Schmuckzitat“. 511 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 32, Anm. 81. 512 Vgl. S. FREUND, Vergil, 27. Der von G. A. MÜLLER, Formen, 32, zusätzlich genannte usus iustus überschneidet sich m. E. mit diesen. 513 Zu den Vorlagen s. Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT zur jeweils angeführten Stelle. 514 S. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 173, Anm. 187. 515 Wie dies S. FREUND, Vergil, 348.358 u. ö., für Minucius Felix, v. a. aber Novatian und Cyprian zeigen konnte. 516 I 2,17: „Stellae praecipites labuntur e caelo et a tergo longo flammarum albescentium tractu ... deducuntur exsequiis;“ in Anlehnung an VERG. georg. 1,365–367 (40 Mynors). (Hier wie in den folgenden Anmerkungen, in denen der zenonische Kontext mit angeführt ist, kennzeichnet die Unterstreichung das von Zeno aus dem jeweils angegebenen Werk Übernommene.) 517 I 2, 27 in inhaltlicher Anlehnung an VERG. georg. 2,69f. (48 Mynors). 518 I 4,6: „aeriae grues“ in wörtlicher Übernahme von VERG. georg. 1,375 (41 Mynors) und in inhaltlicher Anlehnung an LUCAN. 5,712–716 (SQAW 34,268 Luck). 519 I 34,5: „litorum spumantia ora“ in Anlehnung an VERG. Aen. 5,124f. (203 Mynors).

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Monate einer Schwangerschaft,520 der leuchtenden Schuppen einer Schlange,521 der Blitze eines Gewitters 522 sowie in religiösem Kontext die Beschreibung einer Eingeweideschau,523 wobei diese bei Vergil an sich neutrale Beschreibung im zenonischen Kontext einen negativen Klang annimmt.524 An neutralen Bildern übernimmt Zeno den Klang der Posaune 525 und das Dröhnen der Waffen 526 als Synekdoche für Kampf 527 und das Feuer im Ofen 528 als Metapher für Kraft und Bedrohung.529 Auch der Kontext der übernommenen neutralen Beschreibungen und Bilder ist von dem der Vorlage jeweils verschieden.530 Dies alles, obwohl inhaltlich völlig irrelevant, dokumentiert die offenbar kaum lösbare Verbundenheit Zenos mit der einst genossenen heidnischen oder vom Heidentum bestimmten Bildung.

Bleiben die Parallelen, bei denen Zeno den Wortlaut oder Inhalte übernimmt und sie umdeutet. Dies geschieht ausschließlich in religiösem Kontext, Vergil wird gewissermaßen ‚christianisiert‘, indem den dichterischen Aussagen ihre ursprüngliche Intention genommen und sie einer völlig anderen zugeordnet werden.531 Dass dies ausdrücklich für den Bereich der 520 I 54,3: „decem mensium fastidia“ und II 7,3: „fastidio novem mensium“ in Übernahme von VERG. ecl. 4,61 (11 Mynors). 521 II 2,2: „ardentibus squamis incensus“ in Anlehnung an VERG. Aen. 5,88 (201 Mynors). S. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 385, Anm. 40. 522 II 2,3: „tenebras crebrae micantes ... ignibus“ in wörtlicher Übernahme von VERG. Aen. 1,90 (105 Mynors). S. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 43, Anm. 158 und ebd., 718: „Il est très fréquent, en effet, que – sans aucune intention polémique ou satirique – des païens et des chrétiens aient goûté tel épisode ou telle expression de l’Énéide. Par exemple, au livre I, «l’air criblé d’éclairs», lors de la tempête subie par Énée, va reparaître chez ... Zénon de Vérone …“. 523 I 34,9: „pecudum ... spirantes ... fibras“ in Anlehnung an VERG. Aen. 4,63f. (178 Mynors). 524 Nach S. FREUND, Vergil, 27, handelte es sich hierbei also um ein negatives „Argumentationszitat“. 525 I 15,3: „terribili increpans tuba“ in wörtlicher Übernahme von VERG. Aen. 9, 503f. (322 Mynors). 526 I 15,3: „horrendum ... intonans armis“ in wörtlicher Übernahme von VERG. Aen. 12,700 (415 Mynors). S. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 694f., Anm. 81. 527 Der Kontext ist hier insofern ein anderer, als es um den Kampf mit dem Teufel geht, ein reales Kampfsignal und Waffengeklapper also nicht gemeint sind. 528 II 3,14: „anhelantis camini ignis“ und II 15: „anhelantibus flammis“ in deutlicher Anlehnung an VERG. Aen. 8,421 (295 Mynors). 529 Zeno spielt hier auf die Drei Jünglinge im Feuerofen an, während Vergil die Macht des Vulcanus beschreibt. 530 Vgl. P. COURCELLE, Lecteurs, 10: „il est rare qu’ils [sc. les auteurs] veuillent dire exactement la même chose.“ Auch in diesem Sinne kann man an zahlreichen Stellen des Umgangs Zenos mit Vorlagen von „Zitatsegmenten“ sprechen; vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 22. 531 S. FREUND, Vergil, 17, spricht gerade im Kontext der vergilischen Theologie von einer „Anknüpfung an Analoges“ durch die christlichen Rezipienten. Zeno setzt entsprechend die Vergilzitate im Kontext der Eschatologie als „Autoritätszitate“ ein, indem er die Vergilzitate „in einem seiner eigenen (christlichen) Aussageabsicht zuträglichen

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Eschatologie gilt, wird noch in anderem Kontext von Bedeutung werden.532 Zeno unterstellt dem vergilischen Elisium, das auch placidae sedes bzw. beatae sedes genannt wird, eine Äquivalenz mit dem christlichen ‚Himmel‘,533 während er unter Tartarus, tenebrae und carcer einen Hinweis auf die christliche Vorstellung von ‚Hölle‘ versteht. 534 Denn sowohl der vergilischen wie der zenonischen Eschatologie liegen als Prämisse zum einen die Unsterblichkeit der Seele zugrunde, 535 zum anderen die Vorstellung von Strafe bzw. Lohn im Jenseits: „Quisque suos patimur manes.“ 536 Zeno kann hier also scheinbar problemlos an römisches Traditionsgut anknüpfen.537 Einen noch breiteren Raum nehmen Adaptionen ein, die im weitesten Sinne der Kosmologie zuzurechnen sind. Während im Bereich der EschaLicht erscheinen (interpretatio christiana )“ lässt, ebd., 27. Denn: „Obwohl sich natürlich übereinstimmend formulierte Einzelaussagen ... finden lassen, entstammen sie doch verschiedenen Grundanschauungen bzw. Weltbildern und sind daher verschieden fundiert und intendiert, also wesenhaft divergent.“ Ebd., 27, Anm. 3. 532 S. u. S. 358f. 533 I 2,4: „elisium“, I 2,3: „placidis sedibus“ und I 2,32: „beatis in sedibus“ in Übernahme von VERG. Aen. 6,542.371.639 (244.238.247 Mynors). Vermutlich geht die Übernahme von Elisium (wie bei anderen Vätern, so P. COURCELLE, Lecteurs, 444, Anm. 97. und 466f., Anm. 161) auf eine Vermittlung über LACT. inst. 6,3,9 und 6,4,11 (CSEL 19,1,487,10f. und 489,4–8 Brandt) zurück, wobei Zeno aber anders als Laktanz keine Bedenken zeigt, den Terminus Elisium zu benutzen; s. P. COURCELLE, Lecteurs, 444, Anm. 97: „Cet évêque ne fait même pas difficulté comme Lactance pour admettre le mot Élysée.“ 534 I 2,4: tartarus in Übernahme von VERG. Aen. 6,543 (244 Mynors). In II 4,6 deutet Zeno die Termini tenebrae und carcer, unter denen VERG. Aen. 6,734 (250 Mynors) die menschlichen Körper im platonischen Sinne versteht – vgl. Zeno I 2,2: „cum corpore animus tamquam carcere clausus tenetur“ in Anlehnung an LACT. inst. 7,8,6 (CSEL 19,1,610,3f. Brandt) –, in eschatologischem Sinne um: zu ,Todesnacht‘ und ,Kerker der Unterwelt‘. 535 I 2,26: „immortalitatis semine“ in nur lockerer Anlehnung an VERG. Aen. 6,730f. (250 Mynors), wo Anchises zu Aeneas über das Verhältnis von Körper und Seele spricht; s. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 484, Anm. 223. Zeno sieht die Unsterblichkeit schon in der Taufe vorweggenommen und unterstellt Vergil ein Vorausahnen dessen. 536 I 2,4 ausdrücklich zitierend VERG. Aen. 6,743 (250 Mynors); s. auch P. COURCELLE , Lecteurs, 484f., Anm. 224. 537 S. FREUND, Vergil, 359, dagegen betont in diesem Punkt einen Brückenschlag von römischer Tradition ins Christentum und nicht umgekehrt einen Brückenschlag aus dem Christentum gewissermaßen zurück in römische Tradition: „Daß aber Vergil ... in der Konkretisierung des Jenseits zitiert wird, erscheint bemerkenswert – um so mehr, als damit wesentliche Punkte markiert sind, an denen mit der vergilischen Sprache auch pagan-römische Vorstellungen und Denkmuster weiterwirken, denen Vergil die übliche und allgemein anerkannte und vielleicht gerade deswegen auch für die Christen annehmbar erscheinende sprachliche Form gegeben hat.“ – Mit G. A. MÜLLER, Formen, 32, kann man hier wohl von einem ,instrumentalen‘ Autoritätszitat sprechen.

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tologie stillschweigend, möglicherweise unbewusst, eine Identität der Vorstellungen unterstellt wird,538 deutet Zeno hier jedoch bewusst um. Der den Kosmos belebende Geist wird als spiritus sanctus gedeutet,539 die Sonne des vergilischen Paradieses wird auf Christus als die Sonne der Osternacht bezogen,540 der Jahresablauf im bäuerlichen Leben wird übertragen auf den liturgischen Jahresablauf, der im Osterfest gipfelt, 541 die himmlischen Gaben der Natur werden zenonisch zu den himmlischen Gaben der Taufe,542 negativ schließlich wird die bei Vergil von Jupiter vorgenommene Zuweisung von Namen an die Sterne und darüber hinaus die Zuweisung einer Funktion an die Sonne und eines Kreislaufs an den Mond, wie sie in der Aeneis von Iopas besungen werden, als Anmaßung der „Weisen Griechenlands“ gedeutet.543 Dabei gelingt Zeno eine besonders ironische Verzerrung mit der Vertauschung der Bezüge, die auf einer Art Paronomasie des Terminus errare beruht, in der letzten Periode. Aus „hic canit errantem lunam “ 544 als Gesang auf den Lauf des Mondes macht Zeno ‚die Irrtümer der griechischen Weisen, mit denen sie den Lauf des Mondes beschreiben‘.545 538 Nach S. FREUND, Vergil, 27, also gewissermaßen das eigene und das vergilische Wirklichkeitsmodell einander angenähert werden. 539 I 2,26 in Anlehnung an V ERG. Aen. 6,726 (250 Mynors); vgl. dazu P. COURCELLE, Lecteurs, 734: „Persuadés que Virgile suit les vues de Platon, les Pères acceptèrent avec enthousiasme ses dévelopement sur la divinité unique, intelligence qui anime le monde. Ils identifièrent l’Ame du monde néo-platoniciènne avec l’Esprit Saint qui planait sur les eaux, qui exerce la Providence divine et par qui conçut la Vierge Marie.“ Und allgemeiner zu Buch 6 der Aeneis, ebd., 732: „Il paraît claire, d’abord, que cette exégese néoplatoniciènne a repris des thèmes de l’exégèse stoïcienne. ... les chrétiens Lactance, Zénon de Vérone, ... la connaissent et l’utilisent aussi.“ 540 I 24,1: „suo sole“ in Übernahme von VERG. Aen. 6,641 (247 Mynors). 541 I 6: „sua per vestigia“ in wörtlicher Übernahme von VERG. georg. 2,402 (59 Mynors). 542 I 32: „caelestia dona“ in wörtlicher Übernahme von VERG. georg. 4,1 (83 Mynors). 543 II 9,1: „Hi ..., cum adsimulant se nosse rerum naturae secreta, cum stellis nomina, soli labores inponunt, cum errores suos lunari circulo adscribunt, ... sic se et alios perdiderunt.“ in Anlehnung an VERG. georg. 1,137 (33 Mynors) und ders., Aen. 1,742 (126 Mynors); s. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 135, Anm. 733, der von einem „sujet cosmique“ spricht. 544 VERG. Aen. 1,742 (126 Mynors). 545 Wörtlich in II 9,1: „wenn sie [sc. die Griechen, die als weise gelten wollen] ihre Irrtümer dem Lauf des Mondes beilegen“ – „cum errores suos lunari circulo adscribunt“. – An dieser Stelle befremdet es etwas, dass P. COURCELLE, Lecteurs, 727, u. a. die Aufnahme des Gesangs des Iopas in die zenonischen Traktate als Beispiel für eine grundsätzlich positive Einstellung zu Vergil anführt, die zwar auf Zeno zutrifft, die aber nicht gerade durch dieses eher untypische Beispiel belegt werden kann. Nachdem P. COURCELLE, ebd., 703–718, eine negative Vergil-Bewertung christlicher Autoren skiz-

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Eine ähnlich negative Funktion haben die Übertragung der nocendi artes der Furie Allecto, deren Bedrohlichkeit von Vergil zuvor ausführlich beschrieben wird,546 auf den Steinbock des Horoskops als Trabanten des Teufels 547 – die dunkle Unterwelt, aus der Allecto gerufen wird, 548 muss vom Zuhörer mit der christlichen ‚Hölle‘ identifiziert werden – wie auch das intonat lingua der Furie auf die Pharisäer.549 Eine besondere Spitze liegt in der hier indirekt anklingenden Gleichwertigkeit von Pharisäer und Steinbock des Horoskops. Die ursprünglich berechtigte Funktion der Furien als ethisches Fehlverhalten Bestrafende, 550 die Vergil zwar noch kennt,551 aber an anderer Stelle durch ungerechtfertigt zugefügte Übel bereits ersetzt,552 wird christlich im Dienste der Paränese und der Polemik natürlich völlig vernachlässigt. Umgekehrt scheut sich Zeno auch keineswegs, den odor divinus der Venus, die er ja an anderer Stelle deutlich negativ gekennzeichnet hatte, den Taufkindern als „Blüten der Kirche“ zuzusprechen.553 So wie Venus bei Vergil erst am Duft als Göttin erkannt wird,554 so lässt Zeno die Täuflinge in der Taufe gewissermaßen den Duft von ‚Gotteskindern‘ annehmen.555 ziert hat, beginnt er, ebd., 726, die Darstellung der positiven Haltung zu Vergil: „L’on notera qu’en dehors de ces expressions favorites, dont les générations ont admiré la forme, bien des auteurs, même parmi les chrétiens, se sont préoccupés des idées exprimées par Virgile et les ont considérées avec sympathie. Les plus audacieux ont même pratiqué avec joie et brio l’interpretatio christiana.“ In die Beschreibung der positiven Vergil Rezeption reiht er, ebd., 727, ein: „Le chant cosmologique d’Ioaps ... est agréé, ... par ... Zénon de Vérone ... .“ Auch hier wäre wohl eher mit der Freund’schen Terminologie von einem negativen „Argumentationszitat“ zu sprechen; vgl. S. FREUND, Vergil, 27; nach G. A. MÜLLER, Formen, 32, handelte es sich hier vermutlich um ein ,totales‘ Autoritätszitat; diese Terminologie birgt m. E. jedoch die Gefahr des Missverständnisses. 546 VERG. Aen. 7,324–329 (266 Mynors). 547 I 38,7 in wörtlicher Übernahme von VERG. Aen. 7,338 (266 Mynors); s. auch P. COURCELLE, Lecteurs, 540f., Anm. 98bis, und allgemeiner ebd., 737: „Mais c’est surtout la Furie Allecto, avec ses «mille arts de nuire», qui allait être choisie par les chrétiens, malgré son sexe, comme équivalent de Satan: on la retrouve constamment dans cette fonction satanique, chez le poète Hilarius, chez Zénon de Vérone, Damase, S. Jérôme, Sulpice Sévère, Paulin de Nole, Augustin, «Eusebius Gallicanus», Avit, Césaire d’Arles, Césarie la Jeune, Grégoire de Tours, Fortunat, ...“. Zeno ist in dieser langen Reihe einer der ersten, der Vergil in diesem Sinne ,christianisiert‘! 548 VERG. Aen. 7,325 (266 Mynors). 549 II 9,9 in Anlehnung an VERG. Aen. 6,607 (246 Mynors). 550 S. H. HUNGER, Lexikon, 127. 551 Vgl. VERG. Aen. 6,607–614 (246 Mynors). 552 Vgl. ebd., 7,325f. (266 Mynors). 553 I 33,2 in Übernahme von VERG. Aen. 1,403f. (115 Mynors). 554 Vgl. P. COURCELLE, Lecteurs, 95, Anm. 463. 555 I 33,2: „spiritu sancto generante odorem divinum beata spirantes fide diverso charismate, sed una nativitate ecclesiae flores clarissimi ac dulces nostri funduntur

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Besonders diese inhaltlichen Übernahmen und Adaptionen belegen, dass Zeno nicht aus Mangel an eigener Kreativität auf Vokabular und Bilder Vergils zurückgreift. Er gehört vielmehr zu denjenigen Rezipienten Vergils, von denen Courcelle sagt: „ils n’ont aucune inquiétude intérieure – s’il s’agit de réminiscences inconscientes – ou aucun scrupule religieux – s’ils agissent consciemment – à calquer le «merveilleux» chrétien sur le «merveilleux» païen.“ 556 Ja, das Verfahren, mit dem Zeno beim Einsatz von Vergil-Reminiszenzen vorgeht, insbesondere die überwiegend „unmarkierte Verwendung von Zitaten und Anspielungen“ 557 scheint deutlich zu belegen, dass er gezielt ein gebildetes (Teil-)Publikum, das durch eigene Leistung den Hinweis verifizieren kann, zum aufmerksamen Zuhören veranlassen will 558 und gerade ihm die christliche Predigt damit auch unter formal-ästhetischen Gesichtspunkten attraktiv machen will, ohne dass ein weniger gebildeter Zuhörer dadurch belastet würde.559 b) aus dem Werk des Apuleius Den Vergil-Reminiszenzen folgen in der Häufigkeit Zitationen aus dem Werk des Apuleius von Madaura,560 was u. a. zu der Annahme einer Herkunft Zenos aus Afrika geführt hat.561 Löfstedt bemerkt über die im Index angeführten Stellen hinaus, dass „der Einfluß des Apuleius auf Zeno grösser [sei,] als ein Blick in den Index locorum vermuten lässt, denn hier werden nur die zwei oder mehr Worte umfassenden Zitate gebucht, Zeno hat aber diesem Autor auch zahlreiche Einzelworte entnommen.“ 562 Bei infantes.“ – P AUL. NOL. carm. 25,37 und 27,403 (CSEL 30,2,239.280 Hartel / Kamptner), ist gegenüber Zeno etwas zurückhaltender, wenn er sich auf Heilige und Märtyrer beschränkt, denen ein odor castus bzw. placitus eignet; s. P. COURCELLE, Lecteurs, 95, Anm. 464f. 556 P. COURCELLE, Lecteurs, 10f. 557 G. A. MÜLLER, Formen, 427. 558 Vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 178f.: „Inwieweit selbst authentische Testimonien aus der eigenen Denktradition die heidnischen Leser beeindruckten, bleibt fraglich. Gewiß konnten sich die Apologeten mittels dieser Methode vor literarisch gebildeten Heiden als kultivierte Repräsentanten eines Christentums ausweisen, das den propädeutischen Wert des paganen Denkens zu würdigen wusste und das Evangelium auch in der Sprache der Dichter zu bezeugen verstand.“ Ähnlich dürfte ein solches Vorgehen das Selbstbewusstsein bereits christlicher Gebildeter in der Veroneser Gemeinde gestärkt haben. 559 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 431. 560 S. Index locorum aliorum scriptorum bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 217. 561 S. o. S. 31f. 562 B. LÖFSTEDT, Tractatus, 66*. Es folgen mehrere Beispiele für die Übernahme einzelner Wörter, die für Apuleius typisch sind. Die Reihe dieser Beispiele kann ergänzt

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diesen einzelnen Wörtern handelt es sich um für Apuleius typisches Vokabular, das von Zeno als bloße Terminologie aufgegriffen wird, was darauf deutet, dass Zeno eine sprachliche Schulung an Apuleius-Texten erfahren haben dürfte.563 Die zenonischen Apuleius-Reminiszenzen unterscheiden sich von den Vergil-Zitationen v. a. dadurch, dass sie, bis auf eine Ausnahme, keinerlei Inhalte übernehmen; 564 in sämtlichen Reminiszenzen, die – bis eben auf die eine Ausnahme der inhaltlichen Übernahme aus der Apologie 565 – den Metamorphosen entstammen, werden Begriffe, neutrale Beschreibungen und Wertungen entfremdet in den zenonischen Kontext übertragen. Dabei handelt es sich zum einen um Übernahmen in moralisch qualifizierenden Kontext: solitudo, quae a moechantibus vocatur occasio in Bezug auf eine Vermeidung durch die pudicitia,566 die durch die avaritia verursachte stips trivialis,567 das den Häretikern vorgeworfene factionibus pollet [sc. fides] 568 und das mit obtundere verbis palpantibus umschriebene Verhalten gegenüber der Wahrheit, das Zeno in seiner Rede vermeiden möchte.569 Zum anderen bedient sich Zeno neutraler, profaner Beschreibungen, die auf christlich-religiöse Inhalte übertragen werden: So wird der Taufbrunnen zum lacteus genitalis fontis latex,570 bei der Taufe wird dem Täufling wie im Bad quod unctui, quod tersui opus est gereicht,571 in der Taufe wird der alte Mensch (wie bei der Seebestattung des apuleiischen Zusammenhangs) vom Wasser begraben (elemento sepelit),572 der mustulentus autumnus begegnet innerhalb des auf Ostern ausgerichteten Jahresabwerden durch praesagare in I 2,26; vgl. ThesLL 10,2, 813f.; s. auch oben S. 313, Anm. 499. 563 C. W EYMANN, Studien zu Apuleius und seinen Nachahmern, SBAW.PPH, 1893, 321–392, hier: 328, spricht davon, dass Zeno „in den Metamorphosen des Apuleius belesener war, als es für einen Bischof gerade erforderlich ist“. 564 Vgl. E. H. HAIGHT, Apuleius and his influence, London / Calcutta / Sydney 1927, 95. 565 Von einer inhaltlichen Übernahme könnte man sprechen, wenn Zeno in I 1,6 in Anlehnung an APUL. apol. 84,6 (SQAW 36,124,20f. Helm) die moralische Argumentation übernimmt: „quia pudorem alienum qui appetit primo suum perdit.“ 566 I 1,2 in Übernahme von APUL. met. 10,3,4 (SQAW 1,392,19f. Helm). 567 I 5,6 in Anlehnung an APUL. met. 1,6,2 (SQAW 1,46,16 Helm). 568 II 3,10 in Anlehnung an APUL. met. 9,35,2 (SQAW 1,310,5 Helm). 569 II 7,5 in Anlehnung an APUL. met. 8,7,2 (SQAW 1,252,8 Helm). 570 I 12 in Anlehnung an APUL. met. 1,19,3 (SQAW 1,58,30f. Helm). 571 I 23: „quod unctui, quod tersui opus est“ in Übernahme von APUL. met. 1,7,2 (SQAW 1,46,33 Helm). 572 II 10,2 in Anlehnung an APUL. met. 4,11,5 (SQAW 1,134,9 Helm). Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass die Vorstellung des Begraben-Werdens in der Taufe unabhängig von Apuleius schon dem christlichen Bilderschatz seit Paulus angehörte, Zeno entlehnt zur Zeichnung dieses Bildes Apuleius lediglich das Vokabular.

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laufs,573 der (vergleichbar einem den Mühlstein drehenden Esel, so das Bild bei Apuleius) vestigia recalcans im Kreis läuft,574 und schließlich kehren aufgrund der Totenerweckungen, die zu den Wundertaten der Apostel zählen, die Verstorbenen mit den exsequiae suae selbst wieder zurück.575 Der Einfluss des Apuleius auf Zeno ist unleugbar, er beschränkt sich jedoch, was die Übernahmen angeht, gegenüber dem eines Vergil auf den sprachlichen Ausdruck. Darin mag der Grund zu suchen sein, dass Apuleius selbst, anders als Vergil, nicht genannt wird. Ein Priester des Kaiserkultes 576 – dieses Wissen darf man Zeno angesichts seiner Apuleius-Kenntnis unterstellen 577 – dürfte kaum geeignet gewesen sein, Christen inhaltliche Vorlagen anzubieten. Es ist eher mit negativen Antworten zu rechnen, die sich im sprachlichen Bereich noch nicht verifizieren lassen. c) aus den Werken des Horaz, des Ovid und des Lukan Über Vergil- und Apuleius-Reminiszenzen hinaus begegnen nur noch wenige vereinzelte Zitationen anderer klassischer Autoren. Aus dem Werk des Horaz übernimmt Zeno das Bild des Floßes, das von seinem Schiffer den Gewalten des Meeres ausgesetzt wird; 578 bei Horaz Ausdruck der Furchtlosigkeit wird es bei Zeno zum Bild der christlichen Tugend der Hoffnung. Zur Beschreibung der Zusammensetzung des Menschen aus Körper und Seele bedient sich Zeno der horazischen Terminolo573

I 33,1 in Übernahme von APUL. met. 2,4,5 (SQAW 1,70,33 Helm). I 44,1 in Übernahme von APUL. met. 9,11,3 (SQAW 1,288,2 Helm). Die zweite im Testimonienapparat von B. LÖFSTEDT, Tractatus, 117, angeführte Apuleius-Stelle liefert m. E. nur einen terminologischen Anklang. Dort ist von recolens priora vestigia , APUL. met. 6,19 (SQAW 1,143 Helm), die Rede, gemeint ist kein sich wiederholender Kreislauf, sondern die Rückkehr (aus dem Totenreich) in den eigenen Spuren. 575 I 36,9 in wörtlicher Übernahme von APUL. met. 4,34,1 (SQAW 1,152,21 Helm). Interessant ist, dass Zeno sich hier nicht scheut, auf einen quasi-mythologischen, religiösen Inhalt anzuspielen: Apuleius beschreibt das vivum funus der Königstochter Psyche, das auf Befehl eines Orakels des Apoll statt eines Hochzeitszuges durchgeführt wird. 576 S. M. ZIMMERMAN, Art. Apuleius von Madaura, DNP I, 1996, 910–914, hier: 910. 577 Vgl. E. H. HAIGHT, Apuleius, 90. Um so mehr fällt die Apologie-Zitation, s. o. Anm. 565, aus dem Rahmen, da sich dort Apuleius selbst gegen den Vorwurf der Magie verteidigt. Der von Apuleius vorgebrachte Vorwurf der Aufgabe des eigenen pudor richtet sich gegen einen Ankläger. Die Situation ähnelt der im von Zeno (I 1,17–19) geschilderten Prozess gegen Susanna. Da es sich um keine spezifisch pagane Argumentation handelt, konnte Zeno wohl auch den moralischen Inhalt übernehmen. Dennoch überschreitet er an dieser Stelle den Rahmen seines Umgangs mit Apuleius. Es zeigt sich, dass Zeno seine Wertschätzung nicht ganz zurückhalten kann. 578 I 36,3: „ratem profundo gurgiti nauta committit“ in Übernahme von HOR. carm. 1,3,11 (5 Klingner). 574

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gie der discors concordia,579 die bei Horaz auf die Dinge der Natur insgesamt angwandt ist und ein Inhalt ‚höheren Fragens‘ ist. Eher zufällig erscheint demgegenüber die Parallele der zenonischen aetheria sedes,580 womit Zeno den Thron Christi im Himmel bezeichnet, zu Ovid, der hier eine Art göttlich-transzendente Inspiration des Dichters beschreibt.581 Ebenso zufällig wirkt schließlich die Parallele zu Lukan, die das Phänomen des Kranichflugs zum Inhalt hat (aeriae grues).582 Die zuletzt angeführten Parallelstellen belegen die klassische Bildung Zenos, sie können jedoch kaum als Hinweis auf eine besondere zenonische Wertschätzung einzelner Autoren gedeutet werden. Insgesamt zeigt der Rückgriff auf klassische Dichtung durch Zeno jedoch, dass er keineswegs sein geistiges Umfeld gänzlich verleugnet. Seine bewusst oder unbewusst eingesetzte Wortwahl 583 und seine Übernahme von neutralen Beschreibungen und Bildern dokumentieren seine klassische Bildung. Die zuvor geleistete Entmythisierung solcher Inhalte, die in religiöser Konkurrenz zum Christentum für dieses als absolut verwerflich zu gelten haben, ermöglicht jedoch in der Folge sogar eine christliche Adaption von Inhalten, die entweder im ursprünglichen Kontext bereits als ‚säkularisiert‘ oder aber durch Überbietung als im Christentum aufgegangen und ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt erkannt werden müssen. Dies ermöglicht den Zuhörern trotz ihres nunmehrigen Christ-Seins ein Anknüpfen an die Traditionen ihrer Umwelt. Damit bietet Zeno mit der Benutzung heidnischer Dichter seinen Zuhörern, in erster Linie dem gebildeten Christen, ein Mittel „intellektueller Selbstvergewisserung“ an, 584 579

II 4,8 in Übernahme von HOR. epist. 1,12,19 (259 Klingner). I 54,3 in Anlehnung vielleicht an OV. ars 3,550 (190 Kenney). – Der Terminus aetherius ist überwiegend poetisch belegt, er findet sich im Sinn von ,himmlisch‘ als Attribut für den Sitz der Götter, wenn auch nicht in der Verknüpfung mit sedis, häufiger bei Vergil, aber auch Apuleius benutzt den Begriff; s. ThesLL 1, 1152–1154. Eine Übernahme aus Vergil oder aus Apuleius scheint m. E. wahrscheinlicher als eine OvidRezeption. Vielleicht könnte die Verwendung durch Zeno auch als einer der für Zeno typischen Gräzismen, s. o. S. 40, interpretiert werden. 581 Allein der Plural bei Ovid verbietet schon die Annahme einer tatsächlichen Rezeption durch Zeno. 582 I 4,6 in Anlehnung an LUCAN. 5,712–716 (SQAW 34,268 Luck). 583 Vgl. G. A. MÜLLER, Formen, 452, der für Augustin herausarbeiten konnte, dass „bei Junkturen und bloßen Sprachbildern die Bewußtheit des Bezuges nicht in allen Einzelfällen angenommen werden kann“. 584 Vgl. S. FREUND, Vergil, 188, der dies für die Vergil-Benutzung im Octavius des Minucius Felix herausarbeitet, dem damit die Rolle eines „Modell[s] christlicher Aneignung Vergils“, ebd., 362, zufällt, das insbesondere von Laktanz aufgenommen und wei580

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ohne die Überlegenheit des Christentums einer scheinbaren Kommensurabilität zu opfern. Die Dichter, und unter ihnen besonders Vergil, werden als ‚Mittel zum Zweck‘ eingesetzt, d. h. für die christliche Unterweisung durch ‚Umdeutung‘ – „Interpretatio christiana“, die wenig später für einen Augustin „nur [noch] in wenigen Fällen“ konstatiert werden kann 585 – nutzbar gemacht. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Zeno noch zu den „Generationen der Kirchenschriftsteller“ gehört, denen es aufgrund von Unterlegenheitsgefühlen „um eine Inkulturation des Christentums gegangen ist“,586 sondern dass er vielmehr wie später dann Augustin – wenn auch das in De doctrina christiana entwickelte Bildungsprogramm deutlicher die ausdrückliche Intention erkennen lässt – im Gegensatz zur Inkulturation eine „ ‚Herausleitung‘ des Christentums aus Teilen der paganen Kultur“ 587 anstrebt. 3. ars Neben der Dichtung erweisen die Traktate Zenos auch die Werkstücke der bildenden Kunst als Medien, in denen den Christen Inhalte paganer Mythen begegnen. Daher gebührt auch der zenonischen Einschätzung der bildenden Kunst insgesamt ein Platz innerhalb der Untersuchung der der Theologia mythica zuzurechnenden Elemente. Die Entstehung einer bildenden Kunst, insbesondere ihrer Gattung der Plastik, ist auf kultische und religiöse Bedürfnisse des Menschen zurückzuführen. Gerade in der Antike wird die Gegenwart der Gottheit vorzüglich in ihrer Abbildung, dem Kultbild, greifbar, während eine Form der Kontaktaufnahme mit der Gottheit auch über das Votivbild läuft.588 Bildnerisch-gestaltende und nicht-visuelle verbale Kunst wurden schon früh, nämlich bereits im 5. Jahrhundert v. Chr., analog aufgefasst. Denn: „Plutarch (mor. 346f.–347a), der die Auffassung vertrat, Maler und Autoren würden die gleichen Themen in lediglich unterschiedlichen Medien darstellen (vgl. Aristot. poet. 1447a 17–21), zitiert Simonides [2,240 ad loc.], wonach Malerei stumme Dichtung und Dichtung sprechende Malerei sei.“ 589 Hier werden erstmals Elemente zusammengefasst, die nach moderner Auffassung Bestandteil von ‚Kunst‘ sind, wenn der Antike ein vergleichbares Begriffskonzept auch tergeführt wurde; s. ebd., 365. Auch G. A. MÜLLER, Formen, 448, erweist die Zitate für Augustin u. a. „als Beleg der Zugehörigkeit zu einer Schicht ernstzunehmender Intellektueller“. 585 G. A. MÜLLER, Formen, 448. Dass das „Publikum den Ursprungskontext der [zitierten] Verse vergessen und sie nur noch als Tor zum Christentum lesen“ solle, wie dies für Augustin zu gelten scheint, ebd., vgl. auch ebd., 453f., dafür liefern die zenonischen Zitate keinen Anhaltspunkt. 586 G. A. MÜLLER, Formen, 10. 587 Ebd., 11. 588 Vgl. W. H. GROß , Art. Plastik, KP IV, 1979, 891–893, hier: 891f. 589 A. A. DONOHUE, Art. Kunsttheorie, DNP VI, 1999, 923–928, hier: 924 (runde und eckige Klammern im Original).

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ermangelte.590 Denn griechisch ôÝ÷í bzw. römisch ars bezeichnen weitmehr als der neuzeitliche Begriff ‚Kunst‘; sie heben ab auf „jede körperlich-handwerkliche oder geistige Fertigkeit, Wiss[enschaft] und Fachdisziplin, auch die zugrundeliegende Theorie und die theoretische Kenntnis.“ 591 Mit zunehmender Distanz v. a. der Oberschicht zu elementaren kultischen Formen verlagert sich die Bedeutung der Werkstücke bildender Kunst in den Bereich des Schmucks und Dekors. Entsprechend entwickelt sich nun verstärkt ein bildungsbürgerliches Interesse an Sujets der Dichtung in den verschiedenen Gattungen der bildenden Kunst. Und so sind es in der Spätantike, obwohl sie gelegentlich als eine „Kultur des Wortes“ bezeichnet wurde,592 auch die bildlichen Darstellungen mythologischer Gestalten und Inhalte, über die das Christentum, neben Theater und Dichtung, mit diesen Sujets in Berührung kommt. In der letzten großen Aufbäumung des Heidentums gegen das Christentum erlangt im späten 4. Jahrhundert allerdings noch einmal der religiöse Gehalt bildlicher Darstellungen eine Wiederbelebung. Für Verona wurde dies lange festgemacht an einer rekonstruierbaren Episode um die Aufstellung des Standbildes einer weiblichen Gottheit auf dem Forum der Stadt. Die heutige Forschung geht für dieses Ereignis inzwischen aber davon aus, dass es sich eher um einen Akt des ornamentum der Stadt handelte.593 Ob also die Auseinandersetzung christlicher Katechese gerade des 4. Jahrhunderts sich auch gegen die Wiederaufstellung ursprünglich religiöser Standbilder richtete, muss von daher in jedem Einzelfall neu hinterfragt werden.

In den Traktaten finden sich nur wenige, durchweg indirekte Stellungnahmen Zenos zur bildenden Kunst. Eine negative Einschätzung war schon im Zusammenhang mit der Einordnung der Götterfiguren von Venus und von Eros begegnet, die Zeno in der Form, wie sie die antike Kunst abbildete, beschreibt.594 Sowohl Venus als auch Eros werden dabei gewissermaßen auf ihre körperliche Erscheinung reduziert, die eine Vergänglichkeit zur Folge hat und damit eine Göttlichkeit der beiden Gestalten ausschließt. Die Körperlichkeit der Göttergestalten ist generell, auch das konnte bereits gezeigt werden, an ihren Kultbildern (idolum / simulacrum) erkennbar, sie sind figmenta. Mit dieser Terminologie tritt neben die Polemik gegen die dargestellten Gottheiten zugleich eine Disqualifizierung künstlerischen Schaffens als gleichsam illegitimes Handwerk; denn die Urheber solcher Bilder maßen sich eine Fähigkeit an (fingere), die einzig Christus 590 591

Vgl. ebd., 923. U. EGELHAAF-GAISER, Art. Kunst. II. Römisch, DNP VI, 1999, 917–919, hier:

917.

592

B. STUDER, Schola, 85 (unter Berufung auf H. I. Marrou). S. o. S. 60–64. 594 I 1,11; I 36,25. Vgl. A. B IGELMAIR, Zeno, 59: „Auch an der Kunst ist Zeno nicht achtlos vorübergegangen. In sinniger Weise verwertet er die übliche Darstellung des Kupido als Knaben mit verbundenen Augen, mit Pfeil und Bogen bewaffnet, zur Charakteristik der sinnlichen Leidenschaft, und bei der Schilderung der Venus omnibus membris denudata convexis manibus se tegere conans scheint ihm das Bild der knidischen oder mediceischen Venus vorzuschweben.“ 593

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

in seiner Funktion als Schöpfer zukommt.595 Er ist der einzige artifex.596 Eine ars im Sinne solch schöpferischer Kraft bewirkt etwa auch die Schwangerschaft Saras 597 oder die Verwandlung des Menschen in der Auferstehung (für die als Bild die ‚Kunst‘ der Veredelung eines Ölbaumes genannt wird).598 Im gängigen Sinne von ‚Kunst‘ wird der Terminus ars von Zeno nicht benutzt.599 VI. Resümee: Zenos Verhältnis zur Mythologie Ging es Zeno bei der Charakterisierung der heidnischen Götter v. a. darum, ihre Nichtigkeit zu erweisen, die letztendlich eine Polemik entbehrlich werden lässt, so sind es bei der Einbeziehung mythologischer Elemente in seine Predigt die Inhalte der Mythen selbst, die jede weitere Kritik

595 I 13,6; I 45,2; I 50; I 54,3; I 56,3; II 4,1. – In der Auseinandersetzung mit dem Arianismus betont Zeno in I 45,1f., dass an der Schöpfung Gott Vater und Sohn gleichermaßen beteiligt sind: „Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram; non inquit: ,fac ad tuam‘, sed ait: faciamus ad nostram, ne quam filius hominem induturus pati videretur iniuriam. Videtisne, fratres dilectissimi, quia nullus exserte hic alteri iubet, in opere nullos otiosus est? O sancta aequalitas ac sibi soli dignissima individuae dealitatis!“ Demgegenüber betont er in I 50, dass das Hervorgehen des Sohnes aus dem Vater seinen Grund gerade in der Schöpfer-Funktion des Sohnes hatte: „deus ... cuius ex ore, ut rerum natura, quae non erat, fingeretur, prodivit unigenitus filius, cordis eius nobilis inquilinus exinde visibilis necessario effectus, quia orbem terrae erat ipse facturus ... Quicquid enim pater praecepit, ut fieret, filius, utpote dei virtus deique sapientia, omnia illa opere mirifico eius cum dicto complevit.“ 596 I 2,16; II 4,4.7; II 8,5; II 12,2; II 19,2. Zur einzigen Ausnahme s. hier Anm. 599. 597 I 59,8. 598 I 2,27f. 599 Die Künste (artes), die im täglichen Leben begegnen, sind eher als verführerische Mittel, Kunstgriffe oder als List zu verstehen, die von der impudicitia, der avaritia oder dem Steinbock des Horoskops als Trabanten des Teufels zum Schaden der Menschen eingesetzt werden; s. I 1,10; I 5,2.10; I 14,2 (2x); I 38,7. In I 14,1 wagt Zeno sogar, die avaritia als artifex zu bezeichnen. Auch von der Rhetorik spricht Zeno in II 3,6 abschätzig als ,Kunsthandwerk der Geschwätzigkeit‘ (loquacitatis artificium), die am Ende auch nur schadet; zur Rhetorik insgesamt s. u. S. 504–511. – Dagegen begegnet artes aber auch in Verbindung mit virtutes in der Bedeutung von ,moralische Eigenschaften des Menschen‘, s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 591f., sie werden gewissermaßen den verwerflichen weltlichen ,Künsten‘ gegenübergestellt und von den Christen eingefordert. Ihre Voraussetzungen sind Geduld und Hoffnung, s. I 4,1 und I 36,2, Tugenden also, die Zeno den Christen besonders ans Herz legt. Damit entspricht der Wortgebrauch Zenos ganz dem gemeinantiken Verständnis von ,Kunst‘, die häufig zur Charakterisierung von Tugend herangezogen wird. So macht der Weise „alles besser aufgrund seiner inneren Haltung, weil er um den Nutzen, den rechten Augenblick und Ort seines Handelns weiß. Er besitzt Tugend, die als vollendete Lebens-K[unst] (ars vivendi) gilt“, so U. EGELHAAF-GAISER, Kunst, 918.

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überflüssig machen. Auch von heidnischer, v. a. philosophischer Seite hat es nie an einer Kritik der Mythen gefehlt. Dass Zeno keinen Mythos wirklich ausführt, sondern nur in Andeutungen anklingen lässt, lässt erschließen, dass die Mythen offensichtlich noch zum Alltagswissen der Zuhörer gehören. Näher charakterisierte Gestalten wie etwa Omphale aus dem Herkules-Mythos dienen lediglich als Beispiele für negative Verhaltensformen. Ihre negative Qualität, der jeder Heide zustimmen kann und die sich von der negativer biblischer Beispiele im Grunde nur durch den Kontext unterscheidet, wird bereits aus dem Mythos übernommen. Eine spezifische Polemik erübrigt sich von selbst. Ähnliches gilt für die Übernahme quasi neutralisierter Terminologien oder Gestalten, die in der Alltagssprache zu bildhaften Termini technici geworden sind wie die Begriffe inferi oder hydra. Zeno benutzt sie ebenfalls aus bloßem Interesse an der Darstellung von Zusammenhängen. Auch hier kann er mit Selbstverständlichkeit auf eine Polemik verzichten. Anders ist es zu beurteilen, wenn Zeno bewusst heidnische Vorstellungen aufgreift und umdeutet. Dies war schon bei der Gegenüberstellung sol vester – sol noster der Fall. Besonders breiten Raum finden hier aber die mythologischen Elemente Jahreszeiten, Phönix und Zodiakus. Allen gemeinsam ist, dass sie auch schon im paganen Denken nicht mehr in religiösen Zusammenhängen stehen. Sie haben zunächst symbolischen Charakter (der religiös gedeutet werden kann, aber nicht muss), werden aber mehr und mehr zu bildlich-ornamentalen Versatzstücken. Eine Ausnahme macht der Zodiakus, der zwar auch keinem konkreten Kult zuzuordnen ist, aber dem divinatorisch-observatorischen Ambiente nahesteht. Insofern sieht sich Zeno hier auch gezwungen, die Praxis der Horoskoperstellung ausdrücklich zu missbilligen. Die relative Säkularisierung der mythologischen Vorgaben erleichtert die christliche Adaption. Die Bilder werden von Zeno durch Verknüpfung mit neuen, christlichen Inhalten umgedeutet. Dass Zeno sich dabei seines katechetischen Kunstgriffs bewusst ist, zeigt sich v. a. bei der Umdeutung des Horoskops. Gewissermaßen einem Rückfall in heidnische Gebräuche vorbeugend greift er Altbekanntes auf – „Sed curiositatem vestram bene novi. Veteris vitae usurpatione, quod quidem vobis ulterius non licebit, fortassis requiratis ... morem geram“ 600 –, um diese alte Lebensphase der neuen Christen damit ein für alle Mal abgeschlossen sein und ein neues Leben beginnen zu lassen.601 Als im weitesten Sinne zum Heidentum gehörig, weil von Heiden im Kontext der Theologia mythica entwickelt und gepflegt und gerade in der Aus600 601

I 38,2. Ausführlich s. u. S. 389–393.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

einandersetzung mit dem Christentum im 4. Jahrhundert wieder religiöse Bedeutung erlangend, sind auch kulturelle Leistungen wie Dichtung und bildende Kunst einzuordnen, die Zeno in seiner Umwelt antrifft. Im Umgang mit diesen kulturellen Leistungen differenziert er zwischen solchen, die mit dem Christentum unvereinbar sind, da sie dem entschiedenen Christ-Sein widersprechen oder schaden, und anderen, die als säkularisierte Elemente auch für Christen übernehmbar sind. So hat Zeno zur Dichtung ein überaus positives Verhältnis. Explizit äußert sich das bei quasi namentlichen Rückgriffen auf Vergil, dessen Zitation Belege dafür liefert, dass es auch schon im Heidentum Geister gab, die christliche Wahrheiten gewissermaßen vorausahnten. Implizit äußert sich Zenos Hochschätzung in zahlreichen Reminiszenzen klassischer Dichtung. Auch hier ist die bevorzugte Quelle das Werk Vergils, das Zeno in drei differenzierbaren Schritten nutzt: Er übernimmt den bloßen Wortlaut und artikuliert auf diese Weise seine Hochschätzung der dichterischen Sprache. Er übernimmt neutrale Beschreibungen oder Bilder insbesondere aus dem Bereich der Natur; im zenonischen Kontext kommt solchen Beschreibungen dann die Funktion eines Argumentationszitates oder auch eines Autoritätszitates zu. Schließlich übernimmt Zeno aus dem Werk Vergils aber auch Inhalte aus religiösen Kontexten. Im Bereich der Eschatologie unterstellt er (missverstehend?) diesen, mit christlichen Inhalten deckungsgleich, also schon von Vergil im Sinne der nun von Zeno herangetragenen christlichen Deutung gemeint gewesen zu sein. Was die Eschatologie angeht, war Vergil zenonisch betrachtet gewissermaßen schon immer Christ. Oder aber Zeno deutet im Bereich der Kosmologie Inhalte bewusst christlich um; in diesem Bereich wird Vergil also nachträglich christianisiert. In beiden Fällen ist es die Autorität Vergils, die Zeno gegenüber den Zuhörern funktionalisiert. Ebenfalls auffällig häufig zieht Zeno das Werk des Apuleius heran, doch ist er im Umgang mit den Inhalten wesentlich reservierter. Das Aufgreifen apuleischer Terminologie deutet in Richtung einer Schulung Zenos am Werk des Afrikaners. Aufgegriffene Begriffe und Beschreibungen überträgt Zeno jedoch ausschließlich verfremdend in seine Kontexte. Apuleius scheint offensichtlich zu sehr Heide gewesen zu sein, als dass Zeno sein Werk auch inhaltlich hätte nutzen können. Vereinzelte Zitationen des Horaz, Ovid oder Lukan erscheinen eher zufällig und liefern lediglich ein weiteres Indiz für die klassische Bildung Zenos. Seine klassische Bildung setzt Zeno offensichtlich sehr bewusst ein: Sprachlich neutrales oder verfremdetes Material und christlich umgedeutete Inhalte erlauben es, als Konzession an ein gebildetes Teilpublikum an

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die Traditionen der Umwelt in eklektischer Manier anzuknüpfen, ohne die inhaltliche Überlegenheit des Christentums in Frage zu stellen. Ganz anders präsentiert sich im Gegensatz dazu die Haltung Zenos zur bildenden Kunst. Hier ist erst noch zu entmythisieren. Die Kunstfertigkeit von Menschen, die sich in erster Linie in der Abbildung von Göttergestalten in deren Körperlichkeit artikuliert, wirkt gegenüber der schöpferischen Kraft des wahren Gottes als Anmaßung. Im Unterschied zur Dichtung lässt die bildende Kunst, außer im Bereich des Dekors, offensichtlich keine Möglichkeit einer übertragenen Rezeption, da sie eines der Instrumente ist, mit der heidnische Unsittlichkeit (auch wenn das Kunstwerk selbst bereits ein säkularisiertes ist) in die Gesellschaft getragen wird.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität Theologia naturalis ist der Inhalt des varronischen Schemas, den modernes Denken am wenigsten mit Religion in Zusammenhang bringt – Philosophie als eine Form (religiöser) Weltdeutung. Sie wird, anders als Theologia civilis und Theologia mythica, nur von einem begrenzten Teil der antiken Bevölkerung betrieben und rezipiert, den Philosophen und Intellektuellen. Dennoch war sie für die Entwicklung des Christentums von größter Bedeutsamkeit und hatte Auswirkungen bis in die Gemeinden hinein, wo sie auch ‚den kleinen Mann‘ zu einer Positionierung nötigte. Von daher verwundert es nicht, dass Zeno sich mit ihr ebenso heftig und kritisch auseinandersetzt wie mit dem heidnischen Kult und seinem mythologischen Hintergrund. I. Philosophie 1. Namentlich genannte Philosophen Wie bei den Dichtern verzichtet Zeno auch bei den Vertretern heidnischer Philosophie weitgehend auf eine explizite Nennung. a) Epikur, Dikaiarch und Demokrit Namentlich genannt – und dies ist vermutlich auf eine Übernahme aus Laktanz zurückzuführen 1 – werden im weiteren Kontext des ‚Totenkultes‘ lediglich Epikur, Dikaiarch und Demokrit,2 die Zeno jedoch aufgrund ihrer Psychologie als ‚nicht-philosophisch‘ verwirft. Zenos Auseinandersetzung mit ihrer Psychologie wird im Zusammenhang eines speziellen Inhalts intellektuellen Bemühens näher betrachtet werden. 3 b) Platon und die philosophi Eine Ausnahme, nicht nur was die Nennung, sondern auch was die inhaltliche Akzeptanz angeht, macht Platon, auf den Zeno im gleichen Zusammenhang rekurriert. Als der Philosoph der Antike schlechthin (und von Zeno wegen seiner vermeintlichen Nähe zur christlichen Eschatologie hochgeschätzt) kann er schlichtweg als eorundem ille sapientissimus be-

1

S. u. S. 355, Anm. 177. I 2,4. 3 S. u. S. 352–366. 2

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zeichnet werden.4 Der Superlativ schließt eine negative Konnotation völlig aus. Als philosophi, in der vorhergehenden Bezeichnung Platons als Attribut vermutlich schon mitgedacht,5 werden ausdrücklich nur die Denker bezeichnet, die Platon vergleichbar eine Unsterblichkeit der Seele lehren 6 und insofern von Zeno ernst genommen werden können. An wen Zeno hier konkret denkt, ist aus dem Text nicht zu erschließen; ob er dabei nur an ‚Platoniker‘ denkt oder eher verallgemeinert, kann nicht letztgültig entschieden werden. 2. Philosophische Reminiszenzen Über diese Anspielungen hinaus werden keine ausdrücklichen Zuordnungen zu philosophischen Schulen oder Richtungen vorgenommen. Indirekt berücksichtigt Zeno jedoch weitere vorchristliche Denker, nun aber lateinischer Zunge, indem er aus ihren Werken zitiert, allerdings ohne dies ausdrücklich zu kennzeichnen. a) aus dem Werk Ciceros An erster Stelle steht hier, wie nicht anders zu erwarten, Cicero. Zeno kennt die staatstheoretischen und philosophischen Schriften wie auch die Reden Ciceros. Alle Zitationen entstammen jedoch einem philosophischen Kontext. Bemerkenswert ist zunächst die nahezu wörtliche Übernahme der Beschreibung der platonischen Unsterblichkeitlehre aus der Rede für Aemilius Scaurus.7 In seine ethischen Argumentationen übernimmt Zeno in 4 I 2,2. – Das Attribut sapientissimus kommt im Übrigen lediglich dem aus vergleichbarem Grund ebenso geschätzten Vergil in I 2,26 zu; die an dieser Stelle von Zeno verarbeitete Vergil-Stelle ist in gewisser Weise philosophischen Inhalts. 5 Vgl. CIC. Scaur. 4 (Clark): „summi philosophi Platonis ... (librum de morte)“. 6 I 2,4: „Philosophi de anima varia disserunt, sed tamen hanc [sc. animam] esse inmortalem Epicuri, Dicaearchi Democritique vanitatem argumentatione manifesta convincunt.“ Philosophi kann hier aufgrund der mit dem Terminus verbundenen Lehre nur als ,ernst zu nehmende Philosophen‘ übersetzt werden. Trifft diese Deutung zu, dann folgt Zeno in der Verwendung dieses Terminus nicht wie so oft in anderen Fragen Laktanz; dieser bezeichnet mit bloßem philosophi durchaus auch seine Gegner, die er mit dem Christentum als vera philosophia bekämpfen will; E. HECK, Lactanz, 163, Anm. 22, nennt als Beleg „inst. 1,1,17f. und das ganze 3. Buch De falsa sapientia.“ B. LÖFSTEDT, Tractatus, 15, emendiert allerdings die Ausgabe von 1775 (Perazzini) durch Auslassung von hanc esse immortalem und vernachlässigt damit ein Kriterium für die Eingrenzung des Terminus philosophi. 7 I 2,2: „eorundem ille sapientissimus dicat hanc esse mortem, cum corpore animus tamquam carcere clausus tenetur, illam esse veram vitam, cum idem animus custodia carceris liberatus ad eum locum, unde venerit, revertatur“ in Übernahme von CIC. Scaur. 4f. (Clark): „cum summi philosophi Platonis ... librum de morte legisset, in quo ...

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Traktat I 1 (De pudicitia) einen sprachlichen Anklang aus Ciceros ethischer Hauptschrift De finibus bonorum et malorum 8 sowie ein wortwörtliches Zitat aus der ersten Rede gegen Verres, 9 das sich für den Traktat I 5 (De avaritia) auch inhaltlich geradezu anbietet, und schließlich überträgt er in I 36 Eigenschaften der ciceronianischen amicitia auf die christliche caritas.10 Diese knappen, aber in ihrer Parallelität nicht zu unterschätzenden Anklänge weisen Aspekte stoischer Ethik als auch für Christen übernehmbar aus.Frappant erscheint demgegenüber die Übertragung der Vorstellung vom platonisch-ciceronianischen sich selbst bewegenden Prinzip aus dem Somnium Scipionis auf den christlichen Gott als Ewigen und Schöpfer.11 Problematisch ist diese Übertragung,12 da Cicero seinem von Platon übernommenen Unsterblichkeitsbeweis der Seele vorausschickt, dass der Mensch bzw. seine mens Gott sei.13 Die Problematik dieser Um-Interpretation scheint Zeno selbst zu empfinden, wenn er abschließend ausdrücklich bemerkt: „Hic est deus noster“ 14 – gleichsam betonend: ‚Ich sage das nicht wie Cicero vom Menschen, sondern von unserem Gott!‘

Socrates ... disputat, hanc esse mortem quam nos vitam putaremus, cum corpore animus tamquam carcere saeptus teneretur, vitam autem esse eam cum idem animus vinclis coporis liberatus in eum se locum unde esset ortus rettulisset.“ 8 I 1,6: „appetendum quidve fugiendum“ in Anlehnung an CIC. fin. 5,28 (169 Schiche). 9 I 5,5: „nihil ... tam sanctum quod non violari, nihil tam munitum quod non expugnari pecunia possit“ in Übernahme von CIC. Verr. 1,4 (2,4 Peterson). c 10 I 36,13 in entfernter inhaltlicher Anlehnung an CIC. Lael. 23 (55 Simbeck). Terminologisch klingt in den zenonischen „rura“ der ciceronianische „agri cultus“ an, in „urbes“ „domus ulla nec urbs“, in „populi“ „civitas“, in „lites“ „discidium“, in „odia“ „odia“. 11 I 7,2f. in Adaption von CIC. rep. 6,26f. (SQAW 31,198 Ziegler). Der ciceronianische „ille princeps deus“ wird zenonisch zu „deus ... principium“, die Qualifizierungen „aeternus“ und „principii autem nulla est origo“ löst Zeno auf in „ante omnia et post omnia“, „movet“ und „movetur“ werden übernommen, „ipsum autem nulla ex re alia nasci potest“ greift Zeno auf in „(non est principium ...) quod opus factum est alienum“, „principium ... ne occidet... umquam“ in „non est principium quod senescit“, „quod ipsum a se movetur“ in „(non est principium ...) quod alieno movetur pulsu“, schließlich „potest nec mori“ in „immortalitatis est dominus“ und „ex principio oriuntur omnia“ in „ex nihilo universa constituit“ (runde Klammern B. D.). 12 Zur grundsätzlichen Problematik der Vereinbarkeit der stoischen Lehre von der Anthropozentrik des Kosmos mit christlicher Schöpfungslehre s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 248f. 13 CIC. rep. 6,26 (SQAW 31,196–198 Ziegler): „nec enim tu is es ... sed mens cuiusque is est quisque ... deum te igitur scito esse“. Vgl. dazu K. B ÜCHNER, M. Tullius Cicero. De Re Publica. Kommentar, Heidelberg 1994, 500f. 14 I 7,4.

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b) aus den Werken des Sallust, des Seneca und des Ovid Gefolgt werden die Cicero-Zitationen von zwei Zitaten aus der Coniuratio Catilinae des Sallust. Ohne dass Zeno hier ausgreifend spezifisch sallustianische Inhalte übernimmt, klingt in den wörtlichen Anleihen ebenfalls stoische Ethik durch: Die personifizierte avaritia teilt die Eigenschaft Catilinas appetens alieni;15 und auch christliche Freundschaft bedeutet idem velle atque idem nolle.16 Eine stoische Grundlage hat schließlich auch die Anklage wiederverheirateter Frauen. Während Seneca in De beneficiis jedoch die Anhäufung von Scheidung und Wiederverheiratung beklagt, wendet Zeno sich in Nachahmung des Bildes Senecas vom Alter der Frauen, das nach der Anzahl der Verheiratungen bemessen wird, gegen eine Wiederverheiratung nach dem Tod des Ehegatten.17 Insgesamt beweist Zeno mit diesen Reminiszenzen nicht nur seine klassische Bildung, sondern auch die Bemühung, seine zum Teil offensichtlich einer literarisch wie philosophisch gebildeten Schicht entstammenenden Zuhörer nicht um die Elemente klassischer Kultur zu bringen, die dem Christ-Sein keinen Abbruch tun. Anders sieht die Einschätzung Zenos der eher populärphilosophischen Vorstellung vom Chaos als „formlose[m] Urstoff demiurgischer Bearbeitung“ 18 aus, wie sie etwa in der Kosmogonie der Metamorphosen Ovids begegnet,19 und die Zeno über die Vermittlung des Laktanz gekannt haben

15

I 5,2 in wörtlicher Übernahme von SALL. Catil. 5,4 (7 Reynolds). I 4,21 in wörtlicher Übernahme von SALL. Catil. 20,4 (17 Reynolds). 17 II 7,10 in Anlehnung an SEN. benef. 3,16,2 (240 Rosenbach / Prechac). Aus den „inlustres quaedam ac nobiles feminae“ bei Seneca wird bei Zeno „in populo gravi anus“, vermutlich sieht Zeno die eigentlich zu erwartende Nobilität der angesprochenen Frau in ihrer Zugehörigkeit zum Christentum (?) oder wenigstens zum kultivierten Römertum (populus gravis); eindeutiger wieder aufgenommen wird „maritorum annos suos conpetant“ des Seneca in „quarum paene plures sunt nuptiae quam natales“ bei Zeno. Zur sprachlichen Parallele der letzten Phrase zu einer Laktanzstelle s. jedoch unten S. 477, Anm. 238. 18 J. T ERNUS, Art. Chaos, RAC II, 1954, 1031–1040, hier: 1034f. 19 OV. met. 1,5–20 (1 Anderson); auch ebd., 2,298f. (35 Anderson). Die Kosmogonie ist „eines der meistbehandelten Probleme antiker Philosophie und Theologie“ (F. B ÖMER , P. Ovidius Naso. Metamorphosen. Kommentar Buch I–III, Heidelberg 1969, 15), die „Quellenfrage“ bezüglich der Verarbeitung Ovids bleibt jedoch ungelöst. Bei Ovid, soviel ist zu erkennen, steht die poetische Konzeption im Vordergrund, er will kein philosophisches System vermitteln (ebd., 16). 16

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

dürfte.20 Dem ‚Prinzip Chaos‘ stellt Zeno, nachdem er zunächst mit einer Laktanz entlehnten Terminologie einen zu entkräftenden Dualismus skizziert hat,21 in Übernahme ciceronianischer Argumentation 22 und laktanzscher Theologie 23 Gott als das einzige Prinzip gegenüber.24 Hier wird eine vorchristliche philosophische Vorstellung mit Hilfe der christlichen Adaption einer anderen vorchristlichen Vorstellung verworfen. II. Spezielle Inhalte intellektuellen Bemühens 1. studium impugnandae sacrae legis Ein Sonderfall heidnischer Intellektualität liegt in der kritischen Auseinandersetzung mit dem bzw. der Polemik gegen das Christentum vor. Zeno rekurriert auf die Vertreter einer philosophischen Christentumspolemik nur an wenigen Stellen.25 Diese Polemik kann demnach in seiner Gemeinde nicht von großer Bedeutung gewesen sein, sie bildete aber insofern eine Gefahr, als dass es in Verona offensichtlich Christen gab, die Zenos Einschätzung nach dieser Art von sapientia (wenn auch nur indirekt durch ihr Verhalten) nahestanden.26 Zeno erwähnt in Traktat II 1 zunächst die Kritik derjenigen Gebildeten, die die irdische Gerechtigkeit in iustitia civilis und iustitia naturalis gliedern.27 In dieser Terminologie kennt das römische Recht die Unterscheidung nicht, wohl aber die zwischen ius civile und ius naturale.28 Dabei handelt es sich um eine untechnische 20 S. I 7,1. Dass Zeno mit „Sunt enim multi, qui“ hier auf die genannten Ovid-Stellen abhebt, legt die bei LACT. inst. 2,8,8 (CSEL 19,1,132,5 Brandt) vorgenommene Zuweisung an poetae nahe. Laktanz selbst denkt wohl nicht an Ovid, sondern an Hesiod, s. LACT. inst. 1,5,8 (CSEL 19,1,14,19–23 Brandt). Weitere poetische Parallelen bzw. Anklänge nennen J. T ERNUS, Chaos, 1035, und F. B ÖMER, Metamorphosen, 17f. 21 I 7,1: „duo … principia … repugnantia“ in Übernahme von LACT. inst. 2,8,31 (CSEL 19,1,134,16–20 Brandt). 22 S. o. S. 332, Anm.13. 23 I 7,3: „qui ex se ipso dedit sibi ipse principium“ in Anlehnung an LACT. inst. 1,7,13 (CSEL 19,1,28,12f. Brandt): „ipse ante omnia ex se ipso sit procreatus“. 24 I 7,2. 25 Auch in diesem Punkt deckt sich der Befund offensichtlich mit dem bei anderen lateinischen Kirchenvätern, I. OPELT, Polemik, 168, spricht von seltenen Zitaten feindlicher Äußerungen. 26 II 1,15: „Sed quid ad nos, quid illi dicant? ... Nostram nobis stultitiam derelinquant, habeant secum sapientiam suam; cuius quidem sectatores paene omnes conspicor Christianos, qui perfectam putant esse iustitiam propria tueri, aliena non quaerere, sapientiae verae negligentes imperium, quod verbis huius modi continetur: Si vis perfectus esse, vade et vende omnia tua“. 27 II 1,2. 28 S. ThesLL 7,2,1, 679.

D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität

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Verwendung der Terminologie, 29 die inhaltlich auf Aristoteles zurückgeht, lateinisch dann bei Cicero, Gaius und Ulpian begegnet. 30 Die mit dieser Terminologie bezeichneten „ ‚Rechtsschichten‘ unterscheiden sich voneinander nach ihrem Ursprung, ihrem Anwendungsbereich oder ihrer Geltungskraft.“ 31 Das ius civile bildet das Kernstück der römischen Rechtsordnung überhaupt, also das gesamte Privatrecht und Zivilprozessrecht. Das ihm gegenübergestellte überpositive ius naturale, das urspünglich als philosophisches Naturrecht eine im stoischen Sinn vernünftige, von einem Logos durchwaltete Ordnung meint, wird von den Schuljuristen weitgehend mit dem ius gentium gleichgesetzt.32 „Mit der christlichen Überlagerung gewinnt das ius naturale einen gewandelten Sinn. Die klassischen Juristen, namentlich die Schulschriftsteller, hatten sich nur selten auf die natürliche Vernunft berufen ... Die nachklassische Schule greift dagegen wieder auf die philosophische Lehre von einem unverrückbaren, zu allen Zeiten und für alle Menschen gültigen Naturrecht zurück ... Die Wurzel dieses natürlichen Rechts findet sie in der göttlichen Vorsehung, die sie nun in christlichem Sinn deutet.“ 33

Zeno rezipiert die Unterscheidung iustitia civilis – iustitia naturalis aus den Institutiones des Laktanz,34 der sich seinerseits ausdrücklich auf Karneades bezieht.35 Es wird im Text deutlich, dass Zeno hier gegen die klassische, d. h. anachronistisch mit Laktanz gegen die römische 36 Rechtslehre polemisiert, die das Naturrecht im philosophischen Sinn und daher auch eine iustitia dei (II 1,2f.) vernachlässigte. Die von Zeno in II 1,2 genannte Unterscheidung der Gebildeten führt weiter zu einer falsa iustitia, der diese Leute gegenüber der vera iustitia Gottes den Vorzug geben.37 Dies geschieht allerdings unverschuldet, da sie die divina sapientia noch nicht kannten,38 deshalb auch nichts von einem zukünftigen Leben wähnten,39 und jetzt, in der christlichen Gegen29

S. D. V. SIMON, Ius, 12. S. P. DELHAYE, Art. Naturrecht I.–II., LThK2 VII, 1962, 821–825, hier: 821. 31 M. KASER, Das Römische Privatrecht, 2 Bde., HAW X,3,3,1.2, München 21971 / 2 1975, Bd. I, 198. 32 S. ebd., 198–205; vgl. E. HECK, „Iustitia civilis – iustitia naturalis“. À propos du jugement de Lactance concernant les discours sur la justice dans le „De re publica“ de Cicéron, in: Lactance et son temps. Recherches actuelles, Actes du IV e colloque d’études historiques et patristiques, Chantilly 21–23 septembre 1976, hg. v. J. Fontaine u. M. Perrin, Paris 1978, 171–182, hier: 179; auch G. EDERLE, Sermones 1958, 28, Anm. 3. 33 M. KASER, Privatrecht, Bd. II, 62f. 34 LACT. inst. 5,16,12 (CSEL 19,1,451,16–18 Brandt); vgl. E. HECK, Iustitia, 176, Anm. 11, und 178f., Anm. 23. 35 Vgl. dazu P. u. G. B ALLERINI, Opera, 281, Anm. 5; A. B IGELMAIR, Traktate, 81, Anm. 2; auch E. HECK, Iustitia, 174. 36 S. E. HECK, Iustitia, 180, für Laktanz. 37 II 1,3: „falsamque [sc. iustitiam] adversus veram pro vera defendunt“. 38 II 1,2: „neque enim poterant sine magisterio divinae sapientiae, cuius notitiam non habebant“. Dies trifft ja, wie Zeno an anderer Stelle bereits sagt, auch auf den von ihn durchaus verehrten Platon zu, I 2,2: „ille [sc. sapientissimus] ... qui non noverat Christum“. 39 II 1,3: „de futuro nihil opinantes“. 30

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

wart, wo ihr Irrtum offen zu Tage liegt, ihre Meinung sicherlich revidieren würden.40 Zeno bezieht sich, das zeigt auch das verwendete Tempus, damit eindeutig auf vorchristliche Philosophen. Ihnen wird gleichsam als ein Vaticinium ex eventu der Vorwurf in den Mund gelegt, christliches Verhalten entsprechend der iustitia dei sei stultus.41 Zeno richtet sich damit aber vermutlich gegen aktuelle Vorwürfe zeitgenössischer Kritiker, die er in der klassischen Bildung dieser Kritiker begründet sieht. Dafür spricht der Tempuswechsel zum Präsens in II 1,3, der eine Verallgemeinerung und Ausweitung auf die Gegenwart anzeigt. Den Vorwurf der stultitia selbst, der, wie ein Pauluszitat zeigt,42 gewissermaßen schon zur Tradition antichristlicher Polemik gehört, 43 weist Zeno als vordergründig zurück. Es handelt sich um ein simulatae stultitiae velamen.44 Denn wie die weltliche Weisheit vor Gott zur stultitia wird,45 ist umgekehrt das in der Welt als töricht Geltende eigentlich prudens,46 ja 40 II 1,4: „Ceterum si scire potuissent veram iustitiam ... incunctanter optarent stultos iudicari se iustos quam sapientes iniustos, maxime cum iam sit eorum fraus omnis in medio.“ – Diese Entschuldigungen scheinen in Widerspruch zu stehen mit Vorwürfen in II 1,1: „veritas pura, a qua longe omnes illi non immerito aberraverunt, qui iustitiam dei manere in eloquentia viribus aestimabant.“ und II 1,3: „Sed cum de futuro nihil opinantes praesentis tantum vitae commoda inspiciunt ... sic utramque [sc. iustitiam] mediis e manibus oculis patentibus perdiderunt“. Der Widerspruch ist aber nicht zwingend. Die Litotes non immerito in II 1,1 muss nicht ethisch disqualifizierend, sondern könnte auf den Inhalt bezogen auch im Sinn von ,folgerichtig‘ verstanden werden, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 70 „mit Recht“; T HESLL 7,1, 457. Der Vorwurf in II 1,3 bezieht sich auf die Hochschätzung zeitlicher Güter, de futuro nihil opinantes könnte als entschuldigende Begründung verstanden werden. Am meisten Schwierigkeiten bereitet oculis patentibus, ebd., dies könnte jedoch konzessiv aufgelöst ebenfalls entschuldigend verstanden werden als „obwohl sie sich mit offenen Augen bemühten“ (vgl. demgegenüber die deutlich pejorative auf die sapientia bezogene Beurteilung clusis oculis in II 1,7). Sämtliche modernen Übertragungen übersetzen vordergründiger, lösen aber den Widerspruch nicht auf; s. G. B ANTERLE, Discorsi, 215–217; G. EDERLE, Sermones 1958, 11–13; A. B IGELMAIR, Traktate, 82; P. LEIPELT, Traktate, 65f. 41 II 1,3: „dei [iustitiam], cum stultam putant“, und II 1,4: „iustitiam stultitiae, iniustitiam sapientiae vocabulis infamantes“. 42 1 Cor 1,21 in II 1,5: „Nam quia sapientiam … credentes“. 43 Vgl. auch I. OPELT, Polemik, 169, Anm. 338. 44 II 1,4. 45 So ist es nach christlichen Maßstäben etwa eine Torheit, sich um das leibliche, vom Vermögen abhängige Wohlergehen seiner Kinder zu sorgen, s. II 1,21, genereller, dem Leib vor der Seele den Vorzug zu geben, s. II 4,17 (hier ausdrücklich als heidnische Eigenschaft gekennzeichnet durch die Gleichsetzung: „stulti praeponunt corpus animae, idolum deo“), eine Torheit ist dann aber v. a. Intellektualität, die sich äußert im Zweifel an der Auferstehung, s. 1 Cor 15,36 in I 2,22 (stultus), oder in ignoranten Fragen nach dem Wesen Gottes, s. 2 Tm 2,23 in II 3,18. 46 1 Cor 3,18f. in II 1,5. Auf diese Schriftstelle soll nach Origenes bereits Celsus in seiner Polemik Bezug genommen haben; s. G. RINALDI, Biblia Gentium. Primo contribu-

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Gott selbst bedient sich der stultitia praedicationis als Mittel der Erlösung.47 Dies scheint jedoch als Argument nicht auszureichen. Im Folgenden weist Zeno daher in einem Analogismus nach, dass der Gerechte aufgrund seiner Gerechtigkeit weiß, was gut und böse ist, und deshalb immer auch weise ist, was jedem Menschen vermittels seines ‚gesunden Menschenverstandes‘ (ratio) einsichtig sein müsste.48 Bei der folgenden Beschreibung der wahren Gerechtigkeit kommt Zeno auf die aktuelle Polemik zurück. Diese wird von solchen Leuten betrieben, „die die Heilige Schrift entweder nicht gelesen haben, oder, wenn sie sie gelesen haben, sie für unnütz halten“,49 also von Nicht-Christen mit oder ohne Kenntnis christlicher Inhalte. Der Grund, dass sie die Heilige Schrift der Christen verachten, liegt, wie Zeno selbst nur am Rande anmerkt, in deren „gemeiner und ungebildeter Sprache“.50 Für Zeno steht jedoch auch hier die Ablehnung dieser Leute gegenüber einer christlichen Ethik, von der sie nicht glauben wollen, dass ihr Lohn Unsterblichkeit sei, im Vordergrund.51 Hatte Zeno bisher in seiner Argumentation hauptsächlich auf Material aus Laktanz zurückgegriffen,52 so zeigt dieser Passus, dass es in der to per un indice delle citazioni, dei riferimenti e delle allusioni alla Bibbia negli autori pagani, greci e latini, di età imperiale, Rom 1989, 639.641f. – Nach E. HECK, Iustitia, 183, stehen sich im Übrigen schon bei Cicero iuste facere und prudenter facere als Gegensätze gegenüber. Grundsätzlich ist aber prudens Terminus technicus zur Bezeichnung v. a. des Rechtsgelehrten, der „mit Umsicht u[nd] Einsicht die rechten Mittel zu wählen versteht“, so K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2050f., s. auch H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 93–95. 47 1 Cor 1,21 in II 1,5. 48 II 1,9. Zeno entnimmt diese Argumentation LACT. inst. 5,17,25 (CSEL 19,1,456,17–19 Brandt). In gleicher Bedeutung benutzt Zeno den Terminus ratio auch in II 5,6. 49 II 1,14: „Hanc qui divinas litteras aut non legerunt aut lectas irritas putaverunt“. 50 Ebd.: „beneficio abiecti impolitique sermonis“. Dieses Argument kann als ein ,Standardvorwurf‘ unter den Gründen für heidnischen Spott und Polemik gelten; s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 275.277f.; G. RINALDI, Biblia, 167–174. 51 II 1,14: „[iustitiam] stultam putant irriduntque quasi vanam, quod, cum possit bonis frui mundi ac negligat, sponte se faciat infelicem, non credentes, quia dei praecepta custodiens, huius modi officiis saeculares obterens voluptates cum fuerit victor carnisque nexibus liber, repromissae inmortalitatis inaestimabili beatitudine perfruetur.“ 52 In II 1,2 teilt Zeno mit LACT. inst. 5,16,12 (CSEL 19,1,451,16–18 Brandt) das Wissen von der Unterscheidung der paganen Rechtstheorie zwischen ius civile und ius naturale; in II 1,3 lehnt er seine Schilderung der Fremdeinschätzung der wahren iustitia als stulta an die Einschätzung desjenigen als stultus, der anderen nützen will, in LACT. inst. 5,18,1 (CSEL 19,1,458,9f. Brandt) an; ebenfalls in II 1,3 übernimmt Zeno die Argumentation aus LACT. inst. 5,16,13 (CSEL 19,1,452,3f. Brandt), dass die iustitia civilis, so sie sich als sapientia begreift, iniusta ist; in II 1,9f. argumentiert Zeno mit LACT. inst. 5,17,25 (CSEL 19,1,456,17–19 Brandt), es lehre schon die Vernunft, dass der Gerechte

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veronesischen Gemeinde einen konkreten Anlass für die Auseinandersetzung zu geben scheint. Die Eindringlichkeit, mit welcher auf die für Christen zu erwartende inmortalitas und beatitudo abgehoben wird, lässt die primär paränetische, weniger polemische Stoßrichtung der Argumentation deutlich werden. Es scheint Gemeindemitglieder zu geben, die gebildeten Kreisen entstammen – gleich zu Beginn nennt Zeno circumstantes docti 53 – und eine von außen kommende Kritik am Christentum aufgreifen. Nur so lässt sich der anschließende Passus erklären. Sed quid ad nos, quid illi dicant? Insignis vir sicut ait noster: Novit deus cogitationes sapientium, quia sunt stultae. Nostram nobis stultitiam derelinquant, habeant secum sapientiam suam.54 Gegenüber der klassischen Bildung und ihren Vertretern wird nun wieder Paulus, und hier durch insignis vir noster als christlicher Denker gekennzeichnet, bemüht, der den Grund für ein christliches Bekenntnis zur stultitia liefert.55 Ob die im Folgenden von Zeno gerügte Selbstgerechtigkeit von Mitgliedern seiner Gemeinde sich auf Anhänger einer weltlichen Weisheit (sectatores) 56 beschränkt, dürfte fraglich sein. Denn: unum tamen scio, quia nullus est nostrum, qui non momentis omnibus elaboret, ut plus habeat, quam habebat.57 Zeno scheint vielmehr seine Rüge hier über die vorher genannten Anhänger einer weltlichen Weisheit hinaus auf die gesamte Gemeinde auszuweiten. Nicht nur die ausdrückliche Berufung auf außerchristliche Bildung, auch ein selbstgerechtes Verhalten ohne eine solche Argumentation entspricht heidnischem Verhalten: „ ‚Sed, inquies, iustum est, ut mea servem, aliena non quaeram.‘ Hoc etiam gentes dicere consuerunt.“ 58 Die schon angeführte Kritik von Außenstehenden an der Heiligen Schrift greift Zeno ein zweites Mal in Traktat II 4 auf. Dort spricht er von Leuten, „die das heilige Gesetz kennenlernen oder auch kritisieren“ wolnicht töricht und der Weise nicht ungerecht sein könne; in II 1,11 übernimmt Zeno die Bezeichnug der iustitia als fons omnium virtutum aus LACT. inst. 5,5,1 (CSEL 19,1,413,8 Brandt); in II 1,12 nennt er schließlich mit LACT. inst. 6,12,16.25–27 (CSEL 19,1,527,18.529,7–17 Brandt) den Freikauf von Gefangenen und die Bestattung von Verstorbenen als Kennzeichen der Gerechtigkeit. 53 II 1,1; entgegen der Ansicht von P. u. G. B ALLERINI, Opera, 279, Anm. 1, und G. EDERLE, Sermones 1958, 28, Anm. 1, die die an dieser Stelle genannten docti für Heiden halten, lassen sich diese auch als Christen interpretieren, die eine klassische Bildung genossen haben und heidnische Argumente gegen das Christentum in die Gemeinde hineintragen; vgl. u. S. 381–383. 54 II 1,15. 55 1 Cor 3,20 als Zitat von Ps 93,11 in II 1,15; im Vergleich mit der Verwendung in I 1,16; I 1,17; I 4,5; I 5,18 erweist sich insignis als moralische, nicht intellektuelle Kategorie. 56 II 1,15. 57 II 1,16. 58 II 1,18.

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len.59 Es handelt sich bei den Beschriebenen also deutlich um NichtChristen, die entweder neugierig geworden oder gezielt aus polemischer Absicht sich mit der Schrift beschäftigen.60 Dass Zeno damit auf zeitgenössische Kritiker abhebt, zeigt der Nachsatz: „ut sunt ingenia cotidie quae videmus versutis contentionibus laeta“.61 Mehr kann jedoch dem Text, auch über die inhaltliche Argumentation, nicht entnommen werden.62 Anders als die oben erwähnten Kritiker aus Traktat II 1,14 nehmen 59

II 4,1: „Si quis studio vel noscendae vel impugnandae sacrae legis naturae Nativitatis Moysei librum lectitando saepius replicavit“. Uneindeutig ist der Bezug des Genitivs naturae, so schon der Kommentar von P. u. G. B ALLERINI, Opera, 338; naturae könnte zu pugnandae gehörend sacrae legis regieren oder aber erstes Glied in der Kette nativitatis Moysei librum sein. Im ersten Fall wäre unter natura dann die Beschaffenheit, die Gestalt, das Wesen der heiligen Schrift zu verstehen, vgl. die Übersetzung bei P. LEIPELT, Traktate, 139, „die Natur des heiligen Gesetzes“. Allerdings bereitet diese Zuordnung eine gewisse inhaltliche Schwierigkeit in Verbindung mit dem Gerundivum impugnandae; diese Schwierigkeit erkennt A. B IGELMAIR, Traktate, 146, und übersetzt deshalb (m. E. jedoch unzulässig; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1101f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 494) mit „Inhalt des heiligen Gesetzes“. Nimmt man hingegen den Genitiv mit in die Kette nativitatis Moysei liber zur Bezeichnung des Buches Genesis, dann ist zu übersetzen mit „das Buch des Moses über die Entstehung der Schöpfung“; zur Bedeutung von natura im Sinne von Schöpfung s. u. S. 344–352, vgl. die Übersetzungen bei G. EDERLE, Sermones 1958, 73, „il libro di Mosè che narra le origini del mondo“, und G. B ANTERLE, Discorsi, 239, „il libro di Mosè sull’origine della natura“. Eine solche Bezeichnung des Buches Genesis ist zwar singulär, wie eine Recherche in den Volumina I (Antiquitas + Patres Latini I + Biblia) und II (Patres Latini II) der Datenbank LIBRARY OF LATIN T EXTS, CLCLT5, hg. v. P. Tombeur, Turnhout 2002, in Kombination der Suchbegriffe „natura*“ und „nativita*“ oder „moys*“ oder „lib*“ jeweils im maximalen Abstand von zehn Wörtern zeigt; jedoch schon P. u. G. B ALLERINI, Opera, 338, verweisen auf F ILASTR . 79 (CChr.SL 9, 250,17f. Heylen): „in libro Geneseos, id est creaturae mundi“ bzw. FILASTR. 108 (sic; korrekt ist: 109) (CChr.SL 9,273,7 Heylen): „in libro creaturae mundi, id est in Genesi“; vgl. darüber hinaus etwa auch FILASTR. 95 (CChr.SL 9,261,13 Heylen): „in libro Geneseos creaturae“; und exemplarisch unter zahlreichen Nennungen AUG. gen. c. Manich. 2,1,1 (CSEL 91,115,3 Weber): „appellatus est liber creaturae coeli et terrae“. 60 Dass intellektuelle Kreise des Heidentums die Bibel als grundlegendes Dokument christlichen Selbstverständnisses untersuchten, ist aus den Reaktionen christlicher Apologeten bekannt; s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 274; zur Kontroverse um die Bibel ebd., 274–291. 61 II 4,1. Allerdings müssen die genannten Nicht-Christen nicht mit den im Einschub angeführten ingenia identisch sein. 62 A. B IGELMAIR, Traktate, 146, Anm. 1, bemerkt zu dieser Stelle, dass „zahlreiche Gegner des Christentums ... dasselbe durch Widersprüche aus der Bibel zu widerlegen“ suchten, insbesondere Porphyrius (vgl. auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 276 u. ö.; G. RINALDI, Biblia, 175–177) und von diesem abhängig Hierokles, mit dem LACT. inst. 5,2,12f. (CSEL 19,1,405f,22–406,7 Brandt), s. auch LACT. mort. pers. 16,4 (CSEL 27,2,2, 189,18 Brandt / Laubmann), sich auseinandersetzt. Die Berührungspunkte des zenonischen Traktates mit Laktanz legten nahe, dass Zeno auch hier auf Hierokles an-

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die hier Erwähnten nicht Anstoß an der Sprache der Schrift, sondern zunächst an einem inhaltlich-sachlichen Widerspruch 63 zwischen Altem und Neuem Testament, den sie in einer calumniosa quaestio vortragen.64 Es spiele. Obwohl der Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 159, hier kein ausdrückliches Laktanz-Zitat nennt, legt in der Tat die starke Laktanz-Rezeption gerade auch dieses Traktates die Auffassung Bigelmairs nahe. In II 4,4 übernimmt Zeno Formulierungen des Laktanz zur Schöpfung nach dem Bilde Gottes sowie die Ableitung des Begriffs homo aus humus aus LACT. inst. 2,10,3 (CSEL 19,1,147,7–11 Brandt) und weitere wörtliche Anlehnungen zur Beseelung des Menschen aus LACT. inst. 2,11,19. 2,12,13 (CSEL 19,1,155,2f.13f. Brandt); in II 4,5 lehnt er sich bei der Beschreibung der Verführung Evas durch die Schlange ebenfalls terminologisch und inhaltlich stark an LACT. inst. 2,12,17f. (CSEL 19,1,158,7–12 Brandt) an; desgleichen in II 4,7 bei der Beschreibung des Erlösungswerkes Christi in Anlehnung an LACT. inst. 4,10,1 (CSEL 19,1,301,10–16 Brandt) und in II 4,8 bei der Beschreibung widerstreitender Kräfte im Menschen in Anlehnung an LACT. inst. 2,12,7 (CSEL 19,1,156,16f Brandt); schließlich gibt es eine inhaltliche Nähe zwischen II 4,13, wo Zeno die Schwierigkeit des Erreichens geistiger Güter darstellt, und LACT. inst. 6,4,6 (CSEL 19,1,490,7–11 Brandt). – Dass Zeno sein Wissen grundsätzlich seiner Beschäftigung mit Laktanz verdankt, ist überaus wahrscheinlich, ob er in II 4,1 tatsächlich an Hierokles denkt, kann jedoch vom Textbefund her nicht entschieden werden. Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass er sein Wissen auch aus anderen, vielleicht aktuelleren Quellen gezogen haben könnte – immerhin dürfte er Julian noch erlebt haben; auf dessen Polemik gegen die Schrift hebt auch M. FIEDROWICZ, Apologie, 276, ab –, diese zu ermitteln bereitet jedoch v. a. deshalb große Schwierigkeiten, da wir eben „keinerlei Originaldokumente jener Polemiker mehr [besitzen], sondern darauf angewiesen [sind], die Angriffe aus den Widerlegungen ... zu rekonstruieren“, so H. MERKEL, Die Widersprüche zwischen den Evangelien. Ihre polemische und apologetische Behandlung in der Alten Kirche bis zu Augustinus, WUNT 13, Tübingen 1971, 8f. Bekannte Polemiker, insbesondere gegen die Widersprüche zwischen den Evangelien, sind Celsus, Porphyrius, Hierokles, Julian und die Manichäer, s. ebd., 8–31. Dass Zeno auch an dieser Stelle v. a. an Kritiker gedacht haben dürfte, die konkret die Mitglieder seiner Gemeinde anfochten, dafür spricht die zwar allgemein gehaltene Rede von den ingenia , die sich an spitzfindigen Streitfragen freuen – vermutlich zielt das viel eher in die Richtung theologischer Auseinandersetzungen –, verbunden jedoch mit der Betonung, dass diese cotidie begegnen. Ob die sehr konkreten Kritikpunkte ebenfalls als Hinweise auf konkrete Anfragen an die Gemeinde zu verstehen sind oder – was jedoch aufgrund der ihrerseits polemischen Charakterisierungen als calumniosa quaestio und praepostera memoratio eher unwahrscheinlich erscheint – lediglich als Aufhänger für die folgende Auslegung dienen, muss ebenfalls offen bleiben. 63 Auch dieser Vorwurf gegenüber der Schrift ist aus der Reaktion der Apologeten bekannt; s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 275.278–281. 64 II 4,1 unter Bezug auf 1 Cor 15,47 und Gn 2,7.21–23: „de apostoli dicto calumniosam nobis inferat quaestionem, qui ait: Primus homo e limo terrae, secundus e caelo, dubium quippe cum non sit unum hominem tantum e limo terrae a deo finctum eique eius ex latere mulierem coniugale solamen excussam, a quibus omne genus manavit humanum, caelestem vero ibidem nec memoratum nec factum posse doceri nec natum.“ Während Gn 2,7.21–23 von Celsus, Porphyrius und Julian thematisiert wurden, s. G. RINALDI, Biblia, 207–221.214f., ist 1 Cor 15,47 bei Rinaldi nicht unter die den Heiden bekannten Bibelstellen aufgenommen, die zenonischen Traktate insgesamt sind aller-

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schließt sich ein zweiter Vorwurf an: „Huc accedit etiam ipsa praepostera memoratio, quoniam res est disconveniens et absurda“, der nicht nur einen sachlichen Inhalt berührt, sondern philosophische Bedenken gegen die Widersprüche in der Schrift vorbringt.65 Über die Widersprüchlichkeit hinaus (res ... disconveniens) wird deutlich pejorativ die hinter den Widersprüchen steckende intellektuelle Unfähigkeit (res ... absurda) christlicher Denker attackiert. Der Terminus memoratio lässt darauf schließen, dass Zeno hierbei an eine konkrete Quelle denkt, die jedoch nicht zu erschließen ist.66 Schließlich wird an einem Evangeliumszitat 67 noch ein scheinbar natürliche Vorgänge außer Kraft setzender Widerspruch, in Wirklichkeit aber religiös den Zeitgenossen unwahrscheinlich Erscheinendes festgemacht. Der biblische, der jüdischen Apokalyptik entstammende Hoheitstitel filius hominis 68 wird missverstanden, man meint consentanea argumentatione einen Widerspruch aufzeigen zu können.69 Diese Widersprüche fallen allerdings nicht nur demjenigen ins Auge, der gleichsam schon in böser Absicht darauf wartet, sondern auch dem Unvoreingenommenen bei seinen ersten Auseinandersetzungen mit der Schrift (studio noscendae).70 Die fraglos vorhandenen Widersprüche nimmt Zeno in Traktat II 4 daher zum Anlass, eine auf der Allegorese basierende Exegese der entsprechenden Stellen vorzulegen: „Age, excita sensum, lector, invenies veritatem.“ 71 Auch an anderen Stellen betont Zedings nicht berücksichtigt. Da Zeno im Konjunktiv spricht, bleibt die Frage offen, ob es sich um einen realen oder fiktiven Konflikt in der Veroneser Gemeinde handelt. 65 II 4,2, und weiter: „ut secundus sit inmortalis et qui mortalis est primus, cum inmortalitas in se ordinem temporis non recipiat, mortalitas capiat. Vel si caelestis est primus, quid opus erat, ut fieret quoque terrrenus?“ 66 Zu memoratio im Sinne von mentio wird in T HESLL 8, 664 diese Zeno-Stelle als Hauptbeleg angeführt. – Der Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 159, nennt keine Vorlage, auf die Zeno sich beziehen könnte. 67 Io 3,13 in II 4,2. 68 S. A. B AUM, Art. Menschensohn, PBL8, 1985, 741–743, hier: 742f. 69 II 4,2. Auch für die Kenntnis von Jo 3,13 kennt Rinaldi keinen Beleg. 70 II 4,1. Vgl. auch I 35,1: „Neglegentes legis sacrae cultores saepe magno inplicantur errore, cum aut dicta non pro locis intelligunt aut dictorum minime rationes inquirunt.“ Hier sind zwar nicht ausdrücklich Widersprüche thematisiert, es geht jedoch um oberflächliche und von daher häufig missverständliche Exegese. Der Terminus cultores lässt erkennen, dass unter diesen Exegeten Christen zu verstehen sind, der Begriff error rückt sie in die Nähe von Häretikern. G. SGREVA, Teologia, 217f., hält daher auch diesen Traktat für einen an Photinus und seine Anhänger gerichteten. 71 II 4,3. – Mit der Anwendung der Allegorese als Lösungsstrategie steht Zeno in der Tradition des Origenes, s. H. MERKEL, Widersprüche, 112–121, besonders 115, Anm. 62, Zeno greift jedoch Ambrosius vor (!), der „die Allegorese bei grundsätzlichem Verzicht auf historische Betrachtungsweise zur Beseitigung der Widersprüche“ benutzt, ebd. 121; ebd. 205, Anm. 14, wird Zeno übersehen; dort entsteht der Eindruck, dass Ambro-

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no immer wieder, dass es sich nur scheinbar um Widersprüche handelt. 72 Die Erwähnung der Kritiker fungiert v. a. auch als Stilmittel, insbesondere da die eigentlichen Vorwürfe im Traktat gar nicht mehr thematisiert werden; es geht Zeno in erster Linie um die Unsicherheit der anwesenden Zuhörer.73 Dass die scheinbaren Widersprüchlichkeiten der Schrift eine Herausforderung für den Prediger vor der christlichen Gemeinde bedeuten, sagt Zeno auch an anderer Stelle. Statt theologischer Darlegung, die sich in unangemessener Art philosophischer Beweismittel bedienen muss, sollte sich der Christ der Auslegung der Schrift zuwenden: Es geht darum, ihre nubila durchschaubar zu machen, ihre scheinbaren Widersprüche aufzuklären.74 Anfragen dürften also auch aus den Reihen der christlichen Gemeinde gekommen sein. Äußerungen Zenos am Rande zeigen darüber hinaus, dass neben den konkreten Vorwürfen aus dem Kreis von Philosophen das Christentum auch bei anderen Nicht-Christen Thema war. In Traktat II 3 handelt Zeno paränetisch über den Glauben und bemerkt an einer Stelle negatives Verhalten bezüglich des christlichen Glaubens auf nichtchristlicher Seite: Der Glaube werde inhaltlich entstellt und verfälscht, wenn sich ein fremdes Urteil über ihn lustig mache,75 er komme moralisch ins Gerede,76 wenn (trotz neuzeitlich so

sius die Allegorese im Abendland einführte; in Verona wurde sie jedoch schon vor ihm praktiziert. Ambrosius etablierte sie dann als Methode. 72 Vgl. etwa I 3,16: „Sed absit, fratres, ut spiritales viros ullo tangamus errore, maxime cum prophetia ad sui dicti iam pervenerit veritatem“; II 5,1.7: „Scriptura divina ... non sibi repugnat ... Quid hoc est? Si in perpetuum regnat, Paulus erravit ... Nullus hic error, diversitas nulla est.“ oder II 9,8: „Non sibi repugnat [propheta]“. Ähnlich argumentiert Zeno in I 2,24 gegen einen scheinbaren Widerspruch (diversitas) zwischen kirchlichem Glaubensbekenntnis und seinen Ausführungen zum Zustand des Menschen nach dem Tod. Error wird demgegenüber praktizierenden Heiden, z. B. in II 7,14, Philosophen, in II 9,1, und Häretikern, u. a. in II 8,2.9, vorgeworfen. 73 Vgl. auch die Apostrophe in II 4,3: „Age ... lector“ und den Einwand in II 4,13 „Sed dicit aliquis“. Vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 280f.: „Für innerkirchliche Zwecke mochten solche Bemühungen [sc. Harmonisierung der Widersprüchlichkeiten] ausgereicht haben, um von heidnischer Kritik verunsicherten Christen die Glaubwürdigkeit der Schrift zu belegen.“ 74 II 3,13: „Si peritiam legis ostendere cupis, lectionum nubila disserena. Doce eam sibi non esse contrariam“. 75 II 3,10: „O quam turpis ac lubrica [est fides], de qua ludit aliena sententia!“ 76 Zu publicana [fides], ebd., vgl. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 115*f.

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genannter ‚Arkandisziplin‘ 77) über seine Geheimnisse selbst Uneingeweihte schwatzten.78 Gegenüber diesem unseriösen Verhalten fällt umso mehr auch positives heidnisches Verhalten ins Auge, auch wenn dies von Zeno ebenfalls als Abwertung des Glaubens empfunden wird. Der Glaube werde nicht genügend verteidigt, wenn er des Schutzes von Herrschern, Richtern oder Reichen bedürfe, und besonders dann, wenn diese, was häufiger vorkomme, auch noch Heiden seien. 79 Das wenig konkrete positive Verhalten von Heiden beruht hier offensichtlich auf ihrer öffentlichen Funktion, es ist nicht Folge intellektueller Auseinandersetzung. Anderes vermittelt jedoch eine Anmerkung, die letztendlich in der Gegenüberstellung v. a. paränetische Funktion hat (si tamen dicendum est), die aber erkennen lässt, dass das Christentum bzw. seine Inhalte, vertreten in der Person Christi, geschätzt wurden: In II 18,1 werden den Anhängern Christi (sui), die diesen ‚zerstückeln‘ (carpunt) – gemeint sind also Anhänger verschiedener christologischer Strömungen – externi gegenübergestellt, die den dominus noster verehren. Aber ebenso wie den christologisch Streitenden ein Vorwurf daraus gemacht wird, ist die Verehrung Christi von Seiten Außenstehender für Zeno eine religiöse Vermessenheit (nefas).80 Diese externi dürften sich von denen, die dem Christentum ihren Schutz aufgrund einer gesellschaftlichen Verpflichtung zukommen ließen, unterscheiden: venerari hat immer auch eine religiöse Komponente,81 es ist von daher an einen religiösen Synkretismus im weitesten Sinne zu denken, der v. a. im Bereich der privaten Frömmigkeit 82 oder in gnostisierenden Kreisen 83 zu suchen ist. Darüber hinaus ist auch vom frühen Porphyrius bekannt, dass er Jesus „als Mann von ganz hervorragender Frömmigkeit“ 84 schätzte. Ob Zeno hier an eine bestimmte Gruppe nichtchristlicher Verehrer Jesu denkt, lässt der Text jedenfalls nicht erkennen.

77 Zur mit der Begrifflichkeit ,Arkandisziplin‘ verbundenen Problematik s. C. J ACOB, Arkandisziplin, 43–117; ob man im Kontext der zenonischen Stelle von ,eigentlicher Arkandisziplin‘ oder von ,einer gewissen Geheimhaltung‘, ebd., passim, sprechen will, ist an dieser Stelle irrelevant. Die zenonischen Traktate, insbesondere II 3,10 und II 7,14, lassen auf jeden Fall erkennen, dass es in Verona ,eine gewisse Geheimhaltung‘ gab, dass sie offensichtlich durchbrochen wurde und dass Zeno dies moniert. Vgl. auch C. J ACOB, Arkandisziplin, 121, zu Ambrosius. 78 II 3,10: „O quam publicana, cuius fabulantur etiam profani secreta.“ 79 Ebd.: „O quam indefensa, quae regum, iudicum, divitum, aliquotiens etiam, quod peius est, gentium desiderat per momenta patrocinia.“ 80 II 18,1: „de domino nostro, quem, pro nefas, venerantur externi, si tamen dicendum est, sui carpunt.“ 81 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3401; H. MENGE, Großwörterbuch, 790; A. B LAISE, Dictionnaire, 840. 82 S. D. A. AUNE, Art. Jesus II. Im Zauber, RAC XVII, 1996, 821–837, hier: 833– 837, und K. HOHEISEL, Art. Jesus III. Außerchristlich, RAC XVII, 1996, 837–878, hier: 872f. 83 Ebd., 873–876. 84 Ebd., 866. Dort heißt es weiter: „So positiv wird J[esus] in der Schrift gegen die Christen nicht gesehen, dennoch soll das Gesagte auch hier häufig weniger J[esus] als die Christen treffen.“

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

2. adsimulant se nosse rerum naturae secreta Zu den intellektuellen Leistungen, mit denen Zeno sich kritisch auseinander setzt, gehört auch die scheinbar profane forschende Beschäftigung mit der Natur, die er jedoch, wie schon seine heidnischen Vordenker, als religiöses Tun, eben als Theologia naturalis, interpretiert. Der lateinische Terminus natura deckt eine beträchtliche Bedeutungsspanne ab. Sieht man einmal von der etymologischen Grundbedeutung ‚Geburt‘ ab, lassen sich diverse Nuancen erkennen, die auch dem deutschen Begriff ‚Natur‘ eignen. Natura meint zum einen die ‚natürliche Beschaffenheit‘, das ‚(natürliche) Wesen‘, den ‚Charakter‘, die ‚Eigentümlichkeit‘, auch die ‚Eigenschaft‘ und ‚Gestalt‘ einer Sache oder Person; zum anderen die ‚Naturordnung‘, das ‚Naturgesetz‘, den ‚Lauf der Dinge‘; davon ist zu unterscheiden die Natur als ‚schaffende Kraft‘, die ‚Naturkraft oder -gewalt‘; schließlich im übertragenen Sinn auch das von der Natur Geschaffene, die ‚Welt‘, das ‚Weltall‘, die ‚Schöpfung‘, und auch das einzelne Naturgebilde, das ‚Geschöpf‘, die ‚Kreatur‘. 85

Auch in den zenonischen Traktaten findet sich eine vergleichbare Bedeutungsbreite des Begriffs natura und seines Derivats naturalis. Neben dem Gebrauch zur Bezeichnung der Beschaffenheit einer Sache 86 oder Person 87 dient der Terminus zenonisch zur Bezeichnung einer vom Menschen vorgefundenen, äußerst ambivalenten Realität: ‚Die Natur‘ ist eine einerseits als positive, schaffende Kraft wahrnehmbare Größe: 88 Sie stattet mit bestimmten Eigenschaften (quod natura praestitit 89) und Gütern (beneficia 90) aus, sie ist eine „Schatzkammer“ (thesaurus 91). Andererseits ist sie

85 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1101f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 494. 86 Der Terminus bezeichnet in I 2,27 die Eigentümlichkeit des Wilden Ölbaums (im Gegensatz zum kultivierten); in I 7,4 die Eigenschaft des Fließens; in I 8,1 und II 20,1 die Eigenschaft eines Lammes; in I 39,8 die natürliche Beschaffenheit der menschlichen Füße; in II 4,2 die Beschaffenheit oder Natur der Gattung Mensch (humanitas); in II 10,2 das Wesen oder die Eigenart des Wassers, gemeint sein kann hier aber auch seine Naturgewalt. Bezogen auf gewissermaßen personifizierte Dinge oder Eigenschaften bezeichnet natura in I 4,2 das Wesen der Ungeduld; in I 5,12 das Wesen der Habsucht; in I 36,6 das Wesen von Hoffnung und Glaube; in II 3,1.6 das Wesen des Glaubens; in I 16,1 das Wesen des Ostertages. 87 Der Terminus hebt in I 1,8 ab auf die natürlichen Anlagen der Männer; in I 36,30 und II 5,5 auf Beschaffenheit, Eigenart oder Wesen des Menschen; in II 4,3 auf Wesen des ,Menschensohns‘; in II 3,5.17 auch auf das Wesen Gottes. 88 II 4,8: „communi cum pecudibus lege fundimur a natura“. 89 I 1,10. 90 I 5,13. Dazu gehören, so sie nicht überbewertet werden, auch wertvolle Metalle, s. I 14,3. 91 I 2,9.

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aber auch wilde und zerstörerische Gewalt, 92 die dem Menschen Angst einflößt 93 und der er ausgeliefert ist.94 Diese vom Menschen vorgefundene Realität ist allerdings von Gott bzw. seinem Sohn aus dem Nichts geschaffen, natura ist die Welt im Sinne von Schöpfung.95 Als solche ist sie, obwohl gemäß einem wahrnehmbaren (Natur-)Gesetz (lex naturae 96) wirkend, Gott untertan und beugt sich, auch unter Ausschaltung gesetzhaft ablaufender Vorgänge (contra se obnixa natura 97), seiner Macht.98 Dazu gehört insbesondere, dass sie Un92 Aus dem jeweiligen Kontext wird erkennbar, dass in I 2,6 natura abhebt auf die im Exorzismus zur Wirkung kommende Naturkraft; in I 5,3 auf die Naturgewalten des Meeres; in I 31 auf die Naturgewalt der Elemente; in I 34,1 auf die Naturkräfte des Himmels; in I 36,13 auf die Härte der Natur; in I 36,24 auf Kräfte der Natur; in I 47 auf Finsternis und Beben bei der Kreuzigung Jesu; in I 48 und II 3,14 auf die Naturgewalt des Feuers; in II 10,2 auf die natürliche Eigenart, das Wesen jeden Wassers, in seiner Tiefe Menschen zu töten. 93 S. II 2,1: „Fiunt enim duo [timores]: unus dei, alter qui naturae sit“; vgl. II 2,7: „O necessarius timor…, qui deum metuit, non naturam“; I 36,24: „quicquid in virtutibus naturae a regibus ipsis quoque metuitur“. 94 S. II 2,1.: „Naturalis [timor, sc. die Furcht vor der Natur] ergo non discitur, sed impulsu nobis nostrae infirmitatis occurrit … metuis autem quod tibi nolis accidere.“ 95 I 2,16: „cum illius potentissimi artificis rerum omnium conditoris ipse sit usus … naturam creare extra naturam“; I 27,1: „substantia naturae … quam nemo novit nisi ipse solus, qui fecit“; I 50: „deus … cuius ex ore, ut rerum natura, quae non erat, fingeretur, prodivit unigenitus filius“; I 54,3: „[Maria] exultans exponit infantem totius naturae antiquitate maiorem“; I 56,2: „Namque temperat se propter rerum naturam filius, ne exsertae maiestatis dominum non possit mundi istius mediocritas sustinere“; II 4,1: „naturae Nativitatis Moysei [liber, sc. das Buch Genesis]“; II 8,5: „si enim tempori, non sibi, debent, quod est alter alteri obnoxius, procul dubio, ut tu vis, maior est natura quam deus. At cum naturam ex nihilo fecerit Christus, sit autem ex natura tempus“. 96 I 36,7; s. auch II 4,8: „communi cum pecudibus lege fundimur a natura“; I 2,22: „melioris naturae iura“; I 36,15: „naturalis amicitiae disciplina“; vgl. auch den Vorwurf gegen diejenigen, die ihren Eltern vorzeitig das Erbe entziehen, in I 5,6: „iniecta violenter manu ipsi naturae“. 97 I 18,1; s. auch I 31: „elementa contra suam naturam“; I 36, 7: „contra legem naturae“; vgl. II 7,1: „paene contra naturam“. 98 I 15,7: „[dominus] cuius est orbis totus omnisque natura“; I 15,9: „dominus … dominiumque totius naturae recuperavit“; I 18,1: „Nam praedicant [Iudaei] … Erythraeum quoque in geminas ripas medium scissum mare … contra se obnixam stupidem pependisse naturam“; I 48: „Sacramento trinitatis tam potentis elementi subacta natura est“; I 59,5: „[Isaac] dissensione temporis et naturae contra opinionem nato“; I 59,9: „Ad cuius immanis ausi [sc. der Kreuzigung Christi] saevitiam metuenda elementorum forma mutatur et dei iniuriam … prodit natura“; I 61,2: „cum iussu dei et caelum obsecundetur et terra“; II 2,3: „Si omnes, qui timent dominum, beati sunt, non beatus est nullus, quia nulla gens est, nulla sunt pecora, animantium denique nulla natura, quae non timeat deum.“ S. auch in I 4,14 die Rede von der „Furcht der Natur“ (ipsius naturae metus) angesichts der bevorstehenden Opferung des Isaak und die eigentümliche

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sterblichkeit mittels eines abgeschiedenen Ortes (thesaurus naturae; naturae secretus) 99 ermöglicht und zugleich beispielhafte Belege für die Auferstehung liefert.100 Damit relativiert sich ihre Kraft und Gewalt für den (gläubigen) Menschen: Glaube,101 Liebe 102 und continentia 103 können die Naturgesetze überwinden. Unter Anstrengung (virtus) also kann sie unterdrückt und gemeistert werden (calcare). Dies sollte Ziel des Christen sein (Christianae virtutis maxima gloria).104 Ziel des Menschen kann es nach Zeno dagegen nicht sein, die Geheimnisse der Natur erforschen zu wollen: „etenim genus insaniae est eum ratio-

Deutung der Vorgänge bei der Kreuzigung Jesu in I 47: „funerei luctus poenae pertulit natura supplicium.“ Vgl. auch AUG. civ. 21,8,2 (CChr.SL 48, 773,104–125 Dombart / Kalb): „Sicut ergo non fuit inpossibile deo, quas voluit instituere, sic ei non est inpossibile, in quidquid voluerit, quas instituit, mutare naturas. Nobis tamen ista, quae velut contra naturam fiunt et contra naturam fieri dicuntur … hoc monstrare debent …, quod facturus sit deus … nulla impediente difficultate, nulla praescribente lege naturae.“ 99 I 2,9.15. 100 I 2,9 (über die Verklärung Jesu): „Petrus filiique Zebedaei … intellegentes in thesauro naturae depositum incolume requiescere, quod in hoc mundo ad tempus perspicitur interire“; I 2,15: „Christianus ergo in toto dubitare non debet in statum pristinum mortuos excitari talesque legitima die ante conspectum dei ex illo naturae secreto produci“; I 2,22 (vom Samenkorn als Beleg für die Auferstehung in der Natur): „vetusti corporis superficie deleta, immo in melioris naturae iura transmissa, felix caput comis virentibus redimitum quasi ab inferis emersum in superna sustollit perennitatis gloriam fructu populoso tenturum“; I 15,9: „dominus resurgens … immortalitatem in se credentibus praestitit dominiumque totius naturae recuperavit“. 101 I 31 (von den Drei Jünglingen): „Tanta est enim fidei virtus tantaque potestas, ut cultoribus suis etiam ipsa elementa contra suam naturam famulari compellat“; I 36,7: „Per hanc [sc. fidem], fratres, a deo Enoc meruit cum corpore contra legem naturae transferri“; I 43 (von Sara und Abraham): „extorsit credulitas quod natura denegaverat“; II 3,14: „Sin uero fidem spiritus calles, aliquam demonstra uirtutem: impera montibus, ut transferant sese; in admirationem tui rictu blandiente leonum rabies euanescat; sub gressibus tuis maris unda pinguescens marmoreo stupore solidetur; cetina cymba inter aestuantis pelagi sollicitos sinus fidem tuam fideliter portet; solis cursus ac lunae ab occidui carceris receptaculo orationis freno refrena; anhelantis camini ignis exaestuans uicta natura sentiat per te tecum et ipse refrigerium; mortuorum in postliminium uitae animas reductas inspira; discute laborantibus morbos; cura languores; in temptationibus gaude, in tormentis pro nomine domini. Si obvenerint dura, fidem tamquam granum sinapis te habere demonstra.“ 102 I 36,13: „Quicquid locis natura negaverit, caritas reddit.“ 103 II 7,1: „Si cui forte asperum videtur ac durum, quod fiducialiter loquimur, fratres, rerum paene contra naturam, iamiamque desinat permoveri, intellegens Christianae virtutis hanc esse maximam gloriam, ipsam calcare naturam.“ 104 Ebd.

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nem secreti naturae disquirere.“ 105 Der Grund dafür liegt in der Beschränkheit des Menschen, der die allein dem Schöpfer zukommende Kenntnis gegenübergestellt wird: „non enim ullo pacto potest humanis opinationibus substantia naturae comprehendi, quam nemo novit nisi ipse solus, qui fecit.“ 106 Wichtig für den gläubigen Menschen ist demgegenüber vielmehr, sich selbst zu erkennen,107 und zwar in Beschränkung auf die Informationen der testimonia der Schrift.108 Damit hat sich der Christ von denjenigen abzusetzen, die vorgeben, die Geheimnisse der Natur zu kennen – adsimulant se nosse rerum naturae secreta –, es sind die sapientes … Graeciae viri 109 und in deren Nachfolge einige infideles, die solche Bemühungen bis in die Kirche hineingetragen haben. 110 Was unter rerum naturae secreta konkret zu verstehen ist, schließt Zeno in einer Aufzählung an: „cum stellis nomina, soli labores imponunt, cum errores suos lunari circulo adscribunt“ 111 – naturwissenschaftliche Bemühungen also, die alle mit dem Himmel in Verbindung stehen (ascendunt verbis in caelum 112), kurz Astronomie. Dies scheint ein bedeutender Bestandteil naturwissenschaftlichen Forschens zu sein, man stößt auch an anderen Stellen in den Traktaten auf diesen Bereich, 113 aber Naturwissenschaft erschöpft sich nicht darin, Zeno kennt weitere Fragestellungen: Quis corpoream aeris huius ut quidam putant, inanitatem se disserere posse mentiatur? Quis terram aqua portari an aquam terrae gremio contineri se nosse praesumat? Quis spiritus aerios, quis figuras ventorum, quis inter marinos aestus fluminum augmenta … se deprehendisse gloriabitur? 114 Naturwissenschaft ist insgesamt die forschende Beschäftigung mit den Elementen (elementa).115 105

I 27,1; vgl. auch I 34,1: „ita curiositate non sunt inquietanda secreta“. I 27,1; s. auch zum gleichen Kontext aber sprachlich leicht variiert II 30,1: „Etenim genus insaniae est eum rationem secreti naturae disquirere, qui vitae suae non possit reddere.“ 107 I 27,1 und II 30,2: „Nihil est, fratres dilectissimi, ante omnia homini timenti deum (bzw. nato) tam necessarium atque conveniens, quam ut se ipsum noverit.“ 108 I 27,2 und II 30,1: „videamus, quid sit, quod deus ait“; vgl. I 34,1 (bezogen auf die Gotteserkenntnis): „Sicut enim in simplici corde scrutanda sunt testimonia eius“. 109 Zu diesen s. u. S. 366. 110 II 9,1f.: „Sapientes, ut videri volunt, Graeciae viri … cum adsimulant se nosse rerum naturae secreta … sic se et alios perdiderunt. Nam mutato nomine et cultu … illas scholares calumnias dei usque ad ecclesiam transmiserunt, ut in ipsa quoque, si insanire cuiquam libeat, deus illi non colendus sit, sed quaerendus. Quod nunc faciunt infideles“. 111 II 9,1. 112 II 9,1. 113 I 34,1: „Quis enim causas naturasque caeli huius et superiorum sciet?“ 114 I 34,1f. Weiterhin dürfte in den Bereich der naturae secreta auch die in I 7,1 angeführte Theorie von der am Anfang der Welt im Chaos verborgenen Natur – „Sunt enim 106

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Was aber veranlasst Zeno, die von ihm wahrgenommenen und in den Fragestellungen beschriebenen Naturphänomene zu den secreta zu zählen? Das Adjektiv secretus hebt auf Absonderung, Trennung ab, so dass es substantiviert den abgelegenen, einsamen Ort bezeichnen kann. Daraus ergibt sich für das Neutrum die übertragene Bedeutung von „Heimlichkeit“ oder „Geheimnis“ 116 zur Bezeichnung eines der Öffentlichkeit gewissermaßen durch ‚Entfernung‘ entzogenen Tuns oder Inhaltes. Damit unterscheidet sich secretum von arcanum, das zwar ebenfalls das „Geheimnis“ bezeichnet; dieses zeichnet sich allerdings insbesondere dadurch aus, dass es nicht ausgesprochen und in diesem Sinne verheimlicht wird. Ein solches Geheimnis bezeichnend wird arcanum ausdrücklich auch in der religiösen Sprache (etwa in Verbindung mit sacra) verwendet.117

Diese Differenzierung kennt auch Zeno. Secreta sind in seinen Traktaten zunächst Handlungen, die sich im Verborgenen vollziehen – er benutzt den Begriff secretus auch zur Bezeichnung eines verborgenen Ortes selbst 118 –, und damit bezeichnet secreta ‚persönliche Geheimnisse‘ von Menschen oder Personifikationen.119 Solche ‚persönlichen Geheimnisse‘ haben auch die Christen, nämlich Nicht-Christen (eigentlich) nichtzugängliche Glaubensgeheimnisse.120 Und auch Gott selbst hat ‚persönliche Gemulti, qui adserere conantur chaos in principio fuisse, id est informem indigestamque latentis naturae congeriem acervo quodam magnitudinis suae per se in se manentem“ – gehören. 115 II 30,1: „Etenim genus insaniae est eum rationem secreti naturae disquirere, qui vitae suae non possit reddere. Non enim elementa pulchrius aut verius verbis humanis asseri possunt, quam a deo facta sunt vel videntur.“ 116 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2558f. 117 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 540. Der heute gebräuchliche Terminus „Arkandisziplin“, s. O. P ERLER, Arkandisziplin (kritisch jedoch C. J ACOB, Arkandisziplin, passim), hebt damit eigentlich mehr auf das Schweigegebot für Eingeweihte ab als auf die Nichtzulassung Nichteingeweihter. Die Grenzen scheinen jedoch fließend; vgl. II 3,10: „O quam publicana [fides], cuius fabulantur etiam profani secreta!“ 118 I 2,15: „Christianus … dubitare non debet … mortuos …. illo naturae secreto produci“. Vgl. auch „Iob … secretus“ in I 15,2. 119 Etwa der impudicitia in I 1,2.9.16, aber auch der pudicitia in II 6,9; des Habgierigen in II 1,19, aber auch der Susanna in I 40,1; des Besitzenden in I 5,15; der Sünder in I 35,7. 120 S. II 3,10: „O quam publicana [fides], cuius fabulantur etiam profani secreta!“ Zu diesen secreta gehört insbesondere das christliche Opfer, s. II 7,14: „illius [sc. des heidnischen Ehegatten] sacrificium publicum est, tuum secretum“. Deshalb kann secretarium in II 6,7 – wie A. B IGELMAIR, Traktate, 172, richtig mutmaßt – auch nicht den „Aufbewahrungsort für die Opfergaben und für die Gewänder“ (vgl. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2558: „Sakristei“) bezeichnen, sondern muss den Ort der Opferung, also wohl den ,Chorraum‘, meinen, was auch das Bild des Kirchenraums bestehend aus drei „membra“ schlüssig werden lässt. Zur Bezeichnung als secretarium passt im Übrigen auch das bis heute noch in der armenischen Kirche praktizierte ,Absondern‘ des Chorraums während des Opfers durch große Vorhänge; vgl. das Abtrennen des secretariums vom tribunal im römischen Gerichtswesen zum Zweck von

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heimnisse‘, diese sind nur ihm bekannt 121 und den Menschen gewissermaßen aufgrund seiner Entferntheit und Unzugänglichkeit (invisibilis incomprehensibilisque 122) entzogen.123 Dazu gehören an erster Stelle die secreta bezüglich des Wesens Gottes selbst 124 – der Mensch als körperliches Ebenbild Gottes ist demgegenüber lediglich arcanum! 125 Außerdem zählen zu den Geheimnissen Gottes eben die naturae secreta. Die Mechanismen der Natur sind zwar wahrnehmbar, aber dem Menschen entzogen, in caelum,126 eben ‚Abgesondertes‘, secreta. Wie es dementia ist, das Wesen des Schöpfers untersuchen (discutere) bzw. darüber Vermutungen anstellen (opinari) zu wollen,127 so ist auch das Streben nach Verstehen (disquirere, opinationibus comprehendi) von Mechanismen seiner Schöpfung insania,128 denn: „Nonne iniuriosium vel supervacaneum putabitur deo indicare quod noverit?“ 129 Es steht im Gegensatz zu einer von Christen geforderten humilitas.130 Zeno verbindet also das in seinen Augen verwerfliche Streben nach Kenntnissen über Naturzusammenhänge – wie schon die Graeciae viri 131 Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit nach R. HANSLIK, Secretarium und tribunal in den Acta martyrum Scillitanorum, in: Mélanges offerts à Mademoiselle Christine Mohrmann, Utrecht / Antwerpen 1963, 165–168, hier: 168. Manche Glaubensgeheimnisse, etwa in der Schrift, s. I 37,1 (Traum des Jakob), oder die eines christlichen Horoskops, s. I 38,2, werden den Christen zugänglich gemacht durch die allegoretische Auslegung des Bischofs. Andere bleiben demgegenüber geheimnisvoll, etwa die „virginalis uteri aula secretior“ Mariens in I 59,8. Denn Glaubensgeheimnisse können nicht (mit dem Verstand) geschaut werden, s. II 3,11: „Igitur cum possibilitatis humanae non sit fidei videre secreta, nusquam, frater, tua curiositas, nusquam tua proficit pugna“. 121 I 50: „deus, secreti sui solus conscius“. 122 II 8,3. 123 I 54,1: „Insuspicabilis secreti reverendaeque maiestatis vera cognitio est deum non nosse nisi deum“; I 56,3: „Et aestimat quisquam dei se posse scire secretum, qui sui corporis nescit arcanum?“; II 8,3: „Dementiae genus est invisibilis incomprehensibilisque velle opinari secretum eiusque interna discutere, cuius extraria nequeat suspicari, quia deus hoc est quod est“. 124 I 34,1; I 50; I 54,1; I 56,3; II 8,3. 125 I 56,3. Die menschliche anima gehört jedoch zu den secreta, s. II 4,17. 126 II 9,1; s. auch I 34,1: „Quis enim causas naturasque caeli huius et superiorum sciet?“. 127 II 8,3. Auch opinatio in I 50, requirere I 54,1 und quaerere in II 3,16 und II 9,2. 128 I 27,1; II 30,1. 129 II 9,3. 130 Traktat II 9 ist überschrieben mit De humilitate. S. auch II 9,4: „Deus noster, fratres, humilis corde est … Et homo curiosus cor suum extollit conaturque eius comprehendere altitudinem, cuius non sequitur humilitatem!“ 131 II 9,1: „cum ascendunt verbis in caelum, cum deum persuadent hoc esse quod volunt, cum adsimulant se nosse rerum naturae secreta“.

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in einer Theologia naturalis – mit dem in seinen Augen ebenso verwerflichen Betreiben von Theologie. Unter den in der Nachfolge der Graeciae viri stehenden infideles in den christlichen Gemeinden dürften daher zuerst wohl solche zu verstehen sein, die Gott ‚erforschen‘, also Theologie betreiben wollen, aber durchaus auch solche, die sich für eine intensivere Erforschung der Naturphänomene begeistern.132 Ein plausibler Grund für Zenos Ablehnung könnte in der Nähe dieses Strebens nach theologischem und naturwissenschaftlichem Wissen zu heidnischem Sicherheitsstreben liegen; er sagt dies zwar nicht ausdrücklich, das verwendete Vokabular lässt es aber vermuten: So begegnet etwa das Verb inquirere, mit dem naturwissenschaftliches Forschen belegt ist, zenonisch auch als Bezeichnung der paganen Vogelflugbefragung 133 bzw. der orakelhaften Spiegelbefragung.134 Das Verb quaerere, das Zeno auch zum Ausdruck für die ‚Erforschung Gottes‘ benutzt, 135 verwendet er daneben als Terminus für das Erforschen des Heils in der Haruspizin, 136 das Derivat requirere, ebenfalls Ausdruck für die ‚Erforschung Gottes‘, begegnet weiterhin als Terminus für das Ersuchen um ein Horoskop. 137 Dabei handelt es sich um heidnische Gepflogenheiten, für die das junge Christentum, anders als für offiziellen heidnischen Kult, nach wie vor sehr anfällig war, wie gezeigt werden konnte. Was gerade dieses heidnische Forschen in quasi-religiösem Kontext mit christlichem theologischen wie naturwissenschaftlichen Forschen, das nach zenonischem Verständnis beides ja ebenfalls in religiösem Kontext angesiedelt ist, verbindet, ist die hinter allem stehende quasi als die heidnische Untugend schlechthin zu betrachtende curiositas.138 Forschung bringt damit, auch wenn sie christliche ‚Güter‘ wie die Schöpfung oder den Schöpfer selbst zum Objekt macht, immer eine gewissermaßen heidnische Haltung zum Ausdruck. 139

132 Verhalten scheint in I 5,10 im Kontext der avaritia-Schelte sogar so etwas wie Technikkritik durchzuklingen: „I nunc, insatiabilis homo, et in detestabilis congestionis lucra letifera etiam ipsa elementa novis artibus coge!“ 133 I 34,9: „per varios avium volatus coniecturis inanibus statum plumeae salutis inquirunt“. 134 II 7,8: „ab speculo oracula inquiris“. 135 I 54,1. 136 I 25,11: „salutemque suam pecudum violenter scissis in ventribus quaerunt“. 137 I 38,2. 138 S. u. S. 371–381. 139 Vgl. L. B RISSON, Art. Natur, Naturphilosophie, DNP VIII, 2000, 728–736, hier: 734: „Mit der Bibel anzunehmen, daß Gott das Universum aus dem Nichts geschaffen habe und daß der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen sei, mußte dazu führen, die Natur an die Seite des ,Götzenbildes‘ zu stellen und den Menschen von der Natur getrennt zu halten.“

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Diese negative Haltung Zenos zu naturwissenschaftlichem Forschen verwundert umso mehr, als er selbst zur Verstärkung seiner Argumentation zuerst neben Beispielen aus dem täglichen Leben immer auch auf Vorgänge in der Natur zurückgreift; sie verraten, dass Zeno wie das Umfeld eines großen Teils seiner Zuhörer noch von existentieller Begegnung und Erfahrung mit Naturvorgängen geprägt ist: Zeno äußert sich etwa zum Wechsel und Ablauf des Jahres, der Jahreszeiten, Monate, Nächte, Tage, zu Aufund Untergang und Lauf der Sonne und des Mondes, zu zu- und abnehmendem Mond, zum Aufkeimen von Getreidesamen, zur Veredelung von Pflanzen, Regen, Ernte und landwirtschaftlichen Produkten der verschiedenen Jahreszeiten, zu Vogelgesang, zur Form von Vogel- und Fischschwärmen.140 Dieser Umgang Zenos mit Naturphänomen beschränkt sich aber eben auf das, was mehr oder weniger alltäglich begegnet und wahrgenommen wird (occulatis rebus probare,141 evidens,142 videamus,143 videbimus 144), was daher allen klar ist (omnibus claret 145) und nur berührt werden muss (attingam 146), also auf die bloße Beschreibung bekannter Phänomene unter Verzicht auf forschendes Fragen. Die Naturphänomene können nach Zenos Ansicht durch solche Beobachtung in eingeschränkter Weise durchaus wahrgenommen, zur Kenntnis genommen und in diesem Sinne erkannt (agnosci,147 cognosci 148), nicht jedoch vollständig erfasst werden (deprehendere,149 scire,150 nosse 151). Zeno scheint damit das Urteil zu bestätigen: „Christianity regarded science as important only insofar as it served the faith“. 152 Natur kann Medium etwa für die Offenbarung Gottes sein; 153 der Veroneser Bischof reiht sich so in das Gesamtbild der Haltung des spätantiken Christentums zu den

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Ausführlicher mit Belegstellen s. u. S. 471f. I 2,5. 142 I 2,27. 143 I 36,28. 144 II 1,18. 145 I 2,22. 146 I 2,17. 147 I 2,17. 148 I 2,21. 149 I 34,2. 150 I 34,1. 151 I 27,1; I 34,1; II 9,1. 152 D. C. LINDBERG, Science and the Early Christian Church, Isis 74, 1983, 509–530, hier: 522f. 153 Vgl. H. ROSENAU, Art. Natur, TRE XXIV, 1994, 98–107, hier: 102. 141

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Naturwissenschaften ein. Nur wenig später, aber wirkungsgeschichtlich wesentlich bedeutsamer wird Augustinus dieselbe Position vertreten. 154 3. quisquis resurrectionem negat Hinter bestimmten Formen des Umgangs mit den Toten stehen bestimmte Jenseitsvorstellungen; Zeno selbst stellt einen wenn auch widersprüchlichen Zusammenhang her.155 Der Veroneser Bischof erarbeitet eine eigene Eschatologie in Abgrenzung von anderen Vorstellungen. 156 Welche paganen Vorstellungen Zeno kennt, was er davon ablehnt, was er akzeptiert und gegebenenfalls übernimmt157 und welche christliche (häretische) Gruppe ihn zu einer Auseinandersetzung mit den heidnischen Vorstellungen veranlasst, sind Fragen zu einem nun ganz konkreten Thema der Theologia naturalis, das einen fundamentalen christlichen Glaubensinhalt tangiert. Mit nichtorthodoxen (also nichtchristlichen und christlich-häretischen) Jenseitsvorstellungen setzt sich Zeno ausdrücklich in Traktat I 2 (De resurrectione)158 auseinander. Zeno differenziert hier zwischen den nicht154

S. etwa AUG. enchir. 3,9 (CChr.SL 46,52,63–53,18 Evans): „Cum ergo quaeritur quid credendum sit quod ad religionum pertineat, non rerum natura ita rimanda est quemadmodum ab eis quos physicos graeci vocant, nec metuendum est ne aliquid de vi et numero elementorum, de motu atque ordine et defectibus siderum, de figura caeli, de generibus et naturis animalium fruticum lapidum fontium fluminum montium, de spatiis locorum et temporum, de signis imminentium tempestatum, et talia sescenta de his rebus quas illi vel invenerunt vel invenisse se existimant, christianus ignoret: quia nec ipsi omnia reppererunt, tanto excellentes ingenio flagrantes studio abundantes otio, et quaedam humana coniectura investigantes, quaedam vero historica experientia perscrutantes, et in eis quae se invenisse gloriantur plura opinantes potius quam scientes. Satis est christiano rerum creatarum causam, sive caelestium sive terrestrium, sive visibilium sive invisibilium, non nisi bonitatem credere creatoris qui est deus unus et verus, nullamque esse naturam quae non aut ipse sit aut ab ipso.“ S. auch AUG. gen. ad litt. 1,19 (CSEL 28,1,28,16–29,5 Zycha). 155 I 2,3: „Gentes, quae ista [sc. animas nostras ista prima morte dissolui, sed pro qualitate factorum quasdam locis poenalibus relegari, quasdam placidis sedibus refoveri, ut tunc demum credi possit resurgere] non credunt, tamen cum libamine infausto ad sepulcra concurrunt et a mortuis, quos in quiete tacitae noctis agnoverint, expeti a se aliquotiens alimenta contendunt; ac sic fidem rei quam reprobant faciunt.“ 156 Eine Darstellung der zenonischen Eschatologie findet sich bei G. SGREVA, Teologia, 355–425; s. auch A. B IGELMAIR, Zeno, 126–128. 157 Eine ausführliche Traditionskritik der zenonischen Eschatologie würde an dieser Stelle zu weit führen. Eine solche müsste m. E. noch über die von G. SGREVA, Teologia, vorgenommene und in weiten Teilen bloß beschreibende Darstellung (mit Rekursen auf den Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT) hinausgehen. 158 Zeno setzt in diesem Traktat ganz offensichtlich Auferstehung und damit ein Weiterleben nach dem Tod mit einer Unsterblichkeit der Seele gleich; vgl. G. SGREVA, Teo-

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christlichen Vorstellungen der Heiden (gentes) allgemein,159 der Philosophen (philosophi)160 und der Dichter (poetae).161 Die Heiden siedeln ihre Toten nach Zenos Information in quiete tacitae noctis an.162 Im Gegensatz dazu steht zwar ihr Verhalten innerhalb des ‚Totenkultes‘, das eher auf einen vitalen Anspruch der Toten gegenüber den Lebenden schließen lässt. Da sie aber gegenüber den Christen keine Auferstehung und daher für Zeno kein Leben nach dem Tod kennen, 163 deutet er dies als Inkonsequenz (tamen) und benutzt es als ironischen Beleg für sein eigenes eschatologisches Konzept. 164 Was nach Zenos Ansicht unter tacita nox zu verstehen ist, sagt er an anderer Stelle, wo er eben diese als den den Heiden (und Sündern) zugedachten Aufenthaltsort nach dem Tod benennt: „idolatriae deservientes ... longae nocti, id est aeternae morti, sunt a deo, quod opus tenebrarum dilexerint, destinati.“ 165 Die Verknüpfung der beschreibenden Metapher ‚Nacht des Todes‘ mit der moralisch wertenden Metapher ‚Taten der Finsternis‘ ist natürlich an dieser Stelle christliche Zutat und hat zuerst paränetischen Charakter. 166 Die heidnische, inhaltlich wenig aussagekräftige 167 Vorstellung von der ewilogia, 358. An anderer Stelle weiß er sehr wohl von einer Auferstehung des Fleisches, die über eine Unsterblichkeit der Seele hinausgeht; s. I 2,29. Wenn die Gleichsetzung hier ihren Grund auch zuerst in der Argumentation hat, die sich zunächst nichtchristlicher Belege bedient, so entwickelt Zeno jedoch keine konsequente Differenzierung, die Seele hat auf jeden Fall Vorzug vor dem Leib; vgl. auch II 4,18. 159 I 2,3. 160 I 2,4: „Philosophi de anima varia disserunt, sed tamen hanc esse inmortalem Epicuri, Dicaearchi Democritique vanitatem argumentatione manifesta convincunt.“ 161 I 2,4. 162 I 2,3. 163 Der scheinbare Widerspruch zwischen der Phrase gentes, quae ista non credunt in I 2,3 – inhaltlich würde man einen Bezug auf die Gesamtheit des zuvor Beschriebenen erwarten, formal bezieht sich ista jedoch nur auf die Auferstehung und ihre Voraussetzung (quod omnibus palam sit non penitus interire) – und der Vorstellung von Tartarus und Elysium, wie sie in I 2,4 beschrieben ist, wird insofern aufgehoben, als Zeno offensichtlich letztere Vorstellung nur einer gebildeten (= sich vom Totenkult distanzierenden?) Schicht zuerkennt. Vgl. u. S. 573–579. 164 I 2,3: „ac sic fidem rei quam reprobant faciunt.“ 165 I 33,2. 166 Zum Konzept der den Taten der Lebenden entsprechenden Entlohnung im Jenseits, die der Vorstellung von der ewigen Totenruhe an sich fremd ist, s. u. S. 573. 167 Vgl. hierzu G. W ISSOWA, Religion, 238: „Eine mit lebendiger Phantasie ausgestaltete Vorstellung von einem Fortleben und einer Vergeltung nach dem Tode und von dem Treiben im Schattenreiche haben die Römer nicht besessen; denn die gespenstigen Erscheinungen der larvae, uns nur als Gestalten des volkstümlichen Aberglaubens entgegentreten, haben stets etwas ganz Unbestimmtes behalten und nie feste charakteristische Züge angenommen; was wir aber bei römischen Dichtern von der Unterwelt und ihren

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gen Totenruhe in I 2,3 (quies tacitae noctis) wird von Zeno in I 33,2 zwar übernommen, durch die moralisierende Umdeutung aber zugleich polemisches Instrument gegen die Anhänger einer solchen Vorstellung selbst. Dies bedeutet natürlich keineswegs, dass nicht auch in christlichen Kreisen der Tod mit der Vorstellung von Dunkelheit verbunden wurde. Die Dunkelheit des Todes scheint nach wie vor Angst einflößende Wirkung gehabt zu haben. So beschreibt auch Zeno das Reich des Todes, allerdings vor der Errettung der Menschheit durch Menschwerdung, Tod und Auferstehung Jesu, als ewige Finsternis, 168 verknüpft das Bild aber mit der Unterwelt als Ort der Strafe.169 Mit der Auferstehung ist der Tod besiegt, der Christ braucht die Finsternis nicht mehr zu fürchten. 170 Diese Vorstellung von ‚Finsternis des Todes‘ ist nicht mehr mit quies verknüpft. Ruhe

Schrecken lesen, beruht ... auf griechischen Vorbildern“. Vgl. auch K. LATTE, Religionsgeschichte, 100: „Es gibt keine Vorstellung von einem Totenreich, einem Jenseits, in dem sie [sc. die Manen] weilen, oder von einem Herrn dieses Reiches. All das entwickelt sich erst unter griechischem, zum Teil auch etruskischem Einfluß ... All diese Tatsachen führen nicht darauf, dass in Rom der Ahnenkult eine wesentliche Rolle gespielt hätte. Was wir von den Bestattungsriten wissen, fügt sich dem Bilde ein.“ Für die Spätantike auch A. STUIBER, Refrigerium interim. Die Vorstellungen vom Zwischenzustand und die frühchristliche Grabeskunst, Theoph. 11, Bonn 1957, 101: „Anhänger der älteren Hadesvorstellungen neigten dazu, die abgeschiedenen Seelen fast ins Nichts versinken zu lassen, zumindest in einen völlig empfindungslosen Zustand, eine Art von Seelenschlaf.“ Es scheint erstaunlich, dass Zeno diesen Unterschied der Vorstellungen von gentes und poetae als solchen noch vorfindet! Die gängigen spätantiken Jenseitsvorstellungen scheinen sich doch eher synkretistisch aus philosophischen und orientalischmythologischen Quellen zu speisen; vgl. C. COLPE U. A., Jenseits, 301–329. Zeno, der als Gebildeter Vergil verehrt und dessen Jenseitskonzept gerne in die Nähe christlicher Eschatologie rückt, kommt diese Differenz vermutlich sehr gelegen. Eine Kenntnis der historischen Zusammenhänge kann ihm kaum unterstellt werden, dies würde im Gegensatz zu seinem Unverständnis für die Widersprüchlichkeit von Jenseitsvorstellung und Totenkult der gentes stehen. 168 II 4,6: „mortui quippe corpus figuramque illam florentissimam edax in aeternum terra delebat; animam quoque feralibus tenebris relegatam perpetui carceris poena perpetua inplacabilis affligebat infernus. Non superi, non inferi parcebant simulacro dei: etenim mortis imperium sibimet vindicaverat totum“; terminologisch (durch Unterstreichung gekennzeichnet) in Anlehnung an V ERG. Aen. 6,734 (250 Mynors). 169 Interessanterweise kennt Zeno auch die jüdische Vorstellung vom Tod als Strafe, s. I 47 (incredulos kann hier nur die Juden bezeichnen), allerdings scheint ihm diese bezüglich der Höllenstrafen zu kurz zu greifen. 170 II 19,2: „Hic [sc. dies paschae], inquam, quo ferales diruptae sunt tenebrae, quo mors subacta est, quo homines, quos susceperant mortuos, refundere inferi coacti sunt vivos“. Und I 16,2: „fidelis autem post secundae nativitatis occasum resurgens horrore numquam intercipitur tenebrarum“.

