Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg [1]

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Zeitschrift

Historischen Vereins für

Schwaben und Neuburg.

Erster Jahrgang.

Augsburg, 1874*. In Commission der J. A. Schlosser’sehen Buchhandlung (Ludwig Schulze).

Druck von J. F. Himmer in Augsburg1.

Inhalt.

Seite

Die letzten Zeiten der freien Reichsstadt Augsburg und der Uebergang derselben an die Krone Bayern.

Yon Stadtarchivar Dr. Chr.

Meyer in Augsburg............................................................................

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Der Augsburger Bürgermeister Jacob Herbrot und der Sturz des zünftiseben Regiments in Augsburg.

Yon Professor Dr. P. Hecker in

Augsburg......................................................... ............................................... 34 Die Flucht der verwittweten Truchsessin Maria von Waldburg gebore­ nen Gräfin von Oettingen aus der Haft im Schlosse Zeil im Jahre 1539. Beiträge

Von Professor Dr. P. L. Brunner in Augsburg . zur Augsburger Kunstgeschichte:

Gültlinger.

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' .

99

1) Der Maler Gumpolt

Von Dr. R. Hoffmann in Augsburg .....

Das Inventar einer Fugger’schen Hauseinrichtung.

115

Yon F. Butsch in

Augsburg...................................... •........................................................... Kleinere Mittheilungen: Keltische Aphorismen.

Yon Dr. K. Reichard in Augsburg,

132

Der Augsburger Domherr Conrad Herwart und seine urkund­ liche Erwähnung (1246 —1262).

Yon H. Herwarth von

Bittenfeld in Karlsruhe.................................................................. 133 Aus dem Bildungsgänge eines Augsburger Kaufmannssohnes vom Schlüsse des 16. Jahrhunderts.

Von Prof. Dr. P. L. Brunner in Augsburg

Die Brüder Bartholomäus und Johann Heinrich Herwarth. Herwarth von Bittenfeld

137

Von Hans

........................................................................... 183

Zur Geschichte der Wiedertäufer in Oberschwaben. des Wiedertäuferthums in Augsburg.

1. Die Anfänge

Yon Stadtarchivar Dr. Chr.

Meyer in Augsburg.............................................................................................. 207 Kleinere Mittheilungen: Das Mädloch-Gässchen und der Mädlochkanal

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254

IV Seit*

Die Correspondenz der Stadt Augsburg betreffend die Aussöhnung mit Karl V. im Ausgang des schmalkaldischen Krieges. Von Professor Dr. P. H e c k e r in Augsburg............................................................ 257 Die Malerfamilie Burgkmair von Augsburg. Vom Gallerie-Conservator E. v. Huber in Augsburg . * . . . * . . Aus Hieronymus Kölers Aufzeichnungen. Von J. M. Frhr. v. Welser in Nürnberg.................................................................... ........ . Zur Geschichte der Welser in Venezuela. Von Demselben . . . Augsburger Musikzustände seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Von Dr. Jos. v. Ahorn er in Augsburg . . . . . Die alten Feuerordnungen der Stadt Augsbdrg. Von Stadtarchivar Dr. Chr. Meyer............................................................................. 356 Berichtigungen.............................................................................................. 376

310 321 334 342

Die letzten Zeiten der freien Reichsstadt Augsburg und der Uebergang derselben an die Krone Bayern. Von

Christian Meyer.

Ich habe mir zum Gegenstand der folgenden Abhandlung ein Thema gewählt, von dem ich erwarten darf, dass es das Interesse der Leser in einer besonders hohen Grade erregen wird. Denn wenn schon Alles w s zur Aufhellung der Geschichte unserer Stadt beiträgt, einen An.x .-uch auf Theilnahme hat, so wird dieselbe in erhöhtem Masse dem von mir zu behandelnden Gegenstand zugekehrt werden müssen. Und zwar aus einer doppelten Ursache. Denn einmal werden Manche unter uns sein, welche jene Zeit noch vom Hörensagen, nach den Berichten von Eltern und Freunden kennen, noch mehr, deren früheste Jugend wenigstens in die letzten Jahre jener Periode fallen. Sodann gehört die letzte Zeit der reichsfreien Selbstständigkeit Augsburgs zu denjenigen Perioden unserer Stadtgeschichte, über welche bisher nur lückenhafte und unsichere Nachrichten verbreitet waren. Zeiten des Niedergangs und Verfalls eines Staats- oder Gemeinwesens stehen gegen die Zeiten aufkeimender Entfaltung und voller Blüthe auch darin zurück, dass ihnen das Interesse der geschichtlichen Forschung abgekehrt ist. Und doch gewährt die Betrachtung des Verfalls eines Gemeinwesens dem Forscher kaum ein geringes Vergnügen. Ich habe mir die Mühe genommen, aus einer Menge alter, zum Theil verloren geglaubter Akten und

1

2 Druckschriften*) ein Bild jener Zeit und ihrer Bewegungen zu gewinnen. Dabei muss ich gleich hier die Bemerkung vorausschicken, dass es mir nicht in den Sinn kommen kann, durch Enthüllung von Thatsachen, über die — so zweideutig sie für die betreffenden Urheber sind — doch wir an dieser Stätte geselligen und gemüthlichen Zusammenseins ein .scharfes Urtheil abzugeben nicht berufen sind, irgend Jemanden der jetzt noch lebenden Generation wehe zu thun. Ehe ich nun zu meinem eigentlichen Thema übergehe, will ich einen flüchtigen Blick auf die Culturzustände unserer Stadt in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts werfen. Erst wenn wir dieselben kennen gelernt haben, sind wir im Stande, die politische Misere, die sich unseres Staatswesens vor seiner Auflösung bemächtigt hatte, in seinem Wesen und nach seinen Ursachen zu begreifen. Der Einzelmensch sowohl wie ganze Länder und Völker gleichen in ihren Lebensstufen dem Bild einer Pflanze: sie keimen, blühen und verwelken. Zwar die Gesetze dieses Wachsthums und Verfalls sind unserer Denkkraft bis jetzt noch verschlossen — voreilig würde es aber sein, daraus auf das Nichtvorhanden­ sein solcher zu schliessen. Wenn es auch in dem Gebiete der idealen Wissenschaften keine mathematischen Regeln gibt, wie dies der geniale Engländer Buckle behauptet, — innere gleich­ artige Gesetze der Entwickelung lassen sich bei dem heutigen Stand der Geschichtsforschung nicht mehr verkennen. Das Mittel­ glied der Kette, die das Einzelindividuum mit dem Staatsganzen verbindet, ist die heimathliche Stätte, der nächste Kreis unserer Wirksamkeit, die erst dadurch, dass wir uns mit vielen andern engeren Kreisen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenschliessen, einen allgemeineren Charakter erhält. Ein harmoni­ sches Ineinandergreifen ist die Bedingung alles Gedeihens: wehe dem Ganzen, dessjen Theile feindlich auseinander streben! wehe *) Unter diesen liebe ich folgende hervor: 1) Reminiszenzen aus dem französischen Revolutionskriege oder historisches Tagebuch der merkwürdigsten Kriegsbegebenheiten in und bei Augsburg in den Jahren 1796—99. 2) Vortrag des Ausschusses des grossen Raths in Augsburg an die ausser­ ordentliche Rathsdeputation über öffentliche Administrationsgebrechen (1796). 3) Hoscher: Rückerinnerungen auf die ehemalige Reichsstadt Augsburg. 4) v. Widnmann: Definitive Organisation der ehevorigen Reichsstadt Augsburg (Manuscript v. J. 1806.)

3 aber auch den Theilen, die sich vom gemeinsamen Mittelpunkt abwenden! sie sind wie Meteorsteine, die vom Sonnenmittelpunkt losgelöst, planlos im Weltall schweifen. Eine Zeit lang fristen sie noch ein künstliches Dasein, dann werden sie in den allgemeinen Untergang mit hinein gerissen. Dieses unnatürliche Yerhältniss — das Wachsthum der Glieder, der Verfall des Leibes — hatte in unserm Vaterland in den beiden der Deformation voraufgehenden Jahrhunderten statt. Es ist das Bild eines allzu üppig treibenden Baumes: die Kraft des Stammes erschöpft sich, indem sie zu viel an die neuen Zweige und Blätter abgeben muss. Lustig bricht Blatt für Blatt aus der Decke hervor, bald ist der alte Stamm ganz überdeckt mit üppi­ gem Grün. Doch juble nicht zu früh, der du dich des raschen Wachsthum freust! bald bricht der Stamm unter der Last seines Schmuckes zusammen und begräbt in seinem Fall Blätter und Blüthen, Zweige und Aeste. Welch glänzendes, farbenreiches Bild dieses fünfzehnte Jahr­ hundert unserer deutschen Geschichte. Die Schrecken eines halb­ wilden Zeitalters waren gewichen, überall tritt uns neues, warm pulsirendes Leben entgegen. Die heiterste und lichtvollste Seite dieses Bildes bieten aber die Städte, die sich jetzt erst von den letzten Auswüchsen ihrer grundhörigen Natur losgemacht haben und sich nun, frei von allen hemmenden Fesseln und nur dem Reiche unterthan, zu einer Blüthe und Machtentfaltung ohne Gleichen rüsten. Diese Blüthe unserer Städte hängt jedoch so enge mit dem Verfall der Reichsmacht zusammen, dass, als im sechzehnten Jahrhundert die Kirchenspaltung durch eine glück­ liche Verkettung der Umstände dem deutschen Kaiser Karl wieder für kurze Zeit das Regiment in die Hände gab, ein Sinken des reichsstädtischen Glanzes sich wahrnehmen lässt. Einen hervorragenden Antheil an den Schicksalen der deut­ schen Städte vom 15. —17. Jahrhundert hat unser Augsburg genommen. Sie galt im 16. Jahrhundert unbestritten für eine der prächtigsten Säulen des Reichs, zu Beginn des 17, wird sie von Manchen für die erste Stadt Deutschlands gehalten. Wohl dünkt es der Mühe werth, die Ursachen aufzusuchen, dass nicht ganz dreissig Jahre später, um das Jahr 1650, uns dafür ein Bild der allgemeinen Zerstörung aller Wohlstandsquellen entgegen­ tritt. Man ist gewöhnt, die ganze Schuld dem grossen Krieg zqzuwälzen, der dreissig Jahre lang unsern üeimathlichen Boden zum Tummelplatz aller Nationen des Erdballs machte. Einem 1*