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findet der Verstorbene in Anlehnung an biblische Vorgaben 171 durch Gott, der verstorbene Christ ist von daher quiescens.172 Der den Qualen der Hölle Übergebene allerdings sehnt sich nach nur einem Augenblick einer solchen Ruhe.173 Die Philosophen haben nach Zeno zwar Unterschiedliches über die Seele gesagt, gemeinsam ist ihnen jedoch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele.174 Damit wird jede Psychologie, die eine Weiterexistenz der Seele nach dem Tod ausschließt, als nicht-philosophisch (ab istius mundi sapientiae gustu ieiunus) 175 disqualifiziert.176 Als Vertreter dieser ‚unphilosophischen‘ Psychologie nennt Zeno ausdrücklich Epikur, Dikaiarch und Demokrit. Sie dürfte Zeno aus den Institutionen des Laktanz kennen, 177 ihre Psychologie kann jedoch für die Spätantike als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.178 171 Ps 114,7 in I 2,32: „Convertere, anima mea, in requiem tuam“; Erinnerung an den Tod Ijobs in I 15,9: „Iob beatus quievit in pace“; Mt 11,29 in II 9,4: „invenietis requiem animabus vestris“. 172 I 2,14; vgl. auch dormientes nach 1 Th 4,13f. in I 2,12 (2x); hier verwischt die Grenze zwischen dem Zwischenzustand als Jenseits vor dem Endgericht und ewigem Leben als Lohn nach dem Endgericht. 173 I 2,10: „pro uno puncto requiei incunctanter tota, si liceat, paratus offerre.“ 174 I 2,4: „Philosophi de anima varia disserunt, sed tamen hanc esse immortalem ... argumentatione manifesta“. Ähnlich pauschal auch AUG. civ. 22,25 (CChr.SL 48,852,5 Dombart / Kalb): „Verum de animi bonis, quibus post hanc vitam beatissimus perfruetur, non a nobis dissentiunt philosophi nobiles“. 175 I 2,2. Der Zweifel an der Existenz solcher Skeptiker – ebd.: „Nemo est enim“ – bleibt rein rhetorisch. 176 Dies deckt sich mit der in der christlichen Literatur gängigen Gegenüberstellung von (negativ bewertetem) Stoizismus und Epikureismus und (positiv betrachtetem) Platonismus. S. dazu W. SCHMID, Art. Epikur, RAC V, 1952, 681–819, hier: 797. 177 LACT. inst. 7,7,12f. (CSEL 19,1,608,5–15 Brandt); auch ebd. 7,8,8 (CSEL 19,1, 610,8–12 Brandt); s. P. COURCELLE, Lecteurs, 444, Anm. 97; vgl. auch I. OPELT, Polemik, 108; v.a. R. M. OGILVIE, Library, 84–87; ausführlich inklusive der ‚negativen‘ Rezeption unter den christlichen griechischen und lateinischen Vorgängern des Laktanz J. ALTHOFF, Zur Epikurrezeption bei Laktanz, in: Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 22.–25. September 1997 in Trier, hg. v. T. Fuhrer u. M. Erler, Stuttgart 1999, 33–53. Die ausführliche Beschäftigung des Laktanz mit Epikur lässt auch für Zeno, der Laktanz bekanntlich intensiv genutzt hat, eine profunde Kenntnis des Epikureismus vermuten. 178 Wenn für den Beginn des 4. nachchristlichen Jahrhunderts noch von einer starken Verbreitung „des im Vollsinn verstandenen epikureischen Credo[s]“, so W. SCHMID, Epikur, 778, ausgegangen werden kann, so ist in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und v. a. zu Beginn des 5. Jahrhunderts ein allmähliches „Aussterben des Epikureismus als lehrmäßig vertretener Position“, ebd., 777, zu konstatieren. Dennoch zählten die Kernaussagen der epikureischen Philosophie auch zu dieser Zeit noch zum allgemeinen Bildungsgut, s. ebd. Der Ruf des Dikaiarchos im Hellenismus und in der frühen Kaiserzeit,

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Die epikureische Seelenlehre hat ausdrücklich die Beseitigung der Todesfurcht zum Ziel, denn die Todesfurcht ist Ursache für moralisches Fehlverhalten. Der Tod bedeutet deshalb für die Menschen keine Bedrohung, da es kein Weiterleben der Seelen gibt, er ist vielmehr „ein Zustand der Empfindungslosigkeit und daher für den Menschen ohne Belang. Wenn wir sind, ist der Tod nicht da; wenn der Tod da ist, sind wir nicht“. 179 Die epikureische Philosophie insgesamt wurde in der christlichen Polemik geradezu zum Modell für die sich der göttlichen Offenbarung verschließende Denkweise des homo carnalis und jede gegnerische häretische Richtung konnte als (christliche) Spielart des Epikureismus diffamiert werden.180 Laktanz, auf den Zeno an dieser Stelle als Vorlage vermutlich zurückgreift,181 dürfte seinerseits zwar noch eine wirkliche Verbreitung des Epikureismus gekannt haben, erkannte aber selbst schon den Modellcharakter und nutzte diesen aus.182 Für Dikaiarch ist die Seele auf dem Hintergrund der pythagoreischen Lehre von der Seelen-Harmonie ein bloßer Begriff, dem keine Realität eignet, folglich kann es auch keine Unsterblichkeit der Seele geben.183 Demokrit setzt sich in seinem Werk „Über die Vorgänge im Hades“ mit populären Jenseitsvorstellungen auseinander und kritisiert die in ihnen artikulierten natürlichen Ängste als unbegründete „fabulöse Schreckgespenster“.184 Für ihn bedeutet der Tod die Auflösung der menschlichen Natur insgesamt, zu der auch die stoffliche, aus feuerhaltiger feinteiliger Mischung der Atome bestehende Seele gehört. 185

Die Frage nach einer möglichen Aktualität der attackierten Psychologien in der zenonischen Gemeinde scheint zunächst eine negative Antwort darin zu finden, dass Epikur, dessen Lehre vielleicht zur Zeit Zenos noch virulent gewesen sein könnte, im Verbund mit Dikaiarch und Demokrit genannt wird, deren Lehren von christlicher Seite zwar inhaltlich abgelehnt werden mussten, aber kaum mehr als Konkurrenz angesehen werden konnten. Dikaiarch und Demokrit werden hier aufgrund ihrer vergleichbaren Psychologien wie Epikur zu Typen der Auferstehungsverneinung. Zu fragen bleibt dennoch (weiter unten), welche christliche Gruppe, vielleicht in einer der gelehrtesten Männer gewesen zu sein, s. H. DÖRRIE, Art. Dikaiarchos, KP II, 1979, 19–21, hier: 19, dürfte die Bekanntheit seiner Lehre bis in die Spätantike bewirkt haben. Seine Psychologie referiert CIC. Tusc. 1,10,21 (228,2–15 Pohlenz). Die Atomistik Demokrits war v. a. in ihrer ethische Umdeutung durch die Epikureer in der Spätantike bekannt, wurde aber von Platonismus, Aristotelismus, Stoa und Christentum bekämpft und schließlich verdrängt; s. A. STÜCKELBERGER, Demokrit, in: Philosophen der Antike, Bd. I, hg. v. F. Ricken, Stuttgart / Berlin / Köln 1996, 129–144, hier: 142f. 179 M. ERLER, Epikur, in: Philosophen der Antike, Bd. II, hg. v. F. Ricken, Stuttgart / Berlin / Köln 1996, 40–60, hier: 51 (in Anlehnung an Epikurs Brief an Menoikeus). 180 S. W. SCHMID, Epikur, 778f. 181 S. o. Anm. 177. 182 S. W. SCHMID, Epikur, 778f. 183 S. J.-P. SCHNEIDER, Art. Dicéarque de Messine, DPA II, 1994, 760–764, hier: 760f.; H. DÖRRIE, Dikaiarchos, 19. 184 A. STÜCKELBERGER, Demokrit, 141. 185 S. H. DÖRRIE, Art. Demokritos, KP I, 1979, 1478–1480, hier: 1478f.

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Anlehnung an die angeführten Philosophen, in der zenonischen Gemeinde die Auferstehung in Frage gestellt haben könnte. Von den drei genannten Denkern heben sich, wie schon beobachtet, die philosophi ab – hier übernimmt Zeno einen Topos der negativen Gegenüberstellung von Epikureern und Platonikern oder anderer philosophischer Schulen.186 Die philosophi lehren nach Zeno allerdings Unterschiedliches über die Seele, wenn ihnen die Vorstellung von ihrer Unsterblichkeit auch gemeinsam ist. Die ausdrückliche Betonung unterschiedlicher Psychologien verbietet es daher, die zenonischen philosophi kurzerhand mit den Platonikern zu identifizieren. Da Zeno jedoch keine weiteren Hinweise auf die Inhalte der diversen Psychologien macht, an die er denkt, außer dass sie sich eben gegen Epikur, Dikaiarch und Demokrit richteten, kann über eine Zuweisung nur gemutmaßt werden. Schon in der Ausgabe der Ballerini 187 werden als weitere Vertreter einer Unsterblichkeits-Psychologie Zenon von Kition, Pherekydes von Syros 188 und Pythagoras genannt, Sgreva 189 hypothetisiert, dass Zeno in Anlehnung an Laktanz unter philosophi an dieser Stelle neben Platon noch Pherekydes und Laktanz selbst verstehe; Courcelle 190 dagegen verweist auf eine Cicero-Rezeption bei Laktanz, nach der Pherekydes, Pythagoras und Platon Epikur, Demokrit und Dikaiarch entgegengesetzt werden. 191

Dass Zeno einen großen Teil seiner philosophischen Kenntnisse Laktanz verdankt, belegen auch seine etwas weitergehenden Ausführungen zu Platon selbst, den Zeno nur als ille sapientissimus bezeichnet 192: „praesertim cum eorundem ille sapientissimus dicat hanc esse mortem, cum corpore animus tamquam carcere clausus tenetur, illam esse veram vitam, cum idem animus custodia carceris liberatus ad eum locum, unde venerit, revertatur.“ 193 Er rekurriert offensichtlich auf die Seelenlehre im Phaidon,194 nach der die Seele sich durch ein Leben der Philosophie von den Banden des Körpers (in die sie aufgrund innerer Schwäche aus der Welt der Gestirne gestürzt war) 195 wieder befreien und in ihre himmlische Hei186

Vgl. W. SCHMID, Epikur, 797f. P. u. G. B ALLERINI, Opera, 572, Anm. 11. 188 Dieser handelte, so C. COLPE U. A., Jenseits, 273, als erster Philosoph überhaupt über die Unsterblichkeit der Seele. 189 G. SGREVA, Teologia, 369. 190 P. COURCELLE, Lecteurs, 444, Anm. 97. 191 S. LACT. inst. 7,7,12f. (CSEL 19,1,608,5–15 Brandt). 192 Vgl. die Bezeichnung Vergils als poeta sapientissimus in I 2,26. 193 I 2,2. 194 S. A. B IGELMAIR, Traktate, 186, Anm. 2; vgl. die bei P. COURCELLE, Lecteurs, 732–734, dargestellte heidnische wie christliche Rezeptionsgeschichte der Seelenwanderung aus Verg. Aen. 6 in platonischer Deutung. 195 C. COLPE U. A., Jenseits, 279, referiert Phaidros 246a–249d. 187

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mat zurückkehren kann.196 Gleiches referiert Laktanz,197 der seinerseits vermutlich auf Cicero zurückgreift.198 Die Bewunderung Zenos für Platon, den er keineswegs gleich christianisiert – im zur Bezeichnung der Äußerung Platons benutzten sensit in I 2,2 schwingt lediglich die Einschätzung eines gleichsam unwillkürlichen (Voraus-)Empfindens der christlichen Wahrheit mit,199 sein Noch-nicht-Christ-Sein betont Zeno jedoch ausdrücklich –, diese Bewunderung Zenos für Platon wird in der Predigt zur adhortativen Frage an den möglicherweise an der Auferstehung und damit an der Unsterblichkeit der Seele zweifelnden Christen: „Si ergo hoc ille [sc. ille sapientissimus] sensit, qui non noverat Christum, cur dubitet Christianus, qui resurrectionem futuram et audit et sperat et repositam sibi praesumit de Christo?“ 200 Die Dichter schließlich differenzieren nach Zenos Kenntnis zwei Bereiche eines jenseitigen Lebens und entsprechen damit mehr noch als die (für Zeno akzeptablen) Philosophien den Ansprüchen, die der Veroneser an eine Eschatologie stellt: „Poetae autem melius [sc. quam philosophi], qui duplicem viam apud inferos ponunt: impiorum unam, quae ducit in Tartarum, piorum aliam, quae ducit ad Elisium.“ 201 Zeno nennt hier für die poetae verallgemeinernd die Zweiteilung des Jenseits in Elysium und Tartarus, wie sie in der Aeneis des Vergil begegnet, 202 ohne dass hier Vergil selbst bereits genannt oder ein wörtliches Zitat angeführt würde. Auch der christliche Gebildete kannte nach wie vor ‚seinen Vergil‘; wer über Dichtung sprach, musste ihn nicht ausdrücklich nennen. 203 Dass Zeno hier von 196

Vgl. C. COLPE U. A., Jenseits, 279. LACT. inst. 7,8,6 (CSEL 19,1,610,3f. Brandt). Die Vorlage erklärt auch animus statt anima im zenonischen Text I 2,2; zu Platon bei Laktanz vgl. auch R. M. OGILVIE, Library, 78–81. 198 S. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 15, Testimonienapparat zu I 2, 2; vgl. auch S. LILLA, Art. Platonismo e i padri, DPAC II, 1983, 2818–2858, hier: 2849. 199 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2605–2607. 200 I 2,2. 201 I 2,4. 202 S. etwa VERG. Aen. 6,540–543 (244 Mynors): „hic locus est, partis ubi se via findit in ambas: / dextera quae Ditis magni sub moenia tendit, / hac iter Elysium nobis; at laeva malorum / exercet poenas et ad impia Tartara mittit“. 203 Vgl. P. B ROWN, Macht und Rhetorik in der Spätantike, München 1995, 56: „Einige bedeutende Autoren (Vergil und Cicero im Westen ... ) wurden in den Schulen der Grammatiker von frühauf ,dem Gedächtnis eingebrannt‘ “. Brown zitiert hier Orosius, also einen christlichen Gewährsmann; vgl. für die antike Bildung generell auch H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 42: „ce sont les grands poètes du siècle d’Auguste, et Virgile avant tous, qui resteront à la base de la culture littéraire latine. Désormais un Romain cultivé est un homme qui possède son Virgile, comme un Grec Homère: trésor de sagesse et de beauté déposé au plus profond de la mémoire, dont les vers remontent à la con197

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poetae im Plural spricht, zeigt, dass Vergils Darstellung innerhalb der literarischen römischen Jenseitsvorstellungen geradezu eine kanonische Geltung zukam.204 An welche Dichter Zeno darüber hinaus denkt,205 ist nicht klar; vermutlich verallgemeinert er hier lediglich aus Gründen der Systematisierung.206 Mit der Einführung von Tartarus und Elysium konkretisieren die poetae in gewisser Weise das, was der heidnische Totenkult voraussetzt, eine ‚Welt‘ mit vitalen Lebensäußerungen: Die vergilische Jenseitsbeschreibung speist sich, besonders was Topographie und Prosopographie betrifft, aus Homer und orphisch-pythagoreischer Eschatologie, verknüpft diese aber auch mit zeitgenössischen volkstümlichen Jenseitsbildern.207 Es kommt damit eine moralische Kategorie ins Spiel, nämlich die Unterscheidung eines Strafortes (Tartarus) 208 und einer Region der Glückseligkeit (Elysium),209 wie sie ähnlich auch in der zenonischen Eschatologie von Bedeutung sein wird 210: Die diesseitigen Taten eines Menschen bestimmen den Ort, an dem er sich im Jenseits wiederfinden wird. Diese Aussage ist für Zeno so wichtig, dass er nun Vergil wörtlich sprechen lässt: „Poetae ... addentes, quod defunctorum ibidem non tam formae quam facta noscantur ac necessario recipiant secundum quod mundanae administrationis suis in actibus portant, recte dicentes: Quisque suos patimur manes.“ 211 Zu fragen bleibt schließlich nach den Skeptikern, die Zeno zu den vorausgegangenen Ausführungen veranlassten, an die im Besonderen er sich also mit Traktat I 2 wendet.212 Diese zeichnen sich über die gleichsam natürli-

science chaque fois qu’on éprouve le besoin d’exprimer, de souligner ou de cautionner un sentiment ou une idée.“ Dass dies weiterhin auch auf den gebildeten Christen zutraf, zeigt ders., Augustinus, 15f.; zu Zeno im besonderen vgl. C. T RUZZI, Zeno, 35, und v. a. auch die Liste der Vergil-Reminiszenzen bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 225f. 204 Vgl. C. COLPE U. A., Jenseits, 297f. 205 Vgl. ebd, 299: „Im Gefolge der vergilischen Nekyia werden Unterweltsbeschreibungen zum beliebten Sujet kaiserzeitlicher Literaten“. 206 Poetae neben den Gruppen der philosophi und gentes. 207 S. C. COLPE U. A., Jenseits, 298. 208 S. VERG. Aen. 6,548–627 (244–246 Mynors). 209 S. ebd., 6,637–678 (247f. Mynors). 210 Vgl. G. SGREVA, Teologia, 401–403. 211 Wörtliches Zitat von VERG. Aen. 6,743 (250 Mynors), hier gekennzeichnet durch Unterstreichung, in I 2,4. – Das Partizip dicentes (im Plural!), das Vergil-Zitat einleitend, bestätigt die oben angestellte Vermutung, dass der Terminus poetae lediglich aufgrund einer einheitlichen Systematik im Plural erscheint. 212 Dass solche den Anlass für das Traktat überhaupt geliefert haben, zeigt gleich der einleitende Satz in I 2,1, mit dem Zeno gewissermaßen medias in res geht: „Quisquis resurrectionem negat“.

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che Angst vor dem Tod 213 aus durch eine Verneinung der Auferstehung (quisquis resurrectionem negat). Die Negierung einer Auferstehung der Toten scheint ein Phänomen gewesen zu sein, mit dem sich zahlreiche Väter noch bis zum Ende der Spätantike auseinander zu setzen hatten.214 Neben unspezifischen Erwähnungen von h (a )eretici 215 oder einfach nur ei, alii, ceteri, qui resurrectionem negant, dubitant o. Ä.216 lassen sich einzelne Gruppen von ‚Auferstehungsleugnern‘ identifizieren: Die häresiologische Literatur rekurriert zunächst auf ‚Häretiker‘ aus jüdischem Umfeld,217 die die Auferstehung leugnen, gelegentlich einfach nur als Iudaei angeführt,218 oder auch spezifischer Samaritani,219 Samariti,220 insbesondere aber die in Lc 20,27 ge-

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I 2,32: „mors, quae putatur metuenda“; I 16,2: „fidelis autem ... resurgens horrore numquam intercipitur tenebrarum“. Die Angst vor dem Tod ist nicht identisch mit der berechtigten Ehrfurcht vor dem Toten; s. o. S. 200–203. 214 Die folgenden Ausführungen basieren auf der Auswertung einer Recherche in den Volumina I (Antiquitas + Patres Latini I + Biblia) und II (Patres Latini II) der Datenbank LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) in Kombination der Suchbegriffe „nega*“ und „resurrectio*“ im maximalen Abstand von zehn Wörtern. Inhaltlich sinnvolle Befunde ergaben sich dabei (neben der untersuchten Zeno-Stelle) für Tertullian, Ps.-Tertullian, Ps.-Cyprian, Filastrius, Ambrosius, Ambrosiaster, Rufin (einschließlich seiner Origenesund Ps.-Clemensübersetzungen), Chromatius von Aquileia, Petrus Chrysologus, Praedestinatus, Augustinus, Hilarius, Gregor von Elvira, Hieronymus, Cassiodorus und Isidor. Die im Folgenden angeführten Belegstellen verstehen sich exemplarisch, es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die hier nicht berücksichtigten RechercheErgebnisse bedürften einer eingehenderen Untersuchung in ihrem jeweiligen Kontext. Um das Quellenverzeichnis der Arbeit nicht zu sprengen, wird für die im Folgenden genannten Ergebnisse dieser Abfrage auf die übliche Bibliographie der den angeführten Stellen zugrunde liegenden Textausgaben verzichtet; sie können leicht über den Reiter „Memento“ der Datenbank aufgerufen werden. 215 S. etwa Tert. adv. Marc. 5; Aug. in evang. Ioh. 19; Greg. Ilib. fid.; Hier. c. Ioh. 25; ders., epist. 84; Cassiod. (Ps. Primas.) in Tm II 2. 216 S. etwa Tert. adv. Marc. 5; Rufin. Orig. princ. 2,10; Aug. retract. 2,3; ders., in evang. Ioh. 19; ders., serm. 242A; ders., serm. 264; ders., serm. 361; ders., serm. 362; ders., agon. 32,34; ders., c. Petil. 3,46; Hier. in Matth. 1; Cassiod. (Ps. Primas.) in Tm II 2. 217 Vgl. Hil. in Matth. 8: „haresis ex Iudaeis“; bei Rufin. Clement. 1,54 begegnet auch „Samaraeum schisma“. Jüdische Auferstehungsleugnung scheint auch Anlass für die christliche Exegese von 1 Rg 28 (Saul bei der Totenbeschwörerin von En-Dor) gewesen zu sein; s. K. A. D. SMELIK, The witch of Endor. I Sam 28 in rabbinic and christian exegesis till 800 a. d., VigChr 33, 1979, 160–179, hier: 160; auch Zeno bringt in I 2,8 diese Erzählung als Exemplum für ein Leben nach dem Tod, am Rande erwähnt auch bei K. A. D. SMELIK, Witch, 164.172. 218 S. etwa Ps. Cypr. tract.; Petr. Chrys. serm. 76. 219 S. etwa Filastr. 7. 220 S. etwa Rufin. Orig. in Nm 25.

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nannten Sadducaei.221 Der letztgenannte Terminus wird von Tertullian dann gewissermaßen als Schimpfwort auf christliche Zweifler übertragen.222 Nur wenige Erwähnungen weisen auf pagane ‚Auferstehungsleugner‘; sie sind philosophischer Provenienz, jedoch ausdrücklich nur (philosophi) paucissimi;223 genannt werden insbesondere Porphyrius 224 und die Epikureer.225 Die ersten konkret greifbaren christlichen Zweifler dürften Mitglieder der korinthischen Gemeinde, die Paulus in 1 Cor 15,12 anspricht, 226 gewesen sein. Sie scheinen die Auferstehung der Toten bei gleichzeitiger Anerkennung der Auferstehung Christi bezweifelt zu haben. Spätere von den Häresiologen, insbesondere in den Häretiker-Katalogen, namentlich genannte christlich-häretische Auferstehungsleugner sind (in der Nachfolge des Simon Magus 227) Markion,228 Apelles,229 Markus,230 Valentinus,231 ein gewisser Hieracitas oder Hieraca 232 und deren Anhänger, weiter Florianer bzw. Karpokratianer, 233 Kerdonianer,234 aber auch Origenianer.235 Häufig gemeinsam mit diesen dem Milieu des Gnostizismus entstammenden Leugnern werden auch die Manichäer genannt. 236 Es ist also zu differenzieren zwischen im Heidentum bzw. Judentum beheimateten Kontrahenten, die per se eine Auferstehung leugneten 237 – die Kritik ihnen gegenüber ist umfassender Natur, auf den Punkt der Auferstehungsleugnung näher einzugehen erübrigt sich daher für die christlichen Polemiker in aller Regel –, und jenen, die zwar die Auferstehung Jesu anerkannten, eine zukünftige Auferstehung der Menschen insgesamt jedoch ablehnten.238 Größere Probleme 239 bereiteten offensichtlich letztere, in christlichen Ge221 S. etwa Tert. adv. Marc. 4; ders., resurr. 36.39; Ps. Tert. haer.; Ambrosiast. (ad Tm 2); Rufin. Clement. 1,54; Petr. Chrys. serm. 95; Aug. in psalm. 65; ders., serm. 223A; ders., civ. 22,17; ders., c. Faust. 16,24; Hil. in Matth. 8; Hier. c. Lucif. 23. 222 S. etwa Tert. resurr. 36: „Habes igitur dominum confirmantem adversus haereticos iudaeorum, quod et nunc negatur saducaeos christianorum, solidam resurrectionem“. 223 S. Aug. civ. 22,25. 224 S. ebd., 13,19. 225 S. Ambr. epist. extra coll. 14; vgl. auch Tert. adv. Marc. 5: „marcion principalem suae fidei terminum de epicuri schola agnoscat … negans carnis resurrectionem, de qua proinde nulla philosophia consentit.“ 226 S. etwa Tert. praescr. 33; ders., adv. Marc. 5; Ambrosiast. quaest. test. 102; Hier. c. Lucif. 23; Aug. c. Petil. 3,46; Isid. orig. 8,4. 227 S. Ps. Tert. haer. 228 S. etwa Tert. praescr. 33; ders., adv. Marc. 5; Hier. c. Ioh. 25. 229 S. etwa Tert. praescr. 33; Hier. c. Ioh. 25. 230 S. etwa Praedest. 1,14; Aug. haer. 14. 231 S. etwa Tert. praescr. 33; Rufin. symb. 39; Aug. haer. 11; Hier. c. Ioh. 25. 232 S. etwa Praedest. 1,47; Aug. haer. 47. 233 S. etwa Filastr. 57; Isid. expos. in lev. 11,6. 234 S. etwa Aug. haer. 21. 235 S. etwa Praedest. 1,43. 236 S. etwa Filastr. 61; Rufin. symb. 37; Aug. c. Faust. 16,24; ders., c. Iulian. op. imperf. 6; Hier. c. Ioh. 25. 237 S. Aug. serm. 361: „ei qui foris sunt, ex quorum numero non hic arbitror adesse aliquem“. 238 S. etwa Aug. serm. 242A: „ceteri, qui, cum Christi resurrectionem negare non audeant, nostram futuram negant“; Aug. serm. 362: „quia veram dixerunt resurrectionem unam, sed aliam negaverunt“; Aug. c. Iulian. op. imperf. 6: „resurrectionem mortuorum

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meinden Anzutreffende.240 Der Zweifel an einer fudamentalen Glaubenswahrheit führt jedoch dazu, das Ihnen von Seiten der Väter das Christ-Sein schlichtweg abgesprochen wird.241

Zeno gibt zunächst eine allgemeine Einschätzung solcher Skeptiker ab: „Quisquis resurrectionem negat, vitam suam, semet ipse condemnat.“ 242 Denn solche ‚Auferstehungsleugner‘ kennen keine felicitas futuri temporis; ihre Einstellung wird charakterisiert als sacrilega incredulitas, aufgrund derer sie Gott seine Allmacht absprechen.243 Der Terminus incredulitas legt bereits nahe, dass es sich vermutlich auch bei den von Zeno Attackierten um christliche Skeptiker handelt – nicht geglaubt werden kann nur das, was man kennt; auch die Nennung einer Negierung der Auferstehung (resurrectio) (und nicht genereller der Verneinung eines irgendwie gearteten Lebens nach dem Tod) sowie die Rede von Jesus als dominus 244 deuten in diese Richtung. Bestätigt wird dies an zwei Stellen durch die an die argumentativen Ausführungen anschließende diatribische Frage: „cur dubitet Christianus, qui resurrectionem futuram et audit et sperat et repositam sibi praesumit de Christo?“ 245 und ähnlich, sich aber direkt an den christlichen Skeptiker richtend, „resurrectionem futuram cur, Christiane, non credis?“ 246 Schließlich resümiert Zeno: „Christianus ergo in toto dubitare non debet in statum pristinum mortuos excitari talesque legitima die ante conspectum dei ex illo naturae secreto produci, quales fuerint pro sua quique qualitate suscepti.“ 247 Die Haltung des Skeptikers wird als sanon esse putantibus, et tamen christum resurexisse credentibus, propterea dicitur, si resurrection mortuorum non est, neque christus resurrexit“; u. ö. 239 Vgl. in diesem Zusammenhang Tert. resurr. 2: „nam et multi rudes et plerique sua fide dubii et simplices plures, quos instrui dirigi muniri oportebit“. 240 S. Greg. Ilib. (Ps. Orig.) tract. 17: „Extiterunt multi qui a foris quidem oves putantur, intus autem sunt.“ 241 S. Aug. serm. 361: „qui ergo dicunt mortuos non resurgere, christiani non sunt“; uneindeutig bezüglich der Religionszugehörigkeit, da abhängig von der Bedeutung des Terminus infidelis, hingegen Chromat. in Matth. 41: „resurrectio carnis a quibusdam infidelibus negabatur“; s. aber Aug. c. Petil. 3,46: „falsi testes dei … stulte infideliterque dixerunt, non esse resurrectionem mortuorum.“ 242 I 2,1. 243 Ebd.: „Cur enim mereatur felicitatem futuri temporis cernere, quem videas sacrilega incredulitate dei potentiae derogare?“ 244 I 2,11. 245 I 2,2. 246 I 2,13. 247 I 2,15. Hier führt Zeno im Anschluss an seine bisherigen Ausführungen zur Eschatologie mit illo naturae secreto die Vorstellung eines Zwischenaufenthaltes zwischen Tod und Gericht ein und verbindet damit einen bestimmten Zustand des Menschen (status pristinum / quales fuerint pro sua qualitate suscepti). Zur Vorstellung des Zwischenzustands bei den Kirchenvätern allgemein s. A. STUIBER, Refrigerium, 43–105. (Wenn die Ausführungen Stuibers zum Zwischenzustand in der Sepulkralikonographie

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crilega (incredulitas) qualifiziert, er rückt damit moralisch in die Nähe von Heiden, faktisch wird er durch diese Charakterisierung zum Atheisten. Als Motiv für eine solche Einstellung lässt Zeno keinen aufrichtigen Zweifel gelten, rückschließend aus seinem eigenen eschatologischen Konzept kann für ihn der Grund nur darin liegen, dass die Skeptiker ihre irdischen Freveltaten einer Bestrafung im Jenseits entziehen wollen, 248 „die Leugnung … der Unsterblichkeit der Seele [wird] so auf die Angst vor göttlicher Strafe zurückgeführt.“ 249 Damit deutet sich eine Nähe der kritisierten Skeptiker zum Epikureismus an, dem man in kirchlichen Kreisen in Verallgemeinerung eines Vulgärepikureismus gerne zu große Zugeständnisse an den homo carnalis vorwarf.250 Auch Zeno greift hier, gemessen an anderen freilich verhalten, auf eine gängige Verknüpfung der christlichen Polemik zurück, die die epikureische Leugnung der Unsterblichkeit der Seele ursächlich mit der Lustlehre in Verbindung bringt. 251 Der intellektuelle Hintergrund für die geäußerte Skepsis scheint jedoch ein wirklicher philosophischer Zweifel gewesen zu sein. Mehrfach erwähnt Zeno selbst die Behauptung der Skeptiker, dass mit dem Tod des Körpers auch die Seele vergehe (animas nostras dissolvi / animas interire), dass letztlich vom Menschen nichts übrig bleibe (penitus interire / nihil

und -architektur auch sehr umstritten sind, ja inzwischen sogar als widerlegt gelten, vgl. hierzu etwa schon L. DE B RUYNE, Refrigerium interim, RivAC 34, 1958, 87–118, so haben seine Beobachtungen für die Patrologie keineswegs an Wert eingebüßt.) Den Terminus refrigerium selbst benutzt Zeno fast ausschließlich im Sinn von ,Kühlung, Erfrischung‘; lediglich innerhalb der Zitation von Sap 2,1 in II 4,10 kann der Begriff auch auf ein Leben nach dem Tod bzw. einen „Zwischenzustand“ gedeutet werden. Angesichts dieses Befundes wundert es wenig, dass Zeno trotz der deutlichen Nennung eines Zwischenaufenthaltes weder in der Arbeit Stuibers noch in A. M. SCHNEIDER, Refrigerium I. Nach literarischen Quellen und Inschriften, Freiburg im Breisgau 1928, (letztere eine Arbeit zur Grundbedeutung und Übertragung des Terminus insgesamt; freundlicher Hinweis Prof. Dr. Hans Reinhard Seeliger, Tübingen), Berücksichtigung findet. 248 I 2,1: „Sed hoc amore criminum faciunt, ut putent impunita fore quae clanculo gerunt. Nam si iudicii diei adpropinquare iam cursus adverterent, procul dubio et praesentia odissent et futura credidissent pariterque metuissent.“ Interessanterweise ist die Haltung des christlichen Skeptikers mit der jüdischen Einstellung identisch; vgl. I 47. Juden und Häretiker sind, da beide Gruppen es eigentlich besser wissen müssten, increduli. 249 W. SCHMID, Epikur, 793. 250 Vgl. ebd., 801. 251 Vgl. ebd., 793f. So schreibt etwa Laktanz, dem Zeno offensichtlich seine Epikur-, Demokrit- und Dikaiarch-Kenntnis verdankt, in LACT. inst. 3,17,35 (CSEL 19, 234,13– 18 Brandt): „iam superius dixi differre me hunc locum et operi ultimo reservare, ut hanc Epicuri persuasionem, sive illa Democriti sive Dicaearchi fuit, et argumentis et divinis testimoniis redarguam. Verum ille fortasse inpunitatem vitiis suis spopondit: fuit enim turpissimae voluptatis adsertor, cuius capiendae causa nasci hominem putavit.“

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superesse / homo in aeternum perit).252 Da sich sonst keine weiteren inhaltlichen Angaben finden, die hinter solch pessimistischer Eschatologie stehen könnten, außer dem Verweis auf Epikur, Dikaiarch und Demokrit, sind diejenigen, die Zeno konkret anspricht, kaum als Gruppe zu bestimmen. Dass der Traktat ein Reflex auf eine konkrete Situation in der veronesischen Gemeinde ist und nicht allein ein gelehrtes, auf archivarischem Wissen basierendes Konstrukt als Aufhänger für eine Auferstehungstheologie, darauf dürfte schon die diatribische Eindringlichkeit, die Zeno hier an den Tag legt, hindeuten.253 Der Traktat bietet nämlich keineswegs eine bloße Laktanzrezeption, wie man angesichts der zahlreichen Reminiszenzen vermuten könnte. Der Quelle Laktanz bedient sich Zeno hier nur innerhalb der argumentativen Widerlegung, 254 nicht bei der Be-

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I 2,2: „qui audeat dicere animas cum corporibus interire, caelestia cum terrenis absumi“; I 2,3: „Igitur primo omnium probandum puto animas nostras suorum corporum exuuiis nec cum labe carnalis huiusce domicilii ista prima morte dissolvi ... ut tunc demum credi possit resurgere, quod omnibus palam sit non penitus interire“; I 2,7: „Hic nunc mihi responde, qui hominis post mortem nihil superesse contendis“; I 2,11: „Itaque si homo mortuus in aeternum perit“. 253 Vgl. dazu die bei W. SCHMID, Epikur, 776f., referierten ähnlichen Beobachtungen Zingerles für den Psalmenkommentar des Hilarius als auch seine eigenen Erwägungen bezüglich Augustins Brief 118. Allerdings erschüttert dies nicht seine Ansicht vom „allmählichen Aussterben des Epikureismus als lehrmäßig vertretener Position in der 2. Hälfte des 4. und vor allem im beginnenden 5. Jh.“, er räumt allerdings ein, dass „epikureische Kernstellen auch abgesehen von der christl. Polemik nach wie vor zum Bildungsgut gehören“ konnten; ebd., 778. Die „bis in die letzte Phase der Spätantike“ anhaltende christliche Polemik gegen den Epikureismus erklärt ders., 777f., damit, „daß der Epikureismus auf christl. Seite längst als typische Denkweise des der göttlichen Offenbarung sich verschließenden, des ,unerleuchteten‘ Menschen galt … so wurde der Epikureismus zur Gegenposition des Christentums schlechthin“. 254 I 2,2 liegt die Vorstellung von der Befreiung der Seele aus dem Kerker des Körpers, referiert auch von LACT. inst. 7,8,6 (CSEL 19,1,610,3f. Brandt), zugrunde; I 2,3 rekurriert auf Strafe oder Belohnung der Seele nach dem Tod nach LACT. inst. 7,7,13 (CSEL 19,1,608,9–12 Brandt); I 2,4 wendet sich gegen die Seelenlehre Epikurs, Dikaiarchs und Demokrits in Anlehnung an LACT. inst. 7,7,12f. (CSEL 19,1,608,5–15 Brandt), übernimmt die Vorstellung des bivium aus LACT. inst. 6,3,9 (CSEL 19,1,487,10f. Brandt) und die Rede von Tartarus und Elysium aus LACT. inst. 6,4,1 (CSEL 19,1,489,4–8 Brandt); I 2,5 nennt den Körper eines Menschen wie ein Haus in Besitz nehmende Geister, die den umherschweifenden und Häuser besetzenden Geistern bei LACT. inst. 2,14,11–14 (CSEL 19,1,164,13–165,8 Brandt) entsprechen; I 2,6 beschreibt ähnlich wie LACT. inst. 2,15,3f. (CSEL 19,1,165,15–23 Brandt) und LACT. inst. 5,21,4f. (CSEL 19,1,471,8–14 Brandt) das Verhalten von Dämonen beim Exorzismus; I 2,21 schließlich rekurriert auf die Beschreibung des Phönix in LACT. Phoen. 77.99f. (CSEL 27,2,1,140.142 Brandt).

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schreibung der Situation.255 So werden die drei ein jenseitiges Leben negierenden Philosophen als Gruppe zwar unter Rückgriff auf Laktanz 256 vermutlich aufgrund der inhaltlichen Ähnlichkeiten angeführt; eine besondere Bedeutung in der konkreten Situation der Veroneser Gemeinde kann aber wohl ausschließlich für Epikur angenommen werden. 257 Nachweislich haben sich etwa Ambrosius und Augustin näher mit Epikur auseinandergesetzt,258 letzterer behauptet sogar für einen bestimmten Punkt seiner Entwicklung, gerade in der Frage des Schicksals der Seele nach dem Tod epikureische Gedanken erwogen zu haben.259 Anders als Ambrosius und Augustin scheinen aber die Mitglieder der zenonischen Gemeinde einer Hilfestellung angesichts ihres Zweifels zu bedürfen. Bigelmair bemerkt zu den Veroneser Skeptikern, dass es sich um Christen handele, „die noch so wenig in die Lehre, der sie Anhänger geworden waren, sich vertieft hatten, dass sie an dieser Grundwahrheit [der Auferstehung des Fleisches] Zweifel hegten.“ 260 Soviel lässt sich abschließend sagen, die Skeptiker gehörten sicher einer philosophisch gebildeten Schicht an, in deren Kreisen ein unspezifischer Zweifel an einem Leben nach dem Tod seit der Kaiserzeit weit verbreitet war.261 Eine Nähe zum Gnostizismus ist zum einen aufgrund der verbreiteten Polemik gegen die Gnostiker als Auferstehungsleugner, zum anderen aufgrund einer ebenso verbreiteten Gleichsetzung von Marcioniten und Gnostikern mit Epikureern 262 denkbar, jedoch in keiner Weise für die zenonische Gemeinde nachweisbar. Die Auferstehungsleugner bzw. -zweifler in Zenos Gemeinde scheinen jedenfalls auch nach der Annahme des Christentums nicht bereit, sich von traditionellen (philosophischen) 255 Die Datenbankrecherche, s. o. S. 360, Anm. 214, liefert keine Ergebnisse zur kombinierten Suche von „nega*“ und „resurrectio*“ im Abstand von zehn Wörtern im Werk des Laktanz. 256 S. LACT. inst. 7,7,12f. (CSEL 19,1,608,5–15 Brandt). 257 Die Formulierung animas dissolvi weist v. a. auf Lukrez und damit terminologisch in Richtung Epikureismus. CIC. Tusc. 1,11,24 (229,23f. Pohlenz) bringt die Terminologie auch mit der pythagoreischen Psychologie des Aristoxenos in Zusammenhang. Eine inhaltliche Nähe der Psychologie könnte am ehesten zu einem materiellen Traduzianismus stoischer Provenienz bestehen; s. dazu V. GROSSI, Art. Traducianesimo, DPAC II, 1983, 3502f., hier: 3502. Aber auch dafür bietet der Text keinerlei weiterführende Belege. 258 S. W. SCHMID, Epikur, 787–789. 259 S. AUG. conf. 6,16,26 (CChr.SL 27,90,5–10 Verheijen): „et disputabam cum amicis meis alypio et nebridio de finibus bonorum et malorum Epicurum accepturum fuisse palmam in animo meo, nisi ego credidissem post mortem restare animae uitam et tractus meritorum, quod Epicurus credere noluit.“ 260 A. B IGELMAIR, Zeno, 126. 261 Vgl. C. COLPE U. A., Jenseits, 295. 262 S. W. SCHMID, Epikur, 799–801.

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Vorgaben völlig zu trennen. Damit unterscheiden sie sich zwar inhaltlich von denjenigen Christen, die nach wie vor kultischen oder divinatorischen Praktiken nachgehen, in ihrer Einstellung zur Tradition sind sie ihnen jedoch durchaus vergleichbar. Insofern bekämpft Zeno auf praktischer wie auf intellektueller Ebene verwandte Phänomene. III. Intellektuelle und Gebildete Es konnte gezeigt werden, dass Fragen aus dem Bereich der Theologia naturalis Zeno zu kritischer Stellungnahme nötigen, da sie offensichtlich konfliktverursachend in die Gemeinde getragen werden. Zur Kennzeichnung derjenigen, die solche Themen anstoßen und auch die zenonische Gemeinde zu verunsichern scheinen, bedient sich Zeno eines Vokabulars, das nicht immer und ohne weiteres eine Trennung von Heiden und Christen erkennen lässt. In der Regel erhellt der Kontext, wer gemeint ist. 1. sapientes Eine eindeutige Zuordnung erfährt die Begrifflichkeit sapientes. Sie bezeichnet Philosophen,263 und damit sind hier Heiden gemeint, aber auch entsprechend antiker Manier ‚Weise‘ im denkbar weitesten Sinn als Träger von ‚Intellektualität‘. Insbesondere die griechischen Philosophen nennt Zeno allgemein sapientes Graeciae viri,264 und als deren ‚Weisester‘ wird Platon charakterisiert.265 Anders jedoch als Platon erfahren die übrigen griechischen ‚Weisen‘ eine negativ qualifizierende Einschätzung. Sie sind nicht wirklich weise, sondern nur „sapientes, ut videri volunt“.266 „Cor suum ultra quam licitum est ... extulerunt“ 267 wird als Grund für diese negative Qualifizierung angeführt. Sie gefährden auch das Christentum, da die aus ihren Schulen stammende Methode der sophistischen Auslegung bereits bis in die christliche Kirche gedrungen ist: „Nam mutato nomine et cultu ... illas scholares calumnias dei usque ad ecclesiam transmiserunt.“ 268 263 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2485f. (Lemmata „sapiens“ und „sapientia“). S. auch L. T HOMAS, Die Sapientia als Schlüsselbegriff zu den Divinae Institutiones des Laktanz mit besonderer Berücksichtigung seiner Ethik, Freiburg (Schweiz) 1959, 88, zur Bezeichnug der heidnischen Philosophie als falsa sapientia . 264 II 9,1. 265 I 2,2: „eorundem ille sapientissimus“. Dem Pronomen idem geht kein direktes Bezugswort voraus, gedacht dürfte aber sapientes sein, da im vorhergehenden Satz von der istius mundi sapientia die Rede ist; möglich wäre auch das weiter unten im Traktat begegnende philosophi. 266 II 9,1. 267 Ebd. 268 II 9,2.

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Dass sapientes zur Bezeichnung nicht-christlicher und insbesondere vorchristlicher Denker dient,269 belegt auch der Gebrauch des Terminus in II 1. Von den zu Beginn des Traktates noch positiv als excellentes ingenio et doctrina viri 270 Beschriebenen sagt Zeno, dass sie, die zwar als Weise (sapientes), gemessen an christlichen Maßstäben jedoch als Ungerechte gelten, nicht die Möglichkeit hatten, die wahre Gerechtigkeit, und das bedeutet natürlich Gerechtigkeit im Kontext der christlichen Lehre, kennenzulernen.271 Ihre öffentliche Anerkennung als gebildete Denker (iudicari ... sapientes) wird zwar von Zeno noch berücksichtigt, er teilt diese Anerkennung jedoch nicht, da sie sich, zumindest in ihrer Interpretation der iustitia, wenn auch unverschuldet,272 weil dem Christentum vorausgehend, 269 Seit Cicero steht das lateinische sapientia synonym für das griechische philosophia ; s. W. GEERLINGS, Sapientia und Sapientia Dei bei Augustinus, in: PhilosophischTheologische Grenzfragen. FS R. Schaeffler, hg. v. J. Kirchberg u. J. Müther, Essen 1986, 45–50, hier: 45. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass Zeno auch in der Frage der Einschätzung von sapientia eine vermittelnde Position einnimmt; im Vergleich des sapientia-Verständnisses ist ein roter Faden von der rigorosen Ablehnung philosophischer sapientia , wie L. T HOMAS, Sapientia, insbesondere 86, sie für Laktanz festmachen zu können meint – vgl. demgegenüber jedoch H. B LUMENBERG, Kritik und Rezeption antiker Philosophie in der Patristik. Strukturanalysen zu einer Morphologie der Tradition, StGen 12, 1959, 485–497, hier: 488, der von „ökonomischer Skepsis“ gegenüber einem menschlichen Vermögen der Wahrheitserkenntnis insgesamt spricht, ebd., 490, dies jedoch als „eine Aufwertung der philosophischen Tradition“ gegenüber apologetischer Polemik bewertet –, über die ambivalente Einschätzung Zenos zur positiven Haltung Augustins, s. W. GEERLINGS, Sapientia, 46, zu erkennen. Gemeinsam ist jedoch allen drei Genannten die Auffassung, dass die christliche sapientia demgegenüber eine sich im ethischen Verhalten des Menschen äußernde Gabe Gottes, vgl. auch H. B LUMENBERG, Kritik, 489f., und damit Teilhabe an der vera sapientia, die Gott ist, bedeutet. Konsequenz ist für alle drei die Abwendung von heidnischer und eine Hinwendung zur auf der Schrift basierenden christlichen Bildung, s. L. T HOMAS, Sapientia, 30– 32.86f.; W. GEERLINGS, Sapientia, 46–48. 270 II 1,1. 271 II 1,4: „Ceterum si scire potuissent veram iustitiam, cuius est inmortalitas merces ... incunctanter optarent stultos iudicari se iustos quam sapientes iniustos“. Damit übernimmt Zeno die Einschätzung der weltlichen Philosophie von Laktanz (vgl. L. T HOMAS, Sapientia, 86), schwächt diese jedoch etwas ab. Zur Toposhaftigkeit der Aussage vgl. AUG. vera relig. 4,7 (CChr.SL 32,192,20–23 Daur): „Ita si hanc vitam illi viri nobiscum rursus agere potuissent, viderent profecto, cuius auctoritate facilius consuleretur hominibus, et paucis mutatis verbis atque sententiis christiani fierent“. 272 S. auch II 1,2: „cum eam [sc. iustitiam] comprendere non possent – neque enim poterant sine magisterio divinae sapientiae, cuius notitiam non habebant“. Die Formulierung comprendere non possent erinnert an LACT. inst. 1,1,5 (CSEL 19,1,2,11f. Brandt), wo dieser von der veritas sagt: „veritas … ingenio ac propriis sensibus non potest comprehendi“. Vgl. dazu H. B LUMENBERG, Kritik, 489f.: Laktanz „braucht die antiken Weisen nicht zu Sündern zu machen, um ihren Mangel an Wahrheit erklären zu können – sie waren der Wahrheit würdig, aber als eines Gutes, auf das es keinen Anspruch

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irrten.273 Sie hielten sich lediglich für weise und gerecht, waren es aber nicht wirklich.274 Weniger eindeutig, d. h. nicht ausdrücklich auf als vorchristliche Philosophen gekennzeichnete bezogen, ist der Gebrauch von sapiens in I 20 und I 36,27. Die dort Beschriebenen weisen sich als Philosophen aus durch die positive Eigenschaft, ethischen Grundsätzen zu folgen. 275 Diese sapientes verurteilen zu Recht cupido als verfluchenswert; die Nähe des angeschlossenen Schriftzitates könnte hier christliche sapientes vermuten lassen, der Verweis auf sapientes könnte aber auch bedeuten, dass auch die (nichtchristlichen) Philosophen die biblische Einschätzung teilen. 276 Es ist insgesamt für solche weisen und ehrenhaften Menschen (sapientes et honesti) schlimmer, durch einen Schandfleck entstellt zu werden als zu sterben. 277 Diese Rigorosität lässt an die stoische Selbsttötung denken. 278 Die an diesen Stellen durchklingende positive Anerkennung philosophischer Ethik durch Zeno lässt einen leicht ambivalenten Eindruck entstehen,279 sie kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Augen Zenos Intellektualität insgesamt eher gefährlich und deshalb verwerflich ist. Der huius (oder istius) mundi sapientia 280 kann sich, insbesondere wohl deshalb, weil sie den Platonismus mit einschließt, zwar niemand wirklich entziehen: „Nemo est enim tam vel ab istius mundi sapientiae gustu ieiunus.“ 281 Ihr wird sogar zugestanden, dass ihr Fleiß zu Eigen gibt. Das ist, verglichen mit apologetischer Polemik, eine Aufwertung der philosophischen Tradition“. 273 II 1,4: „maxime cum iam sit eorum fraus omnis in medio.“ Ob Zeno hier an konkrete Abhandlungen zur iustitia dachte, lässt der Text nicht erkennen. A. B IGELMAIR, Traktate, 81, Anm. 2, nennt unter Bezug auf LACT. inst. 5,16,2 (CSEL 19,1,449,13 Brandt) Karneades. Die Rezeption von LACT. inst. 5,16,12 (CSEL 19,1,451,16–18 Brandt) in II 1,2 lässt vermuten, dass Zeno keine direkte Kenntnis von Vertretern einer solchen Rechtstheorie wie Cicero, Seneca und Plinius (s. ThesLL 7,2,1, 714f.) hatte. 274 II 1,10: „Ceterum sive iusto sive sapienti si alterum defuerit ex duobus, quod illi putaverunt, nec sapiens profecto erit ille nec iustus.“ 275 Damit orientiert sich Zeno einmal mehr an Laktanz, hier an dessen sapientia, die im ethischen Bereich Wissen um Gut und Böse ist; s. das Laktanz-Zitat in II 1,9: LACT. inst. 5,17,25 (CSEL 19,1,456,17–19 Brandt); vgl. auch L. T HOMAS, Sapientia, 85. 276 I 36,27: „quicquid in eo [sc. cupiditate] geritur, non debere diligi a nobis sacris vocibus dum iubetur, recte sapientibus exsecrabilis esse videatur, Iohanne dicente:“. 277 I 20: „apud sapientes et honestos gravius est aliqua nota confundi quam mori.“ 278 Es verwundert, dass Zeno hier nicht der Kritik der Stoiker durch andere Kirchenväter wegen ihrer Billigung des Selbstmordes folgt; vgl. I. OPELT, Polemik, 107. 279 Eine solche zwiespältige Beurteilung der Philosophen bleibt auch schon bei Laktanz unaufgelöst; s. L. T HOMAS, Sapientia, 94. 280 I 2,2; 1 Cor 3,19 in II 1,5; II 1,9; auch sua sapientia nach Jr 9,23 in II 1,5 und sapientia sua in II 1,15. 281 I 2,2. Nicht umsonst sind es v. a. Elemente der Ethik, die der Veroneser Bischof aus vorchristlichen Quellen rezipiert.

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ist. Im gleichen Atemzug wird dieser positive Zug jedoch wieder eingeschränkt: „Denique quod sapientia legibus per industriam colligit, uno impetu aliquotiens clusis oculis illa .“ 282 Wenn man sich dieser Intellektualität zu sehr überlässt (nimia sapientia 283), führt dies zu ethisch verwerflichem Verhalten. Diese sapientia birgt die Gefahr des Untergangs der gesamten Menschheit in sich.284 Denn neben fortitudo 285 und avaritia 286 ist sie eine der Grundlagen aller Laster, da sie sich der Mittel der Rhetorik bedient, mit denen auch falsche Inhalte (mendacium) überzeugend vermittelt werden.287 Dies äußert sich besonders drastisch auf dem Gebiet des Rechts, von dessen Vertretern die weltliche Gerechtigkeit fälschlicherweise als sapientia bezeichnet wird.288 Nach Zenos Ansicht handelt es sich jedoch vielmehr um Ungerechtigkeit, da diese Art der Weisheit sich auch der avaritia beugt.289 Zum Aufweis der Gefahr und Verwerflichkeit solcher sapientia bedient sich Zeno an zahlreichen Stellen, insbesondere in Traktat II 1, dem Schlüsselfunktion bei der Interpretation des Begriffs sapiens zukommt, biblischer Zitate.290 Hier wird der huius (oder istius) mundi sapientia 291 die sapientia dei (oder divina) gegenübergestellt.292 Die huius (oder istius)

282

II 1,7. II 3,2. 284 II 1,6: „in interitionem cogitur omne genus humanum“. 285 II 1,7. 286 II 1,8. 287 II 1,6: „His enim tribus rebus, quae fundamenta sunt omnium vitiorum, violentis quasi quibusdam tempestatibus naufragatum momentis universis in interitionem cogitur omne genus humanum. Namque sapientia densis exaestuans argumentis, suasorio ac delectabili luculentae orationis compta mendacio, armata vocis tuba et gladio linguae omnes actus ad se trahit, congregat turbas, contionatur.“ 288 II 1,3: „quamvis sit [iustitia] sapientiae nomine falso vestita“ in Anlehnung an LACT. inst. 5,16,13 (CSEL 19,1,452,3f. Brandt); auch II 1,4: „Non enim rem valuerunt transferre, sed nomina, iustitiam stultitiae, iniustitiam sapientiae vocabulis infamantes“; II 1,7: „sapientia legibus per industriam colligit“; II 1,9: „Videtisne iam manifeste sapientiam huius mundi non esse iustitiam et quidem nec veram sapientiam?“ Zu dieser Gegenüberstellung in der Apologetik insgesamt s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 291–300, bes. 299, Anm. 247. Zur christlichen sapientia dagegen vgl. u. S. 570–573. 289 II 1,8: „[avaritia,] cui subiugata sapientia servit“. 290 II 1,5: „Quod etiam sacrae legis testimoniis probare non desinam“. 291 I 2,2; 1 Cor 3,19 in II 1,5; II 1,9; auch sua sapientia nach Jr 9,23 in II 1,5 und sapientia sua in II 1,15. 292 Rm 11,33 in I 34,2; 1 Cor 1,24 in I 46A,2; 1 Cor 1,24 in I 50; II 1,2; 1 Cor 1,21 in II 1,5; Rm 11,33 in II 3,16; s. auch I 17,1: „Igitur ineffabilis illa incomprehensibilisque sapientia sapientiam ... propagat“; I 56,1: „ineffabilis illa virtus incomprehensibilisque sapientia e regione cordis eructuat verbum“; II 9,4: „ineffabilis eius [sc. dei nostri] illa sapientiae“; II 4,7: „filius dei, cuius sapientia non habet finem“; I 7,2: „[principium] ... 283

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mundi sapientia ist, mit schon paulinischen Worten gesprochen, von Gott selbst verurteilt – „nam huius mundi sapientia stultitia est apud deum“,293 denn sie erkennt die Weisheit Gottes nicht – „sapientiam dei non cognovit saeculum per sapientiam“.294 Deshalb sollte der Mensch überhaupt nicht danach streben, in weltlichem Sinn weise zu werden, 295 es besteht die Gefahr, dass er aufgrund zu großer Weisheit astutus wird.296 Die Schrift empfiehlt dagegen, dass der Weise sich seiner Weisheit nicht rühme, 297 sondern vor der Welt ein stultus werde.298 2. ingenia Ein Terminus, der sowohl heidnische wie christliche Intellektualität beschreiben kann, ist ingenium. Zeno bezeichnet damit das ‚geistige Talent‘,299 das auch nach Art einer Synekdoche für seinen Träger stehen kann. Allerdings ist für Zeno mit ingenium zugleich auch meist eine negative Konnotation verbunden, es scheint insbesondere Eigenschaft derjenigen zu sein, die sich für sapientes halten. Ausdrücklich auf griechische Philosophen bezogen wird ingenium in Traktat II 9.300 Ebenfalls in paganen Kontext gehörig erscheint die Formulierung excellentes ingenio et doctrina viri, bezogen auf Gelehrte, die sich quod sapit“; indirekt II 1,15: die Bezeichnung Christi als „sapientia vera“ und I 60: „Christus mundum latenter intravit, ne sibi sapiens diabolus videretur.“ 293 1 Cor 3,19 in II 1,5; auch 1 Cor 3,20 (in Zitation von Ps 93,11) in II 1,15: „Novit deus cogitationes sapientium, quia sunt stultae.“ 294 1 Cor 1,21 in II 1,5. 295 Ecl 7,17 in II 3,12: „Noli esse sapiens multum“; Rm 11,20 ebd.: „Noli altum sapere“. Vgl. H. B LUMENBERG, Kritik, 489, zu Laktanz: „Der Mensch ist so genau im Seienden justiert, dass die Reichweite seiner Erkenntnisorgane kongruiert mit dem ihm zugemessenen Gegenstandsbereich und das ihm ,natürlicherweise‘ Unerreichbare (quae a nobis longe remotae ) auch das von Gott ihm Vorenthaltene ist.“ Und ebd., 488f.: „Die für den Menschen mögliche Evidenz ist zugleich die für ihn ausreichende Gewißheit. Diese ökonomische Skepsis läßt sich für Laktanz unmittelbar in den christlichen Gedanken einer heilsnotwendigen Wahrheit übersetzen, die von Gott, sozusagen in Kosequenz der teleologischen Anlage der Schöpfung, mitgeteilt wird“. 296 II 3,2: „manifestissimum puto nimis astuto esse simplicem meliorem, quia ... astutus autem nimia sapientia infatuatus inquisitionibus vanis semet ipsum confundit“; Sir 19,21 in II 3,12: „Melior qui deficit sensu in timore quam qui abundat astutia et transgreditur legem“. Diese Art übermäßiger Bildung steht auf einer Ebene mit der Verschlagenheit (astutia ) der Kaufleute, die damit der avaritia huldigen, s. I 14,1. 297 Jr 9,23 in II 1,5: „Non glorietur sapiens in sua sapientia“. 298 1 Cor 3,18 ebd.: „Si quis inter vos videtur sapiens esse in hoc saeculo, stultus fiat, ut sit prudens“. 299 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 262. 300 II 9,1: „Sapientes ... Graeciae viri ... cum ingenii sui carmen coli vel maxime cupiunt“.

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in dicken Büchern zur iustitia äußerten.301 Und schließlich wird auch Vergil, hier allerdings positiv in Würdigung seiner Leistung, eine ingeniosa suspicio zugesprochen.302 An keiner dieser Stellen jedoch steht ingenium als Pars pro toto und bezeichnet den Gebildeten selbst. Anders in II 4,1, wo Zeno ironisch feststellt, dass zu seiner Zeit täglich erfahren werden muss, dass es ‚Geister‘ (ingenia) gibt, die ihre Freude an schlauen Auseinandersetzungen haben.303 Sie werden genannt im Zusammenhang mit Leuten, die die Schrift kennenlernen oder widerlegen wollen,304 man könnte von daher zunächst darunter Nicht-Christen verstehen wollen.305 Die Verknüpfung mit der Terminologie versutae contentiones, verstärkt durch das Adverb cotidie, weist jedoch in eine andere Richtung. So bezeichnet das Nomen contentiosi in einem Traktat (De nativitate Christi) deutlich die über das Verhältnis Gott Vater – Christus streitenden Theologen,306 und auch das Adjektiv versutus findet sich, etwa bezogen auf disputatio, mehrfach in einem von Theologen bzw. Häretikern handelnden Kontext.307 Ein weiteres Indiz für die Deutung von ingenia als christliche ‚Geister‘ liefern die Hinweise Zenos auf den Einsatz und die Überschätzung des ingenium durch christliche Theologen in seinem Tractatus fidei (II 3).308 So kann für diese ingenia mit hoher Wahrscheinlichkeit eine pagane Provenienz ausgeschlossen werden; es handelt sich um Christen, die ihr ‚geistiges Talent‘ in einem Christen unangemessener Weise einsetzen. 3. curiosi Zeno erwähnt neben den ingenia andere, die sich dem Erforschen von Zusammenhängen, als Christen insbesondere dem theologischen Forschen, widmen. Er belegt sie mit unterschiedlichen Attributen, am treffendsten erscheint jedoch ihre Bezeichnung als curiosi.

301

II 1,1: „de iustitia ... de cuius proprietate excellentes ingenio et doctrina viri nihil certi libris ingentibus prodiderunt.“ 302 I 2,5: „Nos vero, fratres, quos non ingeniosa suspicio, sed deus magister instruxit “ unter Bezug auf das vorhergehende Vergil-Zitat. 303 II 4,1: „sunt ingenia cotidie quae videmus versutis contentionibus laeta“. 304 S. o. S. 334–343. 305 So ausdrücklich A. B IGELMAIR, Traktate, 146, Anm. 1, der Porphyrius und Hierokles an dieser Stelle (!) als Beispiele für die Auseinandersetzung heidnischer Philosophen mit dem Christentum auf der Grundlage von Bibelkritik nennt. 306 I 54,1. 307 I 45,1; II 3,4; vgl. auch II 8,3. 308 II 3,5: „Adde quod a quolibet pro ingenii qualitate argumentis asseritur“; II 3,7: „pro ingeniorum argumentorumque viribus retractando ac refellendo“; II 3,18: „nec potest eum revereri, qui ingenii sui putat esse, quod ille fuerit aestimatus [deus]“.

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Curiosus ist der, der sich mit großem Interesse einer Sache widmet, curiositas ist dementsprechend die Wissbegier, mit negativer Akzentuierung auch die Neugierde; 309 auf Cicero dürfte der Neologismus des Substantives zurückgehen, das mit Apuleius einen festen Platz in der lateinischen Literatur erhält.310 Gleichzeitig beginnt mit Apuleius aber auch „der Prozeß der Denunziation menschlicher Wißbegier“, 311 da seine curiositasKritik 312 mit dem von ihm betonten Zusammenhang von magischen Praktiken, der Übertretung göttlicher Gebote und bestrafter Neugierde genügend Ansätze für eine Verurteilung durch spätere Autoren bietet.313

Zeno, der, wie oben aufgezeigt, das Werk des Apuleius nicht nur kannte, sondern offensichtlich eine wenn auch überwiegend auf das Sprachliche beschränkte Affinität zu ihm hatte, scheint mit seiner Einordnung der curiositas der Darstellung in den Metamorphosen des Apuleius Rechnung zu tragen. Der Veroneser bezeichnet als curiosus den, der etwas zu ergründen sucht, auch wenn die Sache es an sich nicht zulässt. 314 An erster Stelle unter den curiosi stehen für ihn die Weisen Griechenlands (sapientes ... Graeciae viri praeter ceteros curiosi).315 Auch die ungläubige (wohl aber jüdische) Hebamme Mariens erwies sich als curiosa, da sie deren Jungfrauenschaft überprüfen wollte; sie wurde dafür mit einer verkohlten Hand bestraft, dann aber doch durch Christus wieder geheilt, so dass ihre Neugier ihr letztendlich zum Segen gereichte. 316 Die an sich un309

S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1832. G. B ÖS, Curiositas. Die Rezeption eines antiken Begriffes durch christliche Autoren bis Thomas von Aquin, VGI NS 39, Paderborn u. a. 1995, 13.58. – Ein Überblick über die Geschichte des Begriffs curiositas angefangen bei Cicero bis in das 20. Jahrhundert findet sich ebd., 12–39. 311 N. B ROX, Zur Legitimität der Wissbegier (curiositas), in: Das antike Rom und Europa. Die Kaiserzeit und ihre Nachwirkungen, hg. v. H. Bungert, Regensburg 1985, 33– 52, hier: 36; nochmals ders., Glauben und Forschen in der Alten Kirche, in: Frühchristentum und Kultur, hg. v. F. R. Prostmeier, Freiburg / Basel / Wien 2007, 9–18, hier: 10. 312 Ebd., 35f.; anders dagegen G. B ÖS, Curiositas, 61. 313 G. B ÖS, ebd. 314 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 235, der curiositas u. a. beschreibt als „manie de savoir“; curiosus als „curieux [sc. neugierig]… (en parl. des sciences inutiles)“. 315 II 9,1. – Die Terminologie fasst I. OPELT, Polemik, 261, unter „neue Junkturen“ des christlich-polemischen Wortschatzes. 316 I 54,5: „Obstetricis incredulae periclitantis enixam in testimonium repertam eiusdem esse virginitatis incenditur manus. Qua tacto infante statim edax illa flamma sopitur sicque illa medica feliciter curiosa diu admirata mulierem virginem, admirata infantem deum ingenti gaudio exsultans, quae curatum venerat, curata recessit.“ In etwas anderer Gestalt begegnet die Erzählung zuerst in P ROTEV. 19f.. (FC 18,126–134 Schneider); s. auch P. L. SCHMIDT, Pseudo-Iacobus, 381f., der Zeno zu den lateinischen Testimonien zählt. In P ROTEV. 19,1 (FC 18,128,19 Schneider) wird die Hebamme auch „hebräisch“ genannt. A. B IGELMAIR, Traktate, 41.223, Anm. 1, verweist auf eine Schrift De Maria et obstetrice als Vorlage Zenos, die nach P. L. SCHMIDT, Pseudo-Iacobus, 381, von B. Altaner postuliert wurde und mit der im Decretum Gelasianum genannten Schrift Liber de nativitate salvatoris et de Maria vel obstetrice identisch sein müsse. B. 310

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zulässige Wissbegier, die Neugier, scheint generell den Heiden zu Eigen zu sein, und so kommt Zeno der pseudo-intellektuellen curiositas der Neophyten, die ein Überbleibsel ihres alten (heidnischen) Lebens ist, in Form einer christlichen Horoskop-Auslegung entgegen. 317 Dass diese Form der Wissbegier für einen Christen unzulässig ist, sagt er jedoch deutlich – quod quidem vobis ulterius non licebit 318 –, das Verbot wird verstärkt durch den verwendeten Terminus secreta für die erfragten Inhalte.319 Ohne nähere religiöse Zuweisung sagt Zeno von der curiositas weiter, dass die Ungeduld sie hervorruft (impatientia ... curiositatis magistra) 320 – man beachte, dass umgekehrt die patientia Voraussetzung sowohl des Lernens als auch des Lehrens ist 321 –, dass sie aber wirklichen Tugenden wie der caritas – und damit auch Gott selbst – unterlegen ist.322 Es gibt also eine Wechselbeziehung, die implizit beinhaltet, dass nur ein wirklich tugendhafter Christ gegen die curiositas gefeit ist.323 Dass dies in christlichen Kreisen keine Selbstverständlichkeit ist, muss Zeno an zahlreichen Stellen feststellen. Mehrfach weist er in inhaltlich deutlich gegen zeitgenössische Häretiker polemisierenden Traktaten darLÖFSTEDT, Tractatus, 129 (Testimonienapparat) verweist hingegen auf auf P S. MATTH. evang. 13,4f. (inzwischen greifbar in der Ausgabe CChr.SA 9,1 Gijsel). 317 I 38,2: „Sed curiositatem vestram bene novi. Veteris vitae usurpatione ... fortassis requiratis et a nobis, qua genitura quove signo ... vos peperit mater. Sicut .. sacrique horoscopi pandam tota brevitate secreta.“ Es ist bezeichnend, dass curiositas ganz allgemein von christlichen Schriftstellern zur Bezeichnung von Magie und insbesondere Astrologie herangezogen wurde; s. A. B LAISE, Dictionnaire, 235. 318 I 38,2. 319 Ebd. Zu secreta s. o. S. 348–350. 320 I 4,7. 321 I 4,1. Vgl. P. ROUSSEAU, Homily, 145–161, der patientia bei Zeno für „a proof of a person’s teachability“ bezeichnet. 322 I 36,32: „Tu [sc. caritas] ... nulla humanae curiositatis calumnia commoveris ... Recte deus diceris“. 323 Auch hier zeigt sich eine entfernte Ähnlichkeit zu Apuleius. Wie für Zeno herausgearbeitet, deutet sich auch bereits bei Apuleius ein Zusammenhang zwischen Neugier und Ungeduld an. In APUL. met. 11,21–22,1 (SQAW 1,378–382 Helm) wird vom Protagonisten Lucius statt curiositas eine geduldige Unterwerfung unter die klaren Bestimmungen der Göttin Isis verlangt; vgl. N. B ROX, Legitimität, 37, der zu der genannten Stelle schreibt: „Hier soll gelernt werden, wo der Mensch und wie er erkennt, was ihm zusteht und was zu wissen für ihn wichtig und ausreichend ist. Offenbarung, Erlösungsritual und religiöse Akzeptation sind der Weg oder der Ort, eben nicht die curiositas.“ Direkte Vorbilder des Apuleius in dieser Einschätzung sind nach N. B ROX, ebd., Philo von Alexandrien und die heidnisch-gnostische Hermetik. Die inhaltliche Einordnung der Wissbegier als eine Betätigung „in Bereichen außerhalb der legitimen Interessen, wo der Mensch nichts zu suchen, zu erforschen hat und auch nichts Nützliches, Förderliches finden wird“, lässt sich über Seneca, Cicero, Panaitios, Epikur bis zu Heraklit zurückverfolgen; ebd.

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auf hin, dass der Christ sich mit dem religiösen Sachwissen, das ihm die testimonia der Schrift anbieten, zufrieden sein und nicht aus Neugier die Geheimnisse (secreta) Gottes oder des Glaubens zu erforschen suchen sollte,324 da dies die menschlichen Fähigkeiten übersteigt: „Humanae devotionis religiosa confessio est de deo hoc nosse, quod licitum est. Sicut enim in simplici corde scrutanda sunt testimonia eius, ita curiositate non sunt inquietanda secreta.“ 325 Und: „Igitur cum possibilitatis humanae non sit fidei videre secreta, nusquam, frater, tua curiositas, nusquam tua proficit pugna“.326 Dies fordert schon die Schrift nach Zenos Ansicht ausdrücklich vom curiosus.327 Wer sich über diese Forderungen der Schrift hinwegsetzt, erhebt sich nicht nur über seine Fähigkeiten, sondern auch über

324

Vgl. eine ähnliche Einordnung schon der Vorbehalte in T ERT. praescr. 7,12f. (CChr.SL 1,193 Refloué) bei G. B ÖS, Curiositas, 85.90. 325 I 34,1. Das hier benutzte Verb inquietare ist innerhalb der Traktate ein Hapax legomenon. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 86, gibt gegenüber dem ebenfalls überlieferten inquirenda der Lectio difficilior den Vorzug, obwohl er in seiner Einleitung, 14*, davon spricht, „dass die β-Hss. wirklich einen besonderen Zweig der Überlieferung darstellen und alte richtige Lesarten weiterführen“. Er will jedoch, ebd., 15*, die Möglichkeit nicht ausschließen, „dass es sich ... um gute Konjekturen in β handeln kann“. Außerdem ist cod. X „eigentlich eine α-Hs., zeigt aber starke Einflüsse von β“, ebd., 14*. „Non sunt inquietanda secreta“ wäre dann in etwa zu verstehen als ,man soll die Geheimnisse Gottes ruhen lassen statt sie ergründend zu erschüttern und zu entehren‘; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 452; auch T HESLL 7,1, 1799–1802. Als von B. LÖFSTEDT, Tractatus, 16*, gefordertes „philologisches Kriterium“ für die von ihm in den Apparat verbannte Lesart inquirenda soll hier angeführt werden, dass inquirere zu Zenos geläufigem Wortschatz gehört, gerade auch in vergleichbaren Kontexten; vgl. etwa das schon in I 34,2 folgende „in horum inquisitione“ oder „dictorum rationes inquirere“ als Formulierung für Schriftauslegung in I 35,1; ähnlich auch „rationem secreti naturae disquirere“ in I 27,1 und das auf die ,erste Geburt‘ Christi (die natürlich ein secretum dei ist) bezogene „quam tibi non licet quaerere“ in I 54,2; vergleichbar sind ferner „altiora te ne quaesieris“ nach Sir 3,22 in II 3,16, „Et tu eius [sc. dei] naturam quaeris?“ in II 3,17 oder das von Zeno in II 9,2 kritisierte „deus... quaerendus“; zum Befund von quaerere s. auch oben S. 350. Inquirere wäre demnach eine Variatio des vorhergehenden scrutare, das seinerseits jedoch auch als Argument für das Hapax legomenon angeführt werden könnte, da es hier ebenfalls, abgesehen von einem Schriftzitat (Sir 3,22 in II 3,16) einmalig benutzt ist. 326 II 3,11. Näheres zu den Geheimnissen Gottes s. o. S. 348f. 327 Sir 3,22.26 und Rm 11,33f. in II 3,16: „nam lex ... ipsa te magnopere retundens ac redarguens confutabit, Salomone dicente: Altiora te ne quaesieris et fortiora te ne scrutatus sis. Quae praecepit tibi deus, illa cogita semper et in plurimis operibus illorum non eris curiosus; multos enim seduxit suspicio illorum et in vanitate detinuit sensus illorum. Similiter Paulus curioso rescribit dicens: O altitudo divitiarum et sapientiae et scientiae dei! Quam inexquisita sunt iudicia illius et quam investigabiles viae illius! Quis enim cognovit cogitationem dei?“

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die dem Christen als ethische Grundhaltung aufgegebene 328 und ihm von Christus vorgelebte humilitas.329 Die curiositas kann letztlich sogar über mangelnde humilitas hinaus schuldig machen, wenn sie eine häretische Entehrung Gottes verursacht. 330 Sie nimmt, so wird erkennbar, ihren Ausgang im Heidentum, 331 wird von christlichen Kreisen übernommen 332 und führt schließlich zu Entzweiung. Curiositas ist christlich also ein charakteristisches Merkmal von Schismatikern und Häretikern. Zeno nennt contentiosi,333 und insbesondere im Tractatus fidei (II 3), dem bezüglich Zenos Einstellung zur Theologie Schlüsselfunktion zukommt, confligentes Christiani 334 und sogar factiones;335 Anhänger, die sich um einzelne Vertreter scharen bezeichnet er als populi penuria 336 oder (tui ipsi) studiosi.337 Diese Gruppen setzen sich in lis,338 contentiones 339 oder sogar pugna 340 auseinander. 328

In beide Tugendkataloge in I 4,1 und I 37,15 ist humilitas aufgenommen. II 9,4: „Et homo curiosus cor suum extollit conaturque eius [sc. domini] comprehendere altitudinem, cuius non sequitur humilitatem.“ 330 I 50: „Hunc [sc. deum] curiosi opinationibus vanis violare conantur nec intellegunt miseri, quoniam curiositas reum efficit, non peritum.“ 331 II 9,1: „Sapientes, … Graeciae viri praeter ceteros curiosi“. 332 II 9,2: „Nam mutato nomine et cultu ... illas scholares calumnias dei usque ad ecclesiam transmiserunt, ut in ipsa quoque, si insanire cuiquam libeat, deus illi non colendus sit, sed quaerendus. Quod nunc faciunt infideles“; s. auch I 25,11: „qui profanis fabulis neglecta dei secta alios non bene avocantes divina sacramenta contaminant“. 333 I 54,1. 334 II 3,10. 335 Ebd. 336 II 3,7. 337 II 3,11. 338 II 3,7: „Video praeterea, sicut assertorum indicant nomina (quae si auferas, nulla fortassis est pugna ), multos esse tractatus, multas etiam fides et quidem novellas et litis labore ac favore nutritas“; II 3,18 in Übernahme von 2 Tm 2,23f.: „Igitur si dei servus es, stultas et ineruditas quaestiones evita sciens, quia lites generant. Servum autem dei non oportet litigare, quia lis et caritatis est hostis et fidei“. Lites kann zenonisch generell ,Streitigkeiten‘ bedeuten, insbesondere solche, die vor Gericht entschieden werden; s. I 36,13; II 1,16; II 7,15; auch litigare in I 25,10. Ausdrücklich wird in II 1,7 eine Verknüpfung zwischen lites und dem Einsatz von Rhetorik hergestellt, der ja auch Theologen vorgeworfen wird. Dass solche lites Christen nicht geziemen, zeigt ihr Verhältnis zur caritas, s. I 36,13 und II 3,18. Insbesondere christlichen Großgrundbesitzern werden in I 25,11 lites vor Gericht und christlichen Frauen in II 7,15 Streitigkeiten mit ihren heidnischen Ehemännern vorgeworfen, was verdeutlicht, auf welcher Ebene Zeno theologische Auseinandersetzungen ansiedelt! Die Verknüpfung mit calumnia, das auch mit curiositas in Zusammenhang gebracht ist, s. I 36,32 und II 9,2, könnte die Vermutung nahelegen, dass Zeno auch in I 25,11 an theologische Streitigkeiten denkt. 339 II 4,1. 329

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Die eigentliche Fachterminologie haereses et schismata begegnet im Corpus der zenonischen Traktate nur an einer einzigen Stelle, 341 auch hier interessanterweise, wie schon oben für die curiositas festgestellt, in Abgrenzung zur caritas.342 Es geht Zeno also nicht wirklich um die intellektuellen Inhalte, aus denen sich ein Irrtum konstituieren könnte, der Irrtum eines Häretikers besteht vielmehr in der Anmaßung und Selbstüberschätzung (inflata fides ac spes) 343. So können christliche Anhänger (sectatores) einer weltlichen Weisheit eben gerade daran erkannt werden, dass sie entgegen dem sapientiae verae imperium ihr Hab und Gut nicht teilen.344 Auch hier ist der intellektuelle Irrtum lediglich Auslöser ethischen Fehlverhaltens. Das Verhalten ist es aber, das den Christen von der Kirche entfernt, das zur separatio 345 führt, ihn im eigentlichen Sinn zum Schismatiker macht.346 340

II 3,7.8.11; vgl. auch pugna in I 2,24 im Sinne von ,Widerspruch‘. Dass Zeno in diesem Kontext bewusst martialisches Vokabular einsetzt, belegt auch argumentis armatus in II 18,2. 341 I 36,19. – Zur Verwendung dieser Neologismen bei anderen christlichen Autoren s. I. OPELT, Polemik, 257f. 342 I 36,19: „Constat ergo omne Christianitatis magis in caritate quam in spe vel fide esse depositum ... Nam et haereses et schismata sic disseminantur, cum inflata fides ac spes dilectionis a fundamento velluntur.“ – Da Zeno nicht weiter auf die Terminologie eingeht, bleibt es offen, ob er einen Unterschied zwischen haereses und schismata kennt. Die Termini, beide seit dem 2. Jahrhundert zum christlichen Latein gehörig, wurden vielfach pleonastisch benutzt, wenn ein Unterschied gemacht wurde, blieb er häufig unklar; s. H. P ÉTRÉ, Haeresis, schisma et leurs synonyms latins, REL 15, 1937, 316–325. – Von den von H. P ÉTRÉ, ebd., angeführten Synonymen findet sich in den zenonischen Traktaten lediglich der Terminus secta . Wie bei Pétré ausgeführt, kennt auch Zeno den Begriff im Sinn von ,philosophischer Schule‘, vgl. sectatores in II 1,15, ja er wendet ihn auch auf die christliche Kirche an, s. dei secta in I 25,11. Als eigentliches Synonym zu haeresis begegnet er in II 8,1, wo Zeno von sectae plures spricht, deren führende für ihn Photinianer, Arianer und Juden (sic) sind, wie aus dem Kontext zu erschließen ist. Hier hebt Zeno deutlich auf die Inhalte ab; die theologischen Differenzen rücken die ,christlichen Sekten‘ in die Nähe philosophischer Schulen. 343 I 36,19. 344 II 1,15. 345 Indirekt wird dies von Zeno in der Allegorese von der Aufzucht des Weinstocks in II 11 artikuliert, der Begriff separare fällt in II 11,2. 346 Vgl. H. P ÉTRÉ, Haeresis, 322. – In eine ähnliche Richtung zielt auch der Vorwurf gegen ,halbe Christen‘ (ambigui Christiani) in I 35,4–6. Obwohl sie Gott erkannten, d. h. Mitglieder der Kirche sind (habent imaginem fidei), verweigern sie ihm nach biblischem Sprachgebrauch Lob und Dank (Rm 1,21 in I 35,6), worunter Zeno, I 35,5f., ebenfalls ethisches Fehlverhalten versteht: „factis saeculo servientes. ... eos mundana voluptas ad se trahit ... patrem venerandum pravis moribus laedunt ... ut diligerent ... creaturam potius quam creatorem“. Sie lassen sich verführen und separieren sich dadurch, ja sie rücken damit in die Nähe von Apostaten („vanis persuasionibus cogitationes eorum abductae sunt“, Rm 1,21 in I 35,6; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt.

D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität

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Nur wenige inhaltlich eindeutige Hinweise lassen konkrete Häresien identifizierbar werden, die die Gemeinde scheinbar aktuell in Unruhe versetzen; Zeno vermeidet offensichtlich bewusst eine namentliche Nennung von Theologen oder Häretikern, da er der Meinung ist, dass Auseinandersetzungen häufig nicht so sehr von den Inhalten als vielmehr von den Vertretern der Inhalte ausgehen.347 Deutlich an den Hinweisen auf den Inhalt erschließen lassen sich in den Traktaten Auseinandersetzung mit Arianismus, Photianismus und Sabellianismus.348 Über diese bisher im Corpus der zenonischen Traktate identifizierten Häresien hinaus lassen sich Formulierungen finden, die auf häretische Vorstellungen völlig anderer Art abheben könnten.349 So v. a. die Auslegung von Gn 28,12 „aliqui putant ascendentes esse angelos lucis, descendentes vero angelos tenebrarum“ in I 37,11.350 Darauf deutet die Formulierung „aliqui putant“,351 die sich wie „sicut / ut quidam putant“ 352 gegen

Handwörterbuch I, 11: abducere in der Bedeutung „zum Abfall verleiten“). Anders als C. SOTINEL, Locus, 144, die tatsächlich die Möglichkeit eines „retour aux cultes traditionnels“ für Mitglieder der zenonischen Gemeinde nicht ausschließen will, scheint sich Zeno mit diesem sprachlichen Anklang an den Begriff des Glaubensabfalls eher in rhetorischer Emphase eben über die ambiguitas zu empören. 347 S. II 3,7: „Video praeterea, sicut assertorum indicant nomina (quae si auferas, nulla fortassis est pugna ), multos esse tractatus, multas etiam fides“. 348 Schon A. B IGELMAIR, Zeno, 149–151, ordnet Zenos Häresiekritik in die Auseinandersetzung mit dem Arianismus in Oberitalien ein; ähnlich undifferenziert bleibt die Einschätzung der Christologie Zenos als antiarianisch durch M. STEPANICH, Christology, 35–59. Auch C. T RUZZI, Zeno, 127–131, legt Zenos v. a. zu Anfang seines Episkopats aktuell erforderliche Auseinandersetzung mit Photinianismus und Arianismus seinem Kapitel zur Christologie zugrunde. Ausdrücklich mit dem Thema Häresie in den zenonischen Traktaten hat sich L. P ADOVESE, Eresia, 477–485, beschäftigt, ohne jedoch über eine Identifizierung von Photinianismus, Arianismus und Sabellianismus in einer knappen Anmerkung, ebd., 477, Anm. 1, hinaus inhaltliche Zuordnungen vorzunehmen. Er beschränkt sich auf eine Zusammenstellung der von Zeno den Häretikern beigegebenen (polemisierenden) Attribute; J. DOIGNON, Zeno, 424, spricht bezüglich dieses Artikels sogar von „dogmatisch irrigen Bezeichnungen“. Eine ausführliche Auswertung des von Zeno vorgebrachten arianischen und photinianischen Materials findet sich dagegen bei G. SGREVA, Teologia, 41–164.408–410. Der bloßen Kuriosität halber sei hier erwähnt, dass R. ROSINI, Primato, 3–36, Zeno selbst als einen „campione della fede cattolica“, ebd., 36, gegenüber einem Arianismusverdacht verteidigt. J. DOIGNON, Zeno, 424, wirft Rosini die Verwendung unpassender „thomistischer Kategorien“ vor. 349 Dazu am Rande bisher nur C. T RUZZI, Zeno, 168f. Auch O. VICENTINI, Morale, 250, erwähnt neben „ariani, semiariani, sabelliani, fitiniani“ auch „gnostici, ecc.“ 350 Der Testimonienapparat, B. LÖFSTEDT, Tractatus, 103, nennt keine literarische Vorlage und schon P. u. G. B ALLERINI, Opera, 432, Anm. 20, weisen auf die Einzigartigkeit der Erwähnung einer solchen Interpretation hin: „Singulare hocce testimonium est, quod interpretationem antiqui ignoti auctoris, cujus, quod sciamus, aliunde non liquet, ad nos transmisit, ad idcirco praecipue notandum visum fuit.“ 351 I 37,11.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

identifizierbare konkrete philosophische, theologische bzw. häretische Gegner richten dürfte. Auch die anschließende Korrektur dieser Genesis-Auslegung (recte) durch Zeno weist auf in Zenos Agen inkorrekte Auslegung. 353 Das Motiv der ‚Jakobsleiter‘ findet sich in der patristischen Literatur an zahlreichen Stellen,354 wird dort allerdings weitgehend christologisch oder asketisch gedeutet, 355 vereinzelt und spät auch auf die Funktion der Gemeindeleiter hin.356 Alle drei AllegoreseTypen stehen m. E. mehr oder weniger in der Tradition der verschiedenen von Philo von Alexandrien vorgenommenen Deutungen des Motivs. 357 Ähnlich weist auch die von Zeno an der genannten Stelle verwendete Terminologie (angeli lucis – angeli tenebrarum) in den jüdischen Bereich und inhaltlich in die Nähe der Zwei-Wege-Lehre. 358 352

I 34,1; II 3,1; II 5,1. Vgl. B. STUDER, Schola, 260f., zur Gewohnheit, insbesondere bei der Bibelkommentierung Zeugnisse ohne namentliche Nennung ihrer Verfasser zu benutzen „und sich mit einem quidam zu begnügen“. Allerdings hebt Studer hier in erster Linie auf „die anonyme Gegenwart renommierter Theologen“ ab. 353 I 37,11: „aliqui putant ascendentes esse angelos lucis, descendentes vero angelos tenebrarum. Sed hoc satis absurdum esse et inconveniens … Unde angelos puto recte homines appellatos …“. 354 In der frühchristlichen Kunst begegnet das Motiv vereinzelt, s. dazu ausführlich L. KÖTZSCHE-B REITENBRUCH, Die neue Katakombe an der Via Latina in Rom. Untersuchungen zur Ikonographie der alttestamentlichen Wandmalerei, JAC.E 4, Münster 1976, 66–70; zu ergänzen bleibt das Fresko in der Nekropole in El-Bagawat, s. H.-W. STORK, Art. Himmelsleiter II. Ikonographie, LThK3 V, 1996, 126f., hier: 126. Nicht unumstritten ist die Annahme jüdischer Vorlagen, vielleicht aus der Buchmalerei, s. G. STEMBERGER, Die Patriarchenbilder der Katakombe in der Via Latina im Lichte der jüdischen Tradition, Kairos 16, 1974, 19–78, hier: 39–42. 355 S. S. P RICOCO, La scala di Giacobbe. L’interpretatio ascetica di Gen 28,12 da Filone a San Benedetto, RBS 14 / 15, 1985 / 1986, 41–58. 356 S. etwa P S. ISID. Collectio Hispana, De primitiva ecclesia et Synodo Nicaena (PL 130,244C–D); GREG. M. past. 2,5 (PL 77,33B); ders., epist. 1,24 (CChr.SL 140,28,223 – 226 Norberg). 357 Zusammenstellung der in Frage kommenden philonischen Stellen in B IBLIA PATRISTICA, Supplément. Philon d’Alexandrie, hg. v. Centre d’analyse et de documentation patristique, BiPa Suppl. 1, Paris 1982, 52. 358 Vgl. lucis via in I 6; dazu auch A. B IGELMAIR, Traktate, 310f., Anm. 4. Rezipiert haben könnte Zeno die Zwei-Wege-Lehre über Laktanz; vgl. M. SPANNEUT, Tertullien et les premiers moralistes africains, Gembloux / Paris 1969, 144 (mit zahlreichen Belegen zur Adaption bei Laktanz). – Während im Alten Testament ,Licht‘ v. a. für ,Herrlichkeit Gottes‘ und ,Heil‘, ,Finsternis‘ v. a. für ,Totenwelt‘ steht, s. W. KLEIN, Art. Licht, PBL8, 1985, 691f., hier: 691, findet im Neuen Testament ein Dualismus Licht – Finsternis Verwendung v. a. bei Johannes, s. etwa Jo 3,19–21.8,12, und auch in Zusammenhang gebracht mit Engeln bei Paulus, s. etwa 2 Cor 6,14.11,14; 1 Th 5,4f. Im Kontext der Zwei-Wege-Lehre begegnen in B ARN. 18,1 (SUC 2,186 Wengst) (freundlicher Hinweis Prof. Dr. Jan Dochhorn, ehemals Tübingen, jetzt Århus) Engel, die dem Weg des Lichtes, und solche, die dem Weg der Finsternis vorstehen. Diese kennt auch die lateinische DOCTR. APOST. 1,1 (SC 248bis,207 Rordorf / Tuilier). Damit ergibt sich eine inhaltliche Nähe der frühchristlichen Zwei-Wege-Lehre, wie sie auch in DID. 1–6 (FC 1,98–117 Schöllgen) begegnet, zum ethisch-kosmologischen Dualismus der GEMEINDEREGEL VON QUMRAN 1 QS III,13–IV,26 (10–17 Lohse), deren literarische Abhängigkeit sich jedoch

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Hält man eine Origenes-Kenntnis Zenos für möglich,359 könnte man an dieser Stelle gar eine vage zenonische Anspielung auf Archontiker vermuten: Origenes und mit ihm sein Übersetzer Hieronymus kennen haereses (Gnostiker ?), die vom Satan behaupten, er sei vom Himmel herabgestiegen, nicht gefallen, und stellen dieser Ansicht Jo 1,51 gegenüber.360 Origenes selbst bringt in Contra Celsum die spätantik weit verbreitete Vorstellung von den sieben Himmeln mit der Jakobsleiter in Zusammenhang;361 wenige Kapitel weiter referiert er das Wissen des Kelsos von sieben Engeln des Lichts und sieben archontischen Engeln,362 ohne jedoch einen Zusammenhang zwischen der erwähnten Jakobsleiter und diesen Engeln herzustellen. An einen von Origenes vernachlässigten Zusammenhang zwischen der Jakobsleiter und den von Kelsos genannten Engeln, die als Vorstellung der gnostischen Gruppe der Archontiker interpretiert werden, 363 lässt jedoch zum einen die Nähe der beiden Erwähnungen innerhalb eines Buches, zum anderen die Siebenzahl in beiden Kontexten denken.364 Ein direkter Zusammenhang mit der ZenoStelle ist allerdings weder für die haereses des Origenes 365 noch für Contra Celsum 6,27 herstellbar. Dass Zeno selbst Archontiker kannte, kann aufgrund der geographischen Distanz kaum angenommen werden. Allerdings weiß man von einer Verwandschaft zwischen Archontikern und Audianern, 366 die Zeno wiederum über den Psalmenkommentar nicht nachweisen lässt, s. G. SCHÖLLGEN, Didache. Zwölf-Apostel-Lehre, FC 1, Freiburg u. a. 1991, 41, bes. Anm. 71. Patristisch begegnen ,Engel des Lichtes‘, seltener ,Engel der Finsternis‘ meist in Anlehnung an die Zwei-Wege-Lehre, etwa bei RUFIN. Orig. princ. 3,2,4 (GCS 22,251,5–12 Koetschau), oder in Auslegung von 2 Cor 11,14, so bei T ERT. praescr. 6,6 (CChr.SL 1,191,19 Refloué). Eine Recherche in der Datenbank LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) in Kombination der Suchbegriffe „angel*“ und „luc*“ bzw. „angel*“ und „tenebr*“ im maximalen Abstand von 15 Wörtern liefert überwiegend Ergebnisse für Satan als angelus lucis unter Bezug auf 2 Cor 11,14 ohne erkennbaren Konnex mit der Jakobsleiter. Eine genauere Untersuchung führt an dieser Stelle zu weit, ist aber für einen späteren Zeitpunkt geplant. Zeno selbst sagt von Christus und seinem Verhältnis zu den Engeln in einer ,Licht‘-Allegorie in II 12,4: „sol verus, qui clarissimos ignes mundi germanos astrorumque candentium polorum claritatis suae de plenitudine accendit“; s. dazu F. J. DÖLGER, Sonnengleichnis, 3. Eine Vorstellung von ,angeli lucis‘ bzw. ,angeli tenebrarum‘ ist im 4. Jahrhundert also durchaus gängig, kann aber bisher über die Zeno-Stelle hinaus nicht in Zusammenhang mit der Jakobsleiter nachgewiesen werden. 359 H. J. FREDE, Kirchenschriftsteller. Aktualisierungsheft 1988, VL I,1B, Freiburg 1988, 65, vertritt die Ansicht, die Origenes-Übersetzung des Hieronymus stamme aus dem Jahr 378, nicht wie bisher angenommen von 381, was eine Origenes-Kenntnis Zenos ermöglichen könnte. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 220, hingegen verweist nur auf eine Kenntnis der Traktate des Pseudo-Origenes. Zur Origenes-Kenntnis Zenos in anderem Zusammenhang s. Y.-M. DUVAL, Sources. 360 HIER. hom. Orig. in Ezech. 13,2 (GCS 33,443,16–31 Baehrens). 361 ORIG. contra Celsum 6,21 (SC 147,230–232 Borret). 362 ORIG. contra Celsum 6,27 (SC 147,244–246 Borret). 363 H. CHADWICK, Origen. Contra Celsum, Cambridge 1965, 342f., Anm. 3. 364 Vgl. dazu die Bemerkung zur Literatur der Archontiker bei H.-C. P UECH, Art. Archontiker, RAC I, 1950, 633–643, hier: 636f. 365 S. o. Anm. 360. 366 S. H.-C. P UECH, Archontiker, 635; ders., Art. Audianer, RAC I 1950, 910–915, hier: 913f.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

des Hilarius gekannt haben dürfte.367 Wenn Zeno bei der Interpretation der Jakobsleiter in I 37,11 tatsächlich auf Archontiker oder Audianer abheben sollte, referiert er vermutlich auch hier ein Wissen aus zweiter Hand, dessen Herkunft bisher nicht zu klären ist, da ein solcher Zusammenhang im Psalmenkommentar des Hilarius nicht begegnet. 368 Festzuhalten bleibt lediglich: Wenn Zeno in I 37,11 auf eine ihm bekannte christlichhäretische Interpretation abhebt – und dies legt die Formulierung aliqui putant nahe –, dann dürfte diese wohl, wie sowohl das Motiv der Jakobsleiter als auch der Ursprung der Terminologie angeli lucis – angeli tenebrarum es nahe legen, in christlichjudaisierenden Kreisen angesiedelt sein, zu denen auch die Archontiker und Audianer zu zählen sind. Dass Zeno in I 37,11 nicht eine Interpretation aus rein jüdischen Kreisen aufgreift, dafür spricht seine sonst sehr deutliche Judenpolemik. Es scheint aber auch so gut wie ausgeschlossen, dass Zeno hier einen eigenen fiktiven Einwand gegen seine Deutung quasi prophylaktisch vorbringen will; solche Einwände leitet er in der Regel mit Phrasen wie „at fortasse quispiam dicat“,369 „atquin forte aliquis dicat“ 370 oder etwa „ne quis ... a me forte disquirat“ 371 ein, formuliert sie also im Potentialis bzw. Prohibitiv und im Singular, oder er richtet eine Apostrophe „at / sed dicis“ 372 direkt an einen einzelnen fiktiven Gegner. Dem steht die Plural-Formulierung „aliqui putant“ 373 im Indikativ gegenüber.

Zeno greift, das bleibt abschließend für seine Beurteilung der curiositas festzuhalten, einen auch im zeitgenössischen Heidentum verbreiteten erkenntnistheoretischen Skeptizismus auf. Während dieser in Teilen des Heidentums jedoch einen religiösen Relativismus nach sich zog und sich in diesem Kontext etwa gegen den Absolutheitsanspruch des Christentums wandte,374 führt er in den Traktaten des Zeno zu diametral entgegengesetzten Konsequenzen: Curiositas ist zenonisch zwar nicht mit Häresie deckungsgleich, nahezu automatisch aber endet sie dort. Insofern bereitet es einige Schwierigkeiten, zwischen zenonischer Theologie- und Häresiekritik zu unterscheiden. Theologisches Fragen 375 ist die Ursache von 367

S. C. T RUZZI, Zeno, 168f. Auch V. B OCCARDI, Esegesi, 465, meint im Kontext seiner Untersuchung der exegetischen Motive Zenos eine Origenes-Kenntnis verifizieren zu können, die sich zum Teil einer Vermittlung über Hilarius verdanke, zum Teil aber auch „canali non meglio identificabili“. 369 I 2,29; I 3,6.17; s. auch II 1,1.16. 370 I 36,18; s. auch II 3,3; II 4,13, allerdings im Indikativ Präsens, und II 7,4 im Indikativ Futur. 371 II 6,5; vgl auch II 3,3. 372 I 2,7; II 7,9. 373 I 37,11. 374 S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 305f. 375 Schon T ERT. praescr. 7,12f. (CChr.SL 1,193 Refloué) hält curiositas wie (theologisches) Forschen für überflüssig, ja durch das Christentum geradezu für überholt: „Nobis curiositate opus non est post Christum Iesum nec inquisitione post evangelium.“ Nach G. B ÖS, Curiositas, 85.90, richtet sich dies in erster Linie an die Adresse der Häretiker. 368

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Häresie; zwischen theologisch Forschenden und Häretikern gibt es einen nur graduellen Unterschied, den Zeno nicht inhaltlich definiert. Mit solcher Zuordnung der curiositas zur Häresie will der Bischof seine Gemeinde selbstverständlich gegen Verführbarkeit immunisieren. 376 Dazu dient die Charakterisierung solcher Christen durch eine an sich als heidnisch herausgestellte Eigenschaft. Bestes Mittel ist die Orientierung und Konzentration auf die Vorgaben der Schrift. In einer Wertekonkurrenz zwischen ergangener und als Gewissheit akzeptierter Offenbarung (Schrift) und aus dieser abgeleiteten Lebensregeln (Tradition) auf der einen Seite und menschlichem Erkenntnisstreben auf der anderen Seite muss eine curiositas, die über diese Vorgaben hinaus geht, zwangsläufig zu einem vermessenen Fehlverhalten werden.377 Eine positive Seite der curiositas, die sich mit einer Ausrichtung auf Gott und seinen Willen in das System fügt 378 und damit wie bei Tertullian oder Augustin zum „Antriebsmotor für die immer wieder geforderte Umkehr des Glaubenden“ und zum „Stimulus für die Bekehrung“,379 letztendlich zur Legitimation für fragende Theologie wird, kennt Zeno nicht. 4. docti An nur zwei Stellen in den Traktaten Zenos begegnet der Terminus docti. Klassisch steht doctus für den durch Erfahrung, Schule oder Wissenschaft Unterrichteten, insbesondere in seiner Pluralform ist der Begriff Terminus technicus für ‚wissenschaftlich Gebildete‘, für ‚Gelehrte‘.380 Cicero etwa bezeichnet in 41 % der Fälle, d. h. an 101 Stellen, mit doctus den „ «instruit et cultivé»; «pourvu d’une culture générale non spécialisée et aquise, fondée sur les lettres, la rhétorique et la philosophie» “.381 An 79 Stellen, d. h. in 32 % der Fälle, versteht Cicero unter doctus einen „théoricien spécialisé dans la connaissance d’une discipline élevée, ou possédant à fond les règles théoriques

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S. etwa II 3,16: „nam lex, per quam me forte minus peritum peccare compellis, ipsa te magnopere retundens ac redarguens confutabit, Salomone dicente: Altiora te ne quaesieris et fortiora te ne scrutatus sis. Quae praecepit tibi deus, illa cogita semper et in plurimis operibus illorum non eris curiosus; multos enim seduxit suspicio illorum et in vanitate detinuit sensus illorum“; vgl. auch N. B ROX, Legitimität, 41. 377 Vgl. ebd., passim, etwa 37: „Mir scheint das eine zwingende Logik zu sein: Wo es Offenbarung gibt im mythischen Begriff, ist zwar das Wissen des Menschen qualitativ erweitert, zugleich aber sein Wissenwollen der Legitimität und auch dem Betätigungsfeld nach entscheidend eingegrenzt. Offenbarung steckt neue Grenzen, die nicht verletzt werden dürfen, und schafft generell eine neue Szene für die ,Geographie‘ des Wissens.“ 378 Vgl. G. B ÖS, Curiositas, 129. 379 Ebd., 90; s. auch ebd., 85.125–129. 380 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2270f.; zur Entwicklung des Terminus von Plautus bis in hadrianische Zeit s. A. HUS, Docere et les mots de la famille de docere. Étude de sémantique latine, Paris 1965, 165–268. 381 A. HUS, Mots, 204.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

d’un art“,382 etwa den Rhetor.383 In 19 % der Fälle schließlich, d. h. an 47 Stellen, kennzeichnet er mit doctus den Philosophen; er differenziert dabei docti, die ‚kleinen Philosophen‘, und doctissimi, die ‚großen Philosophen‘.384

Die zenonische Formulierung in II 1,1 de circumstantibus doctis quispiam 385 – vermutlich eine Enallage zum Erhalt des klassisch üblichen Plurals, also „irgendein Gelehrter unter meinen Zuhörern“ – verrät, dass Zeno mit der Terminologie zeitgenössische Gebildete bezeichnet. Ihre Kenntnisse, das zeigt der Kontext, liegen auf juristischem bzw. rechtsphilosophischem und rhetorischem Gebiet 386 – das entspricht dem Hauptakzent des Befundes zum klassischen Gebrauch des Terminus.387 Diesen Gebildeten – die mögliche Enallage lässt nicht erkennen, ob es sich um einen einzelnen oder mehrere handelt – stellt Zeno sich selbst als homo imperitissimus et elinguis gegenüber,388 und er rechnet mit „schallendem Gelächter“ (cachinni) bzw. Spott 389 als Reaktion auf seine Predigt. Die anschließenden Ausführungen des Traktates zu den sapientes, die auf die eloquentiae vires vertrauten und ohne ein magisterium divinae sapientiae von der veritas pura abkamen,390 lassen zunächst den Eindruck entstehen, als handle es sich bei den zeitgenössischen spottenden docti ebenfalls um heidnische Gebildete unter den Zuhörern Zenos.391 Dies ist aber keineswegs zwingend der Fall, im Gegenteil, die folgenden Erwägungen werden zeigen, dass unter docti auch gebildete Christen verstanden werden können.

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Ebd., 211. S. ebd., 212. 384 S. ebd., 217. 385 II 1,1: „Fortassis de circumstantibus doctis quispiam cachinnos erumpat“. 386 Vgl. o. S. 334–343. 387 Entsprechend spricht Zeno vom christlichen Prediger in I 37,10 übrigens auch als doctor legis, wenn mit lex hier natürlich auch etwas völlig anderes, nämlich die heilige Schrift, gemeint ist. 388 Ebd. Dass es sich hier um eine Captatio benevolentiae handelt, erweist Zeno selbst immer wieder durch den Einsatz seiner klassischen Bildung und seiner Sprachfertigkeit; vgl. „hic tibi ego respondere non audeo, sit quippe cum tutius imperitum videri quam esse sacrilegum“ in II 3,15 und „me forte minus peritum“ in II 3,16, wobei die Gebildeteren unter seinen Zuhörern, denen er sich hier gegenüber stellt, eher im Kreise der Häretiker zu suchen sein dürften. Auch mit diesem Topos der rhetorischen Ungelenkheit lehnt sich Zeno ganz an Laktanz an; vgl. H. B LUMENBERG, Kritik, 497: „Auch der Topos des Rhetors Laktanz, er sei unerfahren und armselig in der Redekunst, hat immer wieder dazu gedient, allen Glanz und alle Macht des Vortrags der Sache selbst zuzuschreiben, die er vertritt.“ 389 II 1,1: „Sed ego non curem, de me quemadmodum quis iocetur.“ 390 II 1,1f. 391 Vgl. P. u. G. B ALLERINI, Opera, 279f., Anm. 1. 383

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Dies legt die zweite Stelle, an der der Terminus begegnet, nahe. Zeno nennt in II 18 in einem Exordium das Thema (nämlich ein christologisches gegen häretische Auseinandersetzungen), die Mittel (die sich von denen streitender Theologen unterscheiden) und schließlich die Intention seiner Predigt: den Gebildeten zum Nachweis, den weniger Unterrichteten zur Festigung (ihres Glaubens), den unkundigen Neulingen zur Belehrung und den Lästerern zu ihrem Heil.392 Dass die docti in eine absteigende Klimax neben minus instructi und rudes eingereiht sind, lässt sie, ebenso wie ipsi, qui blasphemare nituntur – hierunter dürften die attackierten Häretiker zu verstehen sein –, von diesen jedoch unterschieden, als Gemeindemitglieder erscheinen. Zu fragen bleibt nur noch, ob es sich, wie bei den sapientes, um eine profane Gelehrsamkeit handelt oder ob ihre Bildung eine theologische ist. Während Zeno in Traktat II 1 mit der Rede von den docti deutlich auf juristische, rechtsphilosophische oder rhetorische Kenntnisse abhebt, entsteht in II 18 der Eindruck, als zeichne die Qualifizierung auf religiösem Gebiet die docti vor den minus instructi, die einer Festigung (nicht einer weitergehenden Unterrichtung!) bedürfen, und den Neulingen im Glauben aus.393 Wenn Zeno den docti jedoch testimonia bietet und nicht theologische Argumente, die sie mit ihrem Wissen prüfen sollen, dann besteht ihre religiöse Bildung aus Glaubenswissen, nicht aus der Fähigkeit zu theologischem Hinterfragen 394 und damit unterscheiden sie sich erheblich von den attackierten curiosi und ingenia. Damit deutet sich an, dass Zeno unter Bildung, der er keineswegs eine Existenzberechtigung abspricht, etwas völlig anderes als intellektuelle Bildung versteht. IV. Resümee: Zenos Verhältnis zur Intellektualität Theologia naturalis als drittes der Elemente des varronischen Schemas der Religion tangiert anders als Theologia civilis und Theologia mythica nur Teile der antiken Bevölkerung, diejenigen, die sich aktiv als Philosophen 392 II 18,1f.: „mihi ad vos sermo est, fratres carissimi ... de domino nostro, quem, pro nefas, venerantur externi, si tamen dicendum est, sui carpunt. Sane nullis argumentis armatus, quibus illi libenter utuntur, qui adversus veritatem falsa componunt, sed caelestibus testimoniis multis, manifestis ac puris, ut docti probent, minus instructi sese confirment, rudes discant ipsique, qui blasphemare nituntur, salutis suae bono vel sero, si potest fieri, resipiscant.“ 393 Da Zeno mit rudes wohl kaum ,Ignoranten‘ ansprechen kann, dürften darunter neue Gemeindemitglieder zu verstehen sein; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 727. Dies bestätigt auch die adjektivische Verwendung von rudis mit Bezug auf den Vokativ Christiane in I 54,2. 394 Zur Funktion von testimonia anstelle philosophischer oder theologischer Argumentation s. u. S. 444–459 (sacra scriptura) und 460–503 (exempla).

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

oder passiv als deren Rezipienten mit philosophischer Weltdeutung auseinandersetzen. Da philosophische Inhalte und auch Methoden auch von christlichen Denkern rezipiert werden, dringen sie in die christlichen Gemeinden und führen dort zu Fraktionsbildungen, die in Schismen und Häresien enden. Mit diesem Phänomen ist auch Zeno in seiner Umgebung konfrontiert. Zum Schutz seiner Gemeinde oder einzelner Mitglieder derselben sieht er sich offensichtlich gezwungen, sich auch mit paganer Theologia naturalis und ihrer christlichen Rezeption auseinanderzusetzen. Zu den heidnischen Philosophen, die ihm – wohl weitgehend über die Darstellung bei Laktanz – bekannt sind, gehören namentlich Epikur, Dikaiarch und Demokrit, deren Rezeption wegen ihrer mit dem Christentum nicht vereinbaren Lehre eine Gefahr für die Gemeinde bedeuten. Ihrer von ihm als ‚unphilosophisch‘ gebrandmarkten Psychologie stellt Zeno die Lehre Platons von der Unsterblichkeit der Seele entgegen. Damit benennt der Veroneser Bischof zugleich ein Kriterium für die Anerkennung intellektuellen Bemühens als Philosophie, nämlich die Vereinbarkeit mit christlichen Glaubensinhalten, in diesem Fall mit der Eschatologie (die auch schon Kriterium für die Hochschätzung Vergils gewesen war); wie Vergil darf daher auch Platon, den Zeno als Philosophen der Antike schlechthin durch ille sapientissimus kennzeichnet, von christlichen Gebildeten rezipiert und verehrt werden, natürlich mit der Einschränkung, dass der heidnische Philosoph für den Kulminationspunkt christlicher Eschatologie, die Auferstehungslehre, gewissermaßen voraus empfindend nur gedankliche Grundlagen schaffen konnte. So können auch die Denker in der Nachfolge Platons als philosophi bezeichnet werden. Indirekt berücksichtigt Zeno darüber hinaus weitere vorchristliche Denker, indem er aus ihren Werken zitiert, allerdings ohne dies ausdrücklich zu kennzeichnen. Positiv schneiden dabei Cicero, Sallust und Seneca ab, insofern auch sie platonische Unsterblichkeitslehre rezipieren, darüber hinaus zudem Vertreter stoischer Ethik sind, die ebenfalls in manchen Punkten, etwa in Fragen der pudicitia, avaritia oder amicitia, von Zeno als mit christlicher Ethik vereinbar bewertet wird. Zum Aufhänger einer negativen Stellungnahme gegenüber vorchristlicher Kosmogonie wird dagegen ein Ovidzitat. Konkret macht sich Zenos Auseinandersetzung mit heidnischen Intellektuellen auch an deren Kritik des Christentums fest. Zeno sieht sich offensichtlich gezwungen, ihre gegen das Christentum gerichteten Vorwürfe der stultitia, die sich u. a. in ungebildeter Sprache und inhaltlichen Widersprüchen der Schrift äußert, zurückzuweisen und durch christliche Gegenentwürfe etwa von iustitia oder sapientia zu entkräften. Am Rande erfährt

D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität

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der heutige Leser so, dass auch Zeno von Heiden Kenntnis hatte, die sich in philosophischer Auseinandersetzung kritisch zum Christentum äußerten, aber auch von solchen, die Christus (als Vertreter einer Theologia naturalis) verehrten, und sogar von Heiden, die das Christentum aufgrund ihrer öffentlichen Position mehr oder weniger gewollt schützten. Eine Kritik gegenüber einer grundsätzlichen Haltung heidnischer und in deren Nachfolge auch christlicher Intellektueller macht Zeno fest am Verhältnis des Menschen zur Natur und deren Erforschung. Als ambivalente Realität erfahrbar ist natura Schöpfung Gottes. Als solche ist sie in gläubiger Anstrengung vom Menschen zu meistern, nicht sind jedoch, wie dies von intellektuellen Kreisen betrieben wird, ihre Geheimnisse zu erforschen, da dies der Beschränktheit des Menschen gegenüber der Größe des Schöpfers widerspricht. Ähnliches gilt für das forschende Fragen nach den Geheimnissen Gottes selbst. Naturforscher wie Theologen erhöhen sich unzulässigerweise durch ihre Tätigkeit selbst, statt sich unter eine christlich geforderte humilitas zu beugen. Darin folgen sie heidnischem Sicherheitsstreben, das sich in kultischem Erforschen des Schicksals oder der Zukunft äußert. Dem weltliche Unsicherheit ausschaltenden christlichen Glauben und der aus ihm resultierenden christlichen Grundtugend humilitas wird so die curiositas als ein an sich heidnisches, weil in Sicherheitsstreben begründetes Laster gegenübergestellt. Infragestellung und Forschen sind also aus ethischen Gründen abzulehnen. Verunsicherung in Fragen einer zentralen Glaubenswahrheit wird offensichtlich durch christliche Intellektuelle in die Gemeinde hineingetragen, deren genaue Identifizierung die Äußerungen Zenos jedoch nicht ermöglichen. Die gesamte Spätantike hindurch scheinen die christlichen Gemeindeleiter immer wieder mit dem Phänomen eines Zweifels bzw. einer Leugnung der Auferstehung aller Toten (bei gleichzeitiger Anerkennung der Auferstehung Christi) konfrontiert worden zu sein. Statt auf ein möglicherweise aufrichtiges Fragen seiner Gemeindemitglieder einzugehen, rückt Zeno die Verursacher solchen Zweifels in die Nähe des Heidentums, das zwar durch seinen Totenkult, durch die in der Mythologie beheimatete Vorstellung von Tartarus und Elysium und insbesondere durch die platonische Seelenlehre ein Weiterleben der Verstorbenen zu belegen scheint, das aber in philosophischen Kreisen, für die die Namen Epikur, Dikaiarch und Demokrit stehen, ein Weiterleben der Seelen der Verstorbenen ausschließt. In auch von anderen christlichen Autoren bekannter polemischer Manier diffamiert Zeno die Zweifler als Vertreter eines Vulgärepikureismus, indem er die Negierung der Auferstehung als Angst vor göttlicher Bestrafung des homo carnalis interpretiert. Auch hier wird also ein ethisches Argument polemisch ins Feld geführt.

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2. Kapitel: Die Bewertung heidnischer Kultur

Durch solche Auseinandersetzung mit heidnischer Philosophie und Intellektualität erweist sich Zeno als ein wenn auch zum Teil über die Referenzen Dritter gebildeter Kirchenmann, der – vordergründig vielleicht anachronistisch wirkend – sein Wissen kritisch an seine Gemeinde weitergibt; Anlass für seine Kritik dürfte ihm jedoch immer auch eine aktuell virulente, konkrete Frage oder Gefährdung seiner Gemeinde gewesen sein, wie es das Genus der Predigt von sich aus schon nahe legt. Beides, Frage und Gefährdung, wird von zeitgenössischen Intellektuellen an die Gemeinde heran oder sogar in sie hineingetragen. Dies ergibt die Untersuchung der Terminologien, derer sich Zeno zur Kennzeichnung Intellektueller bedient. Zur Bezeichnung heidnischer Philosophen benutzt Zeno (quasi in Übersetzung dieses heute gebräuchlichen griechischen Lehnwortes) den Terminus sapientes. Mit Ausnahme von Platon und seinen Nachfolgern, denen er das griechische Lehnwort philosophi vorbehält, erweist Zeno sie durch die Differenzierung zwischen einer sapientia huius mundi und einer vera sapientia als nur scheinbar Weise: Weltliche Intellektualität und ihre in die Kirche dringenden Methoden verhindern religiöse Erkenntnis, während sapientia als christliche Tugend die Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse beinhaltet. Bestimmte Zeitgenossen, die sich der Methoden der weltlichen sapientia bedienen, bezeichnet Zeno ironisch als ingenia. In Anwendung dieser Methoden neigen auch ingenia innerhalb der Kirche zu Auseinandersetzung und Streit: Sie sind Verursacher von theologischem Diskurs und damit fast zwangsläufig auch von Häresie, zwischen denen nur ein gradueller Unterschied besteht. Denn sie gehören zur großen Gruppe der curiosi, also zu denjenigen, die etwas zu ergründen suchen, auch wenn es der Sache nicht angemessen ist. Christen, die eine solche unzulässige Wissbegier pflegen, machen sich damit ‚heidengleich‘, insbesondere dann, wenn sie die Geheimnisse Gottes ergründen wollen, was einer Selbstüberhebung des Menschen entspricht. Ziel der zenonischen Kritik an theologischem Fragen, das immer in der Gefahr steht, in der Häresie zu enden, ist die Immunisierung der Gemeinde gegen Verführbarkeit. Im Vordergrund seiner Kritik steht dabei weniger der intellektuelle Irrtum als das ethische Fehlverhalten der Selbstüberschätzung und Selbstüberhebung. Den nichtchristlichen sapientes und den curiosi werden von Zeno als christlich zulässige Alternative die docti gegenübergestellt. Mit diesem Terminus bezeichnet er Gebildete heidnischer wie christlicher Provenienz, deren Bildung sich jedoch in Sachwissen, im Falle christlicher docti in religiösem Sachwissen im Sinne eines Glaubenswissens, dessen Quelle und Grenze die Offenbarung in der Schrift ist, erschöpft. Eine Beschränkung auf solches Sachwissen unter Ausschaltung des Drangs zu forschen-

D. Theologia naturalis – Philosophie und Intellektualität

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dem Fragen entspricht christlicher humilitas, womit wiederum eine ethische Größe Kriterium der Ablehnung bzw. Anerkennung ist. Die Beobachtungen bezüglich des Umgangs Zenos mit der Theologia naturalis zeigen deutlich, dass der Bischof bezogen auf seine Hörer keinen Unterschied macht zwischen heidnischer Religion in Form eines Weiterpraktizierens heidnischen Kultes oder privaten, quasi religiösen Brauchtums auf der einen und heidnischer Kultur in Form der Übernahme bestimmter mythologischer oder intellektueller Inhalte und Methoden auf der anderen Seite. Jede dieser Formen von Rezeption wird polemisch diffamiert, sobald nach Einschätzung des Veronesers zentrale Inhalte des christlichen Glaubens oder daraus ableitbare ethische Prinzipien davon entstellt werden könnten. Womöglich hat Zeno sogar die größere Gefahr auf intellektuellem Gebiet erkannt, da hier die christlichen Grundlagen, nicht nur deren praktische Konsequenzen tangiert werden. Alternativ bietet er auf der Folie einer solchen ‚negativen Dogmatik‘ und v. a. ‚negativen Ethik‘ ein Repertorium christlicher Bildung, das Gegenstand der Untersuchung im anschließenden zweiten Teil dieser Arbeit ist.

Kapitel 3

Das Konzept christlicher Bildung in den Tractatus Zenonis Zenos Auseinandersetzung mit Kultur und Bildung verläuft in zwei Bahnen. Zum einen, das konnte gezeigt werden, äußert er sich kritisch zu traditionellen Vorgaben. Dabei schließt er grundsätzlich keinen Bereich traditioneller, paganer Kultur aus, er bietet dem Charakter von Predigten entsprechend jedoch auch keine Systematik. Zum anderen ist er dadurch aber gezwungen, einen positiven Gegenentwurf zu entwickeln und vorzustellen, der zugleich auch die Voraussetzungen seiner Kritik beinhaltet. Auch dies geschieht dem Genus Predigt entsprechend nicht systematisch. Zudem ist nicht mit einem ausgereiften Programm zu rechnen, wie es eine Generation später ein Augustinus vorlegen wird; Zeno gehört im Westen vielmehr zu den Pionieren auf diesem Gebiet. In Abgrenzung zu heidnischer Kultur wird dieser aus den Predigten Zenos herausfilterbare Gegenentwurf hier mit dem nicht-antiken Terminus ‚Bildung‘ belegt, um damit bereits anzudeuten, dass christlich, zumindest aus der Perspektive der Betroffenen, etwas Neues seinen Anfang nimmt, das sich v. a. durch eine bisher unbekannte Ausrichtung auszeichnet. 1 Das Eingebundensein sowohl des Predigers als auch der Zuhörer in eine von der Tradition geprägte Umwelt erlaubt es jedoch nicht, sozusagen ‚bei Null‘ zu beginnen; Gemeinhardt spricht in seiner Untersuchung zur rhetorischen und literarischen Bildung von „Kontinuitätslinien terminologischer und inhaltlicher Art“2. Vorgefundenes kann bis zu einem bestimmten Grad – wie auch in dieser Arbeit bereits für andere Zusammenhänge gezeigt – aufgegriffen, übernommen oder angepasst werden. So ist auch in diesem Bereich zu fragen nach Übernahmen, Umgestaltungen und Neuem.

A. Voraussetzungen christlicher Bildung I. secunda nativitas und infantia Bei der Betrachtung der Jahreszeiten, die ursprünglich in paganem bäuerlich-kultischen Kontext beheimatet waren, jedoch schon vorchristlich aus 1 2

,Bildung zu …‘ im Gegensatz zu ,Kultur von …‘. P. GEMEINHARDT, Christentum, 165.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

diesem Kontext gelöst zu Metaphern des Wachsens und Reifens und unter pythagoreischem Einfluss mit den antiken Lebensaltersstufen allegorisierend parallelisiert wurden, hatte sich gezeigt, dass Zeno eine solche Zuordnung gewissermaßen auf einer zweiten Ebene der Allegorisierung auf die Stadien eines Christenlebens anwendet: Der Winter wird von Zeno dem Heidentum zugeordnet, der Frühling den Taufkompetenten und Neophyten, der Sommer den Vollgemeindemitgliedern in ihrer Bemühung um christliche Lebensführung, der Herbst schließlich den im Martyrium das ewige Leben erlangenden Christen.3 Zwischen Winter und Frühling ist in diesem Schema ein deutlicher Bruch, der sich im Akt der Taufe manifestiert.4 Und wie der Frühling in vorchristlicher Allegorese der infantia zugeordnet wird, so sind auch die neuen Gemeindemitglieder (novelli 5) nicht nur ecclesiae flores clarissimi ac dulces,6 sondern als solche auch infantes,7 die Taufe ist damit (secunda oder aetheria) nativitas,8 jeder 3

I 33,2f.; vgl. II 13. S. etwaI 13,12: „renatus per aquam et spiritum sanctum desinit esse, quod fuerat, et incipit esse, quod non erat.“ Vgl. CYPR. epist. 74,6,1 (CChr.SL 3C,570,112f. Diercks): „Baptisma enim esse in quo homo vetus moritur et novus nascitur manifestat … apostolus“. Und für die Väterzeit insgesamt B. NEUNHEUSER, Taufe und Firmung, HDG IV,2, Freiburg / Basel / Wien 21983, 47: „Das Taufbad ist die schmale Grenzlinie, die man überschreiten muß, um in diesen umfassenden Bereich der Wiedergeburt eintreten zu können.“ 5 I 44,2; I 49; I 57; direkte Anrede im Vokativ novelle christiane in I 25,3; s. auch den Vokativ novella pignora in I 38,1; pignora hier sicherlich in der Bedeutung ,Unterpfänder der Liebe‘ – zur Bezeichnung von „Gatten, Kindern u[nd] Enkeln“ gebräuchlich, so K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1705, aber auch zur Bezeichnung von Pfropfreisern, s. ebd.; vgl. auch das ebenfalls auf die Neophyten angewandte Bild der novellae vites in I 10B,3 – also auf die im Christentum Neugeborenen bezogen und verbunden mit der Rede von deren florentissimus ortus. Darüberhinaus begegnet novellus in I 6; I 16,1; I 44,1.2; I 57; II 19,1 auch als Attribut des Ostertages, also des jährlichen Taufdatums. In I 44,2 und I 57 werden die Täuflinge als novelli ausdrücklich mit diesem novellus dies verknüpft. Vgl. auch novellus populus inI 13,7; I 16,2 und vinea novella in II 11,1. Damit wird der Terminus in den zenonischen Traktaten fast ausschließlich auf das Christentum angewandt, allerdings auch auf Häresien, s. novellae fides in II 3,7 und novella traditio in II 3,10. 6 I 33,2. 7 I 24,1: „lactei fontis lavacro vitali … ex quo … emersistis infantes“; I 33,2: „sacrum fontem … , cuius divite ex alveo … nostri funduntur infantes“; ebenfalls an die Neophyten gerichtet I 38,1: „mundi estis infantes“; II 28 vor der Taufe: „ecce mox infantum dulcis vagitus auditur“; auch I 38,2: „Sicut parvulis morem geram“; s. auch die Deutung der Taufe in II 10,2: „ex animalibus veros homines factos, ex hominibus in angelos transituros, si provectus aetatis eorum infantiam non mutaverit“; die Aufforderung an die Neophyten in II 24,3: „Cuius sanctionem vestrae aetatis omni curriculo manente in sua semper infantia custodite“; und ähnlich II 29,3: „beatissimus, qui infantiam suam provectu temporis non mutaverit.“ Angesichts dieser Dichte der Belege für infantia zur Bezeichnung des Anfangsstadiums des Christseins dürfte mit dem Termi4

A. Voraussetzungen christlicher Bildung

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Christ deshalb renatus 9 bzw. natus (in Christo).10 Auch im Terminus nonus im Kontext der Auseinandersetzung mit der jüdischen Beschneidung, der eine christliche secunda circumcisio entgegengestellt wird, vermutlich auch eher dieses Stadium, das mit der Taufe beginnt, gemeint sein als die tatsächliche Kindheit eines Menschen, wenn es in I 3,23 heißt: „illa [sc. prior circumcisio] ante octavum vel post octavum diem nec ipsi morienti puero subvenit, haec [sc. secunda] a cunis ipsis infantiae usque ad supremos exitus cuiusvis aetatis utroque generi salutare munus inpertit“. 8 I 16,2 bezogen auf das Unter- und Wieder-Auftauchen bei der Taufe: „fidelis autem post secundae nativitatis occasum resurgens horrore numquam intercipitur tenebrarum“; I 24,1: „post … emersistis infantes, hortor vos nativitatis tantae festa laeto celebrare convivio“; I 27,3: „credentibus ... aetheria nativitate renovatis“; I 33,1f. zur Deutung des Ostertages: „diversis floribus genere colore pariter et odore una nativitate diffusis germinantia undique dulce prata respirant … Ver sacrum fontem debemus accipere, cuius divite ex alveo Favonio non vento, sed spiritu sancto generante odorem divinum beata spirantes fide diverso charismate, sed una nativitate ecclesiae flores clarissimi ac dulces nostri funduntur infantes“; I 42,2 und II 24,3: „Vetus quidem videtur domicilium, sed novus inquilinus exsultat (bzw. novus est inquilinus) mutatione morum nativitatis suae nobilitatem incredulis variis virtutibus probaturus (bzw. monstrans)“; II 29,2: „mater [sc. ecclesia] … unam nativitatem … praestat omnibus“. Vgl. auch I 1,3: „ecclesia …Christi sponsa est … nos …nascimur de tanto coniugio“; I 49: „Iudicio vestro nascimini“; II 28: „Nova res, ut iure spiritali unusquisque nascatur“. 9 I 13,12: „renatus per aquam et spiritum sanctum desinit esse, quod fuerat, et incipit esse, quod non erat“; II 29,3: „Itaque beatus est, semper qui meminit, quod renatus sit; beatior, qui non meminerit, fuit, antequam renatus sit; beatissimus, qui infantiam suam provectu temporis non mutaverit.“ S. auch I 55: „Fontanum semper virginis matris dulcem ad uterum convolate … O admirabilis et vere divina sacrosancta dignatio, in qua … qui renascitur plorare non novit!“ Vgl. auch I 13,7 in Deutung Schelas (Seloms) als des novellus populus: „Christo veniente baptismatis spiritali unda in gremio renatus ecclesiae“. 10 II 29,1: „Salvete, hodie nati fratres in Christo“; s. auch I 36,21: „Primum est itaque dilectionis officium deo refundere, quod nati sumus, solique debere, quod vivimus, nihilque prorsus cordis nostri in penetralibus retinere, quod alieno iuri servemus.“ Die ersten beiden Glieder der Aufzählung sind doppeldeutig, sie könnten sich sowohl auf die prima nativitas des Menschen wie auf die secunda nativitas des Christen beziehen; das letzte Glied deutet jedoch für den Gesamtzusammenhang in Richtung secunda nativitas. Ähnlich auch I 56,3: „Quare, fratres, propter quod facti et nati sumus, timeamus, amemus et honorificemus quem invenimus deum.“ Trotz des Gesamtzusammenhanges der Erschaffung des Menschen in I 56,3 deutet der Relativsatz quem invenimus daraufhin, dass mit facti auf das Erschaffen-Werden der Menschen, mit nati aber auf die Taufe der Christen abgehoben wird. Schließlich vordergründig ebenso doppeldeutig auch II 30,1: „Nihil est, fratres dilectissimi, ante omnia homini nato tam necessarium atque conveniens, quam ut se ipsum noverit.“ Wäre hier natus im Sinne von ,ins irdische Leben geboren‘ gemeint, würde das Partizip sich selbst überflüssig machen, denn dies gilt ja für jeden Menschen. Vielmehr scheint auch dieser Satz eine Katechese an die Neophyten einzuleiten, wenn auch der übrige Text des Traktates keinerlei Hinweis darauf beinhaltet. Dies bestätigt sich indirekt durch die fast wörtliche Parallele in I 27,1: „Nihil est, fratres dilectissimi, ante omnia homini timenti deum tam necessarium atque conveniens, quam ut se ipsum noverit.“ Dieser Traktat spricht durch das Attribut timenti deum ein-

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

vellus ist infantia bereits mitgedacht, da es neben dem Aspekt der Neuheit auch den des Jung-Seins mit einschließt,11 hier also den ‚Jung-Christen‘ bezeichnet. Bemerkenswert ist zudem, dass über die Verwendung von infans bzw. infantia zur Bezeichnung der neuen Christen hinaus die Termini in den Traktaten bis auf eine Ausnahme 12 nur noch auf Isaak 13 bezogen oder im Kontext der Geburt Jesu 14 begegnen. Zeno interessiert offensichtlich nur diese christliche infantia, die exemplarisch in der realen Kindheit des alttestamentlichen Typos und seines neutestamentlichen Antitypos den Christen aufgegeben ist. Auch Christus ‚erlebte‘ duae nativitates, auch er ist natus und renatus. Allerdings ist unter seiner ersten nativitas die Zeugung vor der Zeit und unter der zweiten die irdische Geburt zu verstehen; diesen zwei nativitates Christi gegenüber sind die zwei nativitates der Christen gewissermaßen chiastisch verkehrt. 15 Deshalb kann der Mensch, der in seiner zwar auch Gott geschuldeten, 16 aber den Bedingungen der deutig zuordenbar von Menschen, die sich durch ihre Gottesfurcht auszeichnen – und damit dürften zenonisch wohl nur Christen gemeint sein; allerdings dürften sich hier alle Gemeindemitglieder angesprochen gefühlt haben. Damit kommt dem Partizip nato in II 30,1 jedoch deutlich eine gewollte Funktion zu, möglicherweise auch die, gegenüber I 27,1 differenzierend auf die Neophyten abzuheben. Vgl. die Argumente, aufgrund derer die Traktate zur Genesis-Auslegung (= I 7; I 17; I 27; I 45; I 50; I 56; II 12; II 30) als Tauftraktate zu betrachten seien, bei G. P. J EANES, Easter, 112–117; das Partizip natus und seine Bedeutung übersieht Jeanes. 11 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1197; zur Bedeutung ,jung‘ vgl. auch asinus novellus (Esel-Jungtier) im Schriftzitat Za 9,9 in II 5,2. 12 I 3,3 allerdings unter Rückgriff auf Gn 17,12.14 zur Bezeichnung eines jüdischen, zu beschneidenden Knaben. 13 I 43,2.3; I 59,2.4. 14 I 54,3 (2x).4.5; II 12,3. 15 II 8,2: „Quapropter duas esse nativitates domini nostri Iesu Christi necessario scire debet populus Christianus, ne quem patiatur errorem: unam, qua natus est; alteram, qua renatus. Sed sicut est spiritalis prima sine matre, ita sine patre secunda carnalis.“ Diese Differenzierung kennt Zeno offensichtlich aus LACT. inst. 4,7,8 (CSEL 19,1,295,4f. Brandt): „In primis enim testificamur illum [sc. Christum] bis esse natum, primum in spiritu, postea in carne.“ und ausführlicher LACT. inst. 4,13,3 (CSEL 19, 1,316f.,16–1 Brandt): „in prima enim natiuitate spiritali PìÞôùñ fuit, quia sine officio matris a solo deo patre generatus est, in secunda uero carnali PðÜôùñ fuit, quoniam sine patris officio uirginali utero procreatus est, ut mediam inter deum hominemque substantiam gerens nostram hanc fragilem inbecillamque naturam quasi manu ad inmortalitatem posset educere.“ – Der Typos Isaak bleibt in diesem Punkt natürlich hinter seinem Antitypos zurück; das Ausbleiben der Opferung wird nicht als zweite Geburt gedeutet, da es typologisch für den Opfertod Christi herangezogen wird; von Isaak wird lediglich gesagt, dass er nach dem Opfer lebt; s. I 4,15: „qui immolatus est vivit“; I 25,9: „Isaac, immolatur ut vivat“. 16 II 1,21: „Stulta autem res est illis [sc. filiis tuis] te velle vitae substantiam providere, quibus nec nativitatem dederis nec animas inspiraveris nec salutem praestare possis.“ S. auch I 36,21: „Primum est itaque dilectionis officium deo refundere, quod

A. Voraussetzungen christlicher Bildung

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Welt und Sünde unterliegenden 17 prima nativitas verharrt, nicht den überzeitlichen Zustand der Glückseligkeit erlangen, oder anders: zunächst ‚wahrer Mensch‘ und schließlich ‚Engel‘ werden. 18 Die Allegorie von der Taufe 19 als secunda nativitas und der daraus resultierenden infantia der Christen vervollständigt Zeno schlüssig durch weitere Metaphern: Die Täuflinge werden (wieder-)geboren von der ecclesia, die sponsa (bzw. indirekt erschließbar coniux) Christi 20 und zugleich (immer jungfräuliche) mater der Täuflinge 21 ist. Die Zeugung durch

nati sumus, solique debere, quod vivimus“. Auch II 4,8: „duae quoque vitae a deo attributae sunt nobis: una , qua nescientes communi cum pecudibus lege fundimur a natura“. Vgl. auch den ,Sonderfall Isaak‘ etwa in I 59,3: „divinae ordinationis propago formata“. 17 I 38,1: „eratis rei, eratis et inmundi mundana nativitate, contra omni reatu iam liberi mundi estis infantes“. 18 II 10,1f.: „beatus esse non potest, fratres, in prima nativitate persistens … aqua nostra suscipit mortuos et emovit vivos, ex animalibus veros homines factos, ex hominibus in angelos transituros, si provectus aetatis eorum infantiam non mutaverit.“ Auch II 4,8: „Unde duae quoque vitae a deo attributae sunt nobis: una , qua nescientes communi cum pecudibus lege fundimur a natura, quae est corporalis ac per hoc etiam brevis; alia vero animi, quam nos nobis ipsi hac in vita per fidem sacri fontis vivo de gurgite conparamus, nobilis et aeterna , quia animus, qui vicerit mundum agnoscendo ac servando religionem veram veramque iustitiam, inmortalitatis necesse est pro laboris sui munere inmortali beatitudine perfruatur.“ 19 Weitere Allegorien in diesem Bereich, etwa eine Weinbergs-Allegorie in I 10B,1f. und II 11,1, eine von der Zubereitung des Weizens in I 41, sowie die typologische Auslegung des Exodusgeschehens, insbesondere des Durchzugs durch das Rote Meer in I 29, werden hier vernachlässigt, da sie an dieser Stelle zur Fragestellung nichts Wesentliches beitragen. Ebenfalls unberücksichtig bleibt hier der aus den Taufpredigten Zenos erschließbare Taufritus in Verona; zu beiden Punkten s. G. P. J EANES, Easter. 20 I 1,3: „Nam si ecclesia ideo Christi sponsa est, quia pudica , ideo iugo thalami caelestis honorata , quia etiam post nuptias manet postmodum virgo perpetua , nos, qui nascimur de tanto coniugio, omnifarie niti debemus, quemadmodum prosapiae nostrae nobilitatem non relatione tantum, sed etiam fide similitudinis adprobemus.“ S. auchI 13,13: „haec [sc. ecclesia] glorificata vestri numeri incrementis ac fide cum Christo in aeterna saecula permanebit“. Vgl. in I 3,20 die Parallelisierung der Erschaffung Evas aus der Rippe Adams mit der ,Erschaffung‘ der Kirche aus der Seitenwunde Jesu als spiritalis femina . Deutlicher formuliert die ,zweite Geburt aus dem Paar Gott und Kirche‘ AUG. serm. 121,4 (PL 38,679f.): „Prima nativitas ex masculo et femina: secunda nativitas ex Deo et Ecclesia“. 21 I 10B,2: „dominus … aliam [vineam] sibi, id est ecclesiam matrem, … plantavit“; I 32: „iam mater nostra adoptat ut pariat“; I 38,2: „una uno partu vestra vos peperit mater“; I 55: „Fontanum semper virginis matris dulcem ad uterum convolate“; ebd.: „haec est mater omnium, quae nos adunatos, ex omni gente et natione collectos unum postmodum efficit corpus“; II 28: „Ultro currite ad matrem, quae tunc non laborat, si quos parit numerare non possit“; II 29,2: „O bonae matris caritas pura ! … pia servat ut mater“. Das Bild findet in anderem Kontext Ergänzung durch die Gleichsetzung

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

himmlischen Samen 22 bzw. durch das Wort 23 ist ein Akt des heiligen Geistes.24 Nachdem die Mutter die Täuflinge in ihrem Schoß (gremium, uterus, venter) 25 empfängt,26 kreißt 27 und schließlich gebiert 28 – abgehoben wird damit auf das Taufbecken 29 –, kleidet sie 30 die Neugeborenen ein 31 und nährt die Quäkenden 32 u. a. mit Milch.33 Die zenonische Tauf-

Christi mit einem pater familias, ausdrücklich in I 37,9 in Deutung von Mt 13,52: „pater familias [est] Christus“; s. auch an die Neophyten gerichtet I 24,2; aber auch I 35,8. 22 I 16,2: „aetherio semine novellus vivificatus est populus“. 23 I 13,11: „Thamar concepit in utero, ecclesia corde concepit, illa semine, haec verbo.“ 24 I 33,2: „Ver sacrum fontem debemus accipere, cuius divite ex alveo Favonio non vento, sed spirito sancto generante odorem divinum beata spirantes fide diverso charismate, sed una nativitate ecclesiae flores clarissimi ac dulces nostri funduntur infantes.“ Vgl. auch I 2,25f.: „caro … necata baptismate … inmortalitatis semine … scilicet spiritus sancti conceptione, insita fit ante fecunda“. Vgl. J. SCHMID, Art. Brautschaft, heilige, RAC II, 1954, 528–564, hier: 555: „Dabei ist es nach dem ursprüngl. Ritus der (Geist-)Logos, der das den Mutterschoß der Kirche versinnbildende Taufwasser befruchtet, zur Wiedergeburt befähigt.“ Zur zenonischen Verbindung von Tauf- und Geisttheologie auf der Grundlage von Mt 3,11 und Jo 3,5 s. G. SGREVA, Teologia, 167–171. 25 I 13,7: „baptismatis spiritali unda in gremio renatus ecclesiae“; I 55: „Fontanum semper virginis matris dulcem ad uterum convolate“; II 28: „ecce parientis uno de ventre clarissima turba procedit.“ 26 I 13,11: „Thamar concepit in utero, ecclesia corde concepit, illa semine, haec verbo.“ Vgl. II 28: „Eia quid statis, fratres, vestram quos per fidem genitalis unda concepit“. 27 I 55: „O admirabilis et vere divina sacrosancta dignatio, in qua quae parturit non gemit“; II 28: „Eia quid statis, fratres, vestram quos per fidem genitalis unda concepit, per sacramenta iam parturit? “ S. aber auch II 23: „Exsultate, fratres, quos sua parturit fides“. 28 I 32: „iam mater nostra adoptat ut pariat“; I 38,2: „una uno partu vestra vos peperit mater“; II 28: „Ultro currite ad matrem, quae tunc non laborat, si quos parit numerare non possit.“ II 29,2: „pia servat ut mater … ne quid adulterum pariat.“ 29 I 33,2: „Ver sacrum fontem debemus accipere, cuius divite ex alveo … nostri funduntur infantes“; I 49: „aeternique gurgitis alveo genitali condentes“; I 55: „Fontanum semper virginis matris dulcem ad uterum convolate“. 30 I 32: „caelestia dona percipite. … laeta [mater] gaudentes, caelestis libera … suave redolentibus sacri altaris feliciter enutrit a cancellis“. 31 I 38,3: „fratres, genesis talis est vestra . Primus vos, qui in se credentem reprobat nullum, … agnus excepit, qui vestram nuditatem velleris sui niveo cadore vestivit“; s. auch I 23: „In fontem quidem nudi demergitis, sed aetheria veste vestiti mox candidati inde surgetis“; I 49: „Constanter igitur ac fideliter hominem istum vestrum veterem foetorosis suis cum pannis abicite, novelli omnes, omnes candidati“. Möglicherweise hebt das auf den römischen Brauch ab, anlässlich der Geburt eines Kindes ein Gewand zu übergeben; s. J. A. HARRILL, Coming of Age and Putting on Christ. The Toga Virilis Ceremony, its Paraenesis, and Paul’s Interpretation of Baptism in Galatians, NT 44, 2002, 252–277, hier: 260.

A. Voraussetzungen christlicher Bildung

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Allegorie wird ferner ergänzt um die Metaphern der Feier der Geburt mit einem Mahl 34 und das Anstimmen eines Liedes.35 Gelegentlich erfolgt anlässlich der Geburt in Anlehnung an pagane Gepflogenheiten auch eine

32 II 28: „ecce mox infantum dulcis vagitus auditur“. Aber I 55: „qui renascitur plorare non novit! “ 33 I 12 und II 14: „lacteum genitalis fontis ad laticem convolate incunctanter ac fortiter bibite (bzw. convolate. Fortiter bibite)“; I 24,1: „lactei fontis lavacro vitali“; I 38,3: „fratres, genesis talis est vestra . Primus vos, qui in se credentem reprobat nullum, … agnus excepit … qui suum lacte beatum vagitu hiantibus vestris labris indulgenter infundit“ (vgl. dazu J. SCHRIJNEN, Milch und Honig in der altchristlichen Taufliturgie, in: ders., Collectanea Schrijnen, Nimwegen / Utrecht 1939, 295–302, hier: 298, der – allerdings ohne Beleg – darauf hinweist, dass „das eucharistische Blut die Milch des Lammes genannt wurde“; dies scheint die einzige Stelle, die im Sinne der Interpretation von J. B ETZ, Die Eucharistie als Gottes Milch in frühchristlicher Sicht, ZKTh 106, 1984, 1–26.167–185, hier: 23, verstanden werden könnte, s. u. S. 414, Anm. 185); I 44,2 und I 57: „sacri oceani lacteo profundo demersi (bzw. dimersi)“; II 28: „omnes simul subito futuri lactantes“; II 29,2: „unam nativitatem, unum lac … praestat omnibus“. Vgl. auch I 41,2 innerhalb der Allegorisierung der Täuflinge als frisch gebackene Brote: „Lacteus illis color est, lacteus sapor est.“ Außerdem im Kontext einer zur Taufe gehörenden Exodusauslegung, s. G. P. J EANES, Easter, 117–121, in I 8,1: „Sacram legem qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur.“ Ebenfalls in einem Exodus-Tauftraktat die Überbietung der Versprechung von ,Milch und Honig‘ (Ex 3,8) in I 46B,3: „Illis [sc. Iudaeis] in deserto suavitas lactis et mellis exhibita est, nobis vero, quod plus est, melle dulcior ac lacte candidior aeternae vitae beatitudo dei tribuetur in regno.“ – Eine ausführliche Allegorie auf weitere ,Nahrung‘ der Christen bietet der komplette Traktat I 24, auch dort, I 24,3 wird Milch angeführt: „David regius pastor omnibus momentis lac argenteum subministrat et caseum.“ 34 I 24,1: „hortor vos nativitatis tantae festa laeto celebrare convivio, sed non illo, in quo diversis epulis intrimentorum lenocinio saporis de summa certantibus obrutum pectus saepe crudis atque acidis vomitibus inurguetur, in quo musti vestri dulcedo saecularis vini pridiani exhalante foetore corrumpitur, sed caelesti prandio, honesto, puro, salubri atque perpetuo“. Ob das Bild, wie von A. B IGELMAIR, Traktate, 292, Anm. 2, ausdrücklich bemerkt, sich auf die der Taufe anschließende Eucharistie oder gar auf ein der Taufe folgendes nicht-liturgisches Mahl bezieht, wäre im Einzelnen (auch in Auseinandersetzung mit der Cena Cypriani) zu untersuchen; wahrscheinlicher dürfte es m. E. sein, dass Zeno, wie er mit I 38 den Brauch der Genethlialogie ersetzt, auch hier ein Festmahl, dass bei realen Geburten abgehalten wurde, s. J. MARQUARDT, Das Privatleben der Römer, 2 Bde., Leipzig 1886, Repr. Darmstadt 1980, Bd. I, 83f., durch dieses allegorische Traktat ersetzt. Inhaltlich paraphrasiert Zeno hier u. a. den auf Cyprian zurückgehenden Topos der sobria ebrietas; s. J. DOIGNON, Refrigerium, 221–224. 35 II 28: „Solemnis hymnus ecce iam canitur“. Dies ist vermutlich auch auf die liturgische Ausgestaltung des Taufgottesdienstes bezogen; es unterstreicht aber auf der metaphorischen wie der realen Ebene den festlichen Charakter der ,Geburtsfeier‘. Vgl. II 24: „Exsultemus, fratres in Christo, triumphatorique perpetuo hymnis, citharis, tympanis, canticis gratiam referamus“. Vgl. auch G. P. J EANES, Easter, 128, Anm. 84, zum Gesang der Drei Jünglinge im Feuerofen.

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Horoskoperstellung.36 Aus der Vielzahl der Kinder 37 entwickelt sich ein neues Volk (novellus populus).38 Die Elemente, derer Zeno sich bedient, um dieses Bild zu zeichnen, begegnen als einzelne schon früh.39 In Anlehnung an Jo 3,3–5, Tt 3,5 und 1 Pt 1,3 deuten schon Justin, Clemens von Alexandrien und Origenes die Taufe als ‚Wiedergeburt‘ (PíáãÝííåóéò),40 im Westen spricht Tertullian vom lavacrum novi natalis.41 Das Bild der Kirche als Braut, das v. a. in Deutung von 2 Cor 11,2 und Eph 5,22–32 zum „Gemeingut der patristischen und späteren Theologie aller Jahrhunderte“ 42 wird, begegnet ebenfalls bei Tertullian 43 wie dieser ebenso von der Kirche als Mutter spricht. 44 Cyprian, der desgleichen das Bild 36

I 38. I 13,13: „haec [sc. ecclesia] glorificata vestri numeri incrementis ac fidei“; II 28: „ecce parientis uno de ventre clarissima turba procedit“ und ebd.: „quos parit numerare non possit.“ Doppeldeutig ist in I 33,1 die Formulierung natalicia infinita , die vordergründig auf die stetige Wiederkehr des Ostertages verweist; da diesem jedoch an gleicher Stelle die Funktion des Tauftages zugewiesen wird, dürfte natalicia infinita auch darauf mit abheben. 38 I 13,7: „Selom autem … ex gentibus venientis novelli populi imaginem depingebat“; I 16,2: „novellus vivificatus est populus“. 39 Fast gänzlich negativ ist der Befund allerdings bei dem bezüglich anderer Inhalte so gerne von Zeno rezipierten Laktanz; dies ergibt eine Recherche in der Datenbank LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) etwa unter den Suchbegriffen „sponsa*“ oder „ecclesia*“. Lediglich unter dem Suchbegriff „nativita*“ wird man mit einer Stelle fündig, LACT. inst. 3,30,8 (CSEL 19,1,272,19–22 Brandt): „qui vult sapiens ac beatus esse, audiat dei vocem, discat iustitiam, sacramentum nativitatis suae norit, humana contemnat, divina suscipiat, ut summum illut bonum ad quod natus est possit adipisci.“ 40 S. B. NEUNHEUSER, Taufe, 38f.41.46; E. J. YARNOLD, Art. Taufe III. Alte Kirche, TRE XXXII, 2001, 674–696, hier: 675. Für die syrischen Schriftsteller ist dieses Taufverständnis bis in das 4. Jahrhundert hinein geradezu typisch, erst ab diesem Zeitpunkt wandelt sich im orientalischen Bereich das Verständnis der Taufe hin zu einer Deutung als Sterben und Auferstehen mit Christus; s. G. W INKLER, The Original Meaning of the Prebaptismal Anointing and its Implications, in: Living Water, Sealing Spirit. Readings on Christian Initiation, hg. v. M. E. Johnson, Collegeville, Minn. 1995, 58–81. 41 T ERT. bapt. 20,5 (CChr.SL 1,295,29 Borleffs). 42 J. SCHMID, Brautschaft, 547; vgl. auch K. DELAHAYE, Ecclesia mater chez les pères des trois premiers siècles, UnSa 46, Paris 1964, 160–179; dort auch zahlreiche Belege. 43 Aus der Vielzahl der Stellen sei hier exemplarisch angeführt T ERT. adv. Marc. 4,11,7f. (CChr.SL 1,567,5–12 Kroymann): „In se enim et ecclesiam deputat, de qua idem spiritus ad ipsum: et circumpones tibi omnes eos velut ornamentum sponsae. Hanc sponsam Christus sibi etiam per salomonem ex vocatione gentium arcessit, … de idolatria enim sponsabat ecclesiam.“ Weitere Belege bei J. SCHMID, Brautschaft, 555, und P.-T. CAMELOT, Die Lehre von der Kirche. Väterzeit bis ausschließlich Augustinus, HDG III,3b, Freiburg / Basel / Wien 1970, 13. 44 Exemplarisch T ERT. adv. Marc. 5,4,8 (CChr.SL 1,673,23f. Kroymann): „sanctam ecclesiam, quae est mater nostra“; ders., anim. 43 (CChr.SL 2,847,64f. Waszink): „ut … vera mater viventium figuraretur ecclesia“; ders., bapt. 20,5 (CChr.SL 1,295,28–30 Borleffs): „cum de illo sanctissimo lavacro novi natalis ascenditis et primas manus apud matrem cum fratribus aperitis“; weitere Belege bei P.-T. CAMELOT, Lehre, 13; K. DELA37

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der Kirche als sponsa kennt,45 aber auch eine besondere Vorliebe für das Bild der Mutter zeigt,46 weist an zahlreichen Stellen auf ihre Fruchtbarkeit hin,47 die Taufe bezeichnet er explizit als nativitas secunda spiritalis … qua in Christo per lavacrum regenerationis nascimur.48 Die Einheit der Kirche war Cyprian ein besonderes Anliegen, das er im Kontext des Ketzertaufstreites auch auf die Taufe überträgt;49 seine Rede von der Einheit der Taufe scheint angesichts drohender Spaltungen – wenn auch in völlig neuem Kontext – einen direkten Niederschlag in der zenonischen Taufdeutung gefunden zu haben. 50 Cyprian entwickelt auch eine weiter reichende Tauf-Allegorie, die sich aus den Metaphern Christi sponsa – nativitas christianorum in baptismo – deus pater und ecclesia mater zusammensetzt.51 Zeno ist jedoch der erste westliche Autor, der die genannten Elemente zu einem so komplexen Bild wie oben skizziert zusammenkomponiert. 52

HAYE , Ecclesia, 95–100; J. C. P LUMPE , Mater Ecclesia. An Inquiry into the Concept of the Church as Mother in Early Christianity, SCA 5, Washington, DC 1943, 45–62. 45 Etwa CYPR. testim. 2,29 (CChr.SL 3,55,4–6 Weber) in Zitation von Jl 2,16: „adgregate populum, sanctificate ecclesiam, excipite maiores natu, colligite parvulos lactantes, procedat sponsus de cubiculo suo et sponsa de thalamo suo“, bezeichnenderweise unter der Überschrift „Quod ipse sit sponsus ecclesiam habens sponsam, de qua filii spiritaliter nascerentur“. 46 So P.-T. CAMELOT, Lehre, 18; vgl. als begründenden Hintergrund CYPR. unit. eccl. 6 (CChr.SL 3,253,149f. Bévenot): „Habere iam non potest Deum patrem qui ecclesiam non habet matrem.“ Weitere Belege bei K. DELAHAYE, Ecclesia, 101–107; J. C. P LUMPE, Mater, 81–108. 47 Etwa CYPR. unit. eccl. 5 (CChr.SL 3,253,141f. Bévenot): „ecclesia … una mater fecunditatis successibus copiosa: illius fetu nascimur“; weitere Belege bei P.-T. CAMELOT, Lehre, 19. 48 CYPR. epist. 74,5,4 (CChr.SL 3C,570,104f. Diercks). 49 S. P.-T. CAMELOT, Lehre, 19. 50 S. etwa I 33,1: „diversis floribus genere colore pariter et odore una nativitate diffusis germinantia undique dulce prata respirant“; I 33,2: „diverso charismate, sed una nativitate“; I 55: „Quid statis genere, aetate, sexu, condicione diversi, mox unum futuri? … haec est mater omnium, quae nos adunatos, ex omni gente et natione collectos unum postmodum efficit corpus“; II 29,2: „unam nativitatem, unum lac, unum stipendium, unam spiritus sancti praestat [mater] omnibus dignitatem.“ 51 CYPR. epist. 74,6,2–7,2 (CChr.SL 3C,571f.,115–134 Diercks). 52 S. G. DE P AOLI, Iniziazione, 409. Vgl. auch die ausdrückliche Nennung Zenos bei J. SCHMID, Brautschaft, 555: „Der Gedanke, daß die Mutter Kirche die Gläubigen gebiert, wird bes. ausgeführt in den Taufreden Zenos v. Verona.“ Ebenso ausdrücklich wird Zeno von G. B INDER, Art. Geburt II (religionsgeschichtlich), RAC 9, 1976, 43–171, hier: 154, angeführt.

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II. aetheria vestis Eine der Gaben 53, die den neugeborenen Kindern nach der Taufe gewährt wird, ist die Bekleidung. Nachdem die Kompetenten nackt im Taufbecken untergetaucht sind, tauchen sie bekleidet (vestiti) wieder auf: „In fontem quidem nudi demergistis, sed aetheriae veste vestiti mox candidati inde surgetis.“ 54 Die adversativ angeschlossene zweite Phrase lässt an der Formulierung aetheria veste vestiti bereits erkennen, dass hier eine metaphorische Aussage getroffen wird. In gleiche Richtung weist die Angabe des Taufhoroskops, dass das Lamm die Nacktheit der Täuflinge mit dem schneeweißen Glanz seines Felles bekleide: „agnus …, qui vestram nuditatem velleris sui niveo candore vestivit“.55 Zur Annäherung an die Metapher aetheria veste vestiti seien zunächst zwei Schritte untersucht, die einer Einkleidung selbst vorausgehen. Der zukünftige Christ muss zunächst das Heidentum ablegen, wie er vor dem Taufbad die Kleider ausziehen muss; deshalb die direkte Aufforderung an die Kompetenten: „Constanter igitur ac fideliter hominem istum vestrum veterem foetorosis suis cum pannis abicite“.56 Der alte Mensch, (in Anspielung auf Rm 5,14 und 1 Cor 15,22) auch „Adam“, 57 ist 53 Vgl. I 32: „Exsultate, fratres in Christo, omnique desiderio convolantes caelestia dona percipite.“ Vgl. auch II 29,1 zur Bezeichnung des durch die Taufe insgesamt Erworbenen: „Salvete, hodie nati fratres in Christo, acceptaeque indulgentiae regale beneficium diligenter, fortiter ac fideliter custodite.“ Etwas uneindeutig bezüglich des mit stipendium gemeinten II 29,2: „Ac ne quem plus amare videatur [mater] aut minus, unam nativitatem, unum lac, unum stipendium, unam spiritus sancti praestat omnibus dignitatem.“ P. LEIPELT, Traktate, 322, und A. B IGELMAIR, Traktate, 299, übersetzen mit „Lohn“, wieder aufgenommen von G. B ANTERLE, Discorsi, 303, mit „ricompensa“ (G. EDERLE, Sermones, übersetzt den Traktat nicht). Gemeint ist aber wohl eher ,Beistand, Unterstützung‘, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2803, oder ,Unterhalt‘, vgl. H. MENGE, Großwörterbuch, 716. 54 I 23. 55 I 38,3. Vgl. HIL. in psalm. 2,20 (CChr.SL 61,51,16f. Doignon): „hi in nivem albescent eruntque veste beati velleris candidati.“ 56 I 49 unter Bezug auf Col 3,9. – Das Bild des Gewandablegens wird inI 13,7f. auch auf die gesamte Kirche angewandt: Tamar – „Thamar ecclesiae [imaginem depingebat]“ – legt das (dunkle) Witwengewand ab (Gn 38,14), wie die Kirche das Heidentum: „Thamar cum esset in domo patris sui, id est in templis infamibusque spectaculorum omnium locis …, vestem viduitatis deposuit, id est sordidae religionis sordidos ritus abiecit.“ – Dies erklärt auch, warum das Trauerverhalten einschließlich des Tragens eines Trauergewandes für eine christliche Witwe unpassend ist; vgl. II 7,7 „sordido plus pulvere tecta quam veste“. 57 II 4,18: „Adam abiecimus“. Der ,alte Mensch‘, homo vetus, heißt bei Zeno auch (in Analogie zur prima nativitas) primus homo, s. II 4,1; II 24,3; vgl. auch die Gegenüberstellung primus homo Adam – novissimus Adam in VETUS LATINA 1 Cor 15,45 (Database) und VULGATA 1 Cor 15,45 (Weber / Gryson).

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gekennzeichnet von „schmutzigen Lumpen“; 58 ähnlich wird auch der Winter, der in der österlichen Deutung der Jahreszeiten auf das Christenleben verbunden wird mit heidnischem Kult, weltlichen Genüssen und ewigem Tod, also all dem, wodurch sich das Leben vor der Taufe auszeichnet, als pigra, sordida et tristis bezeichnet.59 Deshalb ist der ins Heidentum Hineingeborene immer auch inmundus.60 Und so dürfte der Verweis auf die Schmutzigkeit des Vorgangs der irdischen Geburt der Täuflinge und der Hinweis auf ihre schmutzigen Windeln (panni sordidi) zum einen zwar dazu dienen, in beschreibender Funktion das Bild der metaphorischen Geburt in der Taufe der Realität entsprechend auszugestalten und so zu verstärken, zum anderen aber innerhalb der Taufallegorie auch selbst metaphorisch auf das frühere Leben als ‚Heidenkinder, dem Gesetz der Welt ausgeliefert‘ abzuheben: „iam mater nostra adoptat ut pariat, sed non ea lege, qua vos matres vestrae pepererunt, quae et ipsae partus dolore gementes et vos plorantes, sordidos, pannis sordidis alligatos huic mundo dediticios intulerunt“.61 Nach der Taufe jedenfalls sind die Neophyten von keinerlei verdunkelndem Schmutz mehr bedeckt: „non ullae sordes obfus58 Die Deutung von foetorosi panni durch A. B IGELMAIR, Zeno, 118, als „widerliche Windeln“, die durch weiße Kleider ersetzt werden, passt nicht ins Bild; Windeln müsste das Neugeborene tragen. In seiner Übersetzung, A. B IGELMAIR, Traktate, 288, korrigiert er diese Deutung daher auch in „von Schmutz stinkende[.] Lumpen“. 59 I 33,2: „Hiems namque pigra , sordida et tristis ad eos pertinet, qui idolatriae deservientes, mundanis voluptatibus conpediti, libidini vacantes et gutturi, longae nocti, id est aeternae morti, sunt a deo, quod opus tenebrarum dilexerint, destinati.“ Vgl. auch II 7,17, wo der mit einem Heiden verheirateten Christin vorgeworfen wird, sie trockne durch ihre Umarmung den feuchten Dunst schmutziger Altäre (sordidae arae ) ab. Sordidus ist im Übrigen exakter Gegenbegriff zu candidus, s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 954. 60 I 38,1: „eratis et inmundi mundana nativitate“. 61 I 32. Anders als in I 49 passt hier die Übersetzung Windeln, da auf eine Versorgung im Anschluss an die reale irdische Geburt abgehoben wird. Die Mehrdeutigkeit des Terminus pannus als ,Stückchen Tuch, Lappen‘, aber auch ,Lumpen‘, s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1461, ermöglicht es, die realen schmutzigen Windeln des Heidenkindes metaphorisch als Lumpen des erwachsenen Heiden wieder aufzugreifen. – Einzig in der Geburt Christi ist der irdische Vorgang von Qual und allem Schmutz befreit, s. I 54,4: „Interea rudis non gemit feta [sc. Maria]. Non mundum, ut assolet, infans fusus ingrediens sponte vitae repantis praeviis lacrimis auspicatur. Non mater eius tanti partus pondere exhausta totis pallens iacuit resoluta visceribus. Non filius matris aut suis est ullis sordibus delibutus; neque enim re vera aliquid circa se habere possit inmundum, qui humani generis peccata , sordes et maculas venerat mundaturus“; s. auch hier die Verknüpfung von „Schmutz“ und „Sünde“. Obwohl die Geburt Christi also nicht vom gewöhnlichen Schmutz einer Geburt gezeichnet war, wurde Christus mit der Annahme des Fleisches mit dem „Schmutz der Sünden des gesamten Menschengeschlechts besudelt“, so I 15,8: „dominus sumendo carnem totius humani generis peccatorum est sordibus obsoletatus.“

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cant.“ 62 Unter sordes kann man auch hier durchaus Kleider verstehen, steht doch der Terminus nicht nur allgemein für Schmutz, sondern besonders auch für den Schmutz der Kleidung oder für schmutzige Kleider selbst.63 Ungeachtet der Frage jedoch, ob hier Schmutz oder schmutzige Kleider gemeint sind, steht sordes stellvertretend für peccata.64 Inwieweit Zeno in dieser Deutung des Ablegens des alten Gewandes von neuplatonischen Gedanken beeinflusst ist, wie Quasten dies für die christliche Interpretation des Gewandablegens vor der Taufe insgesamt schlussfolgert, 65 ist aus den Traktaten nicht zu ersehen. Quasten beschränkt sich auf Belege aus den Werken des Porphyrius, des Proclus, des Plotin, Philos und Senecas (welche er in diesem Punkt bis auf Empedokles zurückführt), die vom „Gewand des Fleisches“ bzw. vom „Gewand der Haut“ sprechen. 66 In direkter Verbindung mit der Rede vom Gewand findet sich dies bei Zeno nicht, wenn natürlich auch die inhaltliche Nähe nicht zu verkennen ist. Auch der Wechsel vom wollenen zum leinenen Gewand, soll heißen vom todverhafteten Gewand tierischen Ursprungs zum Gewand der Unsterblichkeit pflanzlichen zum Himmel strebenden Ursprungs, wie Quasten ihn aus Hieronymus, Brief 64,19 für die christliche Taufe insgesamt ableitet,67 findet in den zenonischen Traktaten keine Bestätigung.68 Einzig über die von Quasten für Apuleius aufgezeigte Deutung des leinenen Gewandes der Eingeweihten in den Mysterienreligionen als purissimum rebus divinis velamentum 69 könnte man im umgekehrten Rückschluss eine Nähe zur zenonischen Deutung der schmutzigen Gewänder herstellen. Daher bleibt es auch überaus fraglich, ob für Zeno das Ablegen der Ge62

II 29,1. S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2733: „insbes., der Schmutz der Kleidung, die schmutzige Kleidung, als Tracht Leidtragender u[nd] Angeklagter, wie Sack und Asche“. 64 In I 54,4: „filius …, qui humani generis peccata , sordes et maculas venerat mundaturus“ kann die metaphorische Formulierung sordes et macula eigentlich nur als Apposition auf die realen peccata bezogen sein, eine Interpretation als Aufzählung von Gliedern unterschiedlicher Sprachebenen macht m. E. wenig Sinn. Im lateinischen Text ist daher ein Komma hinter maculas zu ergänzen. 65 S. J. QUASTEN, The Garments of Immortality. A Study of the „Accipe vestem candidam“, in: Miscellanea Liturgica. FS G. Lercaro, Bd. I, hg. v. L. Bettazi, Rom u. a. 1966, 391–401, hier: 400. 66 Ebd., 398f. Er übernimmt dies offensichtlich aus J. HECKENBACH, De nuditate sacra sacrisque vinculis, RVV 9,3, Gießen 1911, 66f. 67 S. J. QUASTEN, Garments, 391, zu HIER. epist. 64,19 (CSEL 54,610 Hilberg) . 68 Ausdrücklich gegen eine solche Gegenüberstellung von wollenem Gewand als Bekleidung des Ungetauften und leinenem Gewand als Bekleidung des Getauften spricht im Übrigen auch CHROMAT. serm. 10 (CChr.SL 9A,46,71f. Étaix / Lemarié): „Vestis nuptialis gratia baptismi salutaris est, quae non nitore lanae, sed fidei candore resplendet.“ Sollte diese metaphorische Rede ein reales weißes Gewand der Neophyten zum Ausgang haben, was naheliegend ist, aber nicht beweisbar, dann ist festzuhalten, dass die Verneinung sich auf die Funktion des Glanzes der Wolle innerhalb der metaphorischen Deutung des Gewandes bezieht. Das heißt nicht, dass das Gewand nicht aus Wolle hergestellt ist, sondern setzt vielmehr voraus, dass es sich um ein wollenes Gewand handelt. 69 J. QUASTEN, Garments, 394f. Ebd., 396, erklärend: „Wool is regarded as impure and unclean.“ 63

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wänder der Kandidaten der Mysterienreligionen vor der Initiation als Voraussetzung der Einigung mit der Gottheit,70 wie dies in Adaption neuplatonischer Gedanken bei Dionysius Aeropagita, De ecclesiastica hierarchia 2,3,5 als Deutung der Taufe wieder auftauche,71 eine Rolle spielte. Wenn dem Veroneser diese Nähe, die bei tatsächlich lustraler Funktion in den Mysterienreligionen eine wirkliche Nähe wäre, 72 bewusst gewesen wäre, hätte man m. E. viel eher mit einem polemisch-ablehnenden Hinweis darauf zu rechnen. 73

Zeno scheint vielmehr an die Alltagserfahrungen seiner Zuhörer anzuknüpfen: Nach Ablegen der Kleider sind die Täuflinge zunächst nackt 74 und damit wie jeder nackte Mensch, insbesondere aber das noch hilflose Neugeborene, einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt. Angesichts zunehmend auseinander driftender gesellschaftlicher Verhältnisse wird Nacktheit (nuditas) in der zenonischen Gemeinde durchaus in ihrer existentiellen Bedrohlichkeit wahrgenommen.75 So wie es deshalb verwerflich ist, jemanden unbekleidet seiner Not zu überlassen,76 ist es gleichermaßen verwerflich, jemanden der Kleider (und des Eigentums) zu berauben, und dies im eigentlichen wie im übertragenen Sinn. Denn Nacktheit ist, wie dies in zenonischer Sicht Venus und Eros demonstrieren, 77 auch ein Zeichen und Bild der Unsittlichkeit oder deutlich christlich ausgedrückt der Sündhaftigkeit (peccatorum nuditas) 78 und der Bedrohung durch diesel70

Ebd., 399f. Die von Quasten als Beleg herangezogene Arbeit Heckenbachs spricht jedoch von der (bei Quasten vernachlässigten) lustralen Funktion des Gewandablegens in den Mysterienreligionen; s. J. HECKENBACH, Nuditate, 12: „Nuditas igitur in actionibus sacris [mysteriorum rituum] ad lustrationem pertinuisse videtur“; s. auch ebd., 64. 71 S. J. QUASTEN, Garments, 401, Anm. 26. 72 S. hier. Anm. 70. 73 Allerdings frappiert es schon, dass Zeno insgesamt die Mysterienreligionen mit Ausnahme einer kurzen Anspielung auf den Kybele-Kult fast völlig aus seiner Polemik ausklammert. Hat er dies vielleicht gerade aufgrund der Wahrnehmung einer Nähe getan? 74 I 23: „In fontem quidem nudi demergitis“. 75 S. etwa II 1,20: „ ,Filios, inquit, habeo, quos nudare non debeo‘ “; II 1,17: „Quisquamne iustum putet, qui … hominibus fame laborantibus ac nuditate pascit tineas, curculiones ac vermes?“ Auch I 5,12, wo nudare wohl für den Verlust des gesamten Eigentums steht, der aber durchaus selbst den Verlust der Kleider beinhalten kann: „At plerumque cum sua sibi industria fenerator etiam ipse nudatur, ei cum casu aliquo fraus, inopia , fuga , mors extorserint debitorem.“ 76 Dies gilt im Übrigen auch im Verhalten gegenüber den Toten; vgl. I 14,8. 77 I 1,11 über die künstlerische Darstellung der Venus: „Ipsa [sc. impudicitia] Venerem membris omnibus denudatam, convexis manibus se tegere conantem, immo animi sui vitium et corporis demonstrantem, post multa adulteria spectaculo totius mundi quoque prostituit“; I 36,25: „ideo nudus, quia voluntas eius est turpitudo“ von der Darstellung des alius amor saluti nostrae contrarius als Eros. 78 I 3,24: „elaborate, ne vestra integritas mutiletur, ne ingruentium peccatorum rursum, sicut Adae et Evae spiritale praeputium, male repetita nuditas condemnetur“; vgl. auch I 5,15: „considerat … nemo imminentes diei iudicii flammas, per quas omnes nudi transituri sumus.“

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be.79 Und so ist es umgekehrt löblich und vorbildlich, auch unter Inkaufnahme eigener Nachteile reale und auch metaphorische Nacktheit zu beheben.80 Auch eine solche existentielle Bedrohung des Menschen durch Nacktheit wird also in den Taufallegorien aufgegriffen: Erst in der Taufe wird die metaphorische Nacktheit der ‚zu Kindern Wiedergeborenen‘ durch Christus behoben.81 An die Stelle von schmutzigen Kleidern – d. h. aktiver Untugendhaftigkeit – und Nacktheit – d. h. äußerer Bedrohung durch Sündhaftigkeit – treten schließlich nach der Taufe neue Kleider – d. h. nichts anderes als die ‚Befähigung zur Tugendhaftigkeit‘ im Sinne einer ethisches Denken und Handeln und damit Mensch-Sein ermöglichenden Grundausstattung. Denn wie die Sündhaftigkeit der Heiden mit dem Bild vom Schmutz verbunden ist, so hebt Zeno auf Tugendhaftigkeit ab durch die Rede vom Glanz bzw. von der Weiße (splendor, candor). Zeno spricht an mehreren Stellen von der durch die Taufe bewirkten Reinheit und Weiße. Wie der Mensch durch das weltliche Bad sauber, hell glänzend (nitidus) wird,82 so bewirkt auch das Bad der Taufe (lavacrum vitale) 83 die Reinheit der Täuflinge: Sie werden mundi infantes.84 Zeno fordert daher die Neophyten auf: „hodierni spirita79 I 1,16 unter Bezug auf Gn 39,7–18: „At ille [sc. Ioseph] in repugnatione veste sibi violenter extorta ex impudicitiae fovea nudus aufugit“; im gleichen Kontext I 36,26: „hic [sc. alius amor] Ioseph mulieri flagitat esse violentum, quem, etiam dum denudat, esse non invenit inpudicum.“ Vgl. auch II 2,6: „laciniis omnibus spoliatur puella [sc. Thecla]“; und zur Nacktheit in Auseinandersetzung mit christlicher Tugend I 4,3: „Non illam [sc. patientiam] loco vis ulla detorquet, non labor, non fames, non nuditas“. 80 I 14,8: „sub vobis vivus mortuusque diu numquam visus est nudus“; I 36,31: „Tu [o caritas] ut nudum vestias, nuda esse contenta es“; vgl. auch II 1,13: „Si quis eam [sc. veram iustitiam] provocat in iudicium, ut eius auferat tunicam, libens illi pallium quoque concedit“. 81 I 38,3: „agnus …, qui vestram nuditatem ... vestivit“. Vgl. VULGATA Apc 3,18 (Weber / Gryson): „vestimentis albis induaris et non appareat confusio nuditatis tuae“. – J. HECKENBACH, Nuditate, 64f., bringt die Nacktheit bei der Taufe mit dem Exorzismus in Zusammenhang. 82 II 4,9: „caro … lavacro nitida“. 83 I 24,1: „lactei fontis lavacro vitali“. Lavacrum begegnet auch zur Bezeichnung des Reinigungsbades der Juden in I 51; vgl. A. B IGELMAIR, Traktate, 324f., Anm. 4. Vgl. auch LACT. inst. 3,26,9 (CSEL 19,1,260,14 Brandt): „uno enim lavacro malitia omnis abolebitur“; ebd. 5,19,34 (CSEL 19,1,468,3f. Brandt): „uno virtutis ac fidei lavacro universa vitia depellere“; ebd. 7,5,22 (CSEL 19,1,600,23f Brandt): „homo cae-lesti lavacro purificatus“. 84 I 38,1: „eratis et inmundi mundana nativitate, … iam … mundi estis infantes“; s. auch I 3,9: „[cor] verae circumcisionis spiritali … sacramento purgatum“; I 3,22: „[secunda] circumcisione … purgati“; I 41,1: „laeta frumenta … diligenti cultu purgata“; I 2,25: „caro … nova paterni sacro resurgit fontis ex gurgite iam pura“. Vgl. I 33,3: „aestas autem fidelis est populus, angelicus et mundus“. Zur Bedeutung von purus s. G.

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lis ortus vestri candorem … perpeti diligentia custodite“.85 Diese glänzende Weiße entspricht offenbar auch dem weißen Fell des Lammes Christus, mit dem die Täuflinge im Taufhoroskop bekleidet werden. 86 Ähnlich hebt Zeno den Glanz des weißen Mehles hervor, aus dem die frisch gebackenen Brote, die Neophyten, hervorgehen und ihre milchweiße Farbe erhalten.87 Ausdrücklich in Verbindung mit Bekleidung wird die Farbe Weiß gebracht u. a. durch die Bezeichnung der Neophyten als candidati, zu denen sie nach Ablegen des alten Menschen und seiner schmutzigen Kleider 88 und Anlegen eines himmlischen Gewandes in der Taufe 89 werden. Bei der weltlichen Initiation, die vom Pater familias veranlasst wurde 90 und mit der die Erlangung des Bürgerrechts verbunden war, legte der römische Knabe die mit purpurnen Randstreifen besetzte toga praetexta ab und tauschte sie gegen die toga virilis ein. Der Ritus beinhaltete eine Separation von der Kindheit, das Überwinden einer Schwelle und die Aufnahme in den neuen Status.91 Der Gewandwechsel war Signum dieses Statuswechsels.92 Die toga virilis, das offizielle (Ober-)Gewand des römischen Bürgers, das er in der Öffentlichkeit trug und dessen Anlegen den Nicht-Römern verboten war, war ein weißes Gewand,93 es wurde daher auch toga pura genannt.94 Ebenfalls weiß war die wollene oder leinene Tunica, ein Untergewand, das von römischen Männern und Frauen der Oberschicht getragen wurde.95 Mit dem Terminus candidatus bezeichnete man vorchristlich jedoch ganz besonders weiß gekleidete Personen, denn candidus bedeutet „glänzend weiß“ (im Gegensatz zu

W ISSOWA, Religion, 416, Anm. 5: „Der technische Ausdruck dafür [sc. für eine der Gottheit wohlgefällige Opfergabe] ist purus“. 85 I 38,1. 86 I 38,3: „agnus …, qui vestram nuditatem velleris sui niveo candore vestivit“. 87 I 41,1f.: „[deus pater] qui zizania , lolium, lappas, tribulos in laeta frumenta mutavit, quae diligenti cultu purgata … mirifico splendore in farinam candidam micuerunt; … in panes azymos reddita … Lacteus illis color est, lacteus sapor est.“ 88 I 49: „Constanter igitur ac fideliter hominem istum vestrum veterem foetorosis suis cum pannis abicite, novelli omnes, omnes candidati, omnes spiritus sancti munere mox divites processuri.“ 89 I 23: „In fontem quidem nudi demergitis, sed aetheria veste vestiti mox candidati inde surgetis.“ 90 S. J. A. HARRILL, Age, 256. 91 S. ebd., 258f. 92 Vgl. hierzu N. B ROX, Der erste Petrusbrief, EKK 21, Zürich u. a. 1979, 91, zu biblisch-christlicher Metaphorik: „Dem Ablegen-Müssen des bisherigen Lebens korrespondiert … oft ein Anstreben-Sollen von neuen Verhaltensmustern. … diese Formeln markieren den Übergang, den Wechsel, die Veränderung im Leben der Glaubenden.“ 93 S. R. HURSCHMANN, Art. Toga, DNP XII / 1, 2002, 654f., hier: 654. In der Spätantike wurde es aus Bequemlichkeitsgründen häufig durch das Pallium ersetzt, s. ebd., 654f. 94 S. J. A. HARRILL, Age, 255, Anm. 14 95 S. R. HURSCHMANN, Art. Tunica, DNP XII / 1, 2002, 920f., hier: 920.

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albus, „glanzlos weiß“).96 Dem glänzend weißen Gewand kam die Funktion zu, Makellosigkeit, Festfreude oder Wohlgestimmtheit zum Ausdruck zu bringen.97 Auch die Umkehrung lässt die Bedeutung der Farbe Weiß erkennen: Trauernde und Angeklagte kleideten sich in eine dunkle toga pulla,98 aus von Natur aus grauschwarzer ungefärbter Schafswolle.99 Ein besonders weißes, mit Kreide eingefärbtes Gewand, die toga candida, trugen insbesondere römische Amtsbewerber zur sinnbildlichen Verdeutlichung ihrer Integrität; auf sie bezogen wird der Terminus candidatus zum Terminus technicus ‚Kandidat‘.100 Der Begriff candidatus findet sich auch in christlicher Literatur. Er scheint auch hier besonders weiß gekleidete Personengruppen zu bezeichnen; das sind zum einen verklärte Personen, Engel oder andere himmlische Gestalten,101 zum anderen die Gruppe der Neophyten, die in der Zeit von der Taufe in der Osternacht bis zum darauffolgenden Samstag ein weißes Gewand trugen. 102

Aufgrund der Verwendung des Begriffs candidati wird Zeno sowohl in der auf die Bedeutung des Terminus candidatus abhebenden Fachliteratur 103 wie in der Kommentierung der zenonischen Traktate 104 als auch in der auf die allgemeine Geschichte des Taufritus bezogenen Sekundärliteratur 105 als einer der Hauptzeugen für einen seit dem 4. Jahrhundert praktizierten realen liturgischen Akt der Einkleidung mit weißen Gewändern nach der Taufe angeführt. Eine solche Einkleidung scheint insofern zwar nahelie-

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S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 291.954. S. C. GIZEWSKI, Art. Candidatus, DNP II, 1997, 961; vgl. G. RADKE, Die Bedeutung der weißen und schwarzen Farbe in Kult und Brauch der Griechen und Römer, Berlin 1936, 57–67. 98 S. R. HURSCHMANN, Toga, 655; vgl. G. RADKE, Farbe, 69–73. Eine Anspielung darauf bei Zeno in II 7,7: „[vidua] sordido plus pulvere tecta quam veste“. 99 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2072. Sie war im Übrigen auch die Tracht der armen Leute, s. ebd. 100 S. ebd.; A. KURFESS / A. HERMANN, Art. Candidatus, RAC II, 1954, 832–842, hier: 838; C. GIZEWSKI, Candidatus, 961. Andere ebenfalls candidati genannte Personengruppen waren die seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. mit der Verlesung kaiserlicher Reden im Senat beauftragten Quästoren, Kultdiener des Jupiter Dolichenus und der Venus Victrix sowie in der Spätantike 40 weiß uniformierte Leibgardisten des Kaisers; s. C. GIZEWSKI, Candidatus, 961. A. KURFESS / A. HERMANN, Candidatus, 841, sprechen (allerdings ohne Anführung von Belegen) auch vom Gebrauch weißer Initiationsgewänder in den Mysterienkulten. 101 S. T HESLL 3, 238. 102 A. KURFESS / A. HERMANN, Candidatus, 840, sprechen von tunica alba. Klassisch ist diese Terminologie v. a. zur Bezeichnung der Kleidung von Gottheiten belegt, christlich begegnet sie offensichtlich erst spät und ist daher hier unpassend gewählt. 103 S. T HESLL 3, 237. 104 A. B IGELMAIR, Zeno, 159; ders., Traktate, 288, Anm. 4; C. T RUZZI, Zeno, 214, Anm. 52. 105 S. etwa E. J. YARNOLD, Taufe, 681. 97

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gend, als ein Untertauchen im Wasser (demergere / immergere) 106 ein Abund Anlegen der Kleider schon aus rein praktischen Gründen notwendig machte. Ob jedoch auf die nach der Taufe anzulegenden Kleider von Zeno hingewiesen wird mit der Erwähnung eines „neuen Gewandes“ (tunica rudis 107) neben anderen Taufgaben in der allegorisierenden Rede von der Entlohnung der Bauleute am geistigen templum dei 108 und ob dieses neue Gewand identisch ist mit dem weißen Kleid, das „die Täuflinge von der Taufe am Ostersamstag bis zum Samstag darauf“ getragen haben und von dem ihre Titulierung als candidati abgeleitet sein soll,109 ob also die in den zenonischen Taufallegorien begegnende Farbe Weiß in einem zeichenhaften liturgischen Akt auch realiter nach der Taufe in Verona greifbar gemacht wurde, kann aus den zenonischen Traktaten allein m. E. nicht abgeleitet werden. Weder eine „tunica alba“ 110 noch eine „vestis candida“ 111 wird von Zeno ausdrücklich erwähnt. Der Veroneser Bischof legt das Gewicht vielmehr auf die Symbolik der Farbe Weiß.112

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I 23: „In fontem quidem nudi demergitis“; I 44,2 und I 57: „sacri oceano lacteo profundo demersi (bzw. dimersi)“; II 23: „vos constanter inmergite“. 107 Zur Bedeutung ,neu‘ (und nicht ,einfach‘) vgl.oben S. 383, Anm. 393; s. auch den Hinweis G. B ANTERLEs, Discorsi, 257, Anm. 10, auf vestes rudes in Edict. imp. Diocl. Auch G. P. J EANES, Easter, 188, Anm. 124, der die Formulierung auch in Zusammenhang mit dem Exorzismus bringt, favorisiert dagegen die Deutung als weißes Gewand, liefert dafür aber keine Begründung. 108 II 6,8: „Dicam praeterea , quae cotidie merces, quae impendatur annona . Omnibus peraeque unus panis cum signo datur, aqua cum vino, sal, ignis et oleum, tunica rudis et unus denarius; quem qui libens acceperit acceptumque non spreverit, sed in labore usque ad ultimum perduraverit, turri completa inaestimabiles divitias in ea commanens possidebit.“ 109 A. KURFESS / A. HERMANN, Candidatus, 840. 110 Ebd. Diese Terminologie begegnet zumindest in der der Datenbank LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) zugrunde liegenden Literatur christlich frühestens mit Boethius, wie eine Recherche unter dem Suchbegriffen „tunic*“ und „alb*“ im Abstand von fünf Wörtern zeigt. 111 Eindeutig auf einen Ritus im Kontext des Taufgeschehens bezogen m. E. nur AMBR. myst. 7,34 (CSEL 73,102,1–3 Faller): „Accepisti post haec vestimenta candida, ut esset indicio, quod exueris involucrum peccatorum, indueris innocentiae casta velamina“ und AUG. epist. 34,2 (CSEL 34,2,24,3–5 Goldbacher): „transit ad partem Donati, rebaptizatur … et … albis vestibus candidatur“. 112 So auch A. KURFESS / A. HERMANN, Candidatus, 840, ausdrücklich auf Zeno bezogen. Ähnlich wohl auch CHROMAT. serm. 10 (CChr.SL 9A,46,71–75 Étaix / Lemarié): „Vestis nuptialis gratia baptismi salutaris est, quae non nitore lanae, sed fidei candore resplendet. Candidam enim niveam vestem Christi, quam consequimur per gratiam baptismi, dicente apostolo: qui in Christo baptizati estis, Christum induistis.“ und ders. serm. 14 (CChr.SL 9A,64,90f. Étaix / Lemarié): „Vestimenta semper candida habemus, si gratiam baptismi integram conservemus.“

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Die Bedeutung der Farbe Weiß im griechischen und römischen Kontext ist bisher v. a. für den Bereich des Kultus untersucht. Weiß galt danach als den Göttern genehme und gemäße Farbe; Opfertiere mussten daher vielfach ein weißes Fell haben.113 Im Vordergrund steht im griechischen und römischen Kult auch immer die Beziehung der Farbe Weiß zum Licht, wenn damit auch nicht ausschließlich auf Lichtgottheiten abgehoben sein muss. Die Farbe Weiß kennzeichnete neben dem Lichtcharakter der Götter auch ihre Schönheit und Erhabenheit und schließlich auch ihr freundlich-helfendes Verhalten. 114 Was das Kultpersonal und die Kultanhänger betrifft, so stand die weiße Farbe ihrer Gewänder häufig für die Reinheit des Trägers, aber sie konnte auch Zeichen der Festtagsfreude sein.115 Auch außerhalb des Kultes galt Weiß als die Farbe der Freude, des Glücks und des Sieges, und von diesen Bedeutungsfeldern her übertragen auch als apotropäisch und lustral.116 Möglicherweise steht damit der Brauch im Zusammenhang, am Geburtstag weiße Kleider zu tragen.117 Auch im jüdischen Kult spielte die Farbe Weiß eine bedeutende Rolle; hier scheint jedoch weniger ihr Lichtcharakter als vielmehr ihre Verknüpfung als Farbe der Priestergewänder mit der Heiligkeit ihrer Träger im Vordergrund gestanden zu haben. Aus ebensolchem Grund galten die Kleider himmlischer Gestalten als weiß.118 Da Weiß ein Zeichen der Reinheit war, wurden weiße Kleider generell für den Sabbat besonders gewaschen. Im Neuen Testament wird die weiße Farbe fast nur in eschatologisch-apokalyptischen Zusammenhängen bzw. als himmlische Farbe erwähnt, etwa bei der Verklärung in Mt 17,2, Mc 9,3 und Lc 9,29–32. Die weiße Farbe der Kleider hebt dort ab eben auf das Verklärungsgeschehen: Die Kleider werden in die Verwandlung mit einbezogen und deshalb überirdisch-weiß, wie dies himmlischen Wesen eignet.119 Ähnlich wird auch in Mt 28,3, Mc 9,3 und Lc 24,4 von den Engeln 120 am Grab gesagt, dass sie weiße Kleider trugen und im Glanze erschienen. In Apc 6,11 wird betont, dass weiße Kleider eine Gabe sind; das scheinbare Paradoxon vom Weiß-Waschen der Kleider im Blute des Opferlamms in Apc 7,14 lässt deutlich werden, dass die Weiße an Reinigung durch ein Opfer (ähnlich einer römischen Lustration 121) gebunden ist.122

Eben der Bedeutungsfacetten der Farbe Weiß, die sich sowohl römischheidnisch – wenn auch dort nicht zentral – als auch jüdisch-christlich wiederfinden, scheint Zeno sich in erster Linie zu bedienen. Nur einzelne Bemerkungen weisen in Richtung des ausschließlich griechisch-römischen Verständnisses der Farbe; so greift Zeno an nur einer Stelle mit den Begriffen candere und claritas, beide dem Wortfeld ‚reiner, heller Glanz‘ 113

S. G. RADKE, Farbe, 23–27. S. ebd., 7–14. 115 S. ebd., 57–67. 116 S. ebd., 35–57. 117 S. J. QUASTEN, Garments, 392, Anm. 3, mit Belegen aus Horaz, Ovid, Persius u. a. 118 S. etwa Dn 7,9. 119 Vgl. Apc 4,4. 120 Vgl. auch Act 1,10;10,30. 121 Vgl. o. S. 402, Anm. 84. 122 Zum Ganzen s. W. MICHAELIS, Art. λευκός, λευκαίνω, ThWNT IV, 1942, Repr. 1990, 247–259, hier: 247–256. 114

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entnommen,123 die Verbindung von Göttlichkeit und Licht auf. 124 Ebenfalls an nur einer Stelle hebt der Terminus candidus auf eine Verknüpfung mit der (paganen) Vorstellung von Glück ab.125 Viel häufiger werden Begriffe oder Bilder, die dem Wortfeld Glanz bzw. Weiße angehören, z. T. auch verknüpft mit dem Wortfeld Kleidung, von ihm zunächst verbunden mit einer Auszeichnung von Tugendhaftigkeit, ‚Heiligkeit‘, wenn man so will.126 So ist etwa Josef, obwohl nackt, pudicitiae splendore vestitus;127 Thekla, Exemplum für Gottesfurcht, wird, ebenfalls nackt, vom Feuer bekleidet;128 das (helle) Sommerkleid der Tamar (als Gegensatz zum dunklen Witwengewand 129) ist rein und vollkommen, so dass die Hitze des Som123

Vgl. K. E. GEORGES, dt.-lat. Handwörterbuch, 1127f. II 12,4: „Hic sol noster, sol verus, qui clarissimos ignes mundi germanos astrorumque candentium polorum claritatis suae de plenitudine accendit.“ 125 I 25,11: dies candidi; s. o. S. 193–196. 126 Vgl. in I 1,3 und I 22,2 die Rede von Gott bzw. Christus als sanctificator der personifizierten Pudicitia oder der Drei Jünglinge. Die Pudicitia in I 1,3 verleiht dann wiederum den Gläubigen sanctitas. – Neben den bisher angeführten Stellen verbindet das Wortfeld Glanz mit dem Bereich der Tugendhaftigkeit ausdrücklich auch die Rede von einer illustris virtus in I 4,12. – Wie im täglichen Leben zur Kleidung auch der Schmuck gehört, s.I 13,2: „[Thamar] aestivalia induit, semet decore componit“ oder II 1,19: „vestem … ornamentaque“, steht auch die bildhafte Rede vom Schmuck in enger Verbindung zur Tugendhaftigkeit, wenn dies auch nicht ausdrücklicher Bestandteil der zenonischen Taufpredigten ist. An erster Stelle ist hier wegen der expliziten Verknüpfung I 13,10 zu nennen: „lex est, quae … diversis virtutibus … corda decorare consuevit.“ Zeno spricht aber etwa auch in I 1,4 davon, dass seine Gemeindemitglieder die pudicitia durch ihre ,hellen Verhaltensweisen‘ schmücken: „pudicitiam … luculentis moribus adornatis“; zum Zusammenhang s. u. S. 535; Susanna als „insigne pudicitiae testimonium“ bzw. ihre Tugendhaftigkeit (virtus) wird mehrfach mit Schmuck (ornamentum, decus) in Verbindung gebracht, s. I 1,17 und I 40,1.2; so kann Zeno in II 7,3 auch sagen, dass der Schmuck der Jungfrauen weltlichen Schmuck übertrifft, vgl. auch II 6,10; Zeno kennt aber auch den ,Schmuck eines guten Gewissens‘, s. I 1,20, oder den ,Schmuck guter Taten‘, s. I 2,32. All dies dürfte letztlich auf dem Schmuck basieren, den ,die Gottesfurcht durch (Aner-)Kenntnis der Schrift‘ zusammenfügt (timor qui divinae legis agnitione construit decorem), womit sie den Menschen zugleich auf den richtigen Weg der Tugendhaftigkeit bringt (ad omnia genera virtutum intrepidus corrigit), s. II 2,4. Solches Sich-Schmücken mit tugendhaftem Verhalten führt dazu, dass der Mensch Gott gefällt; s. I 2,32: „Sic ergo vivamus, ut bonis operibus decorati nos quoque deo patri placere mereamur“; II 7,3: „Nupta cogitat, quemadmodum placeat marito, virgo, quemadmodum deo“; auch I 25,9: „Exhibete corpora vestra hostiam vivam, sanctam, placentem deo. Hoc enim placitum est domino, ubi se ipsum candidus animus immolaverit domino“. 127 I 1,16. 128 II 2,6: „laciniis omnibus spoliatur puella , vestitur incendio.“ 129 Das auch für ein offenbar dunkles Gewand der Büßer steht, vgl.I 13,12: „Sequitur, quod viduitatis vestem rursus accepit, … ut defleret se fecisse, quod fecerat; aliter etenim quis salvus esse non poterit, … nisi exomologesin faciens et praesentia sua peccata exstinguat et futura repellat.“ – Zu Äußerungen Zenos zur Buße s. G. DE P AOLI, Ini124

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mers, die als Versuchung interpretiert wird, ertragen werden kann; das Gewand selbst wird als Bild für Glaubensbereitwilligkeit (credulitas) gedeutet.130 Abraham und Isaak sind aufgrund ihres vertrauenden Glaubens (fides) Exempla des Glanzes im Sinne von „Erlauchtheit“ (claritas).131 Schließlich kann Zeno unter Verzicht eines positiven Terminus aus dem Wortfeld Glanz auch davon sprechen, dass die Tugenden der patientia bzw. der continentia verdunkelt werden können (obscurare / offuscare).132 Wenn also im Kontext der Taufe zum einen die Rede von der Einkleidung der Neophyten ist,133 zum anderen damit ein Bild der Weiße bzw. des Glanzes verbunden wird 134 – beides gebündelt greifbar in der Formulierung „leuchtend himmlisches Gewand“ – aetheria vestis 135 –, ist damit vordergründig vermutlich auf die Festtagsfreude über die neue Geburt, möglicherweise auch auf zukünftige Übelabwehr abgehoben, wie beides auch im profanen Bereich durch das Tragen eines weißen Gewandes am Geburtstag zum Ausdruck gebracht wird. Darüber hinaus aber zielt Zeno

ziazione, 413f., und v. a. A. FITZGERALD, Conversion through Penance in the Italian Church of the Fourth and Fifth Centuries. New Approaches to the Experience of Conversion from Sin, SBEC 15, Lewiston, N. Y. 1988, 195–201. 130 I 13,8: „aestiva vestis, fratres, et mundax est et exacta , cum qua facile et opus fieri possit et tolerari ardor aestatis, id est temptationis; quam esse utique credulitatem non potest dubitari, quia hanc qui habuerit, necesse est, ut expedite vivat et munde.“ Zur Doppeldeutigkeit von expeditus im Sinne von ,unbehindert‘ wie auch ,kampfbereit‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2576. – Der Schleier der Tamar (ohne Verknüpfung mit Glanz-Vokabular) steht überdies für die Unversehrtheit ihrer Keuschheit, s. I 13,2: „pudoris integritatem faciem velando monstrabat.“ Ebenfalls ohne solche Verknüpfung wird die Tugend der wahren Liebe selbst tätig und bekleidet Nackte, s. I 36,31: „Tu [o caritas] ut nudum vestias, nuda esse contenta es.“ 131 I 4,15: „ambo claritatis exemplum“; hier unter Verzicht auf eine Verknüpfung mit einer Gewand-Metapher. Zu claritas s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1193. 132 I 4,16: „ne quis hanc patientiam timiditatis nomine obscuret“; II 7,1: „virtutem voluptates semper offuscant“. Zum dem Wortfeld Glanz entgegengesetzten Wortfeld gehört in den Traktaten auch der Terminus tenebrae, der u. a. mit dem als Heidentum zu interpretierenden Winter in Verbindung gebracht wird, s. I 33,2; vgl. II 7,12. Am Ostertag werden die tenebrae, so Zeno in II 19,2 (wie Gewänder?) zerrissen, so dass mit der Taufe, s. I 16,2, der horror tenebrarum weggenommen ist. 133 I 23: „aetheria veste vestiti“; I 38,3: „agnus … vestram nuditatem … vestivit“. 134 I 23 und I 49: „candidati “; I 38,1: „vestri candorem … custodite“; I 38,3: „sui niveo candore“; I 44,2: „novelli … sua luce radiantes“. 135 Vgl. auch die Anrede der Neophyten als aetheriae gentes in I 38,1. Das Adjektiv aetherius weist nicht nur auf den Himmel, sondern auch auf dessen Licht, s. T HESLL 1, 1153: „de ignibus aetheriis, sideribus“; auch H. MENGE, Großwörterbuch, 28, zu aether: „Himmelsfeuer, leuchtende Himmelsluft, in der nach der Vorstellung der Alten die Gestirne (außer dem Monde) schwebten und die Götter lebten“.

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v. a. auf die neu erworbene Tugendfähigkeit der Neophyten ab. 136 Dies legt die Aufforderung nahe, diese neuen, glänzenden Gewänder nicht zu beschmutzen: „hodierni spiritalis ortus vestri candorem, ne quo pacto maculetis, perpeti diligentia custodite“.137 Denn Schmutz, das konnte gezeigt werden, ist mit dem Gegenteil von Tugendhaftigkeit assoziiert. Wie ein weltlicher Vater seinen Sohn beim Anlegen der toga virilis vor der Gefahr warnt, den neuen Status durch Fehlverhalten zu entehren, 138 mahnt Zeno hier seine ‚Kinder‘, sich ihren leuchtend himmlischen Status zu bewahren.139 Mit der Aufforderung greift Zeno im Übrigen die Aussage aus Apc 3,4 auf,140 die den Zusammenhang von weiß glänzendem Gewand und ‚Heiligkeit‘ unterstreicht.141 Die Rede vom glänzend weißen Gewand weist in den Traktaten Zenos jedoch auch eschatologisch über den bloß ethischen Bereich hinaus. Der Glanz, in dem die tugendhafte Reinheit ihren Ausdruck findet, widerspiegelt den Glanz des Himmels, wie dies die Rede von der aetheria vestis anklingen lässt. Die Taufe ist gewissermaßen die ‚Eintrittskarte‘ 142 in die aetheria civitas,143 deshalb sind die Neophyten candidati, ‚Kandidaten für das Himmelreich‘,144 als solche iam caelestia aspirantes 145 und schon jetzt

136

Vgl. A. KEHL, Art. Gewand (der Seele), RAC X, 1978, 945–1025, hier: 1003: „Nach PsHieron. comm. in Job 37,17 (PL 26,787 B) werden die Tugenden deswegen als G[ewand] des inneren Menschen bezeichnet, weil sie dem, der die Tugenden übt, die Seele schön und anmutig machen (Verweis auf Col. 3,12), womit der positive Sinn der G[ewand]metapher genau getroffen ist.“ 137 I 38,1; s. auch I 23: „aetheria veste vestiti mox candidati inde surgetis. Quam qui non polluerit, regna caelestia possidebit per dominum Iesum Christum.“ 138 Im römischen Heidentum verband man mit der weltlichen Initiation und dem Anlegen der toga virilis die Befürchtung nun folgenden legalen, sozialen und moralischen, insbesondere sexuellen Fehlverhaltens, s. J. A. HARRILL, Age, 268–270.273. 139 Vgl. J. A. HARRILL, Age, 274, zu Paulus. 140 Vgl. VULGATA Apc 3,4f. (Weber / Gryson): „sed habes pauca nomina in Sardis qui non inquinaverunt vestimenta sua et ambulant mecum in albis quia digni sunt.“ 141 Zu dignus im Sinne von ,ehrenwert‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2159, vgl. auch dignitas, ebd., 2156f. VETUS LATINA (Database) bietet alternativ statt „quia digni sunt“ unter Bildnummer 8 / 50 und 9 / 50 „in castitate“, unter Bildnummer 25 / 50 „id est qui carnem suam inviolatam custodierunt“, unter Bildnummer 29 / 50 „urgines [sic] enim permanserunt“, korrekt unter 30 / 50 „virgines enim permanserunt“. 142 I 49: „Iamiamque dicto citius aetherias portas, fratres, intrate“. 143 I 5,17. 144 I 23: „aetheria veste vestiti mox candidati inde surgetis. Quam qui non polluerit, regna caelestia possidebit“. Vgl. LACT. inst. 6,18,35 (CSEL 19,1,553,7 Brandt): „immortalitatis velut candidati sumus“. 145 I 2,25: „At [caro] cum mera fide credentis salutari fuerit necata baptismate, nova paterni sacro resurgit fontis ex gurgite iam pura , … iam caelestia aspirans“.

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aetheriae gentes,146 wenn auch der endgültige Glanz der aeternae vitae beatitudo ein noch ‚weißerer‘ sein wird.147 Die aetheria vestis 148 dürfte daher identisch sein mit der inmortalitatis stola 149 bzw. der caelestis hominis spiritalis imago,150 die dem Menschen als Ersatz für sein carnale indumentum 151 von Gott geschenkt wird, und zwar plenitudinis suae pio de fonte.152 Die Taufe und die durch sie geschenkte Befähigung zur Tugendhaftigkeit ist somit Voraussetzung der Umsetzung der Ebenbildhaftigkeit Gottes durch den Menschen, welche als Angleichung an die claritas Gottes 153 gewissermaßen die Umkehrung der Inkarnation Christi 154 ist: „Adam abiecimus, Christum induimus“ 155 – „ut [deus] in deum hominem, quem induerat, commutaret.“ 156

146 I 38,1. Vgl. ThesLL 1, 1153: „de eis, qui in aethere sunt“, und ebd.: „caelestis “. Vgl. auch I 46B,2: „nostrum mare … genitali unda submergit, ut caelestes effecti terram desiderare non norint“; auch CYPR. domin. orat. 17 (CChr.SL 3A, 101,322f. Moreschini): „ut qui adhuc sunt prima nativitate terreni incipiant esse caelestes ex aqua et spiritu nati“. 147 I 46B,3: „nobis vero … melle dulcior ac lacte candidior aeternae vitae beatitudo dei tribuetur in regno.“ 148 I 23. Von A. KEHL, Gewand, 993, ausdrücklich als Beleg dafür angeführt, dass das Lichtgewand der Herrlichkeit mit der Taufe schon jetzt Gewand der Christen sei. Ebd., 994, schreibt er weiter: „Sinnbildlicher Ausdruck der Wiedergewinnung dieses G[ewandes] der Gnade war das Ablegen der gewöhnlichen Kleidung und Anziehen des weißen Taufg[ewandes].“ 149 I 2,30 in Deutung von 1 Cor 15,53. 150 II 30,3. 151 II 30,3. Auch carnale spolium in I 2,30. Vgl. auch I 46A,2: „peccatricis indumentum carnis“, hier allerdings auf die Juden bezogen. 152 II 30,3. Nach G. P. J EANES, Easter, 112, gehört auch dieser Traktat zu den Tauftraktaten, die Rede von einem fons ist daher wohl bewusst doppeldeutig. 153 Vgl. Jo 17,5 in II 5,4: „Et nunc tu clarifica me apud te ipsum claritate, quam habui apud te, priusquam mundus fieret“; auch I 8,2: „hic [sc. Christus bzw. agnus dei] immaculatus, a peccato quia solus est mundus“. 154 Bezeichnenderweise im Bild des Anlegens eines Gewandes, s. I 45,1: „filius hominem induturus“; I 54,5: „Qui sane ideo carnem est dignatus induere, ut nemo se possit per carnem, cum iudicii dies venerit, excusare“; II 4,3: „Non enim bis carnem induit dominus.“ 155 II 4,18 in Kombination von Col 3,9 und Gal 3,27 auf dem Hintergrund von Rm 5. Das Bild des Christus-Anziehen verbirgt sich auch in I 38,3: „agnus … velleris sui niveo candore vestivit“. 156 I 13,10. Die Umkehrung ergibt sich auch in der Zusammenschau von II 5,4: „Hic [sc. dei filius], qui purus de caelo descendit, carnatus ascendit in caelum“ und I 2,30: „Aliter etenim inmortalitatis stola illa non sumitur, nisi primo istud carnale spolium … refundatur“.

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III. lacte beatum Es hatte sich gezeigt, dass in den Tauftraktaten Zenos neben der GewandMetapher v. a. auch eine Milch-Metapher häufig die Allegorie von der infantia der Neophyten ergänzt.157 Diese Metapher bleibt jedoch, was ihren Kontext oder ihre Funktion betrifft, uneindeutig: Die Rede vom ‚milchigen Nass‘ (lacteus latex) 158 bzw. von der ‚milchigen Quelle‘ (lacteus fons) 159 hebt auf das Taufwasser ab, dem in den Tauf-Allegorien jedoch unterschiedliche Funktion zukommt, es kann getrunken werden (bibite),160 es wird aber auch darin gebadet (lavacrum vitale).161 Auch die ‚milchige Tiefe des heiligen Meeres‘ (sacri oceani lacteum profundum) 162 hebt auf das Taufwasser ab, hier jedoch verknüpft mit dem Unter- und WiederAuftauchen (demergere / dimergere / immergere). Zweimal steht der Hinweis auf ‚Milch‘ für die weiße Farbe (der Taufkleider?: lacteus color,163 indirekt: lacte candidior 164). Am häufigsten begegnet jedoch ‚Milch‘ als ‚Nahrungsmittel‘, das den Kindern von der Mutter Kirche, 165 vom Lamm 166 oder als Ertrag einer geistigen Deutung des Gesetzes 167 (durch den Bischof ?) gereicht wird (lactare, lac praebere). Auch das oben genannte Trinken vom ‚milchigen Nass‘ des Taufwassers spielt in diesen Bereich hinein. Und schließlich gehört auch der ‚milchige Geschmack‘ (lacteus sapor) 168 frisch gebackener Brote, die allegorisierend auf die Neugetauften selbst abheben, in den Bereich der Ernährung. Die Frage, ob Zeno mit den Hinweisen auf Milch – bis auf eine Ausnahme 169 nur im Kontext seiner Tauftraktate –, insbesondere mit denen, die auf Milch als ‚Nahrungsmittel‘ abheben, auf eine tatsächliche Gabe von Milch als liturgisches Element anspielt, scheint kaum eindeutig zu beantworten,170 da Zeno die allegorische Ebene bei der Erwähnung von Milch

157

S. o. S. 395, Anm. 33. I 12 und II 14. 159 I 24,1. 160 I 12 und II 14. 161 I 24,1. 162 I 44,2 und I 57. 163 I 41,2. 164 I 46B,3. 165 II 28; II 29,2. 166 I 38,3. 167 I 8,1. 168 I 41,2. 169 I 62,2: Muttermilch der Sara. 170 Ähnlich schon A. B IGELMAIR, Zeno, 159. Für wahrscheinlich hält eine reale Gabe von Milch C. T RUZZI, Zeno, 218, Anm. 75. Kritisch, aber nicht wirklich entschieden 158

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an keiner Stelle verlässt. Es lässt sich jedoch ein Kriterium aufzeigen, das einen liturgischen Akt höchst unwahrscheinlich erscheinen lässt, und ein weiteres, das die rein allegorische Absicht der zenonischen Rede von der Milch als geistiger Nahrung untermauert. Bekannt ist aus der Traditio Apostolica,171 dass innerhalb der mit den Neugetauften gefeierten ersten Eucharistie neben dem Brot drei Kelche dargebracht werden: einer mit Wein, einer mit Milch und Honig und einer mit Wasser. Die Mischung von Milch und Honig wird im Text selbst als Hinweis auf die Versprechung des Landes voll Milch und Honig (Ex 3,8) gedeutet. Nach dem Empfang des eucharistischen Brotes trinken die Täuflinge aus allen drei Kelchen; dabei wird das Taufbekenntnis wiederholt. 172 Unter dem Getränk des zweiten Kelches dürfte vermutlich mit Honig gesüßte Milch zu verstehen sein, da – zumindest im römischen Raum – Milch, wenn überhaupt, dann meist ‚gewürzt‘ getrunken wurde;173 gerade die Milch mit beigemischtem Honig wird in der griechischen wie lateinischen Literatur häufig erwähnt.174 So findet sich in der TA auch nur zu Beginn der Beschreibung der Taufeucharistie die Erwähnung von Milch und Honig,175 dagegen G. SGREVA, Teologia, 341 und 170, Anm. 76. G. P. J EANES, Easter, thematisiert die Frage überhaupt nicht. 171 Zur mit der Rekonstruktion und der Datierung der Traditio apostolica verbundenen Problematik s. insgesamt C. MARKSCHIESS, Wer schrieb die sogenannte Traditio Apostolica. Neue Beobachtungen und Hypothesen zu einer kaum lösbaren Frage aus der altkirchlichen Literaturgeschichte, in: Tauffragen und Bekenntnisse. Studien zur sogenannten „Traditio Apostolica“, zu den „Interrogationes de fide“ und zum Römischen Glaubensbekenntnis“, hg. v. W. Kinzig, C. Markschiess u. M. Vinzent, Berlin / New York 1999, 1–74, bes. 44–56; für eine zeitliche Einordnung des angesprochenen Ritus der Gabe von Milch und Honig als Teil des Taufritus gilt es zu bedenken, was ders., 49, sagt: „Die Ordnung der Taufzeremonie, wie sie sich aus Bottes rekonstruierter Grundschrift ergeben würde, integriert möglicherweise verschiedene und sich widersprechende Riten.“ Deshalb gilt grundsätzlich auch die methodische Empfehlung C. MARKSCHIESS’, Traditio, 56: „Die sogenannte Traditio Apostolica scheidet als selbständige Quelle für historische und theologische Argumentation aus.“ Da hier jedoch nur auf die Beschreibung des Ritus an sich abgehoben wird, spielen solche methodischen Einschränkungen für die Frage nach dem Ritus in den zenonischen Traktaten keine Rolle. 172 T RAD. AP. 21 (54,14–58,8 Botte / Gerhards). Auch T ERT. adv. Marc. 1,14,3 (CChr.SL 1,455,19–23 Kroymann) scheint auf die verschiedenen Bestandteile, die in der Liturgie zum Einsatz kommen, abzuheben und gleichzeitig Honig und Milch mit der Aufzucht von Kindern in Zusammenhang zu bringen, wenn er sagt: „Sed ille quidem [sc. deus] usque nunc nec aquam reprobavit creatoris, qua suos abluit, nec oleum, quo suos ungit, nec mellis et lactis societatem, qua suos infantat, nec panem, quo ipsum corpus suum repraesentat, etiam in sacramentis propriis egend mendicitatibus creatoris. At tu, super magistrum discipulus et servus super dominum sublimius illo sapis, destruens quae ille desiderat.“ 173 S. J. ANDRÉ, Essen und Trinken im alten Rom, Stuttgart 1998, 132; L. A. MORITZ, Art. Milch, KP III, 1979, 1293f., hier: 1293. Diese ,gewürzte‘ Milch scheint aber gerade nicht als Kindernahrung gedient zu haben. s. u. Anm. 181. 174 S. L. A. MORITZ, Milch, 1293; Beispiele bei H. USENER, Milch und Honig, RMP 57, 1902, 177–195, hier: 177–182. 175 T RAD. AP. 21 (56,1 Botte / Gerhards).

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da sich an dieser Stelle eben die Ausdeutung auf das biblische Versprechen anschließt, im weiteren Verlauf der Beschreibung beschränkt sich die Bezeichnung des Getränks des zweiten Kelches auf lac,176 was darauf deutet, dass damit quasi selbstverständlich gesüßte Milch bezeichnet wird. Auch über die Traditio Apostolica hinaus war in der alten Kirche die Kommunion der Neugetauften mit Milch (und Honig) lange, bis ins 4. Jahrhundert hinein, üblich,177 im Westen stirbt dies erst im 6. Jahrhundert gänzlich aus. 178

Für die zenonische Taufallegorie gilt es jedoch zu bedenken: Da Milch als Getränk, das bei den Römern „kein wesentliches Element der Ernährung mehr darstellte“ 179 und daher fast ausschließlich von Kindern getrunken wurde 180 (und zwar ohne Honig 181), dürften Anspielungen auf Milch in den zenonischen Tauftraktaten (ohne Nennung von Honig) lediglich dazu dienen, das komplexe Bild der infantia der Christen 182 zu vervollständigen. Die zenonischen Anführungen von Milch sind dann auf die Aufzucht der Täuflings-‚Kinder‘ zu ‚erwachsenen‘ Christen durch (Schrift auslegende) Belehrungen (etwa des Bischofs) zu deuten. Dies scheint um so wahrscheinlicher die exklusive Bedeutung der Verwendung des Milch-Vokabulars in den zenonischen Traktaten zu sein, als Zeno ausdrücklich das Versprechen von Milch und Honig an die Juden (Ex 3,8) 183 als im Christentum überboten betrachtet und dies im letzten, einen Tauftraktat abschließenden Satz formuliert: Illis [sc. Iudaeis] in deserto suavitas lactis et mellis exhibita est, nobis vero, quod plus est, melle dulcior ac lacte

176

T RAD. AP. 21 (57,25.27 Botte / Gerhards). In T RAD. AP. 21 (58,2f. Botte / Gerhards) nennen S(AE) scheinbar irrtümlich ein weiteres Mal mel statt aqua, das man als drittes Glied der Aufzählung erwarten würde. 177 So H. R. SEELIGER, Käse beim eucharistischen Mahl. Zum historischen Kontext von Traditio Apostolica 6, in: Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie. FS T. Schneider, hg. v. B. J. Hilberath u. D. Sattler, Mainz 1995, 195–207, hier: 199; ebd., Anm. 23, eine ausführliche chronologische Liste der Sekundärliteratur von 1736 bis 1994, die Belege für diesen rituellen Akt gesammelt und interpretiert hat. 178 S. H. USENER, Milch, 189; J. SCHRIJNEN, Milch, 297. In Ägypten und Äthiopien hat sich der rituelle Akt bis heute erhalten, während er im griechischen Osten wohl immer schon unüblich war. 179 J. ANDRÉ, Essen, 132. 180 S. L. A. MORITZ, Milch, 1293. 181 J. SCHRIJNEN, Milch, 299, spricht davon, dass Kinder „keinesfalls mit einer Mischung von Milch und Honig“ ernährt wurden, sondern in den ersten Tagen mit einer abgekochten Honiglösung und später erst mit Milch; s. auch H. USENER, Milch, 191.193. 182 Vgl. J. DOIGNON, Refrigerium, 224f. HIER. in Is. 15,55,1.2 (CChr.SL 73A,618,55– 58 Adriaen) sagt ausdrücklich: „lac, quod significat innocentiam parvulorum“, er fährt jedoch ebd. fort: „qui mos ac typus in occidentis ecclesiis usque hodie servatur, ut renatis in Christo vinum lacque tribuatur“. 183 Nur in diesem Kontext spricht Zeno in I 46B,3 von mel et lac, in I 18,2 von lac cum melle.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

candidior aeternae vitae beatitudo dei tribuetur in regno.184 Angesichts einer solchen Bewertung ist kaum mehr damit zu rechnen, dass Milch mit Honig gereicht wird.185 Insbesondere der Honig ist für Zeno vielmehr Kennzeichen eines Stadiums, das der Christ mit der Taufe überwunden hat.186 Schließlich bleibt als Argumentum ex silentio gegen eine reale Gabe von Milch (mit oder ohne Honig) in Verona die detaillierte Aufzählung von ‚Taufgaben‘ im Kontext der Allegorie des lebendigen dei templum in II 6, in der weder Honig noch Milch genannt werden. 187 184 I 46B,3; G. SGREVA, Teologia, 342, nennt die Stelle ausdrücklich, erkennt aber nicht die Konsequenz für die Frage nach einem liturgischen Akt. Zur Zugehörigkeit der zenonischen Exodus-Auslegungen zum Taufgottesdienst s. G. P. J EANES, Easter, 117– 121. 185 Wie der rituelle Akt im Übrigen auch im nahegelegenen Mailand nicht praktiziert wurde; s. J. SCHRIJNEN, Milch, 297. H. USENER, Milch, 187, stellt dies anhand der Taufpredigten des Maximus auch für Turin fest. – Völlig ohne jeden Anhaltspunkt im Text ist die Deutung bei J. B ETZ, Eucharistie, 23, in den Traktaten Zenos sei unter Milch „wohl die Eucharistie zu verstehen“ – dagegen spricht eindeutig I 8,1: „Sacram legem qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur“ –, wenn J. B ETZ, ebd., auch treffend weiter formuliert: „kaum der zwar für Rom, nicht aber für Norditalien bezeugte Kelch mit Milch-und-Honig-Mischung, der [mancherorts, müsste man ergänzen; B. D.] bei der Tauffeier seinen Platz hat.“ 186 S. neben I 46B,3 auch I 18,2: „Adeo eos [sc. Iudaeos] in eremum inde perduxit vulneraque detestabilis mentis curanda lacte cum melle providendo commonuit … Non enim erant ideonei [sic bei B. LÖFSTEDT; in LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) in idonei korrigiert] aut digni, qui caelestis panis perpetua soliditate fruerentur“; auch die Zitation von Ps 118,103 in I 24,4 („Post Traditum Baptisma“): „Quam dulcia faucibus meis eloquia tua super mel et favum ori meo!“ bezogen auf Christus, nachdem zuvor I 24,3 Johannes der Täufer als devote praecurrens (!) Honig und Heuschrecken zum Mahl herbeibringt; schließlich die Zitation von Is 7,15 in II 8,7: „Butyrum et mel manducabit, priusquam [!] cognoscat puer bonum aut malum.“ 187 II 6,8: „Dicam praeterea , quae cotidie merces, quae impendatur annona . Omnibus peraeque unus panis cum signo datur, aqua cum vino, sal, ignis et oleum, tunica rudis et unus denarius; quem qui libens acceperit acceptumque non spreverit, sed in labore usque ad ultimum perduraverit, turri completa inaestimabiles divitias in ea commanens possidebit.“ A. B IGELMAIR, Traktate, 173f., Anm. 2–7, deutet neben Brot, Wasser und Wein als eucharistische Gaben Salz, Feuer, Öl, Tunica und Denar als im Taufakt begegnende Realien, unter Feuer versteht er dabei eine Taufkerze, Öl deutet er auf die postbaptismale Salbung und die Tunica auf das Taufkleid; einzig den genannten Denar findet er außer in einem weiteren Zeno-Traktat (I 23) nirgendwo als Taufgabe belegt und schließt deshalb auf einen lokalen Gepflogenheit; vgl. auch P. u. G. B ALLERINI, Opera, 360f., Anm. 21, die es für unwahrscheinlich halten, dass in einer Reihe von Realien nur ein Bestandteil rein metaphorisch gedacht ist. G. B ANTERLE, Discorsi, 257, Anm. 11, hingegen deutet den Denar eben in Anlehnung an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg in Mt 20,1–16 als „ ,denario‘ simbolico“. Ähnlich schon P. LEIPELT, Traktate, 168, Anm. 2: „Denar des ewigen Lebens“ und G. EDERLE, Sermones 1956, 89, Anm. 10: „Il denaro … potrebbe significare la grazia e il carattere del battesimo ai quali doni il fedele deve corrispondere e giungere così … al cielo.“ Etwas uneindeutig ist m. E. au-

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Das Bild von durch göttlichen Samen Wiedergeborenen, die nach der Wiedergeburt wie Säuglinge nach einer ‚geistigen Milch‘ (rationale bzw. rationabile lac) 188 – ohne Honig – verlangen, kennt schon 1 Pt. 189 Die Verse 1,23 und 2,2 werden im Westen zwar nur wenig rezipiert,190 Tertullian, Cyprian und Laktanz etwa, aus deren Werken Zeno häufig schöpft, ziehen sie nicht heran.191 Die wenigen Referenzen im westlichen Schrifttum sind jedoch im zenonischen Umfeld zu finden: Hilarius von Poitiers deutet in seinem Psalmenkommentar, den Zeno nachweislich kannte, Ps 118,130f. 192 unter Zuhilfenahme von 1 Pt 2,2 und versteht unter lac eine „Speise himmlischer Belehrung“.193 Und in Oberitalien in nur kurzem zeitlichen Abstand zu Zeno ist es Ambrosius, der ebenfalls in Auslegung von Ps 118 Pt 2,2 mehrfach bemüht, lac auf Belehrung durch die Schrift deutet und

ßerdem die Bedeutung von cotidie: es könnte hier so verstanden werden, dass merces und annona nicht identisch sind, also nicht eine Apposition, sondern eine Aufzählung vorliegt und im ersten Teil auf eine tägliche Eucharistiefeier abgehoben wird: „welcher Lohn (in Form von Nahrung) täglich (im Gottesdienst) und welche Wegzehrung (einmalig in der Taufe) investiert werden“. Möglicherweise weist aber cotidie auch lediglich auf die stetig wachsende Zahl der Gemeindemitglieder; vgl. II 6,7: „Cotidie aedificatur et cotidie dedicatur“. Zu merces im Sinne von „Eßware“ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 897; zu annona vgl. auch I 46B,3: „nos autem esurire non possumus, sempiternam qui caelestis panis nobiscum portamus annonam.“ 188 Rationalis bzw. rationabilis hier in Übersetzung von ntl. ëïãéêüò; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 697. Mit dieser Verwendung der Terminologie harmoniert im Übrigen auch das zenonische Verständnis von ratio als „gesunder Menschenverstand“ auf der einen und als „Sinn der Schrift“ auf der anderen Seite; s. u. S. 426, Anm. 50 und S. 466, Anm. 143. 189 Vgl. VULGATA 1 Pt 1,23.2,2f. (Weber / Gryson): „renati non ex semine corruptibili sed incorruptibili per verbum Dei vivi et permanentis … sicut modo geniti infantes rationale [im Apparat auch: rationabile] sine dolo lac concupiscite ut in eo crescatis in salutem si gustatis quoniam dulcis Dominus “. Vgl. auch VULGATA 1 Cor 3,1–2a (Weber / Gryson): „et ego fratres non potui vobis loqui quasi spiritalibus sed quasi carnalibus tamquam parvulis in Christo lac vobis potum dedi non escam nondum enim poteratis“. 190 Im Osten sind es v. a. Clemens von Alexandrien, Origenes, Eusebius von Cäsarea und Didymus der Blinde, dieser insbesondere im Kontext seines Kommentars zu den Katholischen Briefen, die gerade diese Stellen häufig heranziehen; s. B IBLIA PATRISTICA. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique, Bd. I–VII, hg. v. Centre d’analyse et de documentation patristique, BiPa I–VII, Paris 1975–2000, hier: I, 527; III, 458f.; IV, 323; VII, 223. 191 S. BiPa I, 527; 2, 441. 192 Vgl. VULGATA Ps 118 FE,130f. (Weber / Gryson): „ostium sermonum tuorum lucidum doce parvulos os meum aperui et respiravi quia mandata tua desiderabam“. 193 HIL. in psalm. 118 phe 5 (CChr.SL 61A,163f.,15–24 Doignon): „Expetendus est [spiritus], adtrahendus est et infantium modo tamquam lac innocens hauriendum … Ut enim per os in alimoniam corporis cibos sumimus, ita et per cor ad vivificandam animam escas doctrinae caelestis accipimus“. Vgl. inhaltlich CYPR. domin. orat. 1 (CChr.SL 3A,90,1–6 Moreschini): „Evangelica praecepta, fratres dilectissimi, nihil sunt aliud quam magisteria divina, … nutrimenta fovendi cordis, … quae dum dociles credentium mentes in terris instruunt, ad caelestia regna perducunt.“

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

in Verbindung bringt mit Taufe.194 Gerade für Mailand aber scheint es erwiesen, dass es Milch (und Honig) als liturgisches Element nicht gab.195

Zeno selbst spricht, ebenfalls in einem Tauftraktat, 196 aber ohne wörtlichen Anklang an 1 Pt,197 vom Ertrag des Gesetzes, durch den derjenige ‚mit Milch gesäugt wird‘, der es geistig versteht: „Sacram legem qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur.“ 198 Auch Tertullian,199 Cyprian 200 und selbst Laktanz,201 der, von Zeno häufig herangezogen, für die zenonische Taufallegorie allerdings insgesamt als Vorlage nur wenig ergiebig ist, verbinden im Übrigen – dies ergibt eine Datenbankrecherche 202 zum Stichwort lac – ähnliche Vorstellungen mit dem Begriff, wenn auch nicht unter Bezug auf 1 Pt. Eine Differenzierung, wie sie heutige Exegese vornimmt, zwischen 1 Cor 3,1–3, wo Milch „für anfängliche ‚Speise‘, d. h. für (auf die Dauer unzulängliche) christliche Erst- und Grundunterweisung“, und 1 Pt 2,2, wo derselbe Terminus „für die Wahrheit des Evangeliums selbst und insgesamt“ und damit nicht zwangsläufig auf Taufkatechese beschränkt

194 AMBR. in psalm. 118 serm. 15,13 (CSEL 62,337,8–13 Petschenig / Zelzer): „oculi sunt viri videlicet spiritalibus ornati sensibus, qui ad videnda mysteria sunt acuti et parati ad penetranda scripturae secreta divinae, rationabili lacte fulgentes, in quibus non sit aliqua doli maculosa confusio, sed simplicis affectus pura et inmaculata sinceritas. ideo in aquarum abundantia lotas has columbas in lacte memoravit.“ Ebd., serm. 16,21 (CSEL 62,364,3–7 Petschenig / Zelzer): „baptizat in lacte dominus, id est in sinceritate, et isti sunt qui vere baptizantur in lacte, qui sine dolo credunt et puram fidem deferunt, inmaculatam induunt gratiam. ideo candida sponsa ascendit ad Christum, quia in lacte baptizata est.“ (Zur hier u. a. anklingenden Deutung der Taufe als Brautbad der Kirche s. O. CASEL, Die Taufe als Brautbad der Kirche, JLW 5, 1925, 144–147.) Vgl. auch AMBR . in psalm. 118 serm. 13,27 (CSEL 62,297,16–19 Petschenig / Zelzer). 195 S. J. SCHRIJNEN, Milch, 297; H. USENER, Milch, 187; J. B ETZ, Eucharistie, 23. 196 Zur Zugehörigkeit der Exodus-Auslegung in I 8 zur Taufe s. G. P. J EANES, Easter, 117–119. 197 Dass Zeno diesen Brief jedoch kennt, zeigt die Zitation von 1 Pt 1,24 (interpretierbar auch als Zitat Is 40,6) in II 4,15 und eindeutiger die von 1 Pt 2,11 in II 4,17. 198 I 8,1. 199 Etwa T ERT. monog. 11,9 (CSEL 76,67,40f. Bullhart) in Anlehnung an 1 Cor 3,2: „lacte scilicet educabat [apostolus], nondum solido cibo validioris doctrinae “; s. auch ders., praescr. 27,4 (CChr.SL 1,208,10–12 Refloué) unter Bezug auf dieselbe Stelle; vgl. auch ders., Scap. 4,4 (CChr.SL 2,1131,32 Dekkers): „lacte christiano educatus“. 200 Etwa CYPR. testim. 3,3 (CChr.SL 3,90,14–17 Weber) ebenfalls in Zitation von 1 Cor 3,2; vgl. auch CYPR. unit. eccl. 5 (CChr.SL 3,253,141f. Bévenot): „illius [sc. ecclesiae] lacte nutrimur “. 201 LACT. inst. 5,4,6 (CSEL 19,1,412,13–19 Brandt) explizit bezogen auf Cyprians Schrift Ad Demetrianum: „nam sicut infans solidi ac fortis cibi capere vim non potest ob stomachi teneritudinem, sed liquore lactis ac mollitudine alitur, donec firmatis viribus vesci fortioribus possit, ita et huic oportebat, quia nondum poterat capere divina, prius humana testimonia offerri id est philosophorum et historicorum, ut suis potissimum refutaretur auctoribus.“ 202 In LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) in den Werken des Tertullian, Cyprian und Laktanz, da sie von Zeno häufig als Vorlagen herangezogen werden.

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steht,203 ist in christlich-spätantiker Interpretation nicht unbedingt zu erwarten. Ein Zusammenhang wird demgegenüber sogar ausdrücklich hergestellt in einem Kommentar des frühen 5. Jahrhunderts: rationabile lac; Secundum historiam, hoc est rationabile lac quod de uberibus matris mulgitur labiis infantis. Bene autem dicitur rationabile, quia ex eo accipit rationem mentis et ingenii. … hoc est autem lac de quo Paulus ait: lac vobis potum dedi et non escam; nondum enim poteratis.204 Wenn eine solche Differenzierung offenbar von einem Augustinus dann dennoch vorgenommen wird, 205 so schmälert dies keineswegs den Eindruck, dass die spätantike Rede von der Milch als Nahrung der Christen überwiegend, auch im Augustin-Zitat selbst, auf eine mit der Taufe einsetzende Belehrung durch die Schrift abhebt.

Zeno dagegen nimmt (mit Anklang an 1 Cor 3,1–3 ?) eine andere Differenzierung vor: Es sind die Juden, die grundsätzlich (und nicht nur als Kinder) nicht tauglich und würdig für die Festigkeit (im Sinne von Dauerhaftigkeit) himmlischen Brotes sind und deshalb mit Milch und Honig ‚abgespeist‘ werden.206 Diese Qualifizierung beinhaltet jedoch einen wesentlichen Unterschied gegenüber dem Status der (Neu-)Christen: Während die Berufung der Juden auf ihre Auserwähltheit und daran anknüpfende Hoffnungen sich als verwirkt erwiesen haben,207 zieht die infantia der Christen eine Aufzucht durch Belehrung, die die Juden im Übrigen von sich gewiesen hatten,208 geradezu notwendig nach sich.

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N. B ROX, Petrusbrief, 91f. P S. HIL. AREL. in epist. canon. (PLS 3,88,14–22). Auch H IER. in Is. 15,55,1.2 (CChr.SL 73A,618,55–60 Adriaen) stellt die Zitation des Petrusbriefes kommentarlos neben das Paulus-Zitat: „lac, quod significat innocentiam parvulorum, qui mos ac typus in occidentis ecclesiis usque hodie servatur, ut renatis in Christo vinum lacque tribuatur. De quo lacte dicebat et Paulus: Lac vobis potum dedi, non solidum cibum. Et Petrus: Quasi modo nati parvuli, rationale lac desiderate.“ 205 AUG. conf. 13,22,32 (CChr.SL 27,260,11–15 Verheijen) unter Zitation von 1 Th 2,7 und Rm 12,2: „ad hoc enim dispensator ille tuus generans per evangelium filios, ne semper parvulos haberet, quos lacte nutriret et tamquam nutrix foveret: reformamini, inquit, in novitate mentis vestrae ad probandum vos, quae sit voluntas dei“. 206 I 18,2: „Adeo eos [sc. Iudaeos] in eremum inde perduxit vulneraque detestabilis mentis curanda lacte cum melle providendo commonuit … Non enim erant ideonei [sic bei B. LÖFSTEDT; in LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) in idonei korrigiert] aut digni, qui caelestis panis perpetua soliditate fruerentur“; vgl. auch I 46B,3: „Denique illi [sc. Iudaei] post mare ad eremum pervenerunt, nos post baptismum ad paradisum pervenimus. Illis inrorata est esurientibus manna , nos autem esurire non possumus, sempiternam qui caelestis panis nobiscum portamus annonam.“ 207 S. etwa I 18,1: „Iudaei unde se beatos putant, infelices inde esse noscuntur“; I 46B,1: „Si Iudaei vacuatae imaginis recordatione gloriantur, quanto magis Christianus, in quo non est figura sed ueritas!“ 208 I 61,1: „Unde reiectio Iudaeorum est aliarum electio personarum, quia , cum alteris, ut verbum dei audire debeant, dicitur, Israel sic reprobus invenitur et, dum clamat propheta Audi caelum et terra , significat, quod illi audire contempserint.“ 204

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

B. Bildungsvermittlung Erst die Aufforderung an die Täuflinge, den alten Menschen abzulegen und sich als wiedergeborene infantes zu begreifen, macht eine christliche Bildung im Sinne einer Erziehung zu erwachsenen Christen notwendig. 1 Wie diese nach Zenos Meinung inhaltlich konkret auszusehen hat, erweist eine Untersuchung der zu den Wortfeldern Erziehung, Lehren und Lernen gehörigen Terminologie. Die Übernahme vorgefundener (vorchristlicher) Terminologie wird durch eine teilweise gezielte Verknüpfung mit den Metaphern der Taufallegorien in den Dienst eines genuin christlich-pädagogischen Anliegens gestellt: Christliche Bildungsvermittlung erweist sich in erster Linie als Vermittlung religiösen Sachwissens auf der einen Seite und ethischen Wissens auf der anderen Seite. Ethische Haltungen als Folge ethischen Wissens und sittliches Können im Sinne sittlich korrekten Verhaltens sind naturgemäß eher dem Lernenden als dem Lehrenden aufgegeben und finden daher stärkere Berücksichtigung im Bereich des Bildungserwerbs; v. a. sittliches Verhalten findet im Bereich der Bildungsvermittlung ausschließlich in auf Gott selbst zurückgehenden Anweisungen Berücksichtigung. I. educatione nutrire Unter der Terminologie educatio 2 versteht man klassisch die Erziehung der Kinder durch die Eltern, und zwar im weitesten Sinne, angefangen bei der physischen Aufzucht bis hin zur Vermittlung grundlegender Fähigkeiten und moralischer Werte;3 ausgeschlossen scheint in aller Regel lediglich ein „intellektuelles Element“ gewesen zu sein, „der Akzent liegt vorzugsweise auf der Strenge und dem Ernst dieser Erziehung.“ 4 In Stellvertretung der Eltern konnten Teile dieser Fähigkeiten auch durch den Privatlehrer v. a. im Elementarunterricht 5 vermittelt werden.6

Zeno benutzt den Begriff in ebendieser Bedeutung zweimal in Bezug auf die elterliche Erziehung Isaaks: Abraham hatte aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nur wenig Zeit zur Erziehung seines Sohnes zur Verfügung gestanden (educationis tempus angustum) 7 oder aus der umgekehrten 1

Vgl. L. P ADOVESE, Originalità, 63–69, der den in der Taufe erworbenen neuen Status der Christen, die „ ,novitas‘ christiana“, als Voraussetzung konkreten ethischen Handelns herausstellt. 2 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2339f. 3 S. dazu J. MARQUARDT, Privatleben, Bd. I, 89–92. 4 H.-I. MARROU, Augustinus, 458 und ebd., Anm. 16. 5 In Teilen auch noch im Grammatikunterricht; vgl. dazu, v. a. zur ethischen Natur des Grammatikunterrichtes, H.-I. MARROU, Histoire, Bd. I, 253f.; zum moralischen Schwerpunkt der Erziehung insgesamt, ebd., 328f. 6 S. H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 64.69–73. 7 I 43,1.

B. Bildungsvermittlung

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Perspektive: Isaak hatte eine beschleunigte Erziehung genossen (festinata educatione nutritus).8 Über Inhalt und Qualität von educatio im Sinne umfassender Erziehung sagt Zeno nichts aus; ex silentio kann man wohl in den Traktaten auf die Ausklammerung eines „geistige[n] Element[es]“ 9 (wie in der klassischen educatio) schließen. In den gesamten Traktaten findet man auch über die grundlegende educatio hinaus keinerlei Hinweis etwa auf die artes liberales bzw. eine dãêýêëéïò ðáéäåßá. Erziehung an sich gehört für Zeno offensichtlich zu den unhinterfragten Grundvollzügen menschlichen Lebens, eine Einschätzung die er auch mit späteren Vätern teilt, die trotz des Entwurfs regelrechter Programme christlicher Bildung 10 eine solche christliche Bildung der Erziehung der Antike – diese dadurch in gewissem Sinne korrigierend – lediglich hinzufügen.11 Dass Zeno die offensichtlich auch zeitgenössisch noch durch einen Lehrer praktizierte educatio genauer kennt, zeigt die Erwähnung eines litterator in I 36,3. Unter litterator (als Übertragung des griechischen ãñáììáôéóôÞò) hat man den Elementarlehrer zu verstehen, der als Haus-, aber auch als Schullehrer quasi in Vertretung der Eltern die grundlegenden Fertigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens vermittelte.12

Zeno führt den Besuch eines litterator durch einen Knaben an als Beispiel für die (christliche!) Tugend der Hoffnung: „Quid facit ad litteratorem puer, si litterarum non sperat fructum?“ 13 Zusammen mit den sich anschließenden Beispielen will Zeno damit offensichtlich zum Ausdruck bringen, dass die Hoffnung die Menschen veranlasst, nicht nur zu vegetieren, sondern ihr Leben zu gestalten. Diese Lebensgestaltung macht huma8

I 59,5. H.-I. MARROU, Augustinus, 458. 10 Etwa Augustins De doctrina christiana, ergänzt von De magistro oder De catechizandis rudibus. 11 S. H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 136–138. 12 S. J. MARQUARDT, Privatleben, Bd. I, 92–97. Der litterator ist ausdrücklich zu unterscheiden von dem eine höhere Bildung vermittelnden grammaticus, rhetor und auch calculator; ebd., 92.94.97; s. auch H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 64; K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 685. 13 I 36,3. – Im Gegensatz zu dieser positiven Bewertung der Erziehung durch einen Lehrer ist der Begriff ,Schule‘ bei Zeno jedoch negativ besetzt; nur ein einziges Mal begegnet das Adjektiv scholaris in II 9,2, wo es auf philosophische bzw. häretische Schulmeinungen abhebt. Vielleicht verbirgt sich dahinter eine ironische Anspielung auf die Arianer als Anhänger des zu Zenos Lebzeiten im Osten regierenden arianisch gesinnten Kaisers Valens, denn als scholares können auch die Mitglieder der kaiserlichen Garde bezeichnet werden; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2526. 9

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

nitas, artes virtutesque universae, ja omnia aus, wie Zeno schon vorher bemerkt.14 Kultur im grundlegenden Sinn wird nicht nur nicht in Frage gestellt, sie wird vielmehr als das das Mensch-Sein Ausmachende gefordert.15 Ihre Krönung ist aber, wie sich hier schon andeutet, der Glaube an Christus.16 Dadurch wird sie zu Bildung. Eine eigene christliche Bildung, die weltliche educatio voraussetzt, sie aber nicht als ausreichend erachtet, beginnt wie die weltliche Grundausbildung der Kinder mit einer Art educatio der (Neu-)Christen 17 durch die mater ecclesia oder stellvertretend durch einen ‚Lehrer‘. Diese christliche educatio dürfte im Rahmen von Katechumenat und Mystagogie (erwachsener) Neugetaufter angesiedelt sein, auch wenn Zeno bei seiner Rede von educatio nirgends direkt darauf verweist.18 In diesen Bereich verweist der Gebrauch des Verbs (e-)nutrire, das schon im Kontext der Erziehung Isaaks begegnete,19 dann aber insbesondere für das ‚Füttern‘ der Täuflinge mit lac steht. In diesem Sinne ausdrücklich verwendet wird es in I 32: „mater nostra … suave redolentibus sacri altaris feliciter enutrit a cancellis, per dominum nostrum Iesum Christum.“ 14

I 36,2. Vgl. H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 132–134, besonders 134: „pour pouvoir être chrétien, il faut d’abord être un homme“. 16 Die Reihe der Beispiele in I 36,3 wird abgeschlossen mit: „Quid Christianus credit in Christum, si promissum sibi ab eo perpetuae felicitatis tempus non credit esse venturum?“ 17 Ob sich christliche educatio nur an Neophyten oder an die Christen insgesamt richtet, ist nicht klar auszumachen. Zeno jedenfalls favorisiert kindliches, naives Fragen und Wissen, wie sich noch zeigen wird; vgl. auch II 29,3: „beatissimus, qui infantiam suam provectu temporis non mutaverit.“ 18 Zur Funktion des Katechumenats im Kontext christlicher Erziehung allgemein s. E. P AUL, Geschichte der christlichen Erziehung, Bd. I, Freiburg / Basel / Wien 1993, 38– 114; auch H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 128f.; zuletzt J. RIST, Die Vermittlung religiösen Wissens in der Alten Kirche, in: Religionsunterricht als Ort der Theologie, hg. v. N. Mette u. M. Sellmann, Freiburg / Basel / Wien 2012, 175–197, hier v. a. 181–187, der eigens auf „eine [zwar] breite christliche Akzeptanz der paganen Elementarschule und der auf ihr aufbauenden Unterrichtsstufen“, ebd., 189, hinweist; Christen nutzten die vorhandenen Bildungsangebote (einschließlich dãêýêëéïò ðáéäåßá), s. ebd., 181f., religiöse Bildung werde aber vorzüglich in Katechumenat und Mystagogie (wobei Rist diesen Terminus nicht ausdrücklich benutzt), s. ebd., 182–184, und dann auch in der regulären Predigt und damit in der Ortsgemeinde (neben der Familie) vermittelt, s. ebd., 187. Bezüglich einer Erziehung von Kindern „in christlicher Sicht“ bemerkt E. P AUL, Erziehung, 32–34, dass Kinder weitgehend dem „Ideal der Alterstranszendenz“ unterliegen, „das faktisch zudem rein sittlich-religiös bestimmt ist“. 19 I 59,5: „festinata educatione nutritus“. Zur Bedeutung von nutrire im Sinne von „aufziehen, erziehen, großziehen“ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1232. 15

B. Bildungsvermittlung

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Trotz oder gerade wegen der Formulierung a cancellis 20 ist hier wie in anderen Taufpredigten, die auf ein ‚Füttern‘ der Täuflinge abheben, wohl nicht an den Eucharistieempfang gedacht, wie manche Übersetzungen den Eindruck entstehen lassen. 21 Vielmehr geht es um das nährende Aufziehen der Täuflinge „von den Schranken her(ab)“, die Vervollkommnung der ‚Kinder‘ zu ‚erwachsenen‘ Christen durch die Belehrungen des Bischofs;22 sacri altaris cancelli steht hier metonymisch im Sinne von ‚Altarraum‘ als Aufenthalts- und Predigtort des Bischofs.23 Dass dieser Bereich anders als die gegen20 Diese Zeno-Stelle gilt als frühester schriftlicher Beleg für Altarschranken im Westen (neben Eus. h. e. 10,4 für den Osten), so J. P. KIRSCH / T. KLAUSER, Art. Altar III, RAC I, 1950, 334–354, hier: 351. Ihre Funktion bestand in erster Linie darin, den Priesterraum für Laien abzusperren, s. A. M. SCHNEIDER / T. KLAUSER, Art. Cancelli, RAC II, 1954, 837f., hier: 837. „Nicht selten“ seien auch Ambone unmittelbar an die Cancelli angeschlossen gewesen, s. ebd., 838; dazu s. jedoch die zeitlich spätere Einordnung s. hier Anm. 23. 21 Ausdrücklich G. EDERLE, Sermones 1956, 15, Anm. 4. A. B IGELMAIR, Traktate, 287, übersetzt unkorrekt „an heiligen Altares Schranken“ und deutet damit in dieselbe Richtung wie G. Ederle; s. auch A. B IGELMAIR, Zeno, 159. Völlig in die Irre geht m. E. P. LEIPELT, Traktate, 307, mit seiner Übersetzung „in den … Schranken ihres Altares“, versehen mit der Anmerkung, dass die Neophyten bei der Liturgie am Tauftag und während der Oktav „ihren Platz intra cancellos“ hatten. Ebendas steht nicht im Text. Dieser Deutung folgt dennoch auch A.-G. HAMMAN, Le baptême d’après les Pères de l’Eglise, Lettres chrétiennes 1, Paris 21995, 79: „entre les grilles de l’autel de Dieu, au milieu de suaves parfums.“ Doppeldeutig (im Sinne von ,bei‘ oder ,von … aus‘ ist die italienische Übersetzung G. B ANTERLEs, Discorsi, 131: „dai cancelli“; er folgt in der Übersetzung G. EDERLE, Sermones 1956, 15, verzichtet aber auf eine interpretierende Anmerkung. 22 Zur Bedeutung von enutrire im Sinn von ,nährend aufziehen, Wachstum befördern, vervollkommnen‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2427. 23 S. A. B LAISE, Dictionnaire, 126: „(méton.) le chœur“; als Beleg verweist er auf AUG. epist. 34,2 (CSEL 34,2,24,5 Goldbacher), dort liest man allerdings „intra cancellos“. Anders als an der von A. B LAISE, Dictionnaire, 126 angeführten Belegstelle dürfte hier, in I 32, cancelli als Pars pro toto auf das Presbyterium als Ort der Verkündigung (durch Lektoren, v. a. aber) durch den Bischof, der wohl (wie ein Philosoph) sitzend von der Kathedra aus ,lehrte‘, bezogen sein. U. a. für den Adriaraum und Oberitalien (insbesondere Mailand, S. Thecla und Ravenna, S. Apollinare in Classe, s. C. J. A. C. P EETERS, De liturgische dispositie van het vroegchristelijk kerkgebouw. Plaats en samenhang van de cathedra, de leesplaats en het altaar in de basiliek van de vierde tot de zevende eeuw, Assen 1969, 206f.221) sind – allerdings erst nachjustinianisch, s. G. P. P. VRINS, Der Ambo. Ursprung und Verbreitung bis 600, Mün. 30, 1977, 305–307, hier: 307 – auch Ambone belegt, die mit einer von Schranken flankierten Treppe oder einer kompletten Solea-Anlage an den Altarraum angeschlossen waren, C. J. A. C. P EETERS, Dispositie, 206f.221.240f.242f. Auf eine Solea-Anlage könnten auch Spuren im Mosaikfußboden der Basilika B aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (?) in Verona deuten: „Nella navata centrale rimangono i resti di un corridoio sopraelevato e mosaicato, che ne occupa un quarto circa della larghezza e poco meno di metà della lunghezza, delimitato lateralmente da muretti e sul fondo da un’apertura mobile“ (G. C[ANTINO] W[ATAGHIN] / C. F[IORIO] T[EDONE] / S. L[USUARDI] S[IENA], La Cattedrale in Italia. Verona, in: Actes du XIe congrès international d’archéologie chrétienne. Lyon, Vienne, Grenoble, Genève et Aoste, 21–28 Septembre 1986, Bd. I, Città del Vaticano 1989,

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

übergestellten Wiegen irdischer Kleinkinder 24 den Täuflingen ‚süß entgegenduftet‘ (suave redolentibus), deutet in dieselbe Richtung: suavis steht in enger Verbindung mit ‚Ernährung‘, suave redolentes sind die Neophyten im Bild frischgebackener Brote selbst,25 suavitas wird Milch und Honig zuerkannt, diese ist aber überboten durch die dulcedo der aeternae vitae beatitudo.26 Schließlich wird ‚Süßigkeit‘ eindeutig aufgelöst in I 24,4, wo Christus in der Allegorie des Festmahls anlässlich der Taufe die ‚Süßspeisen‘ aufträgt und diese durch Anfügung von Ps 118,103 als Worte Gottes gedeutet werden: „deus et dominus noster Iesus Christus dei filius dulcia [expungit], sicut prior, qui hoc prandio pastus est ante nos, dicit: Quam dulcia faucibus meis eloquia tua super mel et favum ori meo!“ 27

Erziehung der Christen durch einen ‚Stellvertreter‘ der ‚Mutter‘ Kirche (wie durch den Lehrer als Stellvertreter der Eltern in weltlicher educatio) lässt sich auch an anderer Stelle erahnen. In I 2,20 werden die Lebensstadien des Vogels Phönix in ihrem besonderen Abweichen vom Üblichen

203–205, hier: 204). Gelegentlich standen Ambone auch im Presbyterium selbst (für den Westen nur ein Beleg bei G. P. P. VRINS, Ambo, 307). Von solchen Anlagen dürfte sich die mittellateinische Bedeutung des Terminus cancelli im Sinne von ,Kanzel‘ als Ort der Verkündigung durch den Prediger ableiten. – Auch über das von Löfstedt gesetzte Komma ließe sich wohl streiten; die Formulierung „per dominum nostrum Iesum Christum“ ist so oder ähnlich zwar ein von Zeno bevorzugter Predigtschluss, doch in den meisten Fällen nicht nur ,floskelhaft‘ eben das Ende der Predigt kennzeichnend, sondern mit einer syntaktischen und inhaltlichen Funktion in einen Satz eingebaut; s. jeweils das Traktatende von I 2; I 6; I 10B; I 11; I 13; (vgl. I 14); (vgl. I 15); (vgl. I 17); I 18; I 19; I 22; I 23; I 24; I 25; I 27; I 29; I 33; I 34; I 35; (vgl. I 45); I 59; vgl. II 5); (vgl. II 13); (vgl. II 19). Neben I 32 sind es demgegenüber lediglich die Schlusssätze von I 26; I 28; I 30 (vgl. auch I 53), die durch ein Satzzeichen abgetrennt und daher floskelhaft erscheinen. Gerade in I 32 gäbe die Formulierung auch einen Sinn, wenn sie in den Satz integriert betrachtet würde: Die Täuflinge ,nährt‘ die Mutter Kirche durch den Bischof als Vertreter Christi. 24 Der Ablativ foetidis cunis in I 32 hat wahrscheinlich die hier Anm. 21 genannten Übersetzer veranlasst, den Altarraum als Aufenthaltsort der Neophyten zu deuten, und deshalb zu den Fehlübersetzungen geführt. Gegenübergestellt werden hier aber nicht die Orte, sondern die mit ihnen verbundenen Gerüche; vgl. panni sordidi im gleichen Traktat. 25 I 41,2. 26 I 46B,3, als Exodusauslegung ebenfalls Tauftraktat. Vgl. auch II 6,6 zum Taufbecken als Ausstattungsstück des Kirchenraumes: „illi [sc. fabricae] perennis fontis sui vivum inest mare, … quod naufragos ad vitam suavem perducat“. Schließlich werden suavissimi mores, aus denen das geistige Opfer der Christen besteht, in I 25,9 stinkenden Opfertieren (bromosae pecudes) – auch diese hängen offensichtlich ja mit Ernährung zusammen, vgl. II 7,17 – gegenübergestellt und lösen diese ab. 27 Vgl. auch im ebenfalls im Anschluss an die Taufe heidnische Horoskoperstellung ersetzenden Traktat I 38,3f.: „dulcis … vos admonet vitulus [sc. Christus] … Et admonet prosequentibus Geminis, id est duobus salutare canentibus testamentis“; I 42,2 (Ad neophytos) und II 24,3 (Item tractatus de baptismo): „liberatoris nostri … O dulcis sententia !“

B. Bildungsvermittlung

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aufgelistet.28 Im Lebensalter der Aufzucht ist von fremder Fürsorge (officio alieno nutrire) die Rede, was sowohl als Großziehen durch eine Amme gedeutet werden kann 29 als auch als umfassende Erziehung durch einen Lehrer.30 Übertragen lässt sich dies auch auf den Christen, für dessen Auferstehung der Phönix ja steht, vermutlich ist auch hier an den Bischof als geistigen ‚Ernährer‘ gedacht,31 – Bildung eines Bischofs wird also grundsätzlich nicht in Frage gestellt 32 – eindeutig entschlüsseln lässt sich das Bild jedoch nicht, da Zeno die Allegorie nur als Ganze, nicht im Detail auflöst.33 Deutlicher wird dieser (wie educatio insgesamt) offensichtlich umfassend verstandene Inhalt von nutrire auf die ‚Aufzucht‘ des Christen in II 11,2 übertragen; hier wird der Terminus in der Allegorie der Ernährung eines Setzlings verwandt, die in II 11,4 auf den Taufkompetenten gedeutet wird, ohne dass nutrire in der Deutung noch einmal eigens erwähnt wird. Bezeichnend ist, dass der Setzling in der Grube manente substantia ernährt wird, dies scheint deutlich auf die einmalige und anhaltende Wirkung der Taufe anzuspielen.34 In II 11,5 begegnet der Terminus nutrire noch einmal und charakterisiert in der Deutung der Entwicklung eines Weinstocks die ‚Erziehung‘ des Christen durch göttliche Ermahnungen: „ …; der Christ wird durch eine Förderung mittels vorgetragener göttlicher Ermahnungen, die als

28 I 2,20: „Phoenix avis … non ex coitu nascitur nec officio alieno nutritur; non invita , non inprudens moritur“. Da es sich m. E. um die Aufzählung von Lebensstadien handelt, wäre das Semikolon nach nutritur besser durch ein Komma zu ersetzen. 29 Wie dies P. LEIPELT, Traktate, 192, und A. B IGELMAIR, Traktate, 195f., in ihren Übersetzungen tun, während G. EDERLE, Sermones 1958, 105, und G. B ANTERLE, Discorsi, 45, die offenere Formulierung Zenos übernehmen. Im eingeschränkten Sinn von ,ernähren‘ benutzt Zeno nutrire in der Tat wohl in I 2,21.27; II 3,7 und II 11,2. 30 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1231: nutricius im Sinne von Erzieher. 31 Vgl. o. S. 389–393 die Allegorie der infantia des Christen. 32 Vgl. dagegen P. GEMEINHARDT, Christentum, 307: „Dürfen Kleriker gebildet sein? … Dürfen gebildete Menschen gar Bischöfe werden?“ – Für die zenonischen Traktate bleibt allerdings zu fragen, wie diese Bildung inhaltlich aussehen darf bzw. in welcher Form sie christlich Anwendung finden soll. Dazu s. u. S. 425–514. 33 I 2,21: „Erubesce, Christiana conscientia, vel tot ac tantis ex rebus quemadmodum rursum eadem quae es sis melior futura cognosce.“ 34 II 11,2.4: „Igitur, ut optime saepe recolitis, mensura servata amputatur in surculum palmes, in scrobem dimittitur, ut animatus ibidem genitalis humoris manente semper secum substantia nutriatur … Quantum spiritaliter mediocritas nostra conicere potest, computatus ad mensuram palmes competens intellegitur legitimo examinis numero examinatus.“

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Wirkung (sofern sie Beachtung finden) ewiges Lebens nach sich ziehen, zugleich errettet und (zu einem ‚erwachsenen‘ Christen) aufgezogen.“ 35 Schließlich ließe sich – mit aller Vorsicht, auf dem Hintergrund des bisher zu infantia und educatio des Christen Erarbeiteten jedoch durchaus schlüssig – auch noch das von Zeno weitgehend dunkel belassene Bild der Veredelung eines Ölbaums in I 2,27 einreihen: Ein erfahrener agricola – Gott (?) – beschneidet – tauft 36 (?) – und veredelt den wilden Ölbaum – den ungetauften Menschen 37 (?) – durch das Aufpfropfen eines Edelreises – durch Belehrung seitens des Bischofs (?) –, von dem der veredelte Baum nun ernährt wird und den er zugleich selbst nährt – durch gegenseitige religiöse Weiterentwicklung (?) –, bis er selbst Saftfülle – ‚ausgereifter‘ Christ (?) – wird. So ist er nicht mehr Ölbaum – ungetaufter Mensch (?) –, sondern Olivenbaum – ‚veredelter, fruchtbringender‘ Mensch, Christ (?) –, d. h. das, was er vor der im Paradies begangenen Erbsünde schon einmal war.38 Bezeichnend für die so mit nutrire angesprochene christliche educatio ist, dass Zeno sie, wie schon die ‚weltliche‘ educatio des Isaak oder die durch den litterator erfahrene nicht konkretisiert, es werden zunächst, in der metaphorischen Rede, noch keine Inhalte spezifisch christlicher Bil35 II 11,5: „Praecedentibus foliis fructus sequela sese commendat; similiter christianus monitis divinis praecinentibus obsecundando, in quibus aeternae fructus est vitae, et defenditur pariter et nutritur.“ Möglicherweise deutet praecinere auf einen gesungenen Vortrag der Schrift hin; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1827: „vorsingen“; ähnlich verstehen dies P. LEIPELT, Traktate, 301f., und G. EDERLE, Sermones 1959, 197, letzterer jedoch ohne Abheben auf Gesang. G. B ANTERLE, Discorsi, 283, deutet die Ermahnungen als ,Vorausklingen‘ des ewigen Lebens: „gli ammonimenti divini che risuonano quale preludio ai suoi orecchi [sc. del cristiano]“. Ausgesprochen unglücklich die Übersetzung bei A. B IGELMAIR, Traktate, 283f.: „durch den Gehorsam gegen die ihm vorschwebenden göttlichen Mahnungen“. 36 Vgl. secunda circumcisio in I 3,23. 37 In Rm 11,17–24 steht der wilde Ölzweig, der – gegen jede botanische Praxis – dem veredelten Ölbaum aufgepfropft wird, für den Heiden, der Mitglied der aus dem Judentum hervorgegangenen Kirche wird. Die Allegorie ist hier eine andere, die Metapher des wilden Ölbaums für das Heidentum bzw. den einzelnen Heiden entspricht sich jedoch in etwa. 38 I 2,27f.: „Ad hoc unum evidens adhuc proferamus exemplum, quamvis non possit veri simile tantam vim habere quam veritas. Oleaster sua infelix et amarus est in natura ; sed cum fuerit peritissimi agricolae artificis manu necessaria provisione truncatus, nobilitate alieni seminis gravidatur nutriturque ab eo ipso quod nutrit, donec hospitis germinis adoptiva pinguedine absumptus, immo pinguedo ipse factus, totusque acceptum translatus in honorem novae frondis promotione ramis resurgescentibus ornatus iam non oleaster sit, sed oliva , cum et oleaster sit et tamen oleastrum se non esse quodam modo etiam ipse miretur. Igitur si homo potest facere, ut sit arbor quod non fuit, salvo quod fuit, quanto magis deus hominem poterit excitare, antequam peccasset in paradiso, in id quod fuit!“

B. Bildungsvermittlung

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dung greifbar. Es ist daher auch nicht zu entscheiden, ob der Terminus ausschließlich auf die ‚Grundausbildung‘ des Katechumenats und der anschließenden Mystagogie abhebt und erst danach der eigentliche Bildungsprozess einsetzt oder ob educatio schon Teil desselben ist. II. doctrina formare Eine über bestimmte (innerhalb weltlicher educatio vermittelte) Grundfähigkeiten hinausgehende Bildung ist den docti zu eigen.39 Klassisch bezeichnet der Terminus doctrina insbesondere theoretische, intellektuelle Bildung.40 Cicero benennt in seinem Gesamtwerk mit dem Terminus in 22,5 % der Fälle, d. h. an 46 Stellen, die Bildungsvermittlung, also eine „activité“,41 in 56,5 % der Fälle, d. h. an 114 Stellen, deren Ergebnis, eine „connaissance subjective“, auch „instruction“, 42 in Abgrenzung von doctrina als „science objective“ – in dieser Bedeutung benutzt Cicero den Terminus 42 mal, das sind 21 % der Fälle. 43 Das zugrunde liegenden Verb docere deckt eine enorme Bedeutungsbreite ab in den Bereichen von ‚Vermittlung einer permanenten Verhaltensweise‘, ‚Vermittlung einer Wissenschaft oder Kunst‘, aber auch ‚Vermittlung eines Wissens‘;44 gerade für Cicero ist docere wesentlich umfassender als ein ‚Unterrichten durch den grammaticus‘,45 er versteht darunter eine alle Lebensbereiche umfassende Ausbildung. 46 Daneben fallen aber besonders seltene Anwendungen ebenfalls durch Cicero ins Auge, wie ein religiöses oder juridisches „prescrire“,47 ein „ «mettre quelqu’un au courant de ce qu’on attend de lui»; «lui apprendre son rôle»; «lui donner des instructions» “ im Zusammenhang von Theateraufführungen 48 oder ein „ «exposer en detail», «raconter», «narrer» “. 49 Gerade diese seltenen Bedeutungsvarianten scheinen zenonisch wieder aufzutreten.

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Nur indirekt aus der zenonischen Formulierung abzuleiten zählen auch instructi zu den Gebildeten; Zeno stellt in II 18,2 den docti die minus instructi gegenüber; s. o. S. 383. 40 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2269f.; H.-I. MARROU, „Doctrina“ et „disciplina“ dans la langue des pères de l’église, ALMA 9, 1935, 5–25, hier: 9; auch ders., Augustinus, 460f.; was dann für die christliche Kultsprache nicht ausschließlich mehr zutreffe, so W. DÜRIG, Disciplina. Eine Studie zum Bedeutungsumfang des Wortes in der Sprache der Liturgie und der Väter, SE 4, 1952, 245–279, hier: 254. Zur Entwicklung der Bedeutung von Plautus bis in hadrianische Zeit s. A. HUS, Mots, 277–332. 41 A. HUS, Mots, 285. 42 Ebd., 290. 43 Ebd., 301. 44 Zur Entwicklung von Plautus bis in hadrianische Zeit s. ebd., 13–162, und die Zusammenfassung der inhaltlichen Aspekte ebd., 401–403. 45 S. ebd., 61. 46 S. ebd., 61–68. 47 Ebd., 56f. 48 Ebd., 57f. 49 Ebd., 71.74.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Bis auf wenige gewissermaßen ‚neutrale‘ Ausnahmen 50 begegnet docere in den zenonischen Traktaten im Gegensatz zum vorherrschenden klassischen Gebrauch nur in christlichem und zugleich religiösem 51 Kontext, edocere völlig ausnahmslos. Subjekt ist Gott oder Christus, der sich der Schrift oder in ihr beschriebener exempla bedient,52 dann in gewisser Weise stellvertretend die Schrift, der sich in ihr Artikulierende, die in ihr dargestellten exempla oder der kirchliche Lehrer.53 Inhalt der Weitergabe ist zuerst religiöses Sachwissen einschließlich der Kenntnis der Schrift und ihrer Interpretation 54 – hier klingen die vorchristlichen Bedeutungsnuan50

Nach II 1,9 lehrt vorreligiöses (philosophisches) Wissen der gesunde Menschenverstand (ratio ), Sachwissen kann wohl jeder vermitteln, so nach I 2,6 auch ein Dämon; Voraussetzung jedes Wissenserwerbes ist nach I 4,1 die patientia, die ihrerseits nach I 4,21 ethische Fähigkeiten vermittelt, während das Lehren der impudicitia in I 1,8 nur als Euphemismus aufgefasst werden kann. 51 Das ist gegenüber paganem Gebrauch etwas Neues; vgl. H.-I. MARROU, Doctrina, 12f., der von „enseignement religieux“ und „contenue dogmatique de cet enseignement“ spricht und ebd., 15, Anm. 3, schreibt: „ce qui est nouveau, c’est l’application de ce mot aux choses de la religion. Je ne connais guère qu’un texte ou doctrina soit appliqué à la religion païenne, mais il date de 394 ap. J.-C., c’est-à-dire d’une époque, où le paganisme recevait l’influence de la religion chrétienne triomphante.“ – Auch bei Augustinus ist docere Bestandteil religiöser Lehre (vgl. B. KURSAWE, docere – delectare – movere. Die officia oratoris bei Augustinus in Rhetorik und Gnadenlehre, SGKA NF 1. Reihe 15, Paderborn u. a. 2000, 73–82) insbesondere „in den jüdischen und christlichen Gemeinden“ (ebd., 73). 52 I 2,5.28.31; I 10B,2; I 37,7; II 3,11; II 4,7; II 8,2.4. Vgl. H.-I. MARROU, Doctrina, 14, der Ähnliches bei anderen Vätern des 3. und 4. Jahrhunderts beobachtet. Anders jedoch verhält es sich im Werk Augustins, der deutlich differenziert zwischen ‚menschlichem docere‘und ‚Gottes docere‘ (s. B. KURSAWE, docere, 99–129; s. auch ebd., 46f.). 53 I 54,2: edocere unter Bezug auf frequentis oraculis im Sinne von Prophezeiungen der Schrift; II 4,4: unter Bezug auf Gn 1,27.2,7; II 2,1 unter Bezug auf Ps 33,12; II 3,3: lex … docuit; II 9,3: propheta … docens; I 2,29: docente nos Paulo; II 3,12: Salomon … edocuit; I 11: tres pueri … docuerunt; I 40,1: Susanna … docuit; II 3,1: docens als Bezeichnung für einen (christlichen) Lehrer; I 37,10: der Bischof als Prediger und doctor legis; II 3,13: als Imperativ an den (christlichen) Lehrer gerichtet, indirekt auch II 3,5 und II 4,1: docetur bzw. doceri und der Missionsauftrag Mt 28,19f. in I 37,7. Zur bewussten Verknüpfung von Schrift und doctrina bei anderen Vätern s. H.-I. MARROU, Doctrina, 14, Anm. 4; ausführlich auch P. F. B EATRICE, Doctrina sana id est Christiana. Augustine from the Liberal Arts to the Science of the Scriptures, ThZ 62, 2006, 269– 282, insbesondere 270: „Doctrina christiana has … to be taken as substantially equivalent to tractatio scripturarum“. – Vergleichbar den biblischen exempla lehrt zenonisch nach I 2,20 auch der Vogel Phönix die Auferstehung. – Eine Ausnahme bildet in einer Metapher in I 36,29 die Personifikation der caritas, die ,Gott sterben lehrte‘. 54 Besonders II 3,5: „lex partibus et discitur et docetur“ und als Aufforderung an den theologisch Ambitionierten in II 3,13: „Doce eam [sc. legem] sibi non esse contrariam, doce omnia , quae canit, esse credenda .“ Aber auch 1 Cor 13,12 in I 2,29: „docente nos Paulo: Videmus, inquit autem, modo per speculum in aenigmate; tunc autem facies ad faciem erit.“ Unter Zitation von Mt 26,38 in I 2,31: „Tristis est anima mea usque ad

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cen von docere im Sinne von ‚erzählendem Weitergeben‘ wieder an. Zum Inhalt des docere gehören aber auch sich aus dem religiösen Sachwissen ergebende ethische Maßgaben 55 (zunächst nur im Sinne ethischen Wissens) 56 – ein Inhalt, der in der vorchristlichen Verwendung der Terminologie docere nur andeutungsweise und ausgesprochen selten begegnet. 57 Zeno betont, dass der Glaube selbst (fides) gegenüber diesen Inhalten nicht gelehrt werden kann und ein solcher Anspruch auch nicht gestellt werden darf. Der Glaube ist zenonisch einem Wissen nicht vergleichbar, sondern nicht vermittelbare, im Menschen vielmehr angelegte Voraussetzung religiösen Lernens.58 Ähnlich wie in vorchristlichen Texten begegnet auch das Substantiv doctrina im Sinne von Unterrichtung 59 bzw. deren Inhalt,60 wobei allerdings eingeräumt werden muss, dass es nach einem Pauluszitat auch eine

mortem. Quod dictum non tam timentis quam exsultantis ac docentis est. … ut doceret [dominus], quoniam, cum vivit in hoc mundo, semper in tribulatione, semper iustus in poena est.“ Unter Bezug auf Dn 3 in I 11: „tres pueri … docuerunt ignes sanctis hominibus non esse fortiores“. 55 I 40,1: „Susanna illustris Hebraea , verae decus pudicitiae, docuit feminas suae castitatis exemplo.“ II 2,1: „[timor] dei autem et discitur et docetur, quia … in doctrinae ratione consistit, sicut scriptum est: … timorem domini docebo vos“; vgl. auch II 4,4: „Cui ab humo ,homo‘ nomen imposuit, credo, sicut res ipsa docet, ut contemplatione opificii ac materiae semper suum et vereretur et veneraretur artificem.“ Unter Zitation von Ps 50,19 in II 9,3: „[propheta] docens optimum esse sacrificium deo cor contribulatum“; vgl. auch I 2,31: „ut doceret [dominus], quoniam, cum vivit in hoc mundo, semper in tribulatione, semper iustus in poena est.“ Dazu zu zählen ist wohl auch der Missionsbefehl Mt 28,19f. in I 37,7: „docete omnes gentes … docentes eos servare omnia quaecumque praecepi vobis.“ In I 4,1 wird die patientia als Voraussetzung von doceri und eruditio genannt. In I 4,21 wird außerdem von der patientia gesagt, sie lehre die Einmütigkeit der Freundschaft. – W. DÜRIG, Disciplina, 254, weist darauf hin, dass bereits „im klassischen Latein ... doctrina bisweilen die Nebenbedeutung ,Forderung‘ “ hat, wie dies dann auch in der Vulgata oder bei Tertullian begegne; vgl. auch A. HUS, Mots, 56–60. 56 Zur Differenzierung ,ethisches Wissen‘ (Tugenden) – ,ethisches Können (Verhalten)‘ s. u. S. 534–562. 57 S. A. HUS, Mots, 56–58 58 So die Aussage des gesamten Abschnitts II 3,1; vgl. auch II 3,8f. In II 3,1 bedient sich Zeno bezeichnenderweise statt des Verbs docere des Terminus commodare, der im Sinne von ,angedeihen lassen‘, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1316, an dieser Stelle als Hapax Legomenon innerhalb der Traktate begegnet. 59 S. I 3,16: „[Christus] sua doctrina formatos … constituit viros apostolos omnesque discipulos.“ II 2,1: „[timor] dei autem et discitur et docetur, quia … in doctrinae ratione consistit“. 60 In II 3,9 wird indirekt doctrina mit litteras scire gleichgesetzt.

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doctrina perversa gibt,61 die von Zeno – wiederum biblisch formuliert – für das Produkt unzulässigen theologischen Forschens gehalten wird. 62 Das Gegenstück der doctrina perversa ist die doctrina caelestis, die mit der Taufe spiritaliter vermittelt wird.63 An anderer Stelle würdigt Zeno ausdrücklich den Wert der doctrina, wobei jedoch nicht entschieden werden kann, ob damit nun christliches Glaubenswissen oder eine klassische Bildung bezeichnet ist,64 zumal der Begriff, allerdings von Zeno nur ein einziges Mal eindeutig verwendet, auch die (klassische) Gelehrsamkeit hervorragender vorchristlicher Denker (excellentes ingenio et doctrina viri) bezeichnen kann, die indes zu keinem für den Veroneser befriedigenden Ergebnis führte.65 Wenn die Terminologie demnach offen ist für eine Anwendung sowohl im klassischen wie im christlichen Sinn, so erstaunt doch der Schwerpunkt im christlichen Kontext, wodurch christliche Bildung im nun neuen Sinne religiösen Wissens nicht nur klassischer Bildung gleichwertig, sondern sogar höherrangig eingestuft wird.66 Durch sie wird der Mensch erst im doppelten Wortsinn ‚gebildet‘: Christi doctrina formatus.67 1. verbis instruere Das in den Bereich der doctrina gehörende Verb instruere und ähnlich das vergleichbare, aber eindringlichere insinuare begegnen in den Traktaten Zenos ausschließlich in christlichem Kontext. Instruere hebt hier auf die Vermittlung christlich-religiösen Wissens ab, insbesondere zur Unterscheidung von ähnlichen, vorchristlichen, jedoch auf Vermutung beruhenden Vorstellungen: Während Vergil und die 61 1 Tm 1,3f. in II 3,17: „Hortatus sum, ut denuntiares quibusdam, ne perversa doctrina uterentur neque adtenderent fabulis et genealogiis, quae sine fine sunt, quae magis quaestiones praestant quam veram rationem dei, quae est in fide.“ 62 II 3,18 in Bezug auf das Vorhergehende unter Verwendung von 2 Tm 2,23f.: „Igitur si dei servus es, stultas et ineruditas quaestiones evita sciens, quia lites generant. Servum autem dei non oportet litigare, quia lis et caritatis est hostis et fidei“. 63 II 11,5. 64 II 3,11: „Sed non eo dico, ut ingratum faciam doctrinae beneficium“. 65 II 1,1. 66 Vgl. AUG. doctr. christ. 4,166 (CSEL 80,169,21 Green): „doctrina sana, id est Christiana“. 67 I 3,16: „sua [sc. Christi] doctrina formatos … apostolos omnesque discipulos“. – Vgl. zum Gebrauch des Verbs formare bei Augustinus M. L. MUJICA RIVAS, El significado pedagógico del verbo «formare» en San Agustín, Aug. 49, 2009, 503–522, hier: 503: „En la mayor parte … lo usa para significar la acción de crear, propria de Dios. … en unos pocos casos se vale de él para referirse a la educación, pero entendida como la acción de Dios o de la Iglesia en las almas, con la finalidad de su perfeccionamiento o santificación. Es significativo … siempre use la voz pasiva cuando se refiere a la formación – en el sentido de educación“.