4 aufmerksamen Beobachter wird diese, freilich vor allem in die Augen springende Ursache nur als Folge anderer tiefer liegender erscheinen, die ans Licht zu bringen für den inneren Entwicklungs­ gang wichtiger und belehrender sein wird. Die Frage muss so gestellt werden: wie konnte es dazu kommen, dass der Krieg so furchtbare, geradezu vernichtende Streiche führen konnte? Betrachten wir zuvörderst die gesellschaftlichen Verhältnisse der Stadt kurz vor dem Ausbruch des dreissigjährigen Kriegs. Schon damals wie heute bedingten die sozialen Zustände das Wohl und Wehe einer Gemeinschaft. Da sehen wir denn die Bürgerschaft in dem unseligsten aller Zwiespalte, dem des Glau­ bens, in zwei scharf getrennte Parteien auseinander gehen. Siegten die Schweden, so intriguirten die Kaiserlichen gewiss so lange, bis ihre Partei wieder die Oberhand hatte, und ebenso umgekehrt. Die Stadt selbst aber wurde dadurch, wie keine andere, in die Wechselfälle des Kriegs hineingerissen. Nach innen erzeugte dieser Zwiespalt eine Verwirrung, dass das Ansehen des Regiments zur grössten Gefahr der Ordnung rasch sinken musste. Die Stadt hatte sich ins Ungeheuere vergrössert, die Zahl der Einwohner war auf 80—100,000 gestiegen. Da der Zuwachs meist aus eingewanderten Arbeitern und kleinen Handwerkern bestand, so lag die Nothwendigkeit eines festen Regiments über diese Massen um so näher. Zwar stand, dieser Bevölkerungszahl entsprechend, Handel und Gewerbe in einer Blüthe, wie nie vorher, aber die Bedingungen eines fröhlichen Gedeihens, moralische Tüchtigkeit, Einfachheit und festes Zu­ sammenhalten, waren von der Bürgerschaft gewichen und an ihre Stelle Sittenlaxheit, Luxus und Parteihader getreten — Eigen­ schaften, die mit der Blüthe jedes Gemeindewesens verbunden sind und den innern Grund zum Zerfall desselben abgeben. ■ So trat die Stadt auf die Schwelle des neuen Jahrhunderts. Nur wenige Jahre, und Augsburg erdröhnte von dem Gerassel des Kriegslärms. Durch seine Lage zwischen dem Herd der ligistischen Partei, dem Herzogthum Bayern, uud dem prote­ stantischen Schwaben, war es einer der Orte, der am meisten vom. Kriege geschädigt wurde. Und wie ging es aus jenen schrecklichen Jahren hervor? Die Blüthe war ins Innerste getroffen, der Wohlstand dahin, die Einwohnerzahl hatte sich auf ein Viertel der früheren verringert. Öde waren die Plätze und Strassen geworden: wo sonst das lustige Geräusch der Arbeit aus den Häusern ertönt hatte, hallte jetzt die Gasse nur noch von den

5 Schritten eines einsamen Wanderers. Noch heute, nachdem mehr als zweihundert Jahre ins Land gegangen sind, kann sich der Fremde dieses Eindrucks des Ausgestorbenen nicht erwehren. Augsburg gilt als eine einsame verödete Stadt, die nur bei, beson­ deren Gelegenheiten und an vereinzelten Stellen das fröhliche Gewühl einer belebten Stadt zeigt, das einst auf allen Strassen der Stadt bis tief in die Nacht hinein geherrscht hatte. Um sich davon zu überzeugen, wandle man nur einmal in den Nachmittags­ stunden vom Dom zu St. Ulrich hinunter; man fühlt sich so ver­ einsamt und befürchtet fast, für einen arbeitsscheuen Bummler angesehen zu werden. Ganze Quartiere tragen heute noch den Charakter, als ob in ihnen vor vielen Jahren Menschen gewohnt und geschafft hätten, die nun weggezogen oder ausgestorben wären, man athmet schwerer unter dem Alpdruck der Phantasie, die Jahrhunderte überhüpfend uns von einstiger Lebenslust erzählt, die die todten Mauern erfüllt hat. Damals verklang auch die alte volksfestliche Herrlichkeit auf den Strassen; das Johannisfeuer ward nicht mehr angezündet; die vielen Maskenzüge, Umritte, der Schäfflertanz, die vielen öffentlichen Fest- und Fastenessen, der süsse Trunk, Staatsmahl­ zeiten auf allgemeine Kosten — Alles kam ab oder siechte nur noch eine Weile dahin als ein unverstandenes Schattenbild. Alles ging verloren, nur der alte Augsburgische Kunstfleiss nicht. Er brachte im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert eine Nachblüthe, wie sie wenig anderen deutschen Städten vergönnt war. Nachdem die übelsten Folgten des grosssen Kriegs erst ein­ mal weggeräumt waren, wie der Schutt vor einem zusammen­ gebrochenen Gebäude, regte es sich bald wieder an den ver­ schiedensten Punkten zum neuen Aufbau. Verloren blieb zwar der alte Glanz, die achtunggebietende Stellung, die Augsburg als Reichsstand eingenommen hatte; der grosse Kampf hatte in gewaltigem Ringen die Fürsten obenauf gebracht; immer mehr schwand die reiche Gliederung des mittelalterlichen Staats- und Gesellschaftslebens vor der aufgehenden Sonne der Alle gleich abhängig machenden Fürstengewalt. Die Städte konnten an dem Schicksale ihrer im westfälischen Frieden geopferten Schwestern ihr künftiges Loos wie in dem macbeth’schen Hexenspiegel voraus­ sehen. Eine andere Klasse von Städten, auf die man noch vor fünfzig Jahren mit mitleidiger Geringschätzung heruntergesehen hatte, die fürstlichen Residenzstädte, waren aufgetreten und nahmen den alten Reichsstädten den besten Theil ihres Glanzes weg,

6 So erhob sich München, das zur Zeit, wo Augsburg bereits in seine zweite Blütlienperiode eingetreten war, nur eine um die herzogliche Zollstätte an der Isar angelegte ärmliche Ansiedlung war, allmälig durch die Gunst seiner Fürsten, während die Nachbarstadt mehr und mehr sank. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts macht sich zuerst wieder ein grösserer Aufschwung der Industrie bemerkbar. Er knüpfte namentlich an die in Augsburg schon seit den frühesten Zeiten blühende Weberei an. Dieselbe war nach dem dreissigjährigen Krieg fast ganz verfallen. 1761 fing Joachim Heinrich Schüle sein grosses Manufakturgebäude vor dem rothen Thor zu bauen an; erst nach 12 Jahren war es ganz fertig. In demselben wurden theils zu Augsburg gewebte, theils ostindische Kattune appretirt, gedruckt, gemalt und gepresst. Die einfarbigen Muster wurden mit grossen Kupferplatten abgedruckt, die vielfarbigen hatte man noch nicht in Platten versucht, sondern bediente sich dafür hölzerner Formen. Im Jahre 1780 wurden von 350 Arbeitern ohngefähr 40,000 Stücke Kattun und Zitze gedruckt, wovon fast V3 in Augsburg selbst gewebt worden war. Ausser der Schüle’schen Fabrik ragten die Manufacturen von Joh. Gignoux sei. Erben, von Math. Schüle u. C. und von Joh. Christ hervor. Nächst der Kattunweberei war die Lodweberei oder das Weben von Fussdecken einer der blühendsten Erwerbszweige. Der grösste Absatz geschah nach Italien. Die Lodweber ver­ arbeiteten vorzugsweise die grobe wallachische oder macedonische Schafwolle, von der 1781 der Centner 2.6 fl. kostete. Ausserdem standen die Silberarbeiten Augsburgs in altem Rufe. Bis in das erste Drittel des achtzehnten Jahrhunderts wurden die Silber­ geschirre fast aller deutschen und nordischen Höfe in Augsburg gemacht. Das Berliner Schloss zeigt eine sehr grosse Menge unter Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. theils in Augsburg selbst, theils von nach Berlin gerufenen Augsburgern verfertigter Silbergegenstände, und noch Katharina II. liess 1777 sechs silberne Tafelservice, jedes für 40 Personen und zum Preise von 80,000 fl., hier machen. Der altberühmte Geldhandel hatte sich ebenfalls auf einer verhältnissmässigen Höhe gehalten. Noch immer machte die Stadt Kasse für die benachbarten Länder, besonders für Oesterreich, Schwaben, die Schweiz und Italien. Doch wurden die österreichi­ schen Staatsanleihen nicht über Augsburg, sondern über Frank­ furt am Main gemacht. .

7 Die Stadt zählte wieder 32,000 Einwohner; aber der politische Geist reichsstädtischer Selbstständigkeit war für immer gewichen. Als Markgraf Ludwig von Baden im spanischen Erbfolgekrieg zu Augsburg lag, schrieb er an den Kaiser: „forchtsamb und kleinmüthig zu seyn ist unter den Burgern eine durchgehende Krank­ heit.“ Es ging bei der Reichsstadt im Grossen, wie bei ihren Zünften im "Kleinen: die taube Schale, das todte Formenwesen der alten Selbstherrlichkeit hielt man um so steifer fest, je mehr der Kern, Freiheit und Thatkraft, zusammengeschrdmpft war. Innerhalb der Bürgerschaft hatten sich die grossen Leidenschaften der beiden vorhergehenden Jahrhunderte gelegt, der westfälische Friede hatte die strengste Ordnung in den Verhältnissen der beiden Confessionen aufgerichtet, die in eben dem Geiste auch erhalten wurde. Riehl*) hebt mehrere lächerliche Auswüchse dieser „Paritätssucht“ hervor. Im vorigen Jahrhundert bestanden in Augsburg acht Kaffeehäuser, davon waren vier protestantisch, vier katholisch. Als 1762 zwei neue concessionirt wurden, gab man das eine in katholische, das andere in protestantische Hände, damit die Parität nicht gestört werde. Parität soll überall bestehen, hei den Bürgern und im Rath, bei Civil und Militär. Denn auch bei der Stadtgarde unterschied man eine ' katholische und eine protestantische Lieutenantsstelle. Der Ernst mischt sich hier mit dem Humor. Die St. Jacobspfründe dient paritätisch für protestantische und katholische Pfründner. Nun galt das Her­ kommen', dass die allgemeine Wohnstube mit Kerzen beleuchtet wurde, deren.Stumpen die einzelnen Pfründner unter sich ver­ theilen umj auf ihren Kammern zu Ende brennen durften. Es entzündete sich aber ein solcher confessioneller Hader über die Frage, welche Stumpen als katholische und welche als protestan­ tische anzusehen seyen, dass die Verwaltung genöthigt war, aktenmässig zu erklären, „um den bisherigen Zänkereien wegen der sogenannten katholischen und protestantischen Stumpen ein Ende zu machen,“— solle in Zukunft gar keine Kerze mehr, sondern nur paritätisches und untheilbares Oel gebrannt werden. Katholiken und Protestanten waren namentlich auch an ihrer Tracht erkennbar. Noch weiter geht der Reisebeschreiber Bianconi, der behauptet, man könne in Augsburg die Angehörigen der beiden Confessionen am Gesicht und an den Manieren unterscheiden: der Katholik sei viel finsterer und in sich gekehrter, der Prote*) Augsburger Studien in der Deutschen Vierteljahrs-Schrift 1858? I. Heft.

8 stant gesprächiger und auch industriöser. „Jener“ — fährt er fort — „ist fleischiger und röther im Gesicht, oft blutroth, dieser hat eher Ecken in den Knochenpartien des Gesichts und die Farbe des Gesichts nicht so hoch. Bei den katholischen gemeinen Weibspersonen sah ich gewiss zehn perpendiculare und spitze Stirnen gegen eine runde, und bei den protestantischen gemeinen Weibern war es geradezu umgekehrt.“ Kiehl bemerkt, dass bei dem weiblichen Geschlecht noch heute eine unterscheidende Tracht vorhanden sei. Die protestantischen Mädchen des eigentlichen Bürgerstandes tragen keine Hauben, die katholischen dagegen setzen die bayerische Riegelhaube auf, namentlich beim Kirchgänge. „Gewiss wird kein protestantisches Mädchen wenigstens eine solche katholische Haube tragen, und wenn ein Wirthshaus der Stadt das Schild führt „zum bayerischen Häubl“, so wittert der feinere Kenner in diesem Emblemen sofort die katholische Tendenz; ein Wirthshaus solchen Zeichens war ursprünglich gewiss nur auf rechtgläubige katholische Gäste berechnet.' Dafür gibt es aber auch ein Wirthshaus „zum Paritätswirth“ (goldener Adler), so dass also selbst in den Wirthshausnamen das Recht der Parität vollständig gewahrt ist. Die pro­ testantische Haube, das paritätische Gegenspiel zum bayerischen Häub’l, existirt leider nur noch in seltenen Exemplaren als sogenannte Heiliggeisthaube, durch eine Art Flügel zu beiden Seiten malerisch ausgezeichnet.“ Ich gehe nunmehr zur Betrachtung der öffentlichen Ver­ fassungszustände über, wie sie sich seit dem Sturz des demo­ kratischen Regiments bis zur Mediatisirung der Reichsstadt her­ ausgebildet hatten. In Augsburg hatten sich im 14. Jahrhundert die Geschlechter mit den Zünften in die Herrschaft getheilt. Durch einen Gewalt­ streich Kaiser Karls V. ward jedoch das Geschlechterregiment wieder eingeführt. Der alte Rath ward abgeschafft und ein neuer Rath eingesetzt. Der kleine Rath sollte aus 41 Personen (34 aus den Geschlechtern, 7 aus der Gemeinde) bestehen. Die städtischen Aemter wurden in folgender Weise unter die Rathsherren von den Geschlechtern vertheilt. Zwei Stadtpfleger mit fünf geheimen Räthen an der Spitze der Verwaltung, sechs Bürgermeister, von denen je zwei vier Monate im Amte sein sollten, sodann drei Bau­ meister, drei Einnehmer, vier Steuermeister, vier ümgeltherren, zwei Pfleger zu Spital, Almosen und Siechenhäuser, zwei Ober­ pfleger, zwei Zeugmeister, zwei Proviantherren, vier Strafherren

9 und ein Oberrichter im Stadtgericht mit 16 Beisitzern, von denen 10 von den alten Geschlechtern, 2 von der Mehrern Gesellschaft, 2 von den Kaufleuten und 2 von der Gemeinde oder den Zünften sein sollten. Nach einem weiteren kaiserlichen Mandate von 1549 sollte der grosse Kath aus 80 Geschlechtern, dann aus 80 Kauf­ leuten und aus 140 von der Gemeinde, also im Ganzen aus 300 Personen bestehen. Auch im grossen Kath sollten demnach die Geschlechter in Verbindung mit den Kaufleuten die Majorität haben. Die Stube der Kaufleute musste ihre Vorsteher von 20 auf 12 herabsetzen, die Gewählten von dem Stadtrath bestätigt und den Geschlechtern, den Stadtbediensteten und den Söldnern freier Zu­ tritt in die Stube der Kaufleute gestattet werden. Die Zunfthäuser sollten aufgehoben und veräussert und der Erlös nebst der übrigen Baarschaft, Geschirr und Geräthschaft dem Rath ausgeliefert werden. Die Versammlungen der Zünfte waren bei Leibesstrafe verboten und an die Stelle der weit selbstständigeren Zunftmeister sogenannte Vorgeher gesetzt. Das Stadtregiment ward demnach wieder ein Geschlechterregiment. Es dauerte jedoch nur bis zum Jahre 1552. Nachdem nämlich der Kurfürst Moriz von Sachsen Augsburg besetzt hatte, führte nun auch er wieder das der prote­ stantischen Bevölkerung günstigere Zunftregiment ein. Allein noch in demselben Jahre 1552 wurde die Stadt wieder von dem kaiserlichen Heere besetzt und sodann auch das Geschlechter­ regiment von 1548 wieder hergestellt. Nur der kleine Kath wurde im Jahre 1555 noch um 4 Personen, eine von der Mehrern Gesellschaft und drei von den Kaufleuten, vermehrt. Es bestand demnach seitdem der kleine Rath aus 45 Rathsherrten, aus 31 alten Geschlechtern, aus 4 von der Mehrern Gesellschaft, aus 3 von den Kaufleuten und aus 7 von der Gemeinde, der grosse Rath aber nach wie vor aus 300 Mitgliedern. Nun kam Augsburg für einige Zeit zur Ruhe. Das Vertrauen unter den beiden Religionsparteien stellte sich nach und nach wieder her. Die Anzahl der Rathsherren war der Confession nach meistens gleich, und sogar die Heirathen unter beiden Theilen waren sehr häufig. Erst die unseligen Tage des dreissigjährigen Krieges brachten auch in Augsburg wieder Alles in Verwirrung. Den ersten Schlag führte Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1628 und in den folgenden Jahren. Auf Betreiben des Bischofs und der hinter ihm stehenden Jesuiten sollte das Regiment den Katho­ liken übergeben und die Augsburgische Confession womöglich ganz abgeschafft werden. Zu dem Ende wurde der alte Rath

10 abgesetzt und ein neuer bloss aus Katholiken bestehender Rath eingesetzt. Aus Mangel an Katholiken konnten indessen nicht alle Rathstellen besetzt werden. Dieser Gewaltstreich führte jedoch im Jahre 1632 zu einem weiteren Gewaltstreich. Nachdem nämlich Gustav Adolf die Stadt erobert hatte, setzte auch er wieder den katholischen Rath ab, ernannte 18 protestantische neue Geschlechter, die sogenannten schwedischen Geschlechter, und setzte sodann einen neuen protestantischen kleinen und grossen Rath ein. Allein schon im Jahre 1635, nachdem der kaiserliche General Gallas Besitz von der Stadt genommen hatte, kam das Regiment wieder in die Hände der Katholiken. Je nach dem Siege der Kaiserlichen oder Gustav Adolfs herrschten dem­ nach die hinter dem Bischof stehenden Jesuiten oder die Prote­ stanten. Und als endlich der westfälische Friede allen diesen Wirren ein Ende machte, konnten die weisen Bestimmungen dieses Friedens nur sehr langsam ins Werk gesetzt werden. Die beiden Räthe wurden paritätisch zur Hälfte mit Katholiken und zur andern Hälfte mit Protestanten besetzt. Durch eine kaiserliche Kommission wurde die alte Yerfassung, wie sie in den Jahren 1548, 1552, 1555 und 1648 geregelt worden war, in der- Regiments-Ordnung vom Jahre 1719 nochmal bestätigt und im Einzelnen näher bestimmt. Fast alle Gewalt wurde nun in den Händen der beiden Stadtpfleger — der eigent­ lichen Rathshäupter — und der fünf geheimen Räthe, welche die Beistände der Stadtpfleger waren, concentrirt. Die Stadtpfleger mit den geheimen Räthen hatten nicht blos die Leitung der Ge­ schäfte, sondern auch die Entscheidung mit Ausnahme der wich­ tigeren Angelegenheiten, in welchen der innere Rath und in einigen wenigen Fällen auch noch der grosse Rath beigezogen werden musste. Auch wurde verordnet, dass im geheimen Rath keine nahen Verwandten Sitz und Stimme haben sollten. In dem­ selben Jahre wurde auch noch das Aemterwesen geordnet. Und zu all’ diesen Ordnungen und Verordnungen kamen im Laufe des 18. Jahrhunderts noch eine ganze Menge sogenannter Supplemente und Additional-Artikel hinzu, in denen die Verwaltung und der Geschäftsgang dabei genau regulirt und unter Anderem bis in allereinzelste bestimmt wurde, wem das Prädicat Hochadelige Gnaden oder blos Ihro Gnaden, Hochadelige Herrlichkeit oder blos Ihro Herrlichkeit, Hochedelgeboren, Wohledelgeboren, Wohl­ edelgestreng, Wohledelfest, Wohlehrenfest, Hochgelehrt oder blos gestrenger oder gnädiger Herr gebühre.

11 Aus den wenigen Andeutungen geht zur Genüge der aristo­ kratische Charakter der Staatsverfassung hervor. Dies wäre je­ doch an und für sich noch nichts Schlimmes gewesen. Schlimm' dagegen war der Nepotismus, der die ganze öffentliche Verfassung kennzeichnete. Bei der Wahl der Rathsmitglieder wurde nur in den seltensten Fällen auf Fähigkeiten, sondern meist auf ver­ wandtschaftliche Interessen gesehen. Daher kam es, dass diese Leute alle Geschäfte den Offizianten überliessen, Sclaven dieser letzteren wurden und sich verächtlich machten. Ein grosser Theil war Alters halber nicht mehr brauchbar und mit einem solchen reichsstädtischen Firniss überzogen, dass die gesunde Vernunft Mühe hatte, ihm nur beizukommen; ein anderer hatte von Jugend auf, gestützt auf die Sicherheit einer Pfründe, nichts gelernt, und von einem dritten, nämlich von Kaufleuten und gemeinen Bürgern, konnte man ohnehin nichts erwarten. Eine solche Verfassung konnte nur so lange Bestand haben, als allenthalben nöch grosser Wohlstand herrschte, als von neuen Auflagen auf die Bürgerschaft noch selten die Rede, auch viele Patriziatsfamilien noch reich und begütert gewesen und dem Staat allein um der Ehre willen, nur gegen geringe Honorarien, gedient hatten. Als sich aber dieser Wohlstand verlor, die PatriziatsFamilien in Abnahme kamen, nicht mehr allein der Ehre wegen, sondern für Geld dienen mussten und bei ihren geringen Besol­ dungen in dem Kampfe mit eigenen Nahrungssorgen ihren Kindern keine zweckmässige Erziehung mehr zu geben vermochten, als in Folge dessen die Rathsstellen nur. als Pfründen angesehen wurden, zu denen man durch Geburtsrechte allein, ohne persönliche Ver­ dienste, gelangen konnte, und als endlich der Geist der Zeit in seinem raschen Laufe ohne Schonung einem Aristokratismus und Nepotismus zu Leibe ging, der alle Nachtheile derselben über das gemeine Wesen verbreitete, wurde endlich einhellig ein Ausschuss aus dem Senate beauftragt, einen vorläufigen Plan zu bearbeiten, wodurch das grosse Personal in Rath und Aemtern vermindert, der Geschäftsgang vereinfacht und durch Anwendung zweck­ mässiger Mittel der Finanzzustand verbessert werden konnte, wobei jedoch der Ausschuss die Weisung erhielt, sich in der Be­ arbeitung ja nicht zu weit von der Grundverfassung zu entfernen. Der Ausschuss bearbeitete diesen Plan mit einer seltenen Freimüthigkeit, deckte alle Verwaltungsgebrechen ohne Ausnahme auf, drang auf Abstellung der schreiendsten Missbräuche, auf Be­ schränkung der Vorrechte des Patriziats und auf starke Reduction