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Platoniker aufgrund einer ingeniosa suspicio ein Weiterleben der Seelen im Jenseits lehrten,68 weiß der Christ darum aufgrund einer durch Beweisführung gesicherten Belehrung durch Gott selbst: Nos vero ... deus magister instruxit.69 Dass dieser Belehrung jenseits der Ebene des Glaubenswissens gewissermaßen eine Überprüfbarkeit eignet, suggeriert die Verknüpfung mit dem Verb probare. Und auch die Belehrung des Timotheus durch Paulus 70 über den Zugang zum Wesen Gottes (vera ratio dei) könnte aufgrund des Inhalts den Eindruck quasi-intellektueller Bemühung erwecken; allerdings ist der Zugang eben kein intellektueller, er läuft nicht über forschendes Fragen (quaestiones), sondern ausschließlich über den Glauben (fides). Eine instructio beinhaltet demnach mehr als eine Vermittlung von Allgemeinwissen, sie erfordert jedoch nach Zenos Ansicht eine unhinterfragte Übernahme, keine intellektuelle Auseinandersetzung. Ähnlich kennzeichnet das Verb insinuare zenonisch wie instruere die Vermittlung religiösen Sachwissens. Insinuare bedeutet wörtlich „in den Sinus (Busen) stecken“, dann „in das Innere von etwas, tief in etwas gelangen –, eindringen lassen“, übertragen schließlich „einweihen“, auch „einimpfen, einpflanzen = beibringen“, wobei letzteres näher spezifizierbar ist als „bes[onders] durch Unterricht beibringen“.71

Wie instruere erfolgt auch insinuare durch einen Lehrer (docens),72 etwa durch den Prediger,73 insbesondere das Bekanntmachen mit den Inhalten 68

I 2,4. I 2,5: „Nos vero, fratres, quos non ingeniosa suspicio, sed deus magister instruxit, propter nos in semet ipso probando quod docuit, vivere animas mortuorum non tam dicere quam oculatis rebus sufficimus approbare.“ Vgl. B. STUDER, Die Kirche als Schule des Herrn bei Augustinus von Hippo, in: Stimuli. Exegese und Hermeneutik in Antike und Christentum. FS E. Dassmann, hg. v. G. Schöllgen u. C. Scholten, Münster 1996, 485–498, hier: 490–492, zu „disciplina–instructio“ (im Unterschied zu „disciplina–coercitio“) bei Augustin. 70 1 Tm 1,3–7 in II 3,17: „cum ad Timotheum loquitur instruendum his verbis: Hortatus sum, ut denuntiares quibusdam, ne perversa doctrina uterentur neque adtenderent fabulis et genealogiis, quae sine fine sunt, quae magis quaestiones praestant quam veram rationem dei, quae est in fide. Definitio autem iussionis est caritas ex corde puro et conscientia bona ex fide simplici.“ 71 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 313f. 72 II 3,1 (2x). Lehrer in diesem Sinn sind ausdrücklich in I 2,29 auch Paulus, in I 2,31 Christus, in I 37,7 die Jünger. 73 II 6,5: „Igitur ne quis operis rationem a me forte disquirat, paucis insinuabo.“ Damit deckt sich der zenonische Befund mit dem, was für den christlichen Religionsunterricht der Antike insgesamt festgestellt werden kann; vgl. H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 128f., zur Unterrichtung der Neophyten, ebd., 146, zur Unterrichtung der Gemeinde und Ausbildung des Klerus durch Bischöfe und ältere Priester. 69

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

der Schrift (insinuatio legis).74 Das Verb verweist zugleich auf die Intensität der Vermittlung. Einen Wert hat auch die bemühte Vermittlung religiösen Sachwissens jedoch nur, wenn beim Hörer Glaube vorhanden ist, der seinerseits nicht vermittelt werden kann.75 2. eruditione commonere Wie instructio ein Teil der doctrina, weist die zenonische eruditio, die wie schon das instruere nur in christlichem Kontext begegnet, inhaltlich jedoch – anders als instructio – über die Vermittlung von Sachwissen hinaus. In Traktat I 4 wird nämlich die patientia als ‚Hafen aller Tugenden‘,76 nach denen die gesamte Menschheit strebt, vorgestellt und als solche im Laufe des Traktats den christlichen Zuhörern selbstredend besonders anempfohlen. Die von ihr vermittelte eruditio ermöglicht erst die übrigen Tugenden und ihnen entsprechendes Verhalten, zusammengefasst in omnes artes omnesque virtutes, ja sie bestimmt auf diese Weise nicht nur das menschliche Verhalten, sondern sogar die Abläufe in der Natur, gekennzeichnet durch den Terminus elementa und die anschließenden beispielhaften Ausführungen Zenos. Die Unterweisung durch die patientia beinhaltet nicht bloß ein Wissen (eruditio), sie ist gekoppelt mit einer zügelnden Lenkung (frenum).77 Das ethische Verhalten des Menschen (artes 78)

74

II 3,1 (2x). Zur umfassenderen Bedeutung von lex s. u. S. 445–447. Ebd.: „Christianae fidelitatis felicitas maxima est fidei nosse naturam, quae talis ac tanta est, ut unicuique homini sua non ab alio commodetur, sed eius ex voluntate nascatur. Ceterum si, ut quidam putant, docentis pendet ex ore, procul dubio eodem aut cessante aut aliter docente consumitur. Huc accedit, quod, nisi insinuationem legis omni devotione succincta praecedens amplectatur fides, quae tam sibi quam illi credendo praestet effectum, insinuatio inanis erit, quia incredulo credentis fructum praestare non poterit.“ – Zeno wendet sich hier offensichtlich gegen eine Überschätzung gebildeter Prediger. 76 I 4,1: „omnes [virtutes] uno eodemque consensu quasi quendam patientiae deferuntur in portum“.Vgl. P. ROUSSEAU, Homily, 145–161, hier: 158, der die zenonische patientia als Teil einer „theory of moral progress“ interpretiert. 77 Ebd.: „Nam profecto sola est [patientia], ad quam prorsus res omnis spectet, dubium quippe cum non sit spem, fidem, iustitiam, humilitatem, castitatem, probitatem, concordiam, caritatem, omnes arte omnesque virtutes, ipsa quoque elementa eius constare non posse sine eruditione vel freno.“ Der Tugendkatalog in I 4,1 wird zwar nicht ausdrücklich als christlicher gekennzeichnet, seine Zusammensetzung lässt jedoch keine Zweifel zu an seiner religiösen, z. T. biblischen Herkunft im Gegensatz etwa zu den klassischen Kardinaltugenden. 78 Unter artes ist hier die „die moralische Eigenschaft eines Menschen, insofern sie sich durch Handlungen kundgibt“, so K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 591, zu verstehen. Zur Differenzierung von Gesinnung (virtutes) und Handeln (mores) s. u. S. 534–562. 75

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ist angesprochen, die paränetische Vermittlung ethischen Wissens in Form von eruditio 79 ist also zu ergänzen durch den Erwerb ethischen Könnens. 80 Dass eruditio Vermittlung ethischen Wissens mit Konsequenzen für das Handeln meint, wird auch deutlich bei der Schilderung der Schöpfung des Menschen in II 4,5. Erst nach einer ermahnenden Unterrichtung (eruditione commonitus) über das Gebot zwischen Tod und Leben zu wählen – und dies ist natürlich ein moralischer Appell –, überließ Gott den Menschen seinem eigenen Willen.81 Das in II 3,18 verwendete Adjektiv ineruditus ist Teil eines PaulusZitates aus 2 Tm 2,23f. Während bei Paulus die Verbindung der Adjektive stultus und ineruditus offensichtlich die Funktion eines verstärkenden Hendiadyoins hat, dürfte Zeno mit diesem Zitat durchaus bewusst auf zwei unterschiedliche Qualitäten abheben, nämlich auf sachlich und moralisch ungebildetes Fragen. Denn die Aufforderung „Igitur si dei servus es, stultas et ineruditas quaestiones evita sciens, quia lites generant“ 82 bietet gewissermaßen das Ergebnis der Erwägungen gegen eine aus „brennendem Ehrgeiz nach weltlichem Ruhm“ 83 vorgenommene theologische Erörterung der „Ewigkeit der Geburt des Sohnes und des Heiligen Geistes aus Gott“.84 Die theologische Erörterung impliziert ein moralisches Vergehen, wie die sich in II 3,18 anschließende Begründung erkennen lässt: „Servum autem dei non oportet litigare, quia lis et caritatis est hostis et fidei; quas si quis amiserit, nec divina ille profecto nec humana cognoscit.“ Divina und humana verweisen abschließend auf eruditio im Sinn einer ethischen und instructio im Sinn einer inhaltlichen Bildung.85

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Vgl. dazu auch B. STUDER, Kirche, 492, zu erudire bei Augustin. S. u. S. 534–562. 81 II 4,5: „Post haec subiecit ei omnia bona mundi et quia erat iam sapientia conditus, sensibus stipatus, eligendi mortem vitamve praecepti eruditione commonitus, eum propriae voluntati commisit.“ Zur Bedeutung von sapientia conditus s. u. S. 570, Anm. 57. 82 II 3,18. 83 So die Übersetzung A. B IGELMAIRs, Traktate, 64, von II 3,15: saecularis amore iactantiae accensus. 84 A. B IGELMAIR, ebd. 85 Ähnlich lässt sich auch die Einleitung eines Pauluszitates, Col 3,1, in I 37,12 deuten: „quos [sc. angelos ascendentes der Jakobsleiter] apostolus Paulus exhortatur et monstrat dicens: …“. Sowohl P. LEIPELT, Traktate, 253, als auch A. B IGELMAIR, Traktate, 243, und in dessen Nachfolge G. B ANTERLE, Discorsi, 163, übersetzen monstrare mit der Grundbedeutung ,zeigen‘ oder Äquivalenten; dies macht hier wenig Sinn, da das folgende Zitat keinen Aufweis der zuvor von Zeno vorgetragenen Deutung beinhaltet, wie die Übersetzungen suggerieren. Lediglich G. EDERLE, Sermones 1960, 121, scheint monstrare im Sinne von ,(mit Worten) unterweisen‘ und ,lehren‘, s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 998, zu kennen. Exhortari und monstrare zielen 80

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Eruditio in diesem Sinne christlichen ethischen Wissens wird nach Zeno vermittelt durch aufforderndes Belehren – christianus monitis divinis … nutritur 86 –, das in den Verben hortari und monere und ihrer Komposita und Derivativa zu greifen ist.87 Während Subjekt des hortari der Bischof,88 der Apostel Paulus als biblische Autorität,89 eine Schriftstelle,90 die Schrift als Ganzes 91 oder aber der Herr selbst 92 sein können, wird monere nicht in Bezug gebracht mit dem Prediger, monita entstammen immer der Schrift 93 oder gehen auf eine apostolische Autorität 94 oder den Herrn selbst 95 zurück; monita erheben offensichtlich als warnende Mahnungen einen autoritativeren Anspruch als die eher ermunternd auffordernden exhortatones.96 Beide Verben tragen jedoch belehrend einen deutlich ethihier auf zwei Facetten der Wissensvermittlung durch die Schrift: die ethisch auffordernde und die inhaltlich belehrende. 86 II 11,5; zu nutrire s. o. S. 420–425. 87 Eine Verknüpfung des Vokabulars liegt in II 4,5 vor: eruditione commonitus; vgl. auch II 3,17: „[Paulus] ad Timotheum loquitur instruendum his verbis: Hortatus sum“. 88 I 24,1: „hortor vos“; s. auch II 7,11: „quid in exhortationibus … gentibus praedicem“. 89 I 25,9: „apostolo hortante nos Paulo“; I 37,12: „apostolus Paulus exhortatur“; II 7,2: „apostolo hortante sic Paulo“; vgl. auch das Zitat 1 Tm 1,13 in II 3,17: „Hortatus sum“. 90 I 61,1: „libri istius exordia … hortantur“ bezogen auf Jes. 91 I 13,5: „sacraeque legis religiosis exhortationibus“. 92 II 9,4: „dominus ipse nos … quid hortetur“. 93 I 13,10: „lex est, quae salutaribus monitis … corda decorare consuevit“; I 36,22: „ex lege … admonitione“; I 37,2: „duo testamenta …, quorum regalibus monitis … servantur“; I 37,10: „duorum testamentorum salutaribus monitis“; II 2,4: „scripturam … cuius ista sunt monita“; I 10A,1: „Quantum sonus lectionis indicat, … christianus … commonetur“; I 38,4: „admonet … duobus … testamentis“; II 3,3: „Semper monere non desinit [lex]“. 94 I 3,16: „Quorum [sc. virorum apostolorum omniumque discipulorum] salutaria monita“ – bezeichnenderweise sind die Apostel bzw. Schüler sua [sc. Christi] doctrina formati und spiritus sancti lima acuminati; I 24,3: „ammonet Paulus“. 95 II 5,9: „[filius] qui dixit in monitis“; I 61,5: „domini vox … quae … admonebat“; indirekt I 26: „Qui [sc. dies] nos admonet … passionis resurrectionisque dominicae“; I 38,3: „admonet vitulus“ innerhalb der Horoskopdeutung auf Christus bezogen; II 4,5: „[homo] praecepti eruditione [sc. creatoris] commonitus“; II 11,5: „monitis divinis“. 96 Nach K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2555.3084 drücken hortari und exhortari und ihre Komposita eher aufmunterndes und ermutigendes Auffordern aus, während monere und seine Derivativa nach K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 992–994, stärker ein mahnendes, warnendes Belehren und Zurechtweisen kennzeichnen. Zu hortari im Sinne von ,ermuntern‘ in den zenonischen Traktaten s. die Aufforderung an die Neophyten in I 24,1: „Post devotissime completa expiationis sacrae casta ieiunia , …post lactei fontis lavacro vitali in spem inmortalitatis animas pullulantes, ex quo … una geniti emersistis infantes, hortor vos nativitatis tantae festa

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schen Anspruch an den Hörer heran: Zeno fordert mittels ihres Einsatzes allgemein zu christlich-sittlicher Haltung im Sinne eines Habitus auf, 97 aber auch zu konkreten einzelnen Tugenden,98 wie er ebenso vor unspezifischem Fehlverhalten 99 und konkreten Untugenden warnt.100 Selbst in Fällen, in denen dieses auffordernde oder warnende Belehren vordergründig auf Sachinhalte abhebt, zielt es doch auch dort immer mit in den ethischen Bereich hinein, bestimmtes Wissen oder Nichtwissen wird so als tugendhaft oder verwerflich dargestellt.101 Gewissermaßen den Lehrerfolg laeto celebrare convivio“ und auch die Einleitung des Zitates von Mt 11,28f. in II 9,4: „Sed et dominus ipse nos … quid hortetur, accipite. Venite, inquit, qui laboratis et onerati estis“. 97 Mittels monita zu diversae virtutes diversumque charisma inI 13,10, zu Furcht Gottes, Wandeln auf seinen Wegen, Gottesliebe und Befolgung seiner praecepta in II 2,4 unter Zitation von Dt 10,12f., zur Beschneidung des sündigen Herzens in I 3,16; mittels exhortationes der Heiligen Schrift (sacra lex) in I 13,5 zur Verehrung Gottes; mittels praecepti eruditione commonere zur Wahl zwischen Tod und Leben in II 4,5; mittels exhortari zu observantia praeceptorum in I 37,12 unter Verweis auf Col 3,1; mittels hortari in I 61,1 und mittels commonere in I 10A nicht dem Beispiel der Juden zu folgen. 98 Mittels hortari zu Enthaltsamkeit oder Eheschließung in II 7,2 verknüpt mit einer Zitation von 1 Cor 7,8f.; mittels admonitio zu Nächstenliebe in I 36,22; mittels admonere zu Beherrschung des Fleisches in I 38,3 und zu Einigkeit unter den Christen in I 26; mittels ammonere zu Toleranz der Christen untereinander in I 24,3 unter Anspielung auf Rm 14,3. 99 In II 3,3 verweist Zeno darauf, dass die Schrift (lex) nicht aufhört zu ermahnen (monere), damit niemand sein sittliches Fehlverhalten (reatus) mit Unkenntnis entschuldigen kann. 100 Mittels admonere vor idolatria, inpudicitia (sic) und avaritia in I 38,4 und vor der Beachtung des Vogelflugs in I 38,3. 101 Durch eine Ermahnung des Paulus (apostolo hortante nos Paulo ) in I 25,9 wird die scheinbare Sachkundigkeit, zwischen heidnischem blutigem Opfer und christlichem lebendigem Opfer unterscheiden zu können, in eine ethische Mahnung verwandelt; denn, so die Interpretation Zenos, das lebendige Opfer bedingt einen candidus animus und eine pura mens; vgl. o. S. 224 die Bewertung heidnischen Kultes als ethisch verwerflich. Ähnlich spricht Zeno in II 7,11 von seiner Predigt als Ermunterung der Heiden zu wahrer Gottesverehrung (exhortationes divini ac veri cultus), die er in direkten Zusammenhang bringt mit geforderter continentia. – Mittels des Einsatzes von admonere bewertet Zeno in I 61,5 unter Bezug auf Is 1,2 die Ignoranz der Juden gegenüber dem von Gott durch die Propheten verkündeten Wissen um die zukünftigen Dinge als ethisch verwerflich. – In II 3,17 lässt Zeno durch Zitation von 1 Tm 1,3–5 Paulus den Timotheus mahnend auffordern (hortari), der Gemeinde einzuschärfen, keine verkehrte Lehre anzunehmen und (häretischem) Geschwätz und (gnostischen) Genealogien (s. A. B LAISE, Dictionnaire, 372) keine Aufmerksamkeit zu schenken, da sie zu Streitfragen führen, während die wahre Erkenntnis Gottes ein reines Herz, ein gutes Gewissen und einfachen Glauben voraussetzt; Timotheus wird also dazu ermahnt, seiner Gemeinde (sachliche und zugleich sittliche) eruditio angedeihen zu lassen. – Auch die von Zeno in II 9,4 durch hortari eingeleitete Zitatation Jesu in Übernahme von Mt 11,28f. hat, neben dem auf das

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des Ermunterns und Warnens verstärkend ist mit den Aufforderungen häufig ein in Aussicht gestellter 102 Lohn – in Übernahme eines matthäischen Jesus-Wortes (religiöse) Wiederherstellung und Ruhe für die Seele, 103 dann allgemeiner ‚Heil‘ 104 bzw. ‚Errettung‘,105 konkreter „die Frucht des ewigen Lebens“ 106 –, aber auch Strafe 107 verbunden. Damit erhält der Terminus eruditio schon zenonisch eine spezifisch christliche Bedeutung im Rahmen der Ethik, die sich erheblich von der vorchristlichen Bedeutung abhebt; eruditio ist dort „die Unterweisung, der Unterricht, und ausnahmsweise die Erziehung … Für gewöhnlich behält eruditio allerdings eine wissenschaftliche, intellektuelle Färbung“.108

III. magisterium Als umfassender Begriff von Bildungsvermittlung begegnet in den Traktaten Zenos der Terminus magisterium. Stärker als andere Termini verweist er jedoch auf den Urheber von Bildung. Durch den magister vermittelte Bildung beansprucht höchste Autorität; denn ausdrücklich spricht Zeno vom deus magister 109 und vom filius qui magister est noster.110 Damit greift er eine in Mt 23,8.10 111 verwendete Terminologie auf, die als chrisVersprechen von Ruhe abhebenden ermunternden Aspekt in Mt 11,28 auch einen ethisch mahnenden Aspekt in Mt 11,29, wenn davon die Rede ist, das Joch auf sich zu nehmen, was als Unterstellung unter das Gesetz Christi verstanden werden kann (s. A. B LAISE, Dictionnaire, 479). – Letztlich lassen die unter Anspielung auf Mt 12,25 par. Lc 11,17f. in II 5,9 erwähnten monita Jesu auch theologisches (und das heißt zenonisch eben immer auch potentiell häretisches) Infragestellen von Glaubensinhalten, hier der Ungeteiltheit des Reiches zwischen Vater und Sohn, als eine Form des Nichtwissens zu sittlichem Vergehen werden. 102 Etwa II 9,4: pio promisso. 103 Nach Mt 11,28f. in II 9,4. 104 In I 3,16;I 13,10 und I 37,10 ist den monita das Attribut salutaria beigegeben, womit sich eine ausdrückliche Nennung der Folgen im Falle der Beachtung der Mahnungen erübrigt. 105 I 37,2: „quorum [sc. duorum testamentorum] regalibus monitis et creduli devotique servantur“. 106 II 11,5: „monitis divinis …, in quibus aeternae fructus est vitae“. 107 I 37,2: „quorum [sc. duorum testamentorum] regalibus monitis … et increduli desertoresque puniuntur.“ 108 H.-I. MARROU, Augustinus, 463. 109 I 2,5; II 4,18. 110 I 25,13. 111 Vetus Latina und Vulgata differenzieren in ihrer Übersetzung nicht zwischen Mt 23,8 äéäÜóêáëïò und Mt 23,10 êáèãôÞò, sie übersetzen beides mit magister; s. VULGATA Mt 23,8.10 (Weber / Gryson): „Vos autem nolite vocari rabbi unus enim est magister vester … nec vocemini magistri quia magister unus est Christus“. VETUS LATINA (Database) führt lediglich zwei bzw. drei Belege für doctor statt magister an, nämlich zu Mt 23,8 Codex ä (= Bildnummer 17 / 66) und IGN. Eph. 6,2 (= Bildnummer 52 / 66;

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tologischer Topos schon in der Argumentation der frühen Apologeten begegnet112 und bei Laktanz im vierten Buch seiner Divinae institutiones Teil des Konzepts der vera sapientia wird.113 Für das zenonische Bildungskonzept hat dies zur Folge, dass es eine durch Gott selbst vermittelte Bildung ist (magisterium divinae sapientiae), die den Christen vom heidnischen Gebildeten unterscheidet,114 oder mit anderen Worten: ‚Offenbarung‘ ist das unterscheidende Kriterium.115 Dass das magisterium in zenonischer Deutung die Weitergabe religiösen Sachwissens (instructio) und ethischen Wissens (eruditio)116 beinhaltet, zeigt sich deutlich in dem, was der magister konkret vermittelt: religiöses Sachwissen über ein Weiterleben der Seelen nach dem Tod 117 und über wahre Gerechtigkeit,118 ethisches Wissen bezüglich der erforderlichen Qualitäten desjenigen, der ein Opfer darbringt, 119 und bezüglich des Verhältnisses von Leib und Seele.120 Mit ethischem Wissen verknüpft ist zugleich auch eine entsprechende innere Haltung, die in Tugenden greifbar wird.121 dort "Ps-Ign"), zu Mt 23,10 neben den auch für Mt 23,8 genannten (hier Bildnummern 17 / 52 und 44 / 52) noch Codex d (= Bildnummer 6 / 52); Codex d ist also der einzige, der versucht die griechische Differenzierung auch in lateinischer Form widerzuspiegeln. 112 Im Kontext philosophisch-theologischer Logos-Spekulationen; s. dazu F. NORMANN, Christos Didaskalos. Die Vorstellung von Christus als Lehrer in der christlichen Literatur des ersten und zweiten Jahrhunderts, MBTh 32, Münster 1966. 113 S. E. HECK, Lactanz, 165. 114 II 1,2. Abgehoben wird auf excellentes ingenio et doctrina viri der Vergangenheit in II 1,2, denn: „Denique cum eam [sc. veritatem puram] comprendere non possent – neque enim poterant sine magisterio divinae sapientiae, cuius notitiam non habebant“. 115 Vgl. M. FIEDROWICZ, Apologie, 297f. 116 Vgl. zu Christus als magister einer an virtus gekoppelten eruditio bei Augustin P. GEMEINHARDT, Christentum, 451–453. 117 I 2,5. 118 II 1,2. Da Zeno in diesem Traktat Laktanz ausgiebig expiliert, könnte er bei der Rede vom magisterium divinae sapientiae, aber auch bei der christologischen Aussage filius magister durchaus an die christologische Vorstellung des Laktanz vom magister iustitiae, vgl. M. P HILONENKO, Magister iustitiae. Note sur la christologie de Lactance, in: Paganisme, judaïsme, christianisme. Influences et affrontements dans le monde antique. FS M. Simon, hg. v. A. Bénoit, Paris 1978, 227–231, gedacht haben. 119 I 25,13: Voraussetzung für ein Opfer, „quae ... pater probet, filius, qui magister est noster, probata glorietur“, ist das Wissen darum „quae bona , quae pura , quae simplicia , quae pia , quae sancta sunt ... amplectenda , ut videntes homines opera vestra bona“. 120 II 4,18: „nos, ... qui, quae vis, qui exitus, quae merces carnis sit quaeve animae, deo magistro didicimus“. 121 S. u. S. 534–562. – Eine vergleichbare Bedeutung des „Christus magister“ konstatiert W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 189, auch für Augustin: „so verschiebt sich schon bald der Schwerpunkt der magister-Vorstellung hin zum Lehrer der Sittlichkeit“.

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Das magisterium scheint aber über solche Wissensvermittlung hinaus auch auf sittliches Verhalten abzuzielen. Im Rückschluss aus der Verwendung des Terminus magistra angewandt auf personifizierte Tugenden und Untugenden lässt sich als Schwerpunkt der Tätigkeit eines Magisters eine Erziehung zu ethischer Haltung (durch Bekanntmachen mit ethischem Wissen) und gleichzeitig zu entsprechendem sittlichen Handeln erschließen. So erscheint Zeno die bildende Einflussnahme der dilectio als so enorm, dass er sie als oberste christliche Tugend, die alle anderen nach sich zieht, als virtutum omnium divinarum naturalis magistra bezeichnet.122 Umgekehrt ist der Einfluss der impudicitia so negativ, dass er sie nicht nur als curiositatis magistra, sondern auch als mater criminum vorstellt, was schließlich mit anderen Titulierungen zusammengefasst wird in magistra malorum.123. Ein überaus abschreckendes Vorbild unsittlichen Verhaltens und deshalb daraus rückschließend auch nichtchristlicher Haltung verkörpert auch die mit einem Heiden verheiratete Christin, und zwar so sehr, dass Zeno auch sie als Evae non discipula, sed magistra tituliert.124 Das magisterium divinae sapientiae, das also zum einen Wissensvermittlung anzielt, zum anderen aber auch Verhaltensschulung, wird entsprechend greifbar in zwei weiteren Terminologien. 1. dei disciplina Der Aspekt autoritativer Wissensvermittlung wird zenonisch näherhin fassbar im Terminus disciplina. Zeno kann hier in gewisser Weise auf das traditionelle Verständnis von disciplina als Erziehungsvorgang durch den pater familias (disciplina domestica) zurückgreifen. Diesem Erziehungsvorgang eignet neben dem Aspekt der (schulischen) Ausbildung immer auch schon eine ethische Komponente: disciplina ist auch (im Unterricht vermittelte) ‚Lebensregel und Lebensweisheit‘, der aufgrund der Autorität des pater familias unbedingter Gehorsam geschuldet wird.125 122

I 36,17; s. auch I 36,15. I 4,7. Ähnlich ist auch die avaritia [omnium malorum] magistra, s. I 5,4 unter Bezug auf 1 Tm 6,10: „Recte igitur apostolus ait: Radix omnium malorum est avaritia; hac enim matre eademque magistra universa quae diximus, sed et alia multa , immo omnia undique sine pausa quae scaturiunt mala nascuntur atque concelebrantur, quae condemnare falso humanitas gestit“; magistra dürfte hier mit concelebrantur korrespondieren; die Lehrmeisterin ,macht also mit etwas bekannt‘, indem sie es ,verbreitet‘; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1387f. 124 II 7,16. 125 S. H.-I. MARROU, Doctrina, 10f.18f.; W. DÜRIG, Disciplina, hier v. a. 254f.; W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 88; ebd., 87–91, auch eine Bedeutungsgeschichte von disciplina in der voraugustinischen Latinität; eine umfassende Begriffsgeschichte bietet V. MOREL, Art. Disciplina, RAC III, 1957, 1213–1229. 123

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Disciplina ist auch christlich ein überaus komplexer Begriff. 126 Der Ursprung der christlichen disciplina liegt nach zenonischer Einordnung ‚im Himmel‘ (disciplina caelestis),127 ihr Urheber ist, wie der des magisterium, Gott (dei disciplina).128 Der Terminus weist zenonisch zunächst einen Akzent auf der Bedeutung von autoritativer ‚Unterweisung, Lehre‘ auf, 129 wenn Zeno sagt, dass die disciplina caelestis, die der zuvor genannten dei voluntas entspricht, im Gesetz zusammengefasst und bewahrt wird. 130 Dem Terminus eignet aber auch ein Akzent auf der Bedeutung von ‚Erziehung als Zucht‘,131 wenn Zeno davon spricht, dass aus den Strafen anderer die dei disciplina erlernt werden könne.132 Disciplina hebt also einmal mehr ab sowohl auf religiöses Sachwissen als auch auf ethisches Wissen. So wundert es nicht, wenn disciplina sich in Verbindung mit dem Verb coercere (hier sicherlich in der Bedeutung „zügeln, im Zaume od[er] in Ordnung halten“ 133) – und damit dem von Tertullian in Anlehnung an die vorchristliche disciplina militaris in den christlichen Sprachgebrauch eingeführten Verständnis entsprechend 134 – völlig unkommentiert in der Reihe eines christlichen Tugendkatalogs wiederfindet. 135 Disciplina ist aber über den menschlichen Bereich hinaus viel weiter gefasst, schon die Beobachtung natürlicher Vorgänge erweist sie auch als legitimes Erziehungsinstrumentarium: Wie die Abläufe in der Natur einer (ebenfalls von Gott

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S. B. STUDER, Kirche, 490–495, zu disciplina bei Augustin. II 3,3. 128 I 30; vgl. auch I 4,5: „Luna ... sui opificis moderationi deserviens peritissima insignis patientiae disciplina“. 129 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2194; H.-I. MARROU, Doctrina, 16f.; W. DÜRIG, Disciplina, 250–254. Vgl. auch B. STUDER, Kirche, 491f., zu Augustin. 130 II 3,3: „nam per ipsam [sc. legem] dei voluntas populis intimatur, per ipsam disciplina caelestis colligitur ac tenetur“. 131 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2195; W. DÜRIG, Disciplina, 254–256; H.-I. MARROU, Doctrina, 17: „ce sont les conséquences pratiques qui découlent, pour le fidèle, de sa croyance dans la doctrine: les préceptes, règles de vie, loies morales.“ Vgl. auch B. STUDER, Kirche, 492f., zu Augustin. 132 I 30: „gaudete, quod alienis plagis dei discitis disciplinam“. Hier bezeichnet der Terminus noch nicht die „Züchtigung“, die H.-I. MARROU, Doctrina, 21–24, und W. DÜRIG, Disciplina, 277f., unter dem Einfluss der lateinischen Bibelübersetzung auch bei den Vätern konstatieren können; ein Zusammenhang scheint sich aber hier bereits anzudeuten. – Zum Lernen aus Strafen vgl. H. KORNHARDT, Exemplum. Eine bedeutungsgeschichtliche Studie, Leipzig 1936, 35–37, zu Strafexempeln. 133 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1233. Vgl. auch B. STUDER, Kirche, 492, zu Augustin. 134 S. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 88f.; vgl. auch W. DÜRIG, Disciplina, 262– 264.269f. im Zusammenhang mit exercere. 135 II 6,9: „disciplina coercet“. 127

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vorgegebenen) ‚Ordnung‘ (rerum disciplina) folgen,136 so sollte auch das sittliche Verhalten der Menschen der ‚Disziplinierung durch Gott‘, d. h. dem Wissen von seiner Lehre, entsprechen. 2. divina praecepta Die Inhalte sittlich korrekten Verhaltens (mores) 137 werden in den Traktaten in praecepta thematisiert.138 Im Unterschied zu exhortationes und monita, die beide, wenn auch verschieden akzentuierend, den Adressaten zu etwas auffordern, im stärksten Fall ermahnen, ist unter praeceptum eine ‚verbindliche Lehre‘ mit Vorschrifts- bzw. Befehlscharakter zu verstehen. 139 So geartete scharfe Anweisungen setzen absolute Autorität voraus. 140

Urheber der von Zeno angeführten praecepta ist daher immer Gott; darauf verweisen die Subjekte dominus, (dominus) deus bzw. die entsprechenden Genitivattribute sowie das Adjektiv divinus.141 Die praecepta beinhalten 136

I 4,4f.: „Non virtutes possunt esse virtutes, non perennes elementorum status, non tempora cognata connexione in solemnes reditus commearent, nisi rerum disciplinam conversionemque quasi quaedam sollicita mater patientia custodiret … Luna quoque, quae quibusdam videtur errare curriculo menstruali, solemnes suae ignes aetatis quod numquam prorogat inportune nec derogat, quid aliud intellegi datur quam sui opificis moderationi deserviens peritissima insignis patientiae disciplina?“ Auch I 36,15: „Sed quid ego diutius demorer in humanis, quasi sola isto affectu sint praedita ? Nonne videmus omnium animantium genus congregatione, concordia testari caritatem atque ita omnis motus quasi uno sensu magistra dilectione converti, ut quivis intelligat hoc fieri non posse sine naturalis amicitiae disciplina ?“ 137 Im Unterschied zu ethischem Wissen und daraus ableitbaren Haltungen (virtutes). 138 I 37,12: „iusti, qui probis moribus per gradus divinorum observantiae praeceptorum cotidie spiritalis itineris gloria feruntur in caelum“. 139 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1825.1828f. 140 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1824 zu praeceptio: „insbes. ein kaiserlicher Befehl, eine kaiserliche Vorschrift, - Verfügung“; vgl. auch die Verwendung der Terminologie divina praeceptio in I 59,1 zur Bezeichnung der Ursache der Zeugung des Isaak; vgl. auch regalia monita in I 37,2. – Einen ähnlichen Anspruch bringen auch iubere und seine Derivativa zum Ausdruck; es ist zenonisch jedoch weniger ausschließlich an Gott als Subjekt gebunden. Zeno lässt Gott ausdrücklich mit iubere bzw. seinen Derivativa etwas befehlend einfordern in I 3,14; I 4,12; I 43,3; I 45,2f.; I 59,2; I 62,3; II 26,2; stellvertretend kann in I 36,27; I 39,3 und II 3,17 dies auch die Schrift tun. Aber Befehle werden durch iubere und sein Derivativum iussio auch von menschlichen Personen ausgesprochen, von Juda, dem Schwiegervater der Tamar, inI 13,3; vom Statthalter im Prozess des Arcadius in I 39,4; vom Richter im gleichen Prozess in I 39,6f.; schließlich vom heidnischen Ehemann seiner christlichen Frau in II 7,15 und von Nebukadnezzar bei der Bestrafung der Drei Jünglinge in II 22. 141 I 1,13 Mt 5,32 einleitend: „quod in praeceptis dominus ait“; I 14,7: „deus … cuius praecepta contemnuntur“; I 36,20: „dominus deus … praecipit“; I 37,7 in Zitation von Mt 28,19f.: „[dominus] ad omnes discipulos ait: ite … docentes eos servare omnia quaecumque praecepi vobis“; I 37,12: „divinorum observantia praeceptorum“;

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den Willen Gottes.142 Als ‚Lehre‘ vom Sohn Gottes selbst bestätigt und vollendet,143 werden sie den Menschen durch die Schrift als Ganzes (nicht durch einzelne Bücher oder Verfasser wie die exhortationes und monita) vermittelt, denn die Schrift ist von evangelica praecepta in beiden Testamenten „durchwoben“.144 Ihre Beobachtung ist den Christen von den II 1,14: „dei praecepta “; II 2,4 in Zitation von Dt 10,12f.: „praecepta eius [sc. domini dei]“; II 3,16: „Quae praecipit tibi deus“; II 4,5: „transgressionem praecepti dei“; II 4,7: „Factis praecepta consummat [filius dei].“ In I 56,2 hebt „nemo praecipit“ ab auf die vorhergehende Differenzierung von Gott Vater und Sohn, nemo ist zu verstehen als ,keiner von beiden‘. In dem unvollständigen Traktat I 59 dürfte praeceptum in I 59,1 eine Zuordnung zu Gott vorausgegangen sein, worauf das enim schließen lässt. – Zur christlichen Exklusivität des Gebrauches von divinus s. o. S. 227, Anm. 19. 142 In I 37,1 werden evangelica praecepta und voluntas dei parallelisiert: „evangelicis … praeceptis credentes homines voluntatemque dei facientes“. Ein ähnliche Parallelisierung findet sich auch in II 2,4: „hunc timorem nobis necessarium, … qui voluntate sua [sc. dei] se parit, … praeceptis omnibus fideliter obtemperat“. 143 II 4,7: „Factis praecepta consummat [filius dei].“ Vgl. hierzu die Übersetzung G. B ANTERLEs, Discorsi, 243: „Con i fatti conferma i propri insegnamenti.“ 144 I 37,1: „duo testamenta … evangelicis intexta praeceptis“. Zum Adjektiv evangelicus ist hier zu bedenken, dass das zugrunde liegende Nomen evangelium nicht nur die vier Evangelien als Bücher bezeichnet, sondern auch im Sinne von „doctrine du Christ“, so A. B LAISE, Dictionnaire, 317, verstanden werden kann; nur von „zur Lehre Christi gehörenden praecepta “ können beide Testamente, typologisierend gedeutet, „durchwoben“ sein; das Partizip intexta auf scala zu beziehen, wie dies G. EDERLE, Sermones 1960, 111, tut, verbietet der Plural des Prädikates consuerunt. Die Interpretation von intexta als ,[zusammengewebt] mit‘ durch G. B ANTERLE, Discorsi, 157, macht ebenfalls wenig Sinn, da die praecepta ja Teil zumindest eines der beiden Testamente sind; für die oben vorgeschlagene Interpretation offen ist die Übersetzung P. LEIPELTs, Traktate, 249, „aus evangelischen Lehren zusammengesetzt“, der sich anzuschließen auch A. B IGELMAIR , Traktate, 238, offensichtlich erwogen hatte; in seiner Übersetzung „aus evangelischen Schriften der Evangelien zusammengesetzt“ dürfte wohl eine ungewollte Doppelung vorliegen. Vgl. auch I 37,6: evangelica praedicatio und besonders I 39,3: evangelica iussio, was zwar von A. B IGELMAIR, Traktate, 263, auf Mt 10,23 bezogen wird, aber dennoch durchaus wie oben übersetzt werden kann. Anders hingegen II 4,2: dictum evangelicum illud, das einem konkreten Zitat vorausgeht. – An wenigen anderen Stellen wird die Schrift als Vermittlungsinstrument genannt, ohne dass durch irgendein Attribut auf Gott als Urheber abgehoben wird; vielmehr wird vorausgesetzt, dass (sacra) lex identisch ist mit dem Willen Gottes; I 35,5: „Volunt nosse legem, nolunt eius praecepta servare“; I 36,17: „Denique cum dominus interrogaretur, quod esset summum legis sacrae praeceptum, sic ait … In his duobus praeceptis pendet omnis lex et prophetae.“ – Umgekehrt kann praecepta in I 1,13 auch stellvertretend zur Bezeichnung der heiligen Schrift herangezogen werden: „in praeceptis dominus ait: …“, es schließt sich eine Zitation von Mt 5,32 an, zuvor ist von Verstößen gegen die lex dei die Rede. – Gänzlich ohne Nennung eines Urhebers oder Vermittlers wird praecepta nur verwendet in II 4,5 im Kontext der Ausstattung des Menschen nach seiner Erschaffung; der Singular praeceptum in II 20,1 als Bezeichnung der an die Juden gerichteten konkreten Forderung eines adäquaten Opfertieres gemäß Ex 12,5.

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Schülern Christi, d. h. zunächst von den Aposteln und in deren Nachfolge von den Bischöfen, in der Predigt zu vermitteln. 145 Während die Bildungsvermittlung durch exhortationes und monita auch Sachwissen zum Inhalt haben kann, betreffen die praecepta als fordernde 146 Äußerung des Willens Gottes ausschließlich den Bereich des (ethisch korrekten) Verhaltens: Wer die praecepta befolgen will, bedarf als Voraussetzung der Tugenden (virtutes),147 an deren Spitze der ‚Grundtugenden‘ Gottes- und Nächstenliebe,148 die gleichzeitig auch ‚Grund-Forderungen‘ an das Verhalten des Menschen sind: In his duobus praeceptis pendet omnis lex et prophetae … Igitur non inmerito dominus deus proximi dilectionem commendat, quoniam solam praesumit servare posse quod praecipit.149 Einzelne besonders anspruchsvolle Lebensformen werden ausdrücklich als Inhalt verbindlicher praecepta ausgeschlossen, d. h. sie gehören in den Bereich der 145

Mt 28,19f. in I 37,7: „ad omnes discipulos ait: Ite ergo et docete omnes gentes intingentes eos in nomine patris et filii et spiritus sancti, docentes eos servare omnia quaecumque praecepi vobis.“ Dies führt Zeno als Beleg für die in I 37,6 thematisierte Funktion der Predigt an. 146 Anders als mit praecipere belegt Zeno mit dem Verb postulare nur in Ausnahmefällen Forderungen Gottes an die Menschen, so in II 2,4 in Übernahme des Zitates Dt 10,12f., häufiger im Kontext der Opferung des Issak in I 43,3 (2x).5.6 und I 62,4. Postulare ist zenonisch nicht synonym mit praecipere, es ist weniger scharf und v. a. nicht auf Gott als Subjekt eingeschränkt; ,etwas fordern‘ oder vielleicht besser ,um etwas ersuchen‘ können im Gegenzug auch Menschen von Gott, so etwa in I 43,7 Abraham, in II 9,9 der Zöllner, in II 11,1 der Prophet; außerdem können auch pudicitia in I 1,4 und spiritus in II 6,9 etwas vom Menschen einfordern. Ähnliches gilt für poscere und seine Komposita: inI 13,8 fordert Christus Früchte guter Werke; in I 59,2 fordert Gott das Opfer des Isaak; aber in I 13,2 fordert auch Juda Eintritt bei Tamar; in I 34,9 fordern die Niniviten ein Heilmittel; in II 1,20 fordert Elija Nahrung von der Witwe. 147 II 2,4: „Videtisne hunc timorem nobis necessarium, qui … ad omnia genera virtutum intrepidus corrigit, praeceptis omnibus fideliter obtemperat incoactus … ?“ S. auch I 14,7: „inde est, quod iustitia honestas pietas fides veritas perit; quod deus ipse momentis omnibus patitur contumeliam, cuius praecepta contemnuntur, cui cultus, cui amor mundi praeponitur.“ 148 I 36,17 unter Zitation von Mt 22,37.39: „Denique cum dominus interrogaretur, quod esset summum legis sacrae praeceptum, sic ait dicens: Diliges dominum deum tuum ex toto corde tuo et ex tota anima tua et ex tota virtute tua ; et secundum simile huic: diliges proximum tuum tamquam te ipsum.“ Vgl. auch II 2,4 unter Zitation von Dt 10,12f.: „Et nunc, Israel, quid dominus deus tuus postulat a te, nisi ut timeas dominum deum tuum et ambules in omnibus viis eius et diligas eum et custodias praecepta eius ex toto corde tuo et ex tota anima tua ut bene sit tibi? Videtisne hunc timorem nobis necessarium, qui in dei amore consistit, … praeceptis omnibus fideliter obtemperat incoactus“. 149 Das zurückhaltende commendare im Sinne von ,eine Tugend empfehlen‘ ist in den Traktaten singulär. Vgl. auch II 2,4: „Videtisne hunc timorem nobis necessarium, qui in dei amore consistit, qui … ad omnia genera virtutum intrepidus corrigit, praeceptis omnibus fideliter obtemperat“.

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‚Empfehlungen‘.150 Die praecepta wenden sich aber auch negativ, wie exhortationes und monita zunächst wenig konkret, gegen die den virtutes entgegengesetzten voluptates,151 sehr konkret dann aber auch gegen bestimmte Formen der impudicitia.152 Im Gegensatz zum Vorgehen bei exhortationes und monita wird für die Inhalte der praecepta nur in Ausnahmefällen durch in Aussicht gestellten Lohn geworben. 153 Ein Hinterfragen göttlicher praecepta jedenfalls führt auf Abwege,154 eine Übertretung zieht 150

I 59,1: „Non enim praecepto virginitas provocatur, sed nec continentia relicta repellitur.“ Wenig überzeugend ist die auf textkritischen Beobachtungen, s. A. B IGELMAIR, Traktate, 230, Anm. 2, fußende Übersetzung ebd., 230: „Denn eine vorher in Aussicht genommene Jungfräulichkeit wird nicht gefordert, aber auch eine später noch verbleibende (eheliche) Enthaltsamkeit wird nicht zurückgewiesen.“ Auch die kritische Ausgabe B. LÖFSTEDTs, Tractatus, 134, folgt den Überlegungen Bigelmairs nicht. G. B ANTERLE , Discorsi, der auf der Grundlage der kritischen Ausgabe arbeitet, übersetzt ebd., 201: „Infatti la verginità non è promossa da un precetto; ma nemmeno la continenza viene trascurata e respinta.“ Promuovere (sc. fördern) erscheint hier zu schwach, trascurare (sc. vernachlässigen) trifft als Beiordnung zu respingere (sc. ablehnen, zurückweisen) den Sinn nicht. Schärfer übersetzt G. EDERLE, Sermones 1960, 99: „difatti se la verginità non è comandata, neppure però la continenza è con noncuranza respinta.“ Jedoch wurde auch hier das Partizip relicta missverstanden. Insgesamt scheint bezüglich dieser Stelle – statt der Übersetzung P. LEIPELTs, Traktate, 239: „Denn die Jungfrauschaft wird nicht durch ein Gebot befohlen, aber es wird auch nicht eine späte Enthaltsamkeit zurückgewiesen“ zu folgen – zu stark problematisiert worden zu sein. Gemeint ist: „Denn es wird nicht durch eine (göttliche) Vorschrift zur Jungfräulichkeit aufgerufen, aber es wird auch nicht eine Enthaltsamkeit, [wenn sie wieder aufgenommen wird,] nachdem sie aufgegeben worden war, zurückgewiesen.“ Ähnlich auch der Gebrauch von provocare in II 7,11, wo Zeno von seiner Aufforderung zur Witwenschaft als Form nachehelicher continentia spricht: „Sin vero ad viduitatis sudorem gloriosum palmamque provocavero“. 151 II 1,14: „dei praecepta custodiens, huius modi officiis saeculares obterens voluptates“; s. auch I 14,7: „cultus [et] … amor mundi“. 152 I 1,13 unter Zitation von Mt 5,32: „Adeo [impudicitia] viris contra dei legem deique iustitiam evagandi extra legitimum torum peregrina luxuria inspirat infeliciter quasi liberam facultatem ac sic eorum quoque feminas a pudore divellit, quae desertae, ardore seu dolore compulsae, si talia gerant, putant se aut imitari aut vindicari. Propter quod in praeceptis dominus ait: Qui dimiserit uxorem suam excepta causa adulterii, facit eam moechari. Quid hic respondere possint lubrici mariti, non video; … qui profanae libidinis detestabili furto distracti, turpibus iam non contenti latibulis aliquotiens, pro nefas, sub ipsis obtutibus matronarum vesana congressione desudant“. 153 I 37,1.12: „Scala autem duo testamenta significat, quae et evangelicis intexta praeceptis credentes homines voluntatemque dei facientes quasi per quosdam observantiae gradus in caelum levare consuerunt … Ascendentes vero sunt iusti, qui probis moribus per gradus divinorum observantiae praeceptorum cotidie spiritalis itineris gloria feruntur in caelum“; II 1,14: „dei praecepta custodiens, … cum fuerit victor carnisque nexibus liber, repromissae inmortalitatis inaestimabili beatudine perfruetur.“ 154 Sir 3,22b.26 in II 3,16 im Kontext der Theologie-Schelte: „Quae praecepit tibi deus, illa cogita semper et in plurimis operibus illorum non eris curiosus; multos enim seduxit suspicio illorum et in vanitate detinuit sensus illorum.“ Da theologische Fragen

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

grausame Strafe nach sich.155 Dies dürfte neben der hinter den praecepta stehenden Autorität Gottes und damit deren Anspruch als verbindliche Vorschriften für konkretes Handeln ausreichend zur Befolgung veranlassen. Der Befund zur Bildungsvermittlung zeigt insgesamt, dass jede Bildung, will sie vor Zeno als Bildung bestehen, in christlichem Bereich verankert sein muss; ja sie muss auf der Basis von Sachwissen und ethischem Wissen, die als Vorgaben der direkten Urheberschaft Gottes entstammen und auch durch Gott selbst (in Form von Offenbarung in der Schrift) den Menschen mitgeteilt sind, eine von diesen Kenntnissen bestimmte Haltung und ein entsprechendes Verhalten nach sich ziehen. Irdischer Vermittler der notwendigen Kenntnisse ist der Seelsorger, der mit Sachwissen, d. h. in erster Linie mit den Inhalten der Schrift bekannt und vertraut macht und daraus die ethischen Inhalte, d. h. die Vorgaben für eine christliche Lebensführung ableitet.

an sich improbabel sind, gibt es nach I 56,2 auch keine diesbezüglichen praecepta, etwa in der Frage nach der Art und Weise der Schöpfung der Welt durch den Sohn auf Veranlassung des Vaters hin: „Quomodo autem, quantus aut qualis fieri debeat, nemo praecipit“; zur Bedeutung von nemo an dieser Stelle s. o. S. 438, Anm. 141. 155 II 4,5: „At lividus ille criminator … eum [sc. hominem] … per mulierem transgressionem praecepti dei persuadendo miserabiliter iugulavit“.

C. Instrumente der Bildungsvermittlung

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C. Instrumente der Bildungsvermittlung Christ-Sein macht deshalb eine neue Form von Bildung notwendig, weil Christ-Sein mit dem Beginn in der Taufe ein ‚neues, andersgeartetes Leben‘, d. h. Abkehr vom ‚alten Leben‘ und vollständige Ausrichtung auf Gott, bedeutet. Gefordert ist daher auch eine Bildung, die sich vom Alten distanziert und auf das neue Lebensziel bezieht. Was christliche Bildung wesentlich von heidnischer Kultur unterscheidet, ist – das hatte sich bis hierher bereits angedeutet und wird sich auch im Folgenden verdichtend bestätigen – ihr eigenes Herkommen von Gott, ihre Verankerung in der Offenbarung. Sowohl ihre sachlichen Inhalte als auch die daraus resultierenden Folgen für Haltung und Verhalten des Christen sind, da sie ursächlich auf Gott zurückzuführen sind, am unmittelbarsten in der direkten Mitteilung Gottes, und das heißt für die nach-apostolische Gemeinde in der Heiligen Schrift, zu greifen. Die Vermittlung durch den christlichen Lehrer – das ist im 4. Jahrhundert in aller Regel der Bischof – geschieht über den Weg der Verkündigung. Damit wird sich erweisen, dass auch schon für den frühen Prediger Zeno gilt, was für Augustin und seine sich ausdrücklich und systematisch dem Thema widmenden Schriften De doctrina christiana, De disciplina christiana u. a. bereits erarbeitet ist 1: Christliche Bildung basiert auf der Heiligen Schrift, die das Studium der Klassiker ablöst;2 dieses neue Studium findet – methodisch dem alten sehr ähnlich – in der Kirche statt, die „geradezu als eine schulische Einrichtung“ erscheint,3 deren Lehrer Christus, vertreten durch den Bischof, die Gemeinde belehrt und unterweist.4 Der Erfolg der Bildungsvermittlung wird wesentlich davon abhängen, wie Verkündigung und Belehrung gestaltet sind; das heißt zum einen, wie sie rhetorisch den Hörer ansprechen, und zum anderen, ob es ihnen gelingt, einen autoritativen Anspruch zu implementieren. Im Folgenden wird daher zuerst der Einsatz der Schrift als Quelle der Mitteilung Gottes in den zenonischen Traktaten betrachtet werden; gewissermaßen als ‚Nebenprodukt‘ ergibt sich die Frage, ob Zeno eine hinter der Schrift selbst stehende und durch sie vermittelte oberste Norm benennt und in welcher Form diese Norm greifbar wird. Im Anschluss daran ist dann zu fragen, mit welchen ‚verkündigungstechnischen‘ Instrumenten Zeno oberste Norm, daran anknüpfende Schriftinhalte und sich aus beiden ergebende Konsequenzen für die Hörer vermittelt. 1

S. B. STUDER, Kirche. S. ebd., 485.496. 3 Ebd., 485. 4 S. ebd. 487.494.496 u. ö. 2

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

I. sacra scriptura Anhand der in den zenonischen Traktaten begegnenden Schriftzitate hat die Forschung wiederholt aufgezeigt, dass Zeno für den Einsatz der Bibel in seinen Traktaten auf verschiedene Vorlagen zurückgreifen konnte: Neben den Testimonien des Cyprian (Ad Quirinum) benutzte er eine eigenständige oberitalienische Bibelfassung, die sich in den Psalmen mit dem aus dem 4. Jahrhundert stammenden Psalter von Verona und in den Evangelien mit anderen „fortschrittlichen italienischen Texte[n]“ deckt, zumindest in Teilen mit der auch von Ambrosius und dem Ambrosiaster benutzten verwandt ist und bei der Erstellung der Vulgata als Grundlage dienen sollte.5 1. Schriftverständnis Zeno versteht trotz somit mindestens zweifachen Materials, der cyprianischen Materialsammlung und der italienischen Bibelfassung, jenseits der Frage nach einer Abgeschlossenheit der Kanonisierung 6 die Bibel als ein Ganzes, als die eine heilige Schrift des Christentums, was sich u. a. aus ihrer bloßen Bezeichnung als scriptura ablesen lässt.7 Die schriftliche Fixierung äußert sich auch im Terminus litterae; es handelt sich also um Literatur, die auch von Nicht-Christen, wenn auch überaus kritisch, als solche zur Kenntnis genommen wird.8 Aus christlicher Sicht ist die Schrift jedoch eine besondere, von anderem Schrifttum unterschiedene Literatur;

5

H. J. FREDE, Zitate, 304; insgesamt s. ders., Bibeltext, 384–386; ders., Zitate, 297–

304. 6

Was die Kanonentwicklung angeht, scheint Zeno die ,Uneindeutigkeit‘, die bis zum Ende des 4. Jahrhunderts im Westen anzutreffen ist, zu spiegeln; vgl. H. VON LIPS, Der neutestamentliche Kanon. Seine Geschichte und Bedeutung, Zürich 2004, 77–79. Zeno kennt zwar Hbr und Jac, s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 215, kennzeichnet seine Bezüge darauf jedoch nicht als Schriftzitate. Ob er das Protevangelium Iacobi, auf das er sich einmal bezieht, zur Schrift zählt, lässt sich ebenfalls nicht bejahen oder verneinen. Da er es jedoch nicht zitiert, sondern lediglich auf einen Passus anspielt und sich zudem kein Verweis auf eine Einschätzung als zur Schrift zugehörig begegnet, etwa durch entsprechende Namensnennung, scheint dies eher unwahrscheinlich. Da die Frage der Kanonzugehörigkeit einzelner Schriften selbst von Zeno nicht thematisiert wird, lassen sich aus einer bloßen Benutzung oder Nichtbenutzung m. E. keinerlei Schlussfolgerungen ziehen. 7 I 3,6; I 3,10;I 13,1; I 25,5.12; I 35,7; I 37,8; I 46A,2; II 2,4; II 9,3. 8 II 1,14: „qui divinas litteras aut non legerunt aut lectas irritas putaverunt beneficio abiecti impolitique sermonis … stultam putant irriduntque quasi vanam“. Uneindeutig dagegen ist II 3,9: „Si ex doctrina constat, non habent ergo fidem qui litteras nesciunt“; hierunter könnte entweder eine Unkenntnis der Schrift verstanden werden, s. L. SGREVA, Uso, 70, Anm. 25, oder eine Unvermögen zu lesen, s. die Übersetzungen bei P. LEIPELT, Traktate, 41, A. B IGELMAIR, Traktate, 61, und G. B ANTERLE, Discorsi, 233.

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scriptura charakterisiert Zeno durch das Attribut sacra,9 scriptura und litterae durch divina 10 als heilige, von Gott kommende Literatur, d. h. als schriftliche Fixierung von Mitteilungen Gottes an die Menschen (dei, domini oder divina vox).11 Diese Mitteilungen haben für den Christen verbindlichen Charakter; deshalb kann die Schrift auch als (sacra) lex bezeichnet werden.12 Der Terminus lex kann neben seiner Anwendung im weltlich-juristischen Kontext in christlichem Gebrauch von sehr unterschiedlicher Bedeutung sein, er kann im engeren Sinn für das mosaische Gesetz stehen, aber auch für den Pentateuch, für das Alte Testament als Ganzes oder auch für die gesamte Schrift. Daneben kann lex auch ‚Gesetz Gottes‘ bedeuten 13 und damit auf eine Größe jenseits der Schrift abheben. Damit folgen die lateinischen Schriftsteller der schon biblisch uneindeutigen Verwendung der Begriffe Tora und íüìïò.14 Auch Zeno kennt neben der weltlich-juristischen Bedeutung des Terminus 15 und neben lex im Sinne eines (physikalischen) Gesetzes der Natur 16 die aufgezeigte christliche Bedeutungsbreite: Eindeutig auf das mosaische Gesetz bezieht Zeno den Begriff, wenn er sagt: „Abraham sub lege non erat“.17 Auf das Zeremonialgesetz als Teil des mosaischen Gesetzes, des Pentateuchs oder des Alten Testamentes als Ganzem ist der Terminus bezogen innerhalb der Rede von der Beschneidung secundum legem 18 und vom Sab9

I 36,17; I 50. II 1,14; II 5,1; II 9,2. – Vgl. auch J. SPEIGL, Tertullian als Exeget, in: Stimuli. Exegese und Hermeneutik in Antike und Christentum, FS E. Dassmann, hg. v. G. Schöllgen u. C. Scholten, Münster 1996, 161–176, hier: 163, zur Charakterisierung der Schrift als sancta und divina bei Tertullian. 11 In der Mehrzahl der Fälle hebt Zeno darauf ab, dass sich die Stimme Gottes in der Schrift artikuliert, der Terminus vox wird dann einem Zitat vorangestellt, s. I 43,3.6; I 61,5, oder begegnet unter Bezug auf eine konkrete Schriftstelle, s. I 28,2 in Anspielung auf Am 5,23. Nur ein einziges Mal scheint der Terminus im Plural für die Schrift selbst zu stehen, wenn Zeno in I 36,27 von Geboten spricht, die sacris vocibus ergehen; als Beleg für solche Gebote wird im Anschluss 1 Jo 2,15f. zitiert. 12 Das Attribut sacra tritt keineswegs nur hinzu, wenn Zeno mit lex die Schrift als Ganzes bezeichnet, sondern es kann auch das Alte Testament charakterisieren; s. II 20,1: „Quam diu, Iudaee, bruti cordis necdum discutis tenebras sacraeque legis oracula iam in Christo completa nec probando cognoscis?“ Allerdings ist immer konkret die Schrift oder ein Teil derselben gemeint, s. I 8,1;I 13,5; I 35,1; I 36,17; I 37,4; II 1,5; II 4,1, nicht eine Größe jenseits derselben. 13 S. A. B LAISE, Dictionnaire, 493. 14 S. H. HÜBNER, íüìïò, EWNT II, 1981, 1158–1172, hier: 1162–1172. Umstritten ist es allerdings, s. ebd., 1164, ob Paulus an einzelnen Stellen unter íüìïò auch so etwas wie „Prinzip / Heilsordnung“ versteht. 15 I 1,13: humanae leges; II 2,6: publicae leges; auch bloßes lex bzw. leges in I 1,20; I 5,5; I 39,6; II 1,7.17; II 7,4; s. auch legitimus in I 1,13.14. 16 I 2,8.17; I 32; I 36,7; II 4,8; vgl. auch das metaphorische mortis lex in I 2,30; II 12,3. 17 I 43,8; s. auch II 3,1: „Denique Abraham placuit deo credulitate sine lege“; vgl. auch II 3,8: „[fides] ipsius nativitate porro maior est legis“. 18 I 3,3.12. 10

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batgebot.19 Auf den Pentateuch bezogen, aber möglicherweise auch das Alte Testament oder die gesamte Schrift meinend könnte lex zur Einleitung eines Exodus-Zitates gebraucht sein.20 Zahlreiche weitere Stellen beziehen lex vergleichbar uneindeutig auf das gesamte Alte Testament oder einzelne seiner Bestandteile;21 insbesondere wenn Zeno vom Verhältnis der Juden zum Gesetz spricht, können nur Tora oder Altes Testament insgesamt gemeint sein.22 Das Alte Testament als Ganzes nennt Zeno in Zitation neutestamentlicher Redeweise auch „omnis lex et prophetae“ 23 oder aber vetusta lex.24 Letzteres impliziert, dass es auch ein neues Gegenstück geben muss, von einer ausdrücklich neuen oder christlichen lex ist in den Traktaten jedoch nirgends die Rede. Vielmehr bezeichnet Zeno neben dem Alten Testament oder seinen Bestandteilen auch die gesamte Schrift als lex: Besonders deutlich erkennbar ist dies v. a., wenn der Terminus lex alttestamentliche und neutestamentliche Zitate einleitet.25 Dies verweist auf Zenos Verständnis der Schrift als eine Einheit, führt aber innerhalb des Corpus der Traktate – im Übrigen in paulinischer Nachfolge – zu einem widersprüchlichen Eindruck, wenn Zeno gleichzeitig das Gesetz mit Christus als außer Kraft gesetzt und beendet darstellt.26 Begründet sein könnte die dessen ungeachtete Anwendung des Terminus auf die gesamte Schrift darin, dass Zeno über die Bedeutung von Schrift hinaus mit dem Begriff lex auch auf eine der Schrift übergeordnete Größe verweist, wie dies auch schon für íüìïò bei Paulus gelegentlich angenommen wurde.27 Es muss einen Unterschied geben zwischen der Schrift oder deren Bestandteilen und der lex, wenn Zeno eine Aussage über die lex explizit mit einem Zitat der sacra scriptura belegt: „Lex enim pendet ex caritate, non caritas pendet ex lege, sacra scriptura dicente: iusto lex posita non est, sed peccatori.“ 28 Hier ist lex offensichtlich ethisch, im Sinn eines notwendig mit dem christlichen Glauben verbundenen, vorgegebenen Verhaltenskodexes zu verstehen, was nicht ausschließen muss, dass dieser Kodex auch über die Schrift vermittelt wird. 29 Lex in diesem 19

I 13,12. I 8,2 unter Zitation von Ex 12,11: „Hic est agnus, fratres, de quo lex ait: pascha est domini“. 21 I 3,12.17.23; I 8,1;I 13,5.10; I 36,17; II 3,1.3.12.16; II 8,1; II 17; II 20,1.2. 22 S. etwa im Kontext einer Exodusauslegung I 8,1: „Sacram legem qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur. Iudaei etenim cum carnaliter sentiunt“; II 3,1: „Denique Abraham placuit deo credulitate sine lege et Iudaicus populus displicuit deo incredulitate cum lege.“ 23 I 36,17 in Zitation von Mt 22,40; II 17 in Zitation von Mt 11,13; auch Moyses et prophetae in I 2,10 in Zitation von Lc 16,29. 24 I 43,1. 25 S. I 37,4: „Unde recte testamenta sunt duo, quae similiter duobus capitibus unam litteram fingunt, id est sacrae legis duobus edictis unum Christum dei filium spiritali temperamento conscribunt.“ In I 35,1–4 folgen der Rede von lex Zitate aus Pss und Jo; in I 45,1–3 aus Gn und Jo; in II 1,5f. aus 1 Cor und Jr; in II 4,1 aus 1 Cor und Gn. Wohl auf die Schrift als Ganzes bezogen ist lex auch inI 13,10. 26 Rm 10,4 in I 3,17: „finis legis“; auch II 17 unter Zitation von Mt 11,13: „Lex et prophetae usque ad Iohannem.“ 27 S. o. Anm. 14. 28 I 36,17. 29 S. etwa I 36,17f.: „[dilectio] ex lege discitur, sed in mentibus nascitur. … [lex] veneranda est, quia veritatis speculum, quia rigida quaedam dilectionis est forma ; quicquid enim a iusto didicit, id facere iniustum quoque compellit, bifarie inclita : unum 20

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die Schrift übergreifenden Sinn ist synonym mit ius divinum, welches auch schon von Abraham ohne Kenntnis eines Gesetzes im eingeschränkten Sinn befolgt werden konnte.30 Damit erklärt sich dann auch die Bezeichnung einer mit einem Heiden verheirateten Christin als „proditrix legis“.31 So erhellt sich schließlich auch an anderen Stellen ein uneindeutiger oder zumindest doppeldeutiger Gebrauch des Begriffs lex.32 Inhaltlich grundgelegt ist auch diese ethisch verstandene lex in der Schrift.33 Sie bleibt jedoch eigentümlich unspezifisch.34

glorificando, alium corrigendo.“ Als iustus werden in den Traktaten u. a. Abel in I 3,5; I 4,12; Abraham in I 3,6.12; und Ijob in I 4,18; I 15,2 bezeichnet. 30 I 43,8: „Abraham sub lege non erat, sed legem solus implevit, et qui nullo iure legis tenebatur, omne ius divinum praecipue custodivit.“ 31 II 7,18. 32 Dies belegen deutlich die unterschiedlichen Übersetzungen von insinuatio legis in II 3,1: P. LEIPELT, Traktate, 36, erklärt ausdrücklich insinuatio legis, das er im Text mit „Einprägung des Gesetzes“ übersetzt, in Anm. 1 mit „Darlegung des Glaubensinhaltes“. In Anlehnung daran schreibt A. B IGELMAIR, Traktate, 57: „Übermittlung des Gesetzes (Glaubensinhaltes)“. G. B ANTERLE, Discorsi, 229, übersetzt mit „insegnamento della Legge“, fügt aber in Anm. 2 hinzu: „Qui nel senso di ,verità di fede‘ “ unter Bezug auf Cavattoni bzw. „contenuto della fede“ unter Bezug auf Bigelmair. Er fährt ebd. fort: „Tuttavia – subito dopo – lex, in altro senso, è contraposta a fides.“ G. EDERLE, Sermones 1955, 21, übersetzt dagegen mit „insegnamento della Scrittura“, und ergänzt zu dieser Übersetzung ausdrücklich ebd., 38, Anm. 4: „Tradurrò ordinariamente la parola lex di S. Zeno con l’altra più vasta di Sacra Scrittura, salvo che il contesto non richieda altrimenti.“ – Ebenso uneindeutig oder doppeldeutig scheint m. E. die Verwendung des Terminus lex in I 35,5.7; I 36,4.17; I 37,10; II 2,4; II 3,2.4; II 5,6; II 8,1. – Ähnlich mehrdeutig begegnet auch das Adjektiv legitimus, das übersetzbar als „dem Gesetzt entsprechend“ damit die Frage aufgibt, von welchem Gesetz im jeweiligen Kontext die Rede ist. So wird das Adjektiv bezogen in I 62,2 auf weltliche Gesetzgebung und in II 11,4 auf kirchliche Vorschriften (bezüglich der Prüfung der Taufkompeten); in den meisten Fällen muss legitimus oder legitime wohl mit „gemäß der Schrift“ übersetzt werden, s. I 2,15.26; I 3,1.13.20; I 8,1; I 19,1; I 25,5; I 28,1; I 46A,1.2; I 51; I 54,2; II 6,2; II 17; II 20,1; II 25,1. Besonders wenn auf ein Verhalten abgehoben wird, ist aber auch häufig ein Verhalten gemäß eines christlich-ethischen ,Kodexes‘ gemeint, s. I 1,21; I 5,3; I 34,9; I 54,1; II 6,3, oder mitgemeint, so wohl v. a. bei der Rede von der Unmöglichkeit für die Juden, ein ,gesetzmäßiges Pascha‘ feiern zu können, s. I 51; II 17; II 20,1; II 25,1. 33 S. II 3,4: „lex semper manat ex libro Genitali“; dazu bemerkt G. B ANTERLE, Discorsi, 231, Anm. 3: „Il Cavattoni …. traduce libro Genitali con ,paterno libro‘ e intende la Sacra Scrittura in generale. Forse potrebbe trattarsi del Pentateuco nel suo complesso.“ 34 Den Versuch einer Differenzierung unternimmt C. T RUZZI, Zeno, 259f., Anm. 29: „[Lex] si oscilla tra il significato di norma scritta per la fede (ad esempio: paragrafo 2 [sc. II 3,2]), di volontà divina espressa (paragrafi 3–5) con implicito o esplicito riferimento alla scrittura (paragrafo 4), di scrittura semplicemente, ma con referimento al suo valore normativo (paragrafo 13)“.

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Innerhalb der Schrift unterscheidet der Veroneser Bischof offensichtlich verschiedene (literarische) Gattungen (historia, carmen),35 er führt aber auch konkrete Bestandteile namentlich an, so spricht er etwa von ‚den Propheten‘,36 von ‚den vier Evangelien‘ 37 oder häufiger auch nur von ‚dem Evangelium‘,38 von ‚Paulus‘ 39 oder ‚dem Apostel (Paulus)‘,40 schließlich benennt er aber auch einzelne Bücher (liber) oder deren (vermeintliche) Autoren.41 Die Kenntnis dieser Terminologien und Namen setzt er bei sei35

Zur Bezeichnung ,erzählender‘ Bücher (Ex; Jb; Dn), verwendet er den Begriff sacra historia , s. I 15,1; I 29,1; I 48. Darauf, dass diese Formulierung nicht als ,Heilsgeschichte‘ aufzufassen ist, verweist die Verbindung mit dem Verb prodere im Sinne von ,berichten, mitteilen‘ in I 48. Wohl deshalb meint L. SGREVA, Uso, 70, Anm. 25, dass historia in den zenonischen Trakten ,Geschichtsbücher‘ bezeichne; auf Jb und Dn trifft dies aber nicht zu! Zur Bedeutung von historia im Sinn von ,Erzählung‘, aber auch ,Geschichtswerk, -buch‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 3062; im Sinn von ,historischen Fakten im Gegensatz zu Allegorie und Interpretation‘ s. A. B LAISE, Dictionnaire, 391. Daneben kennt Zeno eine Geschichte der gesamten Schrift (historia totius scripturae), die in Christus erfüllt ist, s. I 37,8; diese Formulierung dürfte wohl ,Heilsgeschichte‘ bezeichnen. – Den Begriff carmen setzt Zeno nicht zur Bezeichnung der Gattung eines ganzen biblischen Buches ein, wie dies L. SGREVA, Uso, 70, Anm. 25, suggeriert, sondern m. E. immer dann, wenn dem nachfolgenden Zitat bzw. dem referierten Inhalt die Qualität einer weissagenden, orakelhaften oder offenbarenden Ankündigung eignet, s. I 30 bezogen auf Is 1,2 (in Is 1,1 selbst als „Vision“ angekündigt); auch „propheticum carmen“ in II 9,8; im Sinne von ,Offenbarung‘ sind wohl zu verstehen I 45,1 bezogen auf Gn 1,26: „exordio carminis sacri“ und II 21 bezogen wohl auf eine vorausgehende Lesung von Is 1,2: „divini carminis textus“; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 134, unter ausdrücklicher Nennung der zenonischen Stellen: „le texte sacré, le texte de la Révélation“. Innerhalb des Zitates von Sap 2,1f.5 in II 4,10 ist carmen dagegen wohl mit ,Lied‘ oder ,Verse‘ zu übersetzen; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1002f. – Zur Bedeutsamkeit der Gattungen der biblischen Texte als Voraussetzung für die Art und Weise der Exegese durch die Väter s. B. STUDER, Exegese, 108– 113. 36 I 19,2; I 61,4.5; II 5,3; II 12,1; vgl. auch prophetae, nicht ausdrücklich als Verfasser von Schriften, Zitaten oder Ankündigungen benannt, in I 4,10.22;I 13,4.7.9; I 15,8f.; I 34,7; II 6,3. 37 I 33,4; II 12,4. 38 I 2,9; I 15,7; I 25,8; I 35,1; I 37,5; I 38,5; II 5,6; II 6,3. Vgl. auch evangelica praedicatio in I 37,6; evangelista in I 15,8 und I 37,13 bezogen auf Mt 4,1–11 par.; allerdings auch evangelica iussio in I 39,3 bezogen ausschließlich auf Mt 10,23. 39 I 2,12.22.25.28.29; I 24,3; I 34,4; II 3,12; II 3,16; II 5,4.7.8; II 30,4; besonders typisch für ,Paulus als Verfasser eines ganzen Corpus‘: „non tantum in praesenti lectione, sed et aliquot in locis fecit Paulus beatissimus mentionem“ in I 3,1; der Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 24, nennt keine Bezugsstelle, inhaltlich könnte hier jedoch abgehoben sein auf Gal 5,11f.; Rm 2,25–29; 4,9–12; aber auch Col 2,11. 40 I 1,13; I 2,15.24; I 5,4; I 8,2; I 25,9; I 34,2; I 35,6.7; I 37,12; I 38,6; I 59,6; II 4,1.8; II 5,3; II 6,4; II 7,2.5. 41 Aus dem Alten Testament nennt Zeno: liber genitalis (Gn) in II 3,4 und Genesis in II 5,2; auch naturae Nativitatis Moysei liber in II 4,1; dann Leviticus in I 25,12;

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nen Zuhörern voraus, denn es finden sich keine erläuternden Anmerkungen dazu. Trotz der Unterteilung in Altes und Neues Testament 42 und der Feststellung, dass ‚Gesetz und Propheten‘, also das Alte Testament als heilige Schrift der Juden,43 für sich genommen nur bis zu Johannes (dem Täufer) Geltung hatten,44 betont Zeno in mehrfacher Allegorese die Einheit der Schrift: „carbo enim verbum dei est, ara lex, forceps duo testamenta … Sed et David hanc calamum nuncupavit … Calamus fissus est, fratres, duosque vertices gerit in unius acuminis tenuitate digestos, unam litteram utroque conficiens; cui si unum adimas, alterius inanis est usus. Unde recte testamenta sunt duo, quae similiter duobus capitibus unam litteram fingunt, id est sacrae legis duobus edictis unum Christum dei filium spiritali temperamento conscribunt. Quae sine se utilia esse non possunt, quia veteri sicut novum praestat fidem, ita novo vetus perhibet Deuteronomium in I 25,5; darauf bezogen auch Moyses in I 3,13; bezogen auf Josua (sic) Iesus Nave in I 3,14–16; I 36,8; primus liber Regnorum in I 2,8; auch Regnorum libri in II 1,20; Tobias in I 24,3; I 36,8; Maccabaei in I 39,9; vgl. auch I 2,13; I 36,8; Iob in I 4,18f; I 15 passim; I 36,8; Psalmorum liber inI 13,10; auch Psalmi in I 2,23; II 5,2; II 11,1; Psalmus in I 35,1; Psalmus primus in I 35,3; Psalmus nonagesimus in I 25,5; auf Psalmen bezogen auch David in I 2,32; I 15,7; I 35,3; I 37,4.8; II 10,1 und propheta in I 14,4; I 34,2; I 35,1; II 1,20; II 2,3; II 9,3.6.7.8; sapientia in II 5,6; darauf bezogen auch Salomon ebd.; auch prophetes (sic) in I 5,9; Ecclesiasticus (Sir) in I 25,9; darauf bezogen auch Salomon in I 25,9; II 3,12.16; II 7,5; II 8,2; aber auch propheta in II 4,18; Esaiae liber in I 25,6; darauf bezogen auch propheta in I 59,3; I 61,1.2; II 8,2; II 11,1; II 12,4; Ieremia in I 3,12; II 8,6; darauf bezogen auch propheta in II 1,5; Ezechiel propheta in I 2,12; Daniel in I 1,19; I 36,8; I 40,2; II 2,5; II 18,1; bezogen auf Joël jedoch ohne namentliche Nennung propheta in I 25,6; Ionas propheta in I 34,5; Malachias propheta in I 25,7; darauf bezogen auch prophetes (sic) in I 36,22. Ohne namentliche Nennung benutzt Zeno an alttestamentlichen Büchern darüber hinaus Ex, Prv, Ecl, Bar, Os, Hab; s. Index Locorum bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 208–211. – Aus dem Neuen Testament nennt Zeno: cata Lucanum in I 13,5; cata Iohannem in II 5,8; auch Iohannes apostolus in evangelio in II 8,3; ad Romanos … apostolus in II 1,2; ad Corinthios in I 37,6; ad Timotheum in II 3,17; bezogen auf 1 Jo) Iohannes in I 36,21.23.27; II 4,12; II 9,5; in Apocalypsi Iohannes in I 37,2. Ohne namentliche Nennung benutzt Zeno an neutestamentlichen Büchern darüber hinaus Mt, Mc, Act, Jac, Pt; s. Index Locorum bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 212–216. 42 Duo testamenta in I 37,1.2.3.5.8.9.10.14.15; I 38,4; II 26,2; sacrae legis duo edicta in I 37,4; testamenti veteris ac novi clarissima oracula in I 46B,2; vgl. auch „novitate et vetustate duo testamenta“ in I 37,9 und vetusta lex in I 43,1. 43 Vgl. I 2,10 unter Zitation von Lc 16,29: „ille [sc. Abraham] respondit: ,Habent Moysen et prophetas‘ “; I 36,17 unter Zitation von Mt 22,40: „dominus … sic ait dicens: … In his duobus praeceptis pendet omnis lex et prophetae.“ 44 II 17 unter Zitation von Mt 11,13 im Kontext einer kurzen Auflistung von biblischen und historischen Hinweisen auf die Bedeutungslosigkeit des Judentums (vermutlich zur Einleitung einer Rede von der Substitution durch das Christentum): „Lex et prophetae usque ad Iohannem.“ Vgl. auch I 3,17 in Anspielung auf Rm 10,4: „finis legis aut verus Christus“.

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testimonium, sicut scriptum est: Semel locutus est dominus et haec duo audivimus.“ 45 Beide Testamente gehen auf das Wort Gottes zurück und sind zugleich auf Christus hin ausgerichtet und in ihm erfüllt: „Virga et baculus duo sunt utique testamenta, quae ideo materiae ligni sunt comparata, sive quod in eius usu et perpetuo et tutius maneat testatoris voluntas inscripta, seu quod quasi ex transverso in unam fidem concurrentia crucifigi habuisse dei filium nuntiabant; quem confirmat in scala [sc. Iacobi] rectissime positum, quia historia totius scripturae et propter ipsum et auctorem per ipsum impleta est.“ 46 Christus ist deshalb auctor und testator beider Testamente und zugleich deren Erfüllung (per ipsum impleta),47 weil er selbst das Wort Gottes (verbum dei) ist,48 das in der Schrift vermittelt von den Menschen gehört wird, 49 er ist die Selbstentlassung Gottes in die Wahrnehmbarkeit, seine Offenbarung. 50 45

I 37,3f. in Auslegung von Is 6,6 und unter Bezug auf Ps 44,2 und Ps 61,12. I 37,8 unter Bezug auf Ps 22,4. S. auch die Zusammenfassung in I 37,14f.: „Haec igitur omnia combinata unius fructus rediguntur in summam, quoniam universa quamvis gemina esse noscantur, tamen una de radice funduntur. Testamenta sunt duo, sed testator est unus; et scribens canna divisa est, sed unus calamus; et forfex in duos producitur cultros, sed eorum unus est morsus; et gladies duas acies gerit, sed sunt unius corporis latera ; et denarii sunt duo, sed una moneta signati; et scala duos scapos habet et gradus plurimos, sed eius ascensus est unus … Scala autem proprio nomine crux vocatur, quia per ipsam dominus Iesus Christus mysteria universa conficiens atque concludens patri et Adam reportavit et iter ad caelum omnibus se sequentibus patefecit.“ Zur Ausrichtung beider Testamente auf Christus hin s. auch I 46B,2: „nobis testamenti veteris ac novi clarissima oracula viam, verum Christum dominum, prodiderunt“; zum Gebrauch von ac s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 675 (Lemma „atque“): „[ac] bildet eine innige Verbindung u[nd] Gleichstellung zwischen einzelnen Wörtern od. ganzen Sätzen (während et die Gegenstände bloß äußerlich aneinander knüpft).“ I 37,4: „Unde recte testamenta sunt duo, quae similiter duobus capitibus unam litteram fingunt, id est sacrae legis duobus edictis unum Christum dei filium spiritali temperamento conscribunt.“ Zur Unabgeschlossenheit des Alten Testamentes wegen seiner Ausrichtung auf Christus s. auch II 20,1: „Quam diu, Iudaee, bruti cordis necdum discutis tenebras sacraeque legis oracula iam in Christo completa nec probando cognoscis?“ 47 Auch II 20,1: „sacraeque legis oracula iam in Christo completa“. 48 I 45,3: „Quamvis et quod dictum est a patre vel dici potest, quia verbum est filius, sine filio non est“. Zur Identität von Sohn Gottes, Jesus Christus und verbum dei s. auchI 13,11; I 54,3; I 56,1; II 8,2–4.8. 49 S.I 13,5 in Zitation von Lc 8,11f.: „Est autem haec parabola : semen est verbum dei. Qui autem iuxta viam sunt, hi sunt, qui audiunt verbum“; I 61,1: „libri istius exordia …, quae alias personas, ut verbum dei ab ipsis potius audiatur [quam ab Iudaica gente], hortantur [nos]. … quia , cum alteris, ut verbum dei audire debeant, dicitur, Israel sic reprobus invenitur“ (kursive eckige Klammer = Athetese des Hg.). 50 S. I 56,1 unter Zitation von Ps 44,2: „ineffabilis illa virtus incomprehensibilisque sapientia e regione cordis eructuat verbum, omnipotentia se propagat. De deo nascitur deus“ (das Verb eructuare ist hier – anders als in VETUS LATINA Ps 44,2 (Database): 46

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Christus, die Offenbarung Gottes, ist jedoch nicht an allen Stellen der Schrift gleichermaßen augenfällig zu erkennen. Es gibt grundsätzliche arcana und nubila,51 die es zu erhellen gilt, und dann v. a. auch spezielle figurae, typi und imagines,52 hinter denen eine res bzw. veritas steht.53 Insgesamt ist also die Bedeutung der Schrift (ratio),54 die nur spiritaliter

„Eructavit cor meum verbum bonum“ – sicherlich intransitiv zu verstehen und damit verbum nicht als Akkusativ-Objekt, sondern als Prädikativum. P. LEIPELT, Traktate, 213f., A. B IGELMAIR, Traktate, 209, und G. B ANTERLE, Discorsi, 199, berücksichtigen das nicht. Bei G. EDERLE, Sermones, findet sich keine Übersetzung des Traktates.); II 8,2 unter Zitation von Ps 44,2 und Sir 24,5: „dominus ipse nos edocet: Eructuavit, inquit, cor meum verbum bonum et cetera , et apud Salomonem hactenus dicens: Ego ex ore altissimi prodivi ante omnem creaturam.“ 51 I 43,8: „Videamus, fratres dilectissimi, legis arcana et intellectum altius proferamus“; II 3,13: „Si peritiam legis ostendere cupis, lectionum nubila disserena“; vgl. AUG. conf. 13,15,16f. (CChr.SL 27,250,24–251,16 Verheijen): „deus noster, fecisti nobis firmamentum auctoritatis super nos in scriptura divina … videamus, domine, caelos, opera digitorum tuorum: disserena oculis nostris nubilum, quo subtexisti eos.“ – Ähnlich wie arcana und nubila müssen auch die alttestamentlichen oracula erklärt werden, s. II 20,1: „Quam diu, Iudaee, bruti cordis necdum discutis tenebras sacraeque legis oracula iam in Christo completa nec probando cognoscis?“ 52 II 4,3: „Sed sic oportuit praedicari, quia primo [filius hominis], antequam esset, quod se fieri voluisset, tam figura quam oraculis frequentibus publicavit“; I 37,1: „Prophetia etenim semper figuris variantibus loquitur“. Konkrete Typologien werden benannt in I 37,9: „duo testamenta , quae videtis recte … duorum denariorum esse figura vestita“; I 3,7: „Unde manifestum est Abraham gemini populi typum in semet ipso portasse“;I 13,4: „Iudas, quantum intelligi datur, ex parte prophetarum, ex parte patriarcharum patrumque typus erat“; I 34,7: „Quantum datur intelligi, fratres, navis typus est synagogae“; II 26,3: „Maria , quae cum mulieribus tympanum quatit, typus ecclesiae fuit“; I 3,16: „Iesus enim Nave Christi imaginem praeferebat“; I 13,7: „Selom … ex gentibus venientis novelli populi imaginem depingebat“; I 15,7: „Iob … Christi imaginem praeferebat“; I 34,9: „Ninive imaginem portat ecclesiae“; I 37,1: „Iacob habet imaginem Christi“. 53 I 37,1: „Prophetia etenim semper figuris variantibus loquitur, sed res una in omnibus invenitur“ (Hervorhebung B. D.); II 4,3: „Age, excita sensum, lector, invenies veritatem“; I 9 und II 16 zur Exodusauslegung: „Tempus non sinit ( b zw. , fratres,) imagini [praesentis lectionis] reddere veritatem“; vgl. auch I 46B,1 (Sequentia Exodi): „Si Iudaei vacuatae imaginis recordatione gloriantur, quanto magis Christianus, in quo non est figura sed veritas!“ – Zur hohen Bedeutsamkeit solcher res in der Exegese der Väter s. B. STUDER, Exegese, 113f. 54 I 35,1: „Neglegentes legis sacrae cultores … dictorum minime rationes inquirunt“; II 4,3 unter Bezug auf Jo 3,13: „Cuius sacramenti arcanum evidenti ratione quasi quadam clavi aperire conabor“; s. auch I 35,2.3; I 37,5; II 30,4; hier wird die Schrift mit Hilfe eines weiteren Schriftzitates erklärt; s. auch L. SGREVA, Uso, 67; vgl. W. GEERLINGS, Zur exegetischen Methode des Ambrosiaster, in: Stimuli. Exegese und Hermeneutik in Antike und Christentum, FS E. Dassmann, hg. v. G. Schöllgen u. C. Scholten, Münster 1996, 444–449, hier: 448, Anm. 68, zu Ambrosiaster. Auch in I 48 und in

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korrekt erfassbar ist,55 aufzudecken, mit anderen Worten, die Schrift bedarf der Auslegung (auf Christus) hin. Darum bemühen sich Menschen mit entsprechender Kenntnis (legis periti),56 vorzüglich geschieht dies im Gottesdienst,57 denn das Ziel der Schriftauslegung sollte nicht wissenschaftliche Erkenntnis,58 sondern (Er-)Klärung für die Gemeinde sein.59 Ein Kri-

II 27 dürfte ratio auf die Bedeutung der dem Traktat zugrundeliegenden Schriftstelle abheben. 55 I 8,1: „Sacram legem, qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur“; I 37,10: „Quae parabola sublata dubitatione scalae sacramentum spiritaliter intuentibus patefecit“; II 26,2: „Quantum spiritaliter intellegi datur, Aegyptus mundus est iste.“ Die Juden interpretieren die Schrift dagegen carnaliter, s. I 3,15; I 8,1. Auch die Arianer sind carnalis mentis homines, I 45,1. – Vgl. B. STUDER, Exegese, 119: „Wie ernst diese kirchliche Ausrichtung der Bibelerklärung zu nehmen ist, geht vor allem aus der allgemeinen, im Neuen Testament verwurzelten Auffassung der Kirchenväter hervor, dass der vom Heiligen Geist inspirierte Text nur durch vom gleichen Geist erfüllte Menschen voll verstanden wird.“ S. II 3,14 als Aufforderung an den Exegeten: „Sin vero fidem spiritus calles, aliquam demonstra virtutem “, gemeint ist: ,bei der Schriftauslegung‘. 56 II 3,2: „legis periti“; II 3,13: „Si peritiam legis ostendere cupis, lectionum nubila disserena .“ 57 Zeno verweist mehrfach auf eine vorausgegangene Lesung, auf die sich seine Auslegung bezieht; in I 3,1; I 10A; I 25,1; II 5,7; II 26,1 durch ( praesentis) lectio; in I 15,1; I 29,1 durch legenda bzw. perlecta narratio. Daher ist auch die Aufforderung in II 3,13 auf eine Auslegung im Gottesdienst zu beziehen! Vgl. auch B. STUDER, Exegese, 116– 118: „Erstens war die gesamte Arbeit der frühchristlichen Autoren auf die Verkündigung ausgerichtet. Sie lernten aus der Bibel, um zu lehren … Weil zweitens die auf die Verkündigung ausgerichtete Bibelauslegung vorwiegend innerhalb des Gottesdienstes geschah, wurde ihre Aktualität noch ausgeprägter. Die Prediger begannen nämlich ihre Ansprachen gerne mit einem Hinweis auf das hodie, auf das mysterium oder das sacramentum, das am betreffenden Tag gefeiert wurde. Zudem war die Lesung, die zuerst vorgetragen und dann zu erklären war, auf den Festgedanken abgestimmt. Auf diese Weise wurde die Vergangenheit, von der die biblische Erzählung handelte, in die Gegenwart hineingestellt und zugleich auf die Zukunft hin eröffnet.“ 58 Vgl. B. STUDER, Exegese, 118: „Es war nicht eine Schreibtischexegese gefragt.“ S. dazu II 3,13.15 im Kontext des gesamten Traktates, der sich gegen theologische Beschäftigung mit dem Phänomen Glauben und damit verknüpft gegen häretische Bibelauslegung wendet: „cur legem lege distringis? … Si peritiam legis ostendere cupis, lectionum nubila disserena. Doce eam sibi non esse contrariam, doce omnia, quae canit, esse credenda. … Sin vero ... sub sono legis ac fidei saecularis amore iactantiae accensus nascentis dei de deo spiritusque sancti inaestimabilem incomprehensibilemque divinitatis perpetuitatem iure ipso, quo ex sese est, argumentis te cogere, examinare, metiri ac discernere posse praesumis hic tibi ego respondere non audeo, sit quippe cum tutius imperitum videri quam esse sacrilegum.“ (Hervorhebungen B. D.). – Zur gegen die Arianer gerichtete Hermeneutik Zenos in Anlehnung an die Methodik des Athanasius s. L. SGREVA, Uso, 64–67; auch ders., Teologia, 408f. zur Differenz zwischen orthodoxer und häretischer Exegese, ebd., 409f. zur Anlehnung an athanasianische Hermeneutik.

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terium der Auslegung und Darlegung ist deshalb simplicitas, damit alle Zuhörer, auch die simplices, erreicht werden können.60 Denn da die Schrift index voluntatis dei ist,61 muss es Ziel der Auslegung sein aufzuzeigen, wie die voluntas dei (im Hier und Jetzt) umzusetzen ist.62 Entscheidende und unerlässliche Voraussetzung für solches Verstehen des Willens Gottes durch den Exegeten und durch die Zuhörer ist auf beiden Seiten der Glaube (fides).63 59

S. II 9,3f.: „Indicat ille [sc. propheta], sed nobis, quos cupit quod facit ac praedicat imitari. … Sed et dominus ipse nos pio promisso quid hortetur, accipite“ (Hervorhebungen B. D.). Vgl. B. STUDER, Exegese, 101: „Ob Buchstabe oder Allegorie, es ging immer um das pro nobis“. 60 II 3,2: „alioquin ista innumerabilis simplicitate sua felicior turba adhuc mortis imperio subiaceret, si legis periti tantum iustificari meruissent. … manifestissimum puto nimis astuto esse simplicem meliorem, quia simplex omnibus dei verbis simpliciter credit“. S. auch I 34,1: „simplici corde scrutanda sunt testimonia eius [sc. dei]“; II 3,5: „Adde quod [lex] a quolibet pro ingenii qualitate argumentis asseritur.“ Vgl. J. SPEIGL, Tertullian, 172, zur simplicitas der Schriftauslegung bei Tertullian. 61 II 3,5; s. auch II 3,3: „per ipsam [sc. legem] dei voluntas populis intimatur“; I 37,8: „Virga et baculus duo sunt utique testamenta , quae ideo materiae ligni sunt comparata , sive quod in eius usu et perpetuo et tutius maneat testatoris voluntas inscripta“. 62 I 54,1: „Insuspicabilis secreti reverendaeque maiestatis vera cognitio est deum non nosse nisi deum nihilque ex eo amplius requirendum quam ut quis eius noverit voluntatem, sine qua ei nec legitime servire poterit nec placere.“ Dem Willen Gottes entspricht konkret etwa die Taufe der Kompetenten, die Teil der gottgewollten Substitution des Judentums durch das Christentum ist, wie die Auslegung des Liedes vom Weinberg (Is 5,1–7) in I 10B,2f. ergibt: „dominus … aliam [vineam] sibi, id est ecclesiam matrem, sua pro voluntate plantavit … Inde est, quod hodie vestro de numero novellae vites … vinariam dominicam cellam communi gaudio repleverunt.“ Ähnlich auch II 11,1. Damit trifft auf die Exegese Zenos auch das zu was, C. J ACOB, Arkandisziplin, 177, zu Ambrosius sagt: „Das Erschließen des prophetischen und mystischen Sinns der Schrift ist damit eher ein Spiegeln der Gegenwart – des Glaubens und des Lebens der Kirche – in bestimmten Gestalten und Geschehnissen der Schrift“. Und ebd., 179: „Der mystische Sinn all dieser Schriftstellen liegt in deren Relevanz für die Gegenwart … Sinn und Berechtigung solcher ,Typologie‘ liegen … im Lesen der Schrift aus der Perspektive (der Initiationspraxis und des sakramentalen Lebens) der Kirche, die für uns hier und heute das Heil, von dem die Schrift spricht, wirklich werden lässt … Der gemeinsame Bezugspunkt der verschiedenen Prophetien und das Kriterium der mystischen Schriftauslegung sind Christus, … die Kirche als Erbin und Ablösung der Synagoge und die Kristallisation des Heils in den Sakramenten der christlichen Initiation.“ Zu solcher „Aktualisierung des heiligen Textes als Hauptaufgabe des Gebrauches und der Auslegung der Bibel“ auch B. STUDER, Exegese, hier 112, und auch 118.123–126. 63 II 3,1f.: „Huc accedit, quod, nisi insinuationem legis omni devotione succincta praecedens amplectatur fides, quae tam sibi quam illi credendo praestet effectum, insinuatio inanis erit, quia incredulo credentis fructum praestare non poterit … Unde dubium non est legem non posse sine fide“; auch wenn lex an dieser Stelle zweideutig verwendet ist, bezieht sich die Aussage sowohl auf das Verstehen der Inhalte der Schrift als

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2. Einsatz in den Traktaten Diese theoretischen Vorgaben Zenos zur Hermeneutik finden ihre Bestätigung im tatsächlichen Umgang des Bischofs mit der Schrift. Es lassen sich zwei Umgangsweisen des Veroneser Bischofs mit der Schrift differenzieren, die eigentliche Exegese und der Einsatz von Zitaten. Einen großen Teil der Traktate widmet Zeno in Form von Homilien ausdrücklich der Schriftauslegung,64 aber auch in Traktaten, die als Ganzes anderen Themen gewidmet sind, arbeitet er auf weiten Strecken exegeauch des dahinterstehenden ,Verhaltenskodexes‘. – Ohne dass der Begriff ein einziges Mal in den Traktaten fällt (wohl aber regula veritatis in I 36,25, jedoch in anderem Kontext), scheint Zeno hier auf die regula fidei als Grundlage jeder Bibelauslegung abzuheben; vgl. B. STUDER, Exegese, 114f.; s. auch L. SGREVA, Uso, 64–67, zur Auseinandersetzung mit dem Arianismus. – Vgl. T ERT. praescr. 14,3f. (CChr.SL 1,198,8–10 Refloué) : „Fides, inquit, tua te salvum fecit, non exercitatio scripturarum. Fides in regula posita est, habet legem et salutem de observatione legis.“ Tertullian wirft den Häretikern deshalb eine falsche Bibelauslegung vor, „weil sie den Glauben verlassen haben“, und benennt deshalb die regula fidei als Kriterium für die Richtigkeit der Schriftauslegung, so J. SPEIGL, Tertullian, 165f.169. G. SGREVA, Teologia, 408, betont, dass Zeno gerade in der Auseinandersetzung mit dem Arianismus dem tertullianischen Verständnis von fides folge, „intesa come attegiamento esperienziale-personale del credente … come virtù morale“; er meint, ebd., für Zeno differenzieren zu können: „Detta in termini moderni, per Zenone la fides qua (fede intesa come atteggiamento personale!) ha decisamente il primato sulla fides quae (quella dei contenuti, sia della Rivelazione come del Magistero). È l’accentuazione tipica di un vescovo impegnato anzitutto a sottolineare la dimensione ,morale‘ ed edificatoria della sua catechesi.“ Solcher Differenzierung wird hier nicht weiter nachgegangen, da Zeno in II 3,1 ausdrücklich die Vermittelbarkeit des Glaubens ausschließt und ihn zur Voraussetzung christlichen Bildungerwerbes macht; vgl. u. S. 530, Anm. 104. 64 I 3 (De circumcisione); I 8 (Tractatus Exodi); I 9 (Tractatus sequentiae Exodi); I 10A (Tractatus Esaiae); I 11 (Tractatus Danielis); I 12 (Tractatus Psalmi XLI); I 13 (Tractatus de Iuda); I 15 (Tractatus de Iob); I 18 (De Exodo); I 19 (De sequentia Exodi); I 20 (De Esaia); I 22 (Tractatus Danielis); I 23 (De Psalmo quadragesimo primo); I 27 (De Genesi); I 28 (De Exodo); I 29 (Item Exodi secunda); I 30 (Tractatus Esaiae); I 31 (Tractatus Danielis); I 34 (Tractatus Ionae prophetae); I 35 (Tractatus Psalmi centesimi); I 37 (Tractatus de somnio Iacob); I 40 (Tractatus de Susanna); I 43 (Tractatus de Abraham patriarcha); I 45 (De Genesi); I 46A (De Exodo); I 46B (De sequentia Exodi); I 47 (Tractatus Esaiae); I 48 (Tractatus Danielis); I 50 (De Genesi); I 51 (De Exodo); I 52 (Sequentia Exodi); I 53 (Tractatus Danielis); I 54 (De nativitate Christi); I 59 (De Abraham); I 60 (De Esaia); I 61 (Item de Esaia); I 62 (Item de Abraham); II 5 (De eo quod scriptum est: Cum tradiderit regnum deo et patri); II 11 (Tractatus de Esaia); II 12 (De nativitate domini et maiestate); II 16 (Tractatus Exodi); II 18 (Tractatus Danielis in pascha); II 20 (Item in die paschae); II 21 (Tractatus de Esaia); II 22 (Tractatus Danielis); II 25 (Tracvtatus paschae); II 26 (Item tractatus paschae cuius supra); II 27 (Tractatus Danielis in pascha); II 30 (De Genesi cuius supra). Einschränkend ist zu sagen, dass nicht alle Traktate, die in der überlieferten Überschrift auf eine Schriftstelle abheben, sich dieser auch ausschließlich widmen.

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tisch.65 Für diese Art zenonischer Exegese wurde andernorts bereits aufgezeigt, dass sie methodisch der Hermeneutik der ‚alexandrinischen Schule‘ folge,66 also die Schrift überwiegend allegoretisch deute, aber auch in Rezeption weitverbreiteter – hier sei ergänzend angemerkt, keineswegs ausschließlich und vorzüglich antiochenischer – Manier, sondern vielmehr in paulinischer Nachfolge 67 – auch das als Ergänzung – Personen und Ereignisse des Alten Testamentes typologisch auf Christus einerseits 68 und auf die Kirche und die Sakramente 69 und damit auf das Jetzt der Gemeinde andererseits deute.70 Damit wird, ohne dass dies in den Untersuchungen zur zenonischen Exegese unter Berücksichtigung aktueller Diskussionen der Hermeneutik der Väter-Exegese insgesamt gesagt wird, eine Differenzierung zwischen (‚alexandrinischer‘) Allegorese und (‚antiochenischer‘) typologischer Auslegung auch für Zeno als obsolet ausgewiesen, die Typologie erweist sich vielmehr unter Anwendung literaturwissenschaftlicher Kriterien auch zenonisch als eine Sonderform der Allegorese. 71 65

S. etwa I 1,17–19; I 2,8–11; I 4,8–10; … II 1,20; II 2,3; II 8,5–8; … u. ö.; s. auch unten 488–499 (exempla aus der Schrift). 66 V. B OCCARDI, Esegesi, 457–466 und bes. 485; auch C. T RUZZI, Zeno, 285. G. SGREVA, Teologia, 409, ergänzt als zenonische Vorlage eine „tradizione esegetica … asiatica (Ireneo e Tertulliano), e anche contemporanea (Ilario)“. 67 Vgl. B. STUDER, Exegese, 105f.; B. STUDER, ebd., 106, geht sogar soweit, ein hinter dieser Form von Exegese stehendes Schriftverständnis auf Jesus selbst zurückzuführen. Zu Paulus auch H. CANCIK-LINDEMAIER / D. SIGEL, Art. Allegorese, DNP I, 1996, 518–523, hier: 522. 68 V. B OCCARDI, Esegesi, 466–479; eine die Aussagen der Traktate weitgehend paraphrasierende Darstellung auch bei G. SGREVA, Teologia, 177–200. Eine Liste christologischer Typologien, unglücklicherweise jedoch nicht getrennt für Zeno, Gaudentius und Chromatius, bei C. T RUZZI, Zeno, 286–290. 69 V. B OCCARDI, Esegesi, 479–484; auch C. T RUZZI, Zeno, 293f. 70 S. C. J ACOB, Arkandisziplin, 179: „Diese biblischen Vorbilder und Typoi sprengen das AT–NT Schema [sic]. Sinn und Berechtigung einer solchen ,Typologie‘ liegen nicht im Lesen des AT aus der Perspektive des NT, sondern im Lesen der Schrift aus der Perspektive (der Initiationspraxis und des sakramentalen Lebens) der Kirche, die für uns hier und heute das Heil, von dem die Schrift spricht, wirklich werden läßt.“ Zur VäterExegese allgemein s. B. STUDER, Exegese, 101f.: „Es handelte sich nämlich in beiden Fällen um eine Aktualisierung eines religiösen Textes. Ob Buchstabe oder Allegorie, es ging immer um das pro nobis, um den Nutzen und die Erbauung … Eine Bestätigung dieser Behauptung kann man im besonderen darin finden, dass die frühchristlichen Autoren grundsätzlich nur auf die dunklen Stellen, auf die obscura, eingingen. Die plana, die ohne weiteres verständlichen Texte, fassten sie nur in Paraphrasen zusammen, ohne sie aber deswegen als weniger nützlich und als weniger erbaulich anzusehen.“ Genau letztere Beobachtung lässt sich gerade auch für Zeno bestätigen. 71 S. H. CANCIK-LINDEMAIER / D. SIGEL, Allegorese, 522: „Unter der Bezeichnung ,Typologie‘ pflegen Theologen diese n[eu]t[estamentliche] Hermeneutik von der A[llegorese] abzusetzen. Die Unterscheidung ist freilich eine rein inhaltliche; als Exegeseverfahren ist die Typologie unter die A[llegorese] zu subsumieren“. – Zur Diskussion um

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Daneben, im Grunde das gesamte Corpus der Traktate durchziehend, nutzt Zeno – und hierin scheint er, wenn auch unter veränderten Bedingungen, Tertullian zu folgen 72 – die Schrift extensiv als Fundus v. a. rhetorisch erforderlicher Autoritätszitate, ein Stilmittel und Argumentationsinstrument, das, wie schon die Anwendung der Allegorese, in vorchristlicher klassischer Literatur und Rhetorik zum gängigen Repertoire gehörte.73 In den meisten Fällen lässt der Prediger mittels der Kommentarliteratur entlehnter einfacher ‚Wortüberleitungen‘ oder ‚Einleitungsformeln‘, 74 häufig aber auch durch stärker auf die Funktion verweisende Verben (testari / probare / affirmare) eingeleitet 75 die Schrift selbst in Form von Zitationen zu Wort kommen. Solche in aller Regel recht kurzen Zitate nutzt der Veroneser Bischof zum einen zur Zusammenfassung vorhergehender sachlicher oder paränetischer Ausführungen – in diesen Fällen greift er auf sentenzhaftes Zitationsmaterial zurück 76 – oder aber zur Verstärkung mo-

das Verhältnis von Typologie und Allegorese in der patristischen Hermeneutik s. C. J ACOB, Arkandisziplin, 160–167. 72 Vgl. J. SPEIGL, Tertullian, bes. 163: „Die Heiligen Schriften waren für Tertullian nie nur ausschließlich die Quelle der Offenbarung, sondern auch so etwas wie Zeugenaussagen, die in einer forensischen Verhandlung geprüft und eingesetzt werden mußten.“ 73 Zum allgemeinen Gebrauch von Autoritätszitaten in der Antike und der Empfehlung durch Quintilian an den Rhetorikschüler s. G. CARLOZZO, La Tecnica della citazione in Quintiliano, Pan 7, 1979, 27–60, passim, bes. 27f. Die Intention ist, ebd., 28, neben dem Schmuck der Rede vor allem „dare maggiore credito ai … discorsi con la testimonianza delle stesse parole di illustri predecessori“. Carlozzo betont die Bedeutung durch Verweis auf die Philosophen, die trotz hohen Selbstbewusstseins nicht auf dieses Instrument verzichteten: „Né avevano trascurato questa consuetudine i filosofi i quali, sebbene si credano superiori a qualsiasi altra persona, per provare e dare maggiore autorità ai propri pensieri non disdegnarono di fare numerose citazioni tratte dai poeti“, ebd. –Vgl. auch B. STUDER, Exegese, 126, und ders., Schola, 107, mit Literaturhinweisen zu verschiedenen Vätern; ebd., Anm. 167f., zur Bedeutung der Autorität anerkannter Ausleger bei der Textinterpretation. 74 Etwa sic dicit, sic dicente, secundum dictum, ut ait, his verbis etc. Vgl. W. GEERLINGS, Methode, 445–447, zu den zum Teil identischen Formeln bei Ambrosiaster; ebd., 447, zur Auslegungstradition der Kommentarliteratur. 75 „ipse testatus … dominus“ in I 15,9; „prophetae testantur“ in I 19,2; „ut … testatus sit, qui in evangelio dicit: …“ in I 25,8; „prophetam fuisse testatum … cum dicit …“ in I 61,2; „his verbis propheta testatur“ in II 12,4; vgl. auch „scriptura teste“ inI 13,1; „evangelica praedicatio … testatur, sicut … scriptum est“ in I 37,6; „Sicut sacra scriptura testatur“ in I 50; „lex … testatur“ in II 3,3; „vetustae legis gesta testantur“ in I 43,1; „lectio universa testatur“ in II 5,7; „Sicut lectio divina testatur“ in II 26,1. – „sacrae legis testimoniis probare non desinam“ in II 1,5. – „claro testimonio veritatis affirmat [propheta]. Sic enim ait: …“ in I 61,3; außerdem auch testimonium in I 37,4; II 1,5; II 18,2. 76 S. etwa die Zitationen von Mt 13,24f. in I 3,22; Mt 11,27 par. in I 15,9; Ps 95,5 in I 25,5; Mc 10,52 in I 36,7; Lc 1,32f. in II 5,6; … u. ö. (Diese Beispiele wurden völlig

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ralisierend-paränetischer Aufforderungen an die Gemeinde – hier nimmt er bereits biblisch vergleichbar paränetische Anreden und Imperative auf. 77 In diesem Kontext werden nun die oben erwähnten Kenntnisse der Zuhörer bezüglich biblischer Autoren wieder relevant; nur wenn die Verfassernamen den Zuhörern bekannt sind, ihre Träger von den Gemeindemitgliedern als Autoritäten geschätzt werden und sie sich an vorchristlichen Größen messen lassen, kann das Stilmittel des Autoritätszitates (testimonium) irgendeine Relevanz haben. An erster Stelle, was die Autoritätsskala angeht, stehen christlich selbstverständlich die Ipsissima verba Domini, die in aller Regel eine Argumentation abschließen (denique o. Ä.),78 gleich gefolgt von den Zitaten des Paulus, häufig auch einfach nur apostolus 79 oder aber in selbstbewusster Betonung und Absetzung gegenüber den vorchristlichen Denkern insignis vir noster.80 Die besondere Hochschätzung des Paulus, die ab ca. 360 für die westlichen Väter typisch wird, 81 für die demnach Zeno – häufig übersehen – als einer der ersten Zeugnis ablegt, äußert sich darüber hinaus außerdem im Attribut beatissimus,82 das nicht so sehr darwillkürlich aus der Fülle der biblischen Sentenzen in den zenonischen Traktaten herausgegriffen.) 77 S. exemplarisch I 3,12 unter abschließender Zitation von Jr 4,3f.: „contemne tuam istam circumcisionem …, sic Ieremia dicente: …Renovate inter vos novitatem et ne seminaveritis in spinis. Circumcidite praeputium cordis vestri“ ; s. etwa auch die eine Argumentation abschließende Reihung der Zitationen von Sir 19,21; Ecl 7,17; Rm 11,20 in II 3,12: „Salomon … cavendum quid sit his verbis edocuit: Melior qui deficit sensu in timore quam qui abundat astutia et transgreditur legem; et iterum: Noli esse sapiens multum et noli argumentari plus quam oporteat. Similiter Paulus: Noli altum sapere, sed time“; etc. etc. (Auch diese Beispiele wurden völlig willkürlich aus der Fülle der biblischen Imperative in den zenonischen Traktaten herausgegriffen.) 78 In aller Regel wird einleitend der Titel dominus mit einer Form von dicere verbunden; auch hier müssen aus der Fülle einige wenige Beispiele genügen, etwa „haec dicit dominus … : Renovate …“ in I 3,12; „domino sic dicente: Simile est …“ in I 3,22; „Sed et dominus ipse dicit: Quid prodest …“ in I 5,9; „dominus … sicut est ipse testatus dicens: Omnia …“ in I 15,9; „quomodo dominus in evangelio dicit: Qui credit …“ in I 35,1; „Denique cum dominus interrogaretur … sic ait dicens: Diliges …“ in I 36,17; auch „secundum domini dictum a quo …“ mit anschließender Paraphrase in II 9,9; etc. etc. 79 Das Verb ait ist neben der Einleitung von Zitaten Christi überwiegend paulinischen Zitaten vorbehalten, etwa: „Propter quod Paulus beatissimus ait“ in I 2,12; „Recte igitur apostolus ait“ in I 5,4; „ut ait apostolus“ in II 5,3; „de quo Paulus ait“ in II 5,4; etc. etc. – Daneben wird die Form ait nur vereinzelt den Subjekten deus in I 27,2; I 45,1; spiritus sanctus in I 40,2; lex in I 8,2; David in I 37,8; II 10,1 und propheta in I 61,2.3.4; II 2,3 zugestanden. 80 II 1,15: „Insignis vir sicut ait noster“. 81 S. B. STUDER, Schola, 244. 82 I 2,12: „Paulus beatissimus ait: …“; I 2,28: „beatissimus Paulus … dicens: …“; I 3,1: „fecit Paulus beatissimus mentionem“. Diesen Ehrentitel teilt Paulus in den zenonischen Traktaten nur noch mit Adam, solange er im Paradies weilte, in I 4,8, mit David,

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auf verweist, dass sein Träger bereits die Glückseligkeit erlangt hat, 83 sondern vielmehr darauf, dass er sie aufgrund eines vorzüglichen Christseins erlangt hat.84 Aber auch alle anderen Namensnennungen fungieren, wenn auch demgegenüber abgeschwächt, natürlich als autoritative, weil zur Schrift gehörige Referenz. Eine auf den ersten Blick scheinbare Bevorzugung von Büchern des Alten Testamentes vor dem Neuen nivelliert sich nicht nur, sondern kehrt sich sogar ins Gegenteil, bezieht man eben die zahlreichen Zitate Christi und des Paulus (ohne eigene Nennung der jeweiligen Briefe) mit ein. So kann zusammenfassend von den zenonischen Traktaten konstatiert werden, was andernorts für die Väter des 4. und 5. Jahrhunderts insgesamt gesagt wurde: Zeno pflegt einen gewissen „Biblizismus“ ähnlich wie seine weitläufigeren Zeitgenossen, die „nie aufhörten, sich auf die Bibel zu beziehen, hier von einer Schriftstelle ausgingen, dort einen eigenen Gedanken mit einem biblischen testimonium veranschaulichten oder zu beweisen suchten.“ 85 Dabei findet sich für Zenos hermeneutische Überlegungen wie für den konkreten Einsatz der Schrift in den Traktaten hier bestätigt, was in der Forschung bereits aufgezeigt wurde, sie sind pastoral motiviert. 86 Seine Hermeneutik ist verknüpft mit einer „necessità di insegnare e diffendere la fede“.87 Innerhalb der christlichen Bildungsvermittlung kommt in I 15,7, mit Jesaja, in I 30, mit dem Märtyrer Arcadius, in I 39,3.9 (wo der Superlativ genuin zenonisch sein dürfte, da die Passio nur zweimal beatus hat, wogegen sich in I 39 insgesamt sechsmal beatus und zweimal beatissimus findet), und mit den ,Missionaren‘ Veronas, in II 11,1 (die Überlegung A. B IGELMAIRs, Traktate, 281, Anm. 3, zu II 11,1 erübrigt sich m. E. : „die Propheten“ können nicht gemeint sein, da Zeno im Vorausgehenden nur von einem Propheten spricht, diese Inkongruenz wäre dem Redner sicherlich aufgefallen; die Zuhörer dürften wohl gerade aufgrund des Attributs beatissimi nicht gemeint sein, da Zeno an keiner Stelle in den Traktaten seine Zuhörer damit anredet. Es handelt sich, wie die Aufzählung der Träger dieses Attributs im Vorangehenden zeigt, vielmehr um einen Ehrentitel, der am ehesten den verstorbenen Vorgängern Zenos zukommt). 83 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 798. Während beatissimus zenonisch nur den wenigen genannten bereits verstorbenen Personen zugestanden wird, muss der zenonische Gebrauch von beatus nicht auf Verstorbene beschränkt verstanden werden; s. hier Anm. 84. 84 S. II 29,3: „Itaque beatus est, semper qui meminit, quod renatus sit; beatior, qui non meminerit, fuit, antequam renatus sit; beatissimus, qui infantiam suam provectu temporis non mutaverit“; provectu temporis ist angesichts der eingeschränkten Verwendung von beatissimus scheinbar zu verstehen als „mit dem Vorrücken der Zeit [bis zum irdischen Tod]“. 85 B. STUDER, Schola, 30. 86 S. V. B OCCARDI, Esegesi, 457. 87 Ebd., 459. Vgl. B. STUDER, Exegese,121: „Ich kann jedoch nicht stark genug betonen …, dass es für die Bischöfe und die Gläubigen leicht war, die christliche Gemeinde,

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dem Einsatz der Schrift daher zuerst die Funktion zu, biblische Sachkenntnis und christliche Sachkenntnis, die sich aus der Interpretation der Schrift ergibt, zu vermitteln.88 Die Sachkenntnis ermöglicht – immer auf dem Hintergrund aktualisierender Interpretation der Schrift – auf der einen Seite eine Abgrenzung sowohl gegenüber dem Judentum als auch gegenüber den Häretikern, auf der anderen Seite erlaubt sie unter Berufung auf die Kontinuität von Altem und Neuem Testament auch eine Legitimation des Christentums (Altersbeweis) gegenüber dem Heidentum. Daneben hat der aktualisierende Einsatz der Schrift in den zenonischen Traktaten auch eine ethische Implikation; die lex richtet sich an Sünder.89 Gerade ‚halbe Christen‘ zeichnet es aus, dass sie zwar die Sachinhalte der Schrift kennen, ihre Gebote jedoch nicht beachten – hier spürt man geradezu die Mehrschichtigkeit des Terminus lex.90 Der Vortrag der in der Schrift enthaltenen Mahnungen soll daher jeden Gläubigen zu einem Leben, das Gott die Ehre erweist und deshalb zum Heil führt, antreiben. 91 Und so dienen letztendlich auch Allegorese, Typologie und Autoritätszitation in ihrer aktualisierenden Dimension der Paränese gegenüber der Gemeinde im Hier und Heute. „La novità ermeneutica zenoniana consiste nell’armonizzare allegorie in gran parte tradizionali con lo scopo di stabilire una teoria della Scrittura basata sull’unità dei due Testamenti in Cristo e sul loro affidamento agli apostoli-ministri della chiesa per la salvezza dei fedeli attraverso la predicazione.“ 92 Allerdings bleibt Zeno dabei ganz Realist: „lex partibus et discitur et docetur“ 93 – auch hier dürfte der Bischof mit der Doppeldeutigkeit von lex spielen. Es bedarf wohl noch weiterer erzieherischer Bemühungen.

im Besonderen wenn sie zum Gottesdienst versammelt war, als Schule zu verstehen, in welcher anstelle der Klassiker die biblischen Schriften gelesen und meditiert wurden.“ 88 Vgl. H. R. SEELIGER, Litteratulus christianus. Beobachtungen und Bemerkungen zum Bildungsgrad der antiken Christen, ThQ 183 , 2003, 297–312, hier: 308: „Die Masse der Christen lernte doch wohl kaum auf diese Weise [d. h. durch einen privaten Vorleser] die Schrift kennen, sondern durch die Verlesung im Gottesdienst.“ Vgl. auch ebd., 309.312. 89 II 3,4 unter Anspielung auf Hab 2,4 und Rm 1,17: „Denique tolle peccatum: cessat legis imperium. Lex enim, sicut scriptum est, iusto posita non est, sed peccatori“. Auch hier spielt Zeno mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs lex. 90 I 35,5: „[Ambigui Christiani] volunt nosse legem, nolunt eius praecepta servare.“ 91 I 13,5: „Aunan … Iudaicus est populus, cui praecipitur, … ut reliquas nationes … ad dei cultum bonae vitae exemplis sacraeque legis religiosis exhortationibus excitaret“; I 13,10: „lex …, quae salutaribus monitis diversis virtutibus diversoque charismate omnium credentium … corda decorare consuevit.“ (Hervorhebung B. D.) 92 V. B OCCARDI, Esegesi, 479. 93 II 3,5.

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II. exempla Bei der Untersuchung des zenonischen Konzepts von Bildungsvermittlung, und nicht nur dort, begegnete bereits mehrfach das Instrument der Exempla. Exempla haben klassisch wie nachklassisch eine wesentliche Funktion in der lateinischen Erziehung, sie gehören zum Repertoire jedes Lehrers und Erziehers. Der lateinische Begriff exemplum bedeutet eigentlich „ein aus einer Menge gleichartiger Dinge Herausgenommenes, woran die diesen gemeinsamen Eigenschaften anschaulich werden“.94 Als Kunstmittel der Rhetorik dient es klassisch der Exornatio, verfolgt aber zugleich das Ziel, die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln,95 und wird als Beispiel eingesetzt zum Aufweis von Ereignissen, die dem vom Redner erwähnten ähneln oder entgegengesetzt sind (exemplum simile, dissimile und contrarium). Diese Ereignisse können sowohl historische als auch frei erfundene sein. Eingesetzt werden sie sowohl zu bloßer Verdeutlichung („erklärende Exempla“) als auch zu moralischer Einflussnahme in Form von Ermahnung zur Tugend bzw. Warnung vor dem Laster („erziehende Exempla“). Formal kann es sich dabei um eine einfache Erwähnung einer Tat oder Person handeln, aber auch um Beispielerzählungen, die, sofern sie paränetischer Intention entspringen, häufig zu ganzen Exempelreihen in Form einer Priamel zusammengeschlossen sind.96 „Die E[xempla] wurden, ebenso wie die sich gleichfalls der rationalen Systematik entziehenden Sentenzen der vulgärethischen Tradition, überall dort besonders hoch geschätzt, wo man Tüchtigkeit primär als Resultat der Übung … verstand (Peripatos), wo man ein lückenloses System der Ethik für unmöglich hielt (Skeptiker) oder wo die moralische Paränese einem philosophisch nicht vorgebildeten Publikum galt (Kyniker).“ 97 Bei den Römern erfreuten sich insbesondere die exempla maiorum zum Aufweis des mos maiorum einer besonderen Wertschätzung und waren daher ein beliebtes Mittel der Erziehung,98 welche – das belegt eben der Einsatz dieser Exempla – vornehmlich moralisch ausgerichtet war.99 Ursprünglich als exemplum domesticum dazu gedacht, einzelne Charakterzüge der eigenen Vorfahren den Zöglingen positiv vor Augen zu führen, entwickeln sich mit der Zeit personifizierte und typisierte Exempla, die von individuellen Eigenschaften abstrahieren 100 und daher als Vorbilder für alle zu Erziehenden dienen können. Besonders die lateinische Geschichtsschreibung entwirft im Zuge dieser Entwicklung regelrechte Beispielsammlungen.101 In das lateinische Christentum gelangt der Exemplum-Begriff über Tertullian, der ihn aus der rhetorischen und juristischen Tradition kennt. Exempla der heidnischen Tradition und Geschichte setzt er extensiv zum Zweck der Diskreditierung ein. Exempla einzelner Tugenden dienen im Werk Tertullians zum Nachweis des Alters des eigenen Ideals und 94 A. LUMPE, Art. Exemplum, RAC VI, 1966, 1229–1257, hier: 1230; s. auch W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 146. 95 S. A. LUMPE, Exemplum, 1230; W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 150. 96 A. LUMPE, Exemplum, 1230f. 97 Ebd., 1235; s. auch W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 151f. 98 S. A. LUMPE, Exemplum, 1235. Zum Ganzen vgl. auch H. KORNHARDT, Exemplum, 26–34. 99 S. H.-I. MARROU, Histoire, Bd. II, 18f. 100 S. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 148. 101 S. ebd., 149.

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damit der Bestimmung des Verhältnisses des Christentums zur antiken Religion.102 Erste Spuren einer christlichen Exempla-Tradition werden bei Tertullian greifbar, die sich als Topoi dann durch die gesamte patristische Literatur ziehen, etwa Abraham als Exempel des Glaubens oder die Apostel und Märtyrer als Vorgänger des gegenwärtigen Christentums. Auch Laktanz arbeitet überwiegend mit den bekannten heidnischen Exempla; anders als Tertullian ersetzt er jedoch deren traditionelle Interpretationen polemisch und v. a. ohne jegliche Begründung durch apodiktisch vorgetragene Uminterpretationen. 103 Ambrosius erweitert das Spektrum, indem er die Exemplum-Vorstellung mit biblischer Typologie verschmelzen lässt, die christlichen exempla maiorum sind ausschließlich biblische Gestalten.104 Erst Augustin leistet über solch geschichtsphilosophisch begründbaren Einsatz von Exempla hinaus einen metaphysischen Beitrag zur Exempel-Theorie: Neben die pädagogische Dimension der Exempla und eine moralisierende exemplarische Geschichtsdeutung tritt bei ihm eine spekulative Deutung der Ideen als Exempla, die in einer anthropologisch orientierten Soteriologie mündet: Das Urbild Christus ist zugleich imago dei und imago hominis, daher ist Christus Weg Gottes zum Menschen (Inkarnation) und eröffnet damit zugleich den Weg des Menschen zu Gott (Erlösung). Alle anderen Exempla sind so für sich genommen letztendlich unzulänglich, nur weil Christus etwa in den Gerechten des Alten Testamentes spiritualiter anwesend ist, sind sie weiterhin sinnvoll pädagogisch einsetzbar. Allerdings bedarf es eines göttlichen adiutoriums, denn erst eine gnadenhafte Unterstützung befähigt den Menschen zur Nachahmung der Exempla.105

Auch im zenonischen Bildungskonzept spielen – neben der Schrift als autoritativem Instrument der Vermittlung religiösen Sachwissens – Exempla, zu einem großen Teil auch selbst der Schrift entnommen und damit Sachwissen aufgreifend, dieses jedoch in besonderer Weise paränetisch verwertend, eine wesentliche Rolle. Es ist jedoch zu fragen, inwieweit Zeno beim Einsatz von Exempla deren klassische Funktion übernimmt und welchen Beitrag er inhaltlich zur Schaffung einer christlichen Exempla-Tradition leistet.106

102

Ausführlich W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 159–164; zuletzt F. CHAPOT, Virtus veritatis. Langage et vérité dans l’œuvre de Tertullien, EAug 186, Paris 2009, 145– 150, bezeichnenderweise unter der Überschrift „L’enseignement par l’exemple“. 103 S. R. HONSTETTER, Exemplum zwischen Rhetorik und Literatur. Zur gattungsgeschichtlichen Sonderstellung von Valerius Maximus und Augustinus, Konstanz 1977, 196f. 104 Ausführlich ebd., 164–168. 105 Ausführlich ebd., 168–227. 106 Zeno, ältester greifbarer lateinischer Prediger und damit zwischen Tertullian, ,dem ersten christlichen Lateiner‘, und Ambrosius, dem ersten großen Bischof im Westen, dem sich gewissermaßen eine eigene oberitalienische Schule verdankt, angesiedelt, leistet als solcher, wenn auch scheinbar nicht direkt rezipiert, doch einen erheblichen Beitrag zur Konstituierung einer christlichen Tradition. Angesichts des umfangreichen und wirkungsvollen Werkes des Ambrosius häufig übersehen, leistet er im Kleinen in vielen Punkten das, was erst mit Ambrosius im Westen als präsent unterstellt wird. Hier ist also zu fragen, welchen Beitrag Zeno dazu leistet, dass bereits mit Augustinus die Entwick-

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1. Funktionen Bei der an erster Stelle vorzunehmenden Untersuchung des Terminus exemplum selbst überrascht zunächst die Feststellung, dass der Begriff explizit insgesamt nur 22 Mal in den Traktaten begegnet, also eine ausgesprochen geringe Verwendung findet gemessen am eigentlichen zenonischen Einsatz von Exempla als erzieherischem Mittel. Unter den expliziten Anführungen des Terminus lassen sich verschiedene Bedeutungen und auch unterschiedliche Funktionszuweisungen ausmachen. 107 a) demonstratives Beispiel Exempla sind an erster Stelle ‚Beispiele‘ im weitesten Sinne, die theoretisch Vorgetragenes verdeutlichen sollen, die Literatur spricht von „erklärende[n] Exempla“,108 sie haben demonstrative Funktion, wie etwa die zenonischen Formulierungen monstrat exemplum 109 oder exempla declarant 110 erkennen lassen. Eine gewissermaßen erweiterte demonstrative, nämlich attestierende Funktion liegt dann vor, wenn das Exemplum als Beleg für eine These angeführt wird.111 Diese Funktion artikuliert Zeno ebenfalls mittels des im Kontext verwendeten Vokabulars. Dazu gehören unter expliziter Verwendung des Terminus exemplum approbet 112 und evilung einer christlichen Exempeltradition als zumindest methodisch abgeschlossen betrachtet werden kann, wie W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 170, dies konstatiert. 107 Die folgenden Ausführungen referieren keine sprachwissenschaftliche Definition des Begriffs, sondern das, was Zeno selbst darunter versteht. Zur sprachwissenschaftlichen Einordnung und Definition s. F. W ITTCHOW, Exemplarisches Erzählen bei Ammianus Marcellinus. Episode, Exemplum, Anekdote, BzA 144, München / Leipzig 2001, insbesondere 13–73. 108 A. LUMPE, Exemplum, 1230. Vgl. H. KORNHARDT, Exemplum, 34: „Mit den verschiedenen nach Rom verpflanzten Zweigen griechischer Wissenschaft wurde auch die geläufige Handhabung der erklärenden [deutlicher vielleicht: bloß illustrierenden] (ebd. Anm. 75) Beispiele in den Unterricht aller Art mit übernommen. Ihre Aufgabe ist, das Auffassen schwieriger und abstrakter Dinge zu beschleunigen und zu erleichtern dadurch, dass sie die gemeinte Sache an sich selbst in einem praktischen Fall vorführen.“ Vgl. auch O. VICENTINI, Morale, 256, Anm. 84, der allerdings nur zwei Arten von Exempla bei Zeno unterscheidet; auch er findet in den zenonischen Traktaten solche Exempla, deren Funktion es ist, „come similitudine … illustrare una verità“, dies seien „fatti o fenomeni naturali“; seien die Exempla jedoch der „storia umana“ entnommen, hätten sie die Funktion „confermare una verità“. 109 I 16,2. 110 I 13,10; I 36,15. 111 S. H. KORNHARDT, Exemplum, 64: „Ebenso scheint der Gebrauch von exemplum als ,Beleg, beglaubigter Fall‘ in wissenschaftlichen Schriften durch Gleichsetzung mit dem griechischen Terminus (= ðáñÜäåéãìá) entstanden zu sein.“ 112 I 25,7 bzw. probare exemplo in II 1,20. Approbare hat in den Traktaten ausschließlich die Funktion, die Beweiskraft von Exempeln zu benennen; s. auch I 2,5;

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dens testatur exemplum 113 oder aber am Ende der Beweisführung Formulierungen wie unde / quapropter / ergo manifestum est,114 unde dubium non est,115 unde apparet,116 constat ergo,117 videtis / videamus ergo,118 die die vorangegangenen Exempla als Teil einer (echt oder scheinbar) syllogistischen Argumentation erweisen.119 In diesem unspezifischen Sinn des demonstrierenden ‚Beispiels‘ wird der Terminus exemplum im Singular wie im Plural insgesamt sieben Mal von Zeno zur Einleitung,120 Weiterführung 121 bzw. zum Abschluss 122 einer positive wie negative Inhalte verdeutlichenden Beispielerzählung 123 oder gar einer Reihe solcher Erzählungen 124 benutzt. Diese Erzählungen sind I 43,2; I 45,3. Für das Verb probare (auch probatio) lassen sich in den zenonischen Traktaten zwei Bedeutungskontexte differenzieren: Es begegnet zum einen wie approbare im Kontext von Exempeln und hat ebenfalls die Funktion, deren Belegcharakter herauszustellen; s. I 2,3.5.7.17; I 14,4; I 25,10; I 36,24; I 59,7; II 1,5.20; II 20,1. Zum anderen dient es dazu, im Sinne von ,billigen, gutheißen‘ Prüfung und Anerkennung eines (tugendhaften) Verhaltens (durch Gott) auszudrücken; so in I 1,19; I 2,10; I 5,7; I 9; I 25,9; I 25,13; I 39,3; I 42,2; I 43,7; I 46B,1; I 59,7; II 5,6; II 12,4; II 21. 113 I 36,19. Der im juristischen Bereich beheimatete Begriff testari begegnet zenonisch aus diesem Bereich abgeleitet, s. etwa I 2,14 und testis in I 4,9; I 40,1.2.3; II 10,1; übertragen auch I 20; I 47; II 21; vgl. auch Gott als testator in I 37,8; daraus ergibt sich testamentum zur Bezeichnung seines Willens, s. I 37 passim, besonders I 37,14; aber auch I 38,4; I 46B,2; II 26,2. Zur Verbindung mit Exempla s. I 36,15.19; II 16; auch testis in I 59,2; II 9,8 und testimonium in I 39,4; I 46A,1; I 54,5. So kann testimonium auch zum Synonym für exemplum werden, etwa in I 1,17 (Susanna); I 4,15 (Abraham und Isaak); I 15,2 (Ijob). 114 I 3,7 (2x) nach vorangegangenen biblischen Exempla; I 36,6; I 36,17; I 37,12 nach Schriftzitaten. 115 I 3,24 nach vorangegangenen biblischen Exempla; I 2,30; I 37,13; II 4,18 nach Schriftzitaten. 116 I 14,4 nach Schriftzitat. 117 I 45,3 nach Schriftzitat. 118 I 3,13.15 nach Schriftzitaten; I 36,28 eine Aufzählung von Beispielen für das Wirken Gottes einleitend. Zur besonderen Funktion von videre s. u. S. 519–527. 119 Schon seit Aristoteles dienen Beispiele als Mittel syllogistischer Argumentation, s. W. EISENHUT, Einführung in die antike Rhetorik und ihre Geschichte, Darmstadt 51994, 33f. 120 Etwa I 1,15: „Venio nunc ad exempla“; s. auch: I 2,27; I 25,7. 121 I 2,8: „Accipe et alia exempla“. 122 Etwa I 4,11: „hactenus exempla prolata sint“; s. auch I 2,11; I 5,17. 123 Dies deckt sich mit der Beobachtung F. W ITTCHOWs, Erzählen, 13 u. ö., dass zwischen Exempel als kleiner „Erzählung mit Zeigegestus“ und Anekdote kaum zu differenzieren ist. Er spricht, ebd., 72f. u. ö., auch von „Narrativität des exemplum“. 124 Vgl. H. KORNHARDT, Exemplum, 83: „Zu allen rechtlichen Exempla lässt sich bemerken, dass das Aufzählen von Reihen dafür charakteristisch ist. Die in den einzelnen Fällen enthaltene auctoritas rechtlicher und persönlicher Art wird auf diese Weise summiert. Zwingend wirkt also weniger das logische Moment – die Analogie der Fälle – als

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der Natur,125 dem täglichen Leben 126 oder der Schrift 127 entnommen. Letztere haben jedoch nach Zeno im Vergleich zu denen aus Natur oder Alltag als certiora zu gelten,128 sie genießen höchste Autorität und dienen daher in besonderer Weise der probatio.129 b) paränetisches Vorbild Auf einzelne Personen bezogen bezeichnet exemplum insgesamt neun Mal, hier dem Bezug entsprechend überwiegend im Singular, das, was man im Deutschen als ‚nachahmenswertes Beispiel‘ oder dessen Gegenteil bezeichnen würde 130 – die Literatur spricht von „erziehende[n] Exempla“ 131 – und was in der klassischen Rhetorik in aller Regel als eigentliches Exemplum gilt.132 Dabei können einzelne tugend- oder untugendhafte Eigenschaften der als Exempel angeführten Personen, aber auch ihre Gesamtdas psychologische, der Eindruck der Fülle … Dieses Anhäufen von Exempla scheint ein römischer und sehr altertümlicher Zug zu sein.“ 125 Der Terminus exemplum in I 4,11 bezieht sich auf Tagesablauf, Mondbahn, Meeresbrandung, Reifen der Früchte, Vogelflug, Fischzug, Jahreszeiten; – hinzuzufügen wäre hier unter inhaltlichen Gesichtspunkten auch I 36,15, wo exemplum den Kampf der Wildschweine bezeichnet, wenn auch der Terminus hier konkret für das Beschriebene steht und nicht eine Erzählung oder Reihe einleitet bzw. abschließt; die Terminologie cotidiana exempla weist auch schon auf die folgende Gruppe von Exempla hin. 126 In I 2,27 bezieht sich der Terminus exemplum auf Ölbaum-Veredelung, in I 5,17 auf Zerstörung von Ländern und Städten, Raub, Mord, Wucher, Erbschleicherei, Betrug etc. 127 In I 1,15 bezieht sich der Terminus exemplum auf Josef, in I 1,15.17 auf Susanna, in I 2,8–10 auf Samuel und Saul, Petrus, Mose und Elija, den geizigen Reichen, Lazarus, Abraham und Mose, in II 1,20 auf Elija und die Witwe. – Zur Zugehörigkeit zur „Gattung“ Exempla vgl. H. KORNHARDT, Exemplum, 64: „Infolge der Übernahme der griechischen Beispiellehre und der Sitte der Beispielsammlungen wurden auch zahllose einzelne über die ganze Literatur verstreute mythologische, historische u. ä. Beispiele als exempla (externa) bezeichnet und eine Reihe von Kategorien, die inhaltlich und begrifflich dem Römischen fremd waren, wie etwa die aus dem naturwissenschaftlichen Gebiet stammenden, übernommen.“ 128 S. I 2,8: „Accipe et alia exempla et quidem certiora .“ Vorausgegangen waren nichtbiblische Beispiele. 129 R. HONSTETTER, Exemplum, 185f., spricht bei klassischen Exempla von „Stützexempla“, die einem übergeordneten Exemplum von besonderer Wichtigkeit in „schulmäßiger brevitas“ folgen und ausschließlich dem „probatio-Zweck“ dienen. Ebendiese Funktion der klassischen Exempla lässt sich in gleicher Weise auch hier bei den neuen, christlichen, insbesondere biblischen Exempla Zenos beobachten. 130 Vgl. A. MERKT, Maximus, 36: „exempla, das heißt Bilder, die Handlungsmodelle darstellen“. 131 A. LUMPE, Exemplum, 1230. 132 R. HONSTETTER, Exemplum, 185–187; H. KORNHARDT, Exemplum, 13–34.55–59 und v. a. 63. Dies deckt sich mit dem „exemplum als reinem Verweis auf eine außertextuelle Person oder Handlung“ bei F. W ITTCHOW, Erzählen, 13.

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persönlichkeit im Zentrum stehen 133: Zur bloß demonstrativen Funktion hinzu kommt so ein paränetischer Aspekt, was zenonisch u. a. die Terminologie exemplo docere 134 belegt. Zeno greift bei positiven Vorbildern, die explizit mit dem Terminus exemplum belegt werden, ausschließlich auf Personen der biblischen oder kirchlichen Geschichte zurück, bei negativen bedient er sich sowohl außerbiblischer wie biblischer Beispiele. 135 c) autoritativ-attestierender Beleg Von der unspezifischen Bedeutung des Begriffs exemplum ‚Beispiel‘ und ‚Vorbild‘ zu unterscheiden ist seine Verwendung im Sinne von ‚Inhalt, Wortlaut (einer Schrift)‘.136 In dieser Verwendung lässt Zeno den Terminus, überwiegend im Singular, ausschließlich biblischen Zitaten (im Unterschied zu biblischen Exempla) vorangehen.137 Diese haben wie schon die ‚demonstrierenden Beispiele‘ und die ‚nachahmenswerten Vorbilder‘ demonstrative Funktion – man kann an ihnen Sachverhalte erkennen (agnoscere) 138 –, darüber hinaus aber haben sie v. a. eine verstärkte at-

133

H. KORNHARDT, Exemplum, 13–34, besonders 34.57.88. I 40,1: „Susanna ... docuit ... exemplo.“ 135 Biblische ausdrücklich als positive Exempla vorgestellte Personen sind Abraham und Isaak (I 4,15), Onan, der allerdings nicht selbst Exemplum ist, sondern solche in den Bereichen der Lebensführung und der Religion – deshalb der Plural – geben sollte (I 13,5), Susanna (I 40,1), die Drei Jünglinge (I 53,1), die ebenfalls nicht selbst Exemplum genannt werden, aber „an jedem (anderen) Tugend-Vorbild gemessen“ werden („omnique virtutum exemplo famigerabilem“ kann sinnvoll nur als Ablativus respectus innerhalb einer vergleichenden Beurteilung interpretiert werden; vgl. H. RUBENBAUER / J. B. HOFMANN / R. HEINE, Grammatik, 170). Hinzuzunehmen ist hier auch Christus selbst (I 16,2), der allerdings nur insofern paränetisch in Bezug auf christliche Hoffnung angeführt wird, als er die Auferstehung aller Gläubigen in seiner eigenen vorgeführt hat. Negativ-Beispiele sind Judas Iskariot (I 36,19), die Juden im Allgemeinen (I 30), aber auch (außerbiblisch) alte Frauen, die jungen Mädchen ein negatives Beispiel geben (II 7,10). 136 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2539; auch H. KORNHARDT, Exemplum, 54f. 137 Ps 22,4f. inI 13,10; Ps 113,12 bzw. 134,15 in I 14,4; Mal 1,10f. in I 25,7; Lc 9,62.17,32 in I 37,12. Auf Mt 10,23 hebt I 39,3 ab; dies ist die einzige Stelle, an der das Schriftzitat nicht ausdrücklich folgt, es wird offensichtlich in seinem Wortlaut als bekannt vorausgesetzt. Exemplum ist hier daher eher mit „Schriftinhalt“ zu übersetzen. (Das fehlende Zitat könnte u. a. gegen eine primäre zenonische Verfasserschaft dieses Traktates ins Feld geführt werden. Zenonischem Sprachgebrauch entsprechend müsste dem Terminus exemplum im Sinne von „Schriftzitat“ das Zitat selbst auf jeden Fall folgen.) C. T RUZZI, Zeno, 260, Anm. 30, versteht unter exemplum in diesem Sinn „una argomentazione consistente in un passo biblico“. 138 I 37,12: „qui sint, in exemplis agnoscimus.“ Es folgen hier Lc 9,62.17,32 sowie Gal 4,9. 134

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testierende Funktion, sie dienen im Unterschied zum einfachen ‚Beispiel‘Exemplum als höchst autoritativer Beleg.139 Unter den so verwendeten Schriftzitaten mit autoritativer Qualität nehmen natürlich die Ipsissima verba Christi die bedeutendste Position ein. Sie werden von Zeno selbst zur Bestätigung biblischer Exempla, die nicht wörtliche Schriftzitate sind, herangezogen. 140 Indirekt arbeitet Zeno durch den Verweis auf die oberste Autorität natürlich auch hier paränetisch. Auf den ersten Blick uneindeutig ist die Verwendung des Terminus exemplum in II 8,2, der engere Kontext und insbesondere die Verbindung mit dem Begriff ratio lassen zunächst nicht erkennen, welche Kategorie von Exempla gemeint ist. 141 Berücksichtigt man jedoch den Kontext des gesamten Traktates, wird an den immerhin 15 Schriftzitaten 142 deutlich, dass mit exempla eben diese gemeint sind und mit ratio ihre Bedeutung.143

139

So auch C. T RUZZI, Zeno, 260, Anm. 35: „si noterà anche come egli [sc. Zeno] collochi i passi biblici con particolare abilità di dispositio retorica, cioè in modo da renderne più operante la forza probativa; anche accumulando vari luoghi della scrittura: richiama in ciò la maniera di Cipriano“. Vgl. auch H. KORNHARDT, Exemplum, 71– 73.75–77 zum Zusammenhang von Exemplum und Auctoritas in staatsrechtlichem und sakralrechtlichem Kontext; s. ebd., 75f.: „Wo die Anwendung der allgemeinen rechtlichen oder moralischen Normen zweifelhaft ist, tritt die Auctoritas in Kraft. Sie verleiht dem einzelnen Präzedenzfall eine Geltung, die sich, wenn dieselbe Frage später wieder einmal aufgeworfen wird, nicht ohne weiteres beiseite schieben lässt.“ – Zeno sagt dies besonders deutlich in I 5,17; dort stellt er am Ende seiner Ausführungen zur Habsucht fest, dass er ja nicht zu avari, sondern über avari gesprochen habe, ansonsten hätte er nämlich nur in divina exempla, also Schriftzitaten, reden dürfen: „Sed nos non ad avaros, sed de avaris sermonem fecimus, fratres; alioquin solis divinis exemplis oportuerat perorare, esset si quis hic talis.“ Dem Sünder gegenüber zeitigt offensichtlich nur die oberste Autorität Wirkung. 140 S. etwa I 2,11: „Nam et dominus ista exempla confirmans ... ait: ... Itaque“. Vorangegangen waren biblische Exempla, es folgt Lc 23,43 (Jesus am Kreuz). Selbst in I 37,12, wo den Schriftzitaten zunächst die demonstrative Funktion zugewiesen wird, schließt sich ein autoritativ bekräftigendes dominus ait an. 141 II 8,2: „Quibus omnibus [sc. sectis tribus principalibus] exempla vel ratio, quam prosecuturi sumus, argumentationis totius uno ictu omnes nervos abscindet.“ A. B IGELMAIR , Traktate, 216, übersetzt exempla vel ratio mit „Beispiele oder vielmehr die Begründung“; P. LEIPELT, Traktate, 223, „die Beispiele oder vielmehr die Methode“; G. B ANTERLE, Discorsi, 269, „gli esempi o il ragionamento“; G. EDERLE, Sermones 1958, 123, „la autorità e le ragioni“. Ederle scheint als einziger Übersetzer überhaupt einen inhaltlichen Unterschied zwischen ,Beispiel‘-Exempeln und autoritativen ,Zitat‘-Exempeln wahrgenommen zu haben, hält eine Differenzierung aber auch nicht konsequent durch. In I 5,17 übersetzt auch er divina exempla einfach mit „esempi tolti dalla Sacra Scrittura“ (G. EDERLE, Sermones 1958, 59). 142 S. Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 176–178. 143 Vgl. dazu die häufige Verwendung von ratio in der Bedeutung von ,Sinn (vgl. H. MENGE, Großwörterbuch, 637), Bedeutung, Inhalt‘, oft auch im Zusammenhang mit dem Inhalt bzw. dem Sinn der Schrift, in: I 2,28; I 25,1; I 27,1; I 35,1.2; I 37,5.9; II 2,1; II 4,3; II 6,5; II 30,1.4. Aufschlussreich sind in Hinblick auf die Bedeutung von ratio

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Demonstrative, paränetische und autoritativ-attestierende Funktion der Exempla lassen sich jedoch nicht nur indirekt aus der Verwendung des Terminus ableiten, Zeno äußert sich auch selbst explizit dazu. So formuliert er in I 1,15: „Venio nunc ad exempla, quae sunt negotio vel maxime necessaria, quia plus est quod geritur quam quod dicitur“. An ein und derselben Beispielerzählung, nämlich der von Josef und der Gattin des Pharao,144 will Zeno im Folgenden das Laster der impudicitia und die Tugend der pudicitia aufzeigen.145 Zeno hebt mit seiner Einleitung auf zwei Funktionen der Exempla gleichzeitig ab. Vordergründig sind die geschilderten Taten deshalb bedeutsamer (plus) als das bloße Wort – gesta machen vielfach exempla aus und können terminologisch den Begriff exemplum geradezu ersetzen 146 –, weil sie zuerst das Gesagte anschaulich machen, demonstrieren. Zeno weiß aber – ohne dies ausdrücklich zu sagen – auch, dass der geschickte Einsatz von Exempla den moralischen Impetus des Gesagten verstärkt. Gerade die Gegenüberstellung von pudicitia und impudicitia fordert, aus der theoretischen Erörterung in einen konkreten Zusammenhang gestellt, die Zuhörer zu einer moralischen Entscheidung pro bzw. contra geradezu heraus. Die autoritativ-attestierende Funktion der Schriftbelege führt Zeno ausdrücklich in I 25,7 an: „Unum sane necessario proferemus exemplum, quod et Iudaei odiosum et Christiani sacrificium approbet deo gratum, apud Malachiam prophetam“.147 Auch hier wird eine Entscheidung für bzw. gegen etwas, nämlich das christliche bzw. jüdische Opfer, eingefordert. Es bedarf aber offensichtlich mehr als bloßer Vorbilder, um zu überzeugen. Gott selbst wird im Schriftzitat als Autorität angeführt (dominus dicit). Damit erübrigt sich jede weitere Erörterung, Zeno kann zum nächsten Inhalt übergehen.

v. a. I 25,1: „In omni negotio, fratres dilectissimi, nisi quis ante personam noscat et rationem, eius non potest nosse veritatem“ und I 35,1: „Neglegentes legis sacrae cultores saepe magno inplicantur errore, cum aut dicta non pro locis intelligunt aut dictorum minime rationes inquirunt.“ Die ratio der Schrift ist für Zeno der entscheidende Gegenpol zu philosophischer Argumentation und theologischer Spekulation. 144 Gn 39,7–21. 145 Es folgt außerdem noch die Geschichte von Susanna, Dn 13. 146 S. etwa I 43,1, wo die im Alten Testament geschilderten Ereignisse ( gesta ) ausdrücklich in ihrer Belegfunktion (testari) angeführt werden: „Abraham, fratres dilectissimi, quale divinae pietatis munus acceperit, vetustae legis gesta testantur.“ Das Verb gerere, das in den Traktaten überwiegend in der Bedeutung ,tun, handeln, vollziehen‘, auch ,sich ereignen‘ begegnet, ist an weiteren Stellen eng mit exempla verknüpft; in I 34,9 wird eine Aufzählung beispielhaften Verhaltens ( gesta ) der Niniviten, die mit der ecclesia ex gentibus gleichgesetzt werden – in diesem Sinne ist im Folgenden comparatio zu verstehen –, eingeleitet mit: „Denique comparationem salutaria gesta confirmant, quae et in nobis manent“; in I 36,15 wird das Exempel des von den Schweinen praktizierten amor eingeleitet mit einem Hinweis auf ihr gegenseitiges Verhalten (quid gerant) in Notsituationen: „Quid autem pro se in necessitatibus gerant, omnibus nota porcorum cotidiana propemodum tam iucundi certaminis exempla declarant“; in I 39,1 sind es die gesta des als exemplum vorgestellten Märtyrers Arcadius, die zum Sieg geführt haben und deshalb erinnert werden sollen: „Dum beati Archadii martyris gesta annalibus triumphanda mandamus“. 147 Es folgt Mal 1,10f.