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im Magistrats- und Aemterpersonal. Dieser Plan wurde genehmigt und 1804 an den Reichshofrath zur Bestätigung übersandt, wo er, da inzwischen die Ereignisse des Jahres 1805 dazwischen traten, unerledigt liegen blieb. So wie das sogenannte Regiment übersetzt war, so waren es auch, zum höchsten Nachtheil des Staatsärars, alle Aemter und Stellen. Wenn man die damaligen Kameral - Aemter und Stellen durchgeht und sich mit ihrem Wirkungskreis näher bekannt macht, so drängt sich die Wahrnehmung auf, dass viele von ihnen nur desshalb bestanden und mit vier und sechs Rathsgliedern besetzt waren, nicht um die Geschäfte zu fördern, sondern um die 45 Personen, aus welchen sich der Rath zusammensetzte, anzustellen. Aber auch bei einer guten Yerwaltungsmethode und bei redlichen Administratoren würden die Einkünfte der Stadt niemals hin­ reichend gewesen sein, unvorhergesehenen Ereignissen die Stirne zu bieten, wie dies die Stadt seit dem Ausbruch der Revolutions­ kriege zu ihrem Verderben sattsam erfahren hat. Daneben wur­ den die Stadtgüter meist von den Rathsmitgliedern selbst ver­ waltet und zum Theil auch selbst genossen. Welche Nachtheile für das gemeine Wesen daraus entsprangen, liegt klar zu Tage: einestheils fehlten jenen Administratoren meistens die nöthigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen, anderntheils konnten gich dieselben jeder schärferen Controle vermöge ihrer bevorzugten Stellung entziehen. Dazu kam, dass alle Geschäfte, die irgend wie nach Arbeit aussahen, den nieder Bediensteten überlassen blieben. Bei der obersten Finanzstelle, dem Einnehmeramt, waren die unverständigsten und zeitraubendsten Formen in Uebung; die untergeordneten Kassen amtirten ganz unabhängig von der Hauptkasse, besoldeten sich selbst aus den bei ihnen eingehenden städtischen Gefällen u. s. w. Fast noch verwickelter als die Finanz- war die Justizverfassung der Reichsstadt. Dieselbe war so ziemlich unter alle städtischen Aemter vertheilt und wurde meist von Leuten ge­ tragen , die keine Rechtskenntnisse hatten. Eine der ersten Justizbehörden, das Stadtgericht, musste wegen Mangels geeig­ neter Kräfte grossentheils unbesetzt gelassen werden, oder man wählte in dasselbe junge Leute, welche nach ihrer Wahl erst auf Universität gingen, auch den Richtersold während ihrer Studienzeit als ein Stipendium bezogen. Erwuchs erst eine Rechtssache ins Appellatorium, so kam sie in die Hände des Consulenten-Collegiums, wo man sich bei dem geringfügigsten

13 Gegenstand Jahre lang mit Termins-Ertheilungen begnügte und endlich die Sache nicht selten so lange liegen liess, bis die streitenden Theile darüber starben oder sich gerne verglichen. Dieselben Zustände fanden sich auch in der Polizeipflege. Yon den unzähligen Eathsdeputationen waren wenige, welche nicht einen Theil der Polizei zu besorgen hatten. Daher kam es, dass, wenn es sich um Abstellung eines Missbrauches handelte, endlose Competenzconflicte entstanden, über welchen selbst die nothwendigsten Anordnungen versäumt wurden, so dass man wirklich sagen durfte, dass die Augsburger Polizei nie durch ihr Dasein, sondern nur durch ihren Mangel bekannt war. Die Finanzen der Stadt waren, so bedeutend auch die städtischen Eevenuen waren, zerrüttet. Das Einnehmeramt hatte einen Status der Einnahmen und Ausgaben vom Jahre 1790 bis 1800 gezogen und nach diesem zehnjährigen Durchschnitte ein jährliches Defizit von 72,000 fl. berechnet. Das Sonderbarste dabei war, dass gerade dadurch, womit sie sich zu helfen ge­ glaubt hatte, nämlich durch den Anfall der ehemaligen geistlichen Besitzungen, die Unmöglichkeit, ihre Selbstständigkeit dauernd zu behaupten, sich bald klar herausstellte. Yon dem Werthe dieser Besitzungen hatte man ungeheuerliche Begriffe, indem man den Capitalfond derselben zu 3 Millionen Gulden anschlug. Die Neutralitätserklärung bei allen künftigen Kriegen versprach die grössten Yortheile. Man glaubte, jetzt nicht mehr nöthig zu haben, das Kontingentmilitär zu halten. Hiedurch allein ersparte man jährlich 30,000 fl. Allein dieser Calcül erwies sich als eine Täuschung. In Wirk­ lichkeit belief sich nämlich der Eevenüenstatus der erhaltenen geistlichen Besitzungen nur auf 22,000 fl. oder gar nur auf 15,000 fl., und das Kreisausschreibamt widersetzte sich der Ent­ lassung des städtischen Contingents. Wegen des Anfalls der geistlichen Güter mussten nun folgende Lasten getragen werden: 1) Sustentation der supprimirten Geistlichkeit, soviel hieran auf den Antheil der Stadt fiel. Wenn sich auch diese Last mit den nach und nach abgehenden Pensionisten verringerte, so war sie doch auf Jahre hinaus vorhanden. 2) Die Baulast der Gebäulichkeiten, besonders der Kirchen und Klöster. Es sollten 6 Pfarrkirchen beibehalten werden. Was kostete die jährliche Eeparatur der grossen Domkirche allein?

14 3) Die Uebernahme der auf den geistlichen Gütern haftenden Schulden; der Antheil der Stadt betrug, das Domstift abgerechnet, 180,000 fl. 4) Die Stifter und Klöster in Augsburg hatten vor der Secularisation sehr bedeutend zu der hiesigen Armenkasse beige­ tragen. Jetzt hörte der Zuschuss auf. Das Armeninstitut be­ rechnete den Abgang auf jährlich 7000 fl. und verlangte statt dessen nun diesen. Zuschuss von der Stadtkasse. 5) War vorauszusehen, dass von der Stadt ein bedeutender Beitrag zur Wiedererrichtung des Bisthums zu leisten sein werde. 6) Ebenso war die Aufbürdung neuer Zahlungen wegen der während des vorigen Krieges gemachten Kreisschulden gar bald zu gewärtigen. Ein weiterer Verlust drohte dadurch, dass die beabsichtigte Verlegung des Bischofssitzes von Augsburg weg die Wegbringung des Domschulfonds im Gefolge hatte. Dazu kamen als bereits bestehende Mehrausgaben die Gehalte der reichsstädtischen Residenten in Regensburg und Paris, von denen der erstere 2600 fl., der letztere (gemeinschaftlich mit anderen Reichsständen unter­ haltene) von Augsburg allein 3000 fl. bezog. Das grösste Defizit in dem reichsstädtischen Finanzwesen ergab sich dadurch, dass in Folge der Secularisation dem katho­ lischen Cultus die nöthigen Pfarrfonds entzogen worden waren. Die Stifter und Klöster in Augsburg hatten seit vielen Jahr­ hunderten die sämmtlichen Stadtpfarreien versehen, dabei jedoch meist keine besondere Rechnung über die eigentlichen Pfarrfonds geführt, sondern dieselben vermischt mit ihrem übrigen Vermögen verwaltet. Dadurch war die Unterscheidung, was eigentlich Pfarrfond sei, verwischt worden. Der Reichsfriedensschluss hatte der Stadt nur die innerhalb ihrer Mauern belegenen geistlichen Güter überlassen; alle auswärts belegenen Besitzungen waren an Baiern gekommen. Es sollten zwar die auswärts gelegenen Pfarr­ fonds auch der Stadt verbleiben: wie es aber zur Auseinander­ setzung kam, erklärte die bayerische Kommission, dass die Stadt den Nachweis führen müsse, was Pfarrgut sei — ein Nachweis, der aus der oben berührten Ursache nicht geliefert werden konnte. Das auf diese. Weise sich ergebende Defizit war von bischöflicher Seite bis zu jährlich 40,000 fl., von der städtischen Cultusdeputation auf 30,000 fl. berechnet worden. Gleichwohl war es mit all’ diesen Uebelständen, so gross sie auch waten, noch nicht abgethan. Die durch die Secularisation

15 gänzlich veränderte politische Lage jler Stadt brachte noch weitere mit sich. Es stand der Haupteinnahme der Reichsstadt, dem Bierumgeld, welches ein jährliches Erträgniss von mehr als 200,000 fl. abwarf, die empfindlichste Verringerung bevor. Das hiesige Bier wurde nämlich in die ganze umliegende Gegend aus­ geführt. Dieselbe war indessen jetzt bayerisch geworden, und es stand zu befürchten, dass die bayerische Regierung das schon längst geltende Verbot der Einfuhr fremden Bieres auch auf diese neubayerischen Lande ausdehnen werde. Dadurch wäre aber der dritte Theil — wenn nicht mehr — des bisherigen Bierumgelds verloren gegangen. Dazu kam ferner, dass die bürgerliche Nahrung, welche schon vorher in Folge verschiedener Ursachen abgenommen hatte, jetzt durch die Auflösung der bischöflichen Hofhaltung, des Domcapitels und der anderen reichen Stifte und Klöster eine bedeutend^ Ein­ busse erlitt. Es war ferner einleuchtend, wie sehr der Handel einer mitten in einem grossen Staate gelegenen einzelnen fremden Stadt beengt werden musste. Die Stadt Augsburg führte die Hälfte des Lech­ flusses, der von jeher privative zu Bayern gehörte, in zahlreichen Kanälen ab, durch welche die hiesigen Fabriken im Gange er­ halten wurden. Wenn auch über diese Materie Verträge vorhanden waren, so konnten doch bayerischer Seits Hindernisse in den Weg gelegt werden, welche nothwendig den Stillstand, ja Ruin der hiesigen Fabriken nach sich ziehen mussten. Es konnten bayerische Fabriken vor den Thoren der Reichsstadt angelegt werden. Mit Erleichterung der Abgaben, mit Privilegien versehen, hätten sie vielleicht wohlfeilere Preise machen können als die hiesigen. Den letzteren konnte ohnehin der Absatz in Bayern erschwert oder in der Folge gar abgeschnitten werden. Es verlautete endlich, dass in den bayerischen Landen eine neue Strasse, die mit Umgehung von Augsburg näher nach Nürnberg führen würde, angelegt werden sollte. Augsburg hätte, wäre dieses Project zur Ausführung gelangt, seinen ganzen italienischen Speditionshandel verloren. Ich komme nunmehr auf die politischen und kriegeri­ schen Ereignisse zu sprechen, von denen unsere Stadt seit dem Ausbruch der Revolutionskriege betroffen worden ist. Am 1. März 1792 war Kaiser Leopold gestorben. Am 10. März erliess der Rath das Verbot öffentlicher Lustbarkeiten in der Stadt und auf dem Lande. Zugleich gebot er, dass sich

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Jedermann bei dem „höchst betrübten Zustande des Reichs alles unanständigen Raisonirens und Disputirens von Staats- und Reli­ gionssachen besonders inWirths- und Caffeehäusern“ zu enthalten habe. Am 17. März wurde ein Beschluss gefasst, der in allen Gasthöfen und Kaffeehäusern angeschlagen und öffentlich ver­ kündet wurde. Er betraf die jüngst vom Kaiser und dem schwä­ bischen Kreise erlassenen Anordnungen zur Aufrechthaltung des Öffentlichen Ruhestandes im Reiche. Dieselben bezogen sich na­ mentlich auf das Verbot „der Verbreitung solcher Schriften und Grundsätze, welche zur Empörung und Umsturz gegenwärtiger Verfassung anfachen.“ Der Rath verbot in diesem Sinne seinen Mitbürgern, „bei diesen bedenklichen Zeiten alles ungebührliche Raisoniren über hohe Mächte und Staaten und über öffentliche Staatsangelegenheiten“ ; alles Parteinehmens sollte man sich ent­ halten, auch aller „anzüglichen, beleidigenden, Ruhe störenden Schriften und anstössigen Zeitungen sich entschlagen, noch viel weniger solche gemein machen oder verbreiten, bei scharfer Strafe an Leib und Gut ohne Ansehen der Person.“ Früh schon und zahlreich kamen in Augsburg französische Emigranten an. Als inan zu der Einsicht kam, dass die Auf­ hetzungen derselben gegen die französische Regierung sehr nach­ theilige Folgen hatten, ergriff man strengere Massregeln gegen alle Emigranten. Am 30. October 1792 erliess desshalb der Rath den Befehl an alle Wirthe und Gastgeber, dass sie keinen Emi­ granten länger als 24 Stunden beherbergen sollten. Den übrigen Einwohnern aber wurde strengstens untersagt, einen'Emigranten auch nur auf die kürzeste Zeit in ihre Wohnungen aufzunehmen oder gar deren Effecten oder Fahrnisse aufzubewahren. Zur Controlle hatten alle Wirthe jeden Abend anzuzeigen, welche Fremde und besonders Emigranten bei ihnen angekommen seien. Sie hatten denselben gedruckte Formulare vorzulegen, in welchen sie eigenhändig ihren Namen, Charakter und Heimath angeben, ihr Gefolge benennen, die Ursache und die Dauer ihres hiesigen Auf­ enthalts eintragen mussten. Noch andere Sicherheitsmassregeln zu ergreifen, behielt sich der Rath vor, angesichts der „wichtigen Ereignisse, die sich mit jeder Stunde an den Grenzen des deut­ schen Vaterlandes häufen.“ Im Juli 1792 war man genöthigt, den Krieg mit Frankreich aufzunehmen. Auch das Aufgebot des schwäbischen Kreises war ergangen. Man wusste, wie uneinig und vernachlässigt die fran­ zösischen Streitkräfte waren. Es schien ein leichtes ihnen ent-

gegen zn treten. Wie armselig waren aber auch die deutschen Zustände! Das Einzige, was Hoffnung gab, war der Entschluss, dass diesmal Oesterreich und Preussen vereinigt gegen Frankreich kämpfen wollten. Dagegen sah es mit den Vorbereitungen zum Kriege im Reiche trostlos aus. Noch am 28. Juli, nachdem das von Emigranten verfasste, unberechtigt herausfordernde Kriegs­ manifest an Frankreich ergangen war, schildert der KreisgeneralFeldmarschall Herzog Karl von Wirtemberg den Zustand .seiner Truppen in kläglichster Weise. Einzelne Stände hatten in ihre' Mannschaft ganz gebrechliche Leute geworben; Montur, Gewehr und Lederwerk litten an namhaften, dem Dienst nachtheiligen Gebrechen. Einzelne Contingente waren mit zu geringem Vor­ rath an Verpflegungsgeldern auf den Sammelplatz gekommen. Andere hatten zwar ansehnliche Geldvorräthe; in wessen Hände legten sie aber dieselben ? In die Hände von Unteroffizieren, ja sogar von Gemeinen. Einige Stände gaben die Löhnung nach dem Kriegs-, andere nach dem Friedensfusse. Einige rechneten die Brodgeld- und Postirungszulage zur Löhnung, andere setzten sie besonders an. Unter den Ständen, welche die Brodgeldvergütung baar bezahlten, reichte diese ein Theil nach der verordneten Festsetzung zu 3 kr., ein anderer nach wirklichen oder muthmasslichen Ladenpreisen. Sogar die Naturalgebühr wurde' von den einen nach dem Kriegs-, von den andern nach dem Friedensfuss gereicht, und es erhielt der eine Mann eine, der andere eine und eine halbe, 'der dritte zwei Portionen. Wie war es da anders möglich, als dass es selbst unter den Befehlenden grossen Missmuth erzeugte, die ganze Mannschaft in Aufregung brachte und das Ausreissen *) sehr zahlreich wurde. Rechnen wir zu diesen Missständen noch den Umstand hinzu, dass an den Sammelplätzen zu Offenburg, Gengenbach und Kehl Mangel an allen Gattungen von Lebensmitteln war und die grösste Theuerung herrschte, so haben wir ein Bild von der Beschaffen­ heit und Lage der Streitkräfte, welche der schwäbische Kreis gegen Frankreich schickte. Und wie es hier war, so war es, bald etwas besser, öfters aber noch schlimmer, an "andern Orten der ausgedehnten Kriegslinie. *) Das Ausreissen der Kreissoldaten mit Montur und Pferden wurde so allgemein, dass man am 17. August 1793 ein Ausschreiben erliess, nach welchem jedem Einbringer eines Mannes ein Preis von 10 fl., eines Reiters sammt dem Pferde 20 fl. zuerkannt wurde.

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18 Für Schwaben sollte jetzt eine bessere Ordnung geschaffen werden. Es gingen Befehle an die Kreisstände, welche einige Gleichförmigkeit erzielen sollten, aber eben erst in letzter Stunde vor dem Kampfe. In Augsburg kamen sie kaum vor den ersten Tagen des August zur Kenntniss, während schon am 2. August das österreichische Hilfscorps unter dem Fürsten HohenloheKirchberg von Mannheim aufbrach und sogleich kleine Gefechte mit feindlichen Truppen bei Landau bestand. Die neuen sachgemässen Anordnungen waren: jeder Unteroffizier und Gemeine erhält zu seiner Kriegsgage täglich 2 kr. Zulage aus der Kreis­ kasse. Nach Offenburg und' Gengenbach sollen aus dem Kreis­ magazin zu Esslingen in erforderlicher Anzahl Teppiche, Kochund Feldgeschirr unverzüglich nachgeschickt werden, damit die Mannschaft, welche nicht bei Bürgern einquartiert werden kann, sondern in eigene kasernenartig eingerichtete Häuser gelegt werden muss, ohne zu grosse Belästigung der Sammelplätze ordent­ lich untergebracht werden kann. Damit die Mannschaft das nöthige Brod von gleicher Beschaffenheit um den massigsten Preis erhalte, wurde mit einem Bäcker in Offenburg ein Vertrag abge­ schlossen, dass er alles nöthige Brod, die zweipfündige Portion um 4 kr. liefere. Damit hierin die gehörige Ordnung erhalten werde, auch die Verpflegsgelder nicht mehr durch Unteroffiziere und Gemeine ungerecht vertheilt werden könnten, wurde der Kegiments-Quartiermeister Major Bart eigens zur Leitung dieser Geschäfte aufgestellt. Die einzelnen Kreisstände wurden ange­ wiesen, die Gage- und Brodgelder künftig an Niemand anders zu senden. Die Reichsstadt Augsburg und ihre Umgebungen hatten bis zum Schluss des Jahres 1795 von den Plagen des Krieges auf eine direkte Weise wenig empfunden: zwar erreichten die Er­ schütterungen der französischen Revolution frühzeitig auch unsere Stadt, und die Folgen derselben, welche unser sittlicher, politischer, merkantilischer und häuslicher Zustand, ja selbst die gesellschaft­ lichen Verhältnisse in so mancher Hinsicht empfanden, entgingen dem Auge des Beobachters nicht. Zwar erfuhr unser Handel durch die Kriegsereignisse am Rhein und die gänzlich unterdrückte Rheinschifffahrt Kränkungen und Bedrückungen ohne Zahl, unsere Landleute seufzten unter der erdrückenden Last ununter­ brochener Durchmärsche zahlloser österreichischer Heere, die Ein­ wohner Augsburgs fühlten die Schwere der allmälig höher stei­ genden Theuerung der unentbehrlichsten Bedürfnisse empfindlich,

und das Aerarium der Stadt befand sich in einer mit jedem Tage bedenklicheren Lage. Yon den eigentlichen Uebeln des Krieges aber wussten wir bisher noch nichts. Erst mit dem Jahre 1796 beginnt der Krieg sich in die Stadt selbst hereinzuziehen. Nach­ dem der Erzherzog Karl erklärt hatte, er sei in seiner gegen­ wärtigen Lage ausser Stand, die Kreislande vor dem Eindringen des Feindes zu schützen, hatte die zu Ulm tagende schwäbische Kreisversammlung kein anderes Rettungsmittel vor sich gesehen, als bei dem französischen Oberbefehlshaber Moreau um einen Waffenstillstand zu bitten. Derselbe wurde am 27. Juli unter den härtesten Bedingungen abgeschlossen. Vermöge desselben sollte der schwäbische Kreis seine Truppen von der kaiserlichen Armee zurückziehen und sich derselben nur zu seiner innern Sicherheit bedienen, 19 Millionen Livres zahlen, 8000 Cavalleriepferde, 5000 Ochsen, 150,000 Centner Mehl, 100,000 Säcke Haber, 150,000 Centner Heu, 100,000 Paar Schuhe u. s. w. stellen. Die erste Folge dieses Waffenstillstandes war, dass das schwäbische Kreiscorps, das in einem Lager bei Biberach stand, durch den kais. Feldm.-Lieut. v. Fröhlich mit 8000 Mann umstellt und zur Niederlegung seiner Waffen, Kanonen und Munition gezwungen wurde. Schon im Juli hatte sich einmal das Gerücht verbreitet, dass das aufgelöste und zerstreute Conde’sche Corps auf dem Lande und in den Gegenden von Ober- und Mittelschwaben, besonders an der Hier, senge und brenne, ja dass schon bei Weissenhorn sich einzelne Haufen solcher Marodeurs' hätten sehen lassen und in wenig Augenblicken in Augsburg sein würden. Die Bleichen wurden aufgehoben, die Garten- und Landhäuser vor der Stadt in wilder Eile von ihren Bewohnern verlassen und was transpor­ tabel war in die Stadt geschafft. Ein furchtbarer Schrecken bemächtigte sich des Land­ volks in allen schwäbischen Gauen. In den Städten bemühte man sich um Yorsichtsmassregeln. Das erste, was in Augsburg geschah, war, dass der Rath sich am 9. Juli mit dem Bischöfe und Domcapitel ins Benehmen setzte, wie den Unterthanen auf dem Lande in Feindesgefahr beizustehen sei. Zugleich beschloss man die Verkündigung des Gesetzes, welches die Bürger ver­ pflichtete, im Nothfall ihre Häuser vor den Thoren nieder zu reissen, ohne eine Entschädigung zu beanspruchen. Dazu hatten sie sich bei dem Aufbau derselben verstehen müssen. Den Zeug­ meistern wurde geboten, die für die Wälle erforderlichen Kanonen mit Munition und andern Requisiten in Bereitschaft zu halten.