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Das, was bisher über die Funktion, die Zeno den Exempla beimisst, gesagt werden konnte, findet eine indirekte Bestätigung an Stellen, an denen Begrifflichkeiten wie pauca, ecce oder hinc statt einer expliziten Anführung des Terminus exemplum gleichsam stellvertretend auf Exempla hinweisen. Hier ist zuerst das Plural-Neutrum pauca zu nennen. 148 Es geht in der Regel erklärenden Ausführungen Zenos voraus, man könnte daher geneigt sein, es mit der Umschreibung ‚in wenigen Worten‘ zu übersetzen.149 Dass eine solche Übersetzung zwar das Gemeinte andeutet, jedoch wohl zu kurz greift, zeigen demgegenüber die ausdrücklichen zenonischen Formulierungen paucissimis bzw. paucis verbis.150 Vielmehr lässt zum einen schon die Verbindung von bloßem pauca mit Verben wie attingere (im Sinne von ‚in der Rede besprechen‘),151 expedire (im Sinne von ‚in der Rede oder Schrift entwickeln bzw. darlegen‘),152 insinuare (im Sinne von ‚in die Rede einfügen‘) 153 bzw. degustare (im Sinne von ‚sondieren, prüfen‘) 154 und accipere (im Sinne von ‚vernehmen, erfahren‘) 155 argumentierende bzw. belegende Ausführungen erwarten – „Unde pauca de multis attingam, ut omnium probationem haud dubie in paucis expediam“ wie Zeno selbst sagt.156 Zum anderen bestätigen dies die anschließenden Ausführungen Zenos, die entweder Erklärungen wie etwa eine mit Schriftzitaten untermauerte theoretische Erörterung zum Thema ‚Beschaffenheit des Leibes‘,157 eine Allegorese des Weinberges 158 oder eine allegoretische Deutung des neuerbauten Kirchengebäudes, 159 oder aber tatsächlich Beispiele etwa aus der Natur (einschließlich des Phönix-Mythos) als Beleg für die Auferstehung 160 oder aus dem Kult und der Geschichte des Judentums zum Beleg für die Unzulänglichkeit des jüdischen Paschas 161 beinhalten. 148

Vom insgesamt 16fachen Gebrauch des Wortes paucus, das zenonisch ausschließlich im Plural begegnet, beziehen sich nur sechs Nennungen auf Personen: I 36,11; I 61,7; II 1,16; II 5,6; II 6,10; II 9,5. 149 Wie dies A. B IGELMAIR, Traktate, 198, etwa für „unde rem paucis expediam“ in I 2,24 und ebd., 285, für „quam paucis accipite“ in I 10A tut oder P. LEIPELT, Traktate, 194, ebenfalls für I 2,24 und ebd., 304, für „paucis eius degustate sermonem“ in I 10B,1; vgl. auch G. B ANTERLE, Discorsi, 47, „con poche parole“ für I 2,24 in deutlicher Anlehnung an A. B IGELMAIR, Traktate, 198. 150 I 35,3; II 1,6. 151 I 2,17: „unde pauca de multis attingam“. 152 I 2,17: „in paucis expediam“; I 2,24: „unde rem paucis expediam“. 153 II 6,5: „Igitur ne quis operis rationem a me forte disquirat, paucis insinuabo.“ 154 I 10B,1: „paucis eius degustate sermonem“. 155 I 10A: „quam paucis accipite“; I 51: „paucis accipe, Christiane“; II 17: „paucis accipite“. 156 I 2,17. 157 I 2,25. 158 I 10B,2f. 159 II 6,5. 160 I 2,17. 161 I 51; II 17. – Einer Erklärung in I 2,25 schließt sich außerdem doch noch ein Beispiel an, nämlich das der Veredelung eines Ölbaums in I 2,27 als Illustration für die Verwandlung des Leibes nach der Auferstehung. Und in II 6,5 schließt sich innerhalb einer Allegorese eine Aufzählung der Gemeindemitglieder als Teil des ,neuen Tempels‘ an.

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Deutlicher auf vorangegangene Exempla bzw. deren nachfolgende Deutung weist die Interjektion ecce hin und belegt damit gleichzeitig deren demonstrative bzw. attestierende Funktion. Klassisch steht sie zum Ausdruck einer körperlichen oder geistigen Empfindung, u. a. als Ausdruck der Verwunderung (‚oh‘) oder der Überraschung (‚ah‘), 162 und so kündigt sie auch bei Zeno Unerwartetes an. 163 Als demonstrative Partikel weist ecce aber auch auf eine Erscheinung hin oder richtet die Aufmerksamkeit auf die Betrachtung eines Gegenstandes,164 zenonisch etwa der einzelnen Elemente der Taufe. 165 In diesem Sinne kennzeichnet sie in den Traktaten dann insbesondere auch zwölf Mal konkrete Exempla;166 fünf Mal leitet sie aber auch eine Exempeln nachfolgende Deutung ein.167 Ähnlich verhält es sich mit dem Adverb hinc,168 gelegentlich auch korrespondierend mit illinc. Allerdings weist hinc anders als ecce überwiegend auf negative Exempla bzw. deren Deutung hin. 169 Nur gelegentlich weist umgekehrt hinc auf ein positives Exemplum hin.170 Schließlich stößt man bei der Verwendung von hinc auch auf die autoritativ attestierende Funktion von Schriftzitaten, wenn ein solches als Beleg für die Unangemessenheit der jüdischen Beschneidung mit diesem Adverb angeschlossen wird. 171

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H. RUBENBAUER / J. B. HOFMANN / R. HEINE, Grammatik, 115. I 4,15; I 38,1; I 39,4.7 jeweils ohne einen Zusammenhang mit einem Exemplum. 164 K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2328. 165 II 28 (3x). 166 Sie weist in I 43,2 auf das Verhalten Abrahams als Zeichen für Gottvertrauen hin, leitet in I 59,4.6 die Vorstellung Saras bzw. Abrahams oder in II 15 der Drei Jünglinge als biblische Exempla ein; bei den zahlreichen zenonischen Beispielen aus dem täglichen Leben steht sie in II 4,15 (2x).16 (2x) als Hinweis auf die Vergänglichkeit des Körpers, in II 7,8 (2x) als Hinweis auf den Einsatz von Schönheitsmitteln und der Haarpflege und in II 7,9 (2x) als Hinweis auf die Untreue gegenüber dem Ehemann. 167 So in I 14,2 die Einordnung von Beispielen des Wirkens der avaritia, mit Mal 4,2 in I 15,7 die Interpretation des biblischen Exemplum Ijob, in I 43,6.7 die Deutung des Verhaltens Abrahams, schließlich in II 8,8 die Bewertung der Stellung der Frauen als Nachkommen Elisabeths und Marias. 168 Nur ein einziges Mal benutzt Zeno hinc hier korrespondierend mit inde in seiner eigentlich lokal beschreibenden Bedeutung beim Durchzug durch das Rote Meer in I 29,1: auf der einen Seite (hinc) die Ägypter, auf der anderen Seite (inde) das Wasser. 169 In I 2,13.14 auf die zu Unrecht trauernde Mutter bzw. Gattin, innerhalb einer Exempelreihe in I 5,12f. auf den Wucherer, dem mit illinc anschließend der, der seinen Grund und Boden anderen versperrt, folgt, oder in II 4,9.11, die Beschaffenheit des Menschen aufzeigend, auf das ,Fleisch‘, dem positiv mit illinc der Geist gegenübergestellt wird. Rückverweisend auf die impietas der Juden aufzeigende Exempla leitet auch hinc in I 47 die Deutung für diejenigen ein, die dem Negativ-Beispiel folgen: „Hinc aestimare licet, quid eis sit reservatum, quorum in causa funerei luctus poenae pertulit natura supplicium.“ Inhaltlich vgl. R. KAMPLING, Juden, 23, der bei der Analyse insbesondere der Traktate, die sich mit Is 1,2 auseinandersetzen, d. h. I 20; I 30; I 47; I 61; II 21, herausarbeiten kann, dass die Aufgabe der Juden nach Zeno darin besteht, „ein Negativ-Beispiel, aus dem der Christ zu lernen vermag“ zu bieten. 170 In I 15,3 auf Ijob, dem mit illinc der Teufel vorangegangen war. 171 I 3,14. 163

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Wenn auch die Funktionszuweisungen den Nutzen der Exempla in allen ihren Funktionen deutlich durchscheinen lassen, so weist Zeno an anderer Stelle doch auch klar darauf hin, dass es sich beim Einsatz von Exempla ausschließlich um Werkzeuge, um Mittel zum Zweck handelt, die nur als solche einen Wert haben. Bezüglich ihrer Inhalte nimmt Zeno daher ausdrücklich eine einschränkende Bewertung vor: Sie sind veri simile, dem Wahren ähnlich, aber nicht veritas, sie sind nützliche Analogie, entsprechen aber in ihrer Wirksamkeit nicht der dahinter stehenden Realität: „unum evidens adhuc proferamus exemplum, quamvis non possit veri simile tantam vim habere quam veritas.“ 172 Deutlich ist hier platonischer Einfluss zu erkennen.173 Ihren wirklichen Nutzen können die demonstrativ wie paränetisch eingesetzten Exempla nur im Zusammenwirken mit anderen Instrumenten entfalten. Dasjenige, dem zugleich auch autoritative Qualität zukommt (und das, wie bereits angemerkt, selbst als Exempel-Fundus genutzt wird), ist die Schrift. Nur im Zusammenwirken mit dieser können Exempla bei demjenigen, dem sie präsentiert werden, Konsequenzen zeitigen. 174 Denn das Exemplum ist das Instrument, das in Vertretung einer Autorität dieser Anschaulichkeit verleiht,175 da „richtig dargebotene exempla … [einen] einsehbaren Grund durchscheinen“ lassen.176

172 I 2,27. (Es folgt eine Abhandlung über die Veredelung eines Ölbaums als Beispiel für die Verwandlung des menschlichen Leibes nach der Auferstehung.) – In dieser Einschätzung der Exempla folgt Zeno damit Tertullian, der Beispiele, auch heidnische, subsidiär heranzieht, sie im pädagogischen Bereich für unumgänglich hält, sie jedoch immer am im strengen Sinne ersten Beispiel Gottes bzw. seines Sohnes misst; s. W. GEERLINGS, Vom Prinzip Bewährung zum Prinzip Offenbarung. Die Umbildung der antiken Geschichtsphilosophie, ThPh 64, 1989, 87–95, hier: 92; und auch Ambrosius misst den Wert der Exempla an ihrer Nähe zu Christus; s. ebd., 93. – Vgl. auch H. KORNHARDT, Exemplum, 34, zur Funktion erklärender Exempla bei den römischen Klassikern: „Sie sind aber nicht selbst Gegenstand des Lernens, sondern Beiwerk, ,Hilfskonstruktionen‘, die auch fehlen können.“ – Hier deutet sich bereits die ambivalente Haltung Zenos dem Einsatz rhetorischer Mittel gegenüber an; s. u. S. 503–514. 173 Vgl. auch W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 153–155. 174 Ausdrücklich so inI 13,5 von Onan gesagt, der, innerhalb einer Allegorese für das jüdische Volk stehend, mittels der Exempla seiner Lebensführung und der frommen Ermahnungen der heiligen Schrift die übrigen Völker zur Verehrung Gottes veranlassen sollte: „Aunan ... ut reliquas nationes ... ad dei cultum bonae vitae exemplis sacraeque legis religiosis exhortationibus excitaret.“ 175 S. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 156f. Vgl. dazu die Funktion des zenonischen Einsatzes des Verbs videre unten S. 519–527. 176 Ebd., 157.

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2. Exempelgruppen Den differenzierbaren Funktionen der Exempla sind verschiedene Gruppen konkreter Exempla zuordenbar. Dabei ist – das sei hier angemerkt – eine Grenzziehung zwischen Exemplum und Anekdote auf der einen sowie Exemplum und Metapher oder Allegorie bzw. auch Typologie auf der anderen Seite gerade in Anwendung der sprechenden Bilder aus den Bereichen Natur, Alltag, Umwelt und Bibel kaum möglich.177 a) aus der Natur Eine fast ausschließlich demonstrative Funktion haben die Beispiele bzw. Beispielerzählungen, die Zeno der Natur entlehnt als Beleg für bestimmte Glaubensinhalte. Dazu gehören die Lehre von der Auferstehung, für die der natürliche Jahresablauf und damit verbunden die regelmäßige Wiederkehr des Osterfestes als Beleg angeführt werden,178 bzw. die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod, das sich u. a. im Krankheitsbild der ‚Besessenheit‘,179 dann aber v. a. auch in Naturphänomenen wie Sternschnuppen, Auf- und Untergang der Sonne, zu- und abnehmendem Mond, im Phönix-Mythos und im Aufkeimen von Getreidesamen artikuliert.180 Die Verklärung des Leibes nach dem Tod hat schließlich ein Vorbild in der Veredelung des Ölbaums. 181

Werden Erfahrungen aus der Natur demgegenüber als Beispiele für Tugenden angeführt, bekommen sie automatisch einen paränetischen Akzent. Als Beispiel für den Gehorsam gegenüber Gott führt Zeno an, dass weder der Himmel den Regen noch die Erde die Ernte verweigern. 182 Die Tugend der Geduld äußert sich in der Natur im Lauf der Sonne und des Mondes, in Sturm und Ruhe des Meeres, in den Jahreszeiten, im Vogelgesang und -flug und in den Fischschwärmen. 183 Zeichen aus der Natur dafür, dass Gott der Ursprung der Liebe (caritas) ist, sind neben der Erschaffung des Menschen der Wechsel der Jahre, Jahreszeiten, Monate, Nächte, Tage, der Sonne und des Mondes. 184 Und die gerechte Verteilung der Güter unter den Menschen hat 177 Schon antik gab es keine saubere Differenzierung, s. H. KORNHARDT, Exemplum, 63: „Nach griechischer Lehre fielen unter diesen Begriff (= ðáñÜäåéãìá): die historischen Beispiele aller Art (die bisweilen auch allein unter der Bezeichnung verstanden wurden), moralisierende Anekdoten aus dem Leben und aus der Geschichte, Apophthegmata, Gleichnisse, Vergleiche, Metaphern, Fabeln, Denksprüche usw. Infolge der Gleichsetzung mit dem griechischen Fachausdruck wurde exemplum zur Bezeichnung aller der genannten unter diesen Begriff fallenden Dinge“. Vgl. auch F. W ITTCHOW, Erzählen, 34–44. 178 I 57. 179 I 2,5–7. 180 I 2,17–22. 181 I 2,27. 182 I 61,2. 183 I 4,4–6. 184 I 36,28.

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schließlich ihr Vorbild darin, dass den Menschen Tag und Sonne, Nacht und Regen, Leben und Tod in gleichem Maße zugeteilt werden. 185

Für die Exempla aus der Natur ist insgesamt zu konstatieren, dass sie ausnahmslos als positive Exempel ins Feld geführt werden. Die Natur ist nach Zeno von Gott offensichtlich so eingerichtet, dass sie nur positiv auf Gottes Willen reagieren kann. Moderner Paränese, die immer auch den freien Willen des Menschen im Blick hat, sind solche Exempla daher völlig fremd. Für den antiken Freiheitsbegriff war jedoch vorwiegend das Kriterium der universalen Ordnung oder des Kosmos bestimmend: „Freiheit war nicht das, worauf der Mensch sich berufen konnte, sondern vielmehr, woraufhin er zu seiner Ordnungsverantwortung berufen werden konnte.“ 186 Wenn Zeno mit scheinbar unverfänglichen Exempla aus der Natur argumentiert, bleibt er auch in diesem Punkt vorchristlicher Tradition verbunden.187 b) aus dem Alltag Anders verhält es sich mit den Belegen, die Zeno aus dem täglichen Leben anführt. Er benutzt solche Exempla vor allem als Beispiele für die Äußerung bestimmter Tugenden bzw. Untugenden. Ein Sonderfall liegt dann vor, wenn er mit den Beispielen den Zweifel an christlichen Glaubensoder Lehrinhalten aufzeigen will. Unter den Tugenden widmet sich Zeno besonders ausführlich der Darstellung der pudicitia. Diese Tugend wird als Personifikation gewissermaßen zum Vorbild erhoben, ihre Eigenarten zeigen sich als einzelne zwar im alltäglichen Bereich, gebündelt aber, in Form eines Kataloges von Zeno aufgelistet, können sie nur der personifizierten Tugend selbst zukommen 188: „Sie sichert die Grundlagen der gesamten Menschheit, (und zwar indem) sie (etwa) alle Gefühle tatsächlich das sein lässt, was ihre Namen beinhalten, (indem) sie die heiligen Rechte von Eltern, Eheleuten und Kindern schützt; (sie sichert die Grundlagen, dadurch dass) sie diejenige ist, die beide Geschlechter auszeichnet und jedes Lebensalter bewundernswert macht (wenn sie besessen wird), (dadurch dass) sie diejenige ist, an der in welcher Situation auch immer kein Zweifel aufkommt, diejenige, die einzig sich selbst treu ist, die immer ein gutes Gewissen hat, die völlig unabhängig von anderen Dingen ist und ausschließlich den Ehrgeiz kennt, noch besser zu sein als ihr

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II 1,18. H. B LUMENBERG, Kritik, 496. 187 So ähnelt etwa der Verweis auf den Lauf der Gestirne zum Nachweis der Auferstehung dem schon seit Xenophon, Platon und Aristoteles bekannten, jedoch durch die Stoa nachdrücklich hervorgehobenen „Gedanken, dass Gott aus der wundervollen Ordnung der Gestirnsbewegung erkannt werden kann“, so C. RIEDWEG, Stoa, 67, die in der zeitgenössischen Kritik Julians am Christentum wieder von Bedeutung werden sollten; s. ebd., 66.68f. 188 Damit kommt sie der heidnischen Göttin sehr nahe; vgl. o. S. 287f. 186

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Ruf.“ 189 Dieser positiven Auflistung stellt Zeno einen negativen Katalog gegenüber, und zwar indem er der personifizierten Tugend Abneigungen zulegt: „Ja, in der Abgeschiedenheit, die von Ehebrechenden Gelegenheit genannt wird, fürchtet sie sich selbst als Richter, und sie scheut jeden einsamen Ort mehr als die Öffentlichkeit. Sie hasst die verderblichen Reize ihrer Feindin, des Fleisches, und was auch immer die Welt an Genüssen und (Bestechungs-) Geschenken 190 aufdrängt, sie weist sie in Gänze zurück in der Gewissheit, alles zu haben, wenn sie (nur) sie selbst 191 bleibt. Nach niemandem verlangt sie auf unmoralische Weise noch lässt sie auf vergleichbare Weise sich selbst irgendjemandem begehrenswert erscheinen.“ 192 Ähnlich werden aufzählend die Vorzüge der Tugend Hoffnung genannt: Sie bewirkt das kulturelle Streben der Menschen,193 das dann konkretisiert wird in den Beispielen des studierenden Knabens, des Seefahrers, des sein Leben verachtenden Soldaten, des aussäenden Bauern und schließlich des an Christus glaubenden Christen. 194 Die Folgen der wahren, christlichen Liebe (caritas), die Zeno als Beispiele aus dem täglichen Leben anführt, sind ähnlich konkret den Erfahrungen der spätantiken Zuhörer entnommen: Die Liebe bewirkt Ruhe und Frieden für Land, Städte und Völker, sie verhindert Staatsstreiche und Kriege und beseitigt Streitigkeiten, sie lässt auf Rechtsansprüche verzichten und Gerichtsurteile milde ausfallen, sie vernichtet Hass und Zorn, ermöglicht zwischen den Völkern Schifffahrt und Handel und im persönlichen Bereich des Einzelnen die eheliche Vereinigung, Geburt, das gebührende Verhalten der Eheleute, Eltern und Kinder, die Freundschaft, das umgängliche Verhalten zwischen Herrn und Sklaven, Nächstenliebe und sogar die Vermittlung ethischer Normen von den Vorfahren.195 Es folgen dann mit offensichtlich höherer Wertigkeit, weil eher unvermutet, Beispiele für das Wirken der Liebe außerhalb des menschlichen Bereichs, eigentlich Exempla aus der Natur,196 die Zeno jedoch auch als zum täglichen Leben dazugehörig betrachtet und deshalb als cotidiana propemodum ... exempla bezeichnet.197 Darüber hinaus äußert sich die caritas auch in geübter Wohltätigkeit, zu der exemplarisch gehören: das Bekleiden von Nackten, das Speisen von Hungrigen, das Teilen von Vermögen, das Retten von Unterdrückten, die Unterstützung von Kranken, der Schutz der Witwen und Waisen, schließlich auch die Feindesliebe.198 Wenn diese Dinge vielleicht auch nicht als ‚Alltäglichkeiten‘ bezeichnet werden können, so gehören sie doch 189

Freie Übersetzung des Tugendkataloges in I 1,1. Munus = ,Leistung zu einem bestimmten Zweck‘ (s. H. MENGE, Großwörterbuch, 489; auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 1057f.). 191 Pura = ,ohne fremde Zutat‘ (s. H. MENGE, Großwörterbuch, 620; auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2095). 192 I 1,2. 193 I 36,2: „Adeo tolle spem: torpet humanitas tota ; tolle spem: artes virtutesque universae cessabunt; tolle spem, et interempta sunt omnia .“ 194 I 36,3. Von höherer Wertigkeit sind die biblischen Exempla-Belege, die sich in I 36,5 anschließen. 195 I 36,13f. 196 Ausgeführt werden der Kampf der Wildschweine als Zeichen des Zusammengehörigkeitsgefühls in I 36,15; ein scheinbar originär zenonisches Beispiel für die stoische Oikeiosis-Lehre – und die ausgleichenden Eigenschaften der verschiedenartigen, sich widerstreitenden Elemente in I 36,16. 197 I 36,15. 198 I 36,31. 190

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zum menschlichen Leben, sie sind humana (im Gegensatz zu caelestia).199 Die Umstände entstammen dem Alltag, der Umgang damit macht die Tugenden aus. Ähnliches gilt auch für die zum Kanon der Tugenden gehörende Gerechtigkeit (iustitia), die omnium fons materque virtutum ist.200 Nach allgemeineren Beschreibungen dieser Tugend, wie sie ähnlich auch schon bei den anderen Tugenden begegneten, folgen die konkreten Beispiele: Gerechtigkeit artikuliert sich u. a. im Loskauf von Gefangenen, in Sorge um Eingekerkerte – oft ist auch der Gerechte selbst eingekerkert –, in Pflege der Kranken, Bestattung von vernachlässigten Leichnamen, Hilfe für Arme und Unglückliche.201 Beispiele also für tugendhaftes Verhalten im Alltag. Schließlich bringt Zeno auch Exempla für die Tugend des Glaubens. Allerdings greift er hier nur indirekt auf Beispiele aus der alltäglichen Erfahrung zurück, denn der Glaube ist gerade die Tugend, die das eigentliche christliche Proprium, die res propria nostra,202 darstellt; deshalb bieten sich hier biblische Beispiele ganz besonders an. Zeno führt an Alltagserfahrungen daher nur solche an, die auf die Glaubenden, nämlich Sara und Abraham, eben nicht zutreffen 203 und deshalb ihren Glauben belegen: Sie empfanden keinen Schmerz über den bevorstehenden Verlust des Kindes, sie zeigten keine Trauer, der Vater wird beim Opfer des Sohnes nicht bleich, seine Hand zittert nicht.204 Dies zeigt einmal mehr den qualitativen Unterschied zwischen Beispielen aus dem täglichen Leben und biblischen Vorbildern auf. Letztere sind etwas Außergewöhnliches, sie sind eben anzustrebendes, aber nur schwer erreichbares Vorbild. Ähnlich verhält es sich auch mit der Tugend der ‚Gottesfurcht‘, die Zeno der natürlichen Furcht gegenüberstellt. Während die natürliche Furcht, die zwar keine Untugend, aber eben das Gegenstück der Tugend ‚Gottesfurcht‘ ist, sowohl mit Beispielen aus der alltäglichen Erfahrung als auch mit Naturphänomen belegt wird,205 werden für die ‚Gottesfurcht‘ ausschließlich biblische und christliche Märtyrer-Exempla angeführt,206 da die christliche ‚Gottesfurcht‘ natürlich den christlichen Glauben und die entsprechenden Glaubensinhalte voraussetzt. Auch die Tugend der humilitas wird ohne Anführung von Beispielen abgehandelt.207 Auch sie entstammt nicht der Ethik des vorchristlichen Umfelds der Zuhörer, sondern ist eine genuin christliche Tugend.

Ähnlich wie bei der Darstellung der nicht ausschließlich christlichen Tugenden verfährt Zeno auch bei der der Untugenden. Mittels Beispielen aus dem Alltag wird auch hier die Argumentation verstärkt. Was Häufigkeit und Umfang der Darstellung anhand von Erfahrungen aus dem Alltag angeht, steht die avaritia an erster Stelle – ihr widmet Zeno drei ganze Traktate, wie insgesamt die Untugenden am häufigsten mit Alltagserfahrungen belegt werden. 208 Die 199

I 36,32. II 1,11 in Anlehnung an LACT. inst. 5,5,1 (CSEL 19,1,413,8 Brandt). 201 II 1,12. 202 I 36,7: „fides itaque vel maxime res propria nostra est“. Vgl. auch Traktat II 3 (Tractatus fidei), der völlig ohne Exempla argumentiert. 203 A. LUMPE, Exemplum, 1230, nennt so etwas exemplum dissimile bzw. contrarium. 204 I 62,4. 205 II 2,2f. 206 II 2,5–7. 207 II 9 (De humilitate). 208 Für die Tugenden bieten sich andere, vornehmlich biblische Beispiele an. 200

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avaritia ist jedoch das einzige wirkliche Laster, das Zeno bekämpft. Sie steht ohne konkretes positives Gegenstück da, während die übrigen Untugenden gewissermaßen ins Gegenteil gekehrte Tugenden sind. An Folgen der Habsucht zählt Zeno umfangreiche Reihen von Missständen auf 209: Untergang ganzer Nationen und Städte, Vernichtung von Fluren, Unsicherheit der Meere aufgrund von Seeräubern, gewaltsame Straßensperrungen (=willkürliche Zölle?), Erbschleicherei, Mord, Abtreibung,210 Unterdrückung, Hunger, Kälte, Ungerechtigkeit. 211 Konkreter formuliert ist die avaritia Ursache von gewaltsamen Auseinandersetzungen unter Geschwistern, Vernachlässigung von Kindern durch die Eltern, Enteignung der Eltern durch Kinder,212 Zinswucher, Einfriedung von Grund und Boden, Spekulation. 213 Sie lässt Arme nach Reichtum streben und Reiche damit unzufrieden sein, sie lässt zur Mittelschicht Gehörige betrügen, Reiche keine Selbsteinschränkung kennen, Richter parteiisch werden und Rhetoren ihre Beredsamkeit zu unredlichem Zweck einsetzen, Regenten hochmütig und Kaufleute verschlagen werden, Arme unerfüllbare Wünsche hegen, Christen scheinheilig (angesichts eigener Habsucht) sein, Völker und Nationen stürzt sie in Kriege.214 Sie bewirkt fehlendes Mitgefühl der Reichen gegenüber den Armen, Betrug, Falschheit, Raub, Streitigkeiten, Kriege, Gewinnstreben auf Kosten anderer, Einziehung fremder Güter, Aneignung fremden Eigentums unter Berufung auf gesetzliche Vorgaben.215 Anders ausgedrückt bewirkt die avaritia den Untergang sämtlicher Tugenden: „inde est, quod iustitia honestas pietas fides veritas perit“.216 „Sie bricht die Treue; sie vernachlässigt die Liebe; sie verleugnet die Gerechtigkeit; sie erkennt keine Gefühle an; sie setzt sich über die göttlichen Rechte hinweg; sie macht die menschlichen durch spitzfindige Beweisführungen zunichte“. 217 Konkreter äußert sich das etwa darin, dass sie die Elternliebe, den Liebreiz der Kinder, die Zuneigung der Eheleute, die Geschwisterlichkeit, die Freundschaft, das Mitleid mit Waisen, Witwen und Armen und die (gemeint ist selbstverständlich christlich-) religiöse Orientierung bekämpft.218 Auch die Kennzeichnung eines Habgierigen formuliert Zeno in einer bildreichen Aufzählung: Die Zimmer des Habgierigen und ihr Inventar glänzen in den verschiedenen Farben der Edelsteine, der Boden ächzt unter der Last des Silbers, das ganze Haus glänzt von Gold und die Karriereleiter des Habgierigen selbst ist völlig durchlaufen,219 dennoch klagt er und ist nie zufrieden. 220 Ausdrücklich auch unter Christen finden

209 Zenos Listen wirken wie eine Zusammenfassung der umfangreichen Vorlage bei LACT. inst. 5,9,15–18 (CSEL 19,1,426,19–428,2 Brandt). 210 I 5,3. 211 II 1,19. 212 I 5,6. 213 I 5,12–14. 214 I 14,1f. 215 II 1,16f. 216 I 14,7; vgl. auch II 1,16. „[avaritia], quae est inimica iustitiae.“ 217 I 21 in der Übersetzung von A. B IGELMAIR, Traktate, 144. 218 I 14,2. Dass es sich bei dieser Aufzählung ebenfalls um eine Beispielreihe handelt, darauf verweist u. a. ein nachgestelltes ecce, ebd.: „ecce enim his omnibus, prout potest, variis artibus aut adulatur aut nocet“. 219 I 5,10. 220 I 5,14.

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sich Anhäufung von Geld und kostbarem Schmuck, 221 Eigennutz unter Eheleuten, Hass zwischen Eltern und Kindern, Heuchelei von Freundschaft. 222 Die unter dem Stichwort avaritia angeführten Übel haben wie überhaupt alle Übel die Habsucht zur Mutter und Lehrerin.223 D. h. aber nichts anderes, als dass die aufgezählten Übel als Beispiele für ‚alle anderen‘, die darüber hinaus noch denkbar sind, dienen. Die Fülle und die häufigen Wiederholungen der Beispiele treiben die Beschreibung natürlich karikierend auf die Spitze. Die einzelnen Elemente dürften aber, so legt es die Intensität der zenonischen Argumentation nahe, in weiten Teilen der spätantiken Gesellschaft durchaus zum Alltag gehört haben. Der Tugend der pudicitia stellt Zeno die impudicitia gegenüber. Als Beispiele ihres Wirkens werden Missstände genannt, wie sie z. T. schon bei der avaritia begegneten: sinnliche Ausschweifungen gegen Bezahlung, Verführung, Umwandlung von Liebe in Hass, Zeugung unehelicher Kinder, Verleugnung der eigenen Kinder und Entzug der elterlichen Liebe. Außerdem wird die impudicitia verantwortlich gemacht für Kriege und den Untergang von Nationen, die Zerstörung von Ehen und die Prostitution von Männern, Eltern-, Kinder- und Gattenmord, ja sogar Kindesmissbrauch. 224 Auch die Mittel, derer sie sich bedient, entstammen dem Alltag: Sie verändert ihr Aussehen durch Schminken.225 Ihr Wirken betrifft darüber hinaus die heidnischen Mythen und den paganen Kult sowie die privaten (religiösen) Bräuche,226 die auch den schon christlichen Zuhörern noch bekannt sind und z. T. noch zu ihrem Alltag gehören. Den Abschluss dieser etwas unsystematischen Auflistung bildet das Wirken der impudicitia beim Ehebruch,227 dessen Erwähnung dann die Fortsetzung in nun ausdrücklich exempla genannten biblischen Beispielen erlaubt.228 Für Zeno ist die personifizierte impudicitia der Ursprung der gesamten Immoralität der spätantiken Gesellschaft, die in seinen Aufzählungen in einem Querschnitt den Zuhörern in Erinnerung gerufen wird, denn: Die impudicitia war und ist nach wie vor, auch jetzt in christlicher Zeit, wie schon die avaritia die Mutter alles Bösen – „parit omne quod malum est et peperit omne quod peius“. 229 Knapp nur werden die Tugend der patientia und ihr Gegenpart, impatientia, von Zeno an Alltagserfahrungen festgemacht, bevor ausführlichere Beispiele aus der Natur und dann vor allem aus der Schrift angeführt werden. So listet Zeno zuerst die im Alltag erfahrbaren ‚Gewalten‘ (vis) auf, die der patientia nichts anhaben können: „Non illam loco vis ulla detorquet, non labor, non fames, non nuditas, non persecutio, non metus, non periculum, non mors, non tormenta morte ipsa graviora, non potestas, non ambitio, non felicitas.“ 230 Umgekehrt begegnet die impatientia wiederum als personifizierte Un221

I 14,5; II 1,19. I 14,5–7. 223 I 5,4: „hac enim matre eademque magistra universa quae diximus, sed et alia multa , immo omnia ... nascuntur atque concelebrantur“. 224 I 1,7f. 225 I 1,10; obwohl an dieser Stelle auf die Personifikation der impudicitia, nicht auf einzelne Frauen bezogen, handelt es sich hier um eine Alltäglichkeit, die zur Metapher umgestaltet wird. 226 I 1,11f. 227 I 1,13. 228 In I 1,15–20 schließen sich die Geschichten von Josef und der Gattin des Pharaos, Gn 37.39–41, und von Susanna und den Alten, Dn 13, an. 229 I 1,8. 230 I 4,3. 222

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tugend, sie ist nach Zeno „mater criminum, curiositatis magistra, acumen temeritatis, auctor detestabilium pariter ac magistra malorum.“ 231 Dennoch sind dies nur Beispiellisten, keine ausgeführten Beispiele;232 denn zur Veranschaulichung eignen sich die im Traktat anschließenden biblischen Exempla wesentlich besser. Eine Gegenüberstellung der Tugend der Enthaltsamkeit, die gerade in ihrer Ungewöhnlichkeit als christliche Tugend betont werden soll,233 und ihres Counterparts, der nicht ausschließlich das Laster incontinentia beinhaltet, sondern im Grunde alles, was nicht continentia ist, also auch die Ehe, konstruiert Zeno, indem er zunächst ehelichen Alltäglichkeiten allegorische Entsprechungen ideeller Natur entgegenstellt: „Wenn es demnach am Platz zu sein scheint, wollen wir vergleichen, was für ein Unterschied zwischen einer Jungfrau und einer verheirateten Frau besteht. ‚Die verheiratete Frau sinnt darüber, wie sie ihrem Mann gefallen könne; die Jungfrau, wie sie Gott gefallen könne.‘ Die erstere schmückt sich mit äußeren Schmuckgegenständen, die letztere verfügt über reicheren Schmuck, weil sie fremden Schmuck nicht kennt. Die erstere duftet von verschiedenen Salben und Wohlgerüchen, die letztere strömt, liebreicher als jede Wiesenflur, in freudiger Ehrung der einzigen Blume, die sie ihr eigen nennt, den Duft des Himmels selbst aus. Die erstere erlebt Freude an ihren Kindern; aber die letztere bangt nicht vor der Kinderlosigkeit. Die erstere labt sich an deren frühlingsfrischen Liebkosungen und schaut beglückt täglich deren allmähliches Heranreifen; die letztere braucht in ihrem Verzicht und ihrer Abneigung nicht die Last der neun Monate zu tragen, braucht nicht wegen der Unsicherheit der Niederkunft, nicht für das Leben von Mutter und Kind zu seufzen, braucht sich mit keiner der bangen Sorgen zu quälen, wie sie jeden Augenblick herantreten.“ 234 Die Witwe, die ein zweites Mal heiraten möchte, erinnert Zeno an die mögliche Prügel durch einen schlechten Ehemann, an die Treue gegenüber dem ersten Mann angesichts vergangenem gegenseitigem Verlangen, gegenseitiger ‚Opferung der Jungfräulichkeit‘, Liebe, Gleichberechtigung und Einigkeit, angesicht ihrer zur Schau getragenen Trauer beim Tod ihres Mannes. Er wirft ihr vor, zu Schönheitsmitteln, Kosmetik und Schmuck zurückzukehren. Dem fiktiven Verweis der Witwe auf ihr jugendliches Alter hält Zeno die Möglichkeit entgegen, dass der zweite Mann durch irgendwelche Umstände wiederum von ihr getrennt werden könne. 235 Erst nachdem Zeno Beispiele aus dem Ehe- und Witwenleben, für die er grundsätzliches Verständnis vorgibt, 236 ausgeführt hat, kommt er zum eigentlichen Fehlverhalten in verschiedenen Facetten (crimina 237), die nach seiner Darstellung ebenfalls zum spätantiken Alltag gehören: Ausführlichst beschreibt er, dass es unter den Christinnen alte Weiber gibt, die in ihrer Unenthaltsamkeit „mehr Hochzeiten als Geburtstage aufweisen“ 238 und damit auch jungen 231

I 4,7. Vgl. F. W ITTCHOW, Erzählen, 73: „Das exemplum kann also sowohl nur anspielend verwendet als auch vollständig erzählt werden.“ 233 Vgl. II 7,11: „At habent [sc. gentes] suas [sc. virgines], et si non felices, habent tamen.“ 234 II 7,3 in der Übersetzung A. B IGELMAIRs, Traktate, 103. 235 II 7,7–9. 236 II 7,2: „non enim nuptias condemno, sed nuptiis meliora praepono“. 237 II 7,10. 238 Ebd.: „Pudet me dicere in populo gravi anus saepe videri novas nuptas, quarum paene plures sint nuptiae quam natales“; Übersetzung nach A. B IGELMAIR, Traktate, 107. Auffällig und interessant ist (trotz terminologischer Differenz und deshalb nicht aufgenommen in den Testimonienapparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 173) die parallele 232

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Mädchen ein schlechtes exemplum sind,239 dass das über die Frauen Gesagte auch für die Männer gilt,240 dass schließlich Christinnen sogar Heiden heiraten. 241 Ohne den Terminus incontinentia auch nur ein einziges Mal in den gesamten Traktaten zu gebrauchen, legt Zeno durch seine beispielhaften Ausführungen doch mit aller Deutlichkeit dar, was er darunter versteht, und wie er dies bewertet.

Zusammenfassend lässt sich zur Darstellung der Tugenden bzw. Untugenden unter Zuhilfenahme von Konkretisierungen im Alltagsleben festhalten, dass diese Beispiele zuerst eine demonstrativ-belegende Funktion haben, dass der Kontext ihnen aber quasi automatisch auch eine paränetische Funktion zuweist. Weitestgehend handelt es sich bei den so dargestellten Tugenden (mit Ausnahme des Glaubens), insbesondere aber bei den Untugenden nicht um genuin christliche Kategorien. Sie dürften in der heidnischen Gesellschaft nicht nur bekannt gewesen, sondern auch in der von Zeno vorgenommenen Qualifizierung insbesondere in philosophischen und populärphilosophischen Kreisen Akzeptanz gefunden haben. Wenn Zeno demgegenüber Zweifel oder Infragestellungen christlicher Glaubens- und Lehrinhalte mit Erfahrungen aus dem Alltag beispielhaft belegt, dann scheint seine Absicht vordergründig eine andere zu sein als bei der bildhaften Beschreibung von Tugenden und Untugenden. Es wird sich aber zeigen, dass es ihm eigentlich auch hier um den paränetischen Aufweis einer Untugend, nämlich des Zweifels, geht, bei der es sich aber nicht mehr um eine der gesamten Gesellschaft vorhaltbare handelt, sondern gewissermaßen um eine spezifisch christliche, die eben auch nur den Christen vorgehalten werden kann, insofern aber auch von größter Bedeutung ist, da sie das Christ-Sein in seinen Grundfesten erschüttert. Dies trifft deutlich etwa auf die Rede Zenos von der ‚Fleischlichkeit‘ und ‚Geistig- bzw. Geistlichkeit‘ des Menschen zu. Eingebettet in eine eher theoretische Abhandlung De spiritu et corpore (II 4) ausgelöst durch eine fiktive Infragestellung nicht-christlicher Intellektueller und insofern auch quasi über die christliche Zuhörerschaft hinaus apologetisch-missionarisch argumentierend, führt Zeno für die ‚Fleischlichkeit‘ wie für die ‚Geistigkeit‘ des Menschen und schließlich als verstärkendes Argument für die Vergänglichkeit des Fleisches Beispiele aus dem Alltag an. Da heißt es: ‚Das Fleisch‘, d. h. natürlich der fleischlich gesinnte Mensch, verändert täglich mit Hilfe von Spiegel und Farben sein Antlitz, pflegt und versorgt sich mit Hilfe des Gaumens, mit Bädern, Salben, verschiedensten Kleidern und Schmuck, bei festlichen Gelagen, mit Wein, mit EdelsteinStruktur bei LACT. inst. 1,17,11 (CSEL 19,1,66,3f. Brandt), der dort über die Göttin Venus sagt: „cuius plura numerantur adulteria quam partus“. Für den Laktanz-Kenner wenigstens, der mit Sicherheit die Nähe von partus und natales heraushört, wird die zweite Ehe damit auf ein ähnlich verwerfliches Niveau gestellt wie die adulteria der Venus. 239 II 7,10. 240 II 7,11. 241 II 7,11–18.

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und Blumenkränzen, durch verführende Blicke, blinde Gier, angetrieben von der Lust, übermütig im Bett. Es treibt sich herum in Hainen, an Quellen, auf Wiesen, in Bädern, in Städten und auf dem Land; es verführt Menschen jeden Geschlechts und jeden Alters. 242 Der Geist hingegen, auch hier ist natürlich der von diesem geprägte Mensch gemeint, rät nachdrücklich, dies alles, also die angeführten Beispiele fleischlichen Handelns, zu fliehen, stets bewaffnet und kampfbereit zu sein, sorgfältig Wache zu halten, das Lager zu befestigen, die königlichen Feldzeichen 243 tapfer und hartnäckig zu verteidigen; Hitze, Kälte, Hunger, Durst und alle Gefahren gleichmütig zu ertragen, der Welt zu entsagen und selbst den Tod eher als Siegesprämie zu betrachten.244 Die Beispiele sind hier deutlich dem Soldatenalltag entnommen und zeichnen das Bild der christlichen Absage an die Welt als ehrenvollen Verteidigungskampf.245 Demjenigen, den diese idealistische Argumentation noch nicht überzeugt hat, führt Zeno schließlich die Gebrechlichkeit des ‚Fleisches‘ mit Erfahrungen, die jeder Mensch machen muss, vor Augen: Die Kraft des menschlichen Körpers wird durch Schmerzen gebrochen, seine Schönheit durch Fieber oder Verletzungen zerstört, die Augen können durch irgendeinen Schlag versagen, die Schwindsucht lässt den Köper abmagern, „longum est ire per singula“ – so bricht Zeno die Reihe der Beispiele ab und nennt abschließend Krankheiten, die den Körper ins Bett zwingen und zuletzt den Tod, der noch die Reste des kranken oder alten Körpers für sich beansprucht.246 Genau die zuletzt angeführte Gebrechlichkeit des menschlichen Körpers zieht Zeno heran, um daran einen Hauptinhalt des christlichen Glaubens, die Unbegreiflichkeit der Gottesabbildhaftigkeit des Menschen zu veranschaulichen. Aus der Gegenüberstellung der Zitate von Gn 1,26f. und Mal 3,6 247 leitet Zeno eine Unklarheit ab und belegt sie mit folgender Erfahrung: Das menschliche „Antlitz ist jeder Veränderung unterworfen, ändert sich jeden Augenblick infolge von Arbeit, Krankheit, Freude, Traurigkeit; bald ist es durch Magerkeit entstellt, bald übervoll an Fett; dabei so verschieden, dass es in gleichem Aussehen nicht bei zwei Menschen auf der ganzen Welt sich findet.“ 248 Den scheinbaren Widerspruch zwischen solcher Gebrechlichkeit und Gottesabbildhaftigkeit klärt er dann mit dem Verweis auf die unterschiedliche Beschaffenheit des ‚fleischlichen‘ und ‚geistlichen‘ Menschen, also unter Rückgriff auf Inhalte, die er selbst mit Hilfe von Alltagserfahrungen schon expliziert hatte. Interessant an dieser Stelle ist, dass Zeno die Alltagserfahrung hier nicht zum Beleg des Glaubensinhaltes selbst macht, sondern eine Infragestellung damit untermalt. Dies spricht dafür, dass die Zuhörer ihre Alltagserfahrung argumentierend in einer herausfordernden Fragestellung an den Prediger herangetragen haben.

242

Paraphrase von II 4,9f. Signa kann hier doppeldeutig auch auf das Zeichen des Kreuzes (vgl. II 11,4) und als solches auch auf das Siegel der Taufe (vgl. etwa I 3,21; I 38,2.7) weisen. 244 II 4,11. 245 Vgl. die Kampf- und Siegesmetaphorik oben S. 110f. (theatrum). 246 II 4,15f. 247 II 30,2 in der Übersetzung A. B IGELMAIRs, Traktate, 269: „Wenden wir deshalb unseren Blick ... darauf, was es bedeutet wenn Gott sagt: ,Lasset uns den Menschen machen nach unserm Bild und Gleichnis.‘ ,Und es schuf Gott‘, heißt es, ,den Menschen nach dem Bild und Gleichnis Gottes.‘ Aber an einer anderen Stelle sagt er: ,Ich bin, der ich bin, und ich ändere mich nicht.‘ “ 248 II 30,2 in der Übersetzung A. B IGELMAIRs, Traktate, 269. 243

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Im gleichen Kontext, nämlich der Abbildhaftigkeit des Menschen, plädiert Zeno für die Nächstenliebe, da diese der Verehrung entspreche, die der Mensch Gott, dem Urbild schulde. Als aus dem Alltag bekannten Beleg für die verderblichen Folgen, die eine Verletzung des Abbildes nach sich ziehen kann – hier von Zeno ausdrücklich probatio genannt – führt Zeno die Todesstrafe als Folge einer weltlichen Majestätsbeleidigung an. 249 Deutlicher kann man ein paränetisches Argument nicht formulieren. Hier sind Lehrinhalt und ethische Konsequenz untrennbar miteinander verwoben. Auf einen anderen, wesentlichen Glaubensinhalt abhebend, nämlich auf die Außergewöhnlichkeit und Einzigartigkeit der Geburt Jesu, führt Zeno Beispiele aus der Alltagserfahrung an, die eben nicht auf diese Geburt zutreffen und insofern gewissermaßen inverse Beweiskraft haben (exemplum dissimile 250). Der Umkehrschluss wird nur in einzelnen Fällen ausdrücklich formuliert, in der Mehrzahl der angeführten Beispiele versteht er sich von selbst: Maria empfängt nicht infolge ehelicher Pflichtausübung, sondern aufgrund des Glaubens, nicht durch männlichen Samen, sondern durch das Wort. Insofern erfährt sie auch nicht die Beschwerden einer Schwangerschaft und gebiert nicht unter Schmerzen, sondern in Freude. Obwohl sie unerfahren ist, sorgt sie sich nicht. Und das Kind selbst tritt nicht weinend in das Leben, wie dies häufig der Fall ist. Die Mutter ist nicht von der Anstrengung der Geburt erschöpft, das Kind selbst weist auch nicht die üblichen unreinen Spuren einer Geburt auf. Die postnatalen Reinigungen haben für die Mutter keine Folgen, sie bedurfte auch nicht der für Wöchnerinnen üblichen warmen Umschläge. Maria empfing als Jungfrau, gebar als Jungfrau und blieb auch nach der Geburt Jungfrau.251 Damit ist Zeno jedoch von den verneinten Alltagserfahrungen zu positiven (pseudo-) biblischen Inhalten übergegangen. Ganz ähnlich arbeitet Zeno auch bei der Darstellung der Geburt des Isaak, den er als Präfiguration Christi betrachtet.252 Die Erfahrungen des Alltags lassen eigentlich keine Geburt mehr erwarten, aber: Trotz der verflossenen Zeugungsfähigkeit des Abraham und der altersbedingten Unfruchtbarkeit Saras, trotz erloschenen Sexualtriebes wird ein Kind geboren.253 Und trotz der Alterserscheinungen Saras, die Zeno aufzählt, nämlich trotz Muskelschwund und Blutarmut, trotz ausgetrockneter Adern, spröder Haut und ebensolchen Organen, trotz blasser Gesichtszüge und kaum noch belebter Glieder, obwohl also so gut wie keine Substanz des Körpers mehr vorhanden war, wurde das Kind dennoch im Mutterschoß mit dem Lebensnotwendigen versorgt.254 Isaak wurde also im Widerspruch zu Zeit und Natur und deshalb wider jede Erwartung geboren. 255 Seine Empfängnis wie auch seine Geburt sind vergleichbar ungewöhnlich wie die Jesu, weil sie genau wie diese den Erfahrungen des täglichen Lebens absolut widersprechen.

249 I 36,24: „Decertemus igitur, fratres, inter nos mutui amoris aemulatione gloriosa imaginemque dei dignissime venerando declaremus, quid ipsi veritati debeamus, scientes, quoniam, si quis imaginem laeserit, in exitium suae animae incitat veritatem. Nec est dicto longe probatio. Si incliti cuiusquam regis, hominis tamen, vultus quivis ulla violaverit ratione, nonne continuo velut sacrilegii commissi capitales poenas luit? Quanto magis in dei causa fortius praecavendum est“. 250 Nach A. LUMPE, Exemplum, 1230. 251 Paraphrase von I 54,3–5. 252 I 59,8: „Ad huius ergo personam [sc. Isaac] Christi refertur verecunda nativitas“. 253 I 59,1.3. 254 I 59,4. 255 I 59,5: „Ita denique dissensione temporis et naturae contra opinionem nato“.

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Zweifel an dem entscheidenden christlichen Glaubensinhalt schlechthin, nämlich an der Auferstehung der Toten, äußern Christen im Verhalten bei der Trauer um einen Angehörigen: „Cum haec ita sint, resurrectionem futuram cur, Christiane, non credis? Cur de huius mundi labe in meliora migrantes tam pertinaciter plangis? Pro nefas!“ 256 Erst wird der Vorwurf, eingekleidet in eine rhetorische Frage, als Apostrophe formuliert, jedes Gemeindemitglied könnte sich so als fiktives Gegenüber angesprochen fühlen, dann folgt die Aufzählung der Trauerpraktiken, die den Zweifel erkennen lassen, am Beispiel einer trauernden Mutter und einer trauernden Gattin.257 Ausdrücklich sagt Zeno jedoch, dass das dadurch zum Ausdruck kommende Vergehen, nämlich „Gott den Glauben nicht zu bewahren“, auch auf Männer zutrifft.258 Es wurde bereits aufgezeigt, dass Zeno dieses Verhalten als ein heidnisches interpretiert.259 Daraus zieht er den für Christen allgemeingültigen Schluss (ergo): „Christianus ergo in toto dubitare non debet in statum pristinum mortuos excitari talesque legitima die ante conspectum dei ex illo naturae secreto produci“.260 Den angezweifelten Glaubensinhalt selbst belegt er im Folgenden mit Beispielen aus der Natur und Schriftzitaten.

Die anhand von Beispielen aufgezeigten Zweifel an christlichen Glaubensbzw. Lehrinhalten scheinen auf konkrete Anfragen oder Einwände in der veronesischen Gemeinde zu deuten. Nicht beantwortbar bleibt die Frage, ob dahinter konkrete Häresien stehen 261 oder eher allgemein verbreitete Skepsis und intellektuelles Hinterfragen der spätantiken Umwelt. 262 Sowohl von Häresien als auch von Skepsis waren die Gemeindemitglieder

256

I 2,13. I 2,13f. 258 I 2,14: „Exsecrabilis res est, fratres, ... servare ... nec deo fidem. Haec etiam viros reprehensio manet.“ 259 S. o. S. 203–208. 260 I 2,15. 261 Zu möglichen von Zeno angesprochenen Häresien insgesamt s. o. S. 377–380; zum (populär-)philosophischen bzw. theologischen Zweifel an der Auferstehung s. o. S. 352– 366. Die zenonische Rede von der Geburt Christi ist wohl am ehesten einer antiarianischen Polemik zuzurechnen, sie richtet sich an den noch nicht wissenden oder an den nachlässigen Christen, der nicht dem von ,Streithähnen‘ verursachten Irrtum verfallen soll, dass es ein Unterordnungsverhältnis zwischen Gott Vater und Sohn gebe; s. I 54,1f.: „Ceterum providentis dei de deo argumentationibus vanis opinari velle dispositum non colentis est, sed dementis, maxime si deus, ut contentiosi putant, dispositioni subiaceat ... Igitur duas nativitates esse domini nostri Iesu Christi, rudis aut neglegens disce Christiane, ne quo decipiaris errore“. 262 S. G. GRESHAKE, Art. Auferstehung der Toten, Auferstehung des Fleisches V. Theologie- und dogmengeschichtlich, LThK3 I, 1993, 1198–1202, hier: 1198. Auf das zenonische Verständnis der Auferstehung trifft Greshakes Beobachtung, ebd., 1199, zu, dass „mehr und mehr der urspr[ünglich] bibl[isch] kollektive u[nd] ganzheitliche Begriff ,Fleisch‘ umgeformt [wird] in den individuellen Komplementärbegriff zu Seele bzw. Geist, im Sinne von: Fleisch = Leib. Damit kommt aber der Glaube an die A[uferstehung] d[er] T[oten] in Gefahr, zu einer ,Zusatzauskunft‘ über die Überzeugung v. einer unsterbl[ichen] Seele hinaus zu werden.“ 257

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nach Zenos Auffassung wohl bedroht. Dies erklärt den paränetischen Impetus, den er auch gegenüber theologischen Anfragen an den Tag legt. c) aus dem Heidentum Bei den Beispielen aus den Bereichen der Natur und des Alltags greift Zeno fraglos auf Erfahrungen zurück, die verallgemeinerbar sind, da sie allen Mitgliedern der Veroneser Gemeinde und ihres Umfeldes bekannt gewesen sein dürften. Jedoch auch die zenonischen Exempel aus heidnischem Kontext 263 erweisen sich als allen Zuhörern gleichermaßen verständlich: Zeno entnimmt sie zwei Bereichen, zum einen dem der Mythologie – allerdings eine eher dünne Auswahl, die, wie gezeigt werden konnte, exemplarisch für alle paganen Götter steht, insbesondere für die theologischen Konkurrenten des Christentums, die möglicherweise aber auch im Umfeld der Veroneser Gemeinde kultisch verehrt wurden –, zum anderen führt er Teile der heidnischen Bevölkerung selbst bzw. deren Verhalten als exemplarisch vor. Beides rekurriert wiederum auch auf Alltagserfahrung der Zuhörer. Zeno verzichtet (bewusst?) auf Exempel, die nur einem kleineren Kreis von Gebildeten bekannt gewesen sein dürften, etwa historische Exempla, die klassisch an erster Stelle begegnen. Im Zentrum der Rede Zenos steht offensichtlich immer die gesamte Gemeinde als Adressat; intellektuelle Inhalte sind nur am Rande von Bedeutung. Die mythologischen Gestalten, die Zeno ins Feld führt, als da sind die paganen Götter bzw. Halbgötter Jupiter, Herkules, Venus, 264 Kybele 265 und Eros,266 haben in erster Linie demonstrative Funktion. Sie sollen eine Erkenntnis bzw. ein Wissen verdeutlichen,267 die Erkenntnis selbst beinhaltet aber wiederum einen paränetischen Impetus, so dass die angeführten 263 Auf sie ist bereits in den einzelnen Untersuchungszusammenhängen ausführlich eingegangen worden. Hier sollen Sie lediglich noch einmal zusammenfassend genannt und bezüglich ihrer spezifischen Funktion als Exempla untersucht werden. 264 S. I 1. Insbesondere Herkules und der Dodekathlos waren als Exempla v. a. in der kynisch-stoischen Paränese äußerst beliebt, s. A. LUMPE, Exemplum, 1233f. Zeno führt Herkules genau aus gegenteiligem Grund an, er will nicht seine (physische und moralische) Stärke, sondern seine Schwäche aufzeigen. 265 S. I 3,2. 266 S. I 36,25–27. 267 I 1,12: „Non opus est ire per singula ; quamvis et haec non fuerint dictu digna , tamen ad exprimendam vim impudicitiae visa sunt necessaria , ut sciat unusquisque ad idolatriam pertinere luxuriam“; s. auch I 36,25: „Sed necessario unicuique sinceri amoris est noscenda proprietas, ne sub sono nominis commutetur regula veritatis. Est enim et alius amor sane saluti nostrae contrarius, cui recte hominis forma tribuitur, quia temporalis ac fragilis esse cognoscitur.“ Die Formulierungen zeigen in beiden Fällen, dass es um eine notwendige Erkenntnis geht (necessarius / -a und scire bzw. noscere / cognoscere).

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Exempla zu sozusagen ins Gegenteil gekehrten Vorbildern, zu NegativExempla (exemplum contrarium 268) werden, indem eben diese klassischen Exempel einer Neuinterpretation unterzogen werden, die nicht ihre Ehrenhaftigkeit, sondern ihre Verwerflichkeit herausstellt. 269 Diese Exempla sollen also von bestimmten Verhaltensweisen abschrecken, denn wer ihnen kultisch oder durch sein Verhalten huldigt, verhält sich untugendhaft und damit seinem Heil abträglich.270 Zeno wendet hier bereits eine klassisch nur beiläufig praktizierte rhetorische Technik, die so genannte Exempelrefutatio,271 an, die sich vereinzelt bereits bei seinen Vorgängern, insbesondere Laktanz, findet, jedoch erst von Augustin im Kontext seiner Geschichtstheologie (und daher an römisch-historischen Exempla praktiziert) perfektioniert und geradezu systematisiert werden wird. 272 Negative Exempel, die – wie es ihre negative Qualifizierung nahelegt – nicht bloß demonstrative, das Heidentum denunzierende, sondern paränetische, die Christen anspornende Funktion haben, liefert auch die heidnische Bevölkerung selbst oder Teile derselben, es handelt sich interessanterweise jedoch ausschließlich und eindeutig um Angehörige des Heidentums der Vergangenheit. So genügt es Zeno etwa, zur Außerkraftsetzung des fiktiven Einwandes, es sei doch gerecht, seinen eigenen Besitz zu schützen, wenn man nur den des anderen nicht begehre, bloß darauf hinzuweisen: „So pflegten auch die Heiden zu sprechen.“ 273 Damit scheint bereits alles gesagt: Wenn die Heiden so gesprochen haben, dann ist dies Grund genug für Christen, dies eben nicht zu tun.

Die Heiden scheinen das Negativ-Beispiel schlechthin zu sein. Dennoch verzichtet Zeno auch in solchen Fällen nicht darauf, weitere negative Exempel aus dem täglichen Leben aufzuzählen.274 Ähnlich knapp ist die negative Anführung der Philosophen Epikur, Dikaiarch und Demokrit, die Zeno als Urheber einer ein Leben nach dem Tod negierenden Philosophie namhaft macht, ohne jedoch näher auf ihre Ideen einzugehen. 275 Dass sie exemplarisch

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Nach A. LUMPE, Exemplum, 1230. Vgl. R. HONSTETTER, Exemplum, 190. 270 Die Elemente der paganen Mythologie, die Zeno bereits säkularisiert vorfindet und dann christianisiert, haben dagegen nicht die Funktion von Exempla, sie sind als Adaptionen Elemente der Allegorese. 271 S. R. HONSTETTER, Exemplum, 191. 272 Vgl. ebd., 192.195–198; auch W. GEERLINGS, Prinzip, 94. 273 II 1,18: „Hoc etiam gentes dicere consuerunt“ in der Übersetzung von A. B IGELMAIR , Traktate, 88. 274 II 1,19f. 275 I 2,4. 269

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genannt sind,276 lässt die asyndetische Aufzählung erkennen,277 die in der Übersetzung Bigelmairs gelungen mit klassifizierenden unbestimmten Artikeln vor den Namen wiedergegeben ist.278 Ausführlicher argumentiert Zeno mit heidnischen Negativ-Exempeln, wenn er in II 1,1–11 heidnische Rhetoren nennt, die ‚von der Wahrheit abgekommen‘ sind 279 und deshalb eine falsche Gerechtigkeit vertraten. „Hätten diese Männer [jedoch] die Möglichkeit gehabt, die wahre Gerechtigkeit kennenzulernen, deren Lohn Unsterblichkeit ist und die ... mit dem Schleier angeblicher Torheit verhüllt ist ..., sie würden unbedenklich lieber als gerechte Toren gelten wollen, denn als ungerechte Weise.“ 280 Die dahinterstehende paränetische Frage an die Zuhörer ist eindeutig: ‚Ihr habt demgegenüber die Möglichkeit. Ihr kennt die wahre Gerechtigkeit. Was tut ihr?‘ Der Vorwurf wird schließlich in einer Erkenntnis aufgelöst: „Seht ihr jetzt, daß die Weisheit dieser Welt offenbar nicht Gerechtigkeit ist?“ 281 Für die wahre Gerechtigkeit, um die es eigentlich geht, werden im Folgenden Beispiele aus dem täglichen Leben angeführt. 282 Ähnlich, jedoch noch stärker abgewertet, werden die ‚Weisen Griechenlands‘ und ihre Schüler als Negativ-Exempel vorgeführt. Sie „haben in ihrem müßigen Streben ihr Herz, mehr als recht ist, ob ihrer überkühnen Beweisführungen erhoben. Wenn dieselben in ihren Worten bis zum Himmel hinaufsteigen; wenn sie die Welt davon überzeugen wollen, daß Gott das ist, was sie ihn sein lassen wollen; wenn sie derselben weismachen, daß sie die Geheimnisse der Natur kennen; wenn sie den Sternen Namen beilegen, der Sonne ihre Aufgaben vorschreiben; wenn sie dem Lauf des Mondes seine Wege anweisen; wenn sie ganz besonders verlangen, daß der Ausspruch ihres Geistes gläubig aufgenommen wird: so haben sie damit sich und andere ins Verderben gestürzt.“ 283 Nicht nur 276

Vgl. I. OPELT, Polemik, 107: „Von einzelnen Philosophenschulen oder deren Schulhäuptern sind vornehmlich Pythagoras …, Epikur …, die Kyniker …, die Stoiker … angegriffen worden. Dies war eigentlich nur mehr eine problemgeschichtlich bedingte Polemik, da die betreffenden Schulen, vielleicht mit Ausnahme der Pythagoreer, in christlicher Zeit doch nur noch doxographische Bedeutung hatten.“ 277 Man könnte von einem Asyndeton copulativum sprechen, das in affektivischer Sprache Synonyma häuft; vgl. H. RUBENBAUER / J. B. HOFMANN / R. HEINE, Grammatik, 257. 278 A. B IGELMAIR, Traktate, 187: „die haltlosen Aufstellungen eines Epikur, eines Dicaearch, eines Demokrit.“ 279 II 1,1. 280 II 1,4: „Ceterum si scire potuissent veram iustitiam, cuius est inmortalitas merces, propterea simulatae stultitiae velamine adopertam, ut res magna magnis virtutibus magnisque laboribus quaereretur, incunctanter optarent stultos iudicari se iustos quam sapientes iniustos“ in der Übersetzung von A. B IGELMAIR, Traktate, 82. 281 II 1,9: „Videtisne iam manifeste sapientiam huius mundi non esse iustitiam ... ?“ in Übersetzung von A. B IGELMAIR, Traktate, 84; vgl. LACT. inst. 5,16,13 (CSEL 19,1, 452,3f. Brandt). 282 II 1,11–13. 283 II 9,1: „Sapientes, ut videri volunt, Graeciae viri praeter ceteros curiosi otioso negotio cor suum ultra quam licitum est argumentis insolentibus extulerunt. Hi cum ascendunt verbis in caelum, cum deum persuadent hoc esse quod volunt, cum adsimulant se nosse rerum naturae secreta , cum stellis nomina , soli labores imponunt, cum errores suos lunari circulo adscribunt, cum ingenii sui carmen coli vel maxime cupiunt, sic se et alios perdiderunt“ in der Übersetzung von A. B IGELMAIR, Traktate, 122f.

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die ‚Weisen‘, d. h. bestimmte Philosophen selbst werden hier zum negativen Exemplum, auch das, was sie tun, wird exemplarisch aufgelistet. Nach dem Hinweis darauf, dass solches Tun und Denken auch schon in bestimmte christliche Kreise vorgedrungen ist 284 – was den scharfen Ton auch gegenüber den Philosophen der Vergangenheit erklärt – und einer autoritativen Beurteilung durch die Schrift 285 führt Zeno schließlich (eingeleitet mit dem typischen quapropter) die Lehre an, die aus solchem Beispiel zu ziehen ist: „Quapropter, fratres, efferendum non est prosperis rebus, sed timore dei intra mansuetudinis metas verecundiae freno cohibendum“ – und um das Ganze noch zu verstärken, wird auch das positive Ergebnis, das solches Verhalten nach sich zieht, autoritativbiblisch belegt – „ut possimus merito mereri, scriptura quod dicit: Proximus est deus contribulatis corde et humiles spiritu salvabit.“ 286 Schließlich wird für das dem NegativBeispiel gegenübergestellte Verhalten auch noch ein positives, biblisches Vorbild angefügt: David als Exemplum der Demut.287

Ganz anders verhält es sich interessanterweise, wenn Zeno das Verhalten der zeitgenössischen heidnischen Bevölkerung ins Feld führt. Dieses beurteilt er nämlich im Grunde positiv, etwa wenn er anführt, dass die Heiden die pudicitia verehren,288 dass sie durch ihren Totenkult und die heidnischen Philosophen (Platon und seine Schüler) und Dichter (Vergil) (und in deren Nachfolge mitgedacht natürlich die zeitgenössischen Rezipienten) durch ihre Theorien Zeugnis ablegen für ein Leben nach dem Tod, 289 schließlich dass die heidnische Gesellschaft auch einen Jungfrauenstand kennt.290 In der Art eines rhetorischen Schlusses A minori ad maius wird „von der Anerkennung (bzw. der Verwerfung) eines geringeren Gutes (bzw. Übels) auf die Notwendigkeit einer höheren Anerkennung (bzw. Verwerfung) eines entsprechend größeren Gutes (bzw. Übels)“ 291 hingewiesen, nach dem Motto: ‚Wenn schon die Heiden ... dann doch erst recht wir Christen (bzw. im Fall der Verwerfung: die Juden)‘. 292 Damit verfolgt Zeno deutlich und ausschließlich einen paränetischen Zweck und gerade die Heranziehung der heidnischen Zeitgenossen verstärkt diesen Impetus noch.

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II 9,2. Ps 11,2–5 in II 9,2; Ps 130,1 und 1 Rg 16,7 sowie Ps 50,19 in II 9,3. 286 II 9,3. 287 II 9,7. Auch Zeno benutzt schon, wie dies später Augustin systematisch tun wird, Exempla als Kontrast zu anderen, lässt sie eine „Handlungsalternative offenbaren“ und nutzt sie damit zur Verstärkung der Kritk; vgl. R. HONSTETTER, Exemplum, 189. 288 I 1,3. 289 I 2,2–5. 290 II 7,11. 291 A. LUMPE, Exemplum, 1245; s. auch C. GNILKA, Begriff, 139: „Die Rudimente des Wahren und Guten im Götzendienst müssen den Christen zur reinen und vollkommenen Verwirklichung dieses Guten anspornen.“ 292 Vgl. R. HONSTETTER, Exemplum, 195, zu Augustin. 285

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Auf diese Weise führt Zeno auch die Anhänger des Kybele-Kultes aufgrund ihrer Selbstkastration, als Gegenstück zu den Juden und ihrer Beschneidung, unter moralischen Gesichtspunkten als Vergleichsbeispiel an.293 Dies zielt natürlich gegen die Beschneidung, der positiv die Taufe (secunda circumcisio) gegenübergestellt wird. Die Aufwertung der Heiden, die wohl kaum ernst gemeint sein dürfte, fungiert hier als ironische Spitze der Argumentation.294

Betrachtet man das Gesamtpaket der Exempel, die Zeno dem Heidentum entnimmt, so fällt auf, dass er, anders als andere christliche Autoren, überhaupt keine römischen historischen Exempla anführt. Mit ihren heidnischen Vorgängern teilten auch die christlichen Lehrer die römische Wertschätzung der Exempla maiorum,295 ein Tertullian,296 ein Laktanz, ein Hieronymus und auch ein Augustinus hatten keine Hemmungen, auch heidnische Exempel, sowohl mythologische wie historische, in ihre Argumentation (bzw. Refutation) einzubauen.297 Zeno hingegen rezipiert hier nicht Laktanz und Tertullian, derer er sich sonst gerne als Quelle bedient. Über die Gründe lassen sich nur Vermutungen anstellen. Eher unwahrscheinlich scheint es, dass ihm die auf den römischen Kulturkreis beschränkten historischen Exempla weniger bekannt waren, 298 seine Rezeption klassischer lateinischer Literatur sowie seine Tertullian- und Laktanzkenntnis sprechen deutlich dagegen. Nachweislich auf Laktanz als Quelle hat er etwa bei den Beispielen aus der griechischen Philosophie zurückge293

I 3,2. Von dieser Argumentation zu unterscheiden ist die Klimax in I 25,3–6. Dort werden das Opfer der Heiden, das der Juden und das der Christen als ,verabscheuenswertes‘, ,verworfenes‘ und ,reines‘ nebeneinandergestellt und bewertet. 295 Vgl. H. KORNHARDT, Exemplum, 74f. 296 S. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 160: „Tertullian führt geradezu extensiv exempla der heidnischen Religion und Geschichte an, um die Heiden mit ihrer eigenen Geschichte zu diskreditieren.“ 297 Ihre Vorliebe für Exempla insgesamt (und damit auch für einzelne konkrete Beispiele der Tradition) beruhte nach A. LUMPE, Exemplum, 1245, v. a. auf dem Einfluss der Popularphilosophie auf die christliche Predigt; zu einzelnen historischen Exempeln, die von Laktanz, Tertullian, Hieronymus und Augustin im Sinne eines Schlusses A minori ad maius angeführt wurden s. ebd., 1248–1251. R. HONSTETTER, Exemplum, 107, spricht in diesem Zusammenhang von „neu entwickelten Gebrauchsmechanismen, mit deren Hilfe die Christen das traditionelle Exempelmaterial adaptieren und für ihre neuen Beweisziele umformen“. Die Grundlage für die christliche Adaption antiker Exemplastoffe bilde die zwischen der frühkaiserzeitlichen und der spätantiken Literatur bestehende exemplastoffliche, literarische und kulturpolitische Tradition, als deren Garant die ungebrochene Kontinuität des rhetorischen Schul- und Bildungsbetriebs zu gelten habe, den die christlichen Apologeten ebenso durchlaufen haben und von dem sie ebenso geprägt seien wie ihre heidnischen Kontrahenten. 298 Dies könnte als Argument dafür herangezogen werden, dass Zeno aus dem Osten nach Verona gekommen sei und er deshalb nicht auf ein eigenes Repertoire zurückgreifen konnte. 294

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griffen. Damit wird eine andere Motivation wahrscheinlicher: Anders als seine Vorgänger Laktanz und Tertullian ist die Rede Zenos nicht mehr überwiegend apologetisch motiviert, d. h. er muss nicht mehr herausstreichen, dass auch das Christentum auf den der gesamt-römischen Gesellschaft zugrundeliegenden Moralvorstellungen und den sie verdeutlichenden Traditionen fußt bzw. sie überbietet;299 andererseits ist Zeno aber auch noch nicht soweit wie seine Nachfolger Hieronymus und v. a. Augustin, der den Exempla im Rahmen der Erziehung zwar noch ihre pädagogische Funktion zuerkennt, sie für die Glaubensgeschichte jedoch nicht mehr von Belang hält.300 Zeno hingegen befindet sich – gerade zu einer Zeit, in der den historischen Exempla auf heidnischer Seite angesichts des Niedergangs des Reiches v. a. die Funktion von „Ideologieträgern“ zukam 301 – noch in einer Situation, ein christliches Selbst- und Eigenbewusstsein aufbauen zu müssen;302 das heißt, hier kommt es noch darauf an, die Bedeutung eigener Exempla maiorum gegenüber den traditionellen heidnischen herauszustreichen. Dies erklärt zum einen das Fehlen römisch-historischer Exempla, zum anderen aber auch die besondere Dichte und Betonung eigener, christlicher Vorbilder.303 Zeno kann dabei auf ein Repertoire zurückgreifen, das im lateinischen Westen insbesondere von Tertullian geprägt wurde. 304 299

Vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 161: „Nach einer bestimmten Konsolidierungsphase benötigt eine solche Gruppe dann nicht mehr die exempla der abgestreiften Tradition“. 300 S. W. GEERLINGS, Prinzip, 94. 301 S. R. HONSTETTER, Exemplum, 110f. 302 Das Selbstbewusstsein eines Ambrosius, „der hinter sich eine christlich gewordene Welt weiß“ (W. GEERLINGS, Prinzip, 92), ist Zeno im Begriff, sich und seiner Gemeinde zu erarbeiten. Zwar belegen schon Äußerungen Tertullians über die rasche und umfassende Verbreitung des Christentums, etwa T ERT. apol. 37,4 (CChr.SL 1,148,16–23 Dekkers), ein daran anknüpfendes Selbstbewusstsein (s. M. FIEDROWICZ, Apologie, 222), und auch Zeno kennt dieses Argument (II 7,5: „cur ego Christiano orbe ipso paene iam toto … obtundam verbis palpantibus aciem veritatis … ?“). Ambrosius jedoch bringt darüber hinaus das Selbstbewusstsein des römischen Amtsträgers mit in sein Bischofsamt. 303 Vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 158–168; ders., Art. Apologetik und Fundamentaltheologie in der Väterzeit, HFTh2 IV, 2000, 217–220, hier: 226: Die Apologetik „setzt den ,exempla‘ der Heiden die ,exempla nostra‘ entgegen. Gegen Mucius Scaevola, Lucretia und Cato stehen nun Abraham, David und Ijob. Ihnen folgen später neutestamentliche Zeugen.“ Zeno leistet damit, Ambrosius vergleichbar und von diesem unabhängig, eine „Vorbedingung … für die neue Konzeption von exempla und Geschichte, wie sie später Augustin formulieren wird“ (ders., Prinzip, 93). Er „destruiert“ (ders., Apologetik, 228) noch nicht wirklich, verzichtet und ersetzt jedoch bereits ganz bewusst. 304 S. W. GEERLINGS, Prinzip, 92; vgl. auch A. LUMPE, Exemplum, 1244f., der darauf verweist, dass die gebräuchlichen christlichen Exempla schon biblisch in Hbr 11 begeg-

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

d) aus der Schrift Wie seine Vorgänger 305 greift der Veroneser Bischof überwiegend zu alttestamentlichen Exempla, er kennt aber auch neutestamentliche 306 und nachbiblische, der Kirchengeschichte entnommene Vorbilder. 307 Namentlich genannt werden aus dem Alten Testament 308: Abel als geduldiger Märtyrer;309 Abraham, dem eine besondere Rolle unter den alttestamentlichen Exempeln zukommt, schon allein aufgrund der Häufigkeit seiner Nennung;310 der als Beispiel für diverse Tugenden 311 insbesondere ein Vorbild bezüglich des Glaubens ist,312 welcher sich in Hoffnung, Gottesfurcht bzw. Gottvertrauen und Gottesliebe äußert,313 Abraham also, der damit der Gerechte unter den biblischen Vorbildern schlechthin ist;314 Daniel, der

nen und vielleicht auf ein synagogales Paradigmengebet zurückgehen. Eine Zusammenstellung christlicher Exempla in altchristlichen Gebetstexten und in der gottesdienstlichen Leseordnung findet sich bei H. R. SEELIGER, Drei Jünglinge, 294–306. Ebd., 317f., bewertet er jede Suche nach „einer eindeutigen Vorlage“ jedoch als müßig, da „jede typologische Reihe … stets zu einem eigenen, ganz speziellen Zweck innerhalb eines speziellen Argumentationszusammenhangs gebildet“ worden sei. 305 S. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 162. 306 Vgl. ebd., 159, zu Ambrosius: „Exempla maiorum sind bei Ambrosius vorzüglich biblische Gestalten“. – Auf eine Wiederholung der von V. B OCCARDI, Esegesi, 466–476, benannten literarischen Vorläufer und Parallelen einzelner Elemente der zenonischen Schriftinterpretation wird im Folgenden verzichtet. 307 Vgl. A. LUMPE, Exemplum, 1245. 308 Hier des Umfangs der alttestamentlichen Exempla insgesamt und der inhaltlichen Vielschichtigkeit einzelner Exempla wegen in alphabetischer Reihenfolge; die neutestamentlichen Exempla lassen sich eindeutiger und ohne Doppelungen in bestimmte Gruppen differenzieren. 309 I 4,12. 310 Abraham wird namentlich allein 33 mal in den Traktaten genannt; s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 3f. 311 Zusammen mit Isaak ist er u. a. ein Beispiel für patientia in I 4,13–15, also einer „im Glauben ausharrende[n] Geduld“, E. DASSMANN, „Bindung“ und „Opferung“ Isaaks in jüdischer und patristischer Auslegung, in: Hairesis. FS K. Hoheisel, hg. v. M. Hutter, W. Klein u. U. Vollmer, Münster 2002, 1–18, hier: 12, wie dies zuvor auch schon etwa T ERT. patient. 6,1 (CChr.SL 1,306 Borleffs) oder CYPR. patient. 10 (CChr.SL 3A,403f. Moreschini) in paränetischer Absicht darstellen. 312 I 24,2; I 36,6f; I 43,7; I 59,7; I 62,5; II 1,21; II 3,1. Mit dieser Interpretation reiht sich Zeno ein in die gemein-patristische moralische Deutung Abrahams (neben der typologisch-allegorischen Deutung Isaaks, die Zeno auch kennt); s. E. DASSMANN, Bindung, 8. – Der Glaube Abrahams tritt seit Tertullian als ein christlicher Topos an die Stelle heidnischer Topoi; s. W. GEERLINGS, Prinzip, 92. Damit setzt bei den christlichen Exempla der gleiche Vorgang einer Stereotypisierung ein, aufgrund derer der betreffende ,Held‘ als der Träger einer bestimmten Tugend allen bekannt ist und die bloße Namensnennung diese Tugend bereits evoziert, wie dies in der heidnischen Literatur der Fall war; vgl. R. HONSTETTER, Exemplum, 110. 313 I 4,13; I 36,6; I 43; I 62; II 1,21. 314 I 62,1: „Abraham ... iustitiam non didicit, sed genuit“; vgl. auch I 3,6; I 36,6.

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ebenfalls für Glaube und Gottesfurcht steht;315 David, der Glaube und Demut vertritt;316 Eleasar, der durch sein Bekenntnis und sein Martyrium seinerseits Vorbild des Märtyrers Arcadius war;317 Henoch als Beispiel für den Glauben;318 die Drei Jünglinge, denen verschiedene Tugenden zugeschrieben werden, insbesondere aber ihre Standhaftigkeit, ihr Mut und ihr Glaube 319 und die aufgrund dieser Tugenden nicht nur schon traditionelles Exemplum für wunderbare Errettung und Typos der Märtyrer sind,320 sondern zenonisch erstmals zur ‚sakramentalen Tauf-Typologie‘ modifiziert werden;321 Isaak, der zusammen mit Abraham ausdrücklich ein claritatis exemplum und ein dei cultus admirabile saeculis testimonium genannt wird, dem alle (omnes sic fierent) folgen sollten,322 der darüber hinaus Vorbild für zahlreiche Tugenden, insbesondere Glaube und Gottesfurcht und daraus resultierende Furchtlosigkeit bzw. Standhaftigkeit 323 ist, der aber ganz besonders als Beispiel für ein unschuldiges, unbeflecktes, zum Leben bzw. Heil gereichendes Opfer 324 der Typos des Märtyrers 325 und insbesondere Präfiguration Christi ist;326 dann Jakob, der als Exempel für Geduld und Glaube, aber auch als Präfiguration Christi vorgestellt wird;327 Jesus Nave, der allerdings nur auftaucht, da Zeno ihn mit Josua verwechselt und ihn deshalb als Exemplum für den Glauben heranzieht;328 Ijob, mit dem ausdrücklich in einem eigens ihm gewidmeten Traktat die Aufforderung verbunden ist, die maiorum mores nachzuahmen,329 und dem insofern als Exempel für Gerechtigkeit, Geduld und rechten Glauben 330 eine besondere Bedeutung zukommt, so dass er schließlich sogar aufgrund dieser Tugenden als Präfiguration Christi gelten darf;331 Jona, der 315

I 36,8; II 2,5. I 36,8; II 9,7; auch I 24,3 als generelles Exempel für die Neophyten ohne Zuweisung einer konkreten Tugend. 317 I 39,9. 318 I 36,7. 319 I 11; I 31; I 48; I 53,1; II 15; II 22; II 27; auch I 24,2 als generelles Exempel für die Neophyten ohne Zuweisung einer konkreten Tugend. 320 S. V. B OCCARDI, Esegesi, 482f. 321 S. ebd., 483f. 322 I 4,15. 323 I 36,7; I 43,3.5; I 59,2.7; I 62,5. 324 I 24,2; I 25,9; I 43,4; I 59,2. 325 I 59,2: „innocens martyr offertur“; auch I 62,5: „Sola enim fides deambulat inter gladios tuta , inter esurientes feras amica , in ignibus frigida .“ 326 I 59,8. Besonders in diesem Punkt deckt sich die zenonischen Interpretation mit der typologisch-allegorischen Deutung Isaaks zahlreicher anderer Väter; s. E. DASSMANN, Bindung, 8.10–16. 327 I 4,16; I 36,7; I 37,1 innerhalb der Allegorese des Traums des Jakob; auch I 24,2 als generelles Exempel für die Neophyten ohne Zuweisung einer konkreten Tugend. 328 Jos 10,12f. als Vorlage für I 36,8. 329 I 15,1: „Sacrae historiae, fratres dilectissimi, ad hoc nobis est tradita legenda narratio, ut maiorum, si fieri potest, saltem aliqua ex parte mores imitemur, si non possumus imitari virtutes.“ – Auch Ambrosius spricht von biblischen Figuren als von Exempla maiorum; s. W. GEERLINGS, Prinzip, 93. 330 I 4,18f.; I 15; I 36,8. 331 I 15,7: „Iob, quantum intellegi datur, fratres carissimi, Christi imaginem praeferebat. Denique comparatio indicat veritatem.“ – Ausführlich zum zenonischen Ijob als tugendhaftem Exemplum einerseits und Präfiguration Christi andererseits P. MARAVAL, 316

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ebenfalls für Glaube und Gottesfurcht steht 332 und ebenfalls als Präfiguration Christi zu gelten hat;333 Josef, der ausdrücklich als Teil einer Exempelreihe angekündigt wird und als solcher für Sittenreinheit und Keuschheit,334 aber auch für Geduld und Glaube steht;335 die Makkabäer, die aufgenommen sind in eine Reihe von Glaubens-Exempeln, 336 die aber auch Vorbild des Märtyrers Arcadius sind;337 Maria, die Schwester des Mose, allerdings nicht exemplarisch, sondern (erstmals im Westen 338) explizit als Typos der Kirche;339 dann Mose selbst, der innerhalb eine Exempelreihe mit anderen für den Glauben steht,340 der aber zusammen mit Elija, ausdrücklich als exemplum angekündigt, ein Leben nach dem Tod belegt 341 und schließlich innerhalb allegoretischer ExodusDeutungen eine Präfiguration Christi 342 und zusammen mit Aaron Metapher des Priestertums bzw. der Zweizahl der Testamente ist;343 die Einwohner Ninives, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Gottesfurcht und ihres Gottvertrauens als Typos der Kirche betrachtet werden können 344 und damit eine besondere Rolle als Vorbild der einzelnen Mitglieder der Kirche bekommen;345 Noach, der ebenfalls in Exempelreihen für Geduld und Glaube

Job dans l’œuvre de Zénon de Vérone, in: Le livre de Job chez les Pères, hg. v. Centre d’Analyse et de Documentation Patristiques, Straßburg 1996, 23–30; er weist ebd., 25, auch darauf hin, dass Traktat I 15 der älteste Zeuge einer solchen typologischen IjobExegese im Westen ist. Diese Deutung dürfte, da P. MARAVAL, Job, 25f., einen direkten Einfluss des Origenes ausschließen will, eine originell zenonische sein, die in einzelnen Punkten auch keine Nachfolger gefunden hat. – Zum Zusammenhang von Typologie und Exempla s. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 159, besonders Anm. 6. 332 I 36,8; II 2,5. 333 I 34,8: „Ionas in navi dormiens sacramenti dominici imaginem praeferebat“. Vgl. A. MAGRI, Esegesi, 81–83.89–93. Die Jona-Interpretation in I 34 ist deshalb besonders interessant, weil es sich, nach Y.-M. DUVAL, Livre, Bd. I, 220, um die älteste erhaltene der „interprétations complètes de Jonas“ handelt. Ders., Sources, 108f., hatte darüber hinaus schon auf eine unerwartete Nähe zu Origenes hingewiesen. Kritisch dazu zuletzt A. MAGRI, Esegesi, v. a. 83–89. P. F. B EATRICE, The Sign of Jonah. The Paschal Mystery and the Conversions of the Pagans according to Chromatius of Aquileia, in: Chromatius of Aquileia and his Age. Proceedings of the International Conference held in Aquileia, 22–24 May 2008, hg. v. P. F. Beatrice u. A. Peršič, Turnhout 2011, 19–64, hier: 39f., zieht diese zenonische Jona-Interpretation lediglich paraphrasierend zum Vergleich mit der Interpretation durch Chromatius von Aquileia heran. 334 I 1,15f.; auch I 36,26. 335 I 4,17; I 36,7; auch I 24,2 als generelles Exempel für die Neophyten ohne Zuweisung einer konkreten Tugend. 336 I 36,8. 337 I 39,9. 338 S. V. B OCCARDI, Esegesi, 479. 339 II 26,3: „Maria … typus ecclesiae fuit“. 340 I 36,8; s. auch I 24,2. 341 I 2,8f. 342 I 46B,2. 343 II 26,1f. 344 I 34,9. Nach Y.-M. DUVAL, Livre, Bd. I, 223 f., bildet diese Typologie das Zentrum des Traktates; s. auch A. MAGRI, Esegesi, 97. 345 I 34,9. „Quod et nos et fecimus et facere plerumque debemus“ (ebd.).

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aufgenommen ist;346 Samuel, der (wie schon für Mose erwähnt) als exemplum angekündigt und als Beleg für ein Leben nach dem Tod angeführt wird; 347 Sara, die wie Abraham Gottesfurcht und Glaube repräsentiert;348 Susanna, die ausdrücklich insigne pudicitiae testimonium genannt wird 349 und gleichzeitig die Bereitschaft zum Martyrium mit dieser Tugend verbindet,350 so dass sie das Vorbild für die (christlichen) Frauen schlechthin ist;351 Tamar, die weniger als Exempel denn als Bild für die Kirche als Institution innerhalb einer umfassenderen Allegorese steht;352 schließlich Tobias, der u. a. als Glied einer Exempelreihe für Glauben begegnet.353

Betrachtet man diese lange Reihe namentlich genannter alttestamentlicher Gestalten, so fallen bereits einige Dinge ins Auge. Auch hier lässt sich die doppelte Funktion von Exempeln erkennen. Als Vorbilder führt Zeno diese Personen überwiegend in paränetischer Absicht an, sie stehen für eine ‚Tradition‘ christlicher Grund-Tugenden, deren höchste der Glaube selbst ist, neben den die beiden anderen theologalen Tugenden Hoffnung und (Gottes-)Liebe, insbesondere aber auch Gottesfurcht und Geduld (als Voraussetzung aller anderen Tugenden 354) treten.355 Hier deutet sich bereits eine Entwicklung weg von der Funktion heidnischer Exempel hin zu einer genuin christlichen Funktion an, die dann für Augustin als abgeschlossen konstatiert werden kann: „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte Roms hat [bei Augustin im Gegensatz zu Tertullian und Ambrosius] nicht nur zu einem Abbau der heidnischen Exempla geführt, sondern auch zu einer Verschiebung von den vielen Exempla virtutis zu den Exempla fidei.“ 356 Daneben kommt den alttestamentlichen Exempla aber auch wiederum, obgleich seltener, eine demonstrative Funktion zu, insbesondere wenn sie als einzelne Metapher oder innerhalb einer umfassenden Allegorese begegnen.357 Dann dienen sie der Verdeutlichung von Glaubensinhalten bzw. 346

I 4,12; I 36,7; auch I 24,2 als generelles Exempel für die Neophyten ohne Zuweisung einer konkreten Tugend. 347 I 2,8. 348 I 43,1f.; I 62,2. Sara steht aber auch für die Mutterliebe, auch wenn sie in diesem Punkt nicht ausdrücklich als Exemplum vorgeführt wird; s. I 59,4f. Indirekt ist Sara auch die Präfiguration Marias, da in Isaak Christus präfiguriert ist; s. I 59,8. 349 I 1,17; vgl. auch I 36,26. 350 I 1,18; I 40 (gesamter Traktat). 351 I 40,1: „Inde Susanna illustris Hebraea , verae decus pudicitiae, docuit feminas suae castitatis exemplo.“ 352 I 13,7–13. 353 I 36,8; auch I 24,2 als generelles Exempel für die Neophyten ohne Zuweisung einer konkreten Tugend 354 S. u. S. 501, Anm. 434 und o. S. 430, Anm. 76. 355 S. u. S. 552–556. 356 W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 185. 357 Zur Verwandtschaft von Exemplum und Allegorie s. C. W ALDE, Art. Allegorie, DNP I, 1996, 523–525, hier: 524.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

-wissen. Dazu müssen auch die Typologien Christi und der Märtyrer (als Sonderform der Allegorese) 358 gezählt werden, die über die demonstrative Funktion hinaus wie schon die Vorbild-Exempel den Bogen der Kontinuität zwischen Altem Testament und Christentum schlagen. 359 Insbesondere in dieser Form erfüllen die alttestamentlichen Exempel damit zugleich die Aufgabe, zum einen heidnische maiores durch christliche, für die Gesellschaft neue, jedoch aufgrund ihres Alters durchaus autoritative Vorbilder (in der Art eines Altersbeweises) zu ersetzen, 360 zum anderen jedoch gegenüber den Juden als ‚Vorfahren‘ des Christentums eine Legitimation der neuen Religion und zugleich eine „Enteignung“ bzw. „Aneignung“ 361 der gemeinsamen biblischen Grundlage zu bewerkstelligen. Damit leisten sie einen gewichtigen Beitrag zum Selbstbewusstwerden der christlichen Gemeinde an zwei Fronten.362 V. a. die letztgenannte Bedeutung alttestamentlicher Exempel zeigt sich deutlich in der zenonischen Argumentation gegenüber der jüdischen Beschneidung in Traktat I 3. Aus der Reihe der alttestamentlichen Gestalten werden Abel, Henoch, Noach, Melchisedek, die Niniviten, Adam und schließlich Abraham als Unbeschnittene vorgestellt.363 Diese Beispiele haben insofern demonstrative Funktion, als sie zeigen, dass die Christen und Juden gemeinsamen maiores nicht der Beschneidung bedurften, um dennoch von den Juden hochgeschätzt zu werden. Wie diese Vorbilder brauchen daher auch die Christen keine Beschneidung. Und: Eigentlich hätten auch die Juden ihrer nicht bedurft. Darin liegt die polemische Spitze dieser Passage, die zugleich das eigene Selbstbewusstsein erkennen lässt: ‚Seht doch, wie unsinnig die Beschneidung ist. Sie ist nicht nur überflüssig, sondern auch, wie der Vergleich mit dem Kybele-Kult gezeigt hat,364 unmoralisch. 358

S. H. CANCIK-LINDEMAIER / D. SIGEL, Allegorese, 522. Dieses Bewusstsein teilt Zeno mit Ambrosius: „Der Rückbezug auf die exempla der eigenen Geschichte beruht vor allem auf dem klaren Wissen um die historische Kontinuität und das Selbstbewußtsein der kirchlichen Gemeinschaft. Bei Ambrosius ist diese Kontinuität verankert im Wissen um die heilsgeschichtliche Entsprechung beider Testamente. Aus dieser Sicherheit heraus kann er dort, wo es ihm dienlich ist, die heidnische Tradition aufgreifen. Dort, wo er sie nicht benötigt – und dies ist überwiegend der Fall – ignoriert er sie schlicht oder setzt sie herab“, so W. GEERLINGS, Prinzip, 93. 360 Zur Bedeutsamkeit des Alters der christlichen Religion s. II 3,8 : „illa [fides] nobilis et antiqua , quae … nativitate porro maior est legis“. Vgl. W. GEERLINGS, Prinzip, 93, zu Ambrosius: „Die christliche Kirche kann mit eigenen exempla aufwarten und ist nicht mehr auf die exempla der römischen Tradition angewiesen.“ Vgl. auch ders., Christus Exemplum, 160, schon zu Tertullian: „Während die exempla virtutis der klassischen Latinität Aufschluß über den Charakter einer Person oder Familie gaben, dienen nun diese exempla dazu, das Alter des eigenen Ideals nachzuweisen. Das hermeneutische Verfahren bleibt das gleiche, nur erhalten die exempla nun einen anderen Bezugspunkt.“ 361 Vgl. H. CANCIK-LINDEMAIER / D. SIGEL, Allegorese, 520f. 362 Vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 161: „Für die historische Selbstbehauptung einer Gruppe ist darum die Entwicklung einer Geschichtstheologie, und das heißt die Findung eines Selbstbewußtseins, unumgänglich.“ 363 I 3,5f. 364 I 3,2. 359

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Eigentlich sind wir es, die der gemeinsamen Tradition in der ursprünglichen, richtigen und tugendhafteren Manier folgen; wir sind die besseren Bewahrer.‘

Neben den bisher untersuchten positiven alttestamentlichen Exempla kennt Zeno auch einige wenige negative. Sie ergänzen lediglich die umfangreichen negativen Exempel aus den Bereichen des Alltags und des Heidentums. Ihnen kommt die Funktion zu, das bisher anschaulich Aufgezeigte und Geforderte als Verweis auf die Autorität der Schrift zu bestätigen; daher schließen sie häufig Exempelreihen ab. Zwar als Einzelpersonen, aber doch in ihrer für die Allgemeinheit folgenreichen Rolle als die ‚ersten Sünder‘ begegnen Adam und Eva, die als Exempla von Verführbarkeit warnend vor Augen gestellt werden;365 Zeno fordert ausdrücklich zur Bemühung auf, Sündhaftigkeit und ‚Nacktheit‘ Adams und Evas sich nach der Taufe, durch die dieser Status grundlegend überwunden ist, nicht wiederholen zu lassen.366 Neben Adam begegnet dann auch Kain gefolgt von den Einwohnern Sodoms als negatives Beispiel für Ungeduld in einer Exempelreihe. Sie wird abgeschlossen durch das Beispiel der Juden (hier ebenfalls für das konkrete Laster der Ungeduld).367 Ähnlich wird auch die alttestamentliche Exempelreihe der Verführbarkeit durch cupido von der synagoga abgeschlossen.368 Die negativen Exempel des Alten Testaments lassen sich gleichsam terminologisch wie inhaltlich unter dem Stichwort Iudaei subsumieren. ‚Die Juden‘ (Iudaei / seltener Iudaicus populus 369) werden von Zeno als das abschreckende Exempel des Alten Testamentes schlechthin immer wieder dargestellt. Ihre Aufgabe, so die Interpretation des Bischofs, wäre es eigentlich gewesen, durch ihr vorbildliches Beispiel auch andere zu einem gottgefälligen Leben zu bewegen, 370 doch sie haben versagt 371 und sind deshalb von Gott verworfen (reiectio).372 Ihr Versagen setzt sich im 365

An erster Stelle ist Eva die Verführbare, so in I 1,17f., wo ihr Susanna als ausdrückliches Gegenbeispiel gegenübergestellt wird; auch II 7,16, wo Eva ,Vorbild‘ und gelegentlich ,übertroffenes Vorbild‘ der christlichen Frauen ist (Evae non discipulae, sed magistrae), die sich von ihren heidnischen Ehemännern ,verführen‘ lassen wie Eva vom Teufel. Im Verbund mit Eva ist aber auch Adam in I 36,26 Exempel der Verführbarkeit durch cupido. 366 I 3,24. – Dass das negative Exempel Adams und Evas überwunden werden kann, verdankt die Menschheit der typologischen Wiederherstellung: Inverser Antitypos Adams ist Christus in I 3,20; I 36,29; I 37,15; I 59,9; II 4,18; Antitypos Evas ist Maria in I 3,19; I 36,29 bzw. die Kirche in I 3,20. 367 I 4,8 (Adam); I 4,9 (Kain); I 4,10 (Sodom, Juden). 368 I 36,26. 369 I 3,7; I 10A;I 13,5; I 20; I 30; I 47; II 3,1; II 11,1; II 21; auch Iudaica gens in I 61,1. 370 I 13,5 in Deutung von Gn 38,9: „Aunan autem secundus frater Iudaicus est populus, cui praecipitur, ut semen excitet fratris, non utique illud, quod a deo damnatum iure videbatur, sed ut reliquas nationes, quas idolatriae, de qua diximus, disseminatae venena confecerant, ad dei cultum bonae vitae exemplis sacraeque legis religiosis exhortationibus excitaret.“ 371 S. I 8,1; I 9; I 34,8; I 37,3; I 51; I 61,5; II 16; II 20,1; I 47; auch I 29,2: „Israel ingratus“;I 13,7: „synagogae fides moritur … prophetis synagogae lapsu desolatis“; vgl. auch I 34,7.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Neuen Testament fort 373 und zieht sich in Form des theologischen Irrtums bis in die Gegenwart.374 Dies führt zur Substitution durch das Christentum (electio).375 Dieses von Zeno immer und immer wieder in Anknüpfung an die Schrift repetierte religiöse Sachwissen vom Versagen und Verworfen-Sein des Judentums und seiner Substitution durch das Christentum intendiert, auch wenn es nicht ausdrücklich erwähnt ist, weniger eine antijüdische Polemik um ihrer selbst willen als vielmehr eine Konstituierung eines christlichen Selbstbewusstseins 376 (auch im Sinne eines Altersbeweises) und in seiner Folge einen paränetischen Aufruf zu entsprechendem Verhalten; der Verweis auf das religiöse Sachwissen macht das Judentum eben auch und in erster Linie zum abschreckenden Beispiel: „Quantum sonus lectionis indicat, fratres, Iudaicus quidem populus impietatis arguitur, sed Christianus, ne talis evadat, pariter commonetur. Denique ut iste plus timeat, ille terretur; ille vapulat, ut iste proficiat. Compendiosum felicitatis genus alterius periculo discere, quid debeas devitare.“ 377 Und deshalb: „Quod exemplum [sc. Iudaici populi], fratres, fortiter fugite simulque gaudete, quod alienis plagis dei discitis disciplinam“.378 Weniger polemisch, im Sinne eines zur Überbietung anspornenden Beispiels, setzt Zeno das Judentum nur ausnahmsweise ein. 379

Das neue Testament als die genuin christliche Quelle bietet nur wenig Material für negative Exempla, aber es ist fast selbstverständlich der Fundus 372

I 61,1; auchI 13,6; I 18,1; I 20; I 25,3.6f.; I 47; I 59,8; I 61,5; II 17; II 25,1; I 61,1; II 3,1; II 21; auch I 61,1: „Israel sic reprobus invenitur“; II 25,1: „synagoga spelunca latronum“. 373 S.I 13,8.12; I 34,7; I 37,3.10; I 59,8f.; I 61,2.4; s. auch in I 15,8; I 34,7; auch pharisaeus in I 15,8; II 9,8. 374 S. etwa I 3,1–3.9f.12; I 8,1; I 18,1; I 25,1.3; I 28,1; I 29,2; I 51; I 61,6; II 8,1; II 16; auch pharisaeus in I 3,14; I 19,1; I 34,7 (scribae et pharisaei); I 46A,1; I 52; II 9,9. Ob das zeitgenössische Judentum, etwa durch den Vokativ Iudaee in I 3,12; I 9; II 16; II 20,1 oder Pharisaee in I 3,14, angesprochen ist oder ob es sich um ein bloßes Stilmittel im Kontext der Wissensvermittlung und Paränese handelt, bleibt in aller Regel unklar. Nur selten deuten Formulierungen eindeutig in die Gegenwart, etwa adhuc in I 29,2 oder nunc usque in I 52. 375 I 61,1; auch I 3,7.19; I 38,7; I 46B,2f. (illis – nobis vero ); II 20,1; II 11,1; besonders deutlich auch in II 26,2 in Deutung von Ex 13f.: „Israel populus Christianus, qui proficisci iubetur, ut ad futura contendat“; ähnlich wird auch die Anrede Israels in Dt 10,12f. in II 2,4 auf die christliche Gemeinde bezogen: „Et nunc, Israel, quid dominus deus tuus postulat a te, nisi ut timeas dominum deum tuum et ambules in omnibus viis eius et diligas eum et custodias praecepta eius ex toto corde tuo et ex tota anima tua ut bene sit tibi? Videtisne hunc timorem nobis necessarium“. 376 Vgl. etwa II 6,4 zum „lebendigen Tempel“: „In his enim solis sacerdotum dei structura et propria est et perennis, qua et Iudaeos et gentes vel ceteros antecedimus.“ 377 I 10A. 378 I 30. S. auch I 3,24: „elaborate, … ne novus homo quicquam Iudaei habere videatur aut gentis.“ Abschreckend ist sicher auch I 47 zu verstehnen: „Hinc aestimare licet, quid eis sit reservatum, quorum in causa funerei luctus poenae pertulit natura supplicium.“ 379 II 6,1 über den Kirchenbau im Vergleich mit heidnischen Kultgebäuden und jüdischem Tempel: „Sed quamvis sit optimum laudare, quae dei sunt, tamen praecipuum non est, quod cum gentibus vel Iudaeis potest esse commune“. S. auch II 6,4.6.

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positiver Vorbilder. Diese stehen, wie schon die alttestamentlichen Exempla, v. a. für christliche Grundtugenden, an erster Stelle für den Glauben. Und so wundert es nicht, dass umgekehrt das einzige konkrete negative Exemplum eben auch auf den Verlust christlicher Grundtugenden abhebt. Negativität wird auch im Neuen Testament überwiegend an ‚den Juden‘ festgemacht.380 Als ausdrücklich so gekennzeichnetes exemplum begegnet in den zenonischen Traktaten darüber hinaus lediglich noch Judas Iskariot; er wird angeführt als Beleg für den Verlust von Hoffnung und Glauben aufgrund mangelnder Liebe. In seiner Nachfolge stehen Häretiker und Schismatiker.381 Die Gesamtheit der Apostel quasi als ‚die Ersten der Kirche‘ 382 setzt Zeno ein als Exempel v. a. für christliche Grundtugenden und deren Wirkungen: als indirekt (aus einer Allegorese) zu erschließendes, aber grundlegendes Exempel für den gehorsamen Dienst gegenüber Gott,383 als Exempel für auf dem Glauben basierende außergewöhnliche Fähigkeiten (Wunderheilungen),384 für das Wirken der patientia (als Voraussetzung aller Tugenden),385 für angemessene Gottesfurcht,386 zusammen mit allen iusti als Exempel für das ehrfurchtsvolle An-sich-Tragen des Abbildes Gottes;387 schließlich scheinen die Apostel auch nachstrebenswertes Vorbild des Predigers zu sein, auch wenn dies nur indirekt erschlossen werden kann. 388 Entsprechend der zugrunde liegenden Schriftstelle Mt 17,2f. par. werden Petrus und die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, in einer umfangreichen Reihe profaner wie biblischer Exempelerzählungen nicht als Exempel, aber als Gewährspersonen eines exemplarischen Ereignisses für ein Leben nach dem Tod vorgestellt. 389 Petrus als Einzelperson wird mehrfach als derjenige angeführt, der durch seinen Gang auf dem Wasser (Mt 14,29) beispielhaft Glaube (auch angesichts der Unerklärbarkeit von Naturereignis380

S. o. Anm. 374. I 36,19: „Constat ergo omne Christianitas magis in caritate quam in spe vel fide esse depositum, sicut evidens testatur exemplum. Iudas Scariothes traditor domini et spem et fidem perdidit, quia caritas in ipso non mansit. Nam et haereses et schismata sic disseminatur, cum inflata fides ac spes dilectionis a fundamento velluntur.“ 382 Vgl. I 15,9: „Iob vicarios filios genuit; dominus quoque post prophetas filios sanctos apostolos procreavit“; I 61,4: „quod Iudaeis non audientibus Christus dominus esset ab apostolis et gentibus audiendus“. 383 In I 33,4 und II 12,4 wird der Dienst der Apostel gleichgesetzt mit dem Dienst, den die zwölf Stunden des Tages bzw. die zwölf Sternbilder gehorsam leisten. 384 I 36,9; vgl. auch I 61,3 (mirabilia ). 385 I 4,22; zur patientia als Voraussetzung aller Tugenden s. I 4,1. Vgl. P. ROUSSEAU, Homily, 158. 386 II 2,5 in Anspielung auf Act 4,31. 387 II 30,4. 388 S. I 3,16: „[Christus] sua doctrina formatos, spiritus sancti lima acuminatos constituit viros apostolos omnesque discipulos. Quorum salutaria monita canentibus linguis, quasi quibusdam spiritalibus cultris, credentium populorum secundum Moysi dictum ... in augmentum hominis praeputium facinorosi cordis incidit“; I 61,3: „apostolos asseverat, quorum praedicatione gloria domini per tota terrarum spatia nuntiata est.“ 389 I 2,9. 381

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

sen) 390 und Gottesfurcht (im Unterschied zur unbegründeten Angst vor der Natur) 391 vorlebte.392 Der zur Einleitung von Schriftzitationen überaus häufig namentlich genannte Apostel Paulus 393 begegnet als Exempel nur ein einziges Mal,394 und zwar – vergleichbar den übrigen Aposteln und insbesondere Petrus – als Vorbild des Glaubens trotz zahlreicher Gefahren, die er durchlebt hat.395 Auch er steht also für eine der christlichen Haupttugenden.396 Von den schon bei den frühen christlichen Schriftstellern gerne als Beleg für Auferstehung und ewiges Leben herangezogenen Exempeln der neutestamentlichen Auferweckungs-, Heilungswunder und anderer Wundergeschichten 397 begegnet in den zenonischen Traktaten nur Lazarus. Seine Nennung schließt eine solche Exempelreihe zum Leben nach dem Tod ab, jedoch ist er nur indirekt und ‚umständlich‘ als Exempel erkennbar. Der paränetische Tenor liegt auf der Vermeidung des Verhaltens eines geizigen Reichen, der erst in der Hölle erkennt, dass Lazarus (aufgrund seiner Auferweckung – das muss vom Hörer erschlossen werden) „der wahre Reiche“ ist. 398 An weiteren neutestamentlichen Gestalten begegnet häufiger Johannes der Täufer,399 nur ein einziges Mal noch der Zöllner Zachäus,400 beide jedoch ohne wirklichen Exempelstatus, will man nicht ihre Nennung in I 24,3f. in dieser Weise bewerten. 401 390

I 34,2; I 36,8. II 2,6. Zu Angst und Furcht s. o. S. 197–199. 392 Daneben begegnet er in I 24,3 ohne Zuweisung einer Tugend; vermutlich wird hier, vergleichbar seiner Anführung in I 37,5, auf seine Bedeutung beim Aufbau der Kirche abgehoben. Wie die Apostel insgesamt, kann er daher als Vorbild für Kleriker gelten, ohne dass dies explizit zum Ausdruck gebracht wird. 393 S. o. S. 457f. 394 In 1 Cor 7,7, von Zeno in II 7,2 als Empfehlung der Schrift zitiert, führt Paulus sich selbst als Exempel an: „volo autem omnes vos esse sicut et me“. Zeno allerdings nennt Paulus selbst in diesem Fall nicht als Vorbild; man kann natürlich darüber streiten, ob es ihm hier mehr um die Autorität der Schrift oder um die Vorbildhaftigkeit des Apostels gegangen sein mag; vermutlich ist das eine ohne das andere nicht zu denken. – Auf die mahnende Funktion des Paulus hebt auch seine Erwähnung in I 24,3 ab. 395 I 34,4 in Anlehnung an 2 Cor 11,24–26. 396 Zu den so genannten theologalen Tugenden s. u. S. 552–556. 397 S. E. DASSMANN, Sündenvergebung, 282–340. Aus den alttestamentlichen bei E. DASSMANN, ebd., 184–282, behandelten Errettungsparadigmata dagegen führt Zeno zum Teil mehrfach Abraham und Isaak, Mose, Noach, Jona, die Drei Jünglinge, Susanna und Ijob an; s. o. S. 488–491. 398 I 2,9: „Similiter in inferno dives ille tenacissimus, quem chaos immensum a pauperis felicitate discernit, ardoribus suis implorando refrigerium Lazarum verum divitem sero cognoscit“. Zum Zusammenhang der christlichen Lazarus-Interpretation mit Sündenvergebung s. E. DASSMANN, Sündenvergebung, 283–289. 399 I 8,2; I 24,3; I 37,11; II 8,7; II 17. 400 I 24,4. Alle anderen in I 24 genannten Gestalten tauchen mindestens ein zweites Mal in den Traktaten auf. 401 Vgl. die Bewertung des Traktates als „mnemotechnische Hilfe für Neubekehrte“ (richtig heißen müsste es „Neophyten“) bei C. MODESTO, Studien, 111. Jedoch gilt m. E. das Gleiche für das zenonische Traktat, was C. MODESTO, ebd., für die Cena Cypriani als Bedenken anführt: die Anspielungen beziehen „sich nicht immer auf zentrale Charakter391

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Die Jungfrau und Gottesmutter Maria, die für die zenonische Theologie von höchster Bedeutsamkeit ist und der deshalb ganze Passagen der Traktate gewidmet sind,402 wird dort jedoch überwiegend im Kontext der Vermittlung religiösen Sachwissens angeführt, es geht um grundsätzliches Glaubenswissen von der Geburt Jesu, das Grundlage der Christologie und Soteriologie ist. Da das Ereignis der Empfängnis und Geburt des Gottessohnes ein unwiederholbares religiöses Geheimnis ist,403 scheint Zeno eine Exempelhaftigkeit Mariens geradezu ausschließen zu wollen; der Anführung Marias durch einen fiktiven Zuhörer als Exemplum für Ehe und Mutterschaft hält Zeno in Form einer Ironie die Unmöglichkeit der Imitatio der Gottesmutter entgegen: „Sed dicet aliquis: ‚Etiam Maria virgo et nupsit et peperit.‘ Sit aliqua talis, et cedo! Ceterum illa fuit virgo post connubium, virgo post conceptum, virgo post filium.“ 404 Dennoch verbindet Zeno mit diesem Ereignis die Aufwertung des Status der Frauen: „Exsultate, feminae, promotionemque vestri sexus agnoscite. Culpa deleta veteri ecce per vos iungimur caelo“.405 An dieser Stelle nicht erwähnter Hintergrund dieser Aufwertung ist die Typologie Eva – Maria: „a muliere, quae prior peccaverat, [secundae] circumcisionis incipit cura, et quia suasione per aurem inrepens diabolus Evam vulnerans interemerat, per aurem intrat Christus in Mariam, universa cordis desecat vitia vulnusque mulieris, dum de virgine nascitur, curat.“ 406 Diese Wiederherstellung des durch Eva verletzten Status der Frau durch Maria ist ihrerseits ein Exemplum für das Wirken der caritas.407 Wie ein biblisches Exemplum behandelt Zeno jedoch die aus dem apokryphen Protevangelium des Jakobus bekannte Hebamme Jesu. Sie ist gewissermaßen religiöses Sachwissen doppelt belegendes Exemplum: Gemäß dem apokryphen Text liefert sie das testimonium für die immerwährende Jungfräulichkeit der Gottesmutter.408 In der zenoni-

züge oder Ereignisse aus dem Leben einer Bibelfigur“. Vgl. o. S. 395, Anm. 34, die Einordnung des Traktates als Ersatz für ein Mahl nach einer weltlichen Geburt. 402 S. etwa I 54,3–5; II 8,8; II 12,1–3 u. ö. 403 Vgl. die Gegenüberstellung der Empfängnis des Isaak und der Jesu (trotz der Typologie Isaak – Christus) in I 59,8: „Ad huius ergo personam Christi refertur verecunda nativitas, sed virginalis uteri aula secretior“. Vgl. auch die Hervorhebung der Besonderheit der Empfängnis und Geburt Jesu durch Exklamation in I 54,5: „O magnum sacramentum!“; I 55: „O admirabilis et vere divina sacrosancta dignatio … !“; II 12,2: „Mira res!“; II 12,3: „O nova ratio!“ 404 II 7,4. Zu den Traktaten als ältestem lateinischen Zeugen für die Lehre von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens, s. o. S. 42, Anm. 103. Diese Lehre scheint schließlich Grundlage für eine Art unausgesprochene Typologie Maria – ecclesia zu sein; s. I 1,3: „ecclesia ideo Christi sponsa est … post nuptias manet postmodum virgo perpetua“; I 55 an die Kompetenten: „fontanum semper virginis matris dulcem ad uterum convolate“. 405 II 8,8. 406 I 3,19. 407 I 36,29 als Element einer Aufzählung von Belegen für das Wirken der caritas: „Tu [, caritas,] Evam in Mariam redintegrasti.“ 408 S. I 54,5: „Obstetricis incredulae periclitantis enixam in testimonium repertam eiusdem esse virginitatis incenditur manus.“

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

schen Deutung ist die an ihr geschehene Wunderheilung zugleich Beleg für das ‚Heil‘, das dem Glauben an Jesus Christus als Sohn Gottes folgt. 409 Christus, der schon biblisch den Anspruch auf Vorbildhaftigkeit erhebt,410 begegnet in den zenonischen Traktaten als explizites Exemplum nicht. Dennoch lässt die Lektüre der Traktate keinen Zweifel daran aufkommen, dass er das uneingeschränkt oberste Exemplum ist und als solches per se immer mitgedacht wird. Denn er ist schöpfungstheologisch das Urbild und zugleich soteriologisch das Vorbild schlechthin, auf das der Mensch als Abbild (imago) ausgerichtet ist,411 dem der Mensch sich durch Taufe und nachfolgendes entsprechendes Denken und Handeln 412 anzugleichen hat.413 Man wird daher auch in den zenonischen Traktaten von einer Erweiterung der „pädagogisch-pastorale[n] Exemplum-Verwendung“ um „die philosophische Exemplum-Verwendung“ und die „soteriologische Komponente des Exemplum-Begriffs“ reden können. 414 So begegnet, wie für Augustin nachweisbar, auch in den zenonischen Traktaten Christus als „Exemplum vitae“ 415: Seine Menschwerdung ist Voraussetzung der Erlösung, sie ist Wiederherstellung Adams 416 und somit Weg Gottes zu den Menschen, 417 der den Weg des Men409

S. ebd.: „Qua tacto infante statim edax illa flamma sopitur sicque illa medica feliciter curiosa diu admirata mulierem virginem, admirata infantem deum ingenti gaudio exsultans, quae curatum venerat, curata recessit.“ 410 S. etwa Mt 19,21.16,24 in II 1,15: „Si vis perfectus esse, vade et vende omnia tua … et veni sequere me.“ 411 S.I 13,11 in Deutung von Gn 38,18: „Anulus quoque signaculum fidei est, quod est Christus, cuius inlustratione maiestatis impressi atque signati, qua sincere viventes in custodiam nostrae salutis per spiritum sanctum imaginem referimus, quam tenemus“; I 45,1f.: „cum dicat [deus]: Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram … O sancta aequalitas ac sibi soli dignissima individuae dealitatis! Unus homo ad duorum imaginem et similitudinem fingitur nec tamen in eo, quid cuius sit, invenitur“; II 4,7: „sollertissimus ille artifex rerum filius dei … amore imaginis suae de caelo descendit“; II 5,1f.: „si [dei filium praedicaret scriptura] hominem solum, … quae spes futurae beatitudinis credenti … ? Ergo ubi purum deum significat, sic dicit in Genesi: Et fecit deus hominem ad imaginem et similitudinem dei“; II 12,3: „Amore imaginis suae coactus in infantem vagit deus“. Zum Menschen als Abbild Gottes allgemein s. auch I 2,30; I 4,9; I 27,2f.; I 36,23f.; I 56,3; II 4,4; II 30,2–4. 412 S. u. S. 534–562. 413 S. II 30,4: „Quam [sc. imaginem dei] qui sancte portaverint, sicut apostoli omnesque iusti, non tantum imaginem, sed ipsum deum quoque portabunt“. 414 W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 173, zu Augustin. Zur Terminologie imago als Äquivalent zu exemplum bei Augustin s. ebd., 175f. Angesichts der noch virulenten Gefahr des Arianismus kann Zeno Christus allerdings nicht wie Augustin als „imago dei und imago hominis“, s. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 176, bezeichnen, da er konsequent der imago die veritas gegenüberstellt; s. I 1,6; I 2,21.25; I 3,23; I 9; I 36,23f.; I 46B,1; II 16; II 25,2. 415 Vgl. ebd., 191–195. 416 I 3,20; I 36,29; I 37,15; I 59,9; II 4,18. 417 S. II 12,1.3f.: „Secundum quod deus suos promiserat per prophetas, filium suum salvatorem generi humano se esse misurum commodum, tempore maturo … caelo egressus … sacrario templi virginalis hospes pudicus inlabitur … Amore imaginis suae coactus in infantem vagit deus …, qui totius orbis debita venerat soluturus … Hic et homo et deus, quia inter patrem hominesque adstitit medius“.

C. Instrumente der Bildungsvermittlung

499

schen zu Gott erst ermöglicht.418 Von daher ist Christus zugleich „Exemplum resurrectionis“.419 Das Exemplum der Auferstehung Christi ermöglicht auch die Auferstehung der Menschen und damit zugleich ihre beatitudo.420

Erst die grundsätzliche, ‚philosophisch-soteriologische‘ Exempelhaftigkeit Christi macht über den Schritt der Typologie, die zahlreiche alttestamentliche Gestalten als Präfigurationen (imago / figura) Christi deutet,421 obwohl sie pardoxerweise in der ‚Nachfolge‘ dem historischen Jesus vorausgegangen sind, deren pädagogischen Exempel-Status gegenüber den Christen möglich,422 während neutestamentliche und nachbiblische Exempel lediglich vorbildhafte zeitlich vorausliegende Vorläufer der Gläubigen in der Imitatio Christi sind. e) aus der Kirchengeschichte Abschließend sind die Exempla, die Zeno nachbiblischen Schriftquellen entnimmt, zu betrachten.

418

S. die Allegorese von Ex 1,12–15 in II 26,2: „Columna viam demonstrans Christus est dominus.“ Ein geschlossenes Bild bietet die zenonische Rede von der ersten Geburt Christi vor aller Zeit und der zweiten Geburt in der Inkarnation und die inverse Anwendung auf den Menschen mittels der Rede von der ersten irdischen Geburt und der zweiten Geburt in der Taufe. Vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 191: „Der Weg Gottes zum Menschen macht darum Christus selbst zum Weg der Menschen zu Gott.“ 419 I 2,11 als Abschluss einer Exempelreihe zur Auferstehung aus Heidentum, Natur und Schrift: „At si resurrexit [Iesus], humano generi formam dedit, quoniam ad hoc deus pro homine mortis iura gustavit, ut homo per deum ius inmortalitatis reciperet, quod amisit“; zu forma als Synonym von exemplum s. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 176. I 16,2: „Hic est dies, fratres, quo a domino nostro cunctus redemptus est orbis, … hic, inquam, qui nobis resurrectionis monstrat exemplum“; vgl. auch I 57 und I 58: „dies salutaris … sacramenti dominici imaginem portat, nam occasu passionem resurrectionemque ortu redivivio concelebrat, per quem nobis munus (bzw. nobis quoque resurrectionem) futurae beatitudinis pollicetur“; II 4,7: „Postremam suscipit mortem [filius dei], ut ea devicta resurgens homini per hominem, quem gerebat, et spem vincendae mortis offeret et eum ad praemia inmortalitatis admitteret.“ Vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 195–199, zu Augustin. 420 Zu beatitudo vgl. W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 197f. 421 Jesus Nave in I 3,16 und I 36,8; Ijob in I 15,7; Jona in I 34,8; Jakob in I 37,1; Mose in I 46B,2; Isaak in I 59,8. S. auch II 18,1: „Non hodie mihi ad vos sermo est, fratres carissimi, de humanis gestis aut meritis nec Daniel inducitur … nec Ionas … nec tres pueri … sed de domino nostro“. 422 Dies gilt im Übrigen auch für die gesamte allegoretische Auslegung des Alten Testamentes, das als imago verstanden wird, dessen wahrer Sinn (veritas) erst dem christlichen Exegeten zugänglich ist; s. etwa die Deutung von Ex 13f. einleitend II 16 und I 9: „Tempus non sinit ( b zw. , fratres,) imagini reddere veritatem“; I 46B,1: „Si Iudaei vacuatae imaginis recordatione gloriantur, quanto magis Christianus, in quo non est figura sed veritas!“; vgl. auch II 25,1f.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Das soteriologische Exemplum Christi parallelisierend führt der Veroneser Bischof den Vogel Phönix als Beleg für das religiöse Sachwissen von der Auferstehung ins Feld.423 Er reiht dieses belegende Exempel allerdings ein zwischen eine Exempelreihe einleitende Beispiele aus der Natur. Offensichtlich versteht Zeno den christianisierten Mythos, den er selbst wohl über Tertullian und Laktanz kennengelernt hat, 424 in populärer Manier als reales Geschehen in der Natur, so dass die Herkunft dieses Exemplums aus nun schon christlicher ‚Tradition‘ für Funktion und Qualität des Exemplums selbst keine Relevanz hat.

Wirkliche ‚pädagogische‘ Exempla entstammen der jungen Geschichte des Christentums – man könnte annehmen, dass sie als die eigentlichen Nachfolger der klassischen historischen Exempla zu gelten haben, da Zeno sie einer nun schon genuin christlichen ‚Tradition‘, wie er sie in den Märtyrerakten vorfindet, entnimmt. Dennoch unterscheiden auch sie sich, wie schon die biblischen Exempla, von den klassischen historischen Exempla virtutis durch ihre Funktion als Exempla fidei. Als solche haben sie ihrerseits bereits biblische Exempla vorgefunden und nachgeahmt; sie fungieren – dank Allegorese und Typologie – zusammen mit den biblischen Gestalten als vorbildliche maiores des Christentums 425 und repräsentieren so Kontinuität bis in die jüngste Vergangenheit. An erster Stelle ist der Märtyrer Archadius aus Cäsarea in Mauretanien zu nennen, dem Zeno auf der Grundlage seiner Passio einen ganzen Traktat widmet. 426 Schon in der Einleitung seiner Schilderung des Martyriums (und damit abweichend von der möglichen Vorlage 427) nennt Zeno als einen Grund für die Erinnerung an den Märtyrer – „cum ad caeleste praemium populus accenditur“ 428 –, dass also durch das Beispiel des Märtyrers der Lohn des Martyriums die Gläubigen (für die Sache des Bekenntnisses zu Christus) begeistere. Die Tugend, die durch den Martyriumsbericht als vorbildlich vermittelt werden soll, ist offensichtlich, wenn auch nur einmal explizit genannt, die constantia,429 mit der Zeugnis für Christus abgelegt wird.430 In seinem Martyrium ist er den biblischen Exempla der Makkabäer und des Eleasar vergleichbar. 431

423

I 2,20f. Weitere Anspielungen auf Phönix in I 58 und II 29,1. Zur Phönix-Kenntnis Zenos aus T ERT. resurr. 13,2 (CChr.SL 2,936,5–9 Borleffs) und LACT. Phoen. 77.99f. (CSEL 27,2,1,140.142 Brandt) s. o. S. 303, Anm. 439. 425 Vgl. etwa I 4,12. 426 I 39. 427 S P ASS. ARCAD. (551 Ruinart). 428 I 39,1. 429 I 39,7. 430 I 39,6: „domino confiteri“; I 39,9: „in uno corpore … tantum agnoscatur dominus triumphasse“; ebd.: „confessio“. 431 I 39,9 in Anspielung auf 1 Mcc 6,43: „Maccabaeorum est iungenda numero, Eleazari est adaequanda proposito, conparanda consilio.“ 424

C. Instrumente der Bildungsvermittlung

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Ein im Westen zur Zeit Zenos noch wenig rezipiertes 432 nachbiblisches Exemplum, die heilige Thekla, als Erzmärtyrerin verehrt, obwohl sie an der von Zeno rezipierten Stelle dem Märtyrertod noch entgeht,433 stellt Zeno in II 2,6f. zum Abschluss einer Exempelreihe aus Natur und Schrift als Exemplum für Furchtlosigkeit als Ausdruck von Gottesfurcht, die ihrerseitsVoraussetzung aller Tugenden und damit von zukünftiger beatitudo ist,434 vor. Thekla repräsentiert hier die Kontinuität von Altem Testament, hier vertreten von vorausgehenden Exempla des Daniel und des Jona, über das Neue Testament, vertreten durch das Exempel des Petrus, bis in die jüngste Vergangenheit. Insbesondere die Charakterisierung der Ereignisse als Schauspiel 435 lassen Thekla zum christlichen Gegenstück heidnischer mythologischer Gestalten werden, die auch über die Präsentation in Theatern als Vorbilder populär wurden. Ihre Vorbildhaftigkeit artikuliert sich besonders in der Überleitung von Schriftzitat zu Exempelreihe: „Videtisne hunc timorem nobis necessarium … ?“ 436 Arcadius und Thekla sind konkrete Repräsentanten des ‚Standes‘ der christlichen Märtyrer, der neben die irdischen Stände der Eheleute, Jungfrauen, Witwen und Kleriker und des himmlischen Standes der Engel tritt.437 Die Angehörigen dieses Standes fungieren auch in ihrer Gesamtheit als nachahmenswertes Vorbild für die Gemeindemitglieder.438 Die Märtyrer stehen für christliche Grundtugenden wie Glaube 439 und Liebe,440 für die durch sie in besonderer Weise vertretenen Tugenden Furchtlosigkeit 441 und Standhaf-

432 Eine Recherche in der Datenbank LIBRARY OF LATIN T EXTS (CLCLT5 Tombeur) unter dem Suchbegriffe „thecla*“ liefert als vorzenonisches Suchergebnis lediglich Tert. bapt. 17; eine ebensolche Recherche in der elektronischen Fassung der PL (P ATROLOGIA LATINA DATABASE = elektronische Fassung der Patrologia Latina, hg. v. J.-P. Migne, Paris 11844–65, Alexandria, VA 1995) ergab zudem einen Beleg für Ps. Cypr. cena, dessen zeitliches Verhältnis zu den zenonischen Traktaten umstritten ist. 433 S. P ASS. T HECLAE 33–35 (TU NS 7,2,88–101 Gebhardt). 434 II 2,4: „[timor,] qui … ad omnia genera virtutum intrepidus corrigit“; II 2,7: „timor, qui nihil aliud agit nisi ut beatos efficiat“. 435 S. o. S. 109. 436 II 2,4 (Hervorhebung B. D.). 437 S. I 1,20: „Sed o quantum es miranda , pudicitia … Tu in virginibus felix, in viduis fortis, in coniugiis fidelis, in sacerdotibus pura , martyribus gloriosa , in angelis clara , in omnibus vero regina .“ Als Engel haben wohl die Seligen zu gelten, die aufgrund anderer Leistungen in den Himmel gelangen; vgl. I 2,26: „quemadmodum etenim ille princeps iniquitatis suo semine per invidiam protoplastos ex angelis in homines derivavit, ita dominus omnes in se credentes sancti spiritus semine a mortuis rursus gloriosos in angelos excitabit“; s. auch I 37,11–13, besonders I 37,13: „Unde dubium non est unum esse iter aerii culminis angelis lucis et hominibus iustis“; II 10,2: „aqua [baptismi] … evomit vivos, … ex hominibus in angelos transituros“. 438 Ausdrücklich mit exempla und maiores in Verbindung gebracht begegnen die Märtyrer in I 4,11f. 439 S. I 11: „Martyrii quodam modo pars est, fratres dilectissimi, martyrum non horuisse supplicium. … tantum generosa ac perfecta fides quique ille fuerit cruciatus sua complicat vota “; I 36,4: „fides … martyrum virtus“. 440 S. I 36,30: „Tu [, caritas,] martyres gloriosos a confessione Christiani nominis nullis tormentis, nulla novitate mortis … separari permittis.“ 441 S. I 11: „martyrum non horuisse supplicium“.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

tigkeit bzw. Geduld,442 aber auch für pudicitia.443 Ihre alttestamentlichen Vorläufer sind Abel,444 Isaak 445 und v. a. die Drei Jünglinge.446 Das Martyrium, dessen Hochschätzung bereits kultischen Niederschlag zu finden scheint,447 wird von Zeno als selbstverständlich zum Leben auch des zeitgenössischen Christen gehöriges Abschluss-Stadium dargestellt.448 Dieser irritierende Anachronismus, der noch nicht durch die Vorstellung eines ‚unblutigen Martyriums‘ aufgelöst ist, dürfte seine Ursache in den aktuellen oder erst gerade abgeschlossenen Erfahrungen unter Kaiser Julian haben, 449 für dessen Regierungszeit ja tatsächlich „blutige christenfeindliche Unruhen“ belegt und christliche Mar-

442

S. I 4,12: „Abel ideo martyr, quia iustus; ideo iustus, quia patiens; a quo pati martyres didicerunt patiendo libenter“; I 4,22: „Tu [, patientia,] cotidiana martyrum et mater es et corona.“ 443 I 1,20: „pudicitia, … tu … in martyribus gloriosa“. 444 I 4,12. 445 S. I 59,2: „[Isaac] deo innocens martyr“. 446 I 11: „Martyrii quodam modo pars est, fratres dilectissimi, martyrum non horuisse supplicium … Denique tres pueri in illo sacro certamine prae occulis deum sibi proposuere“; I 22,1: „Trium puerorum martyrium qui credit interritus, potest etiam ipse adipisci martyrium.“ 447 S. I 25,11: „displicent deo, sed et illi, qui per sepulcra discurrunt, qui foetorosis prandia cadaveribus sacrificant mortuorum, qui amore luxuriandi atque bibendi in infamibus locis lagenis et calicibus subito sibi martyres pepererunt“; zu den hinter der Kritik stehenden Gewohnheiten s. o. S. 213–219. Die Ablösung von Gold und Silber durch die Märtyrer innerhalb der allegoretischen Deutung des Kirchengebäudes in II 6,6 scheint auf Darstellungen von Märtyrer und ihrer praemia vermutlich in der Apsis der Kirche abzuheben und damit kirchlich legitimierte Märtyrerverehrung anzudeuten. 448 Die Deutung der Jahreszeiten auf das Christenleben in I 33,2f. ist nur dann in sich stimmig, wenn davon auszugehen ist, dass auch gegenwärtig das irdische Leben des Christen durch das Martyrium beendet und zur Vollendung gebracht wird: „Hiems namque … ad eos pertinet, qui idolatriae deservientes … longae nocti … sunt a deo … destinati. Ver sacrum fontem debemus accipere … Aestas autem fidelis est populus … Autumnus quoque martyrii locus est, in quo … sanguis effunditur, ut vita beata pretiosae mortis vindemia comparetur.“ Wenigstens zur Martyriumsbereitschaft scheint I 22,1 aufzufordern: „Trium puerorum martyrium qui credit interritus, potest etiam ipse adipisci martyrium“; vgl. auch in II 11,7 die Rede von Verfolgung und Martyrium als Weinlese und Kelter, die den selbstverständlichen Abschluss des Weinanbaus bilden. Wie ein Gang durch die Geschichte des Christentums wirkt I 4,22: „Tu [, patientia,] prophetas provexisti. Tu Christo apostolos glutinasti. Tu cotidiana martyrum et mater es et corona“; aufhorchen lässt hier v. a. cotidiana, das sich nicht nur auf die nach geleistetem Martyrium gewährte corona bezieht, sondern auch auf mater, was darauf deutet, dass auch gegenwärtig noch mit der Entstehung neuer Martyrien gerechnet wird. Uneindeutig ist das Nebeneinander von Taufe und Martyrium in I 3,20; uneindeutig auch I 1,20 und I 36,4.30, wo sich trotz des dreimaligen Präsens die Rede vom Stand bzw. der virtus der Märtyrer auf eine abgeschlossene Epoche beziehen kann. 449 Zur Frage einer genaueren Datierung des Episkopats Zenos anhand von indizienhaften Hinweisen auf Julian innerhalb des Traktat-Corpus s. o. S. 243f., insbesondere Anm. 102.

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tyrien (wenn auch zum größten Teil legendarisch) überliefert sind.450 Erst eine zeitliche Distanz, die Zeno noch nicht hat, lässt die eigentlichen Christenverfolgungen mit den Konstantinssöhnen als abgeschlossen und die Bedrängnis unter Julian als Episode erkennbar werden.

Angesichts der Häufigkeit und Dichte der Verwendung von Exempla insgesamt, angesichts ihrer inhaltlichen Bedeutsamkeit für die Vermittlung religiösen Sachwissens wie auch angesichts ihrer deutlich paränetischen Intention sind sie als Hauptinstrument zenonischer Bildungsvermittlung zu betrachten. Zeno übernimmt, das lässt sich zusammenfassend sagen, weitgehend die schon vorchristliche Methodik und Funktion des Einsatzes von Exempla. Inhaltlich greift er die Vorgaben Tertullians und des Laktanz auf, man findet in den Traktaten aber durchaus schon die Weiterentwicklung, die bisher überwiegend Ambrosius zugeschrieben wurde: So klammert Zeno die klassischen historischen Exempla aus und ersetzt sie mittels der Typologie durch christliche biblische und nachbiblische Vorbilder. Damit verschiebt sich v. a. der Akzent der exempla maiorum, die klassische Funktion als exempla virtutis tritt zurück, christliche exempla maiorum fungieren hauptsächlich als exempla fidei oder anderer sittlichem Verhalten voranzustellender Grund-Tugenden. Was die Bedeutung Christi als Exemplum betrifft deuten sich selbst Ansätze der augustinischen Exempel-Metaphysik und ihre Unverzichtbarkeit für die Soteriologie bereits an. Lediglich das gnadentheologisch bei Augustin unverzichtbare adiutorium taucht in den zenonischen Traktaten nicht in direktem Zusammenhang mit den Exempla auf. Allerdings, das hatte sich bereits gezeigt, denkt Zeno, wenn auch wesentlich verhaltener als Augustin, als Voraussetzung des Lernens durchaus auch in der Taufe geschenkte gnadenhafte Befähigung mit. III. oratio Während Schrift und Exempla Instrumente sind, die v. a. inhaltlich für die Bildungsvermittlung bedeutsam sind, ist schließlich ein rein technisches 450 Allein eine nur eingeschränkt aussagekräftige Recherche in der elektronischen Fassung des BBKL (B IOGRAPHISCH-B IBLIOGRAPHISCHES KIRCHENLEXIKON = elektronische Fassung des BBKL, hg. v. F.-W. Bautz u. T. Bautz, Hamm / Herzberg / Nordhausen 1990–2004; Zugriff über: ) unter Verknüpfung der Suchbegriffe „Julian“ und „Martyrium“ ergab drei namentliche Ergebnisse für den Osten („Dometios“; „Eusignios“; „Manuel, Sabel und Ismael“) und ebenso viele für den Westen („Donatus von Arezzo“; „Eliphius von Rampillon“; „Leopardus von Aachen“); die blutigen Unruhen erwähnt H. Wulfert in seinem Beitrag „Julianos Apostata“, ebd.; zu gewalttätigen Ausschreitungen auch J. FLAMANT / C. P IÉTRI / G. GOTTLIEB, Julian Apostata (361–363) und der Versuch einer altgläubigen Restauration, Die Geschichte des Christentums, Bd. II, hg. v. C. Piétri u. L. Piétri, Freiburg / Basel / Wien 1996, 396–413, hier: 406.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Instrument, das sich seinerseits der inhaltlichen Instrumente der Bildungsvermittlung bedient, auf die zenonische Einschätzung seiner Möglichkeiten hin zu betrachten: die Rede. Zenos kritische Reflexion hält ihn keineswegs davon ab, dieses Instrument selbst geschickt einzusetzen und die als verderblich eingeschätzte Rhetorik gewissermaßen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Das antike Bildungssystem gipfelte letztendlich in der rhetorischen Schulung. Die Kaiserzeit gilt als eine Epoche, „in der ‚die Rhetorik‘ ganz besonders blühte und geradezu eine beherrschende Stellung einnahm“.451 Und auch in der Spätantike erfreute sich das „Reden-Können“ in der Öffentlichkeit eines unvermindert hohen Ansehens. Gerade die lateinische Rhetorik konnte an dem Aufstieg, der mit der diokletianischen Restauration verbunden war, vollauf partizipieren, was sich in zahlreichen Zeugnissen eines blühenden Rhetorikbetriebs von der Mitte des 4. Jahrhunderts an, insbesondere in Gallien und Afrika, dokumentiert.452 Mehr und mehr bestimmte die Rhetorik das gesamte kulturelle Leben, es entstand eine „culture oratoire“, in der das gesprochene Wort, über die Schule vermittelt und dem Prinzip der Nachahmung verpflichtet, das Bewusstsein nicht nur der konservativen Schicht der Gebildeten bestimmte.453 Dieser „Prozeß des Konservierens“ machte keineswegs „vor der Kirchentür“ halt, da die Prediger dieser Zeit durch Schule und gesellschaftliche Herkunft mit diesen Standards groß geworden waren. 454 „Die Christen, denen es zufiel, öffentlich zu sprechen, [wären] wohl [auch] schlecht beraten gewesen, wenn sie überhaupt davon abgesehen hätten, sich der ohnehin bereitstehenden Anleitungen, Mittel und Methoden zu bedienen.“ 455

Bei Zeno, wiewohl nicht nur bei ihm, führt dies zu einem höchst ambivalenten Verhältnis zu dem Mittel, dessen er sich selbst bedient. 1. eloquentiae vires Was Zeno an Philosophen bzw. Intellektuellen v. a. auszusetzen hat, sind die Mittel, derer sie sich bedienen, das, was in der Antike nicht voneinander zu trennen war (und dem auch Zeno letztendlich unterliegt), die Zu-

451

C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 28. S. M. FUHRMANN, Philologie und Rhetorik, in: NHL IV. Spätantike, hg. v. K. von See, Wiesbaden 1997, 173–193, hier: 188. 453 S. K.-H. UTHEMANN, Beredsamkeit, 267 (in Anlehnung an H.-I. Marrou). 454 Ebd., 285. 455 C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 28. Ebd., 45, geht der Autor sogar noch weiter, wenn er von der Metamorphose des Redners zum Prediger spricht: „Wenn die Christen diese Mittel nicht bereits vorgefunden hätten, wären sie gleichsam gezwungen gewesen, unverzüglich etwas ihnen Entsprechendes neu zu schaffen. So betrachtet stillte ,die Rhetorik‘ ein akutes Bedürfnis. ,Der Redner‘, dessen Gestalt die ganze klassische Antike fasziniert hatte, musste – mit einer neuen Aufgabe – als ,Prediger‘ weiterleben, und die Metamorphose fand zweifellos – wie auch Spuren zu belegen scheinen – in der Schule statt.“ 452

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sammengehörigkeit von intellektuellem Denken und seiner rhetorischen Weitergabe.456 Daher spricht er auch nur an einer einzigen Stelle vom eigentlichen, professionellen ‚Rhetor‘, und zwar in juristischem Kontext. Innerhalb einer Aufzählung, aber doch gleichsam in einem Atemzug mit den vorangestellten iudices nennt er die Berufsgruppe der diserti, die der avaritia, weil davon ihr Lohn abhängt, mit ‚gespaltener Zunge‘ dienen.457 Vorchristlich sind es insgesamt die excellentes ingenio et doctrina viri, die auf die eloquentiae vires vertrauen.458 Dies führt dazu, dass diese sapientes zwar Namen zu verdrehen (transferre) vermögen, nicht jedoch die Sache (in diesem Fall der iustitia) selbst, die sie behandeln.459 Verallgemeinernd kann Zeno daher von der sapientia als einem der fundamenta omnium vitiorum sagen: „Wahrlich, die Weisheit, mit einem Schwall wasserdichter Argumente (den Zuhörer) überrollend, herausgeputzt mit ratgebenden und ergötzlichen Erdichtungen tüchtiger Rede, bewaffnet mit der Posaune der Stimme und dem Schwert der Zunge, übernimmt jede öffentliche Tätigkeit (und schlüpft dabei in jede Rolle),460 sammelt Streitigkeiten (und Menschenhorden um sich) 461 und debattiert (darüber) vor versammeltem Volk. Sie bewirkt solche Prozessurteile, die neue Verhandlungen grundlegen und führt (schließlich) schiefe und schlüpfrige Vorschriften (mit der Folge ebensolcher Verhaltensgewohnheiten) herbei.462 Sie bekämpft die von ihr 456 Vgl. dazu auch W. EISENHUT, Rhetorik, 62, zu Ciceros De oratore: „das Ideal des gebildeten, und das heißt damals des philosophisch gebildeten, Redners“. 457 I 14,1: „Hanc [sc. avaritiam] mediocres fraudibus excolunt, divites inpotentia , iudices gratia, diserti mercennaria ac duplici lingua“; zum substantivischen Gebrauch von disertus im Sinne von orator vgl. ThesLL 5,1, 1379. Umgekehrt, aber in vergleichbarem Kontext sagt Zeno in I 21 von der avaritia: „iura divina contemnit, humana versutis argumentis excludit“. Der Redner vor Gericht wird von Zeno überwiegend als accusator bezeichnet; s. I 1,18;I 13,3; I 36,26; II 2,6; II 10,1. Dass einer Anklagerede (accusatio ) aber in der Regel (aufgrund mangelnder Seriosität) keine Bedeutung beigemessen werden kann, belegt die Formulierung „non accusatione, sed probatione convictum“ in II 21. 458 II 1,1. – Im Folgenden halte ich mich, wie dies auch durch den Begriff der eloquentia nahegelegt wird, an die von W. EISENHUT, Rhetorik, 45, vorgenommene Differenzierung zwischen (allgemeiner) „Beredsamkeit“ (ebd., 46, auch als „das Rhetorische“ wieder aufgegriffen) und (spezifischer) Rhetorik. 459 II 1,4: „Non enim rem valuerunt transferre, sed nomina , iustitiam stultitiae, iniustitiam sapientiae vocabulis infamantes.“ 460 So ließe sich die in den Übersetzungen von G. B ANTERLE, Discorsi, 217, G. EDERLE, Sermones 1958, 15, A. B IGELMAIR, Traktate, 83, und P. LEIPELT, Traktate, 67, vernachlässigte Doppeldeutigkeit der Phrase „omnes actus ad se trahit“ in II 1,6 wiedergeben. 461 Die genannten Übersetzungen interpretieren die Phrase „congregat turbas“ alle im Sinne von „sie schart Menschenmengen um sich“. Dies bedeutet in Verbindung mit dem abschließenden „contionatur“ eine Art Pleonasmus, von dem nicht ausgeschlossen werden soll, dass er rhetorisch gewollt ist. 462 Die mit den Begriffen seminare (aussäen), colligere (ernten) und pravus (krumm gewachsen) gezeichnete Allegorie, weiter unten vielleicht in rectus (gerade) wieder aufgegriffen, kann in diesem Kontext deutsch schlecht zum Ausdruck gebracht werden.

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bewirkten Regelungen mit ihren eigenen Regeln, sie hebelt Rechtsnormen mit anderen wieder aus. Wer hätte je erlebt, dass sie (etwas wirklich unparteiisch tut oder getan hätte und von daher) etwas, für das sie verantwortlich ist,463 als rechtlich und sittlich Gutes zustande bringt oder gebracht hätte? Wollt ihr wissen, wie ehrlich sie ist? Sie meint, nichtswürdig zu sein, wenn sie die Wahrheit nicht ins Gegenteil kehrt.“ 464

Die Boshaftigkeit des zenonischen Vorwurfs liegt v. a. in der parodierenden Imitation. Der Zuhörer meint einen Rhetor vor sich zu haben, der sein eigenes Metier verunglimpft. Zeno konstruiert seine Kritik selbst als luculenta oratio; er selbst reiht hier argumentum an argumentum unter Einsatz einer Anhäufung von Stilmitteln wie Personifikation, 465 Metapher,466 Allegorie,467 Enallage,468 Hyperbaton,469 Chiasmus,470 Litotes,471 rhetorischer Frage 472 und Anrede der Zuhörer;473 die duplex lingua des Redners findet ihren Ausdruck in einer fast endlosen Reihe von Doppeldeutigkeiten (hier in Klammern angedeutet),474 die eine Übersetzung kaum wiederzugeben vermag; umgekehrt wird inhaltlich Gleiches der Variatio wegen nach der Art von Pleonasmen oder Tautologien als Mittel rhetorischer Redundanz mit anderen Worten noch einmal gesagt.475 Dies scheint es zu sein, was 463

Wörtlich: „etwas, was sie bewirkt haben wird“ (aliquid ... quod fecerit). II 1,6f.: „Namque sapientia densis exaestuans argumentis, suasorio ac delectabili luculentae orationis compta mendacio, armata vocis tuba et gladio linguae omnes actus ad se trahit, congregat turbas, contionatur. Lites sic discernit, ut seminet. Pravos ac lubricos colligit mores. Legibus suis suas leges impugnat, ius iure distringit. Quis non videat numquam recti aliquid illam facere vel fecisse, quod fecerit? Vultis scire, quam iusta sit? Miseram se putat, nisi everterit veritatem.“ 465 Die sapientia ist handelndes Subjekt. 466 II 1,6: „exaestuans“. 467 Ebd.: „armata vocis tuba et gladio linguae“. 468 Ebd.: „sapientia ... suasorio ac delectabili ... compta mendacio“ (zweifach verschränkt). 469 Ebd.: „densis ... argumentis“; „suasorio ac delectabili ... mendacio“; und II 1,7: „Pravos ac lubricos ... mores.“ 470 II 1,6: „vocis tuba et gladio linguae“; ebd.: „omnes actus ad se trahit, congregat turbas“; und II 1,7: „Legibus suis suas leges“; ebd.: „Miseram se putat, nisi everterit veritatem.“ 471 Ebd.: „non ... numquam“. 472 Ebd.: „Quis non videat“. 473 Ebd.: „Vultis scire“. 474 So actus im Sinne von ,Rolle des Schauspielers‘ und ,öffentliche Tätigkeit‘, turba im Sinne von ,Streitigkeit‘ und ,Menschenmenge‘, mores im Sinne von ,Vorschriften‘ und ,sittlichem Verhalten‘, leges im Sinne von ,rechtlichen Regelungen‘ und ,Regeln (der Kunst)‘, iure im Sinne von ,mithilfe von Rechtsnormen‘ und ,zu Recht‘, rectus im Sinne von ,unparteiisch‘ und ,rechtlich oder sittlich gut‘, facere im Sinne von ,tun‘, ,bewirken‘ und ,zustande bringen‘, iustus im Sinne von ,gerecht‘ und ,ehrlich‘. 475 II 1,6: „Suasorio ac delectabili luculentae orationis compta mendacio, armata vocis tuba et gladio linguae“; „omnes actus ad se trahit, congregat turbas, contionatur“ 464

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Gemeinhardt unter Bezug auf Cameron als ein „rhetorisches Paradox“ bezeichnet476: Man fühlt sich erinnert an das Einüben des Deklamierens in den Rhetorenschulen anhand abseitiger, an den Haaren herbeigezogener Themen.477 Der Rhetor musste sich im Grunde zu jedem Thema äußern können, auch wenn die Rede noch so inhaltsleer war; allein „die gewandte Meisterung der gestellten Aufgabe“ zählte.478 Genau dagegen, das Paradoxon sehr bewusst einsetzend, wendet sich Zeno hier parodierend. 479 Über seine parodistische Kritik an der mit Rhetorik arbeitenden sapientia hinaus steht Zeno allgemein der Beredsamkeit bzw. rhetorischen Bemühungen sehr kritisch gegenüber, wie der Befund zu loqui und seinen Derivaten zeigt. In der Mehrzahl der Fälle steht loqui bei Zeno völlig neutral, etwa zur Einleitung von Zitaten, und bedeutet nichts anderes als ‚sprechen‘,480 zunächst also die bloße physische Fähigkeit des Sprechens ohne Abheben auf die Inhalte einer Rede.481 Das Verb begegnet dann mit den unterschiedlichsten Subjekten, von deren Rede eben die Qualität des loqui abhängt.482 Es kann aber auch die der spezifischen Rhetorik zuzuordnende Rede bezeichnen, so etwa die Predigt der Apostel 483 oder auch die Predigt Zenos selbst (loquimur).484 Negativ begegnet es in Ps 11,2, den Zeno zitierend auf diejenigen anwendet, die innerhalb der Kirche die ‚Anschauungen der Weisen Griechenlands‘ aufgreifen: „Nam mutato nomine et cultu ... illas scholares calumnias dei usque ad ecclesiam transmiserunt ... de quibus scriptura divina quid pronuntiet, audiamus ... Vana locuti sunt unus(in sich in gewisser Weise noch gradierend); II 1,7: „Legibus suis suas leges impugnat, ius iure distringit.“ (Hendiadyoin). 476 P. GEMEINHARDT, Christentum, 126; s. auch ebd., 18f. 477 Vgl. C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 45f. 478 Ebd., 46. 479 Vgl. H. R. SEELIGER, Litteratulus, 301f.: „Die antiken Theologen verurteilen die Bildung ihrer Zeit und blieben ihr gleichzeitig verpflichtet.“ 480 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 702; H. MENGE, Großwörterbuch, 444; A. B LAISE, Dictionnaire, 501. Häufiger verwendet Zeno jedoch zur Kennzeichnung von Zitaten etwa Vergils, dann v. a. der Schrift, aber auch von indirekten Zitaten, etwa fiktiver Einwände (so z. B. in I 2,7.14.29; I 3,6.17; I 36,18; II 1,15; II 3,3; II 4,13; II 7,4.9), das Verb dicere, nämlich insgesamt ca. 150-mal (vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 78–80: Formen von dicere plus folgende Zitate, letztere kursiv gekennzeichnet). 481 S. I 36,9, wo Zeno davon berichtet, dass Stumme durch das Wirken der Apostel wieder zu sprechen vermögen. 482 Subjekte sind u. a. Gott Vater, Sohn oder Geist (I 2,12; I 25,1.2; I 37,4; I 61,1; II 8,2.6; II 25,1), alttestamentliche Gestalten (I 3,13; I 15,6; I 37,1; I 61,3; II 8,6), die Apostel (I 61,3; II 1,2.21; II 3,17), allgemein die Schrift (II 5,1.6.7), aber auch die Juden (I 3,10) und ein Dämon (I 2,7). 483 I 61,3: Das caeli enarrant der biblischen Vorlage (Ps 18,2), von Zeno mit caelos loqui wieder aufgegriffen, wird allegorisierend auf die praedicatio der Apostel gedeutet. 484 II 7,1; vgl. auch II 7,11.

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quisque ad proximum suum; labia dolosa; in corde locuti sunt mala. Disperdat deus universa labia dolosa, linguam magniloquam; qui dixerunt: Linguam nostram magnificabimus, labia nostra a nobis sunt.“ 485 Das Handwerkszeug, dessen sich die Attackierten bedienen, sind hier alttestamentlichem Sprachgebrauch entsprechend vox, lingua und labia. Insbesondere die Zunge wird zenonisch zum Instrument unangemessener Beredsamkeit.486 Die impudicitia ist es, die die Zunge zum Einsatz bringt,487 die avaritia bewirkt eine duplex lingua der professionellen Rhetoren,488 und wie der Ankläger, wohl auch ein professioneller Rhetor, gegen Thekla das ‚Schwert der Zunge zückt‘, 489 ist die sapientia insgesamt ‚mit dem Schwert der Zunge bewaffnet‘.490 Die christlichen Theologen, die die Beredsamkeit zum Einsatz bringen, treten damit an die Stelle von Juden und Heiden, die ihre Zungen zur Blasphemie gegen Christus bzw. zur Verteidigung der Götter einsetzten, nun aber eigentlich wie schon die Märtyrer 491 die confessio nominis Christi betreiben sollten.492 Zeno rät demgegenüber, einer unbeherrschten Zunge Zügel des Schweigens anzulegen 493 und Verzeihung von Gott nicht mit lauter Stimme (voce), sondern in Schweigsamkeit (taciturnitate) zu erbitten.494 Einzig als Werkzeug der Verkündigung darf die Zunge zum Einsatz kommen. 495

Ein rhetorisches loqui wird von Zeno also immer dann verworfen, wenn es zu Lasten des Glaubens geht. Es gibt nach Zenos Erfahrung Menschen, die sich für besonders gläubig halten, nur weil sie gewandt zu reden verstehen.496 Der Glaube beugt sich jedoch nicht der rhetorischen Fähigkeit, 497

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II 9,2. I 1,9; I 3,10.11; I 14,1; II 1,6; II 2,6; II 8,3; II 9,2.9. 487 I 1,9: „Lasciva [impudicitia], non linguis non oculis non auribus parcens iocatur sperat ambit obsequitur zelatur insanit armatur precibus, armatur et ira , similiter nonnumquam vi extorquens quod blandimentis impetrare non potuit.“ 488 I 14,1: „Hanc [sc. avaritiam] ... excolunt ... diserti mercennaria ac duplici lingua“. 489 II 2,6: „Adversus Theclam accusator acerrimus linguae exserit gladium“. 490 II 1,6: „sapientia ... armata vocis tuba et gladio linguae“. 491 Vgl. I 39,6: „O insania hominum! ... amputandam linguam mandare nescisti, quae in conluctatione martyrii prior solet domino confiteri.“ 492 Is 6,6f. in I 37,3 ausdrücklich interpretiert auf Juden und Heiden: „Etenim labia inquinata duos populos Iudaeorum gentiumque debemus accipere, qui ... unus Christum blasphemando atque persequendo, alius deos asserendo atque abominanda figmenta colendo ... in unum populum per confessionem nominis Christi noscuntur esse conflati.“ Vgl. Is 59,3 in I 3,10 und Ps 13,3 in I 3,11 von Zeno auf die Juden angewandt; in II 9,9 lässt Zeno den Pharisäer seine giftige Zunge einsetzen; vgl. auch I 3,1: „Solet [Iudaeus] enim magnis cum vociferationibus saepe iactare hanc esse gentis suae nobilitatem“. 493 II 8,3: „humanitas, te, versuta ... intemperanti linguae silentii frenos impone“ (statt des oben in II 8,1 erwähnten fabulari christlicher sectae) . 494 II 9,9. 495 I 3,16: „Quorum [sc. apostolorum omniumque discipulorum] salutaria monita canentibus linguis“. Vgl. auch Ps 44,2 in I 37,4 in Bezug auf Altes und Neues Testament. 496 II 3,12: „Forte in eo se quis aestimet fideliorem, si loquatur argute, cum magis verus sit ille fidelis, qui sacra in praedicatione non ultra , quam licitum est, aciem suae 486

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denn nicht sie vermittelt eine Erkenntnis Gottes, sondern ein gutes, auf ethischem Verhalten beruhendes Gewissen.498 Die rhetorische Rede vielmehr verführt zu Hochmut und ist deshalb mater peccati. Sie wird auf diesem Hintergrund von Zeno nur als Geschwätzigkeit (loquacitas) betrachtet.499 Damit gerät loqui fast schon in die Nähe von fabulari. Aus der klassischen Bedeutungsbreite 500 übernimmt Zeno nur das pejorative ‚schwatzen‘. Bei Cicero begegnet das Substantiv fabula in den theologischen Werken zur Bezeichnung von Mythen und des Fatumsglauben, 501 er wendet den Terminus als erster pejorativ (in Verknüpfung mit entsprechenden Adjektiven) vor allem unter Anspielung auf ‚naiven Aberglauben‘ an.502 Ähnlich nutzt Apuleius als platonischer Philosoph, auch in seinem literarischen Werk, den Begriff in philosophischem und religiösen Sinn, mit negativem Anklang durchaus auch ohne zusätzlich qualifizierende Attribute.503 In seiner Interpretation werden fabulae hervorgerufen von der curiositas.504 In der christlichen Polemik schließlich wird fabula, ebenfalls häufig in Verbindung mit pejorativen Attributen, gewissermaßen zum ‚Fachterminus‘ zum einen in der Auseinandersetzung mit Häretikern, zum anderen in der mit dem Heidentum.505 Augustinus etwa verwendet den Begriff zusammen mit loquacitas.506 Zenonisch begegnet der Begriff zuerst in einer Schriftzitation. Biblisch wird davor gewarnt ‚unverlässlichen Geschichten‘ ( fabulae) Aufmerksamkeit zu schenken.507 Den Juden bleibt nach Zenos Ansicht von der alten Heilszusage (vetus sacramentum) nichts

tetenderit mentis“. Dies richtet sich wohl nicht gegen Gemeindemitglieder, sondern gegen Standesgenossen Zenos, also gegen die immer wieder attackierten Theologen. 497 II 3,6: „Subici enim se loquacitatis artificio fidei natura non patitur“. 498 II 3,19: „Ceterum illa est fidei generositas vera, ut ... inculpatis moribus vivat, conscientia eum [sc. deum] bona , non loquacitate, quae mater profecto peccati est, nosse praesumat“. Vgl. auch I 10A: „non loquela est exhibenda , sed cura“. 499 Vgl. AUG. conf. 9,2,2 (CChr.SL 27,133,1–3 Verheijen) zur Abwendung von der Rhetorik im Anschluss an die Bekehrung: „Et placuit mihi … subtrahere ministerium linguae meae nundinis loquacitatis“. 500 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2653f. Zur Bedeutung als umgangssprachliches Synonym zu loqui s. G. B ONFANTE, Qui osce et volsce fabulantur, nam latino nesciunt, AANL.R 43, 1988, 5; auch C. B RAIDOTTI, Fabella. Una singolarità apuleiana, in: ïš ðOí döÞìåñïí. Scritti in memoria di Roberto Pretagostini, Bd. I, hg. v. C. Braidotti, E. Dettori u. E. Lanzillotta, Rom 2009, 35–46, hier: 35. 501 C. B RAIDOTTI, Fabella, 36. 502 S. ebd., Anm. 3 mit zahlreichen Belegen. 503 S. ebd., 36, Anm. 5 mit Belegen. Allein in den Metamorphosen begegnet der Begriff an 23 Stellen; s. die Belege ebd., 40, Anm. 15. 504 S. ebd., 42. Ähnlich wie für die curiositas-Kritik des Apuleius, s. o. S. 372, Anm. 312, darf man auch vom apuleischen Gebrauch des Terminus fabula annehmen, dass er Zeno bekannt gewesen sein dürfte. 505 S. C. B RAIDOTTI, Fabella, 36. 506 AUG. conf. 5,9,17 (CChr.SL 27,66,31f. Verheijen): „ad vana fabulas et aniles loquacitates“. 507 1 Tm 1,3 in II 3,17.

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anderes als eine fabula, die durchsetzt ist mit selbstgefälligen Sehnsüchten.508 Zeno selbst fürchtet nicht, ‚was die Missgunst in öffentlicher Rede über ihn schwatzt‘.509 Was er jedoch moniert, ist das ‚Gerede‘ von Heiden über christliche (der Arkandisziplin unterliegende) Glaubensgeheimnisse,510 profanae fabulae, also heidnisch-verwerfliche ‚Erdichtungen‘ muss man hier schon sagen,511 die von Christen in die Kirche hineingetragen werden,512 und schließlich das ‚Geschwätz‘ von christlichen sectae, die Christus damit beleidigend herabsetzen.513 Da Zeno, wie der Befund zu loqui gezeigt hat, Theologen und Häretikern den Einsatz von Beredsamkeit insgesamt zum Vorwurf macht, dürfte auch das hier verwendete fabulari, ähnlich wie häufig in der übrigen christlichen Polemik, in diese Richtung zielen.

Der Grund für diese schroffe Ablehnung der Rhetorik bzw. der Beredsamkeit durch Zeno liegt darin, dass er sie für eine innerkirchliche Gefahr hält. Wie nichtchristliche Inhalte und das dahinter stehende Streben nach Erkenntnis bereits Eingang gefunden haben in die Kirche, so bedient man sich in diesen christlichen Kreisen auch der rhetorischen Mittel und Methoden. Zeno greift damit in Anlehnung an Laktanz 514 vermutlich unbewusst eine traditionell römische Abneigung gegen die Beredsamkeit auf, hinter der auch immer die Gefahr der Demagogie gesehen wurde, 515 auch wenn nachklassisch die Rhetorik fast gleichberechtigt neben die Poesie trat.516 Mit dieser reservierten Haltung zur Rhetorik reiht Zeno sich ein in die Reihe christlicher Autoren, die diese Haltung durch den versierten

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I 28,1. II 7,2: „At ego non pertimescam, sermonis publici quae de me fabuletur invidia.“ 510 II 3,10: „O quam publicana [sc. fides], cuius fabulantur etiam profani secreta !“ – Zum wissenschaftlichen Diskurs um die Arkandisziplin als ,historisches Konstrukt‘ und die Einordnung gelegentlicher Hinweise des 3. und 4. Jahrhunderts, zu der auch unsere Zeno-Stelle zu zählen ist, in eine religiöse Erkenntnislehre s. H. [C.] B RENNECKE, Art. Disciplina arcani, DNP III, 1997, 690. 511 Die mit dem Begriff fabula verbundene Eigenschaft der Realitätsferne findet sich schon bei QUINT. inst. 2,4,2 (1,80,17–22 Winterbottom), der Tragödie und Epos durch den Terminus als wirklichkeitsferne (a veritate remota ) Literaturformen kennzeichnet. 512 I 25,11: „qui profanis fabulis neglecta dei secta alios non bene avocantes divina sacramenta contaminant.“ 513 II 8,1: „Licet sectae sunt plures, quae iniuriam Christi fabulari nitantur “. 514 Zum „Verhältnis des Rhetors Laktanz zur Rhetorik“ schreibt H. B LUMENBERG, Kritik, 496: „Der eigentliche Konflikt des Laktanz besteht nun darin, dass er einerseits von der Vorstellung der vis veritatis beherrscht ist und ihr das Feld alleine einräumen möchte, dass aber andererseits seine eigene Erfahrenheit mit Technik und Wirkung rhetorischer Mittel ihm doch geraten erscheinen lässt, die Wahrheit nicht ganz sich selbst zu überlassen.“ – Zur ‚Krise der Rede‘ zuvor schon bei Tertullian s. F. CHAPOT, Virtus, 195–218. 515 S. W. EISENHUT, Rhetorik, 46; s. auch ebd., 56, zu Catos Ideal von der Rhetorik im römischen Geiste und seiner Ablehnung der Philosophie. 516 S. ebd, 68–70. 509

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Gebrauch rhetorischen Instrumentariums in der eigenen Praxis in gewisser Weise selbst unterliefen.517 2. sermo und praedicatio Es ist das moralisch verwerfliche Ziel der Weisheit, die Wahrheit mit Hilfe der Rhetorik in ihr Gegenteil zu verkehren, 518 das Zeno die Mittel selbst, ironischerweise in Anwendung derselben, attackieren lässt. Dass gegen eine gepflegte Rede (luculenta oratio 519) grundsätzlich nichts einzuwenden ist, belegt die Verwendung dieser Terminologie (interessanterweise in Verbindung mit dem Verb contionatur) in II 4,12, wo sie positiv angewandt wird auf den menschlichen Geist (im Gegensatz zum Fleisch), der sich durch den Evangelisten Johannes artikuliert. 520 Zum einen widerspricht Zeno damit an dieser Stelle dem Vorwurf der ungefeilten Sprache der Schrift,521 zum anderen relativiert er damit seine scheinbar unversöhnliche Einstellung gegenüber der Rhetorik, diese ist vielmehr Ausdrucksmittel menschlicher Geistigkeit.522 Häufiger als der Terminus oratio begegnet zenonisch sermo, das im 4. Jahrhundert insgesamt zum meistgebrauchten und inhaltlich am weitesten gefassten Begriff zur Bezeichnung der christlichen katechetischen, exegetischen wie paränetischen Predigt geworden ist. 523 Zeno kennt zwar

517 S. M. FIEDROWICZ, Apologie, 163. – Dieses Argument der innerkirchlichen Gefahr gebildeter Rede wird von P. GEMEINHARDT, Christentum, 320–337, in seinem Kapitel zur christlichen Predigt übersehen. 518 II 1,7: „Miseram se putat, nisi everterit veritatem.“ 519 Bloßes oratio bezeichnet demgegenüber in den Traktaten ausschließlich das christliche Gebet; s. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 256. Vgl. dazu W. EISENHUT, Rhetorik, 82: „Das Verbum orare kommt schon bei Plautus fast überall in der Bedeutung ,bitten‘ vor; die Bedeutung ,sprechen‘ findet sich im alten Latein fast ausschließlich in formelhaften Wendungen aus der Rechtssprache. In der höheren Literatur hat orare aber nie ganz den Sinn von ,sprechen‘ verloren, nicht nur bei Ausdrücken des gerichtlichen Verfahrens, wo es gewöhnlich ist.“ 520 “Luculenta oratione per Iohannem hactenus contionatur [spiritus]“. 521 In II 1,14 als abiectus impolitusque sermo bezeichnet. Demgegenüber beachtlich ist die zenonische Verwendung des Terminus zur Bezeichnung des wirkmächtigen Wortes Gottes (divinus sermo) in I 59,8. 522 Vgl. H. B LUMENBERG, Kritik, 497, zu Laktanz: „Die Rhetorik will sich nicht als Instrument, sondern als Ausdruck der Wahrheit verstanden wissen. Der Glanz der Diktion soll als der Glanz der Wahrheit selbst, als die unvermittelte und ungekünstelte Selbsttransposition der Sache in die Sprache verstanden werden.“ 523 S. C. MOHRMANN, Praedicare, 71. Zur häufigen Synonymität von oratio und sermo, aber auch zum Unterschied, nämlich dass oratio nicht unbedingt ein Gegenüber braucht, während bei sermo immer auch die Zuhörer als Dialogpartner mitgedacht werden, s. L. GAVOILLE, Oratio, 223–254. Oratio betont dagegen stärker das Element der

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

den Terminus auch in seiner profanen Bedeutung 524 und versieht ihn als solchen weitgehend mit pejorativen Attributen, so dass sich eine Übersetzung mit ‚Gerede‘ nahelegt,525 er wendet ihn jedoch überwiegend auf seine an die Gemeinde gerichtete Predigt an.526 Diese unterscheidet sich von der Rede der Gebildeten, dem fucatus sermo, der in der Kirche Gottes nicht erstrebt wird, da er nicht vereinbar ist mit der erforderlichen veritas pura.527 Zeno als homo imperitissimus et elinguis, wie er sich selbst bezeichnet,528 schätzt bescheiden seine diesbezüglichen Fähigkeiten gering ein 529 oder stellt sie auch bewusst zurück.530 Zur Bezeichnung des ‚Sprechens über etwas‘ innerhalb der Predigt benutzt Zeno das neutrale dicere oder edicere.531 Und auch die attackierten Häretiker fordert er mit dem Terminus edicere zur Replik auf.532 Dass das einfache dicere auch eine tatsächlich rhetorische Funktion haben kann, zeigt seine Verwendung beim Einsatz sprachlicher Stilmittel, etwa innerhalb einer rhetorischen Frage 533 oder als Litotes,534 wodurch jedoch gleichzeitig die Angemessenheit oder das Redevermögen eine (vorderEloquenz, der Begriff beinhaltet in diesem Sinn auch stets den Aspekt des Überredens; s. ebd., 259–298. 524 S. etwa triumphali sermone in II 6,1. 525 I 4,20: alieni nudique sermones; II 1,1: fucatus sermo; II 7,2: invidia sermonis publici. 526 Etwa I 5,17: „non ad avaros, sed de avaris sermonem fecimus, fratres“; I 10B,1: „paucis eius degustate sermonem“; II 18,1: „Non hodie mihi ad vos sermo est, fratres carissimi, de humanis gesti aut meritis ... sed de domino nostro“; s. auch I 39,1; I 47; II 6,1. 527 II 1,1: „Non enim in ecclesia dei fucatus quaeritur sermo, sed veritas pura“. Ähnlich stellt LACT. epit. 57,7 (CSEL 19,1,741,11f. Brandt) Wahrheit und Rhetorik gegenüber, wenn er von für das Heidentum empfänglichen Menschen sagt: „ita respuunt veritatem, dum sermonis suavitate capiuntur.“ – Das Verhältnis von Wahrheit und Rhetorik wird in aller Ausführlichkeit erst Augustinus in seiner Schrift De doctrina christiana darstellen; vgl. dazu P. GEMEINHARDT, Christentum, 337–349, v. a. 341f. 528 II 1,1. 529 I 39,1: „Sed quis illustris martyrii palmiferam trophaeis coronam competenti valeat sermone disserere … ?“; auch I 47: „Humanus circa impietatem Iudaici populi deficit sermo“. 530 I 10B,1: „Memoratae vineae disputatio, fratres dilectissimi, longe lateque diffusos limites habet, quos peragrare competenti sermone urgentium sacramentorum non sinit pondus.“ 531 Dicere in I 3,19; I 5,4;I 13,5; I 14,5; I 25,6.10; I 36,28.32; I 49; I 59,9; II 2,2; II 3,6 (2x); II 5,10; II 7,10.11; II 18,1 sowie edicere in I 3,19; I 36,13. 532 I 25,1: „Quos [sc. Iudaeus et Iudaeo deterior Christianus] vellem adesse paulisper auremque praesenti commodare lectioni, ut edicerent nobis, quinam sit deus iste“; vgl. auch II 3,8 „edicat mihi, perniciosa ista adinventio tractatus sui quo proficit pugna .“ 533 I 7,4: „si dicere dignum est“; Zeno leitet damit ausdrücklich eine Allegorie auf den deus noster ein. 534 I 61,6: „dici non potest“; auch II 1,11: „peritius ... quam dici potest“.

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gründige) Einschränkung erfährt. Zeno betont, dass der Tat auf jeden Fall eine größere Bedeutung zukommt als der Rede: „plus est quod geritur quam quod dicitur“.535 Dies erklärt die relativ hohe Bedeutung von exempla, die zwar zum den rhetorischen Instrumenten zählen, anders als stilistische Mittel aber besonders ein weniger gebildetes Publikum anzusprechen vermögen. Daher entspricht gegenüber dem sermo eher die praedicatio christlichem Anspruch, die preisende Verkündigung Christi – durch einen ‚Herold‘ (praeco), wie es die Etymologie des Wortes nahelegt, andererseits aber auch seit dem 4. Jahrhundert mit einer Konnotation eben des Preisens und Feierns.536 Bei Zeno geschieht dies durch die Schrift und in der Kirche,537 die die ihr vorgeworfene stultitia als Anspruch übernimmt 538 und das loqui argute nicht für ein entscheidendes Kriterium hält. 539 Von Bedeutung in der Predigt an die Gemeinde ist einzig der Inhalt, nämlich die Verkündigung des Evangeliums und der daraus erwachsenden Sittlichkeit.540 Voraussetzung für die Korrektheit dieser Verkündigung ist auch auf Seiten des christlichen Predigers ein entsprechendes Wissen, allerdings ein spiritaliter sapere 541 – erfüllt der Prediger diese Bedingung, dann ist er Christi similis, vertritt ihn als Lehrer 542 und kann entsprechend 535 I 1,15; vgl. auch I 45,3: „Non enim minus est facere magna quam dicere“ (in Bezug auf das Verhältnis von Gott Vater und Sohn). 536 S. C. MOHRMANN, Praedicare, 64f.69. 537 I 37,6: „evangelica praedicatio missa per mundum mortem domini adventumque testatur“; vgl. auch den Befund zu praedicatio / praedicare in I 8,2; I 33,4; I 34,8; I 37,6.7.9.10; I 45,1; I 61,3; II 4,3; II 5,1.7; II 8,3; II 9,3.5; II 12,4. 538 S. 1 Cor 1,21 in II 1,5: „deus optimum existimavit per stultitiam praedicationis salvos facere credentes“. 539 II 3,12: „Forte in eo se quis aestimet fideliorem, si loquatur argute, cum magis verus sit ille fidelis, qui sacra in praedicatione non ultra , quam licitum est, aciem suae tetenderit mentis“. 540 I 37,7: „hoc est meam praedicabis crucem, sed et tu crucis tuae similiter dignitate gaudebis“; vgl. auch II 7,11: „Non enim video, quid in exhortationibus divini ac veri cultus gentibus praedicem“ im Kontext der dortigen Paränese. Vgl. hierzu auch C. SCHÄUBLIN, Umfeld, 44: „Der Prediger versteht den gewählten Text letztlich als adhortatio und gibt diese an seine Zuhörer weiter, indem er sie seinerseits ermahnt und zum gottgefälligen Handeln zu bewegen vesucht (adhortari, monere)“. – Interessanterweise hat Zeno keine Hemmungen, auch die praedicatio der Juden, die im preisenden Rückverweis auf ihre Geschichte besteht, zu thematisieren; s. I 18,1; I 29,2; I 46B,1. Der jeweilige Kontext disqualifiziert diese praedicatio jedoch aufgrund moralischer Defizienz ihrer Urheber. 541 II 8,9: „Ceterum si spiritaliter saperent [inconsiderati homines] in ipso, quod infirmissimum putant [Christum], hoc potissimum praedicarent.“ 542 I 37,9 in Auslegung von Mt 13,52: „Denique sic ad discipulos ait [Iesus]: Omnis scriba doctus de regno caelorum similis est patri familias proferenti de thesauris suis nova et vetera . Scriba , fratres, est praedicator, pater familias Christus, thesauri eius

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

das spiritaliter sapere auch seinen Zuhörern vermitteln. Dann ist er der Lehrer des Gesetzes, der die heilsamen Lehren der beiden Testamente täglich in der Predigt als Heilmittel zur Anwendung bringt. 543 Die Untersuchung der Instrumente der christlichen Bildungsvermittlung, wie sie in den Traktaten des Zeno greifbar sind, hat gezeigt, dass sie sich ausschließlich auf eine Bildungsvermittlung durch den Prediger im Gottesdienst beziehen. Elemente des vorausgehenden Katechumenats können erschlossen werden, sie werden aber von Zeno nicht mehr eigens thematisiert. Auch eine christliche Bildung, die ergänzend außerhalb des Gottesdienstes zu erwerben gedacht werden könnte, lässt sich in den Traktaten nicht greifen; vielmehr scheint es so, dass alle außerhalb des Kirchenraums angestellten Überlegungen zu Glaube und christlicher Lebensgestaltung vom Veroneser Bischof eher als Gefahr betrachtet werden. Er stellt deshalb die Autorität seiner Belehrung sei es in Form der Schriftexegese, sei es in Form daraus abgeleiteter oder darauf basierender Ermahnungen als göttliche Autorität vermittelnd heraus.

indeminutae deitatis paterna substantia paternaque voluntas, nova et vetera duo testamenta“; V. B OCCARDI, Esegesi, 478, betont die genuin zenonische Deutung des scriba als praedicator gegenüber einer solchen als discipulus bei Irenäus, Origenes und Hilarius. Vgl. auch in I 24,4 die unausgesprochene Vorbildhaftigkeit Christi bezüglich der Verkündigung innerhalb der allegorischen Darstellung eines Mahles unter Zitation von Ps 118,103: „deus et dominus noster Iesus Christus dei filius dulcia [expungit], sicut prior, qui hoc prandio pastus est ante nos, dicit: Quam dulcia faucibus meis eloquia tua super mel et favum ori meo!“ 543 I 37,10 in Deutung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter in Lc 10,25–37: „stabularius doctor est legis, qui acceptis duobus denariis, id est duorum testamentorum salutaribus monitis, adgressuram hominem passum latrocinio diaboli angelorumque eius et huius mundi in stabulo, id est in ecclesia , quo pecora divina succedunt, venerabili sacramento susceptum cotidianis praedicationum medicaminibus curat.“

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D. Bildungserwerb Was bisher aus der Perspektive des Bildung Vermittelnden betrachtet wurde, findet seine Bestätigung auch in der Sicht des Bildung Erwerbenden; auch der Bildung Erwerbende ist in den Traktaten nur als Gottesdienstbesucher greifbar. Während sich jedoch Bildungsvermittlung weitgehend auf den Bereich des Wissens (sowohl in Form von Sachwissen als auch in Form von ethischem Wissen) beschränkt, verlangt Zeno dem Bildungserwerbenden auch ein Engagement bezüglich der Aneignung von ethischer Haltung und entsprechendem sittlichen Tun ab.

I. audire und videre Die Feststellung, dass Sinneswahrnehmungen Voraussetzungen des Lernens sind, grenzt ans Banale. Und doch lohnen die Verben audire und videre in den zenonischen Trakten einer näheren Betrachtung: Sie weisen, jedes für sich genommen, über die bloße Sinneswahrnehmung hinaus. Audire ist das Verb, das angesichts der konkreten Situation der Mündlichkeit von Lesung und Predigt im christlichen Gottesdienst den ersten vom Gottesdienstbesucher zu leistenden Schritt als Voraussetzung des Lernens simpel zu beschreiben scheint. Erstaunlicherweise begegnet es in den Traktaten des Zeno eben in der Funktion der Beschreibung der Wahrnehmung der Anwesenden jedoch wesentlich seltener als videre. In den Fällen, in denen Zeno audire benutzt, greift er mehrheitlich biblische Sprache auf; es handelt sich überwiegend um Bibelzitate 1 oder Bezugnahme auf solche.2 Der biblische Gottesbegriff als personalistischer hat zur Folge, dass das Hören, nicht das Sehen, (trotz eines scheinbar gegenteiligen statistischen Befundes) die religiöse Grundmetapher der Bibel ist.3 Das Wort Gottes ist wesentlich Anrede des Menschen, ein Zu1

2 Rg 22,42 in I 3,10; Ps 49,7 in I 25,1; Ps 61,12 in I 37,4; mehrfach Is 1,2 in I 61,1–3; Is 1,2 (?) in I 61,4 (nach A. B IGELMAIR, Traktate, 276, Anm. 3, „der vorhieronymianischen Bibel angehörige Textvariante“; B. LÖFSTEDT, Tractatus, 139, bietet keinen Beleg; auch kein Nachweis in VETUS LATINA (Database); vgl. jedoch ebd., Dt 5,1: „audi Israel … quae ego loquor“; ebd., Dt 27,10: „audies vocem eius“); Ps 33,12 in II 2,1; Is 7,13 in II 8,7. 2 In Auslegung von Ps 129,1 in I 34,3; Is 1,2 in I 61,1–4; Gn 12,1.4 in I 62,1. 3 S. G. SELLIN, Das lebendige Wort und der tote Buchstabe. Aspekte von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in christlicher und jüdischer Theologie, in: Logos und Buchstabe. Mündlichkeit und Schriftlichkeit in Judentum und Christentum der Antike, hg. v. G. Sellin u. F. Vouga, Tübingen / Basel 1997, 11–31, hier: 16. Vgl. jedoch U. DUCHROW, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustin, HUTh 5, Tübingen 1965, 3f.: „Wie notwendig es ist, bei der Frage nach der Bedeutung des Hörens im Blick auf hebräisch-christliches und griechisches Denken nicht einfach vom erkenntnistheoretischen Phänomen auszugehen, zeigt schon der überraschende statistische Befund, daß selbst in der Bibel der Begriff des Sehens weit häufiger auftaucht als der des Hörens, im Neuen

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sprechen, aber auch ein Anspruch. 4 „Auf dieses Wortgeschehen, das ein Sprechen und Hören als Ereignis, also mündliche Kommunikation, impliziert, wird nicht nur der schriftliche Text [der Bibel] zurückgeführt, sondern das geschriebene Wort wirkt seinerseits als Anrede und Anspruch an den gegenwärtigen Menschen. In der Predigt kommt es zur Wirkung, im Hören geschieht seine Kraft“.5

Zeno setzt an den oben angeführten Stellen bewusst die biblische Vorstellung der Kommunikation zwischen Gott und Menschen – locutus est dominus et [nos] … audivimus 6 – paränetisch ein: Der Bischof referiert mehrfach eine stereotype imperativische Aufforderung Gottes an sein Volk,7 auf seine Anrede zu hören 8 und – gemeint ist selbstverständlich auch – dieser zu entsprechen (prophetia complenda).9 Im Gegenzug hört auch Gott auf das Rufen des Beters.10 Damit ist eine Voraussetzung christlichen Bildungserwerbs benannt, die einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Heidentum und Christentum aufdeckt: Das Verhältnis zwischen Gott und dem jüdischen oder christlichen Beter unterscheidet sich insofern wesentlich von dem zwischen heidnischen Gottheiten und deren Verehrern, als die heidnischen Götter von Zeno als der Wahrnehmung und damit selbstverständlich auch der Kommunikation unfähig dargestellt werden. 11 Allerdings sichert nicht allein die Voraussetzung auf Seiten Gottes eine gelingende Kommunikation. Wenn biblisch die Kommunikation zwischen Gott und seinem Volk gelingt, wird dies der zenonischen Gemeinde als Exemplum vorgestellt, in dessen Nachfolge die Gemeinde steht. 12 Häufiger hebt Zeno jedoch auf das biblisch beschriebene Scheitern der Kommunikation mit Gott durch ein Nicht-Entsprechen der Juden ab (non audieTestament beispielsweise im Verhältnis 680 zu 425 Belegen. Diesem Befund liegt aber ein ganz unreflektierter Vorgang zugrunde; denn ,dem Sehen als physiologischpsychologischem Vorgang wird im NT keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt‘. Andererseits betonen heutige Philosophen – wenn auch aus eigenem ontologischen Interesse – den Primat des Hörens selbst bei Aristoteles. Diese der allgemeinen Auffassung zuwiderlaufenden Beobachtungen warnen davor, das Problem zu isolieren oder gar mit einer statistischen Methode anzugehen.“ 4 S. G. SELLIN, Wort, 14. 5 Ebd. 6 Ps 61,12 in I 37,4. 7 K. SEYBOLD, Psalmen, 207, nennt den von Zeno zitierten Ps 49,7 eine „Variation von Dt 6,4“; vgl. auch Dt 5,1; 9,1; 20,3; 27,9. 8 Ps 49,7 in I 25,1; mehrfach Is 1,2 in I 61,1–3; Is 1,2 (?) in I 61,4 (s. o. Anm. 1); Ps 33,12 in II 2,1; Is 7,13 in II 8,7. 9 I 61,2. 10 I 34,3: „clamat … fide, quam scit deum libenter audire.“ 11 S. I 25,4. 12 In I 34,3 schließt sich der Deutung eine Exempelreihe beginnend mit Petrus an; I 62,1 hebt auf das Hören Abrahams ab, dessen Exempel der gesamte Traktat gewidmet ist.

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runt),13 um daraus die Substitution des Judentums durch das Christentum (nos / apostoli et homines ex gentibus) abzuleiten,14 so dass sich die Aufforderung Gottes über die Predigt nun an das neue Volk Gottes wendet. 15 Der biblische Imperativ wird umgewandelt in einen Hortativ (audiamus) und insgesamt auf das durch die Schrift vermittelte und im Gottesdienst vorgetragene Wort Gottes angewandt: „audiamus scripturam, quid dicat“.16 Hier kommt die Mündlichkeit der Lesung zur Sprache, die Schrift spricht und verkündet (dicere / pronuntiare), rhetorisch hat der Hortativ daher eine ein Zitat einleitende Funktion. 17 Auf dem Hintergrund des ‚Sprechens‘ der Schrift kann Zeno dann das Verb audire auch banal, wenn man so will, zur Beschreibung des Vorgangs des akustischen Wahrnehmens von Schriftinhalten als Reaktion des Angesprochenen benutzen: Das Wort Gottes (verbum) wird gehört,18 der Befehl Gottes (imperatum) wird gehört,19 die Predigt der Apostel (praedicatio) wird gehört,20 aus dem Gesetz wird etwas (aliquid ex lege) gehört.21 Dieses Hören der Schrift hängt diffus mit religiösem Lernen zusammen, audire ist offenbar Synonym zu discere, concipere 22 und percipere (auribus) 23 – die beiden letz13 2 Rg 22,42 in I 3,10: „Clamavi, inquit [scriptura], ad eos et non audierunt; clamabunt ad me et non erit, qui exaudiat eos“; Is 1,2 und Deutung in I 61,1: „Audi, caelum, et percipe auribus, terra , quoniam dominus locutus est: Filios genui et exaltavi, ipsi autem me spreverunt. … dum clamat propheta Audi caelum et terra , significat, quod illi [sc. Iudaei] audire contempserint“; I 61,2: „haec prophetia novissimis erat complenda temporibus sub domini salvatoris adventum, qui non esset a Iudaeorum populis audiendus“; I 61,4: „Iudaeis non audientibus“. 14 I 61,1: „libri istius exordia ... alias personas, ut verbum dei ab ipsis potius audiatur, hortantur [nos]. … Unde reiectio Iudaeorum est aliarum electio personarum“ (kursive eckige Klammer = Athetese des Hg.); I 61,2: „quod eum [sc. dominum] apostoli essent et homines ex gentibus audituri, et ideo ait: Audi caelum et terra“; I 61,4: „Hoc est ergo quod ait: audi caelum et terra , quod Iudaeis non audientibus Christus dominus esset ab apostolis et gentibus audiendus.“ 15 I 61,1: „ut verbum dei ab ipsis potius audiatur, hortantur [nos]. … alteris, ut verbum dei audire debeant, dicitur“ (kursive eckige Klammer = Athetese des Hg.); vgl. I 61,4: „Christus dominus esset … audiendus.“ 16 II 2,4; auch II 9,2: „scriptura divina quid pronuntiet, audiamus“. 17 In II 2,4 schließt sich als Zitat Dt 10,12f. an; in II 9,2 Ps 11,2–5. 18 I 13,5; I 61,1. 19 I 62,1. 20 I 61,3. 21 I 36,22. 22 I 4,1: „[patientia] sine qua nec audiri nec concipi nec disci quicquam poterit nec doceri.“ Aus den im Folgenden für concipere und discere herausgearbeiteten Inhalten ergibt sich folgende Übersetzung: „die Geduld, ohne die nichts vermittels des Hörens zur Kenntnis genommen und anschließend als persönliches Wissen in sich aufgenommen werden kann, also zusammenfassend gesagt, ohne die nichts gelernt werden kann, ohne die aber auch nichts gelehrt werden kann.“

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teren Verben werden sich im Folgenden als Beschreibung einer bestimmten Art des Lernens erweisen.24 Aus der Perspektive des Lehrenden kann der Zusammenhang Hören und Lernen auch so formuliert werden: Lehren auf der einen Seite erfordert Hören auf der anderen. 25 Fragt man nach den Inhalten, die durch audire gelernt werden sollen, lässt sich für die zenonische Gemeinde Ähnliches beobachten wie für die ersten Adressaten der biblischen Aufforderung ‚audi(te)‘: Vordergründig folgt der Aufforderung zu hören bzw. der Konstatierung des Hörens lediglich eine Aussage, angeeignet wird durch Hören also zunächst ein Sachinhalt; implizit damit verknüpft ist aber die Forderung, diesem Inhalt zu entsprechen. So spricht Zeno beispielsweise – rückverweisend auf eine offensichtlich vorausgehende Schriftlesung – davon, dass die Zuhörer von Gottes Hass auf die avaritia gehört haben (audistis); man muss sich wohl fragen, ob dies tatsächlich eine Zusammenfassung des zuvor gehörten Inhalts ist oder ob es sich nicht bereits um eine Deutung der Schriftstelle, auf die Zeno sich bezieht, die aber aus dem Traktat nicht erschließbar ist, handelt.26 Abgesehen von dieser Frage ist jedoch das Folgende auf jeden Fall Auslegung und so muss die vorhergehende Schriftlesung als Voraussetzung dessen betrachtet werden, was der Bischof nun vermitteln will: explizit ein Sachwissen von der Beschaffenheit der avaritia und dem aus ihrer Überwindung resultierenden Lohn; als Konsequenz dann aber, wenn auch (an dieser Stelle) unausgesprochen auch ein entsprechendes Verhalten seiner Zuhörer, weil Gott, wie zuvor gehört, diese avaritia hasst. Damit verliert das Hören seine Banalität, der Hinweis darauf bekommt paränetische Funktion, mit dem Erwerb biblischen Sachwissens wird in Auslegung desselben entsprechendes Verhalten eingefordert. 27 Ausdrücklich ist an anderer Stelle auch die Rede davon, dass es monita sind, die die Gemeinde in der Schrift hört.28 Und so wundert es nicht, wenn schließlich 23

I 61,1.2: „Audi, (bzw. Audi, inquit,) caelum, et percipe auribus, terra“. Zu concipere und percipere s. u. S. 531–534. 25 Ps 33,12 in II 2,1: „audite me; timorem domini docebo vos.“ 26 I 21. 27 Gleiches gilt, wenn der Bischof in I 31 davon spricht, dass er von den Drei Jünglingen im Feuerofen hört (audio ). Zur Bedeutung des Exemplums der Drei Jünglinge für die christliche Ethik s. u. S. 550f. 28 II 2,4: „Itaque audiamus scripturam, quid dicat, cuius ista sunt monita: …“; es folgt Dt 10,12–15. Vgl. I 62,1: „[Abraham] audit imperatum“; dagegen I 36,22: „Quisque igitur nobilitatis suae conscientiam retinet, diligit fratrem nec aliquid audire exspectavit ex lege, ne admonitione pietati aliquid derogetur“; abgehoben wird hier jedoch auf den ,reifen‘ Christen, auf den, der sich des Anspruchs an ihn als Christ bewusst ist (vgl. u. S. 568) und deshalb keiner Belehrung mehr bedarf; auch dieser negativ formulierte Satz ist aber selbstverständlich nichts anderes als Paränese: ,Beweist auch ihr euch als solch reife Christen!‘ 24

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auch der Bischof imperativisch mit audire einen Tugendkatalog, wenn auch in Deutung der Schrift, an seine Gemeinde adressiert: „Gradus autem eius [sc. scalae], fratres dilectissimi, si vultis scire, quid vocentur, audite: conversio, audientia, intellectus, credulitas, timor, sapientia“. 29 Der Einschub „si vultis scire, quid vocentur“ ist natürlich rein rhetorischer Natur. Die hinter dem Tugendkatalog verborgene Aufforderung artikuliert indirekt der letzte Satz des Traktates: „Scala autem proprio nomine crux vocatur, quia per ipsam dominus Iesus Christus … iter ad caelum omnibus se sequentibus patefecit“,30 will sagen: ‚Hört dies und lernt daraus; wenn ihr in den Himmel wollt, müsst ihr die aufgezählten Tugenden umsetzen.‘ Ähnlich paränetisch auffordernd ist auch die Frage aufzufassen: „cur dubitet Christianus, qui resurrectionem futuram et audit et sperat et repositam sibi praesumit de Christo?“ 31 Ebenso auch die Feststellung, dass der Tadel durch den Bischof, den die christliche nach dem Tod ihres Mannes zur continentia unfähige Witwe ‚zu hören bekommt‘, auch für vergleichbare Männer gilt.32 Auf biblischer Grundlage ist audire so zugleich Sinneswahrnehmung als Reaktion auf ein Angesprochen-Sein des Menschen innerhalb eines Kommunikationsgeschehens mit Gott bzw. seinen Verkündigern (Apostel, Prediger), darüber hinausgreifend dann aber auch erster Akt eines durch Aufforderung ausgelösten Lernprozesses, der zunächst die Kenntnisnahme religiösen Sachwissens beinhaltet, welches wiederum entsprechendes Verhalten als Konsequenz impliziert. Das um ein Vielfaches häufiger in den Traktaten begegnende videre dürfte angesichts der ursprünglichen Mündlichkeit der zenonischen Bildungsvermittlung zunächst erstaunen. Bedenkt man jedoch, dass die Antike eine „Kultur des Sehens [war], deren Elemente durch die Universalität des ‚Sichtbarkeitspostulats‘ verbunden sind“,33 so wird verständlich, warum zahlreiche Begriffe der Erkenntnis, der Wahrnehmung und des Wissens dem Bereich der visuellen Erfahrung entstammen.34

29

I 37,15 in Auslegung von Gn 28,12. Ebd. 31 I 2,2. 32 II 7,11: „Talis est etiam causa maritorum, … quia quod alter audit amborum est.“ 33 R. KONERSMANN, Art. Sehen I–II, HWP IX, 1995, 121–149, hier: 134. 34 S. ebd, 121.134. Vgl. auch K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3478, der auch etymologisch eine Verwandtschaft mit „Wissen“ und seinen altindischen und griechischen Entsprechungen konstatiert. Darüber hinaus bietet er zahlreiche Übersetzungen, die in diesen Bereich verweisen, etwa ebd., 3479: „wahrnehmen, merken, einsehen, begreifen“; ebd., 3481: „in Betrachtung –, in Erwägung ziehen, zusehen = überlegen, erwägen, bedenken“, aber auch ebd., 3479: „lesen“. 30

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Während jedoch die Kontrastierung sinnlichen und geistigen Sehens im Höhlengleichnis des Platon (Politeia 7) in der Rezeption des Neuplatonismus insbesondere des Plotin betont negativ zu einer pauschalen Verdächtigung der sichtbaren Körperwelt als ‚trügerischer Welt des Scheins‘ führt, wirkt Platons Gleichnis positiv weiter im augustinischen Konzept der visio. Dem augustinischen Konzept eignet ein „Aufruf zur Läuterung“, der beinhaltet, dass der „innere Sinn“ der Seele die Wahrnehmung durch die äußeren Sinne zu koordinieren habe. Nach Augustin hat das sinnliche Sehen allein den „Zweck, Gott, der selbst nicht sichtbar ist, in der Schönheit seiner Werke zu erblicken.“ 35 Augustins didaktische Absicht der „Erregung des Seelenauges“ führt zu einer Rhetorik, die das „Explikationsangebot der Visualität als Redefigur einsetzt“.36 Dass Augustin, was die Konsequenzen der ‚Kultur des Sehens‘ für die Sprache angeht, keineswegs etwas völlig Neues präsentiert, zeigt eine Untersuchung des biblischen Befundes und seiner Interpretation durch Hieronymus 37: Dort, wo man eigentlich ein audire bzw. sein Äquivalent erwarten würde, stehen biblisch häufig verschiedene vermutlich dem neuplatonisch gebildeten Philon zu verdankende (griechische) Termini, 38 die Hieronymus mit videre übersetzt.39 Wie Augustin 40 denkt auch Hieronymus dieses videre fast synonym mit cognoscere; beides hebt zugleich ab auf Erfahrung (pati).41

Auch Zeno und seine Gemeindemitglieder teilen die antike Hochschätzung für das Sehen, und zwar so sehr, dass der Bischof sich genötigt sieht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass etwas nicht gering geschätzt werden darf, nur weil man es nicht sehen kann.42 Insbesondere was die Differenzierung der optischen Wahrnehmung im irdischen Jetzt und der religiösen Wahrnehmung im Eschaton bzw. in Vorgriff auf dasselbe betrifft, lässt sich eine dem Platonismus vergleichbare Bewertung des Sehens in den Traktaten konstatieren; diese entnimmt Zeno jedoch fast ausschließlich der Schrift, was darauf deutet, dass eine pessimistische Bewertung des Sehens einer eminenten Autorität bedarf, um von seinen Zuhörern akzeptiert zu werden.

35

R. KONERSMANN, Sehen, 141. Ebd. 37 S. G. Q. A. MEERSHOEK, Le latin biblique d’après Saint Jérôme, LCP 20, Nimwegen / Utrecht 1966, 133–139. 38 S. ebd., 138f. 39 S. ebd., 134. 40 S. ebd., 132.134. 41 S. ebd., 133. Vgl. U. DUCHROW, Sprachverständnis, 5f.: „Der Hauptgrund für die Bevorzugung des Auges gegenüber den anderen Sinnen in der griechischen Tradition und bei Augustin liegt … nicht im Sprachgebrauch und auch nicht in den psychologischen Vorstellungen, … sondern in der ontologischen Grundbestimmung des Seins als Anwesendsein … Allerdings folgt aus der Bestimmung des Seins als Anwesendsein, um dessen Bezeugung es geht, zunächst nur der Vorrang der Erfahrung in der Erkenntnis.“ 42 II 4,17: „si propterea contemnitis [animam], quia non videtis, deum quoque, qui est invisibilis, contemnere similiter poteritis.“ 36

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Im Jetzt verhindert danach ‚das Fleisch‘ religiöse ‚Vision‘,43 irdische optische Wahrnehmung ist von Flüchtigkeit gekennzeicht, 44 man sieht nur das Äußere, 45 den Menschen etwa nur andeutungsweise (in aenigmate) wie in einem Spiegel.46 Gott aber sieht man gar nicht, auch hier muss man sich auf die Betrachtung seines ‚Abbildes‘, den Menschen, beschränken.47 Zu den Dingen, die der Mensch im Jetzt nicht sehen kann, gehören ferner der Geist, den der Mensch bei der Schöpfung eingehaucht bekam, 48 das Geheimnis und die Gestalt der Seele,49 schließlich alle Geheimnisse des Glaubens.50 Auch in diesem Kontext gilt im Übrigen: Nicht-sehen-Können heißt Nicht-Kennen bzw. -Wissen. 51 Nur in seltenen Fällen wird diese Beschränktheit des Sehens in Visionen momenthaft durchbrochen,52 sie sind gewissermaßen ein Vorgriff auf zukünftiges Sehen im Eschaton, gekennzeichnet durch videre im Futur;53 die Vorwegnahme solchen Sehens schlechthin ist das Erscheinen Gottes (in der Gestalt Jesu) auf Erden.54 Daher darf auch das christli-

43 I 2,9 unter Bezug auf Mt 17,1–9: „In evangelio quoque Petrus filiique Zebedaei cum domino adstare fulgentes Moysen Eliamque, quos propter tunc impedimentum carnis videre non possent“. 44 II 9,5: „oculorum extollentia de alio in aliud elata quicquid viderit mobilitate fugaci statim deperdit.“ 45 II 9,3 in Zitation von 1 Rg 16,7: „Homo videt in facie, deus in corde“. 46 I 2,29 zur Frage nach dem Unterschied zwischen irdischem Leib und Leib nach der Auferstehung in Zitation von 1 Cor 13,12: „docente nos Paulo: Videmus, inquit autem, modo per speculum in aenigmate; tunc autem facies ad faciem erit.“ 47 I 36,23 unter Zitation von 1 Jo 4,20: „deus hominem ad imaginem et similitudinem suam fecit, ut contemplatione imaginis pateremur reverentiam veritatis … propter quod non inmerito Iohannes … edicit: … qui enim non diligit fratrem suum, deum, quem non videt, non potest diligere.“ 48 I 56,3 zur Erschaffung des Menschen: „Concepit spiritum adaeque, quem nescit; intrantem non videt“. 49 II 4,17 in Deutung von 1 Pt 2,11: „eius [sc. animae] secretum figuramque nescitis; quam … non videtis“. 50 II 3,11: „cum possibilitatis humanae non sit fidei videre secreta , nusquam, frater, tua curiositas, nusquam tua proficit pugna“. 51 S. o. I 56,3 in Anm. 48; II 4,17 in Anm. 49. 52 I 2,9 unter Bezug auf Mt 17,1–9: „In evangelio quoque Petrus filiique Zebedaei cum domino adstare fulgentes Moysen Eliamque, quos propter tunc impedimentum carnis videre non possent, libertate spiritus vident“; I 37,2 unter Heranziehung von Is 6,6 zur Deutung von Gn 28: „Hanc [sc. scalam] Esaias in modum forcipis vidit“; I 62,1 in Bezug auf Gn 18,2: „Et tunc Abraham respiciens oculis vidit tres“; II 15 in Bezug auf Dn 3: „[Pueri tres] deum vident.“ 53 I 37,13 in Zitation von Jo 1,51: „videbitis caelum apertum et angelos dei ascendentes et descendentes super filium hominis“; I 61,3 unter Heranziehung von Ps 8,4 in Deutung von Is 1,2: „Sic enim ait: Et videbo caelos, opera digitorum tuorum. Hic utique non de caelis istis loquitur, quos semper viderat, sed de apostolis, quos videre optabat.“ 54 Bar 3,36 in II 8,6 von Zeno auf Christus bezogen: „Post haec [deus noster] in terris visus est et cum hominibus conversatus est.“ Zu videri im Sinne von ,gesehen werden, angetroffen werden, sichtbar werden oder – sein, sich zeigen, erscheinen‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3479; E. P ERTSCH, Langenscheidts Großes

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che Opfer als Aktualisierung der Gegenwart Gottes und kultischer Vorgriff nur von Christen geschaut werden, die durch die Taufe bereits eine ‚Eintrittskarte‘ für das Eschaton erworben haben.55 Zeno kennt also durchaus Elemente dessen, was von Augustin dann zu einem Konzept der visio ausgearbeitet werden wird;56 es gelingt dem Veroneser aber nicht, die platonisch wie auch biblisch begründete kritische Haltung gegenüber optischer Wahrnehmung didaktisch-kreativ wie Augustin in eine ausschließlich auf die visio Gottes ausgerichteten Instrumentalisierung irdischen Sehens zu konvertieren. Biblisch-kritische Sicht und antik-positive Wertschätzung optischer Wahrnehmung bleiben in den zenonischen Traktaten vielmehr unvermittelt nebeneinander stehen.

In unaufgelöstem Widerspruch zur biblischen Kritik steht also die Hochschätzung irdischen Sehens, die Zeno in seiner Argumentation einsetzt und für religiöses Lernen instrumentalisiert. Überboten wird die Beweiskraft optischer Wahrnehmung (an anderen) nur noch durch die der physischen Erfahrung ‚am eigenen Leib‘.57 Mittels des in diesem Sinn überaus häufigen Einsatzes des Verbs videre will Zeno offensichtlich die Erfahrung der Zuhörer ins Spiel bringen, insbesondere dann, wenn sie in der ersten oder zweiten Person Plural vom Prediger mit dem Terminus videre angesprochen werden.58 Der Terminus kann in diesem Kontext sowohl die rein sinnliche Wahrnehmung des tatsächlichen Sehens bezeichnen 59 als auch übertragen abheben auf Erfahrungen im Alltag – ‚wie wir es ja täglich sehen und erleben‘;60 so wundert es nicht, dass das Verb auch zur EinSchulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin u. a. 51988, 1267; H. MENGE, Großwörterbuch, 800f. 55 II 7,14 zur christlichen Ehefrau eines Heiden: „Quid, quod illius sacrificium publicum est, tuum secretum? Illius a quovis libere tractari potest, tuum etiam a Christianis ipsis minime consecratis sine sacrilegio videri non potest?“ Zur Taufe als Vorgriff auf das Eschaton s. o. S. 409f. Oder meint Zeno entgegen der Anmerkung von A. B IGELMAIR, Traktate, 108f., Anm. 1, und entsprechender Übersetzung von G. B ANTERLE, Discorsi, 265, mit consecrati geweihte Priester, die das Opfer hinter einem Vorhang vollziehen, während das heidnische Opfer vor dem Tempel unter freiem Himmel dargebracht wurde? Beide Deutungen tun jedoch der Bewertung des christlichen Opfers als Vorgriff auf zukünftige visio keinen Abbruch. 56 S. o. S. 520, Anm. 35 und 36. 57 II 1,12 von der vera iustitia: „Est autem in publicum tota prominens atque diffusa , sic tamen, ut sentiri se cupiat quam videri“. 58 Videmus in I 2,29; I 3,12; I 5,6; I 14,4; I 36,15; II 4,1; videamus in I 3,15; I 27,2; I 36,28; I 43,8; II 2,3; II 8,5.8; II 9,8; II 30,2; videtis in I 3,13; I 35,8; I 37,9; I 41,2; I 45,2; II 1,9; II 2,4; II 4,7.17. 59 S. etwa I 25,13: „videntes homines opera vestra bona“; I 41,2 bezogen auf die Neophyten, die nun vor der Gemeinde stehen und von dieser wahrgenommen werden: „Hi, quos videtis“; auch II 2,5: „Et Ionas timens dominum spontaneum non timet adire naufragium … et tamen litus, quo tendebat, invenit antequam videat“; II 3,3.5: „eorum fidem videre non potest [lex] … videre autem non potest [hominis conscientiam]“. 60 II 4,1: „sunt ingenia cotidie quae videmus versutis contentionibus laeta“; auch Ps 36,25 in II 1,20: „numquam vidi iustum derelictum neque semen eius quaerens pan-

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leitung von Exempeln aus Alltag und Natur von Zeno herangezogen wird.61 In einer Reihe von Fällen kann in der Übersetzung daher durchaus mit dem deutschen ‚Sehen‘ gearbeitet werden, gemeint ist aber immer, das zeigt der jeweilige Zusammenhang: ‚Wir sehen etwas und wissen es daher‘, wie es im Deutschen etwa die Redensart ‚wir haben es mit eigenen Augen gesehen‘ zum Ausdruck bringt. Und so scheut sich Zeno auch nicht, den Begriff in diesem Sinne auf Gott anzuwenden: Für den Brudermord Kains gibt es keine Zeugen, aber Gott sieht Kain und weiß daher von dessen Tat.62 Videre hebt so in jeder Beziehung ab auf ‚Wissen durch Erfahrung‘. Häufiger wird videre jedoch von Zeno übertragen angewandt auf das Wahrnehmen der Schrift, obwohl dies im Gottesdienst eigentlich nur akustisch geschehen kann. Dass Zeno hier videre statt audire benutzt, deutet darauf hin, dass er auch in diesem Kontext über die rein sinnliche Wahrnehmung hinauszielt und gleichzeitig das aus der Wahrnehmung resultierende Wissen mitdenkt, nicht aber in jedem Fall auch ein daraus resultierendes Verhalten. Was die rhetorische Funktion angeht, kann videre sowohl ein Schriftzitat, das ein bestimmtes Wissen vermittelt, einleiten 63 als auch im Anschluss an ein Schriftzitat die Deutung desselben durch den Bischof als für alle fraglos nachvollziehbar kennzeichnen, 64 und es kann em“. Zu den Alltagserfahrungen dürfte auch der Eindruck, den man von einer Person gewonnen hat, zählen, s. I 2,1: „Cur enim mereatur felicitatem futuri temporis cernere, quem videas sacrilega incredulitate dei potentiae derogare?“ Zeno setzt den Eindruck gleich mit einem (objektiven) Wissen. 61 I 5,6: „Denique haec est causa , quod fratrum pia nomina plerumque gladiis amica videmus esse quam sibi; quod parentes opulenti abolita sui nominis sanctitate filios suos non sine utriusque dedecore patiuntur errare stipi triviali subiectos; quod liberi parentum vitam sua damna iudicantes iniecta violenter manu ipsi naturae, invasis hereditatibus ante tempus parentes suos compellunt vivere miseriae, facultatibus mori“; I 36,15: „Nonne videmus omne animantium genus congregatione, concordia testari caritatem“. 62 I 4,9: „Solus Cain exsultat infelix et, quod teste caret, putat se caruisse facinore, quem deus vidit, quem conscientia redarguit, quem fratris sanguis accusat.“ 63 I 3,12 zur Einleitung von Jr 4,3f.: „contemne [, Iudaee,] tuam istam circumcisionem, quam evacuatam videmus a lege, sic Ieremia dicente: …“; I 27,2 zur Einleitung von Gn 1,26f. und Mal 3,6: „videamus, quid sit, quod deus ait: … et alio loco dicat: …“; II 7,5 zur Einleitung von 1 Cor 7,29.31: „At tu, vidua , secundas cur desideras nuptias, cum temperare videas apostolum primas. Cuius ista sunt verba : …“. 64 I 3,15 in Deutung von Jos 5,2: „Videamus nunc ergo, fratres carissimi, secunda illa circumcisio ab Iesu Nave quo genere celebrata sit petrinis illis cultris: …“;I 13,3 in Deutung von Gn 38,24: „Mirum profecto videte mysterium“ – ,was ihr dort in der Schrift wahrgenommen habt, würde man eigentlich nicht erwarten‘; I 37,9 in Deutung von Mt 13,52: „nova et vetera duo testamenta , quae videtis recte eadem sine ambiguitate a domino hic quoque duorum denariorum esse figura vestita“; I 43,8 in (unvollständiger, weil kurz darauf abbrechender) Deutung von Gn 18.21.22: „Videamus, fratres

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schließlich auch die aus der Sicht des Predigers eindeutig aus Zitat oder Deutung sich ergebenden (nicht, wie bei audire, geforderten) Konsequenzen für die Zuhörer oder andere aufzeigen. 65 Sowohl eine Deutung als auch eine Konsequenz einleitend bekommt das Verb hier nun eine argumentative Funktion, etwa im Sinne einer rhetorischen Frage – „seht ihr etwa nicht“.66 Ähnlich nutzt Zeno im Übrigen auch das verwandte Adverb videlicet,67 das soviel heißt wie ‚wie man (leicht) sehen kann‘ und dazu dient, das Vorhergehende als richtig zu bestätigen. 68 Mit diesem ‚Kniff‘, seine Deutung als gewissermaßen für jeden ‚augenscheinlich‘ darzustellen und so mit Erfahrung durch Sinneswahrnehmung gleichzusetzen, verhindert Zeno jeden Zweifel und jedes kritische Hinterfragen – ‚was man sieht, weiß man‘, ganz entgegen der Einordnung sinnlicher Wahrnehmung im platonischen Höhlengleichnis und in der Schrift – und so sind auch die Interpretationen des Bischofs von den Hörern als Wissen zu übernehmen und anzueignen. Die dahinter stehende Aufforderung kommt am deutlichsten zum Ausdruck, wenn Zeno videre im Hortativ (videamus) verwendet.69 Das Wissen, das mittels videre erworben wird, ist also in erster Linie ein religiöses Sachwissen in Form überwiegend biblischer Inhalte oder ihrer

dilectissimi, legis arcana et intellectum altius proferamus. Abraham …“; II 1,18 in Deutung von Act 4,32: „Ceterum apud deum quam sit iniustum, mox videbimus. … sicut scriptum est: …“; II 2,3 in Deutung von Ps 127,1: „Nunc videamus, intellegendum quemad-modum nobis sit, propheta quod ait: …“. 65 I 3,13 unter Bezug auf zuvor in I 3,12 mit videmus eingeleitetem Jr 4,3f. (s. Anm. 63, S. 523) die Konsequenzen für die Juden aus der Beschneidung nennend: „Videtis ergo, fratres, quia huius modi circumcisis deus non tantum salutem non pollicetur, sed etiam, nisi legitime corde circumcidantur, ignis inexstinguibilis supplicium comminatur“; I 14,4 unter Bezug auf Ps 113,12: „Cuius rei facilis probatio est, illa cum interim, quae nostra sunt, videmus“; I 25,12 unter Bezug auf Lv 7,19–21: „Iam videat unusquisque, quemadmodum sacrificium aut sumat aut offerat; sicut enim indigne offerre sacrilegum est, ita indigne manducare mortiferum, in Levitico scriptura dicente: …“; I 35,8 unter Bezug auf Rm 2,12: „Videtisne, fratres, multum interesse inter damnatum et iudicandum?“; II 2,4 unter Bezug auf Dt 10,12f.: „Videtisne hunc timorem nobis necessarium“. 66 S. videtisne in I 35,8; I 45,2; II 1,9; II 2,4; II 4,7; nonne videmus in I 36,15; auch quis non videat in II 1,7. Ähnliche Funktion im Sinne von ,ich sehe nicht, d. h. ich weiß nicht, was ich argumentativ noch hinzufügen soll‘ hat auch die Formulierung non video in I 1,13; I 2,14; I 19,1; II 7,11; II 24,2; umgekehrt ist video praeterea in II 3,7 zu verstehen als ,ich sehe und finde es bedenklich, dass …‘. 67 I 3,2;I 13,11; I 14,7; I 37,9; I 59,1; II 3,9; II 26,1. 68 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3477. 69 I 27,2; I 36,28; I 43,8; II 2,3; II 8,5.8; II 9,8; II 30,2. Vgl. auch den Imperativ vide in II 27 und unusquisque videat in I 25,12, das wohl als Optativ oder angesichts fehlender, für den Optativ typischer Einleitungspartikel gar als Jussiv zu deuten ist.

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Deutung durch den Bischof;70 nur in Ausnahmefällen ist es mit einer andeutenden oder ausdrücklichen Paränese bezüglich des Verhaltens der Zuhörer verknüpft.71 Dem optimistischen videre im Sinne eines sicheren, weil durch Augenschein bestätigten Wissens steht, neben der aus der Schrift übernommenen Abwertung optischen Sehens gegenüber religiöser Wahrnehmung, an nur wenigen Stellen einschränkend die Passivform videtur zum Ausdruck eines Scheines gegenüber.72 Dabei differenziert Zeno zwischen einem negativen, weil bewusst eingesetzten Trug, der in einem ausdrücklich angeführten Gegensatz von esse und videri besteht 73 und einer zwar nicht positiven, aber weniger zu monierenden als zu korrigierenden Trübung der Wahrnehmung (videtur): ‚Wenn man nicht genau genug hinsieht, hat es den Anschein, es ist aber nicht so‘; diese Korrektur (intellegi datur) kann sich sowohl auf eine Sinnestäuschung 74 wie auf einen Trugschluss bezie-

70 Eine Ausnahme bietet I 36,28: „Nunc ergo videamus, unde vera caritas veniat, ubinam consistat, cui vel maxime debeatur“; im Folgenden präsentiert Zeno seinen Zuhörern christliches Sachwissen in Form einer Reihe relativischer Gottesprädikate, ohne auf biblische Grundlagen zurückzugreifen. 71 S. o. Anm. 65. 72 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3479f. 73 I 1,9: „[impudicitia] odit pudicitiam et tamen hoc cupit videri, quod illa est“; II 9,1: „Sapientes, ut videri volunt, Graeciae viri“; s. auch I 5,16: „[aurum] morbos non discutit, … mortem non repellit, nisi quod sanos occidit; nec manducatur aliquando certe nec bibitur nec in inferno cum suo praedone descendet, solum quod oculos infelices inanemque conscientiam ad hoc in maligni fulgoris cupidinem diram spe potiundi praecipitat, ne gratis homo videatur occisus.“ Diese überaus ironische Darstellung der Gier nach Gold dürfte wohl folgendermaßen zu verstehen sein: „[Das Gold] behebt keine Krankheiten, … es verhindert nicht den Tod, wenn es nicht vielmehr die Gesunden tötet; [denn] zweifelsohne wird es nicht jemals gegessen noch getrunken, und es steigt auch nicht mit seinem Räuber in die Unterwelt hinab. Nur deshalb stürzt es überdies die [aufgrund ihrer Gier] Unheil verursachenden Blicke und das sich keiner Schuld bewusste Gewissen in Hoffnung auf seinen Besitz in ein unheilvolles Verlangen nach kaltem Glanz, damit es nicht so aussehe, als sei der Mensch unentgeltlich [von eben seiner Gier] getötet worden.“ – Zum Gegensatz von videri und esse vgl. auch II 3,15: „sit quippe cum tutius imperitum videri quam esse sacrilegum.“ 74 I 4,5: „Luna quoque, quae quibusdam videtur errare curriculo menstruali, solemnes suae ignes aetatis quod numquam prorogat inportune nec derogat, quid aliud intelligi datur quam sui opificis moderationi deserviens peritissima insignis patientiae disciplina ?“ I 42,2 und II 24,3 von der Wahrnehmung der Neophyten durch andere: „Vetus quidem videtur domicilium, sed novus inquilinus exsultat (bzw. novus est inquilinus) mutatione morum nativitatis suae nobilitatem incredulis variis virtutibus probaturus (bzw. virtutibus monstrans)“; II 7,6 von der durch die Liebe getrübten Wahrnehmung Neu-Verheirateter: „Ubi est ille, qui invicem desiderantibus vobis tardior ceteris videbatur primus matrimonii dies?“

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hen.75 Ein mit ne verneinter Optativ will genau solche Trugschlüsse bei der Deutung biblischer oder nachbiblischer Exempel-Erzählungen verhindern;76 ein verneinter Jussiv hingegen will ähnlich, aber deutlich paränetisch, auch für die Gegenwart zu verhindernden Schein anmahnen; 77 in beiden Fällen ist aber gleichermaßen auf Wahrnehmung basierende Interpretation angezielt: ‚Damit nicht etwas so wahrgenommen und verstanden werde, wie es nicht ist‘. In den weitaus meisten Fällen stehen jedoch die passiven Formen von videre (inhaltlich vergleichbar den aktiven Formen) für die durchaus korrekte Wahrnehmung (iure / iugiter / recte videri) durch eine Allgemeinheit 78 oder durch ein konkretes Agens im Ablativ 79 – ‚es wird wahrge75 I 35,1 von einer Fehldeutung von Ps 100,1 und Jo 3,18: „Sine causa enim laborare videbitur iustus, nisi recipiat secundum facta suae, quae gessit, iniustus“; in Zitation von 1 Cor 3,18f. in II 1,5: „Si quis inter vos videtur sapiens esse in hoc saeculo, stultus fiat, ut sit prudens“; II 7,1 von der Wahrnehmung der Empfehlung der continentia: „Si cui forte asperum videtur ac durum, quod fiducialiter loquimur, fratres, rerum paene contra naturam, iamiamque desinat permoveri intellegens Christianae virtutis hanc esse maximam gloriam, ipsam calcare naturam.“ 76 I 3,20 in Deutung des Kreuzestodes Christi auf dem Hintergrund der Typologie Adam – Christus: „Ac ne non ex integro principium suo statui redditum videretur, prior vir consummatur in cruce“; I 39,3 zur Flucht des Arcadius vor der Verfolgung: „ut et [Archadius] non longius videretur a proelio“; I 45,1 in Deutung von Gn 1,26: „Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram; non inquit [deus]: ,fac ad tuam‘, sed ait: faciamus ad nostram, ne quam filius hominem induturus pati videretur iniuriam“; I 59,6 in Deutung von Gn 22,9: „ne [Isaac] quid minus ab hostia videretur“; I 60: „Christus mundum latenter intravit, ne sibi sapiens diabolus videretur“; I 62,4 in Deutung von Gn 22: „ne pater [sc. Abraham] dubitasse videretur“; II 2,6 in Deutung der P ASS. T HECLAE 34 (vgl. TU NS 7,2,94f. Gebhardt): „Ne quid scenae tam dirae immanitatis deesse videatur, immittuntur etiam marina monstra“; II 22 in Deutung von Dn 3,46: „ne quid immanitati saevientis deesse videretur, pice et stuppa armatum citatur incendium“. 77 I 3,24: „ne novus homo quicquam Iudaei habere videatur aut gentis“; II 29,2 in Deutung der Taufe: „Ac ne [mater ecclesia] quem plus amare videatur aut minus, unam nativitatem, unum lac, unum stipendium, unam spiritus sancti praestat omnibus dignitatem.“ 78 Unter Verzicht der Nennung eines AgensI 13,5 in Deutung von Gn 38,8: „Aunan autem secundus frater Iudaicus est populus, cui praecipitur, ut semen excitet fratris, non utique illud , quod a deo damnatum iure videbatur, sed ut reliquas nationes … dei cultum … excitaret“; I 36,1: „in spe, in fide, in caritate, quae ita invicem sibi videntur esse connexa“ (vgl. 1 Cor 13,13; 1 Th 1,3); I 41,3 bezüglich der Neophyten: „quod nonnulli forma videntur minores“ – gemeint ist hier nicht ,manche der Neophyten scheinen geringer‘, sondern ,manche sind in der Tat geringer als andere‘; I 61,1 in Deutung von Is 1,2: „divinus … sermo prolatus, nunc alteris videatur ingestus“; II 1,19: „homini inopia morienti tantis opibus qui cum possit subvenire non subvenit, ipse eum videtur occidere“; II 7,3: „Denique si videtur, conferamus, quae sit inter virginem nuptamque discretio“; II 7,10: „Pudet me dicere in populo gravi anus saepe videri novas nuptas,

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nommen, wie es tatsächlich ist‘ (nicht: ‚es scheint‘); 80 auch hier hebt Zeno also auf ein Wissen von Tatsachen auf der Grundlage sinnlicher Wahrnehmung oder auch wahrnehmender Erkenntnis ab; dabei handelt es sich (vergleichbar den aktiven Formen von videre) ausschließlich um religiöses Sachwissen; in wenigen Fällen ist ein paränetischer Impuls damit verknüpft.81 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Zeno die biblische Abwertung des Sehens und die ebenfalls biblische Hochschätzung des Hörens nur bedingt übernimmt. Zeno betrachtet optische Wahrnehmung nur dann kritisch, wenn sie sich mit religiöser Schau im Eschaton messen muss. Für den irdischen Erwerb religiösen Sachwissens ist optische Wahrnehmung dagegen von eminenter Bedeutung, da sie die Verlässlichkeit der anzueignenden Inhalte, die durch den Prediger im Vortrag und in der Deutung der Schrift mitgeteilt werden, gewährleistet und damit videre unumgängliche Voraussetzung christlichen Lernens ist. Eine direkte Kommunikation zwischen Gott und den Menschen bedarf angesichts der Autorität Gottes offensichtlich nicht optischer Vergewisserung; hier kommt das Hören zum Zuge, das meist auch ein ‚Hören auf (Gebote)‘ impliziert. Audire als notwendige Voraussetzung v. a. des ethischen Lernens ist Antwort auf mit höchster Autorität ausgesprochene Forderungen.

quarum paene plures sint nuptiae quam natales“; II 30,1: „Non enim elementa pulchrius aut verius verbis humanis asseri possunt, quam a deo facta sunt vel videntur“ – ,die Naturelemente können nicht besser beschrieben werden, als sie von Gott geschaffen wurden und so auch wahrgenommen werden‘. – Auch verneinte Passivformen von videre sind in diesem Sinn zu verstehen – ,es wird nicht so wahrgenommen, d. h., wir wissen, dass es nicht so ist‘, I 14,8: „sub vobis vivus mortuusque diu numquam visus est nudus“; I 27,2: „totque induat vultus, quot animi fuerint motus, nullusque prorsus dies, quo iugiter sibi similis esse videatur“; I 42,2 vom unblutigen Sterben in der Taufe: „Percussor non videtur, percussoris non cernitur gladius“. 79 I 13,1 in Deutung des Verhaltens des Onan in Gn 38,8: „Quod cum deo malignum quoque videretur, pari eum morte damnavit“ – ,sein Verhalten war bösartig und wurde von Gott als solches wahrgenommen‘; I 36,27: „[alius amor sc. cupido] recte sapientibus exsecrabilis esse videatur“; I 39,1 vom Martyrium des Arcadius: „dum in uno corpore tot martyria videantur esse quot membra“; auch I 2,24 zur Einleitung eines fiktiven (!) Einwandes: „videor mihi audire“ – ,ich glaube folgenden Einwand zu hören, d. h. es wird ihn bestimmt geben‘; vgl. I 3,1: „ratio videtur esse reddenda“ – ,ich halte es für notwendig, d. h. es besteht faktisch die Notwendigkeit, euch die Bedeutung zu übersetzen‘. 80 S. die explizite Parallele videtur – cernitur in I 42,2; zu cernere im Passiv vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1089: „an od. durch etw. wahrgenommen od. erkannt werden, in od. durch etw. sich zeigen“. 81 Vgl. I 36,27 in Anm. 79, S. 527; II 1,19; II 7,3; II 7,10 in Anm. 78, S. 526.

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II. discere Das eigentliche lateinische Gegenstück zu docere ist das Verb discere.82 Die Gesamtheit der Inhalte, die zenonisch mittels discere erworben werden können, erweist, dass Zeno Lernen nur in christlichem Kontext interessiert, die Vorstufe weltlicher educatio setzt er, das konnte gezeigt werden, als selbstverständlich voraus, eigentliche Bildung setzt erst auf der religiösen Stufe an. Die Inhalte des discere als christlichem Bildungserwerb entsprechen denen der christlichen Bildungsvermittlung, sie sind zum einen dem Bereich des religiösen Sachwissens zuordenbar, zum anderen dem ethischen Wissen, das sich auf Seiten des Lernenden nun jedoch auch in Tugenden im Sinne innerer Haltungen in konkreten ethischen Fragen niederschlagen muss.83 An religiösem Sachwissen kann nach Zeno im Einzelnen durch discere erworben werden: die Kenntnis von Teilen der Schrift (lex partibus ... discitur),84 differenzierendes Wissen über heidnisches, jüdisches und christliches Opfer, das der Christ erst nach der Taufe, jedoch dann an erster Stelle, mitgeteilt bekommt,85 ebenfalls dem Neophyten oder aber dem indifferenten Christen als zu Lernendes aufgetragen ist die Differenzierung zweier „Geburten des Herrn“ – gemeint sind hier die Zeugung des Sohnes vor der Zeit und seine fleischliche Geburt –,86 und schließlich die Kenntnis der dei disciplina,87 der, wie gezeigt werden konnte, eine vermittelnde Stellung zwischen Lehre als Sachwissen und Lehre als Forderung bestimmten ethischen Verhaltens zukommt. Ethisches Wissen, das als virtus zu lernen 88 dem Christen spätestens nach der Taufe aufgegeben ist,89 konkretisiert sich für Zeno in der Liebe 82 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2196–2198, v. a. 2198, etwa: „Cic.: studiosos discendi erudire atque docere“; s. auch in den zenonischen Traktaten selbst: discitur et docetur in II 2,1; II 3,5. 83 Zur Differenzierung von ethischem Wissen und ethischem Können s. u. S. 534– 562. 84 II 3,5. 85 I 25,3: „Primo omnium sacrificiorum tria esse genera , novelle, disce, Christiane, ne quo seducaris errore.“ 86 I 54,2: „Igitur duas nativitates esse domini nostri Iesu Christi, rudis aut neglegens disce Christiane … Prima itaque nativitas domini nostri in patris et filii tantum conscientia manet, nec quicquam habet interiectum neque conscium qui ex paterni oris affectu processit uno consensu. Secunda vero carnalis“; s. o. S. 392. 87 I 30: „Quod exemplum, fratres, fortiter fugite simulque gaudete, quod alienis plagis dei discitis disciplinam “. 88 S. u. S. 537–551. 89 Offensichtlich eine Taufkatechese ist II 27: „Evigila , Christiane, omnique saecularis somni torpore discusso, apertis auribus cordis a pueris disce virtutem … Qui nunc in se credentes baptizat spiritu sancto et igni, ipse tunc quoquo numero suae adfuit trinitatis.“

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(dilectio) als höchster Tugend,90 in Sanftmut und Demut,91 letztere ganz konkret auch als Vermögen, unverdientes Leid zu ertragen, 92 dann aber auch in der Furcht Gottes (im Gegensatz zur natürlichen Angst). 93 Ein Sonderfall des Erlernbaren ist ein der Natur scheinbar widersprechendes Vermögen, konkret: die Mutterschaft Saras. Ein solches Lernen wider die Natur wird ermöglicht durch den Glauben.94 Voraussetzung des discere (wie schon des docere) ist nach Zeno patientia.95 Die Aufforderungen zum Erwerb christlicher Bildung richten sich häufig im Imperativ direkt an die Zuhörer,96 nur in wenigen Einzelfällen wird die Aufforderung durch in Aussicht gestellten Lohn oder das Gegenteil verstärkt;97 eine Aufforderung mittels des Verbs discere, das natürlich im Zusammenhang mit disciplina steht, ist offensichtlich ausreichend nachdrückliche Direktive. Erlernt werden die Inhalte allgemein durch Unterrichtung,98 insbesondere durch Gott als Lehrer 99 oder Vorbild,100 aus der 90 I 36,17: „Unde manifestum est dilectionem virtutum omnium divinarum esse substantiam naturalemque magistram, quoniam ex lege discitur“; vgl. auch I 36,18: „[Lex] rigida quaedam dilectionis est forma ; quicquid enim a iusto didicit, id facere iniustum quoque compellit“. 91 Mt 11,28f. in II 9,4: „discite a me, quia mitis sum et humilis corde“. 92 I 4,12: „Abel ... a quo pati martyres didicerunt patiendo libenter, quod non merentur.“ 93 Ps 33,12 in II 2,1: „[timor] dei autem et discitur et docetur, quia ... in doctrinae ratione consistit, sicut scriptum est: Venite, filii, audite me; timorem domini docebo vos. Naturalis ergo non discitur, sed impulsu nobis nostrae infirmitatis occurrit“. 94 I 62,2: „tunc discit [Sarra] mater esse, cum desinit. Marcidae mammae lactis ubertatem ostendunt et de ieiuna aetate puer robustior saginatur. Nihil difficile est fidei, quae tantum habet, quantum credit.“ Der Erfolg des Lernens wider die Natur artikuliert sich im ebenso widernatürlichen Milchfluss und der unerwarteten Robustheit des Kindes. 95 I 4,1. Dazu ausführlich P. ROUSSEAU, Homily, 145–161, hier: 158. Danach ist patientia als „a proof of a person’s teachability“ Teil einer „theory of moral progress“, der schließlich zur beata vita führe. 96 I 25,3; I 54,2; II 9,4; II 27; s. auch I 30. Werden die Vermittler von Bildung oder Instumente der Vermittlung benannt, steht dagegen discere im Indikativ Präsens, etwa I 36,17; II 2,1; II 3,5; bei Exempla aus der christlichen Geschichte im Indikativ Perfekt oder im historischen Präsens, so I 4,12; I 36,18; I 62,2. 97 Positive Verstärkung liegt vor in I 10A durch in Aussicht gestellte felicitas; auch in II 9,4 in Übernahme des Schriftzitates Mt 11,28f.: „discite a me … et invenietis requiem animabus vestris“, negative Verstärkung in I 25,3 und I 54,2 durch Warnung vor error. 98 II 2,1 und II 3,5: discitur et docetur. 99 II 4,18: deo magistro didicimus. 100 Mt 11,29 in II 9,4: discite a me. Vgl. auch II 4,7: „Iustitiam docet [filius dei] inmortalitatis esse comparatricem. Factis praecepta consummat.“ – So begegnet der Terminus discipuli in den Traktaten auch überwiegend zur Bezeichnung der Jünger Jesu, in Verbindung mit einem belehrenden Jesus-Logion Mt 13,24f. einleitend in I 2,28, Mt 28,19f. einleitend in I 37,7 und Mt 13,52 einleitend in I 37,9; schließlich ohne konkretes Jesus-Wort, aber im Kontext der Belehrung durch Christus in I 3,16: „sua [sc.

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Schrift 101 oder von positiven wie negativen Exempla.102 Discere ist zenonisch also immer ein vermitteltes, rezeptives, man möchte fast sagen passiv-rezipierendes Lernen.103 Ausdrücklich wie schon von der Lehrbarkeit so auch von der Erlernbarkeit ausgenommen wird der Glaube (credere), da dies seinem Beschaffensein widerspricht.104 Ebenso ausdrücklich ausgenommen von der Notwendigkeit bestimmte Dinge zu erlernen werden ‚der Sohn‘ (Gottes), der die Vollkommenheit des Willens des Vaters nicht irgendwann hatte erlernen müssen, sondern immer schon besaß,105 und Abraham, der den Glau-

Christi] doctrina formatos, spiritus sancti lima acuminatos constituit viros apostolos omnesque discipulos.“ Da unter discipuli somit vordergründig immer direkt Angesprochene zu verstehen sind, muss man den Terminus wohl mit ,Jünger‘ übersetzen; dass nicht ausschließlich der Zwölferkreis damit gemeint ist, zeigt aber die Differenzierung zwischen apostoli und discipuli. (Auch andernorts benutzt Zeno den Terminus apostoli zur Bezeichnung des engeren Schülerkreise, etwa in I 4,22; I 15,9; I 36,9; I 61,2.3 (4x).4; II 2,5; II 30,4; in I 33,4 und II 12,4 wird ausdrücklich deren Zwölferzahl genannt. Fast immer in einer Reihe mit den Propheten oder anderen Exempla genannt oder auf ihre Wundertaten abhebend wird der Terminus apostolus so zum Signum für Vorbildhaftigkeit und damit für Autorität. Im Singular steht apostolus mit und ohne ausdrückliche Namensnennung fast ausschließlich für Paulus, so in I 1,13; I 2,15.24; I 5,4; I 8,2; I 25,9; I 34,2; I 35,6.7 (2x); I 37,12 (2x); I 38,6; I 39,5; I 59,6; II 1,2; II 4,1.8; II 5,3; II 6,4; II 7,2.5 (2x); nur in II 8,3 ist auch von Iohannes apostulus die Rede. Da diese Nennungen immer ein entsprechendes Schriftwort einleiten, ist wohl auch hier weniger auf den Anhänger-Status als auf die Autorität des Autors abgehoben.) Damit wird der Terminus discipuli offen für eine weitere Interpretation von ,Jüngern‘, zu denen auch zeitlich spätere ,Anhänger‘ wie die Bischöfe gezählt werden könnten. Ähnlich wie Christus hat in II 9,5 auch Johannes seine discipuli; und die Juden verstehen sich nach I 3,13 als discipuli des Mose; dass auch damit nicht ausschließlich auf zeitgenössische Schüler, sondern auch auf zeitlich nachfolgende ,Anhänger‘ abgehoben werden kann, zeigt schließlich die Rede von den Evae discipulae zur Bezeichnung von heidnischen Praktiken vollziehenden Christinnen in II 7,16. 101 I 36,17: ex lege discitur. 102 I 36,18: a iusto didicit; I 4,12: Abel a quo martyres didicerunt; I 10A: alterius [sc. Iudaici populi] periculo discere; I 30: alienis [sc. Iudaici populi] plagis discitis. 103 Damit hat sich der Begriff zenonisch weit entfernt von, ja fast in das Gegenteil der ursprünglichen, anthropologisch sehr viel optimistischeren Bedeutung verwandelt; vgl. G. KLINGENSCHMITT, Zur Etymologie des Lateinischen: discere, in: *h2nr. FS Heiner Eichner, hg. v. R. Nedoma u. D. Stifter, Wien 2010, 87–91, hier: 90, der als Ergebnis für seine etymologische Herleitung von disco formuliert: „ich nehme (geistig) auseinander“. Zur zenonischen Verwendung vgl. jedoch gl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2196: „I) durch Unterricht od. Gewöhnung od. Praxis“. 104 II 3,8: „illa nobilis et antiqua [fides], … quae credere non didicit, sed praesumpsit“ 105 I 56,2: „[ille], qui in sinu patris commanens voluntatis eius perfectionem non didicerat, sed habebat.“

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ben auch ohne Kenntnis des Gesetzes annahm 106 und Gerechtigkeit als erster verwirklichte,107 also diejenigen, die gewissermaßen als ‚Glaubensväter‘ auch ‚Schöpfer‘ christlichen Sachwissens und ethischen Verhaltens und als solche die jeweils grundlegenden, weil zu eigener Aktivität fähigen Vorbilder sind.108 1. accipere und noscere Wissenserwerb durch Vermittlung begegnet außerdem unter dem Stichwort accipere. In seiner ursprünglichen Bedeutung ‚empfangen‘ 109 benutzt Zeno es an zahlreichen Stellen,110 an seine christlichen Zuhörer wendet er sich mit dem Terminus in der übertragenen Bedeutung ‚vernehmen, erfahren, begreifen, erlernen‘.111 In dieser Bedeutung benennt accipere so gewissermaßen den Reflex auf die mit der Taufe verbundenen dona,112 insbesondere das Annehmen der den Christen gereichten Milch. 113 Das Verb bezeichnet damit jedoch nur einen Teilaspekt des discere, nämlich ausschließlich den Erwerb religiösen Sachwissens, im weitesten Sinne ver-

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II 3,8: „[Fides] quae ... ipsius nativitate porro maior est legis, quae deum deo credendo promeruit, quae credere non didicit, sed praesumpsit“; A. B IGELMAIR, Traktate, 61, Anm. 1, kommentiert: „Die Äußerung spielt auf den erwähnten Glauben Abrahams an, der das Gesetz noch nicht kannte.“ Der Kommentar bezieht sich auf II 3,1: „Abraham placuit deo credulitate sine lege“. 107 I 62,1: „Abraham ... iustitiam non didicit, sed genuit.“ 108 Abraham kann diese Eigenschaften mit Christus deshalb teilen, weil er figura Christi ist, „in ihm ist in abgeschwächter Weise bereits das anwesend, was in der Inkarnation in Fülle geschehen wird“, so W. GEERLINGS, Christus Exemplum, 181, zu Abraham bei Augustin. 109 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 60. 110 S. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 6. 111 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 62–64, insbesondere die Qualifizierungen „ohne unser Zutun“, ebd., 63, und „durch Unterricht“, ebd., 64. Bigelmair übersetzt häufig mit bloßem „hören“, etwa I 2,8 in ders., Traktate, 189; I 3,17 ebd., 164; I 19,2 ebd., 320; II 1,13 ebd., 86; II 9,9 ebd., 126 u. ö. Zeno selbst stellt eine Verbindung her zwischen einfachem ,Empfangen‘ und ,Erfahren‘ durch die Formulierung nuntium accipere („die Nachricht erhalten“) in I 15,5 und in Übernahme von Is 1,2 in I 61,1.2 durch percipere auribus. 112 S. I 42,1 (Ad neophytos) und II 29,1 (Tractatus paschalis): „Exsultate, fratres (bzw. Salvete, hodie nati fratres) in Christo, acceptaeque indulgentiae regale beneficium diligenter, fortiter ac fideliter custodite.“ Vgl. auch I 2,20: „Phoenix avis illa pretiosa resurrectionis evidenter nos edocet iura , quae nobilitatem generis sui non a parentibus accepit, non liberis tradit“; I 2,27 vom Ölbaum: „totusque acceptum translatus in honorem“. 113 S. I 8,1: „Sacram legem qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur“.

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mittelt durch die Heilige Schrift.114 Darunter fällt zunächst der eigentliche Inhalt der Schrift,115 dann v. a. auch die (allegoretische) Auslegung derselben,116 aber auch theologisches Sachwissen, das Zeno als Gemeindeleiter (ausgehend von der Schriftdeutung) vermittelt, 117 schließlich zahlreiche weitere verdeutlichende Beispiele oder Ausführungen. 118 Ähnliches gilt 114

S. I 8,1: „Sacram legem qui spiritaliter accipit, fratres, iste est, eius qui fructu lactatur“;I 13,2.10 zum Halsband (monile) der Tamar (das Zeno offensichtlich in seiner Bibelfassung statt armilla in VULGATA Gn 38,8 (Weber / Gryson) vorfindet; s. VETUS LATINA Gn 38,18 (Database 8 / 8); vgl. auch ebd., 3 / 8 zu Ambrosius): „accepitque [Thamar] … monile … Monile, fratres dilectissimi, lex est, quae salutaribus monitis diversis virtutibus diversoque charismate omnium credentium non colla , sed corda decorare consuevit“; I 24,1: „quod [sc. caeleste prandium], ut saturi semper ac felices esse possitis, esurienter accipite“; es folgt eine Auflistung biblischer Gestalten, die ein himmlisches Mahl herrichten, das mit den von Christus aufgetragenen dulcia, die mit seinen eloquia gleichgestzt werden, abschließt. Die Speisen stehen hier für die Inhalte der Schrift, die biblischen Personen tragen sie für die Gläubigen auf. Accipere bedeutet hier also gleichzeitig ,Speisen zu sich nehmen‘ und ,lernen‘. Für die Funktion des Traktates heißt dies aber keineswegs zwangsläufig, dass es sich um einen ,Lehrtraktat‘ handelt, wie dies auch für die verwandte Cena Cypriani diskutiert worden ist; s. C. MODESTO, Studien, 110, Anm. 36. Selbst wenn der zenonische Traktat möglicherweise auch „mnemotechnische“ Funktion (C. MODESTO, Studien, 111) hat, ersetzt er jedoch wohl in erster Linie einen vorchristlichen privaten Brauch und erhält damit die Funktion einer Metapher im Gesamt der Allegorie von der Taufe als Wiedergeburt; vgl. o. S. 389–393 – Zur Bedeutung von accipere im Sinne von ,lernen mittels der Schrift‘ s. auch I 37,10 in Deutung von Lc 10,30–35: „stabularius doctor est legis, qui acceptis duobus denariis, id est duorum testamentorum salutaribus monitis, adgressuram hominem passum latrocinio diaboli angelorumque eius et huius mundi in stabulo, id est in ecclesia , quo pecora divina succedunt, venerabili sacramento susceptum cotidianis praedicationum medicaminibus curat.“ 115 Etwa II 8,3: „Nam et Iohannes apostolus in evangelio quid praedicet, fratres, accipite: …“ oder II 9,4: „Sed et dominus ipse nos pio promisso quid hortetur, accipite.“ Auch I 53,1: „Credulo percipe corde rem miram, Christiane, omnique virtutum exemplo famigerabilem.“ in Bezug auf Dn 3; s. aber auch I 19,2 und II 6,2 ohne Nennung konkreter Schriftstellen. 116 Etwa I 8,1: „Sacram legem qui spiritaliter accipit“ oder I 25,8: „quod dictum, fratres, non sic debetis accipere“; auch I 3,17.19; I 27,3; I 34,7.8; I 35,2; I 37,3.5; II 11,4; II 26,3 (häufig in Verbindung mit debere, deshalb im Sinn von ,man muss darunter verstehen‘); verneint wird in I 35,2 mit non sic accipiendum est – ,es darf nicht so verstanden / interpretiert werden‘. Eine Ausnahme findet sich in I 33,2, wo accipere nicht eine Schriftinterpretation, sondern gewissermaßen den Erwerb einer allegoretischen Deutung des Frühlings im Kontext einer Jahreszeitenallegorese als christliche Lebensalter bezeichnet. Die Jahreszeitentypologien gehören zum Formenschatz der klassischrömischen Allegorese; s. o. S. 296. 117 II 30,3: „Non ergo carnale hoc indumentum imaginem dei debemus accipere, sed caelestis hominis spiritalem“; s. auch II 9,9. 118 Etwa I 2,8: „Accipe et alia exempla“ oder I 10A: „paucis accipite“; s. auch I 51; II 1,13; II 17 (jeweils im Imperativ an die Zuhörer gerichtet).

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für vergleichbare Komposita: percipere 119 und concipere; letzteres ist zwischen bloßem ‚Hören‘ und ‚Lernen‘ anzusiedeln und setzt auf Seiten des Lehrenden wie Lernenden patientia,120 auf Seiten des Lernenden aber auch Bereitwilligkeit und Gläubigkeit voraus.121 Wenn auch ohne Konnex zu den Taufallegorien, bezeichnen ähnlich auch noscere sowie seine Komposita agnoscere und cognoscere im Sinne von ‚erfahren, vernehmen, unterrichtet werden, lernen‘ 122 zenonisch den Erwerb religiösen Sachwissens auf der Grundlage der Schrift und decken damit denselben Teilbereich des discere ab wie accipere. Hier lassen sich an Inhalten differenzieren die Vermittlung theologischer Grundinformationen durch die Schrift selbst,123 eine solche Vermittlung durch Schriftauslegung des Predigers 124 und schließlich die Vermittlung religiösen Sachwissens durch Auslegung nichtbiblischer Allegorien. 125 Während accipere schon von seiner Grundbedeutung her einen Akzent auf ein passives ‚Empfangen‘ legt, suggerieren noscere und seine Komposita, ein aktives Bemühen des Angesprochenen zu fordern. Dennoch stehen auch hinter dieser Form des Wissenserwerbs Autoritäten, wenn auch im Unterschied zu discere gewissermaßen sekundäre, stellvertretende, nämlich die Schrift und der Gemeindeleiter, die mit der Aufforderung durch noscere und Komposita nichts anderes fordern als durch accipere: eine (unhinter119 I 53,1: „Credulo percipe corde rem miram, Christiane, omnique virtutum exemplo famigerabilem.“ Allegorisiernd auch I 32: „Exsultate, fratres in Christo, omnique desiderio convolantes caelestia dona percipite.“ S. auch das Schriftzitat Is 1,2 in I 61,1.2: „percipe auribus“. 120 Bezeichnend in I 4,1 ist die Stellung: „sine qua [sc. patientia] nec audiri nec concipi nec disci quicquam poterit“.Vgl. P. ROUSSEAU, Homily, 158. 121 II 3,19: „quae [sc. trinitas] una mente, una credulitate concipitur“. 122 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1243 und ders., 1189. 123 Is 1,11f. in I 25,6: „Nunc Iudaeorum quoque sacrificia deo repudiata cognoscite, qui dicit ad eos in Esaiae libro: Quo mihi multitudinem sacrificiorum vestrorum?“; Jo 10,37f. in I 25,6 und I 45,3: „cognoscite, quoniam in me est pater et ego in illo“; I 36,20 unter Zitation von 1 Cor 13,2f.: „Quid autem sine caritate sint non tantum istae, sed et aliae quoque virtutes, indice Paulo cognoscite: Et si habuero, inquit, omnem fidem, ita ut montes transferam, caritatem non habeam, nihil sum.“ 124 I 3,12 als Konsequenz aus Is 59,3, Ps 13,3 und Os 4,12: „Agnosce igitur, Iudaee“; I 46Β,1 in Auslegung von Ex 12–17 auf die Christen: „Quam ex rebus ipsis agnoscite pariter et probate“; II 8,8 als Konsequenz aus Lc 1,5–56: „Exsultate, feminae, promotionemque vestri sexus agnoscite.“ II 25,1 in Auslegung von Jr 7,11, Ps 1,1, Dt 23,18, Is 58,5 etc.: „Iudaeos legitimum pascha celebrare non posse, periti legis, deo ipso loquente cognoscite“; II 27 in Auslegung von Dn 3. 125 I 2,21 in Auslegung des Phönix-Mythos: „Erubesce, Christiana conscientia, vel tot ac tantis ex rebus quemadmodum rursum eadem quae es sis melior futura cognosce.“ II 6,5 in Auslegung des Kirchengebäudes auf die Gemeinde: „Exsultate igitur, fratres, aedificationemque vestram aede ista de novella cognoscite“.

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fragte) Übernahme der Inhalte. Diesen Aspekt betont besonders agnoscere.126 Mit accipere wie auch mit noscere und ihren Komposita werden die Hörer direkt angesprochen, ihre Lernbereitschaft wird eingefordert. Daher begegnen die Verben überwiegend im Imperativ als direkte Aufforderung an die Zuhörer 127 oder verknüpft mit debere,128 cognoscere bisweilen auch im Passiv unter Auslassung eines Agens (‚Man-Passiv‘). 129 Ergebnis des Wissenserwerbs ist der Wissensbesitz, der durch noscere mit direktem Objekt 130 oder das präsentische Perfekt von accipere 131 zum Ausdruck gebracht wird; die Anerkennung der Gültigkeit der als Wissen erworbenen Inhalte für die eigene Person äußert sich im Begriff agnitio.132 2. discere virtutem und mores imitari Weniger leicht, als es die Beobachtungen zum Erwerb von Sachwissen vermuten lassen könnten, lässt sich der Erwerb ethischen Wissens und ethischen Könnens terminologisch konzentriert greifen. Einen Ansatz auch in dieser Frage bieten die Tauftraktate.

126 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 259f.: „anerkennen, I) etw. nach seinem wahren Wesen oder nach seinen Merkmalen als das, was es ist, erkennen, wahrnehmen, … II) als wirklich, als wahr, als vorhanden, als geltend anerkennen, gelten lassen“. 127 Accipere bzw. percipere nur im Fall direkter Schriftrezeption in I 2,8; I 3,17.19; I 10A; I 32; I 51; I 53,1; I 61,1.2; II 1,13; II 8,3; II 9,4.9; II 17. Agnoscere und cognoscere in I 2,21; I 3,12; I 25,6.8; I 36,20; I 45,3; I 46B,1; II 6,5; II 8,8; II 25,1; II 27. 128 Accipere nur im Fall der interpretativ vermittelten Rezeption in I 25,8; I 27,3; I 33,2; I 37,3.5; II 11,4; II 26,3; II 30,3; ersatzweise auch accipimus in I 34,7.8 bzw. Gerundivum in I 35,2. Agnoscere nur in I 25,2 in Auslegung von Ps 49,7.12–15: „debetis agnoscere, quantis catenis vincta tenebrarum mens laboret incredulorum.“ 129 I 25,9 in Interpretation des heidnischen Opfers: „Nunc sacrificii nostri proprietatem nos convenit nosse, quae facile ex adverso cognoscitur“; I 36,25 in Deutung des heidnischen Eros: „Est enim et alius amor sane saluti nostrae contrarius, cui recte hominis forma tribuitur, quia temporalis ac fragilis esse cognoscitur.“ I 37,1 in Auslegung von Gn 28: „lapis ipse, quem ad caput suum posuisse cognoscitur“; I 37,10 in Auslegung von Lc 10,35: „homo enim adgressuram passus Adam esse cognoscitur“. 130 Etwa I 25,9: „Nunc sacrificii nostri proprietatem nos convenit nosse, quae facile ex adverso cognoscitur.“ Auch gerundivisch etwa in I 36,25: „Sed necessario unicuique sinceri amoris est noscenda proprietas“. 131 II 6,2: „Nam et Salomonis accepimus templum luculento opere fuisse constructum“ im Sinne von: ,Wir haben (durch die Schrift) erfahren und wissen jetzt, dass‘. 132 S. II 2,4: „Videtisne hunc timorem [sc. dei] nobis necessarium, qui ... divinae legis agnitione construit decorem“.

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a) custodire und (ob-)servare Zur Tugendhaftigkeit wird der Christ durch die Taufe befähigt, das vermitteln die Taufallegorien u. a. mittels der Metapher vom weiß glänzenden Gewand. Der Glanz dieses Gewandes müsse zum Erhalt des in der Taufe erlangten Status als aetheriae gentes bewahrt werden: „Aetheriae gentes, exsultate, novella pignora in Christo, florentissimique hodierni spiritalis ortus vestri candorem, ne quo pacto maculetis, perpeti diligentia custodite, quia nescit iterare quod praestat.“ 133 Der Reflex des Christen auf die Gabe des glänzenden Gewandes, auf die geschenkte Befähigung zur Tugendhaftigkeit, ist also zunächst nur abstrakt zu greifen in dem Verb custodire und seinem Synonym (ob-)servare, die ein ‚Bewahren, Aufrechterhalten, Beibehalten‘ aufgrund von Wertschätzung, 134 in diesem Sinne auch die ‚Beobachtung, das Nicht-Verletzen, das Nicht-Handeln wider eine Vorgabe‘ beinhalten,135 die also, anders formuliert, ein ‚Konservieren durch Observanz‘ bedeuten. Diese Verben begegnen dann andernorts zwar auch bezogen einerseits auf Abstrakta wie divina u. a.,136 andererseits aber auch auf konkrete Tugenden, die es für den Christen zu

133 I 38,1. Auch I 41,1 und II 29,1: „Exsultate, fratres (bzw. Salvete, hodie nati fratres) in Christo, acceptaeque indulgentiae regale beneficium diligenter, fortiter ac fideliter custodite.“ II 24,3: „sanctionem vestrae aetatis omni curriculo manente in sua semper infantia custodite ac fortiter praecavete, ne primi hominis quondam vestri umquam memoriam recolatis.“ Auch I 1,3f.: „Nam si ecclesia ideo Christi sponsa est, quia pudica , … nos, qui nascimur de tanto coniugio, omnifarie niti debemus, quemadmodum prosapiae nostrae nobilitatem … fide similitudinis adprobemus. … deum enim patrem vos et habere et possidere monstratis, cum pudicitiam, in qua deus habitat, non dicam diligitis, sed luculentis moribus adornatis. Magna igitur gloria est ornare per quod orneris, servare per quod et ipse serveris.“ 134 Zenonisch beschreiben die beiden Verben durchaus auch Wertschätzung weltlicher Güter, s. I 14,3: „Quid … cassa … custodis?“; I 14,5: „si servaveris [aurum argentumque], simulacra [sunt]“; I 15,3: „Iob … facultatesque suas contemnendo custodit“; I 25,10: „in praediis autem vestris fumantia undique … fana … subtiliter custoditis“; II 1,18: „Sed, inquies, iustum est, ut mea servem, aliena non quaeram“; II 1,19: „custodis argentum“. Vgl. auch I 7,3: „deus … universa …. custodit“;I 13,11: „in custodiam nostrae salutis“; I 4,13: „[Abraham] igitur Isaac sibi dulcissimum filium, deo victimam dulciorem contemnit, ut servet“. 135 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1855; ders. 2, 2643 (servare mit „abstr. Objekt“). 136 I 31: „[Tres pueri] suam religionem custodiunt“; I 36,32: „Tu [, o caritas,] divina custodis“; I 43,8: „Abraham … omne ius divinum praecipue custodivit“; I 44,2: „inmortalitatis … cursu servato“; II 4,8: „servando religionem veram veramque iustitiam“; II 7,4: „virgo, … sanctique pudoris florem … fidei thesaurum custodi“; II 7,5: „observantiae qua perfectione dei cultus debeat custodiri“. Vgl. auch II 7,9: „observantiam … transfer ad deum“ sowie II 7,18: observantiae virtus.

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bewahren gilt, etwa pudicitia,137 fides,138 caritas,139 noch konkreter auch die Liebe gegenüber dem Ehegatten 140 und die Anerkennung der gerechten Ansprüche der Eltern, Ehegatten und Kinder.141 Beides sagt jedoch noch nichts darüber aus, wie dieses Bewahren vonstatten gehen, d. h. mit anderen Worten (einzelne) Tugenden im Sinne einer Haltung in bestimmten ethischen Fragen erworben und daraus resultierendes konkretes sittlich korrektes Verhalten erlernt werden können. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass der Christ keinen anderen Beitrag zum Erwerb dieses Wissens und Könnens leisten könne als die Hoffnung, dass ihm als Folge des Glaubens das Vermögen dazu gewährt werde, wenn Zeno unter Zitation von Mt 13,12 sagt: „Igitur si nostra est [fides], servemus ut nostram, ut iure speremus aliena. … maxime cum scriptum sit: Qui habet, dabitur illi et abundabit; qui autem non habet, etiam id quod habet auferetur ab eo.“ 142 Wenn jedoch davon die Rede ist, dass die praecepta des Herrn zu befolgen (servare / observare / custodire) 143 gelehrt (docere) werden kön137 I 1,20: „pudicitia, quae aliter laudari te non vis quam ut custodiaris“; vgl. auch II 7,4: „virgo, … sanctique pudoris florem … custodi.“ 138 I 36,4: „[Fides] amplectenda est igitur, fratres, tenaciter nobis et omni genere custodienda virtutum“; I 37,7: „si nostra est [fides], servemus ut nostram“; I 36,12: „fidem ipsa [sc. caritas] custodit“; I 36,30: „Tu [sc. caritas] … fidem custodis“; auch II 7,4: „fidei thesaurum custodi“; II 3,18, s. folgende Anm. 139. Vgl. auch II 3,3: „fides de infidelibus vindicetur.“ 139 II 3,18: „Haec [sc. caritas et fides], si religiosus es, serva ; timoratus si vere, custodi.“ 140 I 2,14: „Exsecrabilis res est, fratres, nec coniugio servare caritatem nec deo fidem“; s. auch II 7,6: „fidei serva [, vidua,] signaculum [bono marito]“. 141 I 1,1: „haec [sc. pudicitia] parentum, coniugum liberorumque sacra iura custodit“. 142 I 36,7. 143 In den zenonischen Traktaten singulär II 2,4: „praeceptis omnibus fideliter obtemperat“; geläufiger dagegen sind servare bzw. observare, s. I 35,5: „[Ambigui Christiani] volunt nosse legem, nolunt eius praecepta servare“; I 36,20: „dominus deus proximi dilectionem commendat, quoniam solam praesumit servare posse quod praecipit“; Mt 28,20 in I 37,7: „servare omnia quaecumque praecepi vobis“; I 37,12: „iusti, qui … per gradus divinorum observantiae praeceptorum cotidie spiritalis itineris gloria feruntur in caelum“; bereits zuvor in I 37,1: „duo testamenta …, quae et evangelicis intexta praeceptis credentes homines voluntatemque dei facientes quasi per quosdam observantiae gradus in caelum levare consuerunt.“ Auch I 3,24: „Unde dubium non est … solam observationem voluntatis dei esse fideliter viventibus necessariam“; in II 3,9 auch verkürzt auf legis scientia observantiaque, vgl. auch I 3,12: „observes an legem“; zur Voraussetzung dieser Verkürzung s. II 3,3: „per ipsam [sc. legem] dei voluntas populis intimatur“ und II 3,5: „index dei voluntatis est [lex]“. Neben servare und observare begegnet auch hier custodire, s. II 1,14 : „dei praecepta custodiens, huius modi officiis saeculares obterens voluptates … repromissae inmortalitatis inaestimabili beatitudine perfruetur“; II 2,4 unter Zitation von Dt 10,12f.: „Itaque audiamus scripturam, quid

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ne 144 – und von den praecepta konnte gezeigt werden, dass sie ausschließlich dem Bereich sittlichen Handelns zuzuordnen sind –, dann müsste es umgekehrt auch möglich sein zu lernen (discere), die praecepta zu befolgen. Tatsächlich findet sich – quasi als Gegenstück zum so genannten Missionsbefehl, der in der zweiten Phrase doch eher ein ‚Lehrauftrag‘ ist – auch die ausdrückliche Aufforderung „disce virtutem“ in den Ostertraktaten Zenos;145 Zeno fordert offensichtlich besonders die Neophyten auf, 146 durch Lernen ihr Christ-Sein zu entfalten. Will man verstehen, was sich hinter dieser knappen Aufforderung inhaltlich verbirgt, ist zunächst nach der Bedeutung von virtus im Allgemeinen und dann im Ostertraktat II 27 im Speziellen zu fragen. b) virtus Dem Terminus virtus eignet bereits vorchristlich eine enorme Bedeutungsbreite, die v. a. Cicero voll ausschöpft.147 In derzeitiger Ermangelung einer umfassenden Darstellung im Thesaurus Linguae Latinae verhilft zunächst der Blick in verschiedene sich ergänzende kleinere Wörterbücher 148 zu einer Übersicht: Etymologisch zunächst alles bezeichnend,

dicat, cuius ista sunt monita: Et nunc, Israel, quid dominus deus tuus postulat a te, nisi … et custodias praecepta eius ex toto corde tuo et ex tota anima tua“. 144 Mt 28,20 in I 37,7: „docentes eos [sc. omnes gentes] servare omnia quaecumque praecepi vobis.“ 145 II 27: „Evigila , Christiane, omnique saecularis somni torpore discusso, apertis auribus cordis a pueris disce virtutem.“ Nach G. P. J EANES, Easter, 201.204, im Anschluss an eine Lesung der Ostervigil gehalten. 146 “Saecularis somni torpore discusso“ in II 27 hebt auf das Ablegen des Heidentums ab: saecularis meint hier sicherlich nicht ,weltlich‘, sondern ,heidnisch‘, vielleicht auch mit der Konnotation ,( Jahrhunderte-)alt‘; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2447: „hundertjährig“ und „heidnisch“; somnus dürfte parallel zur Verknüpfung von hiems mit longa nox und aeterna mors in I 33,2 auf das Heidentum abheben und daher mit ,Todesschlaf‘ zu übersetzen sein. Auch torpor weist als ,Regungslosigkeit, Erstarrung‘ in diese Richtung. Der vorzeitige Ablativus absolutus bedingt also, dass der angesprochene Christianus das Heidentum hinter sich gelassen hat, was an sich an eine Tautologie grenzt; gedacht dürfte deshalb wohl sein „nachdem du die Erstarrung des (alten) heidnischen Todesschlafes (gerade zuvor in der Taufe) abgeschüttelt hast und (dadurch) deine innere Empfänglichkeit geweckt wurde (apertis auribus cordis)“. Dennoch können sich selbstverständlich alle anwesenden Christen angesprochen fühlen, da nirgendwo in den Traktaten explizit gesagt wird, zu welchem Zeitpunkt der Vorgang des Lernens für den Einzelnen abgeschlossen ist und sein ,Lebensalter als erwachsener Christ‘ beginnt. 147 S. W. EISENHUT, Virtus romana, bes. 57–62. 148 Für das Folgende herangezogen wurden: K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 3514f.; H. MENGE, Großwörterbuch, 805; E. P ERTSCH, Schulwörterbuch, 1274. Zur Einschätzung der unterschiedlichen Qualität dieser Wörterbücher insbesonde-

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was den Mann körperlich und geistig auszeichnet und deshalb zusammengefasst in ‚Mannhaftigkeit‘ und ‚Manneswürde‘, benennt virtus zuerst v. a. die als männlich geltenden Eigenschaften ‚Tatkraft‘ und ‚Nachdruck‘, ‚Tapferkeit‘ und ‚Mut‘, ‚Standhaftigkeit‘ und ‚Entschlossenheit‘, physische, aber auch geistige ‚Kraft‘ und davon abgeleitet ‚Heldentaten‘, ‚übermenschliche Kraft‘ und ‚Wundertaten‘. Eine Person oder einen Gegenstand bewertend kann virtus auch ‚Tüchtigkeit‘, ‚Trefflichkeit‘ und ‚Vorzüglichkeit‘, jede ‚gute Eigenschaft‘, ‚Vorzüge‘ (im Plural), ‚Güte‘ und ‚Wert‘ und davon abgeleitet auch ‚Tauglichkeit‘ oder ‚Verdienst‘ bedeuten. Im ethischen Bereich schließlich steht der Begriff für ‚Moral‘ und ‚Sittlichkeit‘, ‚Tugendhaftigkeit‘ und ‚Ehrenhaftigkeit‘, ‚sittliche Vollkommenheit‘, endlich konkret auch für ‚tugendhaften Wandel‘ oder ‚Tugend‘. Als konkrete mit virtus verbundene Tugend begegnet insbesondere pudicitia.149 Im christlichen Gebrauch finden sich all diese Facetten wieder, sie lassen sich jedoch noch ergänzen um die allgemeine Bedeutung ‚Befähigung zu etwas‘, dann v. a. um einen deutlicher artikulierten Akzent auf ‚Züchtigkeit‘ und schließlich auf ‚Macht‘ und deren Manifestation (etwa in Wundertaten 150), hier v. a. Gottes, aber auch des Teufels. 151 Diese Auflistung zeigt, dass virtus Tüchtigkeit, Trefflichkeit und Werthaftigkeit „in jeder Hinsicht“ bezeichnet, wobei diese Eigenschaften „durchaus individuell im engen Bereich vorhanden sein“ können. 152 Betrachtet man über die bloße wörtliche Bedeutung hinaus den Kontext der Verwendung, dann wird jedoch klar, dass diese Eigenschaften „ihren höheren Sinn … allerdings erst im Einsatz für die Gemeinschaft, die res publica“ erhalten.153 Doch auch dies ist noch einmal zu differenzieren: Während einzig Sallust den Terminus nur im Singular verwendet und ihn zur Bezeichnung der römischen Tugend schlechthin auf die vorbildlichen maiores als ideale Römer anwendet, bei ihm also virtus als echt und ausschließlich römischer Leitwert begegnet,154 als „Inbegriff männlicher Vollkommenheit und Größe“, jedoch immer unter Mitdenken dessen, „was für den Staat durch sie [sc. die virtus] geleistet wird“,155 stehen bei den lateinischen Dichtern, insbesondere bei Vergil,156 konkreter die militärische Tapferkeit, dann aber auch „alle durch Leistungen sich erweisenden Persönlichkeitswerte“ 157 im Vordergrund. Im philosophischen Kontext schließlich ist virtus seit Cicero158 der lateinische Terminus für PñåôÞ.

re für das Lemma virtus s. W. EISENHUT, „virtus“ in der römischen Literatur, in: Werte der Antike, hg. v. F. Hörmann, München 1975, 54–71, hier: 54f. Ders., Virtus romana, hat selbst eine monographische Untersuchung des Terminus für die gesamte vorchristliche lateinische Literatur mit einem Ausblick in die „frühchristliche“ Literatur vorgelegt. 149 In Ergänzung der Wörterbücher W. EISENHUT, „virtus“, 57. 150 Vgl. W. EISENHUT, „virtus“, 70: „ ,durch göttliche Kraft bewirkte wunderbare Dinge oder Erscheinungen‘, d. h. … ,Wundertaten (Gottes)‘, ,Wunder‘ “. 151 S. A. B LAISE, Dictionnaire, 851. 152 W. EISENHUT, „virtus“, 60. 153 Ebd. 154 S. ebd. 62f. 155 Karl Büchner, Grundwerte römischer Staatsgesinnung in den Geschichtswerken des Sallust, Berlin 1940, 27, zitiert nach W. EISENHUT, „virtus“, 64, Anm. 6. 156 S. W. EISENHUT, Virtus romana, 78f. 157 Ders. , „virtus“, 65. 158 S. ders. , Virtus romana, 61.

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„Wie die PñåôÞ ist für den römischen Stoiker virtus geradezu ein Zustand, aus der die virtutes, Äußerungen der einen virtus, hervorgehen.“ 159 Virtus bezeichnet seit Cicero also die philosophische „ ‚Tugend an sich‘ sowie eine Vielzahl von Einzel-‚Tugenden‘ “,160 insbesondere die vier Kardinaltugenden. 161 Die konkreten unter virtus gefassten Tugenden unterscheiden sich jedoch dahingehend inhaltlich, dass zu ihnen solche zählen, „deren ethischer Gehalt indifferent ist (scientia …), sowie ‚Tugenden‘, deren Wesen im Sein, nicht in der wirkenden Äußerung besteht (patientia), und solche, die vor allem im Unterlassen deutlich werden (moderatio, temperantia, continentia).“ 162 Stoische virtus, die zusammengefasst sich in natur- und vernunftgemäßem Leben artikuliert, wird als solche zum ausschließlichen Instrument der „Erlangung des Glücks“.163 Nur wenige Menschen erwerben nach stoischer Anschauung diese virtus tatsächlich durch konsequentes und stetiges Üben.164 „Daß man auch auf dem Weg zur virtus sein kann, das ist … eine wesentliche Milderung des stoischen Rigorismus“, die sich Horaz und Seneca verdankt.165 Gewissermaßen eine Summe aller Facetten des ursprünglich römischen wie des philosophischen Bedeutungsbereiches von virtus findet sich in der Verwendung des Terminus durch Apuleius wieder,166 dessen Werk Zeno gut kannte, so dass es plausibel erscheint, Zeno die Kenntnis der gesamten Bedeutungsbreite des Terminus virtus unterstellen zu dürfen, auch ohne dass in diesem Kontext ein Rückgriff auf Apuleius im Einzelfall aufgezeigt werden kann. Im Christentum wird der lateinische Terminus virtus mehr oder minder über den PñåôÞ-Begriff des hellenistischen Judentums rezipiert. Dort ist PñåôÞ zwar Oberbegriff, kann aber auch eine Einzel-Tugend benennen; im Unterschied zu den Inhalten, die griechisch-heidnisch mit der Terminologie verbunden waren, stehen jüdisch und im Anschluss daran auch christlich PñåôÞ und virtus stets in Beziehung zu Gott, mit anderen Worten: Sie bezeichnen auf Seiten der Menschen gottgefällige Haltung und ebensolches Verhalten 167 und sind damit nicht mehr höchstes Gut an sich, sondern „entscheidende Größe für die Erlangung eines letzten Strebensziels“ 168 bzw. „notwendige, vielleicht sogar … hinreichende Bedingung des Glücks“. 169 Solche gottgefällige virtus artikuliert 159

Ders. , „virtus“, 62. Vgl. ders., Virtus romana, 14–22. Ders. , Virtus romana, 61. 161 S. P. D. J OHNSON, Virtus. Transition from Classical Latin to the „De Civitate Dei“, AugSt 6, 1975, 117–124, hier: 118. 162 Ebd. 163 F. RENAUD, Art. Tugend (PñåôÞ / aretē; „Gutsein, Tüchtigkeit“, lat. virtus), DNP XII / 1, 2002, 894–896, hier: 895; s. auch W. EISENHUT, Virtus romana, 148, zu Seneca. 164 S. P. D. J OHNSON, Virtus, 119. 165 W. EISENHUT, „virtus“, 62. Vgl. ders., Virtus romana, 148f. 166 S. W. EISENHUT, Virtus romana, 190–194. 167 S. W. EISENHUT, „virtus“, 69f.; ders., Virtus romana, 196f. Seit Tertullian spielt gleichzeitig eine zweite Bedeutung von virtus christlich eine Rolle: virtus (oder PñåôÞ) als Macht Gottes und im Plural als Bezeichnung seiner Wundertaten oder der seiner Diener; s. ders., „virtus“, 70; ders., Virtus romana, 198–207. 168 C. HORN, Augustinus über Tugend, Moralität und das höchste Gut, in: Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karlund-Gertrud-Abel-Stiftung vom 22.–25. September 1997 in Trier, hg. v. T. Fuhrer u. M. Erler, Stuttgart 1999, 173–190, hier: 174. 169 Ebd., 176. 160

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sich in christlicher Sicht in den klassischen, aus der vorchristlichen Philosophie übernommenen vier Kardinaltugenden (prudentia, iustitia, fortitudo, temperantia), ergänzt um die paulinischen, so genannten theologalen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe, aber auch um Gehorsam, Demut und Buße. 170 Bei Augustinus als größtem lateinischen Denker lassen sich auf diesem Hintergrund drei wesentliche Änderungen gegenüber dem klassischen (stoischen) virtus-Verständnis aufzeigen: Die Betonung verschiebt sich vom Handeln (Verhalten) auf die Haltung (Gesinnung) als Äußerung von virtus, vom weltlichen Erfolg auf Gottesliebe als Motivation von virtus und schließlich vom glücklichen irdischen Leben auf beatitudo im ewigen Leben als Ziel von virtus.171 In diesem Sinne wird ‚vollkommene‘ virtus – deutlich unter antipelagianischem Impetus – zum Geschenk Gottes an den Menschen. 172 Ob dennoch ein Bemühen um solche virtus von Seiten des Beschenkten gefordert wird, ist für den Einzelfall – wie im Folgenden für Zeno – zu untersuchen.173

Auch für die zenonischen Traktate lässt sich eine breite Äquivokation feststellen, wie sie mit dem Begriff virtus per se verbunden zu sein scheint. Eine genauere Betrachtung lässt jedoch den Eindruck entstehen, dass Zeno eine solche Mehrdeutigkeit nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern sie möglicherweise auch bewusst einsetzt,174 um die umfassende Bedeutung christlicher virtus herauszustellen. So begegnet virtus in den Traktaten durchaus nicht selten im nichtphilosophischen Sinn von ‚Kraft‘, wobei damit sowohl eine rein physische Wirkkraft oder Leistungsfähigkeit 175 als auch eine geistige oder morali170

So (stark verallgemeinernd) F. RENAUD, Tugend, 896. S. P. D. J OHNSON, Virtus, 121f. Dort nur ,verkürzt‘ dargestellt, da nicht differenziert wird zwischen ,vollkommener‘ virtus, die nach Augustinus im irdischen Leben nicht erreichbar ist, und dem allmählichen Erwerb von virtutes; vgl. C. HORN, Augustinus, 180f.186. 172 S. P. D. J OHNSON, Virtus, 124. 173 P. D. J OHNSON, Virtus, 124, formuliert für Augustin (trotz dessen antipelagianischer Haltung): „virtus was a learned art at which men had to work.“ Demgegenüber erscheint die Einschätzung F. RENAUDs, Tugend, 896: „Die in der Ant[ike] minoritäre Vorstellung, T[ugend] werde nicht vom Menschen selbst erworben, sondern von Gott geschenkt, fand in der christ. Theologie – hinsichtlich der spezifisch christl. T[ugend] – eine neue Bed[eutung] und Rechtfertigung“ als eine extreme Verkürzung auf das ,Gnadengeschenk‘ Tugend, wie es eigentlich erst ab Augustin denkbar ist. 174 Ähnliches stellt C. HORN, Augustinus, 177, für Augustinus fest: „Dabei macht er sich gelegentlich gezielt die Äquivokation des virtus-Begriffs zunutze“. 175 S. etwa I 4,4 bezogen auf die im Anschluss, I 4,4–6, beschriebenen Naturkräfte: „Non virtutes possunt esse virtutes, non perennes elementorum status, non tempora cognata connexione in solemnes reditus commearent, nisi rerum disciplinam conversionemque quasi quaedam sollicita mater patientia custodiret“; insofern könnte auch die in I 4,3.12 auftauchende virtus der patientia durchaus auch als ihre physische Kraft aufgefasst werden. Eindeutig meint virtutes naturae in I 36,24 die Naturkräfte, die gefürchtet werden. Negativ bezeichnet virtus die physische Kraft der hemithei inI 13,4; in I 36,15 hebt Zeno unter Rückgriff auf die stoische oikeiosis-Theorie mit virtus ab auf die (bloß) physische Kraft der Wildschweine (in Abgrenzung von ihrer caritas). In II 4,15 171

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sche Anstrengung 176 gemeint sein kann; an manchen Stellen ist es kaum auszumachen, ob Zeno seine Aussage auf einen der beiden Bereiche einschränken will, vermutlich hält er dies bewusst so offen. 177 Jedenfalls ist virtus auf beiden Bedeutungsebenen das Gegenteil dessen, was der ebenso äquivoke Terminus infirmitas beinhaltet.178 Von dieser Bedeutung des Begriffs virtus leitet sich dann die auch bei Zeno anzutreffende Verwendung des Terminus zur Bezeichnung der Macht Gottes her, die – dies betont Zeno in antiarianischer Haltung immer wieder – Vater und Sohn von Anbeginn an gleichermaßen eignet (una virtus).179 Nachdem sie (die virtus!), die zugleich sapientia ist, im Anfang als Wort aus dem Innersten Gottes hervorgebrochen war und sich so als All-

dürfte unter carnis virtus die Leistungsfähigkeit des Körpers zu verstehen sein. Und schließlich wird in II 5,7 auch irdische Macht und Herrschaft mit physischer Kraft im Sinne von Gewalt zusammengedacht; vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 851, „pouvoir“. 176 In I 31 etwa spricht Zeno von der Kraft und Macht des Glaubens: „Tanta est enim fidei virtus tantaque potestas“; vgl. auch I 36,10: „Triumphet licet quibus vult virtutibus fides“. Auch in II 3,14 ist virtus aus dem Folgenden als Kraft, die sich aus dem Glauben ergibt, zu erschließen. Im Sinne von Anstrengung ist die Aufforderung in I 36,4 zu verstehen: „Amplectanda est igitur [fides], fratres, tenaciter nobis et omni genere custodienda virtutum“; ähnlich auch das Schriftzitat Mt 22,37 in I 36,17: „Diliges dominum deum tuum ex toto corde tuo et ex tota anima tua et ex tota virtute tua “. Schließlich ist in II 1,4 die Rede vom Nachdruck, mit der die vera iustitia verfolgt werden soll: „virtutibus magnisque laboribus quaereretur“. Als Kraft im Sinne von Fähigkeiten, (Leistungs-)Vermögen begegnet virtus im Plural in Verbindung mit loquacitas in II 3,6; auch dort stehen virtutes bezeichnenderweise in Verbindung mit dem Verb laborare; zum Zusammenhang von labor und virtutes in patristischer Literatur schreibt D. LAU, Der lateinische Begriff Labor, MUS 14, München 1975, 44, unter Bezug auf Laktanz und Ambrosius: „Auch von den christlichen Autoren wird im Anschluß an die stoische Lehre die Auffassung vertreten, daß labor von grundlegender Bedeutung für die Verwirklichung von virtus ist.“ Die Verwendung von virtutes in II 1,4 missdeutet D. LAU, Labor, ebd., jedoch als „Tugendübungen“; genau das sind virtutes, wie sich zeigen wird, in den Traktaten aber nicht, dafür steht zenonisch artes oder mores; s. u. 556–559. Hier ist virtutes als Ergänzung von labor mit „(geistige) Anstrengung“ zu übersetzen. 177 Dies gilt insbesondere für die Aussage in I 9 und II 16 „ereptus es inde, [Iudaee,] non tua evasisti virtute“; hier ist kaum zu entscheiden, ob Zeno den Juden vor Augen hält, dass sie sich nicht aus eigener physischer Kraft oder aus eigener moralischer Anstrengung aus Ägypten befreien konnten. Eine solche scheinbar gewollte Uneindeutigkeit gilt natürlich auch schon für einen Teil der in den beiden Anmerkungen zuvor angeführten Stellen. 178 S. 1 Cor 15,43b in I 2,22: „seminatur in infirmitatem, resurgit in virtutem“; auch II 12,4: „probans infirmitatibus carnem et virtutibus maiestatem“. 179 S. I 7,3: „Solus deus … virtute regit“; I 7,4: „una virtus“; I 37,2: „unam … virtutem … patris et filii contestans“; II 5,10: „una virtus“; II 9,4: „ineffabilis eius [sc. dei nostri] illa sapientiae ac virtutis potestas“.

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macht (nach außen, in die Welt hinein) ausgedehnt hatte, 180 wird sie, nun von den Menschen in Form von Wundern (virtutes) 181 wahrnehmbar, besonders durch Christus,182 aber auch durch den Heilgen Geist 183 repräsentiert. Man fühlt sich bei dieser Beschreibung des christlichen Gottesbildes durchaus erinnert an die stoische Vorstellung von virtus als Zustand, aus der die konkreten virtutes als Äußerungen derselben hervorgehen. Gott Vater, Sohn und Geist sind damit „Tugend im Vollsinn“. 184 In Explikation dieser Zusammenhänge greift Zeno nebenbei auch auf die Etymologie des Terminus zurück und stellt eine Verbindung mit Maskulinität her: Christus ist deshalb das in Ex 12,5 geforderte männliche Opferlamm, weil er die dei virtus (Mannhaftigkeit) ist.185

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S. I 56,1: „Principium, fratres, dominus noster incunctanter est Christus, quem ante omnia saecula pater adhuc utrumque in semet ipso deus beatae perpetuitatis indiscreta spiritus plenitudine nescio qua sua conscientia … amplectebatur. Sed excogitatarum ut ordinem instrueret rerum, ineffabilis illa virtus incomprehensibilisque sapientia e regione cordis eructuat verbum, omnipotentia se propagat.“ Das Verb eructuare ist an dieser Stelle intransitiv – anders als in VETUS LATINA Ps 44,2 (Database): „Eructavit cor meum verbum bonum“. Dafür spricht die Identifikation des Sohnes mit virtus und sapientia Gottes. 181 So übersetzen nahezu übereinstimmend P. LEIPELT, Traktate, 234 („Wunderkräfte“) und A. B IGELMAIR, Traktate, 225 („Wundertaten“) virtutes in II 12,4: „Hic et homo et deus, qui inter patrem hominesque adstitit medius, probans infirmitatibus carnem et virtutibus maiestatem.“ Italienisches „virtú“ (sic) bei G. B ANTERLE, Discorsi, 285, lässt im Übrigen eine solche Deutung ebenfalls zu. – Ähnlich der Artikulation der virtus Gottes in Wundern interpretieren nach Zeno die Juden das „Sakrament“ der Beschneidung als ,außerordentliche Manifestation‘ (virtus) einer himmlischen, das heißt ja wohl von Gott eingesetzten, Verpflichtung (caeleste sacramentum ); s. I 3,1: „Solet enim magnis cum vociferationibus saepe iactare [Iudaeus] hanc [sc. circumcisionem] esse gentis suae nobilitatem, hanc caelestis sacramenti virtutem, hanc aeternae vitae legitimam genitricem, hanc perpetuam futuri regni consortem, sine qua nemo possit omnino ad dei notitiam pervenire.“ Diese Eigenschaften schreibt Zeno im Übrigen stattdessen der christlichen Taufe als secunda circumcisio zu; s. I 3 passim, 182 S. I 8,2: „[Christus] dei est virtus“; I 46A,2: „[agnus] perfectus, quia dei virtus deique sapientia est“; I 50: „filius … dei virtus deique sapientia“; II 9,4: „Deus noster, fratres, humilis corde est et ineffabilis eius [sc. dei nostri] illa sapientiae ac virtutis potestas intra hominem susceptum iacet“. 183 In Deutung von Hab 3,3 in I 61,3: „Texit caelos virtus eius, eo quod apostolos ad mirabilia facienda spiritus sanctus obumbravit et texit.“ Man beachte die Verbindung von virtus und mirabilia . 184 Vgl. C. HORN, Augustinus, 177: „Der virtus-Begriff ist Bestandteil jener neuplatonisch geprägten Geistmetaphysik, die Augustinus zur Deutung der göttlichen VaterSohn-Relation verwendet; Christus, als Gottes verbum, veritas und sapientia, ist für den Kirchenvater zugleich die Tugend im Vollsinn.“ 185 I 8,2: „Hic [sc. Christus] est agnus, … masculus, quia dei est virtus“.