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Den städtischen Archivaren wurde aufgetragen, die älteren Kriegs­ acten vorzusuchen, um zu erfahren, welche Massregeln man in früheren Zeiten getroffen hatte, um dem nahenden Eeinde ent­ gegenzutreten. An die beiden Stadtpfleger erging das Ansuchen des Käthes, dass sie sich bedenken möchten, wie die Hauptdocumente des Stadtarchivs beschützt werden könnten. Den Stadt­ garde-Hauptleuten wurde der Auftrag ertheilt, stets Mannschaft zur Verstärkung der Wachen bereit zu halten. Innerhalb 24 Stun­ den sollten alle französischen Emigranten die Stadt verlassen. Bis zum 3. August 1796 häuften sich die Durchmärsche der kaiserlichen Depots, Spitäler und Kriegsgefangenen derart, dass Mangel an Vorspannpferden eintrat. Natürlich wurden dadurch die Einquartirungen immer drückender und andauernder. Es ging daher an die mit Pferden versehene Bürgerschaft der Aufruf, sie möchte sich bereitwillig zeigen, ihre Pferde freiwillig zur Ver­ fügung zu stellen und dadurch unangenehmen Folgen vorzubeugen, welche eintreten müssten, wenn sie sich dessen weigern würden. Gleich zu Anfang August wurden mehrere hundert franzö­ sische Kriegsgefangene eingebracht und in den Baugarten, die Halle, das Rathhaus eingelegt. In der St. Annastrasse, auf dem Perlachplatze, der Weismaler- und andern Hauptstrassen waren unabsehbare Reihen von Bauernpferden und Wagen zu sehen, welche die Nacht durch unter freiem Himmel kampirten. Jede Stunde brachte neue Auftritte. Wagen folgten auf Wagen, und diese oft unendlich scheinenden Wagenketten wurden bald durch .Züge von Kanonen, bald von einem Trupp Reiterei, bald von einer Gesellschaft französischer Emigranten, bald von einer arm­ seligen Gruppe unglücklicher Flüchtlinge, bald von neuen Ladungen von Verwundeten, denen das schlechte Pflaster so manchen Mark und Bein durchschneidenden Schmerzenschrei auspresste, unter­ brochen. Schrecklich tönten zusammen das Geschrei der Fuhr­ leute, das Commandiren der Offiziere, das Aechzen der Verwun­ deten und Sterbenden, das Klatschen der Peitschen, das Schnat­ tern der Posthörner, das Wiehern der Pferde, und an manchem Tage wohl auch das dumpfe Donnern der Kanonen aus weiter Ferne. Die Strasse von dem alten Zeughause bis in die Kreuz­ gasse war mit Wagen, welche Tausende von Verwundeten gebracht hatten, übersäet und gleichsam verrammelt, müde hängten die abgetriebenen Pferde die Köpfe zur Erde und zwischen den Rä­ dern lagen die Bauern und Wagenknechte auf den Bauch hinge­ streckt. Ermattung, Unmuth und Missvergnügen malten sich auf

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allen Gesichtern. Das Innere des Residenzhofes sah einem Feld­ lager gleich ; auf loderndem Feuer standen die vollgefüllten Feld­ kessel, und um diese lagerten sich die ermatteten und hungrigen Krieger. Auch das der hiesigen Stadt zugehörige, der katholischen Schuljugend aber zum Gebrauch bewilligte Schauspielhaus oder das sogenannte Jesuitentheater bei St. Salvator musste eine Menge Verwundeter aufnehmen, und überall war die Wohlthätigkeit der hiesigen Einwohner gegen Verwundete und Kranke unermüdet. Das evangelische Gymnasium zu St. Anna wurde in ein Habermagazin umgewandelt. Auch die Administration des evan­ gelischen Collegiums erhielt die Weisung, Plätze in diesem Ge­ bäude zur Aufnahme von Mehl- und Haberfässern anzuweisen. Vom 16. August an befand sich die ganze Armee des Erz­ herzogs Karl jenseits der Donau. General Moreau folgte ihr bis an die Wörnitz hin nach und liess dann seine Truppen nach Höchstädt, Dillingen und Lauingen zurückmarschiren, um über die Brücken dieser Städte gleichfalls auf das rechte Donauufer überzusetzen. Um unsere Stadt her stund der linke Flügel der österreichischen Hauptarmee unter dem Feldzeugmeister Latour. Am 17. August wurde eine ausserordentliche Senatssitzung abgehalten und dieselbe mit der Anzeige eröffnet, dass heute ein kaiserlicher Hauptmann im Namen des General-Commandos den Zeugmeistern die Nothwendigkeit bekannt gemacht habe, das taugliche Geschütz, Waffen und Pulvervorräthe aus dem hie­ sigen Zeughause abführen zu lassen, mit dem Versprechen, dasselbe seinerzeit wieder der Stadt zurückzugeben. Natürlich war diesem Antrag nichts als Ergebung entgegen zu setzen. Ausserdem wurde beschlossen, eine Central-Direction in den Personen der beiden Stadtpfleger zu errichten, von denen aus die Verordnungen und Befehle schnell den betreffenden Behörden zukommen sollten. Ferner beschloss man die Absendung einer Rathsdeputation an den commandirenden feindlichen General und übertrug dieses wichtige und ehrenvolle Geschäft den Senatoren von Besserer und von Pflummern. Man sorgte für möglichste Verproviantirung der Stadt, für Herbeischaffung der erforderlichen Fonds und für Eröffnung von Geldquellen und traf noch ver­ schiedene andere polizeiliche und militärische Anordnungen, die Sperrung der Stadtthore u. a. Während der Senat versammelt war, liess sich ein kaiserlicher Stabsoffizier bei dem Direktorium anmelden und forderte im Namen Latours von der Stadt für das am Kobelberg liegende Truppen-

22 korps von 9—10,000 Mann eine Erfrischung an Bier, Zugemüse, Mehl, Gerste, Gritze, Erbsen und Linsen, welches unvorzüglich dahin ahgeschickt werden sollte. Auf der Stelle wurde das ge­ machte Verlangen in Berathung gezogen und eine Ablieferung in das kaiserliche Lager von 160 Eimer braun Bier, ’900Mass Mehl, Linsen u. s. w. beschlossen. Am 18. August rückte aus dem österreichischen Lager am Kobelberge der Oberstlieutenant Schwarzenberger mit einer Di­ vision Infanterie in die Stadt und vor das Zeughaus, von wo aus auf Befehl des Feldzeugmeisters die in demselben vorhandenen Kanonen, Mörser, Musketen, Doppelhackeh u. s. w. abgeholt und nach Braunau auf Kosten der Stadt abgeführt wurden. Noch vor dem Anspannen der Kanonen und Aufladen der Waffen wurde von dem Zeugamt ein genaues Inventar des ganzen Zeughausbe­ standes aufgenommen, dasselbe von der kaiserlichen Behörde unter­ zeichnet und im Stadtarchiv niedergelegt. Ebenso wurden Tags darauf die im untern Vorplatze des Kathhauses aufgestellten Ka­ nonen, nebst vier andern, die sich auf dem Bachofenwall befanden, abgeholt und fortgeführt. Bei diesem Ausleeren des Zeughauses wäre es aber beinahe nicht geblieben; es war der ausdrückliche Wille Latours, dass auch das ganze Bürgermilitär entwaffnet und selbst den neu errichteten Scharfschützencorps ihre ihnen eigen­ tümlich zugehörenden Kugelstutzen abgenommen und fortgeführt werden sollten. Nur den dringenden Vorstellungen und Bitten von Seiten hiesiger Obrigkeit gelang es, dass dieser harte und für das Bürgermilitär kränkende Befehl wieder zurückgenommen wurde. Die Stellung der kaiserlichen Armee unter dem Erzherzog Karl war folgende. Die Hauptarmee, in 4 Korps getheilt, stand diesseits und jenseits der Donau bei Donauwörth. Der Erzherzog kommandirte den rechten Flügel, General Hozze das Centrum, General Latour deckte die Gegend zwischen Augsburg und Landsb'erg mit zwei Korps, wovon das eine das am Kobelberg stehende war, das andere bei Schwabmünchen stand. In der Nacht vom 20. auf den 21. August brach das Latour’sche Korps in bester Ordnung und Stille über den Lech gegen Friedberg auf, wo es sich mit seinem linken Flügel über die Afrakapelle bis Mering ausdehnte und den rechten an das Moos bei Mühlhausen anlehnte. Während des Rückzuges der kaiserlichen Armee an unserer Stadt vorbei nach Friedberg waren auf Befehl Latours das Wertachbrucker- und Göggingerthor gesperrt, dagegen das Klinkerthor