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Über diese Bedeutung von (maskuliner) Kraft hinaus begegnet der Terminus virtus im Singular (wie im Plural 186) in den zenonischen Traktaten überwiegend in ethischem Kontext. Dabei kann Zeno sich darauf berufen, dass virtus in diesem Bereich in der Gesellschaft als ein Wert allgemein anerkannt ist,187 der in seiner säkularen Form als Ehrenhaftigkeit begegnet, aber vor Korruptibilität nicht geschützt ist.188 Solche Korruptibilität wird verursacht durch voluptates,189 deren Widerpart im zenonischen Konzept eine ausdrücklich als solche titulierte Christiana virtus ist; sie besiegt die voluptates durch Unterdrückung natürlicher Triebe,190 aber auch durch Überwindung gesellschaftlicher Gepflogenheiten. 191 Als solche bezeichnet

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Dazu s. u. S. 552–562. Wenn sich diese Aussage in I 1,1 auch in erster Linie auf die pudicitia bezieht, so ist es aber gerade ihre Verknüpfung mit virtus, die eben die allgemeine Verehrung dieser spezifischen Tugend bewirkt: „[Pudicitia] est etenim tantae virtutis, ut sit honorabilis etiam hostibus suis.“ Das scheinbare Paradoxon ,Verehrung durch ihre Feinde‘ löst sich im Folgenden auf, wenn Zeno deutlich macht, dass er unter vera pudicitia eine christliche Tugend versteht und ihre Feinde mithin Nicht-Christen sind. Deren Einschätzung der pudicitia als verehrungswürdig dürfte auf eine kultische Verehrung der personifizierten Pudicitia im heidnischen Kult abheben; s. A. B IGELMAIR, Traktate, 91, Anm. 1. Zeno selbst ausdrücklich in I 1,3: „Si ergo exsultat gloria eius [sc. pudicitiae] saepe in gentibus (quamvis illic fructuosa vel vera esse non possit, quia sub inpudico praedone versatur), quanto magis debet esse gloriosior in populo Christiano … ?“ 188 Die Verknüpfung von sapientia und virtus in II 1,8 kann nur in den weltlichsäkularen Bereich zielen, da sie als der avaritia subiugata gekennzeichnet werden: „[Avaritia] invincibile profecto calamitatis est genus, cui subiugata sapientia servit et virtus.“ Abgehoben wird hier offensichtlich auf die Korruptibilität sowohl intellektueller Fähigkeiten als auch gesellschaftlichen Verhaltens. In christlichem Kontext behält Zeno insbesondere die Verknüpfung von sapientia und virtus Christus vor. 189 Insbesondere die avaritia und cupido leben nach I 5,16 und I 36,27 voluptates aus. Das Heidentum ist nach I 33,2 durch solche mundanae voluptates gefesselt; auch das Judentum, so I 10B,2, wurde durch Verbreitung an voluptuosa loca pervertiert; vgl. auch I 9: „In Aegypto servisti diu, non sorte peregrini, sed merito. Ereptus es inde, non tua evasisti virtute.“ Auch in der christlichen Gemeinde gibt es schließlich Personen, ambigui Christiani, die nicht gegen mundana voluptas gefeit sind, s. I 35,5: „Multos namque dei metus in ecclesia continet, sed tamen eos mundana voluptas ad se trahit.“ 190 S. II 7,1. (De continentia): „Si cui forte asperum videtur ac durum, quod fiducialiter loquimur, fratres, rerum paene contra naturam, iamiamque desinat permoveri, intellegens Christianae virtutis hanc esse maximam gloriam, ipsam calcare naturam“; vgl. II 1,14: „dei praecepta custodiens, huius modi officiis saeculares obterens voluptates“; II 4,13: „genus humanum magis voluptati quam virtuti consentit“. Diese Triebe eignen dem ,Fleisch‘, s. II 4,10: „[caro] universis voluptatibus saepta“; II 4,16: „[caro] domina voluptatum“. Erst mit dem Alter sterben sie gewissermaßen von selbst ab, wie das Beispiel der Sara in I 59,4 zeigt: „in Sarra attractis aetate nervis … nec ullus in membris voluptati motus“. 191 II 7,1: „quod uno desiderio omnes excolunt populi“; gemeint ist hier die Ehe. 187

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sie also eine Art innere Kraft, der als christiana virtus etwas spezifisch Christliches eignen muss. Der bloße Terminus virtus bezeichnet in den zenonischen Traktaten in der Tat in einzelnen Fällen auch eine positive Eigenschaft (die nicht gleichbedeutend einer Tugend sein muss, aber sein kann), meint darüber hinaus aber ein Spezifikum, das zugleich den besonderen Wert einer Sache oder Person ausmacht. Diese Spezifizierungen sind nicht auf den christlichen Bereich beschränkt. So spricht Zeno von den antiquorum virtutes, von den Leistungen der Großen des Altertums, die sie eben als ‚Größen‘ erscheinen lassen. 192 Zeno spricht ähnlich auch davon, dass die spezifischen Eigenschaften (virtutes) der Hoffnung und daraus resultierend dann eben auch ihre Stärken und ihr Wert – all das kann virtus ja auch bezeichnen – darin bestehen, dass sie die Zukunft gewissermaßen vorwegnimmt.193 Ganz ähnlich bezeichnet Zeno dann auch die spezifische Eigenschaft der christlichen Witwen, nämlich ja wohl ihre sich im Verzicht auf eine zweite Ehe äußernde Enthaltsamkeit, ohne diese eigens zu benennen, als virtus.194 Solche positiven Spezifika (virtutes) können christlich dann auch als charismata bezeichnet werden,195 192 I 36,14: „Huius [sc. caritatis] est munus, quod antiquorum aut virtutes ex libris aut ex virtutibus libros agnoscimus.“ Die antiqui sind von den maiores andernorts in den Traktatus zu unterscheiden. Während maiores zenonisch die eigenen (physischen oder geistigen) Vorfahren meint, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 770, bezeichnet antiqui allgemein „die Alten, Altvordern, die Leute der Vorzeit, die Schriftsteller-, Staatsmänner-, Ärzte der Vorzeit (Ggstz. recentiores)“, so K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 476, also nicht unbedingt Menschen, zu denen man persönlich in einer Beziehung steht. Der Satz ist insgesamt, wie der Terminus virtutes für sich genommen, äquivok, meint aber wohl Folgendes: „Es ist ein Geschenk (der Liebe), dass wir sowohl die (jeweils spezifischen) Leistungen der Großen des Altertums (und ihre daraus resultierenden Verdienste für die Menschheit) wegen ihrer Bücher kennen (und anerkennen?) als auch ihre Bücher wegen ihrer ( jeweils spezifischen) Leistungen (und Verdienste)“. 193 S. I 36,5: „nec spes timet, ne non veniant [futura], quia ea semper secum suis in virtutibus portat.“ 194 S. II 6,10: „Exsultate, viduae: quadratura vestrae virtutis angularis lapidis coniugio cohaeretis.“ Im Kontext der Allegorese der christlichen Gemeinde als templum dei dürfte der Satz unter Berücksichtung der Mehrdeutigkeit der Terminologie (in der Übersetzung in Klammern ergänzt) wohl folgendermaßen zu verstehen sein: „Freut euch, ihr Witwen: durch eure Bemühung um (abschließende) Vervollkommnung / Vollendung eurer spezifischen positiven Eigenschaft (virtus) (nämlich der Enthaltsamkeit in Verzicht auf eine zweite Ehe) (werdet ihr zu vollkommen behauenen, ebenmäßigen Steinen – quadratura – und) seid ihr (dadurch) dem Eckstein (Christus) in (Art) einer (ehelichen) Verbindung (als Ersatz für eine reale zweite Ehe) (wie in einem Mauerverbund – coniugium) unmittelbar angeschlossen.“ 195 S. II 6,11: „Haec sunt, dilectissimi fratres, charismata vestra , hae virtutes, quibus Hierusalem spiritalis instruitur, quibus sacrae orationis iste locus novus et populus cotidie Christi dei et domini nostri providentia comparatur“; auchI 13,10 über das Halsband (monile) der Tamar (das Zeno offensichtlich in seiner Bibelfassung statt armilla in VULGATA Gn 38,8 (Weber / Gryson) vorfindet; s. VETUS LATINA Gn 38,18 (Database 8 / 8); vgl. auch ebd., 3 / 8 zu Ambrosius): „Monile, fratres dilectissimi, lex est, quae salutaribus monitis diversis virtutibus diversoque charismate omnium credentium

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denen nicht so sehr ein allgemein anerkannter Wert beigemessen wird (wie der virtus), sondern eben ein spezifisch christlicher,196 da sie ‚gut paulinisch‘ Gnadengabe, Geschenk Gottes sind,197 das dem Christen in je eigener Art198 – und das unterscheidet sie letztendlich von den Tugenden – in der Taufe zugeteilt wird. 199

Wenn also von einer christiana virtus gesprochen wird, darf man daher wohl unterstellen, dass damit auf das unterscheidend christliche Spezifikum im Bereich der Ethik abgehoben ist. Die Rede von der Überwindung der voluptates durch diese christiana virtus lässt deutlich stoische Anleihen erkennen. Damit wird virtus (im Singular) zum Oberbegriff im Sinne einer generellen ethischen Haltung, die sich aus dem Christsein an sich ergibt und aus der dann in der Folge virtutes (im Plural) im Sinne differenzierter Haltungen in konkreten ethischen Teilbereichen als Äußerung eben der einen christlichen virtus hervorgehen. Einzelne persönliche Charismen und auch die Befähigung zur Tugendhaftigkeit insgesamt, die zenonisch nur metaphorisch, etwa im Bild von der aetheria vestis, zu greifen ist, werden also in der Taufe als Voraussetzungen christlichen Lebenswandels geschenkt,200 christliche virtus im Sinne einer ethischen Grundhaltung und Voraussetzung konkreter Tugenden (virtutes) muss jedoch nach der Taufe vom Christen unter Aufbietung einon colla , sed corda decorare consuevit“; und über die Täuflinge in I 33,2: „diverso charismate, sed una nativitate ecclesiae flores clarissimi ac dulces nostri … infantes“; auch II 13: „flores diverso charismate“; der Singular charisma erklärt sich dadurch, dass jeder Christ ein je eigenes Charisma erhält. – Terminologisch folgt Zeno hier offensichtlich Tertullian, der den paulinischen Begriff in aller Regel unübersetzt übernimmt, „während er später zurücktritt, ohne ganz zu verschwinden“, so H. DÖRRIE U. A., Art. Gnade, RAC XI, 1981, 313–446, hier: 388; zum singulären paulinischen Sprachgebrauch s. ebd., 316. 196 Etwa hinsichtlich des Ausstattung des Hierusalem spiritalis, s. II 6,11 in Anm. 195, S. 544. 197 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1110; E. P ERTSCH, Schulwörterbuch, 187. Zeno formuliert die Urheberschaft Gottes in II 6,11 durch „Christi dei et domini nostri providentia comparatur.“ Im Sinne von ,gottgegeben, von Gott herrührend‘ ist wohl auch das Adjektiv divinus in der Verbindung divinae virtutes in I 4,22 und I 36,17 zu verstehen, zugleich umfasst es aber wohl auch den Aspekt ,sich auf ihn beziehend‘; s. u. S. 556, Anm. 276. 198 Vgl. 1 Cor 12,4–11. 199 II 13: „Hodie eos [sc. competentes] etiam ver arridens diversos in flores diverso charismate redditurum, cum salubri unda perfusi, limpidae aestatis messe gaudentes panem novum coeperint manducare“; indirekt auch I 42,2: „Vetus quidem videtur domicilium, sed novus inquilinus … nativitatis suae nobilitatem incredulis variis virtutibus probaturus.“ Die Taufe schenkt offensichtlich die Befähigung. 200 Vgl. A. B IGELMAIR, Traktate, 291, der aetheria vestis in I 23 mit „himmlische[s] Kleide (der Gnade)“ übersetzt. Nur auf diesem Hintergrund kann Zeno dann auch von ,von Gott herrührenden Tugenden‘ (divinae virtutes) sprechen, s. I 4,22; I 36,17.

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genen Engagements (somni torpore discusso) erlernt werden: „Evigila, Christiane, omnique saecularis somni torpore discusso, apertis auribus cordis a pueris disce virtutem.“ 201. Damit bewegt sich Zeno ganz im Rahmen voraugustinischer Gnadenlehre, die (mit latenter Tendenz zum Synergismus – einem solchen beugt Zeno durch das Adjektiv divinus bezogen auf virtutes vor 202–) den ethischen Appell, im Leben der von Gott geschenkten Gnade zu entsprechen, seit den apostolischen Vätern stark in den Vordergrund stellt.203 In universaler, heilsgeschichtlicher Perspektive, die v. a. für die griechischen Väter charakteristisch ist, verbindet sich damit allerdings unter platonischem Einfluss die Vorstellung, dass Gott den Menschen „in einem erzieher[ischen] Heilsprozeß zu seinem v[on] der Schöpfung her bestimmten Ziel der Teilhabe am göttlichen Leben“ im Sinne einer Vergöttlichung führt,204 auch das wird sich zenonisch als Ziel von Bildungserwerb erweisen. Im Osten bleiben auf diesem Hintergrund auch in späterer Zeit „äquivalente Theoreme“ wie „Wiedergeburt“ und „Vergottung“ in Gebrauch. 205 Im Westen steht stärker die Frage nach der Bedeutung der Gnade für den einzelnen Menschen und damit – auch schon voraugustinisch – die Frage nach der persönlichen Freiheit im Vordergrund. Gnade wird daher hier verstanden als Gabe, die den Menschen im doppelten Sinn befreit: von der Sünde und zugleich zur Möglichkeit der „Vollendung seiner selbst“. 206 Terminus technicus für diese Vorstellung von Gnade wird im lateinischen Westen erst nachaugustinisch der Begriff gratia,207 vorher stehen der Terminus und seine griechischen Äquivalente ÷Üñéò und ÷Üñéóìá „nicht im Zentrum der theologischen Reflexion oder der kirchlichen Theologie“.208 Elemente östlichen wie westlichen Verständnisses lassen sich in den zenonischen Traktaten finden, aber eben ohne dass Zeno die mit solcher Gnadentheologie verbundenen Fragen unter dem Begriff gratia behandelt,209 was in der Zeno kommentierenden und übersetzenden Literatur bisher völlig vernachlässigt bzw. verkannt wurde. Stattdessen findet man einige Male, insbesondere auch in Tauftraktaten,210 den Terminus indulgentia,211 der eine ähnliche Bedeutung wie gratia im Sinne von ‚Gnade‘ haben kann, 212 aber 201

II 27. Zu divinus s. o. S. 227, Anm. 19, und K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2252. Gleichzeitig dürfte in divinae virtutes wohl neben der Gott-Verdanktheit auch der Aspekt der Gott-Bezogenheit mitklingen. Das Adjektiv verstärkt so die Umfänglichkeit des Begriffes. 203 S. G. GRESHAKE / E.-M. FABER, Art. Gnade V. Theologie- und dogmengeschichtlich, LThK3 IV, 1995, 772–779, hier: 772f. 204 Ebd. 205 S. W.-D. HAUSCHILD, Art. Gnade IV. Dogmengeschichtlich, TRE XIII, 1984, 476–495, hier: 476. Vgl. auch B. STUDER, Art. Grazia, DPAC II, 1983, 1678–1688, hier: 1679. 206 G. GRESHAKE / E.-M. FABER, Gnade, 773. S. auch B. STUDER, Grazia, 1685. 207 S. B. STUDER, Grazia, 1678. 208 H. DÖRRIE U. A., Gnade, 386. 209 Vgl. ebd.: „es besteht … die Schwierigkeit, daß ,die G[naden]lehre‘ eines Autors keineswegs mit seinem Gebrauch von ÷Üñéò oder gratia zu fassen ist, andererseits diese Wortgruppe Inhalte berührt, die mit ,der G[naden]lehre‘ wenig zu tun haben.“ 210 I 42,1 (2x); II 10,2; II 24,2; II 29,1. 211 Außerdem in I 3,5; I 35,9; I 43,7. 202

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gerade in den Tauftraktaten aufgrund der Verknüpfung mit Begriffen aus dem Prozesswesen (reatus, poena, venia, excusare, bene / optime audiri) 213 inhaltlich in Richtung ‚Straferlass‘ oder ‚Nachsicht‘ angesichts der Abwendung vom früheren Leben in der Taufe deutet. Auch hinter dieser Rede steckt natürlich die Vorstellung von Gnade, indulgentia muss aber nicht unumgänglich so übersetzt werden; im Kontext des beschriebenen Wortfeldes scheint es dienlicher, eben das Wortfeld nicht zu durchbrechen; verwendet man hier den Begriff ‚Gnade‘, bekommt der eine andere als die gebräuchliche religiöse Klangfarbe. Der Befund zur Verwendung des Terminus gratia gilt im Übrigen für die zenonischen Tauftrakte wie für das gesamte übrige Corpus. Wenn Zeno etwa in I 3,23 davon spricht, dass sich die secunda circumcisio, also die christliche Taufe, anders als die jüdische Beschneidung nicht am Blut, sondern an der gratia freut, dann wird hier auf den Gegensatz Schmerz – Annehmlichkeit abgehoben, denn genau Letzteres ist die Grundbedeutung von gratia.214 Und so verknüpft Zeno auch in I 22,2 die Annehmlichkeit der Taufe (baptismatis gratia) mit der Annehmlichkeit des taubenetzten Ofens der Drei Jünglinge (inrorati camini gratia).215 Schließlich wird in I 33,1 mit der Ergötzlichkeit des Weines (vini iucunditas) die Annehmlichkeit des Brotes (gratia panis) verbunden; hier wird auf metaphorischer Ebene konsequent das Bild der ‚Ernährung‘ des Christen, die mit dem Reichen von Milch nach der Taufe ihren Anfang nimmt, fortgeführt. Gratia im Sinne von Wohlgefälligkeit 216 spricht Zeno an, wenn er in I 44,1 und I 57 von der multiformis gratia des Ostertages spricht; gerade die Einbeziehung von forma deutet in diese Richtung, so dass diese Charakterisierung des Ostertages wohl ‚jedes Jahr neu (und anders), aber immer gleich schön‘ meint. 217 Ähnlich meint gratia in II 8,4 das ‚wohlgefällige Wesen‘ der Wahrheit.218 Zeno kennt durchaus auch eine differenziertere Bedeutungsebene von gratia als einem ‚freundschaftlichem Verhältnis‘ oder auch einem ‚angenehmen Dienst‘;219 etwa wenn er in I 6 von den Priestern, Diakonen, Gläubigen, Sündern, Katechumenen und Kompetenten sagt, dass sie sich in einer Christi corporis gratia zusammengesellt haben. Ähnlich dürfte gratia in I 7,4 auch das Verhältnis zweier über eine Meerenge miteinander verbundener Meere als Bild für das Verhältnis von Gott Vater und Sohn und in I 61,5 die Freundschaft Gottes als Reaktion auf die ihm von den Juden entgegengebrachte Liebe (die sich in Strafe als Reaktion auf Miss212

Etwa in I 3,5: „Quid, quod cum praeputio Ninevitarum populus dei est indulgentia liberatus?“; I 43,7 von Abraham und Isaak: „Ecce et meritum principale divinam indulgentiam meruisse sub casibus“; A. B IGELMAIR, Traktate, 159.229, übersetzt in beiden Fällen mit „Barmherzigkeit“. An letzt genannter Stelle ist sub casibus aber wohl nicht mit A. B IGELMAIR, Traktate, 229, als „unter dem Druck schwieriger Verhältnisse“ zu übersetzen; gemeint ist vielmehr „in Fällen, in denen der Tod eintreten kann“; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1025. 213 I 42,1; II 10,2; II 24,2; auch I 35,9. 214 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2964. 215 Vgl. II 27: „In caminum missi ut submersi sunt flammis, statim sibilo roris incendia temperantur.“ 216 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2964. 217 Vgl. I 4,6 gratia im Sinne von ,schönes Aussehen‘ der Wiesen, Ährenfelder, Reben und Olivenbäume in den verschiedenen Jahreszeiten. 218 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2964. 219 Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2964.2966. Auch H. DÖRRIE U. A., Gnade, 315: „÷Üñéò bezeichnet durchweg ein Verhältnis, das auf Gegenseitigkeit (d. h. aber nicht: auf Gleichrangigkeit) begründet ist.“

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achtung wandelt) bezeichnen. Selbst die Zitation von Rm 6,15 in II 3,2: „non sub lege, sed sub gratia sumus“ kann auf dieser Ebene verstanden werden – „nicht in einem gesetzlich geregelten Untertanenverhältnis, sondern in einem freundschaftlichen Verhältnis befinden wir uns“, denn: „quae [sc. gratia] nos diligere deum ac soli illi servire … non argumento, non necessitate, sed voluntate compellit“. All dies setzt natürlich ein gnadenhaftes Sich-Herabneigen Gottes voraus, als Bedeutung haftet dies zenonisch aber (noch) nicht dem Terminus gratia ausdrücklich und exklusiv an.220 Daneben begegnet gratia selbstredend auch zenonisch in der gebräuchlichen Bedeutung von ‚Dank, Dankbarkeit‘.221 In diesem Kontext dürfte I 49: „aeternique gurgitis alveo genitali condentes ullam pro personis operari ne aestimetis hic gratiam“ nicht mit Bigelmair zu übersetzen sein: „Und denket nicht, daß diejenigen, die euch tauchen in den gebährenden Schoß ewigen Wassers, dabei irgendeine Gnade bewirken nach dem Ansehen der Person“, 222 sondern gemeint ist wohl: „und eintauchend in das gebärende Becken ewigtiefen (unsterblichen) Wassers meint nicht, dass hierbei irgendeine dankbare Gefälligkeit gegenüber (anderen) Personen (von euch) geübt wird.“ Antithetisch wird gratia iudicium direkt gegenübergestellt: „Iudicio vestro nascimini“ – „(allein) durch eure Entscheidung werdet ihr geboren“. Hier klingt der oben für die westliche Gnadenlehre angesprochene Konflikt zwischen Gnade und Freiheit an, ohne dass der Terminus gratia jedoch im Sinne von Gnade eingeschränkt zu verstehen ist. Gnade wird von Zeno nicht in einen eindeutigen Terminus gefasst, sie schwingt in den Traktaten vielfältig, auch in der metaphorischen Rede (etwa von der Wiedergeburt oder dem himmlischen Gewand) 223 mit und hat als solch latent vorhandene Vorstellung durchaus auch Bedeutung für das Verständnis von virtus. In seiner Konzeption von Gnade folgt Zeno Tertullian, nach dessen Gnadenlehre der Heilige Geist mit der Taufe in den Menschen einzieht, worin sich eben gratia – von ihm allerdings auch unter diese Terminologie gefasst – erweist. Im Leben des Christen wirkt die Gnade durch den Geist, für den auch vis 224 oder virtus (!) stehen kann;225 der Begriff gratia wird jedoch nicht mit dieser Kraft oder dem Geist identifiziert. Virtus zeichnet sich nach Tertullian dadurch aus, dass sie stärker ist als die Natur, also das zustande bringt, was diese nicht von sich aus kann. Deutlich unterscheidet Tertullian auch zwischen gratia und einer menschlichen virtus, d. h. zwischen dem, was dem Menschen gnadenhaft zufällt, und dem, was er durch Anstrengung erlangt. 226 220

Denn negativ kann Zeno in I 14,1 dagegen auch von einem ,freundschaftlichen Verhältnis‘ (gratia) (bestechlicher) Richter zur avaritia sprechen. 221 S. I 14,8; I 35,6; I 37,15; I 61,5; II 1,13; II 6,11; II 24,1. 222 A. B IGELMAIR, Traktate, 288. 223 In II 27 spricht Zeno auch Mt 3,11 zitierend von heiligem Geist und Feuer: „baptizat spiritu sancto et igni“. 224 Vgl. I 22,1: vis certaminis der Drei Jünglinge. Meist steht vis im Singular wie Plural zenonisch doch eher für negative Kraft; vgl. B. LÖFSTEDT / D. W. P ACKARD, Concordance, 394f. 225 S. etwa T ERT. orat. 29,1 (CChr.SL 1,27410 Diercks): „[oratio christiana] virtute ampliat gratiam“; ders., anim. 35,6 (CChr.SL 2,838,61f. Waszink): „spiritus vero et virtus extrinsecus conferuntur ex dei gratia“; vgl. auch ebd., 41,4 (CChr.SL 2,844,21f. Waszink): „ad fidem pervenit reformata [anima] per secundam nativitatem ex aqua et superna virtute“. 226 S. H. DÖRRIE U. A., Gnade, 390; dort auch zahlreiche weitere Belege für das Referierte.

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Beides, das deutete sich bereits an, kennt auch Zeno: Den (gnadenhaften) caelestia dona der Taufe 227 hat nach seiner Auffassung eigenes Bemühen zu folgen, das terminologisch eben zu greifen ist in der Formulierung discere virtutem.228 Gelernt wird virtus bezeichnenderweise über die Ohren (apertis auribus cordis);229 damit dürfte noch einmal verknüpfend sowohl auf die in der Taufe geschenkte innere (cordis) Empfänglichkeit abgehoben werden als auch auf die sich anschließende persönliche Bemühung, apertus ist hier wohl gleichzeitig als (resultatives) Partizip wie auch als (duratives) Adjektiv zu verstehen: „nachdem die Ohren deines Inneren geöffnet wurden und jetzt offen sind“.230 Zugleich wird aber auf das Instrumentarium angespielt, das der Lehrende dem Lernenden anbietet: Auch virtus wird (wie schon religiöses Sachwissen) aus der Schrift und von Exempla gelernt – a pueris disce virtutem; deren Präsentation in Lesung und Predigt ermöglichen dem Lehrenden die Vermittlung einer Kenntnis bzw. dem Lernenden den Erwerb eines Wissens von christlicher virtus als Grundhaltung, wie auch die Schrift durch heilbringende Ermahnung zur Umsetzung (dieser Haltung) in verschiedenen konkreten Tugenden und dem jeweiligen Charisma der Angesprochenen auffordert. 231. Dabei ist weniger die Anzahl der konkreten Tugenden von Bedeutung als deren konsequentes Durchhalten.232

227

I 32. Vgl. B. STUDER, Grazia, 1679, der u. a. den Terminus donum als äquivalenten voraugustinischen Ausdruck für gratia anführt; auch H. DÖRRIE U. A., Gnade, 388: „÷Üñéò [wird] fast immer mit gratia, selten mit donum übersetzt.“ 228 II 27: „Evigila , Christiane, omnique saecularis somni torpore discusso, apertis auribus cordis a pueris disce virtutem.“ 229 Ebd. 230 Wenn irgendwo in den Traktaten Zenos auf den Effata-Ritus im Kontext der Taufliturgie angespielt sein sollte, dann doch wohl am ehesten hier in II 27 (statt in II 11,5: „ruptis oculis, id est spiritaliter patefactis“, wie von G. P. J EANES, Easter, 173f., mit der Begründung „There is no other suggestion of such a rite anywhere in Zeno“ vorgeschlagen. G. P. J EANES, ebd., schränkt jedoch ein: „It is most probably therefore that he is not describing such a rite but means just what he says“). Auch II 27: „apertis auribus cordis“ ist in dieser Frage mit Vorsicht zu behandeln, da Zeno die metaphorische Ebene an keiner Stelle verlässt. Eine vom Prediger mitgedachte Anspielung ist natürlich vorstellbar, aber in keiner Weise nachweisbar. 231 I 13,10 in Deutung des Halsbandes (monile) der Tamar (das Zeno offensichtlich in seiner Bibelfassung statt armilla in VULGATA Gn 38,8 (Weber / Gryson) vorfindet; s. VETUS LATINA Gn 38,18 (Database 8 / 8); vgl. auch ebd., Bildnummer 3 / 8 zu Ambrosius): „Monile, fratres dilectissimi, lex est, quae salutaribus monitis diversis virtutibus diversoque charismate omnium credentium non colla , sed corda decorare consuevit.“ 232 I 4,20: „Scio enim, quia … neque tantam in multiplicandis virtutibus laudem ponis [, patientia], quantam in finiendis.“

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Gerade im Exemplum der Drei Jünglinge des Danielbuches tritt die christiana virtus in ihrer ganzen umfänglichen Bedeutung entgegen. 233 Zu der Aufforderung in II 27, virtus (im Singular) von den Drei Jünglingen zu lernen, sind bei der Betrachtung hinzuzunehmen die Traktate I 48, I 53 und II 15, die ebenfalls auf die virtus der Drei Jünglinge rekurrieren, sowie weitere Traktate zu den Drei Jünglingen ohne explizite Verwendung des Terminus virtus. Aus ihnen lässt sich folgende Bedeutungsbreite von virtus herausarbeiten: Von der virtus der Drei Jünglinge wird mehrfach gesagt, dass sie eine einzige (una) sei,234 was angesichts des Vorbildcharakters auch so zu verstehen sein dürfte, dass sie (anders als ein Charisma) insofern umfassend ist, als sie allen dreien gleichermaßen eignet, also eine für alle mögliche Grundhaltung ist. Auch diese virtus setzt jedoch auf der physischen Ebene an, sie ist eine Kraft,235 die (in physischer und geistiger) Anstrengung aktiviert wird,236 als solche die Natur überwindet bzw. unterdrückt 237 und damit denjenigen, der sie besitzt, schützt.238 Ihre ethische Relevanz, die eine Verbesserung der Verhältnisse zur Folge hat, 239 wird greifbar, insofern virtus sich angesichts der Versuchung in Gestalt diffe-

233 I 53,1: „Credulo percipe corde rem miram, Christiane, omnique virtutum exemplo famigerabilem. Hebraei vere tres pueri …“. Auf ihre Vorbildhaftigkeit deuten neben dem discere in II 27 auch die Formulierungen in II 15: „Sic quis non optet ardere?“ und in I 31: „eorum particeps optaverim fieri“. 234 I 48: „eos unius virtutis esse“; II 15: „pueri … tres numero, sed una virtute“; II 27: „In tribus … una virtus … exsultat.“ Vgl. aber den Plural in I 53,1: „omnique virtutum exemplo“. Mit Vorsicht ist die Konjektur „Hebraei vere tres pueri … aequalitate pares“ in I 53,1 zu betrachten; die Formulierung passt zwar ins Bild, wäre aber terminologisch für Zeno singulär. – Voraussetzung dieser Darstellung einer einzigen, umfassenden virtus ist u. a., dass die Drei Jünglinge auch als Typos der Trinität gedeutet werden, deren virtus in antiarianischer Argumentation ja ebenfalls als ein und dieselbe vorgestellt wurde. 235 I 53,1: „Hebraei vere tres pueri … iuvenum virtute fortiores“; vgl. auch das Hendiadyoin in I 31 (Tractatus Danielis): „tanta est enim fidei virtus tantaque potestas“; auch I 22,1: „[trium puerorum] tanta enim vis certaminis“; II 22: „tres Hebraei … fidei soliditate robusti“. 236 I 48: „delectabile certamen … ignis ac fidei“; auch I 11: „tres pueri in illo sacro certamine prae oculis deum sibi proposuere, non flammas, praemium futuri, non poenam.“ 237 I 48: „tam potentis elementi subacta natura est“; auch I 31: „Tanta est enim fidei virtus tantaque potestas, ut cultoribus suis etiam ipsa elementa contra suam naturam famulari compellat.“ 238 Für die Drei Jünglinge ergibt sich das aus der Beschreibung dessen, was im Ofen geschieht. Für Susanna wird es in I 40,2 auch ausdrücklich formuliert: „protexerat virtus“. 239 II 27: „Melioratur vita supplicio“; auch I 48: „emicant beatiores incensi“.

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renzierbarer Tugenden, hier als Tapferkeit und Standhaftigkeit 240 auch gegenüber physischer Qual, konkretisiert.241 Nicht nur die Überwindung der Natur, sondern auch der sich als Folge ergebende Lohn 242 lassen virtus daher auch als wunderwirksame Kraft erscheinen. 243 Diese Bedeutungsfülle darf auch auf die virtus der Märtyrer insgesamt 244 übertragen werden, für die die Drei Jünglinge als Typos fungieren.245 Damit schließt sich wiederum der Kreis zur Aufforderung an die Neophyten, von den Drei Jünglingen die virtus zu lernen, denn auch Martyrium und Taufe werden von Zeno parallelisiert.246

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Vgl. W. EISENHUT, Virtus romana, 40, der die lange gültige, aber durch seine Untersuchung relativierte Position (K. Büchners) referiert, virtus habe im älteren Latein v. a. „standhaftes Aushalten, trotziges Sicheinstemmen, hartes Nichtschwanken“ bedeutet. Er räumt ebd. ein: „Das bedeutet virtus natürlich a u c h “. 241 I 53,1: „Hebraei vere tres pueri senum constantia maiores … statuam adorare contempserint“; II 15: „Barbarum regem fidei tenacitate confundunt“; II 22: „Tres Hebraei … fidei soliditate robusti … regis adore imaginem contempserunt“; auch I 31: „suam religionem custodiunt“. – Gleiches lässt sich auch für die virtus der Susanna in I 40,2 annehmen; in der Versuchung konkretisiert durch pudicitia bzw. castitas, weist virtus auf die dahinterstehende sittliche Haltung und Kraft. 242 I 11: „praemium futuri“; I 53,1: „Hebraei vere tres pueri … victoria gloriosi“; II 15: „Mors transit in vitam, metus in gloriam“; II 22: „O felix supplicium, quod … inmortalitas prosequitur et corona“; auch I 31: „gloria“; I 48: „beatiores“. Vgl. W. EISENHUT, „virtus“, 59; ders., Virtus Romana, 40, der das Zwölf-Tafel-Gesetz anführt, das den Kranz (corona) als Lohn für virtus kennt, der nach dem Tod des Trägers auch ins Grab beigelegt werden darf. 243 I 48: „Mirum … certamen … O admirabilis ratio!“; I 53,1: „percipe … rem miram“; I 53,2: „Mira res: …“. 244 I 36,4: „[fides] est enim … martyrum virtus“. 245 I 22,1: „Trium puerorum martyrium qui credit interritus, potest etiam ipse adipisci martyrium“; vgl. auch die Einleitung in I 11 (Tractatus Danielis): „Martyrii quodam modo pars est, fratres dilectissimi, martyrum non horruisse supplicium. ... Denique tres pueri“. 246 I 3,20: „de eius [sc. Christi] latere … per aquam et sanguinem, quod est baptismum atque martyrium, spiritale corpus spiritalis feminae [sc. ecclesiae] effunditur“. Die Allegorie der Enstehung der Kirche im Sakrament der Taufe aus der Seite Christi ist seit Tertullian Topos in der lateinischen Literatur; s. T ERT. anim. 43,10 (CChr.SL 2847,62–65 Waszink): „Si enim Adam de Christo figuram dabat, somnus Adae mors erat Christi dormituri in mortem, ut de iniuria perinde lateris eius vera mater viventium figuraretur ecclesia.“ Zur Weiterentwicklung des Topos insbesondere bei Augustinus s. neuerdings W. GEERLINGS, Die Kirche aus der Seitenwunde Christi bei Augustinus, in: Väter der Kirche. Ekklesiales Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit. FS H. J. Sieben, hg. v. J. Arnold, R. Berendt u. R. M. Stammberger, Paderborn u. a. 2004, 465– 481.

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c) virtutes und mores „Bekanntlich ist es eine Sache der lateinischen Grammatik, daß abstrakte Substantiva ebenso wie andere im Plural erscheinen können, ‚wenn sie … einzelne Arten, Fälle, Zustände, Äußerungen, Teile des abstrakten Begriffes … bezeichnen‘ … Regelrecht ist also virtutes ‚tapfere Taten‘; so in der gesamten lateinischen Literatur“.247 Auch Zeno unterscheidet inhaltlich zwischen dem Singular virtus als sich aus dem Christ-Sein ergebende umfassende sittliche Haltung und dem Plural virtutes, unter denen er zwar die Summe konkreter Tugenden, jedoch im Sinne von spezifischen Haltungen (nicht Taten) auf einzelnen ethischen Gebieten versteht. Unter die Terminologie (diversae / variae) virtutes 248 zählt er konkrete Tugenden wie spes, fides, iustitia, humilitas, castitas, probitas, concordia, caritas,249 observantia,250 sehr konkret auch Wohltätigkeit (in pauperes et egenos sua bona universa fundere),251 ohne dass sich darin selbstverständlich sein Repertoire an christlich geforderten Tugenden erschöpft. 252 Eine besondere Rolle gegenüber den einzelnen Tugenden kommt fast selbstverständlich dem paulinischen Gespann der theologalen Tugenden fides, spes und dilectio zu, denen als Dreigespann eigens ein Traktat gewidmet ist;253 danach ist fides zwar diejenige Tugend, die letztendlich ‚den 247

W. EISENHUT, „virtus“, 67; EISENHUT fährt ebd. fort: „nur nicht bei Tacitus. (Vielleicht muß man auch Sueton nennen, wäre nur das Material umfangreicher.) Virtutes bei Tacitus bedeutet also nie ,tapfere Taten‘, sondern entweder ,Fähigkeiten‘ oder ,gute Eigenschaften‘.“ 248 I 4,1;I 13,10; I 42,2; vgl. omnes virtutes in I 4,1; I 36,17; II 1,11; virtutes universae in I 36,2; omnis genus / omnia genera virtutum in I 36,4; II 2,4; omne virtutum exemplum in I 53,1; aliae virtutes in I 36,20. 249 In I 4,1 wird dieser Tugendkatalog abgeschlossen mit omnes artes omnesque virtutes, die sicherlich die Aufzählung noch einmal zusammenfassen sollen; vgl. den mit „ceterasque virtutes“ abgeschlossenen Tugendkatalog bei LACT. inst. 6,4,7 (CSEL 19,1,490,11–13 Brandt). Fides und spes werden auch in I 36,19f. noch einmal explizit als virtutes bezeichnet: „istae [sc. fides ac spes], sed et aliae quoque virtutes“. 250 Außerhalb eines Tugendkatalogs aber im Verbund mit castitas in II 7,18 (vom heidnischen Ehemann einer Christin als Gegenteil von Tugend eingeschätzt): „castitatis observantiaeque virtutem devocabit in crimen.“ Gemeint ist mit observantia wohl Beobachtung der christlichen ethischen Vorgabe castitas; damit entspricht sie aber eher mores als virtus. 251 II 29,3. Obwohl hier zuvor der Terminus virtutes fällt, scheint dies eher in den Bereich der mores zu gehören. 252 Vgl. weitere Kataloge ohne den ausdrücklichen terminologischen Zusammenhang etwa in I 37,15 und II 6,9, aber natürlich insgesamt auch ganze Traktate über einzelne Tugenden bzw. Laster, so I 1 (De pudicitia); I 4 (De patientia); I 5 und I 14 sowie I 21 (De avaritia); I 36 (De spe, fide et caritate); II 1 (De iustitia); II 2 De timore); II 3 (Tractatus fidei); II 7 (De continentia); II 9 (De humilitate). 253 I 36 (De spe, fide et caritate).

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Sieg davonträgt‘,254 spes aber ist notwendige Voraussetzung jeder Tugend,255 während dilectio gewissermaßen als Hilfestellung gebende ‚Anführerin‘ (magistra) 256 zugleich auch der Inbegriff (substantia) der Tugenden ist.257 Als solche verweist sie im Übrigen auch darauf, dass Tugenden innere Haltungen (noch nicht nach außen gerichtetes Tun) sind. 258 Die klassischen Kardinaltugenden tauchen als solche anders als bei anderen christlichen Autoren des 4. Jahrhunderts 259 in den Traktaten nicht auf, Zeno scheint sie jedoch zu ersetzen; dieser Eindruck entsteht, ohne dass er sich nachweislich belegen ließe, bei der Durchsicht der Traktate, die je eine Tugend in den Vordergrund stellen. Plausibel scheint es insbesondere zu sein, dass Zeno prudentia durch vera sapientia ersetzt,260 ohne

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I 36,10: „Triumphet licet quibus vult virtutibus fides“. I 36,2: „tolle spem: artes virtutesque universae cessabunt“. Spes, die auch im Tugendkatalog auftaucht, hat damit eine Doppelrolle ähnlich wie patientia. 256 Zu magistra vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 763: „Leiterin“; auch C. HORN, Augustinus, 184, zu Augustin: „ ,Liebe‘ ist ein strebenstheoretischer terminus technicus und bedeutet soviel wie ,Tendenz‘, ,Ausrichtung‘, ,Neigung‘. Die Tugenden garantieren demnach die dauerhafte Ausrichtung einer Person auf ein Gut. Dabei ist zu beachten, daß nur die Liebe zum höchsten Gut die gemeinte Klammerwirkung ergibt; die Tugenden stellen sich nur ein, wenn eine Person auf Gott ausgerichtet ist“. 257 I 36,17: „Unde manifestum est dilectionem virtutum omnium divinarum esse substantiam naturalemque magistram“. Vgl. C. HORN, Augustinus, 180, für Augustinus: „Augustinus bewahrt … die Lehre von der durch das Moment der Liebe bewirkten Einheit aller Tugenden“, und ebd., 184: „der Zusammenhang der Tugenden [resultiert] daraus, daß sie als Ausformungen der Liebe (amor, caritas, dilectio) aufgefaßt werden“; auch V. HAND, Augustin und das klassische römische Selbstverständnis. Eine Untersuchung über die Begriffe gloria, virtus, iustitia und res publica in De Civitate Dei, HPS 13, Hamburg 1970, 36–38. 258 I 36,17: „quoniam ex lege discitur, sed in mentibus nascitur.“ 259 C. J. CLASSEN, Plato’s virtues in Rome, in: ders., Aretai und Virtutes. Untersuchungen zu den Wertvorstellungen der Griechen und Römer, Berlin / New York 2010, 320–331, hier: 330f., nennt für den Westen Ambrosius, Hieromymus, Augustinus und Ammianus Marcellinus. Danach ist Ambrosius derjenige, der Begriff virtutes cardinales kreiert und sie schließlich auch als Modell nimmt für sein Werk De officiis ministrorum, obwohl es sich hier freilich um das klassische platonisch-stoische Gespann handelt, dass nicht den traditionellen römischen Tugend-Gruppen zugeordnet werden kann. 260 S. II 1,9.15; s. auch unten S. 570–573. Vgl. auch sapientia statt prudentia auch bei AMBR. off. 1,25,119 (CChr.SL 15,43,34–40 Testard): „Adverte hic omnes virtutes quattuor in uno facto. Fuit sapientiae Deo credere …; fuit iustitiae acceptum reddere; fuit fortitudinis appetitum ratione cohibere … Accedit at quarta virtus, temperantia: ...“. sapientia entspricht der óïößá der ,platonischen Kardinaltugenden‘, s. H. B OROK, „Prudentia“ oder „sapientia“? Ein Beitrag zur Rezeption der platonischen Kardinaltugend in die christliche Ethik, in: Ethik der Tugenden. Menschliche Grundhaltungen als unverzichtbarer Bestandteil moralischen Handelns. FS J. Piegsa, hg. v. C. Breuer, St. Ottilien 2000, 109–119, hier: 109f.114f. 255

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dass diese eigens als virtus bezeichnet würde,261 die aber doch als höchste Tugend gelten kann;262 sie taucht bezeichnenderweise neben der zweiten Kardinaltugend, iustitia, in Traktat II 1 (De iustitia) auf. Dort wird auch die klassische iustitia durch vera iustitia ersetzt.263 Vera sapientia und vera iustitia bedingen sich gegenseitig,264 der vera iustitia kommt zudem gegenüber anderen Tugenden eine besondere Rolle zu, sie ist „Quelle aller Tugenden“.265 Die klassische temperantia scheint Zeno christlich (wenigstens in Teilaspekten) durch patientia zu ersetzen, auch ihr ist ein eigener Traktat gewidmet,266 da auch sie von den Tugenden insgesamt eigens abzuheben ist als „Hafen aller Tugenden“.267 Schließlich bleibt die klassische fortitudo; auf sie passt am besten der zenonische Terminus virtus selbst, insofern er für eine Kraft steht, die sich etwa auch in der (tapferen) 261

Allerdings besteht eine Verbindung, wenn Zeno dei virtus deique sapientia in I 46A,2; I 50; I 56,1; II 9,4 gleichsetzt. 262 Vgl. II 6,9: „sapientia domus domina“. 263 II 1,9.11; s. auch I 1,13 und II 4,8. 264 II 1,9f.: „Videtisne iam manifeste sapientiam huius mundi non esse iustitiam et quidem nec veram sapientiam? … sive iusto sive sapienti si alterum defuerit ex duobus, … nec sapiens profecto erit ille nec iustus.“ Vgl. M. SPANNEUT, Tertullien, 133–137 und besonders 156, zusammenfassend zu Laktanz: „Lactance a toujours en tête le contenu religieux et révélé de la justice-sagesse.“ Trotz der auch im Folgenden zu beobachtenden Übernahme einzelner Elemente und ihrer Charakterisierung aus den Werken seiner Vorgänger Tertullian, Cyprian und Laktanz durch Zeno lässt sich für diese jedoch scheinbar keine vergleichbare Systematik aufzeigen; vgl. dazu M. SPANNEUT, Tertullien, passim und bes. 156, zu Laktanz: „on n’y découvre aucune classification systématique des vertus. Même les trois vertus théologales ne se trouvent pas une fois rassemblées. Aucun groupement non plus des vertus cardinales.“ 265 II 1,11: „Unde nunc ad veram iustitiam veniamus, omnium fontem matremque virtutum.“ Die Rolle der iustitia wie auch ihre Bezeichnung als fons virtutum übernimmt Zeno (leicht abgewandelt durch den Plural) von Laktanz; vgl. LACT. inst. 5,5,1 (CSEL 19,1,413,7f. Brandt): „quae [sc. iustitia] aut ipsa est summa virtus aut fons est ipse virtutis“. 266 I 4 (De patientia). Zur Bedeutung dieses Traktates im Kontext des zenonischen Konzepts von Ethik und Anthropologie s. P. ROUSSEAU, Homily, 145–161, hier: 158. Ergänzt wird der Ersatz von temperantia wohl in II 9 (De humilitate). 267 Diese ist nach I 4,1 Oberbegriff: „omnes [virtutes] … quasi quendam patientiae deferuntur in portum“, wenn auch spezifische Eigenschaft mit entsprechender ,Kraft‘ und entsprechendem ,Wert‘, s. I 4,12: „Nunc ad patientiae revertamur virtutem, quae maioribus nostris illustri virtute perennem gloriam peperit et salutem.“ – Ähnlich charakterisiert findet sich patientia bereits bei Tertullian, s. M. SPANNEUT, Tertullien, 36– 40 (mit ausführlichen Belegen), der sie ebd., 37, als „vertu capital“ bezeichnet, denn „En somme, la patience conditionne toutes les vertus“, ebd., 38. Gleiches gilt auch für patientia in den Werken Cyprians, s. ebd., 94–97.100–102 (Belege), s. bes. 96: „La patience conditionne beaucoup d’autres vertus“, und bei Laktanz, s. ebd., 158–160 (Belege), zusammenfassend, ebd., 160: „toutes ces vertus, chez Lactance, sont inspirées et dominées par la patience, la plus générale des vertus générales.“

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constantia der Drei Jünglinge und der Märtyrer äußert. 268 Deutlicher schließt sich aber vielleicht auch hier wieder der Kreis der die klassischen Kardinaltugenden ersetzenden christlichen Tugenden mit einem Begriff, den Zeno, wie schon den den Reigen eröffnenden Terminus, vera sapientia, nicht eigens als virtus bezeichnet und der der klassischen fortitudo geradezu entgegengesetzt zu sein scheint – wie ja schon die vera sapientia in den Augen der Nichtchristen als stultitia erscheint;269 denn für Zeno teilen weltliche sapientia und fortitudo mit der avaritia die Eigenschaft, Grundlage aller Laster zu sein,270 sie sind gewissermaßen die ‚Kardinallaster‘.271 Als Ersatz der fortitudo könnte daher der timor dei oder domini betrachtet werden, da er ebenfalls in einem Traktat gesondert behandelt wird;272 ihm eignet bezüglich der Tugenden die Funktion, sie als richtungsweisend für den Menschen zu präsentieren. 273 Sowohl die theologalen Tugenden wie die möglicherweise die klassischen Kardinaltugenden ersetzenden Tugenden sind allen anderen Tugenden vorgeordnet, was sie gemeinsam haben ist ihre Impetus-Funktion. 274 Das Ziel aller Tugenden jedoch, der im Einzelnen behandelten wie der in Katalogen aufgelisteten, ist die Erlangung ewigen Lebens. 275 Nur auf die-

268 I 53,1; I 39,7. Ergänzend könnten auch interpretiert werden I 1 (De pudicitia) und II 7 (De continentia), die aber durchaus auch vorchristlich schon als einzelne Tugenden neben den Kardinaltugenden auftauchen. 269 1 Cor 1,21 in II 1,5: „Nam quia sapientiam dei non cognovit saeculum per sapientiam, deus optimum existimavit per stultitiam praedicationis salvos facere credentes“. 270 II 1,6–8: „His enim tribus rebus, quae fundamenta sunt omnium vitiorum, … momentis universis in interitionem cogitur omne genus humanum. Namque sapientia … Ceterum fortitudo … Tertio dives est avaritia“. 271 Bemerkenswert, dass es sich um eine Dreizahl handelt; man könnte sie als negative Entsprechung der Dreizahl der christlichen (paulinischen) Kardinaltugenden deuten. 272 II 2 (De timore); s. aber auch I 3,11; I 15,6; II 7,5; II 9,3. 273 II 2,4: „Videtisne hunc timorem nobis necessarium, qui … ad omnia genera virtutum intrepidus corrigit“. 274 So schon für die theologischen Tugenden O. VICENTINI, Morale, 255: „Il loro compito e funzione propria è fornire il motivo ispiratore e la forza propulsiva all’esercizio delle virtù morali.“ Vgl. C. HORN, Augustinus, 174: „die Mehrzahl der antiken Moralphilosophien vertrat die Lehre von der Einheit der Tugenden oder zumindest die um eine Nuance schwächere Auffassung, daß jede Tugend in einem wechselseitigen Implikationsverhältnis zu jeder anderen steht.“ Dies dürfte auch der Hintergrund für die zenonische Differenzierung virtus – virtutes sein. 275 I 4,1: „beata diversis vita virtutibus quaeritur“. Vgl. I 4,12: „Nunc ad patientiae revertamur virtutem, quae maioribus nostris illustri virtute perennem gloriam peperit et salutem.“

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sem Hintergrund kann Zeno dann auch von divinae virtutes im Sinne von ‚Gott gehörigen, sich auf ihn beziehenden Tugenden‘ sprechen. 276 Die Neophyten werden, nachdem die notwendigen Bedingungen zum Erlernen von virtus mit der Taufe erfüllt sind, aufgefordert, den mit der Taufe erworbenen neuen Status (nobilitas), d. h. einen ‚edlen Stand‘ insofern er mit gutem Ruf, aber auch faktischer Vortrefflichkeit verbunden ist, durch konkrete Tugenden (variis virtutibus) zu demonstrieren (monstrare / probare). Sie werden weiter aufgefordert, diesen Status im weiteren Leben als Christ zu bewahren (custodire); konkret bedeutet das, nicht nur bestimmte Haltungen (virtutes) an den Tag zu legen, sondern in entsprechendes Handeln umzusetzen, also nicht mehr oder nicht wieder das zu tun, was man als Nicht-Christ getan hat. Zeno fasst dies in den Ausdruck mutatio morum.277 Virtutes realisieren sich also in mores (auch artes),278 als solche werden sie von außen wahrnehmbar. Die mutatio morum beinhaltet auf der einen Seite offensichtlich eine Absage (cavere / damnare 279) 276

I 4,22; I 36,17. Zur gleichzeitigen Bedeutung ,von Gott herrührende Tugenden‘ der Formulierung divinae virtutes vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2252; s. auch oben S. 227, Anm. 19. 277 II 24,3: „Vetus quidem videtur domicilium, sed novus est inquilinus mutatione morum nativitatis suae nobilitatem incredulis variis virtutibus monstrans. Cuius sanctionem vestrae aetatis omni curriculo manente in sua semper infantia custodite ac fortiter praecavete, ne primi hominis quondam vestri umquam memoriam recolatis“; knapper auch I 42,2: „Vetus quidem videtur domicilium, sed novus inquilinus exsultat mutatione morum nativitatis suae nobilitatem incredulis variis virtutibus probaturus.“ 278 Die Nähe von virtutes und mores begegnet an weiteren Stellen: I 4,20: „Scio enim [, patientia], quia libentius in tuis moribus, tuis fundamentis tuisque consiliis quam in alienis nudisque sermonibus conquiescis neque tantam in multiplicandis virtutibus laudem ponis, quantam in finiendis“; I 15,1: „ad hoc nobis est tradita legenda narratio, ut maiorum, si fieri potest, saltem aliqua ex parte mores imitemur, si non possumus imitari virtutes“. Synonym zu mores ist artes zu verstehen, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 591 „Handlungsweise“; vgl. AUG. civ. 22,24 (CChr.SL 48,848,79 Dombart / Kalb): „artes bene vivendi“; auch für artes in diesem Sinne ist zenonisch eine mores vergleichbare Nähe zu virtutes zu konstatieren, s. I 4,1: „omnes artes omnesque virtutes“; I 36,2: „artes virtutesque universae“; dass artes nicht ein zenonisches Synonym für virtutes ist – wie K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 591: „Tugend oder Untugend“ nahelegen könnte – und diese Stellen als Hendiadyoin zu interpretieren sind, belegen weitere Anführungen von artes (im Plural): I 1,10; I 5,2.10; I 14,2 (2x); I 38,7; dort steht der Terminus für negative ,Künste‘, die im täglichen Leben als verführerische Mittel, Kunstgriffe, als List, auf jeden Fall als Tun (nicht als Haltung) der impudicitia, der avaritia oder des Steinbocks (des Horoskops als Trabant des Teufels) begegnen und zum Schaden der Menschen eingesetzt werden; vgl. o. S. 324–326. 279 In I 25,13 geht eine Aufzählung heidnischer Kulthandlungen und divinatorischer Praktiken voran, in I 34,9 schließt sie sich an. Vgl. auch II 24,3: „fortiter praecavete, ne primi hominis quondam vestri umquam memoriam recolatis.“

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an die actus veteris vitae 280 und auf der anderen Seite eine Ausrichtung auf bona opera.281 Der Terminus mores bezeichnet also das Verhalten als Ganzes, actus und opera die konkreten (schlechten und guten) Einzeltaten. Dies deckt sich mit dem Befund zu mores, wie er schon in anderem Zusammenhang aufgezeigt werden konnte, nämlich dass der Terminus allgemein einen „als schicklich angenommenen Gebrauch“ und zenonisch v. a. die „privaten quasi für die Person selbst stehenden Gepflogenheiten, die den von außen gewonnenen Eindruck einer Person ausmachen“ bezeichnet.282 Der Begriff mores hebt ab auf ein Verhalten in der Öffentlichkeit, ohne dass mit dem bloßen Terminus schon eine positive oder negative Qualifizierung vorgenommen wird.283 Christliche mores sind konsequente Folge christlicher virtutes, die wiederum eine umfassende christliche virtus voraussetzen. Während virtus jedoch, nachdem mit der Taufe die notwendige Voraussetzung (Tugendfähigkeit) gelegt ist, wie ein Wissen oder eine Kenntnis erworben wird, gilt dies für virtutes nur eigeschränkt, sofern damit abgehoben ist auf das Wissen, was virtutes inhaltlich sind. Ausdrücklich ge280 I 34,9: „At vero Ninive imaginem portat ecclesiae, in qua gentium iam inde noster populus morabatur … Ut est, fratres, Ninevitis nuntiatus interitus, credunt et timent … statimque actus veteris vitae damnantes … non solito more ad stupida simulacra concurrunt“; auffallend die Nähe von actus und mos. Vgl. auch, trotz von B. LÖFSTEDT, Tractatus, 113, unter Verweis auf die Parallele in II 29,1 vorgeschlagener Athetese (kursive eckige Klammer), I 42,1: „Exsultate, fratres in Christo, acceptaeque indulgentiae regale beneficium diligenter, fortiter ac fideliter custodite. Etenim omnis [actus] vester contractus ablatus est.“ Contractus könnte durchaus als Partizip auf actus bezogen sein und dann „alles angesammelte Tun“ meinen. – Zur Verwandtschaft von mores und actus vgl. auch I 14,4: „[deorum] mores et actus“. 281 I 25,13 unter Zitation von Mt 5,16: „Haec, fratres, sicut cavenda sunt nobis, ita quae bona , quae pura , quae simplicia , quae pia , quae sancta sunt, sicut facitis, amplectanda , ut videntes homines opera vestra bona magnificent patrem vestrum, qui est in caelis“; auch I 2,32: „Sic ergo vivamus, ut bonis operibus decorati nos quoque deo patri placere mereamur“; vgl. auchI 13,8 in Deutung von Gn 38,13: „Ad oves suas tondendas pergit [Iudas], id est, ab hominibus iustis bonorum operum fructus exposcit.“ Die Konkretisierung der opera in den zenonischen Traktaten hat L. P ADOVESE, Originalità, 63–92, erarbeitet. Auch er konnte, ebd., 63–69, darlegen, dass Voraussetzung ethischen Engagements der in der Taufe gewonnene neue Status, die „ ,novitas‘ christiana“, ist. 282 S. o. S. 167–169. 283 S. ebd. Mores begegnen zenonisch im Totenkult, dort meint der Terminus traditionelle Verrichtungen sozialen Ursprungs, die noch keinen kultischen Charakter haben, s. o. S. 154–156 und S. 290f. Mores begegnen im Verbund mit actus als Bezeichnung des für die heidnischen Götter typischen Verhaltens, s. o. S. 149. Mores begegnen als von der Rhetorik in Prozessen herbeigeführte Vorschriften mit entsprechenden, dadurch gewissermaßen institutionalisierten Verhaltensweisen, s. o. S. 505. Mores begegnen als Verhalten der Vorfahren, s. o. S. 147., ausdrücklich als das Verhalten des Ijob, s. o. 489.

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nannt wird diese Form des (Kenntnis-)Erwerbs für die dilectio, die als Inbegriff aller Tugenden wohl auch stellvertretend für alle Tugenden steht.284 An der Tugend der dilectio wird aber auch erkennbar, dass Tugenderwerb über den Erwerb von inhaltlicher Kenntnis hinausgeht, es geht auch um persönliche ‚Aneignung‘.285 Über das theoretische Lernen hinaus bedarf es daher des praktischen Lernens, denn der Vollzug verschiedener virtutes in generellem Verhalten (mores) und einzelnen Taten (actus, opera) erfordert ein Können oder eine Fähigkeit. Virtutes werden daher auch, mores ausschließlich durch Imitatio von Exempla angeeignet, 286 wobei Zeno einschränkend feststellt, dass Letzteres leichter gelingt als Ersteres.287 Die Schwierigkeit der Imitatio von virtutes könnte möglicherweise mit der Anstrengung zusammenhängen, sie als Haltungen in bestimmten Fragen dauerhaft durchzuhalten.288 Hier schließt sich der Kreis zu custodire und observare: Konservierung des in der Taufe geschenkten neuen Status heißt dauerhafte Observanz des von Exempla Vorgelebten möglichst in allen Handlungen und als Haltungen verinnerlicht. Gleichzeitig wird dadurch erkennbar, dass christliche Imitatio höhere Anforderungen stellt als nicht-christliche. Während auf heidnischer Seite, wie gezeigt werden 284

I 36,17: „Unde manifestum est dilectionem virtutum omnium divinarum esse substantiam naturalemque magistram, quoniam ex lege discitur“. S. auch I 36,14: „quod antiquorum aut virtutes ex libris … agnoscimus“. Vgl. auch I 53,1: „Credulo percipe corde rem miram, Christiane, omnique virtutum exemplo famigerabilem.“ 285 I 36,17: „Unde manifestum est dilectionem virtutum omnium divinarum esse substantiam naturalemque magistram, quoniam ex lege discitur, sed in mentibus nascitur.“ 286 Vgl. auch O. VICENTINI, Morale, 256: „Norma di moralità è anche l’esempio dei Santi e più ancora di Cristo, il modello per eccellenza.“ – Insofern die Exempla dem Christen über die Schrift vermittelt werden, kann die Formulierung divinae virtutes in I 4,22 und I 36,17 daher auch verstanden werden als ,von Gott herrührende Tugenden‘ neben dem wohl gleichzeitig enthaltenen Aspekt ,auf Gott hin ausgerichtetete Tugenden‘. Virtutes sind daher im umfassenden Sinn ,Gott gehörig‘, vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 2252. 287 I 15,1: „Sacrae historiae, fratres dilectissimi, ad hoc nobis est tradita legenda narratio, ut maiorum, si fieri potest, saltem aliqua ex parte mores imitemur, si non possumus imitari virtutes“; II 29,3: „optes imitari virtutem “; vgl. auch I 14,4: „Unde apparet eum, qui diligit aurum et argentum, non tantum deos colere, sed eorum mores et actus imitari.“ Zur ,exemplarischen‘ Tugendhaftigkeit der Vorfahren s. auch I 4,12: „Nunc ad patientiae revertamur virtutem, quae maioribus nostris illustri virtute perennem gloriam peperit et salutem.“ Indirekt auf Aneignung von virtutes hebt auch die Formulierung multiplicare virtutes in I 4,20 ab; hinzuzunehmen zur praktischen Aneignung ist außerdem meliora sequi (als Gegensatz zu mala sequi) in II 4,18; zum Konnex von meliora und virtutes vgl. II 7,2: „sed nuptiis meliora praepono“, nämlich continentia. 288 I 4,20: „patientia, … neque tantam in multiplicandis virtutibus laudem ponis, quantam in finiendis“; II 6,8 von den Taufgaben: „qui … acceptumque non spreverit, sed in labore usque ad ultimum perduraverit, … inaestimabiles divitias … possidebit.“

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konnte, ausschließlich mores et actus der maiores – und nichts anderes sind auch die Götter und mythologischen Gestalten, worauf Zeno euhemeristisch hinweist – nachgeahmt werden,289 ist dies auf christlicher Seite die Mindestanforderung als Konzession an diejenigen, die (noch) nicht mehr, nämlich Imitatio der virtutes der christlichen maiores, zu leisten in der Lage sind. Es darf wohl angenommen werden, dass Zeno die Grundzüge seiner Tugendlehre, die deutlich stoische Ethik beerbt, aber auch transformiert, Laktanz, den er in vielem ja auch wörtlich rezipiert, verdankt. Auch Laktanz beerbt mit seinem virtus-Verständnis die lateinische Stoa, repräsentiert durch Cicero und Seneca. 290 Auch Laktanz geht auf dieser Grundlage davon aus, dass der Mensch zur virtus erzogen werden könne;291 anders als Zeno fasst er das jedoch unter den Terminus accipere! 292 Mittels der Konservierung von virtus ist nach Laktanz der Mensch als vir bonus, diesen Titel benutzt Zeno nicht, wohl aber die Äquivalente iustus und sapiens, in der Lage, die voluptates zu beherrschen.293 Solche Moralität existiert im Heidentum nicht, da nicht einmal die im Theater präsentierten Exempla der Götter diesen Ansprüchen genügen. 294 Deshalb legt Laktanz eine neue Definition von virtus vor: Sie ist nichts anderes als Gotteserkennntnis (dei agnitio).295 Diese virtus lehrt, das sagt Laktanz deutlicher als Zeno, Christus.296 Als Exempla dienen den Christen in der direkten Nachfolge Christi an erster Stelle die Märtyrer, die ihre virtus in der Arena bewiesen haben.297 Damit greift Laktanz zunächst den Topos vorbildhafter Tapferkeit historischer Exempla auf, löst diese Exempla zugleich aber ab durch die neue christliche Motivation

289 Dass dies nicht nur eine polemische christliche Einschätzung ist, sondern von der Tendenz her durchaus auch vorchristlich so gedacht werden konnte, darf man wohl aus der Anwendung des Terminus virtus etwa auf den Herkules der Tragödie, die seine Exempelhaftigkeit einer breiteren Öffentlichkeit vorführt, schließen: „Hercules ist als der Mann der virtus immer wieder ins Licht gerückt, aber es ist nicht die virtus des Philosophen, sondern die heldische Tapferkeit. Sogar die Züge des großen, unsere Sympathie und unser Mitleid erweckenden Dulders sind nicht die eines stoischen Weisen“, so W. EISENHUT, Virtus romana, 151f., zu Seneca als Tragödiendichter. Trotz des Terminus virtus darf man hier wohl auf Synonymität mit mores schließen, denn die Tragödie führt eben virtus nicht als Haltung, sondern konkretisiert in den einzelnen Taten vor. 290 S. F. HEIM, Virtus chez Lactance. Du „Vir bonus“ au Martyr, Aug. 36, 1996, 361– 375, hier: 362.365f. 291 S. ebd., 366. 292 S. ebd.; ebd., Anm. 4f., zahlreiche Belege. 293 S. ebd., 366f.; Belege ebd. 294 S. ebd., 370; Belege ebd. 295 Vgl. dei notitia in I 3,1 als Strebeziel im Kontext der Ablösung der Beschneidung durch die Taufe und legis agnitio in II 2,4 als Voraussetzung des decor (der Tugendhaftigkeit) des Christen. 296 S. F. HEIM, Virtus, 371f. 297 S. ebd., 372f; Belege ebd.

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in Aussicht gestellten ewigen Lebens als Lohn.298 All dies taucht so oder ähnlich in den zenonischen Traktaten wieder auf.

Mit der Übernahme dieser Konzeption erweist sich Zeno keineswegs als einsamer anachronistischer Rezipient, sondern durchaus als Kind seiner Zeit. Nur wenige Jahre vor Zenos Wirken lässt sich nämlich Ähnliches – Christus als Lehrer und ranghöchstes Exemplum, vorbildhafte Realisierung der virtus durch die Märtyrer, in Anlehnung an stoisches virtus-Verständnis – auch bei Lucifer von Calaris finden,299 der ebenfalls gerne und häufig Laktanz zitiert.300

Was für Zeno über Laktanz und auch Lucifer hinaus aufgezeigt werden konnte, ist seine ‚Systematik‘, die als solche nicht präsentiert wird, aber doch im Hintergrund der Predigt präsent ist und immer wieder aufscheint: die Differenzierung zwischen Tugendbefähigung (in der Taufe), virtus, virtutes, mores, actus und opera. Einzelne dieser Elemente begegnen auch bei seinen Vorgängern, eine solche Systematik wurde für sie jedoch (bisher) nicht nachgewiesen.301 Ein differenzierteres Bild für die Frage nach Tugend und Moralität lässt sich im Werk Augustins nachweisen.302 Man wird wohl sagen dürfen, dass vieles des von Augustin auf breitem Raum und durchaus gezielt systematisch Dargestellten bereits in der zenonischen Konzeption auftaucht, ohne dass für diese, bedingt schon aufgrund des Genus der Predigt und der Beschränkung auf eben dieses Genus, eine vergleichbare Umfänglichkeit und Differenziertheit in Anspruch genommen werden könnte. 303 298

S. ebd., 374: „Mais résistance obstinée à un adversaire furieux, persévérance dans une fidélité, immobilité têtue dans une position, malgré les pressions subies: voilà l’imitation des héros romains; mépris de la vie et de la cité d’ici-bas, joyeuse attente de la vie bienheures, élan enthousiaste ver le Créateur: voilà la nouveauté chrétienne.“ 299 S. S. LACONI, Virtus christiana e martyrium nelle pagine del „Moriundum esse pro Dei Filio“ di Lucifero di Cagliari, in: Sardinia antiqua. FS P. Meloni, Cagliari 1992, 465–475, passim; zusammenfassend ebd., 472: „la virtus è la forza morale che realizza la giustizia e assicura all’uomo la salvezza con la conquista dell’immortalità“. 300 Ausdrücklich so formuliert ebd., 466. 301 Es bedürfte einer gesonderten Untersuchung, ob dies auf das tatsächliche Fehlen einer solchen Systematik oder auf eine bisherige Vernachlässigung der Fragestellung an die Texte zurückzuführen ist. Möglicherweise ergäbe eine Arbeit wie die Spanneuts unter Hinzuziehung heutiger technischer Möglichkeiten etwa von Textdatenbanken ein umfassenderes Bild. 302 Ausschnitthaft (durch die Beschränkung der Untersuchung auf De civitate dei) Hands „Untersuchung über die Begriffe gloria, virtus, iustitia und res publica in De Civitate Dei“ (so der Untertitel). Umfassender, aber im Grunde die Ergebnisse Hands lediglich bestätigend die beiden jüngeren Arbeiten von Johnson und insbesondere Horn. 303 Nicht bei Zeno finden lässt sich etwa die Verhältnisbestimmung von klassischen Kardinaltugenden und paulinischen Tugenden; vgl. C. HORN, Augustinus, 188f.

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So findet sich bei Augustin dieselbe von Paulus übernommene Identifizierung von Christus mit Gottes virtus und sapientia,304 die daraus nun christlich ableitbare Lehre von der Einheit der Tugenden,305 aber auch ihre Differenzierung in virtus und virtutes,306 damit ein „explikatorische[r] Tugendbegriff (Tugend als Ursache moralischer Charaktereigenschaften)“ 307 oder anders ausgedrückt die Betonung von virtus als Haltung (Gesinnung) 308 (und die daraus resultierende Abgrenzung gegenüber ihrer Umsetzung in mores o. Ä.?),309 schließlich die Märtyrer als herausragende Exempla der virtus.310 Auch die letztlich alles ethische Denken und paränetische Reden bestimmende Frage nach dem summum bonum, die für Zeno bis hierher vernachlässigt wurde, die aber im Folgenden noch angerissen werden wird, wird vom Veroneser ähnlich beantwortet wie von Augustin.311

Der entscheidende Unterschied setzt ein mit der Verknüpfung von Ethik und Gnadenlehre. So lässt sich in der zenonischen Sytematik, die die seit Sokrates vertretene grundsätzliche Lehrbarkeit von Tugend 312 übernimmt, in der weiteren Differenzierung eine Synthese beobachten zwischen der für Augustin nachgewiesenen und bei ihm pessimistisch begründeten „Lehre vom allmählichen Tugenderwerb“ 313 (in Übernahme neuplatonischer Tugendlehre) 314 – zenonisch: virtutem discere und mores imitari – und der scheinbar diametralen optimistischen „stoischen These von der spontanen Wendung der Seele zur Tugend“ 315 – zenonisch: eschatologischer Vorgriff auf die aetheria vestis in der Taufe –, wodurch jedoch eine vergleichbare ethische Binnensystematik, wie sich zeigt, keineswegs obsolet wird.

304

S. C. HORN, Augustinus, 177; Belege ebd., Anm. 10. S. ebd., 179f. 306 S. ebd., 180. 307 Im Gegensatz zu einer „klassifikatorische[n] Tugendkonzeption (Tugend als Oberbegriff moralischer Charaktereigenschaften)“, so C. HORN, Augustinus, 185. Und weiter ebd.: „Augustinus verbindet demnach die klassische altakademische Strebenstheorie mit der Oikeiosis-Lehre sowie der neuplatonischen Rückkehrkonzeption und deutet die Tugenden als Momente der einen anagogischen Tendenz“. Genau diese Elemente verbindet auch Zeno; zur „neuplatonischen Rückkehrkonzeption“ in den Traktaten s. u. S. 585. 308 S. P. D. J OHNSON, Virtus, 121; vgl. o. S. 544f. 309 In dieser Frage fehlt eine entsprechende Recherche zu Augustin. 310 S. V. HAND, Augustin, 35; Belege ebd. 311 Vgl. ebd., 33–36; C. HORN, Augustinus, 174.176f.178f. 312 S. V. HAND, Augustin, 29; C. HORN, Augustinus, 174. 313 Ebd., 186; dazu ebd., 180f.: „Augustins Hauptgrund hierfür ist bekanntlich, daß er die Vollendung der Tugend (wenigstens seitdem er eine pointierte Gnadentheologie vertritt) unter irdischen Bedingungen gar nicht für möglich hält.“ Vgl. auch V. HAND, Augustin, 38f. 314 S. C. HORN, Augustinus, 181. 315 Ebd., 186. Zur Relativierung schon durch Horaz und Seneca s. o. S. 539f. 305

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Für die zenonische Konzeption christlichen Bildungserwerbs lässt sich zusammenfassend festhalten, dass sowohl Sachwissen als auch ethisches Wissen, beides basierend auf Schriftinhalten und solchen christlicher Exempla-Erzählungen, schließlich auch ethisches Können in Form von virtus, virtutes, mores, actus und opera rein rezeptiv erworben werden. Die beiden Pole, zwischen denen sich solcher Bildungserwerb abspielt, sind auf der einen Seite (optische und akustische) Sinneswahrnehmung (videre, audire, auch accipere und cognoscere), auf der anderen Seite Umsetzung des erworbenen Wissens durch Nachahmung des Wahrgenommenen (imitari). Hier dürfte auch einer der Hauptgründe zenonischer Heidentumspolemik zu suchen sein; die gänzlich analogen Mechanismen – christliche Wahrnehmung von Schrift und Exempla und sich anschließende Nachahmung entsprechen auf heidnischer Seite Kulturaneignung durch Sinneswahrnehmung in Kult, Mythos und Theater und Umsetzung in kultischer und ethischer Imitatio – bergen die Gefahr – oder aus entgegengesetzter Perspektive, die Zeno letztendlich selbst für sein Anliegen der Christianisierung einnimmt – die Möglichkeit des Austausches der Inhalte. Eine Entscheidung für den einen oder den anderen Inhalt auf Seiten der Kulturoder Bildungserwerbenden ist abhängig von der Autorität der Kultur- bzw. Bildungsvermittelnden. Gerade das erklärt nun das zenonische Festhalten an eigentlich von Platonismus und Heiliger Schrift verworfenen Erwerbsmechanismen. Eben das Ansetzen bei der Sinneswahrnehmung macht jedes kritische Nachdenken und zweifelnde Nachfragen obsolet; es soll um das ‚Offensichtliche‘ gehen. Dies konnte schon bei der Untersuchung der Auseinandersetzung Zenos mit Philosophie und Intellektualität aufgezeigt werden – seine Kritik in diesem Kontext wies deutlich über nur heidnische Theologia naturalis hinaus auch in den Bereich christlicher Rezeption etwa in Form theologischen Fragens und Denkens – und bestätigt sich nun durchaus konsequent auch in seiner Konzeption von Bildungserwerb. Auch mit seiner Kritik befindet sich Zeno im Übrigen durchaus in paganer Nachfolge, denn dem christlichen Konflikt zwischen Theologie und Autorität vergleichbare Konflikte hat es auch im Heidentum zwischen Theologia civilis und mythica auf der einen und Theologia naturalis auf der anderen Seite gegeben. discere

E. Das Ziel christlicher Bildung

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E. Das Ziel christlicher Bildung Für das zenonische Bildungskonzept ergibt sich aus dem Zurückweisen eigenständig-kreativer und kritischer Bildungsbemühungen auf Seiten der Bildungserwerbenden nun geradezu zwangsläufig die Frage, was denn – wenn nicht intellektuell-reflektierend erworbene Kenntnis als Annäherung an Wahrheit – das Ziel christlicher Bildung und zugleich Legitimation solch autoritativen Anspruches des Bischofs gegenüber der Gemeinde sein kann. Die bereits mehrfach anklingende Ausrichtung der christlichen Bildung auf Gott und damit auf Transzendenz, wenn man so will, dispensiert dennoch nicht von einer ersten Frage nach innerweltlich durch Bildung Erreichbarem und Anzustrebendem. I. Innerweltlich Erreichbares Als Ergebnisse der Bemühungen christlicher Bildungsvermittlung (docere u. a.) und christlichen Bildungserwerbs (discere u. a.) ist mit Qualifikationen zu rechnen, die unter Terminologien wie scire und sapere gefasst werden können. Beide Terminologien begegnen in der Tat auch in den Traktaten. Sie weisen über das Ergebnis weltlicher Unterrichtung (litterarum fructus 1) hinaus. 1. (con-)scientia Scire im Kontext christlicher Bildungsvermittlung bzw. christlichen Bildungserwerbs 2 bezeichnet in den Traktaten – angesichts Zenos kritischer Haltung zu intellektueller Bemühung und damit implizierter Verwerfung von Erkenntnis um ihrer selbst willen – sicherlich nicht ein Wissen im Sinne von ‚etwas (durch eigenes Forschen) in Erfahrung gebracht haben‘; 3 vielmehr erwartet man nach dem bisher Erarbeiteten für christliches scire bereits eine Bedeutung, die auf ein Wissen abhebt im Sinne von ‚(aus Vorgaben) gelernt haben und nun können‘ 4 oder auch in der Bedeutung 1

I 36,3: „Quid facit ad litteratorem puer, si litterarum non sperat fructum?“ Neben scire zum Ausdruck a) gewöhnlichen Wissens, in diesem Sinn jedoch nur zweimal in den Traktaten benutzt und in beiden Fällen zum Ausdruck des Gegensatzes von nescire verwendet, nämlich in II 3,9 in der Bedeutung von ,lesen können‘ (litteras scire) und in II 8,8 in der Bedeutung von ,Wissen Marias um ihre Schwangerschaft‘; b) eines Wissens als abschließende Feststellung einer Argumentation in der Bedeutung von ,das aber weiß ich, dessen bin ich ich mir ganz sicher‘ in I 4,20 (scio enim); II 1,16 und II 7,8 (unum tamen scio ) oder entgegengesetzt formuliert, aber mit derselben Funktion ,wenn jemand etwas anderes weiß, möge er dies vorbringen‘ in I 41,3 (si quid sciunt, dicant). 3 S. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2531. 4 S. ebd., 2532. 2

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

‚(etwas Vorgegebenes) einsehen, sich (dessen) bewusst werden und (es) sich merken‘ 5 in Ausrichtung auf ein übergeordnetes Ziel. Doch obwohl Zeno sich mit seiner Predigt im Grunde mitten im Prozess der Bildungsvermittlung und des Bildungserwerbs befindet, dieser Prozess also keineswegs ein abgeschlossener ist, was scientia als Ergebnis indessen suggerieren könnte, findet sich nirgends in den Traktaten ein in irgendeiner Form futurisch geartetes scire. Scientia ist mit der Taufe offensichtlich immer schon gegenwärtig.6 Der Befund im Einzelnen zeigt, dass scire und scientia zenonisch in erster Linie ein religiöses Sachwissen bezeichnen. Allerdings verbindet Zeno mit der Rede von scientia nicht konkretes Fakten- und Detailwissen, sondern eher so etwas wie ein Wissen um Grundsätzliches (principaliter scire 7): An erster Stelle ist hier sicherlich das anthropologische Wissen des Christen von der Abbildhaftigkeit des Menschen zu nennen, 8 denn: „Nihil est, fratres dilectissimi, ante omnia homini timenti deum (bzw. homini nato) tam necessarium atque conveniens, quam ut se ipsum noverit.“ 9 Zum Grundsatzwissen der Christen gehört daneben aber auch das soteriologische Wissen von der Einmaligkeit der Taufe, 10 vom durch Glaube (und durch in dessen Konsequenz erfolgter Taufe) erworbenen Status des Christen 11 und der damit in Aussicht stehenden beatitudo,12 schließlich die Kenntnis ‚des Gesetzes‘, jedoch nicht im Detail, sondern in seiner Gesamtaussage (legis conpendiosa scientia),13 die gekoppelt ist mit observantia des ‚Gesetzes‘ 14 und damit zugleich ethische Kenntnis ist. Ein ethisches Grundsatzwissen besitzt, stellvertretend für ihren Träger, auch die personifizierte Tugend der vera iustitia,15 wie auch das personifizierte Laster der impudicitia von der Unvereinbarkeit ihrer Taten mit einem po5

S. ebd. Vgl. J. STELZENBERGER, Syneidesis, conscientia, Gewissen. Studie zum Bedeutungswandel eines moraltheologischen Begriffes, AMT 5, Paderborn 1963, 64, der von der conscientia sagt, dass im Ketzertaufstreit von Augustinus die Ansicht vertreten wurde, dass die conscientia , „das Innere des Täufers“ auf den Empfänger der Taufe übergehe. Allerdings deutet Stelzenberger conscientia hier als Ausdruck für die kirchenpolitische Zugehörigkeit. Dies erscheint angesichts der nachweislichen Bedeutungspalette von conscientia , s. u. S. 568f., aber eher unwahrscheinlich. 7 II 14; s. auch I 12: „ante omnia scientes“. 8 I 36,24; Zitation s. u. Anm. 20. 9 I 27,1 und II 30,1. Es schließt sich in I 27,2 und II 30,2 die Auslegung von Gn 1,26f. an. 10 I 12 ; II 14; Zitation s. u. Anm. 21. 11 I 49; Zitation s. u. Anm. 22. 12 I 55, Zitation s. u. Anm. 22. 13 I 36,4. Vgl. II 3,5: „lex partibus et discitur et docetur“. 14 II 3,9; Zitation s. u. S. 566, Anm. 24. 15 II 1,11: „[vera iustitia] sciens, quid deo principaliter debeatur“. 6

E. Das Ziel christlicher Bildung

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sitiven Verhältnis zu Gott weiß.16 Unter ethisches Wissen ist auch das relativ konkrete Wissen darum, dass unangemessenes Fragen zu Streit führt, zu zählen, denn daran knüpft sich die Aufforderung, ebendieses zu unterlassen.17 Derartiges christliches Wissen setzt den Glauben voraus (fide quam scit);18 Wissen scheint, da nicht ausdrücklich als zukünftiges Ziel den Bildungserwerbenden vor Augen gestellt, gleichsam mit dem Glauben geschenkt.19 Mit solcher mit dem Glauben verknüpfter scientia ist neben dem angeführten ‚Wissen um etwas‘ immer auch ‚Bewusstsein für etwas‘ verbunden, also etwa Bewusstsein für die eigene Abbildhaftigkeit und die Folgen,20 Bewusstsein für den in der Taufe erworbenen und zu erhaltenden Status 21 und die sich dann ergebenden positiven Folgen,22 Bewusstsein für 16 I 1,11: „[Impudicitia] numquam diligit deum, quem scit operibus suis esse contrarium“ – ,sie liebt Gott deshalb nicht, weil sie weiß, dass er ein Gegner ihres Tuns ist.‘ 17 II 3,18: „Igitur si dei servus es, stultas et ineruditas quaestiones evita sciens, quia lites generant.“ 18 I 34,3 in Deutung von Ps 129,1: „clamat [propheta] non voce, sed corde, non clamore, sed fide, quam scit deum libenter audire“ (gemeint ist wohl: „er ruft aus seinem Glauben heraus, aufgrund dessen und von dem er weiß, dass Gott ihn gerne hört“; auch I 34,9: „Ut est, fratres, Ninevitis nuntiatus interitus, credunt et timent et quantum sciunt dominum non esse mendacem, tanto propensius eius de pietate praesumunt“; bezeichnend ist auch hier, dass credere und timere dem scire vorangestellt sind und durch das Tempus zugleich Gleichzeitigkeit ausgedrückt ist. 19 Vgl. Anm. 18. Eine andere Erklärung könnte lauten, dass Zeno es als Inhalt einer ,Grundausbildung‘ (des Katechumenats) bei seinen Zuhörern bereits voraussetzt. 20 I 36,24: „imaginemque dei dignissime venerando declaremus, quid ipsi veritati debeamus, scientes, quoniam, si quis imaginem laeserit, in exitium suae animae incitat veritatem“ ist daher zu übersetzen: „Lasst uns durch höchst angemessene Verehrung des Abbildes Gottes deutlich bekunden, was wir dem Urbild selbst schulden, in dem Bewusstsein, dass, wenn jemand das Abbild verletzt, er das Urbild reizt, seine Seele untergehen zu lassen.“ 21 I 12: „superfluentis amnis undae subiecti toto impetu totaque devotione vestra vasa replete, ut semper vobis aqua sufficiat, hoc ante omnia scientes, quia hanc nec effundere licet nec rursus haurire“ ist daher zu übersetzen: „wenn ihr unter die Welle des euch reichlich überströmenden Wassers taucht, füllt mit ganzem Verlangen und höchster Hingabe eure Gefäße auf, damit euch das Wasser für immer ausreiche, in dem Wissen und Bewusstsein als Grundlage für alles Nachfolgende, dass man das in der Taufe geschöpfte Wasser nicht mehr vergießen und ein zweites Mal schöpfen darf“; II 14: „Fortiter bibite, ut semper vobis aqua sufficiat, hoc principaliter scientes, quia hanc nec effundere licitum est nec rursus haurire“ ist entsprechend zu übersetzen: „Trinkt kräftig, damit euch das Wasser für immer ausreiche, in dem grundsätzlichen Wissen und Bewusstsein, dass es nicht erlaubt ist, das in der Taufe geschöpfte Wasser zu vergießen und ein zweites Mal zu schöpfen.“ 22 I 49: „Iudicio vestro nascimini scientes, quoniam, qui plus crediderit, nobiliorem se ipse praestabit“ ist daher zu übersetzen: „Aus eurer eigenen Einsicht werdet ihr geboren, in dem Wissen und Bewusstsein: Je stärker jemand glaubt, desto edler wird sich ihm selbst seine Geburt erweisen“; I 55: „Fontanum … convolate ibidemque vos vestra

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

die Aussagen des Gesetzes 23 und eine daraus resultierende Ethik.24 Mit anderen Worten: scientia bezeichnet zenonisch das Wissen von der eigenen Identität als Christ und das Bewusstsein für dieselbe. Diese Bedeutung spiegelt in den zenonischen Traktaten neben scientia besonders auch das Kompositum conscientia.25 Die Synonymität lässt sich am leichtesten im Vergleich von scientia und conscientia dei aufweisen. Im Kontext seiner Ausführungen zur Auferstehung zitiert Zeno Ps 1,5f., der das Wissen Gottes (scit dominus) bezüglich des ‚Wegs der iusti‘ thematisiert.26 Ähnlich wird das Wissen Gottes bezüglich der Ehrenhaftigkeit der Susanna (Dn 13) auch mit dem Adjektiv conscius belegt.27 Gott ist in diesem Sinn ein ‚Mitwisser‘, ein Zeuge.28 Neben solchem Wissen bezieht sich die scientia bzw. die conscientia Gottes auf Gott selbst. Von Gott Vater und Sohn vor der Zeit sagt Zeno: „soli se sciunt.“ 29 Die gleiche Aussage bringt Zeno auch mit den Begriffen conscius 30 und conscientia 31 zum Ausdruck, beide drücken das gemeinsame Wissen voneinander und von ihrem Verhältnis zueinander aus. Im Vordergrund der zenonischen nobilitate fide scientes, quoniam, quantum quis crediderit, tantum beatitudinis et habebit“ ist entsprechend zu übersetzen: „Eilt zur Quelle und veredelt euch dort durch euren Glauben, in dem Wissen und Bewusstsein: Je stärker jemand glaubt, desto größere Glückseligkeit wird er erlangen.“ 23 Hier wird besonders deutlich, dass es sich nicht um ein durch Auswendiglernen angeeignetes Wissen, sondern um ein Bewusstsein handelt; vgl. I 36,4: „[fides] est enim … legis conpendiosa ac vera scientia“ mit II 3,5: „lex partibus et discitur et docetur“. 24 II 3,9: „legis scientiam observantiamque ad perfectionem perducere“. 25 Vgl. A. B LAISE, Dictionnaire, 743 (Lemma „scientia“): „c[omme] conscientia“. Die Vorsilbe con- hat hier lediglich verstärkende Bedeutung; vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.dt. Handwörterbuch I, 1289 (Lemma „com“): „angelegentlich, tüchtig, überaus“. 26 I 2,23: „scit dominus viam iustorum“. 27 I 1,18: „conscientiae suae conscium solum contestans deum“. 28 Vgl. II 10,1, allerdings nicht ausdrücklich auf Gott, sondern jede Art Zeugen bezogen: „in prima nativitate persistens … cui securitatis profectus est nullus, etiam si contingat ei accusatore carere, teste conscio“. 29 II 8,5. 30 I 7,3: „deus … solus sui conscius“; auch I 8,2: „[Christus] paternae antiquitatis solus est conscius“; I 50: „Sicut sacra scriptura testatur, erat ante omnia manens unus et idem alter ex semet ipso in semet ipsum deus, secreti sui solus conscius; cuius ex ore … prodivit unigenitus filius“. Unberücksichtigt bleibt hier conscius in I 54,2, da es sich offensichtlich um eine verderbte Textstelle handelt; s. B. LÖFSTEDT, Tractatus, 128, im kritischen Apparat zu Zeile 17. 31 I 17,1: „Principium, fratres dilectissime, dominus noster incunctanter est Christus, qem ante omnia saecula pater in profundo suae sacrae mentis arcano insuspicabili ac soli sibi nota conscientia , filii non sine affectu, sed sine revelamine amplectebatur“; I 56,1: „Principium, fratres, dominus noster incunctanter est Christus, qem ante omnia saecula pater adhuc utrumque in semet ipso deus beatae perpetuitatis indiscreta spiritus plenitudine nescio qua sua conscientia velatum filii non sine affectu, sed sine discrimine amplectebatur.“

E. Das Ziel christlicher Bildung

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Argumentation steht die Gleichrangigkeit des Sohnes, der durch conscius auch als Teilhaber der Göttlichkeit charakterisiert wird. 32 Es geht hier, wenn man so will, um das ‚Selbst-bewusst-Sein Gottes‘ im Sinne eines Wissens und Bewusstseins des eigenen Seins und dessen Qualität, der eigenen Identität. Dies entspricht der antiken Grundbedeutung von conscienta: „Der lateinische Begriff conscientia kommt als Wissen im Innern grundsätzlich dem deutschen Begriff ‚Bewußtsein‘ stets viel näher als dem des ‚Gewissens‘ “.33 Auf diesem Hintergrund ist auch die zenonische Einordnung der Inkarnation zu verstehen: Trotz der Zugehörigkeit zur Gottheit, trotz des Wissens von der eigenen (ontologischen und ethischen ?) Qualität (contra conscientiam suam) ist der Sohn Gottes Mensch geworden und hat wie ein schwacher Mensch gelitten. 34 Ähnlich findet sich conscientia dann auch zur Benennung des Wissens des Menschen von seiner Qualität, hier zwar überwiegend im ethischen Sinn – und dadurch wird conscientia auch zur Bezeichnung des Bewusstseins von Schuld (reatu conscientia) 35 oder Unschuld (bona conscientia);36 deshalb auch an den an der Auferstehung Zweifelnden der Aufruf: 32 Zu conscius im Sinn von ,Teilnehmer‘ s. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1503. 33 J. STELZENBERGER, Syneidesis, 23, Anm. 38, in Zitation von R. Lindemann. 34 II 12,3 im Kontext der Darstellung der Inkarnation: „Totum contra conscientiam suam ut homo infirmus patitur“. J. STELZENBERGER, Syneidesis, 64, Anm. 261 führt diese Zenostelle als Beleg dafür an, dass conscientia in der lateinischen Patristik Terminus technicus des (menschlichen) Selbstbewusstseins Jesu werde. Zeno will hier jedoch genau das Gegenteil sagen: es geht ihm um das göttliche Selbstbewusstsein Christi. 35 II 2,2 vom ,schlechten Gewissen‘: „[Naturalis timor] exsistit quippe diversis ex modis, cum aut exaestuat aliquo reatu conscientia … Inter haec omnia deterior est conscientiae timor, quia … timor conscientiae non deletur“; auch II 3,5: „qui enim suam conscientiam non timet, is est, qui deum non timet.“ Konkret auch I 4,9: „Cain … quem deus vidit, quem conscientia redarguit“; der Brudermord Kains ist ein von den Kirchenvätern besonders häufig herangezogenes Beispiel im Kontext von conscientia, s. J. STELZENBERGER, Syneidesis, 59, Anm. 236, wo auch diese Zenostelle genannt ist; I 5,16 vom mangelnden Schuldbewusstsein des Geldgierigen: „[aurum] inanemque conscientiam ad hoc in maligni fulgoris cupidinem diram spe potiundi praecipitat“ – „Das Gold stürzt … das sich keiner Schuld bewusste Gewissen in Hoffnung auf seinen Besitz in ein unheilvolles Verlangen nach kaltem Glanz“; der Teufel dagegen stiftet dagegen zu bewusstem Frevel an, s. I 39,2: „diabolus … in nefas conscium toto mundo funereum fecerat rogum.“ Die Stellen belegen, dass es in der Tat weniger irreführend ist, vom ,Schuldbewusstsein‘ zu sprechen als vom ,(schlechten) Gewissen‘; s. J. STELZENBERGER , Syneidesis, 23, Anm. 38. 36 I 40,1: „Susanna … conscientiae tamen bonis contenta secretis“; auch II 29,1 an die Neophyten gerichtet: „Qui conscium timebatis, conscientiam non timetis“; I 41,3 von den neue gewonnenen Gemeindemitgliedern: „Lucro gaudeo, sed sine furti conscientia“; auch 1 Tm 1,5 in II 3,17: „Definitio autem iussionis est caritas ex corde puro et conscientia bona ex fide simplici.“ Zeno gibt dieser Stelle offensichtlich jedoch einen

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

„Erubesce, Christiana conscientia“.37 Hier deutet sich jedoch bereits an, dass conscientia wohl doppeldeutig zu verstehen ist im ethischen Sinn von ‚Gewissen‘ und im ontologischen Sinn von ‚Bewusstsein für die eigene Qualität, für die Identität als Christ‘.38 Dies bestätigt sich an anderen Stellen, an denen conscientia durchaus eindeutig das Bewusstsein auf Seiten des Menschen für die eigene Qualität im ontologischen Sinn bezeichnet, aus dem sich die entsprechenden Konsequenzen im Bereich der Ethik erst, aber dann auch zwangsläufig, ergeben: „Quisque igitur nobilitatis suae conscientiam retinet, diligit fratrem nec aliquid audire exspectavit ex lege, ne admonitione pietati aliquid derogetur“.39 Wer dieses Bewusstsein besitzt und es sich bewahrt (retinere), der bedarf also keiner Belehrung mehr. Solches ‚Sich-seiner-selbst-bewusst-Sein‘ des Glaubens als Glaube, das per se ethisch korrektes Verhalten beinhaltet 40 – hier steht natürlich die Personifikation der fides für ihren Träger, den Gläubigen –, führt zur Kenntnis Gottes (schon im Voraus, im Jetzt): „Ceterum illa est fidei generositas vera, ut … a fidelitate et fiducia fidelem se vocari cognoscat, inculpatis moribus vivat, conscientia eum [sc. deum] bona … nosse praesumat“.41 Damit spiegelt der zenonische Gebrauch des Begriffs conscientia im Übrigen den Bedeutungswandel der Terminologie insgesamt: „Von Minucius Felix führt eine lange Reihe über Tertullianus, Cyprianus, Lactantius, Hilarius von Poitiers, Firmicus Maternus, Faustinus, Zeno von Verona u. a. zu Ambrosius.“ 42 Bei Tertullian hat conscientia die Grundbedeutung ‚Wissen‘,43 die sich in Anlehnung an Cicero bei ihm, aber auch etwa neuen Sinn, indem er ein in Vetus Latina (s. Database) und Vulgata (s. Weber / Gryson) vorgefundenes et vor fide in ex verwandelt: „Das Ziel des Gebotes ist Liebe aus einfachem Herzen und ein reines Gewissen aus einfachem Glauben.“ Zur Deutung in besonderem Bezug zu conscientia bei anderen Vätern s. J. STELZENBERGER, Syneidesis, 63, Anm. 259. 37 I 2,21; vgl. J. STELZENBERGER, Syneidesis, 56f.: „Die mala conscientia offenbart sich nach Hieronymus physiognomisch in finsterer Miene und Erröten des Gesichts“. – An der Schwelle von ontologischem zu ethischem Bewusstsein wohl auch I 1,19: „[Susanna] solae suae conscientiae placens“ und I 1,20: „pudicitia … solo bonae conscientiae ornamento contenta !“ 38 In I 2,21 geht es offensichtlich sowohl um die Scham für den Zweifel als auch um das Wissen und Bewusstsein des eigenen Status nach der Auferstehung: „Erubesce, Christiana conscientia , vel tot ac tantis ex rebus quemadmodum rursum eadem quae es sis melior futura cognosce.“ 39 I 36,22; vgl. aber auch I 1,1: „[pudicitia] soli sibi devota , semper bene conscia“ – „nur sich selbst verpflichtet, (weil) immer auf rechte Weise sich ihrer selbst bewusst“; I 40,2: „[Susanna] sufficit ergo pudicitiae conscientia“. 40 S. auch II 3,5: „Lex hominis conscientiam alloqui tantum potest, videre autem non potest; fides conscientiam medullitus mundat, ne quid reatui vel intrinsecus debeat“. 41 II 3,19. 42 J. STELZENBERGER, Syneidesis, 54. 43 S. ebd., 43–45.

E. Das Ziel christlicher Bildung

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bei Laktanz und Hilarius von Poitiers, um nur von Zeno häufig herangezogene Vordenker zu nennen, hin zu „Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Bewußtheit, Urteilskraft, eigene Innenschau usw.“ erweitert.44 Diese Bedeutung wiederum erweitert sich um den Aspekt der ‚Gesinnung‘,45 aber auch in Anlehnung an Rm 2,14f. um den Aspekt ‚Wertgefühl gemäß einem inneren Gesetz‘, „inneres sittliches Empfinden“, welches Geschenk Gottes an den Menschen ist,46 was schließlich in die Bedeutung ‚Gewissen‘ mündet. Bei der Verwendung des Begriffs conscientia im Sinne des ‚eigentlichen funktionellen Gewissens‘ wird im Westen Augustinus literarisch führend.47

Die aus dieser Bedeutungsvielfalt gezogene Konsequenz lässt sich auch für die zenonischen Traktate bestätigen: „Nun ist es oft schwer zu entscheiden, ob conscientia ein einfaches Bewußtsein besagt oder aber das aus einer persönlichen Wahl sich ergebende nachfolgende (lobende oder tadelnde) Gewissen.“ 48 Entscheidend ist jedoch, dass conscientia in dem einen wie dem anderen (sich aus dem ersten ergebenden) Sinn auch in den Traktaten Zenos im Unterschied zur vorchristlichen Antike eine religiöse, auf Gott blickende Ausrichtung hat.49 Das Bewusstsein der eigenen Identität, das das Bewusstsein für Schuld oder Unschuld miteinschließt, bestimmt sich christlich immer von Gott her.50

44

Ebd., 46. Ebd., 49–51. 46 Ebd., 51f. In diesem Kontext führt J. STELZENBERGER, Syneidesis, 52, Anm. 191, Zeno jedoch fälschlich als Beleg an, da er den Genitiv hominis in II 3,5 auf vorhergehendes lex und nicht auf nachfolgendes conscientiam bezieht und Zeno deshalb missversteht. Nicht ein Gesetz des Menschen spricht die conscientia an, sondern das Gesetz spricht die conscientia des Menschen an. 47 So J. STELZENBERGER, Syneidesis, 53. 48 Ebd. J. STELZENBERGER, Syneidesis ergänzt ebd.: „Dasselbe gilt für bona conscientia.“ 49 S. ebd., 63; auch ebd., 64: „Diese theozentrische Schau unterscheidet die Auffassung der christlichen Schriftsteller grundsätzlich von den bloß allgemein naturalistischen oder pantheistischen Sätzen der Stoa“. 50 Vgl. hierzu P. ROUSSEAU, Homily, 158–160, der dort herausarbeitet, dass nach Zeno „Self-knowledge … a sine qua non “ (ebd., 159) des Menschen als „moral individual“ (ebd., 158), auch in seiner „social identity“ (ebd., 159), aufgrund seiner Gottesebenbildlichkeit ist. Damit erweise sich bei Zeno, stärker als bei anderen oberitalienischen Predigern, die Anthropologie als Charakteristikum eines moraltheologischen Predigtprogramms. Rousseau legt mit diesen Ausführungen im Übrigen auch einen weiteren Beleg dafür vor, dass das Selbst-bewusst-Werden der jungen christlichen Gemeinde der Impetus der zenonischen Predigt ist, auch wenn Rousseau sich nicht ausdrücklich zur Heidentumspolemik Zenos äußert. Schon zu Beginn seiner Ausführungen zu Zeno, ebd., 157, weist er daraufhin, dass Zenos pastorales Engagement v. a. auf die ambiguitas einer „third class“ seiner Gemeinde, der „peccatores“(ebd., Anm. 58) zielt. „Zeno’s homilies … were characterized by an anxiety to lay bare the hidden anomaly that stamps a prevaricator’s psyche“ (ebd., 157). 45

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

2. sapientia Ähnlich wie für den Terminus scire kann davon ausgegangen werden, dass christliches sapere nach Ansicht Zenos nicht abhebt auf ein ‚Weise-Sein, Verständig-Sein, Einsicht-Haben‘ 51 in Folge philosophischen Fragens; dies deutete sich bei der Untersuchung der Bezeichnung sapientes im Kontext der Darstellung vorchristlicher Intellektualität bereits an. Dort erwies sich die huius (oder istius) mundi sapientia (der Philosophen) deshalb als verwerflich, weil sie mit einer unakzeptablen Form der iustitia zusammenhängt. Als Grundlage aller Laster gilt Zeno die weltliche sapientia als Ursache jeden ethisch verwerflichen Handelns, auch wenn der Bischof eine gewisse Sympathie für die philosophische Ethik (des Platonismus und der Stoa) nicht verhehlen kann. Der weltlichen Weisheit wurde schon oben die Weisheit Gottes, sapientia dei (oder divina),52 gegenübergestellt. Obwohl in ihrer Erhabenheit der scientia dei vergleichbar 53 und deshalb ineffabilis und incomprehensibilis,54 weiß der Christ von ihr, dass sie die Zeugung des Sohnes bewirkt, 55 der seinerseits (vera) sapientia 56 und in seiner grenzenlosen Weisheit wiederum Schöpfer der Dinge ist.57 Hier deutet sich an: sapientia, auch die

51

Vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch II, 2487. Rm 11,33 in I 34,2; 1 Cor 1,24 in I 46A,2; 1 Cor 1,24 in I 50; II 1,2; 1 Cor 1,21 in II 1,5; Rm 11,33 in II 3,16; vgl. auch I 17,1: „Igitur ineffabilis illa incomprehensibilisque sapientia sapientiam ... propagat“; I 56,1: „ineffabilis illa virtus incomprehensibilisque sapientia e regione cordis eructuat verbum“; II 9,4: „ineffabilis eius [sc. dei nostri] illa sapientiae“; II 4,7: „filius dei, cuius sapientia non habet finem“; I 7,2: „[principium] ... quod sapit“; indirekt II 1,15: die Bezeichnung Christi als sapientia vera und I 60: „Christus mundum latenter intravit, ne sibi sapiens diabolus videretur.“ 53 Rm 11,33 in I 34,2 und II 3,16: „O altitudo divitiarum (bzw. et) sapientiae et scientiae dei!“ 54 I 17,1; I 56,1; II 9,4. 55 I 17,1: „Igitur ineffabilis illa incomprehensibilisque sapientia sapientiam, omnipotentia omnipotentiam propagat“; I 56,1: „ineffabilis illa virtus incomprehensibilisque sapientia e regione cordis eructuat verbum“. 56 I 17,1; 1 Cor 1,24 in I 46A,2; 1 Cor 1,24 in I 50; II 1,15; indirekt I 60. Hier folgt Zeno ebenfalls Laktanz, s. L. T HOMAS, Sapientia, 47f.86; vgl. insgesamt M. SPANNEUT, Tertullien, 127–137. Augustin wird dies ebenfalls übernehmen, s. W. GEERLINGS, Sapientia, 47f. 57 II 4,7: „sollertissimus ille artifex rerum filius dei, cuius sapientia non habet finem“; vgl. auch das doppeldeutige „sapientia conditus [homo]“ in II 4,5. A. B IGELMAIR, Traktate, 148, übersetzt „mit Weisheit ausgerüstet“, ähnlich G. B ANTERLE, Discorsi, 241, „dotato di sapienza“. G. EDERLE, Sermones 1958, 77, allerdings übersetzt conditus als „creato“, sapientia versteht er dann modal: „sapientemente creato“; vgl. die auffällige Nähe zur Formulierung in SACR. GREG. 117 (SpicFri 16,1,232,545 Deshusses): „cuius [sc. spiritus sancti, denkbar auch domini] sapientia conditi sumus“. 52

E. Das Ziel christlicher Bildung

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göttliche, ist zenonisch anders als scientia in erster Linie auf ein Wirken oder Tun ausgerichtet. Und so wundert es nicht, dass christliche sapientia wie schon die weltliche sapientia von Zeno ausschließlich im Bereich der Ethik situiert wird.58 Dies entspricht im Übrigen einem Aspekt des vorchristlichen sapientia-Verständnisses, dem praktisch-politischen, wie es etwa im Hortensius des Cicero anzutreffen war.59 Damit unterscheidet sich das zenonische sapientia-Verständnis wesentlich von dem eines Augustin, für den – in der Nachfolge des Aristoteles einerseits 60 und des Plotin andererseits 61 – sapientia eine im irdischen Leben partiell erreichbare Fähigkeit der spirituales, also derjenigen Christen ist, „die danach streben, Christus, so wie er in Ewigkeit ist, intellektuell zu begreifen.“ 62 Angesichts seiner negativen Haltung zu quaerere als intellektuellem Fragen, in der Zeno Tertullian und Laktanz folgt,63 muss für den Veroneser hingegen christliche sapientia etwas anderes sein: Er übernimmt stoisches Denken, das im „Sittlichen“ das höchste Ziel des Menschen sah,64 in Verbindung mit dem neuplatonischen Gedanken der „Potentialität“ des Guten im Menschen infolge „seines ontologischen Verhältnisses zu Gott“.65 Zeno teilt demnach die Einstellung eines Ambrosius, „dass man … den philosophischen Eklektizismus im Grossen Ganzen [sic] auf die Ethik begrenzen muss.“ 66

58

Vgl. LACT. inst. 3,8,31 (CSEL 19,1,197,9f. Brandt): „virtus autem cum scientia coniuncta sapientia est.“ Auch der bedeutend breiter gefächerte Bedeutungsbefund von sapientia bei Augustin beinhaltet als einen von 13 Aspekten, neben sapientia u. a. als Synonym für philosophia , den Aspekt der „Vollkommenheit der Seele“: sapientia wird von Augustin auch verstanden als „übernatürliche Krönung der höchsten christlichen Tugenden“, so H.-I. MARROU, Augustinus, 470 (unter Zitation von Cayré). 59 Vgl. U. KLIMA, Untersuchungen zu dem Begriff sapientia. Von der republikanischen Zeit bis Tacitus, HDD.P 10, Bonn 1971, 135–137. 60 Vgl. R. HOLTE, Beatitudo och Sapientia. Augustinus och de antika filosofskolornas diskussion om människans livsmål. Augustinus und die Diskussion der antiken Philosophenschulen über das Lebensziel des Menschen, Uppsala 1958, 383. 61 Vgl. ebd., 384f. 62 Ebd., 395. 63 Dies dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die artes liberales bzw. eine dãêýêëéïò ðáéäåßá in den zenonischen Traktaten keine Rolle spielen; vgl. R. HOLTE, Beatitudo, 388f. Die Hinwendung Augustins zur „Gnosis“ alexandrinischer Prägung ist nach seiner Darstellung eine Reaktion auf die Verhältnisse in Afrika. R. HOLTE, Beatitudo, 388, schreibt: „Augustinus teilt mit, dass das nordafrikanische Christentum seiner Kindheit von einem ,kindlich abergläubischen Schrecken‘ vor der inquisitio gekennzeichnet war; er wurde deswegen dazu verlockt, sich den Manikéern [sic] anzuschliessen, die ein rationelles Christentumsverständnis versprachen.“ 64 S. ebd., 383f. R. HOLTE, Beatitudo, 384, spricht für Plotin auch von einer „durch Tugend verwirklichte ,Angleichung an Gott nach Vermögen‘ “. Und ebd., 385: „Sein eigentliches Wesen völlig zu aktualisieren bedeutet für den Menschen … ,Gott zu werden‘ “. 65 Ebd., 385. 66 Ebd., 387.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Was nach Zeno den verus sapiens, also den, der sich der vera sapientia, und das ist Gott bzw. Christus, verschrieben hat, unterscheidet von dem, der sich nach weltlichen Maßstäben für sapiens hält, ist die Tatsache, dass er immer auch wirklich gerecht ist. Denn ihn zeichnet das Vermögen aus, zwischen gut und böse unterscheiden zu können; er enthält sich deshalb jeder Sünde.67 Solche sapientia zählt daher zu den christlichen Tugenden 68 und als oberste unter diesen bewirkt sie schließlich einen einem tugendhaften Leben entsprechenden Lohn.69 Die Befähigung dazu – das konnte für die Tugenden insgesamt gezeigt werden, für sapientia als konkreter Tugend kann es ebenso erschlossen werden – wird mit dem Sakrament der Taufe geschenkt.70 Die Rede vom verus sapiens hat, das wird erkennbar, v. a. paränetische Funktion. Während scientia für das Identitätsbewusstsein des Christen und seine ‚Pflege‘ durch immer wieder neue Aktualisierung steht, ist sapientia sozusagen der ‚Stachel im Fleisch‘ des Christen, sich stetig um vera iustitia und entsprechendes Verhalten zu bemühen. Der verus sapiens ist der,

67 II 1,9f.: „Quia fieri non potest, ut verus sapiens non sit et iustus, iustus adaeque verus non sit et sapiens, quia iustus esse non potest stultus neque sapiens iniustus ipsa ratione docente. Qui enim stultus est, quid sit bonum ac malum nescit nec potest quid reprobet scire, quid teneat, et ideo semper peccat, quod est iustitiae contrarium. Iustus autem ab omni peccato se abstinet, quod propterea facit, quia pravi bonique notitiam gerit, quod est utique sapientis.“ In Anlehnung an LACT. inst. 5,17,25 (CSEL 19,1, 456,17–19 Brandt). 68 In der allegoretischen Deutung der Jakobsleiter (Gn 28,10–19) als christlicher Tugendkatalog in I 37,15 begegnet sapientia als eine Sprosse (gradus). Vgl. auch LACT. inst. 6,4,6 (CSEL 19,1,490,10f. Brandt), der dort einem Tugendkatalog vorausschickt: „sit cuique gradiendum“. 69 II 6,9: „sapientia domus domina praerogat munera .“ 70 I 24,2 innerhalb der allegorischen Darstellung eines Mahles im Anschluss an die Taufe (in Parallele zum Mahl anlässlich einer realen Geburt): „Tres pueri unanimes legumina inferunt primi, quibus, ut scitus sit sapor, salem sapientiae aspergunt.“ A. B IGELMAIR, Traktate, 294, Anm. 1, deutet dies als Hinweis auf die „datio salis an die Katechumenen, die mit den Worten: accipe sal sapientiae erfolgte.“ Dies kann aber auch, wie schon die Rede von Milch und Gewand, rein allegorisch verstanden werden. – Auch bei Laktanz wird die sapientia mit der Taufe eingegossen, was einer geistigen Neuschöpfung entspricht; s. A. W LOSOK, Laktanz, 220. – Versteht man „sapientia conditus [homo]“ in II 4,5 als „Der Mensch wurde (bei der Schöpfung) mit Weisheit ausgestattet“ – zur Uneindeutigkeit der Stelle s. o. S. 570, Anm. 57 – dann ist allerdings das TaufGeschenk der sapientia schon vor der Taufe in jedem Menschen angelegt, die Taufe ist dann lediglich die Befähigung initiierende Konsequenz. – Spiritaliter sapere in II 8,9, steht in keinem direkten Zusammenhang zur Taufe, es wird dem falschen Schriftverständnis der Häretiker gegenübergestellt; durch den Einsatz solcher Terminologie wird Häresie, da sie ja mit weltlich-intellektuellen Methoden arbeitet, nicht nur als Irrtum, sondern gleichzeitig auch als ethisch falsches Handeln diskreditiert.

E. Das Ziel christlicher Bildung

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der sich durch imitatio der exempla (der ihm vorgestellten iusti) der vera sapientia, und das heißt dem Urbild des Menschen, angleicht. 71 Will man von innerweltlichen Zielen christlicher Bildungsvermittlung bzw. christlichen Bildungserwerbs sprechen, dann sind dies in Zenos Konzeption, wie sich gezeigt hat, nicht scientia und sapientia an sich, diese sind (spätestens 72) mit der Taufe von Gott den Menschen bereits mitgegeben. Innerweltliches Ziel der Bildung ist vielmehr die Bewahrung (retinere) geschenkter scientia und sapientia durch ihre jeweilige Realisierung. Konkret bedeutet das: In Auseinandersetzung mit der Welt (iste mundus) – und das heißt im Umfeld der veronesischen Gemeinde zu einem großen Teil noch in Auseinandersetzung mit dem Heidentum bzw. mit seinen sich in allen Formen von Kultur manifestierenden Resten – verwirklicht der Christ in der Taufe voraus-geschenktes Bewusstsein des Status als Christ (Identität) und Umsetzung dieses Status in ethischer Haltung und entsprechendem Tun. Der Bildungsvermittlung durch den Bischof in der Predigt bzw. dem Bildungserwerb des Zuhörers im Gottesdienst wird auf diese Weise (in platonischer Nachfolge) die Funktion eines stetigen DaranErinnerns bzw. Sich-dessen-Erinnerns mittels Hinweisen aus der Schrift bzw. in Form von Exempla in konkreten Situationen zugewiesen. II. Das transzendente Ziel Gelingt christliche Bildungsvermittlung bzw. christlicher Bildungserwerb, gelingt also Bewahrung von scientia und sapientia im Leben des Christen, so darf mit einem entsprechenden Lohn (fructus) 73 gerechnet werden. Dieser Lohn ist eigentliches Bildungsziel, er besteht formal in der persönlichen Teilhabe an der Transzendenz (immortalitas / aeterna vita), die sich qualitativ durch Glückseligkeit (beatitudo / felicitas) auszeichnet. 1. immortalitas und aeterna vita Am Begriff der immortalitas als Ziel christlicher Bildungsvermittlung und christlichen Bildungserwerbs lässt sich noch einmal zusammenfassend das gesamte zenonische Bildungskonzept aufzeigen. Zwar würde man zur Bezeichnung eines christlichen persönlichen Lebenszieles eigentlich den Begriff resurrectio, gegebenenfalls in Verbindung mit der Terminologie vita aeterna, erwarten.74 Doch die Differen71

Vgl. H.-I. MARROU, Augustinus, 468, zu einer von insgesamt 13 Bedeutungen von sapientia bei Augustin: „die sapientia hominis ist eine Teilhabe an der sapientia Dei“. 72 S. o. Anm. 70 zu sapientia conditus. 73 Vgl. litterarum fructus als Ertrag weltlicher Schulausbildung in I 36,3. 74 Vgl. I 2,1: „Quisquis resurrectionem negat, vitam suam, semet ipse condemnat.“

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

zierung zwischen ‚Auferstehung‘ und ‚Unsterblichkeit‘ scheint eine neuzeitliche Problematisierung eines Verhältnisses, das in der Antike keineswegs als problematisch empfunden wurde, zu sein und sich v. a. der „Dialektischen Theologie“ der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verdanken.75 Denn es „kann nicht geleugnet werden, daß die Kirchenväter von den platonischen Argumenten für die Unsterblichkeit der Seele ausgiebig Gebrauch gemacht haben.“ 76 Dieses Urteil findet auch in den Traktaten des Zeno von Verona seine Bestätigung; gemessen an der Rede des Veroneser Bischofs von immortalitas begegnet der Begriff resurrectio eher selten und auf wenige Traktate beschränkt. Der ausdrücklich De resurrectione handelnde Traktat I 2 geht vielmehr von der im Heidentum anzutreffenden Vorstellung der Unsterblichkeit aus, Platon (sapientissimus) und Vergil werden als Zeugen angeführt, um erst im Anschluss daran (tunc demum) die christliche Rede von der Auferstehung den Zuhörern als glaubwürdig (credi possit) näher zu bringen.77 Nirgends in den Traktaten 75

S. R. SCHAEFFLER, Consortium Divinitatis. Religionsphilosophische Prolegomena zu einer Theologie der Unsterblichkeit, in: Unsterblichkeit. Beiträge eines Arbeitsgesprächs zu Ehren von Richard Toellner, hg. v. F. Niewöhner, Wiesbaden 1999, 45–59, hier: 45. 76 Ebd. R. SCHAEFFLER, führt ebd., 45f., weiter aus: Es ist „freilich heilsam, sich daran zu erinnern, daß es sich bei der Gegenüberstellung von ,Unsterblichkeit‘ und ,Auferweckung‘ um eine vergleichsweise junge Antithese handelt und daß sie erst formuliert wurde, als die Metaphysik schon zu einem schwachen Gegner geworden war. In ihren Blütezeiten dagegen galt sie als starker Bundesgenosse der Theologie. Schon diese Feststellung läßt den Verdacht entstehen, daß die Polemik gegen die Unsterblichkeitslehre – oder allgemeiner gesprochen: die antimetaphysische Polemik jüngerer Theologen – vorwiegend dazu dient, den Verlust einer ehemals hochgeschätzten Argumentationshilfe nachträglich als einen Gewinn auszulegen. 77 I 2,2f.: „Nemo est enim tam vel ab istius mundi sapientiae gustu ieiunus, qui audeat dicere animas cum corporibus interire, caelestia cum terrenis absumi, praesertim cum eorundem ille sapientissimus dicat hanc esse mortem, cum corpore animus tamquam carcere clausus tenetur, illam esse veram vitam, cum idem animus custodia carceris liberatus ad eum locum, unde venerit, revertatur. Si ergo hoc ille sensit, qui non noverat Christum, cur dubitet Christianus, qui resurrectionem futuram et audit et sperat et repositam sibi praesumit de Christo? Igitur primo omnium probandum puto animas nostras suorum corporum exuviis nec cum labe carnalis huiusce domicilii ista prima morte dissolvi, sed pro qualitate factorum quasdam locis poenalibus relegari, quasdam placidis sedibus refoveri, ut tunc demum credi possit resurgere, quod omnibus palam sit non penitus interire.“ Vergil wird weiter unten in I 2,4 ausdrücklich angeführt, hier kommt er bereits durch die Terminologie (placidis sedibus) zu Wort. – Eine Verknüpfung von immortalitas mit einem Zwischenzustand bis zum Endgericht, wie ihn die Überschrift bei G. SGREVA, Teologia, 364, suggeriert, lässt sich für Zeno nicht eindeutig nachweisen. Dies räumt G. SGREVA, ebd., selbst ein: „Notiamo come Zenone non precisi ulteriormente l’habitat delle anime dopo morte.“ Nach dem Aufweis solcher Verknüpfungen bei anderen lateinischen Schriftstellern hält er, ebd., 366, für Zeno dennoch fest: „Resta poi la constatazione che il vescovo di Verona condivide con i latini del secolo IV

E. Das Ziel christlicher Bildung

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wird mit resurrectio explizit ein das Lebens- oder Bildungsziel bezeichnender Terminus wie fructus oder merces verknüpft. „Si enim credimus, quia Iesus mortuus est et resurrexit, sic et deus eos, qui dormierunt in Iesum, adducit cum eo.“ 78 Dieses Pauluszitat kann gewissermaßen als Zusammenfassung dem zenonischen Gesamtkonzept von Auferstehung vorangestellt werden. Der Terminus resurrectio dient selbstverständlich auch zenonisch zuerst zur Bezeichnung der Auferstehung Jesu als Glaubenswahrheit;79 sie unterscheidet sich insofern von einer zukünftigen Auferstehung der Toten (resurrectio futura),80 die ebenfalls Glaubenswahrheit ist,81 als sie deren Voraussetzung bildet.82 Die Annahme der Glaubenswahrheit erleichtern Exempla von Auferstehung in der Natur.83 Folge des Aktes der Auferstehung Jesu sind immortalitas (auch inmortalitas) 84 und beatitudo;85 oder anders ausgedrückt: Die Auferstehung Jesu ist Voraussetzung des summum bonum.86 Zeichenhaft vorweggenom-

l’idea che comunque il giudizio non avverà subito al momento della morte, come invece affermerà poi Girolamo.“ Die behauptete Nähe zu Tertullian und Laktanz in dieser Frage, ebd., 364f., belegt er nicht. Zeno setzt vielmehr immortalitas und resurrectio gleich, wie Traktat I 2 belegt. Dies führt bei G. SGREVA, Teologia, 376, zu der Feststellung: „il vescovo di Verona sembre talvolta identificare il problema dell’immortalità dell’anima e quello della risurezzione, anche se grosso modo la prima parte del sermone I 2 è dedicato più al tema dell’immortalità dell’anima, mentre la seconda parte insiste soprattutto sulla risurrezione.“ Auch im Folgenden spricht er, ebd., von „confusione“ statt von Identifikation. 78 I 2,12 in Zitation von 1 Th 4,14. 79 I 26 und II 5,1: passio resurrectioque (dominica ); I 33,4: resurrectio domini nostri Iesu Christi; I 34,8: „dominus postridie ab inferno resurgens“; I 46A,2: „[agnus] est … sepultus et resurrexit“; II 5,4: resurgens. 80 I 2,1.14: resurrectio; I 2,2.13: resurrectio futura ; I 2,22: „resurrectio mortuorum“; I 2,29: „ille, qui resurgit“; II 7,18: „in illo resurrectionis die“. 81 I 2,22: „Satis, ut opinor, resurrectionis veritas omnibus claret“; I 2,24: „ ,… quid est ergo quod credimus in ecclesia remissa peccatorum ac resurrectionem carnis?‘ “ 82 I 2,11: „Sed et homo ipse … perit, si Iesus non resurrexit“; I 16,2 vom Ostertag: „hic, inquam, qui nobis resurrectionis monstrat exemplum“. 83 I 2,17 von untergegangenen Sternen: „redivivi luminis lege suis sedibus resurexisse agnoscas“; I 2,20: „Similiter Phoenix avis illa pretiosa resurrectionis evidenter nos edocet iura“. 84 I 2,11: „At si resurrexit [Iesus], humano generi formam dedit, quoniam ad hoc deus pro homine mortis iura gustavit, ut homo per deum ius inmortalitatis reciperet“; I 15,9: „dominus resurgens … immortalitatem in se credentibus praestitit“; I 38,4: „ut beatae resurrectionis suae [sc. leonis, Christi,] in nos munus inmortalitatis conferret“; II 4,7: „Postremam suscipit mortem, ut ea devicta resurgens homini per hominem, quem gerebat, et spem vincendae mortis offeret et eum ad praemia inmortalitatis admitteret.“ 85 I 57 und I 58: „resurrectionem …, per quem nobis munus (bzw. quoque resurrectionem) futurae beatitudinis pollicetur“. 86 II 4,7: „Videtisne iam manifeste in homine suscipiendo fuisse providentiam, in passione sacramentum, in resurrectione summum bonum?“ Vgl. auch 1 Cor 15,42 in I 2,22: „seminatur in interitum, resurgit in perpetuitatem“.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

men werden kann die Auferstehung in der Taufe 87 und in besonderer Weise im engelgleichen Leben der Jungfrauen.88 Dies verweist darauf, dass zum ‚Geschenk‘ der möglichen Auferstehung auch der Mensch seinen Teil beisteuern muss, damit resurrectio und immortalitas erreicht werden; wer dies nicht leistet, den erwartet ein gegenteiliges Schicksal,89 das Zeno auch als secunda forma surgendi bezeichnet.90 Möglicherweise meidet er in den Traktaten den Terminus resurrectio aufgrund seiner generalitas nominis,91 die ihn hier zur Differenzierung zweier formae surgendi veranlasst.

Immortalitas (in eindeutiger positiver Terminologie) als Resultat der resurrectio hat folgerichtig auch dieselben Voraussetzungen: Theologisch sind dies trotz eigentlicher immortalitas des Sohnes Gottes 92 dessen Leiden und Sterben 93 und damit das Geschenk der Möglichkeit der immortalitas an den Menschen in der Taufe.94 Auf Seiten des Menschen bedarf es 87 I 2,25: „At cum mera fide credentis salutari fuerit necata baptismate, nova paterni sacro resurgit fontis ex gurgite … iam morte superior, iam caelestia aspirans“; I 16,2: „fidelis autem post secundae nativitatis occasum resurgens horrore numquam intercipitur tenebrarum“; I 55 von der Taufe: „Haec renovatio, haec resurrectio, haec vita aeterna“; I 57: „nunc invitat felix occasus, ut sacri oceani lacteo profundo dimersi inde novello novellique cum die resurgentes nobiscum possint ad inmortalitatis gloriam pervenire“; II 29,1: „Vetus enim homo vester feliciter … sacri gurgitis unda sepultus, ut sepulcri nido vivificatus resurrectionis iura gustaret.“ 88 II 7,4 unter Zitation von Mt 22,30 an die christliche Jungfrau gerichtet: „Esto sancta et corpore et spiritu, amore Christi ignem carnis exstingue, ut de resurrectionis gloria , quam hic iam tibi vindicas, taceam, in qua , ut dominus ait: Neque nubunt neque nubentur, sed sicut angeli erunt.“ 89 I 2,23 unter Zitation von Ps 1,5f.: „Duplex itaque forma surgendi est: prima sanctorum, in qua illud beatitudinis regnum primae tubae regali tessera convocati capient cum ingenti triumpho aeterno rege sub Christo; secunda vero, quae impios cum peccatoribus universisque incredulis gentibus perenni destinat poenae, in Psalmis spiritu sancto dicente: Ideo non resurgunt impii in iudicio neque peccatores in consilio iustorum, quoniam scit dominus viam iustorum et iter impiorum peribit“; Zitation von Ps 1,5 auch in I 35,3; II 4,18: „Unde dubium non est voluntatem nostram, cui se iunxerit parti, praebere victoriam eiusque in resurrectione aut praemio perfrui perenni aut consimili poena puniri“; s. auch I 35,4 den Gegensatz von perpetua vita und aeternum supplicium: „Nunc scire debemus, quoniam iusti vitae perpetuae, impii aeterno sunt destinati supplicio“. 90 I 2,23. 91 Ebd. 92 I 7,3: „solus [deus est] sempiternus, quia immortalitatis est dominus“; II 5,3: „Hic est, fratres, qui venturus denuntiatus est per prophetas, qui secundum carnem natus in tempore est, … filius virginis, immortalis sibi, homini moriturus“; s. auch II 4,2 die scheinbaren Widersprüchlichkeiten unter Bezug auf 1 Cor 15,47. 93 II 12,3: „Totum contra conscientiam suam ut homo infirmus patitur [filius dei], ut homini mortis lege consumpto inmortalitas tribuatur“; auch II 11,4: „Lignum auxiliare, quo tenditur vel portatur, crucis est dominicae signum, sine quo vivere immortalitatemque apprehendere in toto non potest Christianus.“ 94 I 24,1: „post lactei fontis lavacro vitali in spem inmortalitatis animas pullulantes … subito … emersistis infantes“; I 57: „felix occasus, ut sacri oceani lacteo profundo

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des Glaubens,95 aber auch eines postbaptismalen Beitrags – hier folgt Zeno der ethischen immortalitas-Konzeption des Laktanz 96 –, damit die geschenkte Möglichkeit 97 realisiert wird; an konkreten Leistungen im Zusammenhang mit immortalitas nennt Zeno timor dei,98 vera iustitia,99 continentia,100 voluptates obterere 101 oder auch das Martyrium;102 allgemeiner formuliert geht es darum, auf dem rechten Weg zu bleiben 103 und die dei praecepta zu beachten,104 insgesamt also religio und iustitia als Kenntnis anzueignen (agnoscere) und im eigenen Leben zu verwirklichen (servare),105 also um das, was sich als Inhalt christlicher Bildung (sowohl im Bereich ihrer Vermittlung als auch ihres Erwerbs) erwiesen hat. Oder, um dimersi inde novello novellique cum die resurgentes nobiscum possint ad inmortalitatis gloriam pervenire“; auf die Taufe bezogen auch I 33,4: „deo credentibus populis, qui omnia inmortalitatis semine propagantur in saecula“; I 2,26: „inmortalitatis semine … scilicet spiritus sancti conceptione“; s. auch I 2,30 unter Bezug auf 1 Cor 15,53: „induere inmortalitatem“ und „inmortalitatis stola“; indirekt I 26 bezüglich des Ostertages: „quia inmortalitas eius est cursus“. 95 I 15,9: „dominus … immortalitatem in se credentibus praestitit“; I 33,4: „deo credentibus populis, qui omnia inmortalitatis semine propagantur in saecula .“ 96 S. G. SGREVA, Teologia, 367. 97 I 15,9: praestare; II 12,3: tribuere. 98 II 2,7: „Vultis scire, cuius proprietatis sit [timor dei]? … hic solus ad hoc crescit, ut immortalem, quem possederit, faciat.“ 99 II 1,4: „veram iustitiam, cuius est inmortalitas merces“; II 4,7: „Iustitiam docet [filius dei] inmortalitatis esse comparatricem“; s. auch II 5,6 von den iusti in Zitation von Sap 3,4: „Et si coram hominibus tormenta passi fuerint, spes eorum immortalitatis plena est“. 100 II 7,11 (Tractatus de continentia): „Sin vero ad viduitatis sudorem gloriosum palmamque provocavero, nobis fortassis insultent [gentes], quia nostrae sacrae virgines viduaeque magno pro inmortalitatis praemio, suae autem gratis laborent.“ 101 II 1,14: „saeculares obterens voluptates cum fuerit victor carnisque nexibus liber, repromissae inmortalitatis inaestimabili beatitudine perfruetur.“ 102 II 22 vom Martyrium der Drei Jünglinge: „O felix supplicium, quod incolumitate superante inmortalitas prosequitur et corona“; unsterblich ist auch der Ruhm (laus), der durch das Martyrium erworben wird, s. I 39,1: „Dum beati Archadii martyris gesta annalibus triumphanda mandamus, in agonem immortalis laudis Christianus semper ardor animatur.“ Der Gebrauch des Adjektivs in diesem Sinn scheint jedoch für Zeno ungewöhnlich; allerdings deutet der Apparat bei B. LÖFSTEDT, Tractatus, 107, darauf, dass die Stelle verderbt ist. 103 I 44,2: „[nostri competentes] sacri oceani lacteo profundo demersi, surgentes … nobiscum possint inmortalitatis per aerium tramitem cursu servato ad repromissionis tempus … pervenire.“ 104 II 1,14: „dei praecepta custodiens … repromissae inmortalitatis inaestimabili beatitudine perfruetur.“ 105 II 4,8: „alia [vita a deo attributa est nobis] vero animi, quam nos nobis ipsi hac in vita per fidem sacri fontis vivo de gurgite conparamus, nobilis et aeterna , quia animus, qui vicerit mundum agnoscendo ac servando religionem veram veramque iustitiam, inmortalitatis necesse est pro laboris sui munere inmortali beatitudine perfruatur.“

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

es noch einmal übertragen zu sagen, scientia und sapientia sind Bedingung der immortalitas. Immortalitas ist zenonisch daher selbst zugleich Versprechen (repromissa) 106 und (Gnaden-)Geschenk Gottes (munus) 107 und vom Menschen selbst angeeignet (apprehendere) 108 und verdient (mereri);109 deshalb ist sie auch gleichzeitig Belohnung (praemium) 110 und Privilegierung (ius) 111 (von Seiten Gottes) und Ertrag (fructus) 112 bzw. Lohn (merces) 113 (aufgrund menschlicher Bemühung), alles in allem also Anerkennung und Herrlichkeit (gloria).114 Seltener als immortalitas, aber gänzlich synonym gebraucht begegnet in den Traktaten (aeterna oder perpetua) vita. Wie immortalitas wird (aeterna) vita sowohl auf den Platonismus 115 als auch auf die heilige Schrift 116 als Quelle zurückgeführt. Voraussetzungen der (aeterna) vita sind gleichermaßen Tod und Auferstehung Christi 117 und auf Seiten des Menschen Glaube 118 und Taufe,119 hier ergänzt um den Hinweis auf den freien Wil106 II 1,14: repromissa immortalitas; vgl. auch I 44,2: „inmortalitatis per aerium tramitem … ad repromissionis tempus … pervenire“. 107 I 38,4 und II 4,8: munus inmortalitatis; s. auch I 57: „munus futurae beatitudinis“. 108 II 11,4: immortalitatem apprehendere. 109 I 2,26: „[caro] inmortalitatis semine … scilicet spiritus sancti conceptione insita fit … iure possit mereri quod credimus.“ 110 II 4,7: praemia inmortalitatis; II 7,11: inmortalitatis praemium. 111 I 2,11: „ut homo per deum ius inmortalitatis reciperet“. 112 I 6: immortalitatis fructus. 113 II 1,4: „[iustitia] cuius est inmortalitas merces“. 114 I 57: „ad inmortalitatis gloriam pervenire“. 115 Zeno referiert in I 2,2 den platonischen Dualismus, der das irdische, an den Köper gebundene Leben als mors und die Befreiung der Seele vom Körper durch den leiblichen Tod als vera vita versteht. 116 Immortalitas begenete in der Zitation von Sap 3,4 in II 5,6 und 1 Cor 15,53 in I 2,30; (aeterna ) vita findet sich in der Zitation von Gal 6,8 in I 2,28: „qui autem seminat in spiritu, de spiritu metet vitam aeternam“ und von Sir 15,18 in II 4,18: „Ante hominem bonum et nequam, mors et vita ; quod elegerit, hoc dabitur ei.“ 117 I 46A,2: „[agnus est dictus] salutaris, quia mortem mutavit in vitam; propter nos qui est occisus et vivit, sepultus et resurrexit“; II 4,7: „Sicque factumest, ut, quomodo per unius hominis damnationem in omnes homines damnatio, sic per unius iustificationem in omnes homines iustificatio aeternae decurreret vitae.“ 118 I 33,4: „In huius diei luce gradientes exsultemus fide, …ut perpetuam vitam adipisci mereamur“; II 4,8: „alia vero animi [vita], quam nos nobis ipsi hac in vita per fidem … conparamus, nobilis et aeterna“. 119 I 55 von der Taufe: „Haec renovatio, haec resurrectio, haec vita aeterna“; II 4,8: „alia vero animi [vita], quam nos nobis ipsi hac in vita per fidem sacri fontis vivo de gurgite conparamus, nobilis et aeterna“; II 6,6 unter Bezug auf die Piscina: „illi perennis fontis sui vivum inest mare, … quod naufragos ad vitam suavem perducat“;

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len.120 Wie voluntas verweist auch die Verbindung mit sapientia und eruditio auf Voraussetzungen im Bereich der Ethik,121 auf virtutes 122 und entsprechendes Verhalten (bona conversatio),123 konkret auch iustitia,124 Überwindung der avaritia 125 und martyrium.126 Auch die aeterna vita ist daher zenonisch von Gott geschenkt 127 und zugleich vom Menschen erworben (comparare, adipisci) und verdient (mereri);128 auch sie ist mit Anerkennung (gloria) 129 und Adel (nobilis) verknüpft.130

indirekt auch I 46B,3: „nobis … melle dulcior ac lacte candidior aeternae vitae beatitudo dei tribuetur“; II 15 (Item invitatio fontis) über die Drei Jünglinge: „Mors transit in vitam, metus in gloriam“ und II 27: „in se credentes baptizat spiritu sancto … Melioratur vita supplicio.“ Vgl. auch die jüdische Vorstellung von der Beschneidung als Voraussetzung ewigen Lebens in I 3,1: „Solet enim [Iudaeus] magnis cum vociferationibus saepe iactare hanc [sc. circumcisionem] esse gentis suae nobilitatem, … hanc aeternae vitae legitimam genitricem, hanc perpetuam futuri regni consortem“, wieder aufgegriffen in der einem Juden in den Mund gelegten wörtlichen Rede in I 3,8: „Inde est, quod et ego aeternam vitam me possidere contendo, quia specialiter anxiam curam mortis mihi a deo praestitam recognosco [circumcisionem].“ 120 II 4,5 vom Menschen bei der Schöpfung: „quia [homo] erat iam sapientia conditus, …eligendi mortem vitamve praecepti eruditione commonitus, eum propriae voluntati commisit [deus]“; II 4,18 in Zitation von Sir 15,18: „Ante hominem bonum et nequam, mors et vita ; quod elegerit, hoc dabitur ei“. 121 S. II 4,5 in Anm. 120; vgl. II 11,5: „Christianus monitis divinis praecinentibus obsecundando, in quibus aeternae fructus est vitae, et defenditur pariter et nutritur.“ 122 I 4,1: „beata diversis vita virtutibus quaeritur“. 123 I 33,4: „iucundemur bona conversatione, ut perpetuam vitam adipisci mereamur“; zu conversatio im Sinn von ,Lebenswandel‘ vgl. K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 1662f. (Lemmata „conversatio“ und „conversor“); s. auch iustificatio im doppelten Sinn von ,(ge-)rechtes Handeln‘ und ,Rechtfertigung‘ in II 4,7: „Sicque factum est, ut, quomodo per unius hominis damnationem in omnes homines damnatio, sic per unius iustificationem in omnes homines iustificatio aeternae decurreret vitae.“ 124 I 35,4: „iusti vitae perpetuae … sunt destinati“; vgl. auch iustificatio in II 4,7 in Anm. 123. 125 I 21: „Quam [sc. avaritiam] qui vicerit, habebit vitam aeternam.“ 126 I 33,3: „Autumnus quoque martyrii locus est, in quo non vitis, sed fossoris sanguis effunditur, ut vita beata pretiosae mortis vindemia comparetur“; II 11,5: aeternae fructus vitae; II 11,7: „martyr dominicae habitationis in recondita adsumitur, ut ibidem ex homine in angelum transfusus aeternae vitae beatitudine glorietur.“ 127 I 46B,3: „nobis … melle dulcior ac lacte candidior aeternae vitae beatitudo dei tribuetur“; vgl. auch II 4,7: „ut …iustificatio aeternae decurreret vitae.“ 128 I 33,3: „ut vita beata pretiosae mortis vindemia comparetur“; I 33,4: „ut perpetuam vitam adipisci mereamur“; II 4,8: „alia vero animi [vita], quam nos nobis ipsi hac in vita … conparamus, nobilis et aeterna“. 129 II 11,7: „ut … aeternae vitae beatitudine glorietur [martyr]“; II 15 über die Drei Jünglinge: „Mors transit in vitam, metus in gloriam“. 130 II 4,8: „alia vero animi [vita] … nobilis et aeterna“.

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2. beatitudo und felicitas Die Qualität, die die immortalitas auszeichnet, ist beatitudo.131 Obwohl der Terminus felicitas bzw. das entsprechende Adjektiv felix nur indirekt mit der Unsterblichkeit in Zusammenhang gebracht werden, 132 sind beatitudo und felicitas zenonisch wie bei den meisten christlichen Schriftstellern lateinischer Sprache weitgehend synonym. Während Cicero den seit Aristoteles gebräuchlichen Terminus für menschliches (irdisches) Glück, åšäáéìïíßá, mit beatitudo übersetzt und sich damit gegenüber der von Varro benutzten Übersetzung felicitas durchsetzt, verwendet die Vulgata beatitudo bzw. beatus als Übersetzung für die neutestamentlichen Begriffe ìáêáñéüôò bzw. ìáêÜñéïò. Dies sind auch schon in der griechischen Philosophie theologische Begriffe, insofern sie den leidlosen Zustand der Götter oder derjenigen, die zu ihnen gelangt sind, bezeichnen.133 Die doppelte Verwendung von beatitudo im Lateinischen führt dazu, dass man hier terminologisch nicht mehr differenziert,134 so dass, insbesondere von den christlichen Schriftstellern 135 beatitudo und felicitas schließlich synonym verwendet werden. Bei Augustinus bezeichnen die Termini den Besitz aller seelischen wie leiblichen Güter, welcher in diesem (irdischen) Leben nicht vollkommen erreichbar ist.136 Es bedarf eines guten irdischen Lebens, d. h. eines auf Gott bezogenen usus der Welt, und göttlicher Hilfe, um im ‚ewigen Leben‘ beatitudo, die fruitio Gottes ist, zu erlangen.137

131 II 1,14: inmortalitatis beatitudo; II 4,8: inmortalis beatitudo; auch I 46B,3 und II 11,7: aeternae vitae beatitudo; I 57 und I 58: resurrectio futurae beatitudinis. 132 I 2,1: felicitas futuri temporis; in I 4,22 bezeichnet Zeno den Träger der patientia als bereits irdisch und „auf ewig“ (K. E. u. H. GEORGES, lat.-dt. Handwörterbuch I, 214) glückselig: „Felix aeternumque felix est, qui semper te [, patientia,] habuerit in se.“ 133 Vgl. jedoch R. HOLTE, Beatitudo, 382, der von der åšäáéìïíßá als summum bonum schreibt: „Es ist dies bei den Griechen eine alte Bezeichnung für ein Lebensideal, welches das Leben der Menschen dem der Götter so nahe bringt, wie man sich überhaupt nur wünschen kann [sic], ohne der Hybris schuldig zu werden. Der Begriff, der aus äáßìùí abgeleitet ist, ist auf das engste verbunden mit der Frage, wer das menschliche Schicksal gestalte. Hierauf sucht die Religion die Antwort bei einer Gottheit ausserhalb des Menschen, die Philosophie dagegen bei dem Menschen selbst“. 134 S. R. LEONHARDT, Glück als Vollendung des Menschseins. Die beatitudo-Lehre des Thomas von Aquin im Horizont des Eudämonismus-Problems, Berlin / New York 1998, 81f. 135 S. ebd., 82, Anm. 23. 136 S. etwa AUG. civ. 19,4 (CChr.SL 48,664–669 Dombart / Kalb) in Auseinandersetzung mit verschiedenen philosophischen Antworten auf die Frage nach dem summum bonum. Zur Rezeption stoischer Topoi, der Auseinandersetzung und ihrer letztendlichen Ablehnung Augustins aufgrund der stoischen These irdischer Erreichbarkeit des Glücks ausführlich S. HARWARDT, Die Glücksfrage der Stoa in Augustins De beata vita. Übernahme und Anwendung stoischer Argumentationsmuster, in: Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karl-und-Gertrud-AbelStiftung vom 22.–25. September 1997 in Trier, hg. v. T. Fuhrer u. M. Erler, Stuttgart 1999, 153–171. 137 S. R. LEONHARDT, Glück, 86f.

E. Das Ziel christlicher Bildung

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Felicitas begegnet in den zenonischen Traktaten durchaus im Sinn irdischer Fruchtbarkeit oder irdischen Glücks.138 In diesen Fällen kann häufig jedoch ein Konnex mit einer jenseitigen felicitas mitgedacht werden; dies wird vermutlich besonders denjenigen Zuhörern gelingen, denen die zenonische Konzeption jenseitiger felicitas bereits bekannt ist;139 an manchen Stellen wird der Vorgriff auf die zukünftige felicitas durch irdische felicitas jedoch auch ausdrücklich betont.140 Beatitudo hebt wesentlich seltener auf den irdischen Bereich ab; in solchen Fällen ist immer ein Vorgriff auf jenseitige beatitudo durch entsprechendes irdisches Tun gemeint.141 Insbesondere kann vorgreifend schon der beatus sein, der nicht „in der ersten Geburt verharrt“, also grundsätzlich jeder Getaufte. 142 Es lässt sich in all diesen Verknüpfungen irdischer und zukünftiger felicitas und beatitudo das letztlich zum Scheitern verurteilte Bemühen erkennen, das christliche

138 Für wenig spezifizierbares irdisches Glück stehen felicitas und entsprechendes Adjektiv oder Adverb im Sinn von , felicitas gewährend‘ in I 1,3.5; I 4,3.15.17.19; II 3,2; für die Fruchtbarkeit in der Natur in I 2,22; I 4,6; I 33,1 und II 11,3; für das Mutterglück in I 59,5 (Sara) und II 8,8 (Elisabeth); für Reichtum in I 5,11; übertragen für geistigen Reichtum des Christen in II 3,1; auch II 6,10; für das Anwachsen des Christentums in I 5,18; I 37,5 (erfolgreiches Wirken des Petrus) und II 6,5; für ,Heil‘ im Sinn von irdischer Gesundheit und Überleben in I 29,2 (Durchzug durchs Rote Meer); I 31 (Drei Jünglinge im Feuerofen); I 34,4 (Steinigung des Paulus) und II 2,5 (Jonas im Bauch des Walfischs). 139 Bei genauer Betrachtung bieten sich im Grunde alle in Anm. 138 genannten Stellen an, besonders aber I 54,5 (Hebamme Mariens) und I 2,13 (Mutter der Makkabäer), wo die Terminologie auf Glück trotz physischer Verletzung bzw. Tod aufgrund eines Wissens um zukünftiges Heil deutet, und I 1,20 und II 7,11 (bezogen auf die schon im Leben engelgleichen virgines, denen die nicht glücklichen heidnischen virgines gegenüberstehen). 140 I 4,22: „Felix aeternumque felix est, qui semper te [, patientia,] habuerit in se“; I 15,6 von Ijob: „O felix vir, qui mira patientia deum promeruit“ (Hervorhebung B. D.). 141 So in I 14,9, wo Zeno die Großzügigkeit seiner Gemeinde gegenüber Witwen und Bedürftigen lobt: „Plura ad laudem huius beatitudinis vestrae possem dicere, nisi essetis mei“; auch die Auslegung von Ps 127,1 in II 2,3 verweist auf einen Vorgriff derjenigen, die Gott fürchten. Auch die Bezeichnung großer Exempla der Christen als beati (Iob beatus in I 15,7.9; Archadius in I 39 passim) und beatissimi (s. o. S. 457, Anm. 82) hebt nicht nur darauf ab, dass sie bereits verschieden sind und damit die jenseitige beatitudo schon erlangt haben, sondern auch auf ihr zur beatitudo führendes Wirken in der Welt. 142 II 10,1 in Auslegung von Ps 31,1: „Recte sanctissimus David ait: Beati quorum remissae sunt iniquitates et quorum tecta sunt peccata , quia beatus esse non potest, fratres, in prima nativitate persistens“; auch II 29,3: „Itaque beatus est, semper qui meminit, quod renatus sit; beatior, qui non meminerit, fuit, antequam renatus sit; beatissimus, qui infantiam suam provectu temporis non mutaverit“; II 24,2 von der Taufe: „Mira ratio, mira beatitudo!“; vgl. auch I 46B,3: „nos post baptismum ad paradisum pervenimus.“

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Glückskonzept mit dem dem römischen Intellektuellen vertrauten Glückskonzept stoischer Ethik zu vereinbaren.143 Diese letztendliche Unvereinbarkeit hat zur Folge, dass schließlich in den meisten Fällen sich beatitudo und felicitas zenonisch doch eindeutig auf einen zukünftigen, jenseitigen Status beziehen. Da sie in diesen Fällen gewissermaßen qualifizierende Beschreibungen der immortalitas sind, decken sich auch ihre Voraussetzung mit denen der immortalitas. Es sind dies theologisch Leiden und Auferstehung Christi,144 und auf Seiten des Menschen Glaube,145 praktisch Taufe,146 im Anschluss daran Erwerb religiösen Sachwissens 147 und ethischen Wissens 148 und in der Konsequenz ein timor dei 149 bzw. ein Befol143 In diesem Bemühen unterscheidet Zeno sich nicht von Augustin, auch wenn er keine entsprechend systematische Auseinandersetzung vorlegt; vgl. o. Anm. 136. Auch wenn in Zenos Traktaten immer wieder stoisches Gedankengut anklingt, vermitteln die Traktate einen ähnlichen Eindruck wie S. HARWARDT, Glücksfrage, 171, ihn für Augustin formuliert: „Es lassen sich keine direkten Quellen feststellen, aus denen Augustinus seine Kenntnisse geschöpft hat. Die Tiefe seiner Stoa-Rezeption spricht aber gegen ein bloßes Handbuchwissen. Allerdings bleibt es, wie so oft, gerade bei allgemeinen Fragen schwierig, stoisches Gedankengut (d.h. inhaltliche Anlehnungen bzw. Übernahmen) strikt von anderen philosophischen Richtungen, namentlich dem (Neu-)Platonismus, zu trennen.“ 144 I 57 und I 58 vom Ostertag: „nam occasu passionem resurrectionemque ortu redivivo concelebrat, per quem nobis munus (bzw. quoque resurrectionem) futurae beatitudinis pollicetur“; vgl auch I 3,20 vom Kreuzestod Jesu: „prior vir consummatur in cruce atque eo feliciter soporato“; I 10B,2: felix lignum im Sinn von , felicitas gewährendes Kreuz‘. 145 I 55: „quantum quis crediderit, tantum beatitudinis et habebit“; II 5,1: „spes futurae beatitudinis credenti“; auch I 2,1: „Cur enim mereatur felicitatem futuri temporis cernere, quem videas sacrilega incredulitate dei potentiae derogare?“; I 36,3: „Quid Christianus credit in Christum, si promissum sibi ab eo perpetuae felicitatis tempus non credit esse venturum?“ 146 I 44,2 und I 57 vom felicitas gewährenden Untertauchen bei der Taufe: felix occasus; auch I 46B,2 bezogen auf die Taufe: „nostrum mare … feliciter naufragos facit“; II 23: „pii fontis ad gurgitem convolate! Vos constanter inmergite, salvo salutis statu veteris hominis vestri felici morte victuri! “; II 24,2 von der Taufe: „Mira ratio, mira beatitudo!“; II 29,1: „Vetus enim homo vester feliciter condemnatus est, ut absolveretur, sacri gurgitis unda sepultus“. 147 I 32: „mater nostra … sacri altaris feliciter enutrit a cancellis“; zur Bedeutung von enutrire besonders an dieser Stelle im Sinne einer Grundausbildung s. o. S. 418– 425, bes. 421f.; in ähnlich bildhafter Rede auch II 28 an die Taufkompetenten gerichtet: „Intrate ergo, intrate felices, omnes simul subito futuri lactantes“; zur Bedeutung von lactare s. o. S. 411–417; II 3,1: „Christianae fidelitatis felicitas maxima est fidei nosse naturam“; II 4,8: „animus, qui vicerit mundum agnoscendo ac servando religionem veram veramque iustitiam, inmortalitatis necesse est pro laboris sui munere inmortali beatitudine perfruatur“; II 11,5: „de homine loto felicius manant doctrinae caelestis divina fluenta“; zur Bedeutung von doctrina s. o. S. 425–428. 148 I 10A vom Lernen aus dem Fehlverhalten der Juden: „Compendiosum felicitatis genus alterius periculo discere, quid debeas devitare“; I 15,1 vom ethischen Wissen

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gen des Willens Gottes,150 also entsprechendes ethisches Verhalten (probitas) 151 in Form von Bewährung in der Welt,152 die sich u. a. in iustitia153 und patientia,154 in pudicitia 155 und virginitas,156 in Armut bzw. Überwindung des Geizes,157 schließlich in besonderer Weise im Martyrium 158 äußert. über die maiores: „Tanta enim probitate vixerunt, ut pars felicitatis sit nosse, quid fecerint“; s. auch II 4,8 und II 11,5 in Anm. 147; auch die auffordernde Rede vom himmlischen Mahl nach der Taufe in I 24,1 dürfte vergleichbar allem metaphorischen Reden Zenos von ,Ernährung‘ im Anschluss an die Taufe als Bild für sachreligiöses und v. a. ethisches Lernen von den im Traktat angeführten Exempla stehen: „subito una geniti emersistis infantes, hortor vos nativitatis tantae festa laeto celebrare convivio … ut saturi semper ac felices esse possitis, esurienter accipite.“ 149 II 2,3 in Deutung von Ps 127,1 im Umkehrschluss: „nullus hic beatitudinis locus est, ubi non devotionis, sed necessitatis est quod timetur.“ 150 I 4,8 von Adam im Paradies: „Denique Adam in arce cum esset adhuc paradisi constitutus beatissimusque beati orbis imperio potiretur, tam diu felix, tam diu inexterminabilis vixit, quam diu imperata regalis edicti continuit.“ Zur zukünftigen ,Rückkehr ins Paradies‘ s. u. S. 586. 151 S. o. I 15,1 in Anm. 148 und II 4,8 in Anm. 147. 152 S. o. II 4,8 in Anm. 147; II 4,11 im Bild vom Kampf mit der Welt: „Illinc spiritus, quasi quidam dux peritissimus, horum omnium praedicit fugam, in armis expeditissime standum, vigilandum diligenter, undique castra munienda , defensanda regalia fortiter ac tenaciter signa ; aestus, frigus, famem, sitim universaque discrimina aequanimiter perferenda ; mundum abdicatione calcandum mortemque ipsam, perennis cui beatitudo succedat, praemium victoriae magis esse quam mortem“; auch I 41,1 im Bild vom felicitas gewährenden Mahlen des Mühlsteins: „molarisque lapidis pio pondere feliciter fracta [laeta frumenta]“. – Um felicitas zu erlangen, sind insbesondere avaritia (I 2,9) und impietas im Sinne von Pflichtvergessenheit (I 10A) zu meiden, oder im Bild, die Gewohnheiten des alten Menschen sind abzulegen, so in II 23: veteris hominis vestri felix mors und II 29,1: vetus homo vester feliciter condemnatus. 153 I 2,23: „Sed necessario disserendum est, quae sit in ea iniustorum iustorumque discretio, ne generalitas nominis [resurrectionis] in conparatione malorum attrahat gloriam Christianae felicitatis“; s. auch II 4,8 in Anm. 147. 154 I 4,22: „Felix aeternumque felix est, qui semper te [, patientia,] habuerit in se“; s. auch I 15,6 von Ijob: „O felix vir, qui mira patientia deum promeruit“.Vgl. dazu auch P. ROUSSEAU, Homily, 145–161, hier: 158, über das zenonische Konzept der patientia als „doorway“ zu beata vita. 155 I 1,5: „Beata [pudicitia] cum adludit in pueris, beatior cum adolescentibus lapsus feliciter timet, beatissima cum in iuvenibus carnalia extinguere laborat incendia“; I 1,21: „Postremo ille felix in futurum regnabit, qui tecum [, pudicitia,] illo pervenerit.“ 156 Felix im Sinne von , felicitas gewährend‘ in I 1,20: „Tu [, pudicitia,] in virginibus felix“; II 7,11: felicitas virginitatis. 157 I 2,9: pauperis felicitas; I 2,10: „probat [dives ille tenacissimus] felicius esse quod oderat.“ 158 II 11,7: „et martyr dominicae habitationis in recondita adsumitur, ut ibidem ex homine in angelum transfusus aeternae vitae beatitudine glorietur“; II 22 vom ,felicitas gewährenden‘ Martyrium der Drei Jünglinge: „O felix supplicium, quod incolumitate superante inmortalitas prosequitur et corona“; auch I 31 von den felicitas erwerbenden

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Auf dieser Grundlage sind beatitudo bzw. felicitas wie schon immortalitas sowohl Zusage 159 und Geschenk Gottes 160 als auch zustehender Lohn für die Bemühungen des Christen,161 daher auch gloria.162 Das Gegenteil solcher immortalitatis beatitudo ist indessen aeterna mors und perennis poena.163

Zeno lässt gemäß biblischer Darstellung nach der Auferstehung diejenigen, die die genannten Bedingungen erfüllt haben, in das Reich Gottes einziehen.164 Die Qualität der immortalitas, für die beatitudo und felicitas stehen, wird in den zenonischen Traktaten den Zuhörern sehr konkret vor Augen geführt. Dabei orientiert sich der Bischof offensichtlich an den ganz vitalen Ängsten und Sorgen seiner Zeitgenossen. In der dei civitas,165 so auch die zenonische Terminologie, sind die Sorgen des irdischen Lebens außer Kraft gesetzt,166 die Sorgen bezüglich eines Mangels an Wohnraum,167 an Nahrung 168 oder an anderen materiellen Gütern,169 es gibt keine Gewalt,170 kein unsoziales Verhalten,171 keine Anschuldigungen 172;

Drei Jünglingen: „Ingens supplicium aliquotiens ingentior prosequitur gloria , maxime divinis in rebus, in quibus felices obnixa devotione suam religionem custodiunt potius quam salutem.“ 159 I 2,32: repromissa felicitas; I 36,3: promissum perpetuae felicitatis tempus; I 57: „munus futurae beatitudinis pollicetur“. 160 I 2,32; I 57 und II 4,8: munus; I 4,19: donum. 161 I 2,1: mereri felicitatem futuri temporis; I 15,6: felix vir deum promeruit; II 4,8: „necesse est pro laboris sui munere“. 162 I 2,23: gloria Christianae felicitatis; I 2,32: in aeternum manentis gloriae felicitas. 163 I 33,2; s. auch I 2,11: mortuus in aeternum; I 2,23 und II 4,18: perennis poena ; I 2,32: mors in aeternum; I 3,9: in aeternum homo periturus; I 35,4: aeternum supplicium; I 35,9: aeterna poena ;I 13,4: perpetuum poenale supplicium. 164 I 2,23 in Anlehnung an 1 Th 4,16f.: „prima [forma surgendi est] sanctorum, in qua illud beatitudinis regnum primae tubae regali tessera convocati capient cum ingenti triumpho aeterno rege sub Christo“. 165 I 5,18; auch I 5,17: aetheria illa civitas. 166 I 5,18: „Nemo sit … sollicitus … estote securi“. 167 Ebd.: „Nemo sit de mansione sollicitus“. 168 I 46B,3 im physischen wie geistigen Sinn: „Illis [sc. Iudaeis] sitientibus petra fluxit in poculum, at Christi fontem qui biberit, in aeternum sitire non novit. Illis in deserto suavitas lactis et mellis exhibita est, nobis vero … melle dulcior ac lacte candidior aeternae vitae beatitudo dei tribuetur in regno.“ 169 I 5,18: „nihil in illa deest umquam, … nemo eget“. 170 Ebd.: „nihil ab suo statu aut tollitur aut declinat; … nemo iugulat, moritur nemo“; vgl. auch I 4,15 bezogen auf die Unterlassung der Opferung des Isaak: „Felix orbis fuerat, fratres, si omnes sic fierent parricidae.“ 171 I 5,18: „nemo invidet, nemo furatur, nemo rapit … Nemo suam vestem, nemo suas margaritas abscondit, nemo lapides pretiosos, nemo aurum, nemo argentum, et tamen ullus non timet furtum.“ 172 Ebd.: „nemo proscribit“.

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auch Angst vor Naturgewalten ist in der beatitudo ausgeschlossen.173 Vielmehr erwartet die Glückseligen jeweils das positive Gegenteil ihrer irdischen Ängste: gemeinsamer Erfolg und Wohlstand, 174 ausreichend Wohnraum 175 und gemeinsamer Besitz,176 Frieden,177 physische Erholung 178 und Unsterblichkeit als höchste Form der Gesundheit, 179 Eintracht 180 und Gleichheit.181 Dies hat seine Ursache darin, dass der Mensch von seinen physischen Bedürfnissen befreit ist, 182 er somit engelgleich ist.183 Er hat damit (ähnlich der neuplatonischen Rückkehrkonzeption) den Zustand wieder erlangt, den Adam vor dem Sündenfall im Paradies vorgefunden, durch den Sündenfall aber in die irdischen Sorgen des Menschen verwandelt hatte.184 Das Streben nach beatitudo beginnend mit der Tau173 II 2,3 im Umkehrschluss: „Cum gravamur rumpentibus sonis, concussis undique cardinibus, cum praeter morem terrifico fragore intonans concrepat caelum, cum inter caecas pinguibus conductas nubibus tenebras crebrae micantes curvis ignibus flammae intercepti diei lumen inconstanter assimulant, cum ardent plura fulminibus, cum terra vel tremit vel hiatu se recipit in se, nullus hic beatitudinis locus est“. 174 I 5,18: „omnes felices“. 175 I 5,17: „habitacula praeparata sunt infinita“; vgl. auch II 11,7: „martyr dominicae habitationis in recondita adsumitur“. 176 I 5,18: „quod unius est, omnium est; quod omnium, singulorum.“ 177 I 15,9: „Iob beatus quievit in pace“. 178 I 2,32 unter Zitation von Ps 114,7: „Convertere, anima mea , in requiem tuam, quia dominus … liberavit animam meam a morte … Haec nos felicitas manet“; s. auch I 15,9 in Anm. 177. 179 I 5,18: „omnes inmortales“; vgl. I 15,9: „Iob et sanitatem recepit et facultatem; at dominus resurgens non sanitatem tantum, sed immortalitatem in se credentibus praestitit“. 180 I 5,18: „omnes unanimes“. 181 Ebd.: „omnes sunt semper aequales“. 182 II 1,14: „[dei praecepta custodiens] cum fuerit victor carnisque nexibus liber, repromissae inmortalitatis inaestimabili beatitudine perfruetur.“ 183 II 11,7: „martyr dominicae habitationis in recondita adsumitur, ut ibidem ex homine in angelum transfusus aeternae vitae beatitudine glorietur“; s. auch II 10,2 von der Zukunft der Getauften: „aqua nostra suscipit mortuos et evomit vivos, ex animalibus veros homines factos, ex hominibus in angelos transituros, si provectus aetatis eorum infantiam non mutaverit“; II 7, 4 unter Zitation von Mt 22,30 vom irdischen Vorgriff der Jungfrauen auf engelgleiches Leben: „Esto sancta et corpore et spiritu, amore Christi ignem carnis exstingue, ut de resurrectionis gloria , quam hic iam tibi vindicas, taceam, in qua , ut dominus ait: Neque nubunt neque nubentur, sed sicut angeli erunt.“ 184 I 4,8: „Denique Adam in arce cum esset adhuc paradisi constitutus beatissimusque beati orbis imperio potiretur, tam diu felix, tam diu inexterminabilis vixit, quam diu imperata regalis edicti continuit. At ubi sinistro consensu invidi ex lubricitate serpentis est inpatientiam mutuatus sacraeque arboris pomum male dulce delibavit, lacrimas repperit, dolores et gemitus, spinas et tribulos sibimet comparavit ultimoque sudore turbatus posteris hereditatem indigestae mortis, quae homicidium mox [ut] peperit, dereliquit“ (kursive eckige Klammer = Athetese des Hg.).

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

fe 185 ist also Gegenbewegung zum Sündenfall, ihr Erlangen Rückgängigmachung desselben. Zwar ist für Zeno beatitudo so – anders als es das augustinische Konzept der beatitudo als Gottesschau und -erkenntnis (Gnosis) mutmaßen lässt – kein Ziel, das sich nur der Intellektuelle vorstellen kann; der Veroneser Bischof malt das Bild der beatitudo vielmehr mit den Komplementärfarben des irdischen Lebens des größten Teils seiner Zuhörer; beatitudo ist Erlösung von aller irdischen Beschwerlichkeit. Dennoch kann aber der intellektuelle Zuhörer Zenos auch erschließen, dass solche beatitudo durchaus ein Anlangen bei Gott ist – wenn auch die augustinische Formulierung fruitio fehlt –, denn Gott ist seit aller Zeit deus beatae perpetuitatis.186 Wenn der Mensch in dieser perpetuitas angekommen ist, wenn er aeterna vita und beatitudo erlangt hat, wenn er caelestis homo geworden ist, dann erst realisiert sich seine Abbildhaftigkeit Gottes, 187 ja es kommt gewissermaßen zur Vereinigung mit Gott: „qui sancte portaverint [imaginem dei], sicut apostoli omnesque iusti, non tantum imaginem, sed ipsum deum quoque portabunt, sicut et scriptum est: Vos estis templum dei, et spiritus dei habitat in vobis.“ 188

185 Taufe kann nach I 46B,3 als Vorgriff auf das Paradies verstanden werden, sie ist auf jeden Fall Mindestvoraussetzung: „nos post baptismum ad paradisum pervenimus.“ Vgl. G. SGREVA, Teologia, 362. 186 I 56,1: „Principium, fratres, dominus noster incunctanter est Christus, quem ante omnia saecula pater adhuc utrumque in semet ipso deus beatae perpetuitatis indiscreta spiritus plenitudine nescio qua sua conscientia velatum filii non sine affectu, sed sine discrimine amplectebatur [sic].“ Dieser Einleitungssatz lässt auf den ersten Blick am sprachlichen Duktus wie am Inhalt erkennen, dass er intellektuelle Hörer anspricht. Vgl. auch II 3,15: accensus nascentis dei de deo spiritusque sancti inaestimabilis incomprehensibilisque divinitatis perpetuitas. 187 II 30,3 (bezogen auf Gn 1,26f. „Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram“ in II 30,2): „Non ergo carnale hoc indumentum imaginem dei debemus accipere, sed caelestis hominis spiritalem, quam nobis plenitudinis suae pio de fonte largitur.“ 188 II 30,4 unter Zitation von 1 Cor 3,16.

F. Resümee: Zenos Konzept christlicher Bildung

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F. Resümee: Zenos Konzept christlicher Bildung Im Bild von der secunda nativitas in der Taufe und der sich daraus ergebenden infantia der Christen konstruiert Zeno die Voraussetzung einer christlichen Bildung: Christliche Bildung, aus zenonischer Sicht etwas völlig Neues, wird nötig, weil mit der zweiten Geburt neues Leben beginnt, das durch Bildung zu gestalten ist. Während das abzulegende Alte, das Leben als Heide, von Zeno nur deshalb in der an Christen gerichteten Predigt immer wieder dargestellt wird, um es als Negativ-Folie dessen, was nicht geglaubt und wie nicht gelebt werden darf, für eine NeuOrientierung zu instrumentalisieren, ist die Ausrüstung für das neue Leben positiv zu benennen. Die infantia der Christen ist vorgebildet in der infantia des alttestamentlichen Typos Isaak und seines neutestamentlichen Antitypos Christus; während jedoch Christus in seiner ersten nativitas, der Zeugung vor der Zeit, als Gott in Erscheinung tritt, und er sich in der zweiten, niedrigen nativitas, in der Inkarnation, zu weltlichem Leben der Menschen herablässt, wird der Christ in chiastischer Umkehrung nach einer ersten, niedrigen nativitas in die Welt hinein durch die zweite nativitas der Taufe gewissermaßen in einen Status jenseits der Welt erhöht. Die Allegorie der zweiten Geburt und der Kindheit der Neu-Christen wird ergänzt durch die mit der Taufe verbundenen Metaphern des weißen Gewandes und der Milch, die den neuen Kindern von der Mutter ecclesia gereicht werden. Das Heidentum und sein sündhafter Status werden mit dem alten, schmutzigen Gewand vor der Taufe abgelegt; der nun in der Nacktheit existentiell bedrohte Mensch erhält als neues Kleid die Befähigung zur Tugendhaftigkeit als ethische Grundausstattung. Die Bewahrung des weißen Glanzes, der Befähigung zur Tugendhaftigkeit als eschatologischem Vorgriff auf einen himmlischen Status, wird dem Christen als Lebensaufgabe übergeben. Erst die Taufe gewährt damit dem Menschen die Voraussetzung zur Umsetzung seiner Gottesebenbildlichkeit. Die Frage, ob die metaphorische Rede vom himmlisch-strahlenden Gewand in Verona auch zeichenhaft in einem liturgischen Akt greifbar gemacht wurde, muss nach dem Befund in den Traktaten offen gelassen werden. Die Milchmetapher steht zunächst für das Bad im Taufwasser, dem sich unter der gleichen Metapher die den Christen durch den Bischof gewährte geistige Nahrung anschließt. Da Zeno die Aussicht auf beatitudo für die Christen als Überbietung der Aussage der Schrift in Ex 3,8, dass den Juden Milch und Honig gewährt wurde, interpretiert, erscheint ein liturgischer Akt, in welchem den Neophyten der veronesischen Gemeinde Milch (mit oder ohne Honig) gereicht wurde, als höchst unwahrscheinlich.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Weltliche Erziehung, educatio, gehört für Zeno zu den unhinterfragten Grundvollzügen menschlichen Lebens, wie sie die elterliche Erziehung etwa des Isaak oder eine stellvertretende (schulische) Grundausbildung durch einen litterator repräsentieren. Antrieb, der zur Bemühung um weltliche Ausbildung veranlasst, ist die christliche Tugend der Hoffnung. Damit deutet sich für Bildung insgesamt an, dass ihre Veredelung der Glaube an Christus ist, sie also in ihrer Idealform nur im Christentum erreichbar ist. Das Bild vom Kind-Sein der Christen wird in der Terminologie der Bildungsvermittlung aufgegriffen. Der weltlichen Grundausbildung der educatio vergleichbar wird der Christ nach der Taufe aufgezogen durch (e-)nutrire. Damit hebt Zeno im Bild der Ernährung ab auf eine geistliche Grundausbildung der Christen durch den Bischof, ohne dass er konkretisiert, welche Inhalte durch (e-)nutrire vermittelt werden. Eine höher entwickelte Form der Bildung wird als doctrina vermittelt, die Zeno ebenfalls weitgehend im christlichen Rahmen thematisiert. Vermittler von doctrina ist Gott selbst, vertreten auch durch die Schrift, durch christliche Exempla oder einen kirchlichen Lehrer. Doctrina beinhaltet religiöses Sachwissen, v. a. die Kenntnis der Schrift und ihrer Interpretation, darauf basierend dann aber auch ethisches Wissen. Voraussetzung des Erwerbs solcher doctrina ist der Glaube. Christliche doctrina ist nicht nur mit weltlicher doctrina, die theoretisches, v. a. intellektuelles Wissen beinhaltet gleichrangig, sondern in den Augen Zenos höherrangig einzustufen. Das religiöse Sachwissen der christlichen doctrina wird vermittelt durch instruere bzw. insinuare, was zwar auf Überprüfbarkeit der Inhalte abhebt, aber keine intellektuelle Infragestellung zulässt. Die ethischen Inhalte der doctrina werden auch unter dem Begriff eruditio gefasst, der christlich so eine völlig neue Bedeutung erhält. Vermittelt wird eruditio durch hortari, durch ermunterndes Auffordern, oder durch (com-)monere, warnendes Mahnen, wobei letzteres einen autoritativeren Anspruch erhebt und deshalb auf die Schrift oder Gott selbst zurückgeht, während das weniger scharfe hortari auch vom Bischof ausgehen und von ihm mit in Aussicht gestelltem Lohn verbunden werden kann. Bildungsvermittlung unter höchstem autoritativen Anspruch begegnet schließlich unter dem Terminus magisterium; Gott selbst ist der magister, d. h. die vermittelten Inhalte haben die Qualität von Offenbarung. Auch das magisterium beinhaltet religiöses Sachwissen und ethisches Wissen. Während in der Formulierung dei disciplina beides noch anklingt, hebt die Bezeichnung divina praecepta als verbindliche Lehre mit Vorschriftsbzw. Befehlscharakter auf eine fordernde Äußerung des Willens Gottes ausschließlich bezüglich ethisch korrekten Verhaltens ab.

F. Resümee: Zenos Konzept christlicher Bildung

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Zenos Konzept lässt bisher erkennen: Christliche Bildung, bestehend aus den Komponenten religiöses Sachwissen und ethisches Wissen, geht auf die direkte Urheberschaft Gottes zurück und wird in Form von Offenbarung (in der Schrift) mitgeteilt. Sie erhebt daher höchsten autoritativen Anspruch, auch wenn sie über einen irdischen Vermittler, der in der Gemeinde in aller Regel der Bischof ist, weitergegeben wird. Die Offenbarung Gottes ist in der heiligen Schrift konserviert, die Zeno als eine Einheit unter den Begriff sacra scriptura fasst. Als Fixierung der verbindlichen Mitteilung Gottes kann sie auch als lex bezeichnet werden, auch wenn der Begriff der schon uneindeutigen Verwendung bei Paulus folgend auch für eine die Schrift übergreifende oberste ethische Norm im Sinne eines ius divinum stehen kann. Die Schrift ist selbst sowohl Bestandteil des zu vermittelnden religiösen Sachwissens als auch Instrument der Vermittlung. Zum Sachwissen bezüglich der Schrift, das Zeno bereits bei seinen Zuhörern voraussetzt, gehören die konkreten Bestandteile der Schrift sowie die Unterscheidung des Alten und Neuen Testaments, die jedoch als Einheit Gottes Offenbarung, sein Wort, sind, das sich in Christus erfüllt hat. Allerdings ist die Schrift in ihrer Ausrichtung auf Christus nicht an allen Stellen gleichermaßen eindeutig, so dass sie einer Auslegung im Geist (spiritaliter) auf die hinter ihr stehende eine Wahrheit bedarf. Kriterium dabei ist nicht wissenschaftlicher Anspruch, sondern gerade simplicitas, durch welche die Auslegung alle ihre Hörer erreicht. Entscheidende Voraussetzung des rechten Schriftverständnisses auf Seiten des Auslegers wie des Hörers ist der Glaube. Als Instrument der Bildungsvermittlung setzt Zeno die Schrift in zweifacher Weise ein: Mittels seiner Exegese, die sich der Allegorese wie der typologischen Deutung bedient, kommt er dem Anspruch der Vermittlung eines rechten Schriftverständnisses an seine Hörer nach und erweitert damit ihre religiöse Sachkenntnis. Zugleich dient ihm die Schrift auf dem Gebiet der Vermittlung ethischen Wissens als Fundus rhetorisch erforderlicher Autoritätszitate innerhalb seiner Paränese, sei sie in polemischer Form gegen das Heidentum als für Christen Abzulegendes gerichtet, sei sie in positiver Form ethisch korrektes Verhalten einfordernd. Dabei kommt den Ipsissima verba domini und den Paulus-Zitaten besonders hohe Autorität zu. Als ein weiteres bedeutsames Instrument der Vermittlung christlicher Bildung dienen auch zenonisch Exempla, die zum rhetorischen Instrumentarium der gesamten Antike gehören. Allerdings weist Zeno ausdrücklich auf ihren eingeschränkten Wert als reines Mittel zum Zweck hin, das von der dahinter stehenden Realität (veritas) zu unterscheiden ist.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Was die Funktion der Exempla in der zenonischen Predigt betrifft, teilen sie mit ihren vorchristlichen Vorgängern die Funktion des demonstrativ-erzählenden Beispiels bei der Darstellung von Zusammenhängen und des demonstrativ-attestierenden Belegs bezüglich vom Redner aufgestellter Thesen. Solche demonstrativen Exempla entnimmt Zeno dem Bereichen der Natur, des täglichen Lebens und der Schrift, wobei letzteren eine höhere Autorität zukommt. Werden einzelne Personen als Exempla ins Feld geführt, kommt ihnen die Funktion des nachahmenswerten oder des abschreckenden Beispiels zu; der demonstrative Aspekt des Exemplums wird um einen paränetischen Aspekt erweitert, so dass man mit der rhetorischen Fachterminologie vom ‚erziehenden Exemplum‘ sprechen kann. Für negativ-paränetische Beispiele bieten die Schrift, insbesondere jedoch das Heidentum, das Zeno in Form nur knapper mythologischer Anspielungen, aber ausführlicherer Hinweise auf das Verhalten heidnischer Bevölkerungsteile der Vergangenheit heranzieht, und schließlich auch der Alltag der gegenwärtigen christlichen Bevölkerung ein breites Repertoire. Eine Ausnahmestellung kommt den Exempla der zeitgenössischen noch heidnischen Bevölkerung zu: Diese führt Zeno, wenn auch in nur wenigen Fällen, ausschließlich als positive und deshalb die Christen zur Überbietung auffordernde Exempla an. Bei positiv-paränetischen historischen Exempla greift Zeno ausschließlich auf Personen der biblischen und kirchlichen Geschichte zurück und ersetzt damit komplett das große Repertoire der vorchristlichen ‚historischen Exempla‘. Die christlichen historischen Exempla sind in aller Regel exempla fidei, die an die Stelle des heidnischen exemplum virtutis treten; meist in der Rolle der Märtyrer sind sie Nachfolger des Exemplums Christi, des soteriologischen Exemplums schlechthin, paradoxerweise auch in den Fällen, in denen sie ihm als Präfigurationen zeitlich vorausgingen. Zenonisch begegnet darüber hinaus der lateinische Begriff exemplum auch zur Bezeichnung wörtlicher, (ausschließlich) biblischer Zitationen. Neben der auch ihnen wie den umschreibenden Exempla zukommenden demonstrativen und attestierenden Funktion gelten sie aufgrund ihrer wörtlichen Übernahme aus der Schrift jedoch als höchste Form des autoritativen Belegs. Die Inhalte, die Zeno mit den Exempla belegt, sind zum einen Glaubensinhalte, die zum religiösen Sachwissen zu zählen sind, zum anderen ethische Zusammenhänge, in denen sowohl von negativen Verhaltensweisen abgeschreckt als auch zu positiven Verhaltensweisen aufgefordert wird. Ein gegenüber Schrift und Exempla rein technisches Instrument der Bildungsvermittlung ist die Rede. Zeno als gebildeter Rhetoriker setzt seine

F. Resümee: Zenos Konzept christlicher Bildung

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Kenntnisse jedoch keineswegs unreflektiert ein, sondern wirft einen durchaus kritischen Blick auf das entsprechende Metier. Es sind zwei Gründe, die ihn in den eloquentiae vires eine Gefahr sehen lassen: zum einen ihre Verbindung mit der bereits bis auf wenige Ausnahmen als ethisch verwerflich charakterisierten philosophischen Intellektualität, die zu Spaltungen, aber auch zu unangemessenem, hochmütigem Verhalten gegenüber Gott und seiner Schöpfung führt; zum anderen die gleichermaßen ethisch verwerfliche Intention, die gezielt die Rhetorik zum Mittel der Uneindeutigkeit und des Betrugs macht. Daher hängt die Qualität nicht nur des professionellen Redens, sondern des loqui insgesamt ab von der dahinterstehenden Intention. Wird nämlich die gepflegte Rede (loculenta oratio) im richtigen Kontext, etwa der Schrift, eingesetzt, erweist sie der Sache durchaus einen positiven Dienst. In Bezug auf seine eigene Predigt bevorzugt Zeno das Verb dicere, das eine gewisse Schlichtheit verrät und zugleich den Wert der Rede gegenüber der Tat mindert, die Rede also tatsächlich als rein technisches Instrument der Bildungsvermittlung etwa dem Exemplum unterordnet. Letztlich ist der Inhalt der Rede dasjenige, dem der eigentliche Wert zukommt. Daher ist im Christentum die praedicatio als preisende Verkündigung das angemessene Mittel; sie verbreitet das Wissen über die Schrift und die daraus erwachsende Sittlichkeit. Erfüllt der Prediger die Kondition eines spiritaliter sapere, dann vertritt er als Lehrer mit entsprechender Autorität Christus. Im Bereich des Bildungserwerbs spielen, da sich christliche Bildungsvermittlung als Verkündigung erwiesen hat, audire und auch videre als Sinneswahrnehmungen, jedoch auch darüber hinausweisend eine bedeutende Rolle. Den Terminus audire zur Kennzeichnung einer Voraussetzung christlichen Bildungserwerbs entlehnt Zeno biblischem Sprachgebrauch. Er verweist auf ein Kommunikationsgeschehen zwischen Gott und den Menschen, der von Zeno in heidnischer Religion aufgrund der zur Kommunikation unfähigen Götter als nicht existent aufgedeckt wurde. Aber auch die Kommunikation zwischen dem wahren Gott und den von ihm Angesprochenen funktioniert nicht immer, da ein Hören verweigert werden kann. Dies trifft auf die Kommunikation zwischen Gott und dem Judentum zu, so dass dieses von Gott verworfen und durch ein neues Volk, das Christentum, substituiert wird. Die Kommunikation Gottes mit den Menschen wird fortgesetzt in Schriftlesung und Verkündigung der Kirche, der biblische Imperativ audite wird umgwandelt in den kirchlichen Hortativ audiamus. Hören ist erster Schritt eines Lernprozesses, es trägt zum Erwerb (biblischen) Sachwissens bei und ist Voraussetzung entsprechenden eingeforderten Verhaltens.

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

Videre dagegen ist antik Terminus für Wahrnehmung, Erkenntnis und Wissen, es steht für die auf persönlicher Erfahrung beruhende Verlässlichkeit anzueignender Inhalte. Optische Wahrnehmung wird von Zenos Hörern so hoch geschätzt, dass Zeno sich genötigt sieht, die Begrenzheit irdischen Sehens gegenüber religiöser Wahrnehmung im Eschaton bzw. im Vorgriff auf dasselbe mittels biblischer Kritik herauszustellen. In unaufgelöstem Widerspruch zu dieser biblischen Haltung instrumentalisiert Zeno selbst jedoch das Sehen, indem er innerhalb seiner Ausführungen immer wieder auf dessen Beweiskraft rekurriert. Solche Hochschätzung des Sehens führt dazu, dass das Verb videre auch übertragen angewandt werden kann etwa auf die Wahrnehmung der Schriftinhalte, obwohl diese im Gottesdienst akustisch vermittelt werden. Insbesondere bezüglich seiner eigenen Schriftdeutung bekommt das Verb dann auch rhetorische Funktion und dient dazu, ganz entgegen der kritischen Einordnung sinnlicher Wahrnehmung im platonischen Höhlengleichnis, die Hörer sich Interpretation (statt eigentlichem Inhalt) als Wissen aneignen zu lassen. Zenos Interpretation wird den Hörern wie die Schriftinhalte selbst als verlässliches Sachwissen präsentiert, was einmal mehr auf die Autorität verweist, die Zeno für sich als Lehrer beansprucht. Der eigentlich lateinische Begriff für den Erwerb von Wissen und Können ist discere. Da Zeno nur an christlichem Bildungerwerb interessiert ist, begegnet der Terminus in den Traktaten ausschließlich in diesem Kontext. Die Inhalte des christlichen Bildungserwerbs durch discere entsprechen denen christlicher Bildungsvermittlung; discere ist zenonisch daher auch immer vermitteltes, rezeptives Lernen. Der Teilaspekt des Erwerbs von religiösem Sachwissen kann auch durch die Verben accipere (bzw. seine Komposita percipere und concipere) und noscere (bzw. seine Komposita agnoscere und cognoscere) zum Ausdruck gebracht werden; accipere betont besonders die Rezeptivität des Wissenserwerbs, agnoscere den Verzicht auf ein Hinterfragen. Komplizierter gestaltet sich der Erwerb ethischen Wissens und dessen Umsetzung in ethisches Können. Ziel ethischer Bildung, das hatte sich bereits bei den mit der Taufe geschenkten Voraussetzungen christlicher Bildung gezeigt, ist der Erhalt des neuen zur Tugendhaftigkeit befähigenden Status, der abstrakt in den Verben custodire und observare zu greifen ist. Da Zeno davon spricht, dass custodire und observare gelehrt werden könne, muss dies gleichzeitig auch erlernbar sein. Mit der ausdrücklichen Anweisung in den Ostertraktaten „disce virtutem“ fordert Zeno besonders die Neophyten auf, durch persönliche Bemühung ihr Christsein zu entfalten. Der überaus äquivoke Terminus virtus hebt hier ab auf ein unterscheidendes christliches Spezifikum im ethischen

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Bereich, das anders als weltliche, durch voluptates korrumpierbare Ehrenhaftigkeit (virtus) in der Lage ist, natürliche Triebe zu unterdrücken und gesellschaftliche Gepflogenheiten zu überwinden. Christliche virtus ist daher das, was den Christen mit nobilitas gegenüber ‚den anderen‘ auszeichnet und damit erst zum wirklichen Menschen macht. In Anlehnung an den stoischen virtus-Begriff ist christiana virtus (im Singular) eine über das Hören der Schrift und von Exempla erlernbare ethische Grundhaltung, aus der in der Folge diversae bzw. variae virtutes (im Plural) im Sinne differenzierter Haltungen in konkreten ethischen Teilbereichen hervorgehen; zu diesen zählen etwa die theologalen Tugenden fides, spes und dilectio, aber auch die christlichen Ersetzungen der klassischen Kardinaltugenden prudentia, iustitia, temperantia und fortitudo durch vera sapientia, vera iustitia, patientia, timor dei und weitere Tugenden. Die Tugenden dienen dazu, den in der Taufe erlangten neuen Status zu demonstrieren und weiter diesen in entsprechendes verändertes Handeln (mutatio morum) umzusetzen. Sowohl virtutes als auch mores können aber nicht (wie virtus) als ein Wissen oder eine Kenntnis erworben werden, sie sind durch Nachahmung von Exempla (imitari) persönlich anzueignen, wobei das Durchhalten der virtutes als Haltungen in bestimmten ethischen Fragen schwerer fällt als das konkrete Handeln in einzelnen Situationen. Die Nachahmung der mores maiorum ist auf christlicher Seite Mindestanforderung als Konzession an diejenigen, die noch nicht in der Lage sind, die virtutes der christlichen maiores nachzuahmen. Damit erweist sich die Überlegenheit christlich-religiöser Ethik über heidnisch-weltliche, der die Nachahmung der mores maiorum als ausreichend gilt. Gelingt es dem Christen, die christiana virtus durch den virtutes entsprechendes konkretes Verhalten (mores) zu bewahren, nähert sich der Christ der in seiner Gottebenbildlichkeit angelegten göttlichen virtus an, die in besonderer Weise in Christus greifbar geworden ist. Christlicher Bildungserwerb führt also über rezeptive Aneignung von Sachwissen und ethischem Wissen, basierend auf Schriftinhalten und christlichen Exempla-Erzählungen, zur Aneignung von ethischem Können, das ebenfalls rezeptiv durch Nachahmung erworben wird. Die Umsetzung der Kenntnisse in konkretes ethisches Handeln verspricht Aussicht auf Lohn im Eschaton oder anders formuliert auf Rückkehr zur im alten heidnischen, v. a. ethisch verwerflichen Leben verlorenen Gottebenbildlichkeit. Als christliches Bildungsziel ist innerweltlich zunächst die Bewahrung einer in der Taufe geschenkten, jedoch immer wieder neu zu aktualisierenden (con-)scientia als Wissen von und Bewusstsein für die eigene ontologische Qualität, den Status als Abbild Gottes und die sich daraus erge-

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3. Kapitel: Das Konzept christlicher Bildung

bende Möglichkeit einer zukünftigen beatitudo, anzustreben. Verbunden ist damit ein zweites innerweltlich anzustrebendes Ziel, die Bewahrung der ebenfalls der Taufe zu verdankenden sapientia, die Antrieb des Christen zum der ontologischen Qualität entsprechenden ethischen Wirken ist. Einem solchen Konzept von Bildung liegt das platonische Konzept der Wiedererinnerung zugrunde, das jedoch durch eine Ausrichtung auf Gott bzw. Transzendenz christlich ergänzt bzw. anders (neu) ausgerichtet wird. Das eigentliche christliche Bildungsziel ist nämlich die als Belohnung für die Realisierung christlicher Bildung in Auseinandersetzung mit der Welt, und das heißt Abgrenzung von Heidentum und heidnischer Kultur, verstandene persönliche Teilhabe an der Transzendenz in Form von immortalitas (auch aeterna vita), deren Qualität beatitudo bzw. felicitas, die Aufhebung aller vitalen Ängste des Menschen, ist. Der Mensch findet in den Status, den er vor dem Sündenfall im Paradies schon einmal innehatte, zurück und langt von neuem bei Gott an. In eine Formel gebracht bedeutet christliche Bildung in zenonischer Konzeption: Empfang der Befähigung zur virtus in der Taufe und Entfaltung derselben in christlichem Lebenswandel auf der Grundlage christlich-religiösen Sachwissens von Offenbarung sind entscheidende Größen für die Erlangung des letzten Strebensziels,1 notwendige und hinreichende Bedingungen des Glücks.2

1 2

Vgl. C. HORN, Augustinus, 174, zu virtus bei Augustin. Vgl. ebd., 176.

Kapitel 4

Heidnische Kultur und christliche Bildung in den Traktaten des Zeno von Verona Zeno interessiert sich nicht für das Heidentum als Religion. Deshalb spielt die Frage, ob das, was er attackiert, noch gegenwärtig in Verona praktiziert wird oder von Bedeutung ist, für ihn keine Rolle. Seine Polemik richtet sich nicht gegen konkretes heidnisches Wirken in Verona; zenonische Kritik am Heidentum, an dem (in Verona gelegentlich) noch anzutreffenden der Gegenwart wie dem der Vergangenheit, hat einzig die Funktion, die christlichen Hörer zur eigenen abgrenzenden Positionierung zu bewegen. Heidentumspolemik ist so Mittel ‚innerer Missionierung‘. Das Heidentum interessiert Zeno deshalb nicht als Religion, weil das Christentum die in jeder Hinsicht überlegenere ist. Zeno nutzt die Darstellung des Heidentums lediglich als Instrument des Entwurfs einer negativen Dogmatik und besonders einer negativen Ethik. Gerade die ethische Verwerflichkeit des Heidentums in allen Bereichen, in Theologia civilis, in Theologia mythica und in Theologia naturalis, wird, da diese Bereiche zusammengenommen in mehr oder weniger säkularisierter Form Kultur ausmachen, in die gesamte Gesellschaft getragen, in die auch das Christentum hineingestellt ist. Es gilt daher zu entscheiden, ob es in der das Christentum umgebenden Kultur überhaupt etwas gibt, das im Christentum beibehalten oder unter christianisierender Umdeutung adaptiert werden kann. Sprachliche, formale, motivische und inhaltliche Chresis findet, ohne dass sie von Zeno thematisiert würde, in den Traktaten nur ausgesprochen eingeschränkt statt. Chresis weitgehend säkularisierter, privater Bräuche lehnt Zeno – nicht in erster Linie wegen ihrer (ehemaligen) religiös-kultischen Konnotationen, sondern wegen ihrer in die Unsittlichkeit führenden Ausprägung – kategorisch ab. Das ethische Defizit der vom Heidentum geprägten Kultur ist das entscheidende (pastorale) Motiv der Auseinandersetzung mit dem Heidentum in den Traktaten Zenos. Gerade weil das Heidentum die gesamte Kultur – mit wenigen Ausnahmen im Bereich der Philosophie und Dichtung – durch seine ethische Verwerflichkeit prägt, wird ein positiver Gegenentwurf über die negative Dogmatik und negative Ethik hinaus notwendig. Entscheidender Unterschied zur

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Kapitel 4: Heidnische Kultur und christliche Bildung

verworfenen heidnischen Kultur ist dabei die Ausrichtung aller Komponenten des Entwurfs auf Gott hin, wie dies im anachronistisch rückübertragenen Terminus ‚Bildung‘ zum Ausdruck kommt. Die Ausrichtung des Konzepts und aller seiner Komponenten auf Gott hin ist nur möglich, wenn sie ursprünglich auch von Gott her stammen. Damit werden gnadenhaftes Geschenk in Form von Ausstattung des Menschen auf der einen Seite und Beteiligung des Menschen in Form eigener (ethischer) Anstrengung auf der anderen Seite zu den beiden Polen, zwischen denen sich christliche Bildung abspielt. Offenbarung ist dabei vermittelndes Bindeglied. Ziel solcher Bildung ist Glück, das – weil wie die übrigen Komponenten von Gott her bestimmt – in der Transzendenz liegt und daher eine Befreiung des Menschen aus aller irdischen Bedingtheit impliziert. Das (pastorale) Anliegen, das hinter einer solchen Bildungskonzeption stehen dürfte, kann daher letztendlich als ein soteriologisches bezeichnet werden.

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Stellenregister A. Biblische Schriften Genesis (Gn) 1,26 1,26f. 1,27 1,27.2,7 2,7 2,7.21–23 3 6 6,2–4 6,2a.4 6,3 6,4 6,11f. 9,20 12,1.4 17,12.14 18,2 18.21.22 22 22,1–19 22,9 28 28,10–19 28,10–21 28,12 37.39–41 38,3–26 38,6–26 38,8 38,9 38,13 38,14 38,18 38,24

448, 526 14, 479, 523, 564, 586 125 426 125 340 295 239 236, 243 237 237, 294 237, 243 236 263 515 392 144, 521 523 154, 526 113 131, 526 521, 534 572 129 377, 519 476 235 108 526, 527, 532, 544, 549 119, 493 557 398 498, 532, 544, 549 523

39 39,7–18 39,7–21 Exodus (Ex) 1,12–15 1–14 3,8 12,5 12,11 12–17 13f. 17,4 22,20

Levitikus (Lv) 7,19–21 Deuteronomium (Dt) 5,1 6,4 9,1 10,12–15 10,12f.

295 117, 402 467

499 195 395, 412, 413, 587 439, 542 446 129, 533 494, 499 140 90, 134, 152, 226, 294

524

11,28 20,3 23,18 26,1–11 27,9 27,10 32,17

515, 516 516 516 518 199, 433, 439, 440, 494, 517, 524, 536 141 516 533 263 516 515 152, 226

Josua (Jos) 5,2 10,12f.

523 489

632

Stellenregister

1. Buch der Könige (1 Rg) 16,7 485, 521 28 360 28,3–25 302 2. Buch der Könige (2 Rg) 22,42 515, 517 Psalmen (Ps) [Zählung LXXX] 1,1 533 1,5f. 73, 90, 566, 576 1,6 73 1,22 73 2,1 67 8,4 521 11,2 507 11,2–5 485, 517 13,3 508, 533 18,2 507 22,4 450 22,4f. 465 31,1 581 33,12 426, 515, 516, 518, 529 36,25 522 44,2 450, 508, 542 49,4.12–15 294 49,7 515, 516 49,7.12–15 150 49,10–13 164 49,14 151, 152, 163, 179 50,19 153, 427, 485 61,12 450, 515, 516 65,1 75 81,6f. 226 93,11 338, 370 95,5 226, 227, 228, 231, 456 95,5a 228 100,1 526 113,12 67, 87, 120, 294, 465, 524 114,7 355, 585 118,103 414, 422, 514 118,130f. 415 127,1 524, 583 129,1 515, 565 130,1 485 134,15 87, 120, 294, 465

Kohelet (Ecl) 7,17

370, 457

Weisheit (Sap) 2,1 2,1f.5 3,4 3,4–6.8

363 448 577, 578 121

Jesus Sirach (Sir) 3,22 3,22.26 3,22b.26 15,18 16,1f. 19,21 24,5 34,23

374 374 441 578, 579 73 370, 457 451 154, 294

Jesaja (Is) 1,1 1,2

1,11f. 5,1–7 6,1–4 6,6 6,6f. 7,13 7,15 8,23 9,1 40,6 45,14 58,5 59,3 66,1f. 66,15 Jeremia (Jr) 4,3f. 4,4 7,11 9,23 25,6

Baruch (Bar) 3,36

448 199, 433, 448, 469, 515, 516, 517, 521, 526, 531, 533 533 453 284 131, 450, 521 508 111, 515, 516 414 69 69 416 141, 144, 227 533 508, 533 100 199, 283, 284

457, 523, 524 199 533 368, 369, 370 89, 141, 144, 199, 226

227, 521

633

A. Biblische Schriften Ezechiel (Ez) 1,1–28 1,4–28 37,12f. 37,12.14 Daniel (Dn) 3 3,1.14 3,15 3,46 7,9 13

Hosea (Os) 4,12 Joël (Jl) 1,13 2,16

284 284 116 302

126, 427, 521, 532, 533 126 144 526 406 109, 295, 467, 476, 566

533

100, 130, 140, 162, 165 397

Amos (Am) 5,23

445

Jona (Jon) 3–4

129

Maleachi (Mal) 1,10f. 1,11 3,6 4,2

67, 465 118 479, 523 282, 469

1. Makkabäerbuch (1 Mcc) 6,43 500 Matthäusevangelium (Mt) 3,11 394, 548 4,1–11 par. 448 5,16 557 5,32 295, 438, 439, 441 10,23 439, 448, 465 11,13 446, 449 11,27 par. 456 11,28f. 433, 434, 529 11,29 355, 529 12,25 434

13,12 13,24f. 13,52 14,29 16,24 17,1–9 17,1–9 parr. 17,2 17,2f. par. 19,21 20,1–16 22,30 22,37 22,37.39 22,40 23,8 23,10 26,38 28,3 28,19f. 28,20

536 456, 529 394, 513, 523, 529 495 498 521 302 406 495 498 414 576, 585 541 440 446, 449 434 434 426 406 426, 427, 438, 440, 529 536, 537

Markusevangelium (Mc) 9,3 406 10,52 456 Lukasevangelium (Lc) 1,5–56 533 1,32f. 456 8,11f. 450 9,29–32 406 9,62 465 10,25–37 514 10,30–35 532 10,35 534 11,17f. 434 16,19–31 302 16,29 446, 449 17,32 465 20,27 360 23,43 206, 302, 466 24,4 406 Johannesevangelium (Jo) 1,51 379, 521 2,21 102 3,3–5 396 3,5 394 3,13 341, 451

634 3,18 3,19–21 8,12 8,48 10,37f. 17,5

Stellenregister 526 378 378 234 533 410

Apostelgeschichte (Act) 1,10 406 4,31 495 4,32 524 10,30 406 Römerbrief (Rm) 1,17 1,21 2,12 2,14f. 2,25–29 4,18 5 5,14 6,3–5 6,15 10,4 11,17–24 11,20 11,33 11,33f. 12,1 12,2 13 14,3

459 376 78, 524 569 448 70 410 398 304 548 446, 449 424 370, 457 369, 570 374 164, 165 417 276 433

1. Korintherbrief (1 Cor) 1,21 336, 337, 369, 370, 513, 555, 570 1,24 369, 570 2,4 295 3,1–2a 415 3,1–3 416, 417 3,2 416 3,16 100, 586 3,18 370 3,18f. 336, 526 3,19 368, 369, 370 3,20 338, 370 5,7 163 6,15 231 6,15.19 193

7,7 7,8f. 7,29.31 9,24–27 10,14–21 12,2 12,4–11 13,2f. 13,12 13,13 15,12 15,22 15,36 15,42 15,43b 15,45 15,47 15,53 2. Korintherbrief (2 6,14 11,2 11,14 11,24–26

496 433 523 111, 299 229 229 545 533 426, 521 526 361 398 336 575 541 398 340, 576 410, 577, 578 Cor) 378 396 378, 379 496

Galaterbrief (Gal) 3,27 4,9 4,10 5,11f. 6,8

410 465 187, 194 448 578

Epheserbrief (Eph) 2,5 2,21 5,5 5,22–32

304 100 122, 140, 141 396

Kolosserbrief (Col) 2,11 2,12f. 3,1 3,9 3,12

448 304 431, 433 398, 410 409

1. Thessalonicherbrief (1 Th) 1,3 526 2,7 417 4,13 206 4,13f. 302, 355

635

B. Antike Quellen 4,14 4,16f. 5,4f.

575 584 378

1. Petrusbrief (1 Pt) 1,3 1,23.2,2f. 1,24 2,2 2,11 3,20f.

1. Timotheusbrief (1 Tm) 1,3 509 1,3f. 428 1,3–5 433 1,3–7 429 1,5 567 1,13 432 6,10 436

1. Johannesbrief (1 Jo) 449 2,15 295 2,15f. 278, 445 4,20 521

2. Timotheusbrief (2 Tm) 2,23 336 2,23f. 375, 428, 431 4,7ff. 299 Titusbrief (Tt) 3,5

396

Hebräerbrief (Hbr) 11

487

396 415 416 415, 416 416, 521 304

Offenbarung des Johannes (Apc) 1,16 263 3,4f. 409 3,18 402 4,1–11 284 4,4 406 6,11 406 7,14 406 9,20 229 21,21–23 283

B. Antike Quellen Ambrosiaster Commentarius in secundam epistulam ad 361 Timotheum Quaestiones veteris et novi testamenti 102 361

Ambrosius von Mailand Epistulae 8,56,1 10,73,11f. extra coll. 13,4 extra coll. 14

32, 56 138 194 361

Expositio evangelii secundum Lucam 1,28 171 Expositio in psalmum 118 serm. 13,27 416 serm. 15,13 416 serm. 16,21 416

Hexameron 4,5,22

299

De mysteriis 7,34

405

De officis ministrorum 1,25,119 553 De virginitate 3,13

138

Ps.-Ambrosius De lapsu virginis consecratae 2,7 102

Apuleius Apologia 84,6

321

636

Stellenregister

Metamorphoses 1,6,2 1,7,2 1,19,3 2,4,5 4,11,5 4,34,1 6,19 8,7,2 8,25–29 9,9f. 9,11,3 9,35,2 10,3,4 11,21–22,1

321 321 321 322 321 322 322 321 276 276 322 321 321 373

De Deo Socratis 12,145 12,146 15,152f.

246 231, 246 233

Aristoteles Poetica 1447a 17–21

346 361 556 355, 361

Confessiones 5,9,17 6,2,2 6,16,26 9,2,2 9,12,32 13,15,16f. 13,22,32

509 217, 218 365 509 211 451 417

De cura pro mortuis gerenda 2,3 210 De doctrina christinana 4,166 428 In psalmos enarrationes 65 361 Enchiridion 3,9

324

Arnobius der Ältere Adversus nationes 2,75

21,8,2 22,17 22,24 22,25

352

Epistulae ed. Goldbacher 22,3.6 218 34,2 405, 421

Athanasius von Alexandrien

Expositio epistulae ad Galatas 35,3 194 35,6f. 196 35,8 194

Apologia ad Constantium 600 B 51

In Iohannis evangelium tractatus 19 360

Äthiopisches Henochbuch

Contra Faustum Manichaeum 16,24 361

15,8–9 15,8–12 15,11

236

241 239 240

De Genesi contra Manichaeos 2,1,1 339

Augustinus De agone christiano 32,34 360 De civitate Dei 2,4 2,8 6,7 6,12 13,19 19,4

De Genesi ad litteram 1,19 352

107 104 260 10 361 580

De haeresibus 11 14 21 47 70,1

361 361 361 361 306

Contra Iulianum opus imperfectum 6 361

637

B. Antike Quellen Contra litteras Petiliani 3,46 360, 361, 362

Laelius de amicitia 23

332

Retractationes 2,3

360

Sermones 13,4 82,4,7 121,4 166,2 223A 242A 264 361 362

De re publica 6,26 6,26f.

332 332

218 66 393 148 361 360, 361 360 360, 361, 362 360, 361

Tractatus contra paganos 124

Pro M. Aemilio Scauro oratio 4 331 4f. 331 Tusculanae disputationes 1,10,21 356 1,11,24 365 1,72 146 In Verrem 1,4

Clemens von Alexandrien

De utilitate ieiunii 7,9

146

Protrepticus 10,110,1–3

De vera religione 4,7

367

Codex Iustinianus

Barnabasbrief 18,1

378

Cassiodorus (Ps.-Primasius) Commentarius in secundam epistulam ad Timotheum 2 360

Catull Carmina 63

275

Chromatius von Aquileia Sermones 10 14

400, 405 405

Tractatus in Matthaeum 41 362

332

1,11,1 7,38,2 11,59,6 pr. 11,62,14 pr. 11,66,4 11,70,4

115

93, 99 98 98 98 98 98

Codex Theodosianus 5,13,3 9,16,4 9,16,6 10,1,8 10,3,4 10,3,5 10,10,24 10,10,32 pr. 11,20,6 pr. 15,1,41 16,10,1 16,10,3 16,10,6 16,10,12

98 186 186 98 98 98 98 98 98 98 182 105 99 99

Cicero De finibus bonorum et malorum 5,28 332

Concilium in Trullo a. 692 can. 28

264

638

Stellenregister

Concilium Sardicense a. 342 / 343 can. 14 nom. 20

55 51

Coronatus Notarius

Dionysius Aeropagita De ecclesiastica hierarchia 2,3,5 401 7,2 211

Vita S. Zenonis episcopis Veronensis 33

Doctrina apostolorum

Corpus Inscriptionum Latinarum

Eucherius von Lyon

5,1 3332 5,2 3893–3895 5 suppl. 1258

61 52 52

Cyprian von Karthago Ad Demetrianum 16

128

De dominica oratione 1 415 17 410 397 390 397

De lapsis 8

132

De bono patientiae 10

488

Ad Quirinum (Testimonia) 2,29 397 3,3 416 De catholicae ecclesiae unitate 5 397, 416 6 397

Ps.-Cyprian 501

De montibus Sina et Sion 4 102 Tractatus

378

Formulae spiritalis intellegentiae 1 284 3 148

Eusebius von Caesarea Historia ecclesiastica 10,4 421 De vita Constantini 4,71,1

211

Filastrius

Epistulae 74,5,4 74,6,1 74,6,2–7,2

Cena Cypriani

1,1

De haeresibus 7 57 61 79 95 109 111,2

360 361 361 339 339 339 68

Gregor I. Dialogi 3,19,2f.

33

Registrum epistularum 1,24 378 Regula pastoralis 2,5

378

Gregor von Elvira De Fide

360

360

Gregor von Elvira (Ps.-Origenes) Didache 1–6

378

Tractatus 17

362

639

B. Antike Quellen

Gregor von Tours Historia Francorum 4,48 101 In gloria confessorum 33 148

Hesiod Opera et dies 159f.

238

400 360

Homiliae Origenis in Ezechielem 13,2 379 Contra Iohannem Hierosolymitanum eps. 25 360, 361 Commentarii in Isaiam 15,55,1.2 413, 417 Altercatio Luciferiani et orthodoxi 23 361 Commentarii in Matthaeum praef. Vulg. 284 1 360

Ps.-Hieronymus [Philippus Presbyter] Commentarius in Iob 409 37,17

Ps.-Hilarius von Arles Tractatus in septem epistulas 417 canonicas

Hilarius von Poitiers Commentarii in Matthaeum 8 360, 361 Tractatus super psalmos 1,7 75 1,21 77 1,21–23 74 1,22 73

398 415

Hippolyt Refutatio omnium haeresium 5,9 271

Hirt des Hermas

Hieronymus Epistulae 64,19 84

2,20 118 phe 5

41

Horaz Carmina 1,3,11

322

Epistulae 1,12,19

323

Ignatius von Antiochien Epistula ad Ephesios 434 6,2

Irenäus von Lyon Adversus haereses 3,11,8

284

Isidor von Sevilla Etymologiae oder Origines 8,4 361 10,42 278 18,36,1 299 18,36,2 299 Mysticorum expositiones scramentorum (quaestiones in leviticum) 11,6 361

Ps.-Isidor von Sevilla Collectio Hispana

378

Johannes Chrysosthomus Ad illuminandos catechesis 2 124

Julian (Apostata) Contra Galilaeos 67,290 C 67,290 D 67,290 E

243 243 243

640 Orationes 7,14,219b–16,222a 8 [5]

Stellenregister

259 270

Justin der Märtyrer Apologiae 1,18,4

233

Juvenal Saturae 2,111

268

Laktanz Divinarum institutionum epitome 7,3f. 251 53,1 152 57,7 512 Divinae institutiones 1,1,5 1,1,17f. 1,5,8 1,7,13 1,9,1f. 1,9,6f. 1,17,7 1,17,11 2,10,3 2,11,19.2,12,13 2,12,7 2,12,17f. 2,14,11–14 2,15,3f. 2,4,6 2,8,8 2,8,31 3,8,31 3,17,35 3,26,9 3,30,8 4,7,8 4,10,1 4,13,3 4,13,24–27 4,14,1 4,28,3–12 5,2,12f. 5,4,6 5,5,1

367 331 334 334 260 251 275 478 340 340 340 340 364 364 88, 152 334 334 571 363 402 396 392 340 392 100 100 80 339 416 338, 474, 554

5,9,15–18 5,16,2 5,16,12 5,16,13 5,17,25 5,18,1 5,19,34 5,21,4f. 6,3,9 6,4,1 6,4,6 6,4,7 6,12,16.25–27 6,18,35 6,23,10 6,25,7 7,5,22 7,7,12f. 7,7,13 7,8,6 7,8,8 7,20,5

475 368 335, 337, 368 337, 369, 484 337, 368, 572 337 402 364 312, 317, 364 317, 364 340, 572 286, 552 338 409 272 153 402 355, 357, 364, 365 364 317, 358, 364 355 78

De ira dei

199

De mortibus persecutorum 12,5 102 15,2 135 16,4 339 16,6 112 De ave Phoenice 77 77.99f. 169

303 303, 364, 500 304

Leo I. Sermones 14,1

148

Lukan Bellum civile 5,712–716

315, 323

Martianus Capella De nuptiis Philologiae et Mercurii 2,156 239

Ps.-Matthäusevangelium 13,4f.

373

641

B. Antike Quellen

Petrus Chrysologus

Maximus von Turin Sermones 107,2

161

Minucius Felix Octavius 8,4 27,3–7 32,3

117 232 157

Origenes Contra Celsum 6,21 6,27

Sermones 76 92,1 95

360 284 361

Plutarch Moralia 346f.–347a

324

Possidius von Calama 379 379

Vita Augustini 31

211

Praedestinatus Ovid Ars amatoria 3,550

323

Fasti 1,219–222

124

Metamorphoses 1,5–20 2,298f. 15,199–213

333 333 300

Passio Arcadii

31, 83, 84, 131, 169, 182, 500

372 76, 372

Quintilian Institutio oratoria 2,4,2

510

Qumran (Gemeinderegel) 418

Rhythmus Pipianus 33 Rufin von Aquileia

320 320

Clementis Romani quae feruntur recognitiones 1,54 360, 361 Origenis homilia 25 in numeros 360

Pausanias Graeciae descriptio 3,16,1 138 9,39,6 192

Petronius von Bologna Sermones 1

19,1 19f.

1 QS III,13–IV,26 109, 501 109, 526

Paulinus von Nola Carmina 25,37 27,403

361 361 361

Protevangelium des Jakobus

Passio Theclae 33–35 34

1,14 1,43 1,47

33

Origenis libri de principiis 2,10 360 3,2,4 379 Expositio symboli 37 39

361 361

642

Stellenregister

Sacramentarium Gregorianum sive Hadrianum 117

570

Sallust De coniuratione Catilinae 5,4 333 20,4 333

Seneca

43,10

551

Apologeticum 13,6 18,4 23 23,17 29,5 29,5–30,1 37,4 48,8

174 6 241 233 177 178 487 296 501 396

De beneficiis 3,15,4 3,16,2

146 333

De baptismo 17 20,5

Dialogi 1,2,8

113

De exhortatione castitatis 13,2f. 138

Epistulae morales ad Lucilium 102,26 213

Servius In Vergilium commentarius ad Aeneida 238 8,314

Simonides Lyricus 2,240

324

Sinnius Capito Libri spectaculorum 105

Sueton De grammaticis et rhetoribus 313 23,4 Ludicra historia

105

Symmachus Relationes 3,7.11.15

138

Tertullian De anima 25,9 35,6 41,4 43

306 548 548 396

De idolatria 9,1

306

Adversus Marcionem 1,14,3 3,22,6 4 4,11,7f. 5 5,4,8

412 153 361 396 360, 361 396

De monogamia 11,9

416

Ad nationes 1,10,24

174

De oratione 29,1

548

De pallio 2f.

251

De patientia 6,1

488

De praescriptione haereticorum 6,6 379 7,12f. 374, 380 14,3f. 454 27,4 416 33 361 40,5 137 De pudicitia 5,4 15,5

246 100

643

B. Antike Quellen 16,1 19,25

100 100

De resurrectione mortuorum 1,2 172 2 362 12,1–3 302 12,1–9 285 12,2 296 13,2 285, 302, 500 36 361 36.39 361 48,1–7 303 52,1–19 285, 302 Ad Scapulam 3,3 4,4

306 416

De spectaculis 9,5f. 10,7f. 30,7

297 107 115

Ad uxorem 1,6,3f. 2,3,1

138 100, 102

Ps.-Tertullian Adversus omnes haereses 361

Traditio apostolica 21

412, 413

Varro Reatinus Antiquitates rerum divinarum 105 23 10 De scaenicis originibus 105

Velo di Classe

33, 51

Vergil Aeneis 1,90 1,403f. 1,742 4,63f.

316 319 318 316

5,88 5,124f. 6,325–328 6,540–543 6,542.371.639 6,542f. 6,543 6,548–627 6,607 6,607–614 6,637–678 6,641 6,726 6,730f. 6,734 6,743 7,324–329 7,325 7,325f. 7,338 8,421 9,503f. 12,700

316 315 210 358 317 245 317 359 319 319 359 318 318 313, 317 244, 317, 354 88, 317, 359 319 319 319 319 316 316 316

Eclogae 4,61

316

Georgica 1,137 1,365–367 1,375 1,493–497 2,69f. 2,402 4,1

318 315 315 202 315 318 318

Versus de Verona 5 14–18

256, 258, 285 33, 51

Zeno von Verona Tractatus I 1 44, 45, 70, 71, 72, 79, 81, 82, 85, 86, 87, 88, 97, 99, 100, 103, 105, 106, 108, 109, 112, 116, 117, 122, 123, 124, 125, 127, 129, 130, 131, 134, 135, 139, 140, 144, 145, 146, 147, 148, 153, 154, 156, 178, 196, 215, 216, 217, 219, 225, 246, 248, 252, 253, 254, 255, 258, 266, 267, 268, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 295,

644

Stellenregister

300, 315, 321, 325, 326, 332, 338, 344, 348, 391, 393, 401, 402, 407, 426, 438, 439, 440, 441, 445, 447, 448, 449, 455, 463, 464, 467, 473, 476, 482, 485, 490, 491, 493, 497, 498, 501, 502, 505, 508, 513, 524, 525, 530, 535, 536, 543, 552, 554, 555, 556, 565, 566, 568, 581, 583 I 2 17, 43, 44, 70, 71, 72, 73, 74, 76, 79, 80, 83, 87, 88, 90, 100, 108, 116, 117, 127, 134, 139, 158, 168, 171, 188, 204, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 212, 213, 215, 217, 232, 233, 234, 244, 245, 283, 285, 301, 302, 303, 312, 313, 315, 317, 318, 321, 326, 330, 331, 335, 336, 342, 344, 345, 346, 348, 351, 352, 353, 354, 355, 357, 358, 359, 360, 362, 363, 364, 366, 368, 369, 371, 376, 380, 394, 402, 407, 409, 410, 422, 423, 424, 426, 427, 429, 434, 435, 445, 446, 447, 448, 449, 455, 457, 462, 463, 464, 466, 468, 469, 470, 471, 481, 483, 485, 490, 491, 495, 496, 498, 499, 500, 501, 507, 519, 521, 522, 523, 524, 527, 529, 530, 531, 532, 533, 534, 536, 541, 557, 566, 568, 573, 574, 575, 576, 577, 578, 580, 581, 582, 583, 584, 585 I 3 18, 69, 70, 71, 73, 75, 88, 112, 128, 134, 141, 142, 143, 152, 159, 163, 174, 188, 189, 199, 225, 268, 272, 301, 342, 380, 391, 392, 393, 401, 402, 424, 427, 428, 432, 433, 434, 438, 444, 445, 446, 447, 448, 449, 451, 452, 454, 456, 457, 463, 469, 479, 482, 486, 488, 492, 493, 494, 495, 497, 498, 499, 502, 507, 508, 512, 515, 517, 522, 523, 524, 526, 527, 529, 531, 532, 533, 534, 536, 542, 546, 547, 551, 555, 559, 579, 582, 584 I 4 14, 43, 58, 71, 72, 77, 80, 81, 85, 112, 113, 114, 128, 130, 131, 134, 139, 140, 141, 144, 149, 155, 162, 163, 164, 165, 180, 188, 196, 225, 280, 286, 298, 315, 323, 326, 333, 338, 344, 345, 373, 375, 392, 402, 407, 408, 426, 427, 430, 436, 437, 438, 447, 448, 449, 455, 457, 463, 464, 469, 471, 476, 477, 488, 489, 490, 491, 493, 495, 498, 500, 501, 502, 512, 517, 523, 525, 529, 530, 533, 535, 540,

545, 547, 549, 552, 554, 555, 556, 558, 563, 567, 579, 580, 581, 583, 584, 585 I 5 37, 43, 44, 45, 67, 68, 70, 85, 87, 116, 120, 121, 135, 140, 180, 188, 189, 200, 201, 202, 294, 315, 321, 326, 332, 333, 338, 344, 345, 348, 350, 401, 409, 436, 445, 447, 448, 449, 457, 463, 464, 466, 469, 475, 476, 512, 522, 523, 525, 530, 543, 552, 556, 567, 581, 584, 585 I 6 87, 134, 135, 142, 298, 378, 390, 422, 547 I 7 141, 286, 332, 334, 344, 347, 369, 392, 512, 535, 541, 547, 566, 570, 576 I 8 134, 158, 160, 163, 165, 182, 344, 395, 410, 411, 414, 416, 445, 446, 447, 448, 452, 454, 457, 493, 494, 496, 513, 530, 531, 532, 542, 566 I 9 127, 195, 451, 454, 463, 493, 494, 498, 541 I 10A 25, 140, 199, 432, 433, 452, 454, 468, 493, 494, 509, 529, 530, 532, 534, 582 I 10B 25, 37, 44, 71, 118, 134, 390, 393, 422, 426, 453, 468, 512, 543, 582 I 11 110, 112, 180, 204, 422, 454, 489, 551 I 12 133, 321, 395, 411, 454, 564 I 13 69, 70, 71, 80, 81, 83, 86, 88, 97, 100, 108, 118, 119, 120, 128, 130, 131, 133, 139, 140, 143, 156, 158, 160, 164, 189, 226, 227, 236, 239, 241, 242, 288, 289, 294, 326, 390, 391, 393, 394, 396, 398, 407, 408, 410, 422, 432, 433, 434, 438, 440, 444, 445, 446, 448, 449, 450, 451, 454, 456, 459, 462, 465, 470, 491, 493, 494, 498, 505, 512, 517, 523, 524, 526, 527, 532, 535, 540, 544, 549, 552, 557, 584 I 14 36, 44, 45, 49, 69, 70, 80, 85, 87, 97, 100, 120, 121, 123, 127, 135, 139, 140, 148, 149, 155, 156, 175, 177, 180, 225, 294, 326, 344, 370, 401, 402, 422, 438, 440, 441, 449, 463, 465, 469, 475, 476,

B. Antike Quellen 505, 508, 512, 522, 524, 527, 535, 548, 552, 556, 557, 558, 581 I 15 85, 116, 128, 134, 135, 140, 141, 149, 155, 157, 158, 165, 204, 210, 282, 286, 316, 345, 346, 348, 355, 399, 422, 447, 448, 449, 451, 452, 454, 456, 457, 458, 463, 469, 489, 490, 494, 495, 499, 507, 530, 531, 535, 555, 556, 558, 575, 577, 581, 582, 583, 584, 585 I 16 298, 299, 344, 354, 360, 390, 391, 394, 396, 408, 462, 499, 575, 576 I 17 369, 392, 422, 566, 570 I 18 75, 195, 345, 413, 414, 417, 422, 454, 494, 513 I 19 85, 97, 134, 135, 159, 160, 166, 204, 422, 447, 448, 454, 456, 494, 524, 531, 532 I 20 74, 368, 454, 463, 469, 493, 494 I 21 39, 44, 180, 475, 505, 518, 552 I 22 110, 112, 113, 165, 407, 422, 454, 502, 547, 548, 550, 551 I 23 398, 408, 410, 422, 454, 545 I 24 130, 158, 215, 218, 283, 318, 390, 391, 394, 395, 402, 411, 414, 422, 432, 433, 448, 449, 488, 489, 490, 491, 496, 514, 532, 572, 576, 583 I 25 18, 44, 53, 60, 63, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 76, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 97, 99, 100, 101, 112, 116, 117, 118, 120, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 139, 140, 141, 144, 150, 151, 152, 153, 154, 162, 163, 164, 165, 166, 168, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 181, 183, 184, 186, 188, 193, 194, 196, 199, 204, 212, 214, 215, 217, 225, 226, 227, 231, 234, 262, 280, 294, 295, 350, 375, 376, 390, 392, 407, 422, 432, 433, 434, 435, 444, 447, 448, 452, 456, 462, 463, 465, 466, 467, 486, 489, 494, 502, 507, 510, 512, 515, 516, 522, 524, 528, 529, 530, 532, 533, 534, 535, 556, 557 I 26 87, 116, 160, 297, 298, 422, 433, 575, 577

645

I 27 14, 75, 128, 345, 347, 349, 351, 374, 391, 422, 454, 457, 466, 498, 522, 523, 524, 527, 532, 534, 564 I 28 97, 130, 131, 134, 166, 204, 295, 422, 445, 447, 454, 494, 510 I 29 111, 158, 195, 280, 393, 422, 448, 452, 454, 469, 493, 494, 513, 581 I 30 177, 199, 422, 437, 448, 454, 458, 469, 493, 528, 530 I 31 80, 135, 140, 189, 345, 346, 454, 489, 518, 535, 541, 550, 551, 581, 583 I 32 130, 131, 318, 393, 394, 398, 399, 420, 421, 422, 445, 533, 534, 549, 582 I 33 43, 58, 75, 79, 83, 87, 112, 142, 160, 297, 298, 299, 300, 303, 319, 322, 353, 354, 390, 391, 394, 396, 397, 399, 402, 408, 422, 448, 495, 502, 513, 530, 532, 534, 537, 543, 545, 547, 575, 577, 578, 579, 581, 584 I 34 43, 60, 67, 69, 70, 71, 80, 81, 86, 116, 123, 125, 128, 129, 133, 134, 153, 156, 163, 164, 165, 166, 168, 169, 171, 181, 183, 184, 186, 187, 188, 189, 192, 204, 245, 315, 316, 345, 347, 349, 350, 351, 369, 374, 378, 422, 440, 447, 448, 449, 451, 453, 454, 467, 490, 493, 494, 496, 499, 513, 515, 516, 530, 532, 534, 556, 557, 565, 570, 575, 581 I 35 17, 18, 44, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 81, 86, 135, 141, 142, 143, 144, 158, 159, 177, 231, 341, 348, 374, 376, 394, 422, 439, 444, 445, 446, 447, 448, 449, 451, 454, 457, 459, 466, 468, 522, 524, 526, 530, 532, 534, 536, 543, 546, 547, 548, 576, 579, 584 I 36, 14, 43, 44, 70, 81, 84, 112, 119, 127, 135, 144, 158, 196, 208, 209, 230, 234, 276, 277, 278, 279, 280, 285, 288, 289, 290, 295, 301, 312, 322, 325, 326, 332, 344, 345, 346, 351, 368, 373, 375, 376, 380, 391, 392, 401, 402, 408, 419, 420, 426, 432, 433, 436, 438, 439, 440, 445, 446, 447, 449, 454, 456, 457, 462, 463, 464, 467, 468, 471, 473, 474, 480, 482, 488, 489, 490, 491, 493, 495, 496, 497,

646

Stellenregister

498, 499, 501, 502, 505, 507, 512, 517, 518, 521, 522, 523, 524, 525, 526, 527, 529, 530, 533, 534, 535, 536, 540, 541, 543, 544, 545, 551, 552, 553, 556, 558, 563, 564, 565, 566, 568, 573, 582, 584 I 37 3, 69, 70, 71, 76, 81, 88, 128, 129, 130, 131, 135, 140, 142, 144, 158, 160, 188, 189, 192, 199, 225, 226, 227, 234, 237, 263, 286, 349, 375, 377, 378, 380, 382, 394, 426, 427, 429, 431, 432, 433, 434, 438, 439, 440, 441, 444, 445, 446, 447, 448, 449, 450, 451, 452, 453, 454, 456, 457, 463, 465, 466, 489, 493, 494, 496, 498, 499, 501, 507, 508, 513, 514, 515, 516, 519, 521, 522, 523, 524, 529, 532, 534, 536, 537, 541, 548, 552, 572, 581 I 38 3, 17, 30, 43, 70, 71, 72, 75, 83, 86, 156, 186, 187, 188, 189, 300, 307, 308, 319, 326, 327, 349, 350, 373, 390, 393, 394, 395, 396, 398, 399, 402, 403, 408, 409, 410, 411, 422, 432, 433, 448, 449, 463, 469, 479, 494, 530, 535, 556, 575, 578 I 39 31, 37, 69, 80, 81, 83, 84, 85, 87, 110, 111, 112, 118, 131, 133, 134, 140, 142, 143, 149, 151, 156, 164, 165, 166, 168, 169, 171, 177, 179, 180, 182, 183, 184, 209, 210, 235, 286, 344, 438, 439, 445, 448, 449, 458, 463, 465, 467, 469, 489, 490, 500, 508, 512, 526, 527, 530, 555, 567, 577, 581 I 40 286, 295, 348, 407, 426, 427, 449, 454, 457, 463, 465, 491, 550, 551, 567, 568 I 41 44, 130, 141, 165, 393, 395, 402, 403, 411, 422, 522, 526, 535, 563, 567, 583 I 42 76, 81, 86, 160, 164, 391, 422, 463, 525, 527, 531, 545, 546, 547, 552, 556, 557 I 43 81, 141, 142, 151, 153, 154, 156, 157, 160, 162, 163, 165, 166, 299, 346, 392, 418, 438, 440, 445, 446, 447, 449, 451, 454, 456, 463, 467, 469, 488, 489, 491, 522, 523, 524, 535, 546, 547

I 44 158, 297, 298, 299, 315, 322, 390, 395, 405, 408, 411, 535, 547, 577, 578, 582 I 45 14, 54, 75, 128, 158, 177, 227, 326, 371, 392, 410, 438, 446, 448, 450, 452, 454, 457, 463, 498, 513, 522, 524, 526, 533, 534 I 46A 97, 134, 165, 369, 410, 444, 447, 454, 463, 494, 542, 554, 570, 575, 578 I 46B 79, 122, 127, 129, 133, 140, 149, 192, 194, 255, 289, 395, 410, 411, 413, 414, 415, 417, 422, 449, 450, 451, 454, 463, 490, 494, 498, 499, 513, 534, 579, 580, 581, 582, 584, 586 I 47 37, 76, 204, 210, 345, 346, 354, 363, 454, 463, 469, 493, 494, 512 I 48 158, 165, 345, 448, 451, 454, 489, 550, 551 I 49 390, 391, 394, 398, 399, 403, 408, 409, 512, 548, 564, 565 I 50 326, 349, 369, 392, 445, 454, 456, 554, 570 I 51 97, 130, 131, 134, 166, 286, 402, 447, 454, 468, 493, 494, 532, 534 I 52 44, 195, 454, 494 I 53 44, 126, 144, 205, 454, 489, 532, 533, 534, 550, 551, 552, 555, 558 I 54 42, 43, 54, 76, 99, 100, 139, 140, 188, 189, 190, 192, 315, 316, 323, 326, 345, 349, 350, 371, 372, 374, 375, 383, 392, 399, 400, 410, 426, 447, 450, 453, 454, 463, 480, 481, 497, 528, 529, 566, 581 I 55 69, 391, 393, 394, 395, 397, 497, 564, 565, 576, 578, 582 I 56 54, 78, 125, 128, 188, 326, 345, 349, 369, 391, 392, 439, 442, 450, 498, 521, 530, 542, 554, 566, 570, 586 I 57 297, 298, 299, 390, 395, 405, 411, 471, 499, 547, 575, 576, 578, 580, 582, 584

B. Antike Quellen I 58 116, 297, 298, 299, 301, 303, 304, 305, 499, 500, 575, 580, 582 I 59 85, 116, 130, 131, 134, 142, 144, 165, 166, 204, 326, 345, 349, 392, 393, 419, 420, 422, 438, 439, 440, 441, 448, 449, 454, 463, 469, 480, 488, 489, 491, 493, 494, 497, 498, 499, 502, 511, 512, 524, 526, 530, 543, 581 I 60 39, 370, 454, 526, 570 I 61 69, 70, 71, 75, 76, 77, 81, 87, 195, 199, 345, 417, 432, 433, 445, 448, 449, 450, 454, 456, 457, 468, 469, 471, 493, 494, 495, 507, 512, 513, 515, 516, 517, 518, 521, 526, 530, 531, 533, 534, 542, 547, 548 I 62 70, 80, 130, 131, 134, 144, 153, 165, 204, 208, 209, 411, 438, 440, 447, 454, 474, 488, 489, 491, 515, 516, 517, 518, 521, 526, 529, 531 II 1 17, 40, 43, 44, 68, 70, 72, 77, 78, 80, 81, 121, 133, 140, 142, 155, 158, 177, 188, 189, 210, 280, 334, 335, 336, 337, 338, 339, 348, 351, 367, 368, 369, 370, 371, 375, 376, 380, 382, 383, 392, 401, 402, 407, 426, 428, 435, 439, 440, 441, 444, 445, 446, 449, 455, 456, 457, 462, 464, 468, 472, 474, 475, 476, 483, 484, 488, 498, 505, 506, 507, 508, 511, 512, 513, 522, 524, 526, 527, 530, 531, 532, 534, 535, 536, 541, 543, 548, 552, 553, 554, 555, 563, 564, 570, 572, 577, 578, 580, 585 II 2 69, 80, 86, 109, 111, 116, 135, 189, 197, 198, 199, 210, 215, 316, 345, 402, 407, 426, 427, 432, 433, 439, 440, 444, 445, 447, 449, 455, 457, 466, 474, 489, 490, 494, 495, 496, 501, 505, 508, 512, 515, 516, 517, 518, 522, 524, 526, 528, 529, 530, 534, 536, 552, 555, 559, 567, 577, 581, 583, 585 II 3 17, 37, 54, 70, 72, 76, 77, 80, 81, 86, 87, 88, 140, 141, 151, 156, 158, 188, 198, 199, 280, 285, 286, 295, 316, 321, 326, 336, 342, 343, 344, 345, 346, 348, 349, 369, 370, 371, 374, 375, 376, 377, 378, 380, 381, 382, 390, 423, 426, 427,

647

428, 429, 430, 431, 432, 433, 437, 438, 441, 444, 445, 446, 447, 448, 451, 452, 453, 456, 457, 459, 474, 488, 492, 493, 494, 507, 508, 509, 510, 512, 513, 521, 522, 524, 525, 528, 529, 530, 531, 533, 536, 541, 548, 552, 563, 564, 565, 566, 567, 568, 569, 570, 581, 582, 586 II 4 14, 44, 76, 80, 86, 88, 108, 116, 121, 122, 125, 128, 140, 144, 151, 158, 177, 188, 192, 204, 244, 245, 317, 323, 326, 336, 338, 339, 340, 341, 342, 344, 345, 349, 353, 354, 363, 369, 371, 375, 380, 393, 398, 402, 410, 416, 426, 427, 431, 432, 433, 434, 435, 439, 442, 445, 446, 448, 451, 463, 466, 469, 479, 493, 498, 499, 507, 511, 513, 520, 521, 522, 524, 529, 530, 535, 540, 543, 554, 558, 570, 572, 575, 576, 577, 578, 579, 580, 582, 583, 584 II 5 14, 54, 79, 80, 121, 122, 128, 140, 141, 160, 177, 337, 342, 344, 378, 392, 410, 432, 434, 445, 447, 448, 452, 454, 456, 457, 463, 468, 498, 512, 513, 530, 541, 575, 576, 577, 578, 582 II 6 31, 37, 42, 52, 63, 64, 69, 70, 71, 81, 82, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 100, 101, 112, 118, 119, 133, 134, 135, 142, 153, 158, 160, 177, 178, 283, 286, 299, 348, 380, 405, 407, 414, 415, 422, 429, 437, 440, 447, 448, 466, 468, 494, 502, 512, 530, 532, 533, 534, 544, 545, 548, 552, 554, 558, 572, 578, 581 II 7 4, 42, 43, 44, 63, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 79, 80, 85, 86, 87, 88, 89, 97, 99, 100, 101, 102, 115, 117, 130, 131, 133, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 151, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 165, 176, 177, 179, 180, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 196, 203, 204, 205, 207, 208, 209, 225, 226, 231, 295, 316, 321, 333, 342, 343, 345, 346, 348, 350, 375, 380, 398, 399, 404, 407, 408, 422, 432, 433, 436, 438, 441, 445, 447, 448, 449, 469, 477, 478, 485, 493, 496, 497, 507, 510, 512, 513, 519, 522, 523, 524, 525, 526, 527, 530, 535, 536, 543, 552, 555, 558, 563, 575, 576, 577, 578, 581, 583, 585

648

Stellenregister

II 8 54, 69, 71, 111, 135, 141, 144, 178, 226, 227, 266, 295, 326, 342, 345, 349, 371, 376, 392, 414, 426, 446, 447, 449, 450, 451, 455, 466, 469, 494, 496, 497, 507, 508, 510, 513, 515, 516, 521, 522, 524, 530, 532, 533, 534, 547, 563, 566, 572, 581 II 9 43, 77, 81, 97, 116, 134, 135, 139, 140, 149, 153, 177, 188, 192, 245, 280, 318, 319, 342, 347, 349, 351, 355, 366, 369, 370, 372, 374, 375, 419, 426, 427, 432, 433, 434, 440, 444, 445, 448, 449, 453, 457, 463, 468, 474, 484, 485, 489, 494, 508, 513, 517, 521, 522, 524, 525, 529, 530, 531, 532, 534, 541, 542, 552, 554, 555, 570 II 10 86, 158, 321, 344, 345, 390, 393, 449, 457, 463, 501, 505, 546, 547, 566, 581, 585 II 11 43, 44, 69, 78, 110, 133, 158, 195, 262, 280, 376, 390, 393, 423, 424, 428, 432, 434, 440, 447, 449, 453, 454, 458, 479, 493, 494, 502, 532, 534, 549, 576, 578, 579, 580, 581, 582, 583, 585 II 12 54, 99, 100, 103, 128, 189, 192, 199, 282, 283, 284, 310, 326, 379, 392, 407, 445, 448, 449, 454, 456, 463, 495, 497, 498, 513, 530, 541, 542, 567, 576, 577 II 13 297, 298, 300, 390, 545 II 14 395, 411, 564, 565 II 15 44, 316, 469, 489, 521, 550, 551, 579 II 16 127, 195, 451, 454, 463, 493, 494, 498, 499, 541

II 17 81, 97, 130, 131, 134, 162, 204, 446, 447, 449, 468, 494, 496, 532, 534 II 18 37, 71, 144, 156, 189, 215, 343, 376, 383, 425, 449, 454, 456, 499, 512 II 19 244, 297, 298, 326, 354, 390, 408 II 20 67, 149, 158, 165, 166, 184, 192, 344, 439, 445, 446, 447, 450, 451, 454, 463, 493, 494 II 21 144, 156, 177, 448, 454, 463, 469, 493, 494, 505 II 22 81, 127, 144, 438, 454, 489, 526, 550, 551, 577, 583 II 23 86, 394, 405, 582, 583 II 24 44, 72, 76, 86, 164, 304, 390, 391, 398, 422, 524, 525, 535, 546, 547, 548, 556, 581, 582 II 25 128, 134, 139, 156, 163, 165, 166, 195, 447, 454, 494, 498, 499, 507, 533, 534 II 26 44, 69, 134, 141, 158, 194, 438, 449, 451, 452, 454, 456, 463, 490, 494, 499, 524, 532, 534 II 27 452, 454, 489, 524, 528, 529, 533, 534, 537, 546, 547, 548, 549, 550, 579 II 28 390, 391, 393, 394, 395, 396, 411, 469, 582 II 29 44, 75, 79, 81, 82, 99, 100, 102, 116, 149, 158, 299, 301, 303, 304, 390, 391, 393, 394, 395, 397, 398, 400, 411, 420, 458, 500, 526, 531, 535, 546, 552, 557, 558, 567, 576, 581, 582, 583 II 30 14, 99, 128, 347, 348, 349, 391, 410, 448, 451, 454, 466, 479, 495, 498, 522, 524, 527, 530, 532, 534, 564, 586

Autorenregister Ahlborn, E. 285 Alföldi, A. 123, 124, 144, 167 Allara, A. 290 Aloe Spada, C. 81 Ammich, B. 266 Amore, A. 25 André, J. 412, 413 Anti, E. 29, 36 Antolini, L. 53 Arbeiter, A. 200 Arnold, F. C. 25, 32 Aune, D. A. 343 Ballerini, P. u. G. 26, 37, 98, 136, 138, 201, 202, 288, 335, 338, 339, 357, 377, 382, 414 Balsdon, D. 138 Banterle, G. 26, 28, 136, 143, 147, 154, 156, 157, 159, 160, 201, 230, 231, 336, 339, 398, 405, 414, 421, 423, 424, 431, 439, 441, 444, 447, 451, 466, 468, 505, 522, 542, 570 Barceló, P. 59, 60 Barceló, P. 59 Bardenhewer, O. 25 Barelli, U. 29, 31, 83, 84, 169 Bartelink, G. J. M. 135 Bauer, D. 126 Bauer, J. B. 42 Baum, A. 341 Baus, K. 2, 3, 5, 54, 58, 121 Beatrice, P. F. 490 Beatrice, P. F. 426 Beck, R. 30, 308, 310 Bedard, W. M. 304 Bedrossian, M. 263 Berger, A. 97 Berger, K. 196, 197, 199 Beschi, L. 48, 256 Bettini, M. 155 Betz, J. 395, 414, 416 Bickel, E. 6

Bidez, J. 270 Bigelmair, A. 3, 5, 25, 26, 27, 32, 33, 34, 36, 37, 40, 41, 42, 43, 45, 67, 71, 76, 87, 93, 99, 109, 132, 135, 136, 143, 147, 153, 154, 156, 157, 159, 160, 201, 202, 218, 230, 231, 236, 245, 262, 266, 283, 286, 287, 295, 325, 335, 336, 339, 348, 352, 357, 365, 368, 371, 372, 377, 378, 395, 398, 399, 402, 404, 411, 414, 421, 423, 424, 431, 439, 441, 444, 447, 451, 458, 466, 468, 475, 477, 479, 483, 484, 505, 515, 522, 531, 542, 543, 545, 547, 548, 570, 572 Billanovich, M. P. 55, 56 Binder, G. 397 Bisconti, F. 301, 304, 305 Bloch, H. 259, 260 Blumenberg, H. 367, 370, 382, 472, 510, 511 Blumenkranz, B. 268, 273 Boccardi, V. 28, 380, 455, 458, 459, 488, 489, 490, 514 Böcher, O. 230, 234 Bömer, F. 333, 334 Bonamente, G. 98 Bonfante, G. 509 Borok, H. 553 Bortolussi, B. 73 Bös, G. 372, 374, 380, 381 Bosio, L. 46, 47, 48 Botte, B. 211 Bouffartigue, J. 180 Braidotti, C. 509 Braun, J. 130, 131 Brennecke, H. [C.] 106, 113, 115, 510 Breuer, S. 50, 68, 138 Briquel, D. 184 Brisson, L. 350 Brown, P. 358 Brox, N. 3, 5, 11, 14, 372, 373, 381, 403, 417 Buchheit, V. 313

650

Autorenregister

Büchner, K. 332, 538, 551 Budinkovsky, M. C. 258, 274 Buonaparte, A. 256 Calderini, A. 256, 258 Camelot, P.-T. 396, 397 Cameron, A. 19 Campenhausen, H. F. von 141 Cancik, H. 106, 108, 112, 232, 235 Cancik-Lindemaier, H. 455, 492 Canellis, A. 30, 35 Cantino Wataghin, G. 421 Carlozzo, G. 456 Casel, O. 416 Cattaneo, E. 50, 55, 56 Cavalieri Manasse, G. 51, 52, 53, 54, 62, 63 Cervato, D. 29, 46, 50, 61, 311 Chadwick, H. 379 Chapot, F. 461, 510 Chevallier, R. 256, 261 Chirassi Colombo, I. 50, 138, 257, 285 Christes, J. 16 Chuvin, P. 67 Cipolla, C. 52, 54 Cipriano, P. 85 Classen, C. J. 553 Colpe, C. 228, 233, 354, 357, 358, 359, 365 Courcelle, P. 191, 210, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 355, 357 Coxon, P. W. 236 Cuscito, G. 56 D’Alès, A. 41 Da Lisca, A. 53, 54 Daley, B. 74 Daniélou, J. 311 Dassmann, E. 110, 488, 489, 496 Daut, W. 75 De Bruyne, L. 363 De Paoli, G. 28, 42, 397, 407 De Prisco, A. 34 De Villiers, P. G. R. 84 Degrassi, A. 256, 258 Dekkers, E. 36 Delahaye, K. 396, 397 Delhaye, P. 335 Delius, W. 265

Demandt, A. 49, 54, 57, 58, 59, 60, 299, 300 Dexinger, F. 236, 237 Dihle, A. 145, 146, 149 Dochhorn, J. 378 Doignon, J. 29, 32, 37, 39, 41, 42, 218, 377, 395, 413 Dolbeau, F. 27, 34, 35 Dölger, F. J. 379 Dölger, F. J. 99, 161, 229, 248, 282, 283, 284, 285 Donohue, A. A. 324 Dörrie, H. 356, 545, 546, 547, 548, 549 Dresken-Weiland, J. 52 Dubourdieu, A. 93, 97, 101, 102, 117, 158 Duchrow, U. 515, 520 Dümler, B. 33 Dupont, F. 127 Dürig, W. 425, 427, 436, 437 Durst, M. 74 Duval, Y.-M. 2, 28, 32, 33, 41, 42, 379, 490 Ederle, G. 26, 29, 50, 136, 147, 156, 157, 159, 160, 201, 230, 231, 335, 336, 338, 339, 398, 414, 421, 423, 424, 431, 439, 441, 447, 451, 466, 505, 570 Egelhaaf-Gaiser, U. 325, 326 Eisenhut, W. 138, 260, 463, 505, 510, 511, 537, 538, 539, 551, 552, 559 Eitrem, S. 167, 173, 194, 195 Emminghaus, J. M. 304 Engels, L. J. 38, 39 Engemann, J. 126, 127 Erler, M. 356 Ewig, E. 54, 58 Eyben, E. 299, 300 Faber, E.-M. 546 Fauth, W. 173, 191, 192 Fear, A. T. 268, 269, 270, 272, 273, 274, 275 Fears, J. R. 170 Feil, E. 79, 80 Feldmeier, R. 13, 66, 69 Ferguson, E. 153 Février, P.-A. 213, 214 Fiedrowicz, M. 81, 82, 100, 106, 107, 119, 123, 129, 152, 155, 163, 178, 192,

Autorenregister 229, 230, 254, 259, 270, 272, 285, 314, 320, 332, 337, 339, 340, 342, 369, 380, 435, 487, 511 Filippini, V. 52 Fini, M. 152, 153, 165 Fink, J. 260 Fiorio Tedone, C. 52, 421 Fischer, B. 67 Fishwick, D. 167 Fitzgerald, A. 408 Flamant, J. 503 Fliedner, H. 276, 277 Forlati Tamaro, B. 52, 256, 257 Frank, K. S. 150, 152, 153, 157 Frede, H. J. 32, 379, 444 Freistedt, E. 214 Freund, S. 313, 315, 316, 317, 318, 319, 323 Freyburger, G. 103, 104, 110, 115 Fridh, Å. 101, 102 Friedl, S. 41 Frost, U. 14 Fuhrmann, M. 504 Funke, H. 118, 119, 123, 124, 126, 127 Galinsky, G. K. 250 Galli, A. 34 Gamber, K. 29 Ganschinietz, R. 191 Gaudemet, J. 57, 58, 59, 60 Gavoille, L. 177, 511 Gazzola, P. 52 Geerlings, W. 6, 7, 8, 10, 11, 367, 435, 436, 437, 451, 456, 460, 461, 462, 470, 483, 486, 487, 488, 489, 490, 491, 492, 498, 499, 531, 551, 570 Gehlen, A. 24 Geisau, H. von 138 Gemeinhardt, P. 15, 16, 17, 314, 389, 423, 435, 507, 511, 512 Germiquet, E. 84 Gessel, W. 210, 211 Giebel, M. 269, 270, 271 Giuliari, J. C. 26, 34, 142 Gizewski, C. 404 Gladigow, B. 23 Gnilka, C. 7, 8, 195, 485 Godding, R. 36 Golinelli, P. 36 Gottlieb, G. 503

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Goulon, A. 314 Graf, F. W. 12 Graff, D. 261, 264, 265 Graff-Höfgen, G. 261, 264, 265 Grazioli, A. 25 Greschat, K. 16, 17 Greshake, G. 481, 546 Grimm, J. u W. 198 Gros, M. S. 28, 34 Groß, W. H. 324 Grossi, V. 365 Gundel, H. G. 306, 307, 310 Gundel, W. 194 Haas, A. M. 14 Habel, E. 103 Hahn, J. 64, 65 Hahn, V. 127 Haight, E. H. 321, 322 Håkanson, L. 27 Hamman, A.-G. 153, 178, 214, 421 Hand, V. 553, 561 Hano, M. 57, 180 Hanslik, R. 349 Hanson, J. A. 104, 105 Harmening, D. 23, 83, 155, 180, 185, 186, 187, 191, 194, 195, 196 Harnack, A. von 2 Harrill, J. A. 394, 403, 409 Harwardt, S. 580, 582 Hatch, E. 118 Hauschild, W.-D. 546 Heck, E. 289, 314, 331, 335, 337 Heckel, H. 296, 297, 299 Heckel, U. 66, 69 Heckenbach, J. 400, 401, 402 Hegedus, T. 30, 307, 308, 309 Heim, F. 282, 559, 560 Heine, R. 187, 465, 469, 484 Heinz, A. 263 Heinze, T. 296 Hepding, H. 270, 271 Hermann, A. 404, 405 Herzog-Hauser, G. 250 Heuss, A. 54, 57, 58, 59, 60 Hoffmann-Krayer, E. 23 Hofmann, H. 38, 39 Hofmann, J. B. 161, 187, 465, 469, 484 Hofmann, M. 30 Hoheisel, K. 343

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Autorenregister

Holl, O. 306 Hölscher, T. 12, 13 Holte, R. 571, 580 Holzem, A. 23 Honstetter, R. 461, 464, 483, 485, 486, 487, 488 Horn, C. 539, 540, 542, 553, 555, 560, 561, 594 Hubaux, J. 303 Hübner, H. 445 Hübner, W. 43, 301, 308, 309, 310, 311 Humphries, M. 2, 4, 33, 95, 107 Hunger, H. 247, 250, 253, 271, 276, 277, 281, 284, 295, 296, 306, 319 Hurschmann, R. 403, 404 Hus, A. 381, 382, 425, 427 Ihm, C. 121 Isakhanyan, S. 264 Jacob, C. 152, 343, 348, 453, 455, 456 Jaeger, W. 15 Jaeschke, W. 24 James, M. R. 241 Jarcho, V. N. 250 Jastrzebowska, E. 213, 214, 217, 218, 290 Jeanes, G. P. 25, 28, 34, 39, 40, 42, 392, 393, 395, 405, 410, 412, 414, 416, 537, 549 Johnson, L. J. 28 Johnson, P. D. 539, 540, 561 Jones, A. H. M. 61 Jones, H. S. 21, 69, 244 Jungbauer, G. 194, 195 Jürgens, H. 103, 105, 106, 107, 108, 113, 114 Kahlos, M. 65, 66, 67, 74, 89, 105, 113 Kallis, A. 229, 235 Kampling, R. 3, 13, 71, 469 Kany, R. 10, 263 Karay [Tripp], D. 28 Kaser, M. 335 Kehl, A. 145, 307, 409, 410 Kelzenberg, E. J. 28 Kirsch, J. P. 421 Klauser, T. 421 Klein, R. 138 Klein, W. 378 Klettner, A. I. 25

Klibengajtis, T. 30 Klima, U. 571 Klingenberg, G. 117, 200, 201, 203 Klingenschmitt, G. 530 Kluge F. 12 Knibb, M. A. 241 Knütel, R. 98 Kobusch, T. 80, 82, 139, 153, 226 Koep, L. 79, 81, 143, 203, 204, 208, 209, 211, 212, 213 Kohler-Spiegel, H. 12, 13 Kollwitz, J. 132 Konersmann, R. 519, 520 Kornemann, E. 49, 57, 58, 59, 60 Kornhardt, H. 437, 460, 462, 463, 464, 465, 466, 470, 471, 486 Kötting, B. 304 Kötzsche-Breitenbruch, L. 378 Kramer, J. 304 Kraus, C. R. 16 Krause, J.-U. 99 Kroll, W. 138 Kurfess, A. 404, 405 Kursawe, B. 426 Lackeit, C. 46 Laconi, S. 560 Laiti, G. 30 Lancellotti, M. G. 270, 271, 272, 276 Last, H. 111, 169, 170 Latte, K. 73, 79, 130, 133, 134, 157, 158, 162, 163, 168, 171, 173, 175, 177, 178, 179, 180, 181, 185, 191, 200, 204, 205, 209, 212, 213, 214, 247, 249, 252, 253, 258, 270, 273, 276, 281, 282, 287, 354 Lau, D. 541 Lawrence, J. M. 182 Leclerq, H. 297 Leipelt, P. 26, 98, 109, 132, 136, 143, 147, 156, 157, 159, 160, 201, 230, 231, 295, 336, 339, 398, 414, 421, 423, 424, 431, 439, 441, 444, 447, 451, 466, 468, 505, 542 Lennert, R. 14 Léon-Dufour, X. 83 Leonhardt, R. 580 Lepelley, C. 62, 63, 92 Leroy, M. 303 Lesky, E. 232, 234 Lezziero, S. 54

Autorenregister Liddell, H. G. 21, 69, 244 Lilla, S. 358 Lindberg, D. C. 351 Lips, H. von 444 Lizzi, R. 1, 2, 36, 44, 49, 53, 61, 62, 63, 68, 94, 120, 205 Löfstedt, B. 22, 25, 26, 27, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 44, 49, 69, 81, 83, 84, 125, 133, 142, 151, 154, 156, 157, 158, 160, 161, 164, 169, 182, 189, 199, 201, 202, 210, 227, 230, 232, 236, 251, 253, 298, 300, 303, 314, 315, 320, 322, 331, 340, 341, 342, 358, 359, 373, 374, 377, 379, 444, 448, 449, 466, 477, 488, 507, 511, 515, 531, 548, 557, 566, 577 Lühken, M. 313, 315 Lumpe, A. 460, 462, 464, 474, 480, 482, 483, 485, 486, 487, 488 Lusuardi Siena, S. 52, 421 Madec, G. 6, 7, 8 Magri, A. 41, 490 Maier, J. 228 Malesani, M. R. 28, 42 Malherbe, A. J. 259, 260 Maltby, R. 278 Małunowiczowna, L. 29 Manca, M. 34 Maraval, P. 489, 490 Marchini, G. P. 42, 47, 48, 51, 52, 53, 54, 278 Marinković, P. 69 Markschiess, C. 412 Markus, R. A. 16 Marquardt, J. 395, 418, 419 Marrou, H.-I. 5, 11, 14, 15, 38, 325, 337, 358, 418, 419, 420, 425, 426, 429, 434, 436, 437, 460, 504, 571, 573 Martin, J. 49, 57, 59, 60 Martindale, J. R. 61 Martroye, F. 56 Mascari, M. A. 29, 40 Mayer-Maly, T. 155 Meershoek, G. Q. A. 520 Menis, G. C. 55, 56 Merkel, H. 340, 341 Merkt, A. 37, 38, 39, 40, 42, 43, 68, 161, 464 Michaelis, W. 406

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Milik, J. T. 241 Modemann, M. 159 Modesto, C. 34, 496, 532 Mohrmann, C. 37, 46, 56, 66, 67, 68, 69, 159, 511, 513 Molland, E. 5 Monceaux, P. 25, 32, 33, 39 Montorsi, W. 35, 36 Morel, V. 436 Moreschini, C. 30 Morgan, T. 16, 17, 19 Moritz, L. A. 412, 413 Morris, R. 61 Möseneder, K. 297, 299, 300, 301 Mujica Rivas, M. L. 428 Muller, F. 185, 186, 188 Müller, G. A. 312, 313, 314, 315, 316, 317, 319, 320, 323, 324 Müller, H.-P. 23 Müller, P. 16 Müller, W. W. 167 Neunheuser, B. 390, 396 Neymeyr, U. 5 Nickelsburg, G. W. E. 241 Nilgen, U. 284 Noethlichs, K.-L. 57, 58, 59, 60, 98 Norelli, E. 30 Normann, F. 435 Nygren, A. 280 O’Donnell, J. J. 67, 68 Ogilvie, R. M. 314, 355, 358 Olivar, A. 43 Önder, J. 263 Önnerfors, A. 27 Opelt, I. 3, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 77, 78, 79, 80, 82, 88, 90, 91, 92, 102, 103, 107, 111, 114, 119, 128, 131, 136, 173, 193, 230, 235, 248, 251, 253, 272, 286, 287, 334, 336, 355, 368, 372, 376, 484 Orti Manara, C. G. 54 Pack, E. 48, 49, 53 Packard, D. W. 27, 69, 81, 133, 154, 156, 158, 164, 182, 189, 210, 227, 303, 488, 507, 511, 531, 548 Padovese, L. 2, 3, 28, 377, 418, 557 Pailler, J.-M. 15

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Autorenregister

Palanca, L. 29, 40 Palanque, J.-R. 50, 51 Palumbo, S. 299 Pascal, C. B. 255, 256, 257, 258, 259, 274, 279 Pasquato, O. 103, 114 Paul, E. 420 Payen, P. 15 Peeters, C. J. A. C. 421 Pellegrini, G. 46, 47, 48 Peri, V. 50, 55 Perler, O. 28, 145, 151, 348 Pesci, B. 28, 42 Pétré, H. 376 Pezzin, C. 28 Pfeifer, M. 170, 171 Pfister, F. 194, 259 Pfitzner, V. C. 111 Philippart, G. 29 Philonenko, M. 435 Piepenbrink, K. 17, 18 Piétri, C. 48, 503 Pighi, G. B. 25, 29, 48 Piva, P. 52 Plöger, O. 126 Plumpe, J. C. 397 Pöhlmann, W. 170 Poinsotte, J.-M. 3, 12 Pollastri, A. 150 Preuss, H. D. 228 Price, S. R. F. 170 Pricoco, S. 378 Prümm, K. 137, 191, 192, 194, 247, 256, 259, 270 Puech, H.-C. 379 Quasten, J. 400, 401, 406 Radke, G. 47, 48, 49, 247, 248, 249, 252, 253, 273, 276, 287, 404, 406 Radnoti-Alföldi, M. 124 Rapisarda, G. 30 Ratschow, C. H. 130 Rauhala, M. 269, 272, 276 Redpath, H. A. 118 Remus, H. 66, 68, 69 Renaud, F. 539, 540 Riché, P. 14, 15 Rickert, F. 281, 282, 283, 284, 297 Riedweg, C. 243, 472

Rieks, R. 103, 114 Riley, H. M. 304 Rinaldi, G. 336, 337, 339, 340, 341 Rist, J. 420 Robbe, T. 13 Rodi, F. 11, 13 Rosenau, H. 351 Rosini, R. 3, 377 Rosivach, V. 268 Rousseau, P. 30, 75, 373, 430, 495, 529, 533, 554, 569, 583 Rubenbauer, H. 187, 465, 469, 484 Rudolph, K. 228 Ruge, W. 191 Ruggini, L. [Cracco] 42 Rumpf, A. 277 Rüpke, J. 10, 11, 23, 83, 93, 97, 98, 104, 112, 119, 120, 134, 135, 151, 154, 158, 161, 168, 175, 179, 180, 181, 188, 194, 195, 235, 254, 259, 260, 262, 267, 274, 293, 310 Saggioro, A. 105, 115 Saint-Roch, P. 170 Sallmann, K. 10, 11 Salsano, M. 31 Sartori, F. 47, 48, 49, 255, 256, 257, 258, 274, 279, 285 Sartori, S. 30 Saxer, V. 132, 204, 211, 212, 213, 214, 216, 217, 218 Schaeffler, R. 574 Schäfer, E. 275 Schanz, M. 25 Schäublin, C. 38, 39, 504, 507, 513 Schauenburg, K. 250 Scheer, T. S. 119 Scheid, J. 93, 97, 101, 102, 117, 158 Schilling, R. 262 Schillinger, K. 273 Schlegelberger, B. 13 Schmid, J. 394, 396, 397 Schmid, W. 355, 356, 357, 363, 364, 365 Schmidt, E. 252 Schmidt, P. L. 76, 372 Schmidt, W. H. 232 Schmitz, J. 7 Schneider, A. M. 363, 421 Schneider, B. 264

Autorenregister Schneider, C. 260, 276, 277 Schneider, J.-P. 356 Schnusenberg, C. 105 Schöllgen, G. 379 Schreckenberg, H. 3, 71 Schrenk, S. 53 Schrijnen, J. 395, 413, 414, 416 Schwarte, K. H. 199 Schweizer, E. 229 Schwenk, B. 15 Scolari, A. 61, 62, 92, 256, 258, 285 Scott, R. 21, 69, 244 Seebold, E. 12 Seeliger, H. R. 113, 114, 126, 363, 413, 459, 488, 507 Segala, F. 28, 29 Sellin, G. 515, 516 Seumois, A. 5 Seybold, K. 164, 516 Sfameni Gasparro, G. 270 Sgreva, G. 3, 28, 42, 341, 352, 357, 359, 377, 394, 412, 414, 444, 448, 451, 452, 454, 455, 574, 575, 577, 586 Sicard, D. 211 Sigel, D. 455, 492 Silveira Cyrino, M. 250, 252 Simon, D. V. 97, 335 Simon, M. 259 Simonetti, M. 36, 298 Simoni, P. 30 Skeb, M. 28 Smelik, K. A. D. 360 Solignac, A. 28 Sotinel, C. 96, 100, 377 Spanneut, M. 378, 554, 560, 570 Speigl, J. 445, 453, 454, 456 Speyer, W. 237, 239, 240 Stähler, K. 116 Steinert, U. 13 Stelzenberger, J. 564, 567, 568, 569 Stemberger, G. 378 Stemplinger, E. 232 Stenzel, M. 266 Stepanich, M. 3, 377 Stockmeier, P. 8, 229, 234 Stork, H.-W. 378 Strathmann, H. 271, 272 Stückelberger, A. 356

655

Stuckrad, K. von 194 Studer, B. 7, 10, 11, 25, 37, 38, 325, 378, 429, 431, 437, 443, 448, 451, 452, 453, 454, 455, 456, 457, 458, 546, 549 Stuiber, A. 303, 354, 362, 363 Stutzinger, D. 305 Syndikus, H. P. 275 Szantyr, A. 161 Tacke, A. 13 Tamassia, N. 1, 99 Tanner, K. 12 Tasca Dirani, F. 29, 30, 36, 307, 308, 309, 310 Taylor, M. S. 12 Ternus, J. 333, 334 Thomas, A. 264, 265 Thomas, L. 366, 367, 368, 570 Thraede, K. 232, 289, 291 Toynbee, J. M. C. 53, 209, 212, 213, 214 Tramontin, S. 50 Trisoglio, F. 29 Truzzi, C. 3, 25, 27, 28, 29, 42, 43, 44, 49, 50, 169, 236, 359, 377, 380, 404, 411, 447, 455, 465, 466 Turcan, R. 269 Türk, H. J. 12 Uhlig, S. 241 Usener, H. 264, 265, 412, 413, 414, 416 Uthemann, K.-H. 38, 40, 504 Van den Broek, R. 303, 304, 305 Van der Meer, F. 46, 56, 284 Van der Nat, P. G. 229 Vecchi, A. 29 Vermander, J.-M. 229 Vermaseren, M. J. 269, 270, 271, 273, 274 Vicentini, O. 28, 377, 462, 555, 558 Viciano, A. 42 Vignola, P. 51 Vogel, C. 200, 205, 210, 214 Vogel, H. 29 Vogt, J. 169, 170 Vögtle, A. 286 Vokes, F. E. 32, 254 Vrins, G. P. P. 421, 422 Vrugt-Lentz, J. ter 181, 185, 187

656

Autorenregister

Walde, C. 491 Walla, M. 301, 302, 304, 305 Ward-Perkins, B. 64 Waszink, J. H. 185, 186, 188, 232, 234 Wegenast, K. 25 Weismann, W. 103, 104, 105, 107, 108, 111, 113, 114, 115 Westermann, C. 283 Weymann, C. 321 Wildfang, R. L. 137 Wilpert, G. 305 Winiarczyk, M. 229, 289 Winkler, G. 262, 396 Wiskirchen, W. 83 Wisskirchen, R. 98 Wissowa, G. 92, 97, 98, 101, 102, 103, 104, 117, 121, 129, 134, 137, 138, 151, 157, 158, 161, 166, 167, 168, 169, 174,

175, 176, 177, 178, 179, 181, 185, 186, 195, 197, 199, 247, 248, 249, 258, 261, 262, 270, 271, 273, 276, 281, 282, 283, 287, 353, 403 Wistrand, E. 27, 202 Wittchow, F. 462, 463, 464, 471, 477 Wlosok, A. 141, 572 Yarnold, E. J. 396, 404 Yerkes, R. K. 179 Zeddies, N. 79, 182 Ziehen, L. 130 Zimmerman, M. 322 Ziwsa, K. 41 Zovatto, P. L. 51, 52, 53, 54 Zwierlein, O. 251, 259, 260, 261

Begriffsregister accipere 151, 391, 394, 395, 414, 415, 416, 417, 433, 446, 452, 453, 468, 502, 508, 517, 531–34, 559, 562, 572, 583, 586, 592 adorare 126, 127, 144–45, 221, 551 aedes 82, 93–94, 94, 95, 97, 219, 533 aedes catechizandorum 53 aetates 128, 129, 296, 299, 300, 307, 390, 423, 472 aeterna vita 395, 410, 424, 434, 542, 573– 79, 580, 583, 584, 585, 586, 594 aetheria vestis 394, 398–410, 545, 561, 587 agon 110, 111, 112, 115, 577 altare 116, 124, 130–31, 267, 290, 420, 421 ambigui 75, 159, 376, 459, 536, 543 amor 276–80, 290, 294, 401, 402, 467, 480, 482, 527, 534, 553 Aphrodite Urania 265 approbare 151, 232, 302, 429, 462, 463 Apuleius 31, 38, 40, 41, 106, 161, 231, 232, 233, 235, 277, 290, 313, 320–22, 328, 372, 373, 400, 539 ara 130–31, 165, 168, 399 arcanum 348, 349, 451, 524, 566 ars 324–26, 430, 473, 541, 552, 553, 556 artes liberales 419, 571 Attis 107, 268–76 audire 417, 450, 515–27, 562, 568, 591 augurium 63, 97, 184, 185–90, 191, 192, 193, 196, 198, 222 auspicium 168, 169, 185, 186, 187, 188, 189, 190 beatitudo 338, 395, 410, 414, 422, 499, 501, 540, 564, 575, 580–86, 587, 594 bustum 131–33 cadaver 116, 117, 124, 205, 206, 210, 211, 212, 216, 217, 267, 290, 502

caelestis 75, 227, 313, 341, 393, 394, 410, 414, 415, 417, 428, 437, 532, 542, 582, 586 candidatus 394, 398, 403, 404, 405, 408, 409 capitolium 64, 93, 94–95, 95, 219 caritas 276, 280, 332, 346, 373, 375, 376, 393, 402, 408, 426, 429, 446, 471, 473, 495, 497, 501, 525, 535, 536, 540, 552, 553, 567 carnalis 75–76, 88, 90, 108, 356, 363, 364, 385, 392, 410, 415, 446, 452, 528, 532, 574, 583, 586 cena 161, 209, 213 chresis (÷ñyóéò) 7 Cicero 12, 38, 41, 80, 146, 331–32, 334, 335, 357, 358, 372, 381, 384, 425, 537, 538, 539, 559, 568, 571, 580 circumcisio 159, 301, 391, 402, 424, 457, 486, 497, 523, 524, 542, 547, 579 circus s. Zirkus (con-)clamare / conclamatio 200, 204, 205, 207, 208, 210 (con-)scientia 374, 423, 429, 509, 518, 523, 525, 528, 533, 536, 539, 542, 563– 69, 570, 571, 572, 573, 576, 578, 586, 593 conversio 7, 8, 519 convivium 161, 213, 214, 218, 391, 395, 433, 583 corona 110, 180, 310, 502, 512, 551, 577, 583 crimen 57, 81, 139, 145, 146, 147, 248, 255, 289, 363, 436, 477, 552 cultor 79, 96, 134, 135, 153, 221 cultus 137, 139–40, 140, 142, 143, 144, 221 cupido 135, 276–80, 294, 315, 368, 493, 527, 543 curiosi / curiositas 327, 350, 372, 373, 375, 371–81, 385, 386, 436, 477 cursus / cursor 296–301

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Begriffsregister

custodire 162, 438, 535–37, 540, 556, 558, 592 daemones / daemonia 160, 226, 227–35, 239, 244, 292, 580 dei cultura / cultus 86, 125, 139, 145, 147, 148, 216, 287, 291, 489, 535 Demokrit 330, 355, 356, 357, 364, 384, 385, 483 deus / dea / dii 96, 119, 140, 178, 226, 225–27, 292 devotio 81, 197, 374, 430, 453, 565, 583, 584 dies Aegyptiaci / religiosi 193–96, 222 dies natalicius / natalis 33, 213, 218, 303 Dikaiarch 330, 355, 356, 357, 364, 384, 385, 483 discere 459, 494, 517, 528–31, 531–62, 563, 582, 592 disciplina 345, 429, 436–38, 494, 525, 528, 529, 540, 588 docere / edocere 302, 425–34, 425–34, 451, 459, 465, 528, 529, 531, 536, 563, 575 docti 338, 381–83, 386, 425 doctrina 367, 370, 371, 415, 416, 425–34, 435, 444, 495, 505, 529, 530, 582, 588 ecclesia ex circumcisione 3, 71 ecclesia ex gentibus 71, 288, 467 edocere s. docere educatio 418–25, 528, 588 Elisium 245, 312, 317, 353, 358, 359, 364, 385 eloquentia 17, 336, 382, 504–11, 591 Epikur 330, 355, 356, 357, 364, 365, 384, 385, 483 eruditio 430–34, 435, 579, 588 ethne (hèí) 66, 67, 69, 243 ethnicus 66, 67, 68, 69 exemplum 155, 206, 220, 234, 302, 408, 424, 426, 427, 459, 460, 461, 460–61, 462–70, 503, 471–503, 513, 528, 532, 533, 550, 552, 558, 573, 575, 589, 590 exhortatio / hortari 4, 89, 137, 139, 164, 391, 432, 433, 438, 439, 440, 441, 450, 453, 459, 470, 493, 513, 588 exsequiae 208–13, 315, 322 exta 175, 181, 183 externus 67, 71–72, 90, 144, 343, 383

fabulari 295, 508, 509, 510 fanaticus 136 fanum 79, 93, 99, 101–2, 102, 117, 136, 150, 165, 219, 262, 535 felicitas 362, 430, 476, 529, 573, 580–86, 594 figmentum 120, 128–29, 140, 178, 220, 325, 508 Fortuna Muliebris 287 funus 209, 210 galli 18, 159, 163, 268–76 gentes 66, 67–71, 72, 74, 76, 86, 87, 90, 101, 117, 173, 227, 286, 315, 338, 352, 353, 354, 359, 408, 410, 427, 440, 477, 483, 494, 535, 537, 577 gigantes 235–44 Graeciae viri 347, 349, 350, 366, 372 gratia 395, 505, 546, 547, 548, 549 haeresis 3, 41, 376, 377, 379, 380, 384, 386, 481, 495 haruspicium 59, 60, 168, 169, 181–85, 186, 188, 222, 350 hemithei 81, 131, 235–44, 292, 540 Hercules 249–52, 254–68, 482 Horaz 41, 293, 322–24, 328, 406, 539, 561 Horoskop 156, 187, 188, 307, 308, 306– 11, 319, 326, 327, 349, 350, 373, 396, 398, 403, 422, 432, 556 hortari s. exhortatio hostia 148, 162, 164, 165, 166, 174, 175, 407, 526 idolatria 79, 82–84, 87, 88, 90, 93, 94, 100, 102, 125, 145, 216, 219, 224, 233, 246, 255, 396, 433, 482, 493 idolum 79, 82, 86, 87, 99, 118, 122, 118– 23, 123, 124, 125, 128, 129, 139, 220, 306, 325, 336 illiterati 40, 43 imago 14, 75, 121, 125, 127–28, 170, 410, 461, 498, 499 imitari 120, 145–50, 152, 155, 175, 221, 441, 453, 489, 556, 558, 562, 593 immolatio 142, 162–67, 168, 172, 175, 221 immortalitas / inmortalitas 245, 299, 313, 337, 338, 341, 367, 392, 393, 394, 410,

Begriffsregister 441, 484, 499, 529, 535, 536, 551, 573– 79, 580, 582, 583, 584, 585, 594 impietas / impius 67, 72–74, 75, 78, 90, 135, 245, 272, 469, 576, 583 impudicitia / inpudicitia 79, 81, 83, 86, 87, 88, 90, 97, 102, 106, 108, 109, 110, 112, 116, 117, 122, 124, 129, 131, 135, 144, 145, 147, 148, 154, 156, 216, 219, 220, 225, 246, 251, 252, 254, 258, 266, 267, 268, 286–91, 293, 294, 296, 433, 436, 441, 467, 476, 508, 564 incerti 18, 74, 75, 106 incredulus 67, 74, 76–78, 90, 363, 434 inferi 244–46, 292, 295, 354 infidelis 67, 74, 76–78, 90, 91, 347, 350, 362, 375 ingenium 339, 367, 370–71, 383, 386, 428, 429, 505 insinuare 428–30, 468, 588 instructio / instruere 371, 429, 428–30, 430, 431, 435, 542, 588 Iudaei 69, 70, 71, 75, 90, 93, 345, 360, 395, 414, 417, 446, 451, 467, 493, 494, 495, 499, 517, 526, 584 Iupiter 246–48, 254–68, 482 ius templorum 58, 97–99 iustitia / iustus 73, 74, 148, 210, 251, 282, 334, 335, 336, 367, 368, 371, 384, 427, 447, 474, 475, 502, 505, 506, 526, 540, 552, 554, 559, 564, 570, 572, 577, 579, 583, 593 Kybele 107, 136, 159, 163, 225, 265, 268–76, 482, 486, 492 lac / lacte 321, 390, 395, 402, 403, 405, 410, 411–17, 529, 576, 577, 579, 584, 587 lex 334–43, 345, 433, 439, 440, 445–47, 449, 459, 528, 589 libamen / libatio 112, 142, 168, 171–72, 182, 213, 215, 216, 221, 222 locus infamis / orationis / religiosus / sacer 101, 117–18, 200, 219 loquacitas 326, 509 loqui 207, 415, 507, 508, 509, 510, 513, 591 luctus 204, 208, 210, 346, 469, 494 ludus 103–5, 107, 109 Lukan 322–24, 328

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lumen inferre 171, 173 luna 116, 274, 280–86, 292, 318, 346, 347, 438, 484 luxuria 125, 146, 148, 172, 216, 217, 219, 220, 246, 254, 255, 258, 279, 441, 482 magister / magisterium 382, 435, 434–36, 588 maiores 122, 149, 255, 289, 397, 492, 500, 501, 538, 544, 551, 559, 583, 593 martyr / martyrium 110, 112, 113, 118, 121, 172, 212, 217, 230, 467, 489, 501, 502, 508, 512, 527, 529, 530, 551, 577, 579, 583, 585 medii 74, 75 mimus 103, 108, 114, 252 ministerium 142–43, 160, 161, 162, 509 monita 189, 199, 432, 433, 434, 438, 439, 440, 441, 495, 508, 518, 537 mores / mos 23, 44, 116, 120, 124, 149, 154, 155, 156, 157, 175, 221, 267, 290, 422, 430, 438, 460, 489, 506, 541, 557, 558, 552–61, 562, 593 mors 200–203, 354, 360 mos s. mores mundanus 75–76, 83, 87, 90, 359, 376, 393, 399, 543 mysterium 136, 142, 159–62, 176, 221, 452, 523 nationes 69, 459, 470, 493, 526 nativitas (secunda) 218, 307, 389–97, 587 nefas 85, 91, 111, 131, 132, 144, 193, 206, 343, 383, 441, 481, 567 noscere 86, 123, 227, 233, 266, 278, 298, 312, 339, 393, 414, 417, 423, 445, 450, 451, 465, 467, 482, 496, 500, 508, 520, 531–34, 544, 558, 562, 568, 575, 577, 582, 592 nutrire 394, 416, 417, 418–25, 432, 579, 582, 588 observantia / (ob-)servare 193–96, 203, 207, 438, 439, 440, 481, 535–37, 552, 558, 564, 577, 592 oraculum 188, 189, 191, 192, 190–93, 222, 350, 445, 449, 450, 451 oratio 118, 140, 158, 346, 369, 503–14, 544, 591

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Begriffsregister

Ovid 41, 214, 250, 252, 322–24, 328, 333, 334, 384 paganus 66, 67, 68, 69 paideia (ðáéäßá) 14, 15, 16, 419, 420, 571 pantomimus 103, 114 parentalia 63, 116, 124, 154, 156, 212, 213–19, 267, 290 patientia 203, 299, 373, 402, 408, 426, 427, 430, 437, 438, 476, 488, 495, 502, 517, 525, 529, 533, 539, 540, 549, 553, 554, 555, 556, 558, 580, 581, 583, 593 perfidia / perfidus 77, 76–78, 90, 91 petere 75, 176–78, 191, 192 philosophi 331, 353, 357, 358, 361, 384, 386 Phoenix 301–5, 423, 531, 575 pietas / pius 73, 81, 85, 121, 138, 156, 440, 475 plangere 203–8, 211, 481 Platon 228, 330, 331, 332, 357, 358, 366, 384, 386, 485, 520, 574 poeta sapientissimus [Vergil] 312, 313, 357 poetae 231, 246, 312, 311–13, 334, 353, 354, 358, 359 pompa 103, 104, 209 praecepta 199, 337, 415, 433, 438–42, 459, 494, 529, 536, 537, 543, 577, 585, 588 praedicatio 189, 337, 511–14, 517, 591 prandium 117, 175, 212, 215, 217, 502, 532 preces 168, 176–78, 222, 287 probare 151, 351, 369, 429, 456, 462, 463, 556 prodigium 181, 182, 196–99 profanus 67, 71–72, 90, 206 pudicitia 102, 139, 153, 178, 246, 266, 286–91, 294, 321, 348, 384, 407, 440, 467, 472, 476, 485, 501, 502, 536, 538, 543, 551, 568, 583 Pudicitia Patricia 287 Pudicitia Plebeia 287 quadriga 274, 281, 284, 297, 298, 299, 301 quattuor animalia 283, 284

reatus 86, 90, 433, 547 refrigerium 214, 218, 346, 363, 496 religio 57, 80, 81, 79–82, 83, 90, 179, 200, 577 res naturae 344–52, 385 responsum 177, 190–93 resurrectio 302, 304, 366, 481, 499, 519, 573, 574, 575, 576 ritus 108, 112, 140, 143, 169, 221, 398 rogus 131–33 sacerdos 101, 134, 135, 161, 206, 211, 494, 501 sacra / sacrum 116, 124, 132, 151, 154, 155, 157, 154–58, 159, 221, 267, 290, 508, 513 sacra scriptura s. scriptura sacrarium 102–3, 219 sacrificium 116, 118, 124, 150–54, 154, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 163, 164, 165, 166, 168, 173, 174, 175, 176, 184, 211, 221, 267, 287, 290, 348, 427, 467, 522, 524 sacrilegium / sacrilegus 67, 72–74, 79, 80, 84–85, 90, 91, 118, 132, 135, 179, 222, 231 sacrum s. sacra saecularia 95–96, 219 Sallust 41, 384, 538 sapiens 366–70, 370, 382, 383, 386, 396, 457, 505, 526, 554, 559, 570, 572 sapientia 142, 326, 334, 335, 336, 337, 338, 355, 366, 367, 368, 369, 370, 376, 382, 384, 386, 431, 435, 436, 449, 450, 484, 505, 506, 507, 508, 519, 541, 542, 543, 553, 554, 555, 561, 570–73, 573, 574, 578, 579, 591, 594 sapientissimus [Platon] 330, 357, 358, 384, 574 scelus 85, 91, 132, 151 scena 109, 526 schisma 376, 495 scriptura / sacra scriptura 176, 199, 312, 342, 416, 426, 432, 444–59, 485, 498, 507, 517, 518, 524, 536, 566, 589 Seneca 38, 260, 384, 400, 539, 559 sepulcrum 87, 116–17, 124, 201, 214, 215, 217, 220, 267, 290, 303, 304, 352, 502

Begriffsregister sermo 29, 37, 337, 383, 415, 444, 466, 468, 499, 510, 511–14, 526, 556 servitus 140–42, 221 simplicitas 347, 370, 374, 429, 435, 453, 557, 567, 589 simulacrum 116, 118, 123, 124, 123–25, 126, 127, 128, 129, 161, 170, 220, 267, 290, 325, 535, 557 sol 116, 274, 284, 280–86, 292, 295, 296, 310, 311, 327, 407 spectaculum 104–16, 220 Spica Virgo 265 sportulae 174 statua 125–27, 144, 156, 551 stips 174, 321 superi 244–46, 292, 354 superstitio 82–84, 111, 131, 132, 169, 182, 217, 297 synagoga 93, 95, 118, 134, 278, 451, 493, 494 Tartarus 245, 312, 317, 353, 358, 359, 364, 385 templum 79, 93, 95, 96–101, 102, 103, 108, 115, 116, 117, 119, 124, 193, 219, 242, 267, 287, 290, 405, 414, 534, 544, 586 tempora [anni] 187, 296–301, 438, 540 terrenus 75–76, 87, 90, 121, 128, 364, 410, 574 testamentum 189, 199, 422, 432, 439, 441, 446, 449, 450, 451, 453, 463, 514, 523, 532, 536 testari 206, 438, 456, 457, 463, 467, 523 testimonium 347, 372, 374, 377, 383, 407, 416, 450, 453, 456, 457, 458, 463, 489, 491, 497 theatrum 104–16, 220 Theologia civilis 10, 11, 92, 219, 223, 330, 383, 562, 595

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Theologia mythica 10, 225, 292, 311, 324, 327, 330, 383, 562, 595 Theologia naturalis 11, 330, 344, 350, 352, 366, 383, 384, 385, 387, 562, 595 Theologia tripartita 10, 19, 295, 311 tractatus 37, 375, 377, 512 tumulus 116–17, 124, 220, 267, 290, 303 turificium / tus 168–71, 173, 176, 221 tus s. turificium usus iustus 7, 8, 315 venerari 144–45, 160, 221, 343 Venus 252–54, 254–68, 482 Venus Pudica 106, 253 Vergil 29, 41, 88, 210, 238, 245, 262, 311, 312, 313, 314, 315–20, 322, 323, 324, 328, 331, 354, 358, 359, 371, 384, 428, 485, 507, 574 victima 133, 165, 169, 182 videre 349, 374, 515–27, 562, 568, 591, 592 Vinalia 261, 262, 263, 264, 265 vinum inferre 171, 173 virtus 149, 230, 236, 242, 260, 286, 326, 346, 369, 402, 407, 408, 435, 440, 450, 452, 491, 492, 500, 501, 502, 503, 526, 528, 535, 537–51, 554, 555, 556, 557, 558, 559, 560, 561, 562, 570, 590, 592, 593, 594 virtutes 230, 251, 312, 338, 345, 391, 407, 420, 430, 436, 440, 441, 459, 465, 474, 484, 501, 525, 529, 532, 533, 536, 539, 541, 542, 544, 545, 546, 549, 550, 552–61, 562, 579, 593 viscera 175, 181, 184 votum 164, 178–80, 190, 222, 501 Zirkus 104, 115, 116, 249, 296–301 Zodiakus 43, 284, 306–11, 327