23 geöffnet und mit einem Offizier und Mannschaft besetzt. Nachdem die kaiserliche Armee an der Stadt vorbei gezogen war, wurde auch das Klinkerthor geschlossen, dagegen das rothe Thor ge­ öffnet, und unter diesem fasste ein k. k. Lieutenant mit seiner gesammten Sauvegarde-Mannschaft Posten. Der 21. August war einer der unruhigsten Tage des ganzen Krieges für unsere Stadt. Den ganzen Tag über, ob es gleich Sonntag war, mussten die Bäcker für die Armee Brod backen, welches sofort mit den hier befindlichen Mehl- und Habermaga­ zinen der Armee nachgeführt wurde. Das' kaiserliche Lazareth wurde rasch aus der Stadt geschafft, und von den Bleichen, Fabriken und Garten guter n flüchtete man in ängstlicher Eile in die Stadt. Den ganzen Tag über war der Lug-ins-Land-Wall angefüllt von Zuschauern, da man von demselben aus die kaiser­ lichen Pikete um die Stadt herum, an der Wertach, gegen Kriegs­ haber und Gersthofen zu, aber auch zuweilen die französischen Flankeurs auf der Gersthoferstrasse sehen konnte. Während Latour seinen Rückzug über den Lech bewerk­ stelligte, liess er einen Theil des Giulayischen Freikorps und einige Eskadrons Husaren bei Oberhausen, dem Stadtjäger und am Rosenauberg in Yorpostenpikets als Beobachtungs-Detachements zurück; ihre Schildwachen und Patrouillen erstreckten sich über Kriegshaber, Pfersee, Göggingen, den Ziegelstadel, Siebentisch bis zum Ablass: an diesem letzteren Punkt stand ein starkes Piket Mahonyjäger, welche das linke Lechufer abstreiften. Am rechten Ufer waren starke bedeckte Batterien von schwerem Ge­ schütze, besonders dem Ablass und den beiden Lechbrücken gegen­ über errichtet und stark mit Cavallerie und Infanterie besetzt. Eine Abtheilung leichter Truppen lag in den Gebüschen vor Lechhausen und Gersthofen gegenüber versteckt. Latour selbst nahm sein Hauptquartier im Schiessgraben. Am Abend desselben Tages hatte die reichsstädtische Complimentirungs-Deputation, welche aus den Senatoren von Besserer und von Pflummern und den Rathsconsulenten von Prieser und von Steinkühl bestand, einen Versuch gemacht, dem General Moreau entgegen zu fahren, war aber unverrichteter Dinge wieder zurück­ gekommen, da sie die kaiserlichen Vorposten nicht hatten durchpassiren lassen. Immer näher waren unterdessen die Franzosen gerückt. In Anbetracht der drohenden Lage setzte der Senat mehrere Sicherheitsmassregeln in Vollzug. Insbesondere wurde nebst der Stadt-

24 garde und dem Kreiscontingent das hiesige Bürgermilitär in leb­ hafte Thätigkeit gesetzt. Dasselbe zog mit ganzen Compagnien Infanterie auf die Rathhauswache auf, und die Cavallerie desselben nebst den Scharfschützen patrouillirten unablässig in den Strassen der Stadt. Am Morgen des 22. August, zwischen 7 und 9 Uhr, rückten die ersten feindlichen Colonnen gegen die Stadt heran. Die stärkste derselben zog sich auf der Strasse von Gersthofen her, überfiel den Theil des Giulay’schen Freicorps, der bei Oberhausen Halt gemacht hatte, und drückte denselben zurück. Die Oesterreicher retirirten, nachdem sie zuvor über die Wertach gegangen waren, unter starker Gegenwehr bei dem Klinker- und Göggingerthor vorbei gegen Friedberg. Dann fassten sie noch einmal bei der sogenannten Schwedenschanze an der Strasse nach Fried­ berg festen Fuss; aber die nachstürmenden Feinde drängten sie auch aus diesem Posten heraus. Erst der Lech setzte dem Ge­ fechte eine Grenze. / In banger Erwartung beobachteten die hiesigen Einwohner von den Wällen und Thürmen der Stadt aus diese Bewegungen der kämpfenden Parteien. Ein schrecklicher Anblick war nament­ lich der, als nach der Ueberrumpelung des Dorfes Oberhausen eine Menge Männer, Weiber und Kinder aus diesem Dorfe unter kläglichem Geschrei der Stadt zuflohen. Die Härte und Raubsucht der republikanischen Soldaten, der Ungestüm, mit dem sie an­ kamen, hatte diese Leute aus ihren Häusern getrieben. Als der General der verfolgenden Colonne bei dem Judenwalle angekommen war, gab der Trompeter von demselben ein Zeichen, und rief der Hauptmann Gullmann von der Stadtgarde, seinem Auftrag zu Folge, dem General von dem Walle herab entgegen, dass die Thore bald möglichst geöffnet und eine Deputation des Senats an ihn abgeschickt werden solle. Der General zog seinen Hut ab und die Offiziere seines Gefolges riefen: „Bon! Bon!“ Die Rathsdeputation ging sogleich ab. Um 11 Uhr machte sie dem General Moreau ihre Aufwartung vor dem Göggingerthor, um die Stadt der Huld der französischen Republik zu empfehlen. Weil aber die Truppen noch engagirt waren, so erhielt diese Deputation bei dem General um 1 Uhr eine längere Audienz in dem Gasthof zu den 3 Mohren. Zwischen 12 und 1 Uhr zogen sodann einige hundert Mann Infanterie nebst einer Anzahl Jäger zu Pferde ein und besetzten gemeinschaftlich mit dem Bürger­ militär die Hauptwache. Da bei dem Anrücken der Franzosen

25 alle Läden und Kaufmannsgewölbe in banger Eile gesperrt wor­ den waren, so forderte man sogleich auf Verlangen des zuerst eingerittenen französischen Offiziers durch Trompetenschall die Einwohnerschaft auf, ihre Läden wieder zu öffnen und ganz ruhig zu sein, da Eigenthum und Sicherheit nicht im mindesten gefährdet werden solle. Von den Thürmen konnte man noch immer wahr­ nehmen, wie sich mit\ jeder Minute die Anzahl der republikanischen Soldaten, besonders in der Gegend des Kobels und vor Steppach her vermehrte, und wie sie aus den umgränzenden Wäldern in zahlloser Menge hervorbrachen. Die französischen Tirailleurs hatten sich bei der Verfolgung der Kaiserlichen hinter die Hecken und Zäune verborgen und feuerten hinter diesen ununterbrochen fort, sie brachen in alle herumliegenden Gärten und Gartenhäuser ein und raubten und zerstörten was ihnen unter die Hände kam. Zur hiesigen Garnison und Stabswache waren drei Compagnien Karabinier zu Fuss wie auch eine Anzahl Grenadiere bestimmt. Zwischen 12 und 1 Uhr zogen dieselben mit Moreau und dessen Generalstab an der Spitze in die Stadt ein und vor das Rath­ haus. Sogleich wurden die Stadtthore gemeinschaftlich mit der Stadtgarde besetzt. Den vor der Stadt lagernden französischen Truppen wurden von Seite der Stadt Bier und Brod hinausgeschafft, woran nicht nur diese selbst, sondern auch mehrere an der Stadt vorbeiziehende Halbbrigaden und zwar in solcher Masse Antheil nahmen, dass die Soldaten in aller Geschwindigkeit die mitgeführten erbeuteten Geschirre aller Art, Giesskannen, Barbierschüsseln, Krüge, Flaschen, Kochtöpfe u. dgl. füllten und auf diese Weise ihren Durst löschten. Kaum waren die Franzosen in der Stadt, als sie auch schon den Kaufleuten ihre Assignaten gegen Waaren mit Gewalt auf­ drangen. Dazu stellte Moreau eine Reihe fast unaufbringbarer Requisitionen aller Art. Eine seiner ersten Forderungen bestand darin, dass Zimmerleute zur Wiederherstellung der Brücken über die Wertach gestellt werden sollten. Das Bürgermilitär befand sich in der lebhaftesten Aufregung, indem es mit der Stadtgarde und dem Kreiscontingent in und vor der Stadt patroulliren musste. Dies war um so nothwendiger, da die vor der Stadt kampirenden Truppen, ungehalten über den verweigerten Einlass in die Stadt, anfingen, über die Mauern und Wälle zu klettern, wie dies der Fall bei dem geschlossenen Schwibbogenthor war, das sie Abends nach 8 Uhr aufzubrechen Miene machten, woran sie aber durch ein französisches Militär-,

26 Detachement, das Moreau auf der Stelle abschickte, verhindert wurden. Um die Thore sicher zu stellen, kommandirte man zu jedem derselben ein Detachement Garde- und Contingentsoldaten. Nachts musste die Stadt einem Befehle des Obergenerals zu Folge mit Laternen beleuchtet, unausgesetzt patroullirt und die Ruhe­ störer auf den Strassen und in den Häusern arretirt und in die Eisen geschafft werden. Der 24. August war für die Stadt Augsburg der schrecklichtse Tag, denn für denselben hatte Moreau beschlossen, sein siegreiches Heer über Bayerns Gefilde zu verbreiten, über den zwar damals ziemlich seichten, aber wegen seiner hie und da befindlichen Tiefen und reissendem Wasser immer gefährlichen Strom zu setzen und sich der jenseitigen Linie von Friedberg über Lechhausen und weiter hinab zu bemächtigen und den Schlüssel von Bayern in seine Gewalt zu bekommen. Morgens um 3 Uhr geschah der Signalschuss aus der Gegend von Mering her,, wo der Hauptangriff geschehen sollte. „Wir hörten“ — schreibt der Herausgeber des Tagebuchs — „die Kanonade und das kleine Gewehrfeuer in unsern Häusern, auf Thürmen und Altanen und sahen das Uebersetzen auf allen Punkten am Lech, be­ sonders zwischen den Friedberger und Lechhauser Brüchen; ein glei­ ches geschah bei Oberhausen, Haunstetten, Gersthofen und Langweid, und bald vertrieben die Tirailleurs auf dem sog. Pfannenstiel und am Schupferlin mit ihren zwei Kanonen die leichten ungarischen Truppen aus den Gebüschen vor Lechhausen. Zwischen Augsburg und dem Lechstrome stand General St. Cyre mit dem Mittelpunkte der Armee, zu seiner Rechten zog sich General Ferino über das Dorf Haun­ stetten hinauf, und General Dessaix suchte mit dem linken Flügel in der Gegend des Dorfes Langweid den Uebergang zu erzwingen. Die Stellung des Feldzeugmeisters Latour war theils durch die Anhöhen von Friedberg, theils durch den sumpfigen Boden und das sog. Moos, das sich am jenseitigen Lechufer zeigt, sehr vortheilhaft, und der Angriff für die Franzosen in der That sehr gefährlich. Dessen ungeachtet drangen sie mit einem unbeschreib­ lichen Ungestüm über den Fluss, griffen die Kaiserlichen in ihrer sehr vortheilhaften Stellung an, warfen sie zurück und verpflanzten dadurch das blutige Panier des Krieges aus Schwaben nach Bayern. Hier fand nun freilich Mancher sein Grab in des Lechs Tiefen, unter diesen befand sich der französische General Houel, der in der Gegend der Lechhauserbrücke mitten im Lech erschossen und erst am 2. September unterhalb des Zusammenflusses des Lechs

27 und der Wertach von Fischern gefunden und darauf im evange­ lischen untern Gottesacker in der Stille begraben wurde. Vom frühen Morgen bis Nachmittag 4 Uhr brüllte der Kanonendonner fürchterlich von allen Seiten, er halte wieder in unseren Strassen, unsere Fenster zitterten, allmählig aber nahm er nach Mittag ab, und so gelang es endlich den Franzosen, diesen Strom, das Gewehr und die Patrontasche über den Köpfen haltend, schwimmend und watend zu übersetzen und ihr grosses Werk bis Mittag in der Hauptsache zu vollenden. Moreau leitete anfänglich von dem Ulrichstburme 'aus mit seinem Adjutanten diese'wichtige Unternehmung, bald aber setzte er sich zu Pferd und stellte sich an die Spitze seiner Soldaten. Kaum war das jenseitige Ufer in der Gewalt der Franzosen, so wurden sogleich die Brücken über den Lech durch unsere mit Gewalt requirirte Zimmerleute, nicht ohne Gefahr, wieder hergestellt und schweres Geschütz hinüber gebracht. Nun rückte aber auch der übrige Theil der Armee in gedrängten Reihen auf allen unsern Strassen dem Lech zu und zwang dadurch die kaiserliche weit schwächere Armee, sich zurück zu ziehen. Bald erstürmten die Franzosen die Höhen von Friedberg, besetzten das Städtchen und plünderten es vier Stunden lang. Das Dorf Lechhausen hatte ein gleiches Schicksal. Erst die einbrechende Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Schon Nachmittags sahen wir die Früchte dieses Tagwerks. Viele hundert österreichische Kriegsgefangene, besonders ungarische Infanterie und Husaren, wurden hier hereingebracht. Nach 8 Uhr kam der Obergeneral von den Gefechten in den Gasthof zu den, drei Mohren zurück.“ Erst die Siege des Erzherzogs Carl bei Würzburg über Jourdan zwangen Moreau zum Rückzug. Augsburg wurde am 20. September 1796 befreit, nachdem es die plündernden Horden einen Monat lang in seinen Mauern beherbergt hatte. In den grössten Mangel war aber jetzt die Stadtkasse gerathen. Bei der Bürgerschaft musste ein Anlehen von 500,000 fl. gemacht und, um dasselbe zurückzahlen zu können, alle Steuern und Auflagen verdoppelt und das Ungeld erhöht werden. Zur Leitung dieser Finanzoperation wurde die Sublevations-Deputation aus Mitgliedern des grossen Raths aller vier Stände errichtet. Da brachte der Friede von Leoben Ruhe. Als aber der Congress zu Rastatt seine Aufgabe nicht lösen konnte, begann der Krieg 1799 aufs neue. Russland verband sich mit Oesterreich gegen Frankreich.

28 Russische und österreichische Einquartirungen wurden zur unleid­ lichsten Plage. Auch zwei Schweizerregimenter blieben längere Zeit in der Stadt. 1,150,000 fl. hatte der Krieg der Stadt schon bisher gekostet, jetzt sollte eine weitere halbe Million beigeschafft werden. Bei Möskirch wurden die Oesterreicher am» 7. Mai 1800 geschlagen; Tausende von Verwundeten kamen durch die Stadt, ganze Tage lang war man mit dem Abladen derselben beschäftigt. Dazu kam eine Menge flüchtiger Leute, welche der Schrecken aus ganz Schwaben hieher trieb. Bis vor die Mauern der Stadt rückte schon kämpfend der Feind, und am 28. Mai 1800 rückte der französische Generallieutenant Lacourbe mit seinem Stabe und einer starken Abtheilung Militär in die Stadt, nachdem man zuvor einen grossen Theil der Verwundeten nach Bayern gebracht hatte. Sogleich begehrte Lacourbe eine Brandschatzung von 900,000 Francs*, den Naturalbedarf für seine Armee** und 4000 in Gold zu bezahlende Luisdors. Für seine Person nahm er auf Rechnung der Stadt um 20,000 fl. Kunstwerke aus den Handlungen hinweg und forderte für seine Tafel die üppigste Bestellung. Und das Alles von der gänzlich erschöpften Stadt. Dieselbe war jetzt genöthigt, eine fünffache Steuer zu erheben und die Vermöglichen um freiwillige Vorschüsse anzugehen, die auch geleistet wurden. Viele andere Bedrängungen, unter denen sich die Lazarethkosten bis zum Abmarsch der Franzosen allein auf mehr als 100,000 fl., die Einquartirungskosten auf mehr als dritthalb Millionen beliefen, folgten nach, bis am 9. Februar 1801 der Friede zu Luneville geschlossen wurde. Diese Zahlen genügen, um sich einen Begriff von den riesigen Opfern zu machen, welche Augsburg zu bringen hatte. Da selbst ihre Reichsfreiheit gefährdet schien, bot sie Alles auf, um wenigstens diese zu retten. Sie wendete sich in besonderer Denkschrift (vom 16. März 1802) an Talleyrand und an andere Minister. Sie schickte eine geheime Deputation nach Paris, welche die Zusage erhielt, die französische Regierung sei gegen Entrichtung einer bestimmten Summe geneigt, der Stadt zur Erwerbung des bischöflichen Burggrafenamts, der Waage und * wovon das Domcapitel wegen seines Besitzes in der Stadt 300,000, die Stifter und Klöster 150,000 Fr. zu bezahlen hatten. ** 50,000 Portionen Brod, 5000 Pfd. Fleisch, 30,000 Mass Bier, 500 Maas Wein, 1000 Maas Branntwein, 1000 Ellen Blautuch, 300 Ellen feines Weisstuch für Offiziere, 300 Ellen Scharlachtuch, 6000 Paar Schuhe, 600 Paar Offizier­ stiefel, 14 Reitpferde mit Sattel und Zeug, ein Postzug und Kutsche für den General oder 8 Pferde.

des Wertachbruckerzolls behilflich zu sein. Die Stadt ging aber weiter. Sie verlangte Gleichstellung mit den Hansestädten, dem­ gemäss unentgeltliche Ueberlassung der in ihrem Gebiet gelegenen unmittelbaren geistlichen Besitzungen und das Recht über Fort­ bestand oder Aufhebung der Mediatklöster selbst zu entscheiden. Dagegen versprach sie, 600,000 fl. an Frankreich zu bezahlen. Der Reichsdeputations-Hauptschluss vom 25. Febr. 1803 sicherte darauf der Stadt die volle Landeshoheit in ihrem Gebiet, den Besitz aller geistlichen Güter und Einkünfte, unbedingte Neutralität selbst in Reichskriegen. Sogleich wurde das geistliche Gut in Besitz genommen, in den Klöstern alles versiegelt und verpflichtet. Jetzt hoffte man, sich erholen und was die Hauptsache gewesen wäre, sich neu organisiren, alle alten Missstände heben zu können. Es wurde eine eigene Organisations - Deputation niedergesetzt, und wäre der Friede ein dauernder gewesen, Augsburg wäre einer neuen segensreichen Zukunft entgegen gegangen. Da brach von neuem der Krieg aus. .Oesterreich rückte vor, Bayern, Würtemberg und Baden schlossen sich an Frankreich an. Augsburg wollte seine ihm zugestandene Neutralität behaupten. Die Oester­ reicher wurden bei Wertingen geschlagen. Am 9. October erschien General Michaud mit Generalstab, Adjutanten und 30 Mann Bedeckung vor dem Gögginger Schlagbaum und verlangte höflich Einlass, um im Gasthaus zu den drei Mohren, dessen Keller längst einen europäischen Ruf hatte, ein Gabelfrühstück zu nehmen. Man konnte eine solche Bitte nicht abschlag'en. Aber kaum sass der General zu Tisch, so standen auch schon die Vorposten der Division Van dämmen vor dem Schlagbaum des Rothen Thores, eben­ falls* Einlass begehrend. Michaud, zur Vermittlung angerufen, drohte mit Gewalt, und bald strömten die Franzosen zu allen Thoren herein und nahmen, gegen 30,000 Mann, in den Häusern und auf den Strassen bei lodernden Wachtfeuern Nachtquartier. Es war der Vorabend von Napoleons Ankunft. Er nahm seine Wohnung in der böschöflichen Residenz und erwiderte die Begrüssung mit den Worten: „Sie haben schlechtes Pflaster, ich muss Sie einem Fürsten geben,“ — sprach dann aber in ernsterem Tone von seinem Interesse, das früher die Unabhängigkeit der Stadt erheischt, jetzt aber sich geändert habe, und erklärte schliesslich, dass man es nur seiner Grossmuth zu danken habe, wenn er die Kaufleute nicht ergreifen lasse, die englische Subsidien nach Oesterreich Übermacht hätten. Der Kaiser verweilte, mit Aus­ nahme weniger Tage, die er vor Ulm zubrachte, bis zum 24. Octo-

30 her in Augsburg, besah sich auf einem Umritt mit Bertrand und Caulincourt ihre Werke und ihr Inneres und befahl, sie haltbar zu befestigen und zum allgemeinen Depot zu machen. Da die Arbeiten indess eine bedenkliche Ausdehnung erlitten (das Steffinger-, Obiatter-, Vogel-, Schwibbogen- und Klinkerthor wurden zugemauert, neue Schiessscharten an den Ringmauern angebracht, mehrere Soldaten Wohnungen auf dem Zwinger niedergerissen u. s. w.), so schickte man dem Kaiser eine Deputation bis Mühldorf nach, um entsprechende Gegenbefehle zu erwirken. Der Kaiser bestand aber darauf, dass Augsburg gegen den Ueberfall eines fliegenden Corps geschützt werde, denn vermöge seiner geographischen Lage eigne es sich zur Aufnahme des Armeedepots, der Magazine und Spitäler, und wegen der Nähe Tirols müsse es mit hinlänglicher Besatzung versehen werden. Aus Tirol wurden fortwährend kriegsgefangene und Verwundete herbeigebracht. Die Requi­ sitionen stiegen in einem Masse, dass der Senat die Bürgerschaft mit einer ausserordentlichen Kriegssteuer belegen musste. Die Schlacht von Austerlitz brachte neuerdings Tausende von Gefan­ genen und Verwundeten. Alle Klöster und öffentlichen Gebäude waren bereits derart überfüllt, dass man sie in die Kreuzgänge des Domes und in die Johanniskirche legen musste. Der Schlacht bei Austerlitz folgte am 26. Dez. 1805 der Pressburger Friede, durch welche das Haus Bayern die Königs­ krone und Augsburg erhielt. Noch ehe der Friede definitiv geschlossen war, rückten am 21. Dezember 1805 Nachmittags von dem neuerrichteten freiwilligen bayerischen Jägerkorps 125 Mann zu Pferd und 150 zu Fuss in die Stadt ein. Mit ihnen kam der kurfürstliche Landesdirektions-Rath Frhr. v. Widnmann als Spezialcommissär. Am 24. Dezember ging eine Rathsdeputation nach München, um die Stadt der Gnade des künftigen Herrn zu empfehlen. Sie kam nach einer überaus gnädigen Aufnahme am 3. Januar 1806 zurück. Sogleich kamen auch die Franzosen wieder und mit ihnen vier- und fünffache Einquartirung. Am 17. Januar rückte unter dem Oberst Reiman das dritte bayerische Linien-Infanterieregiment Herzog Karl als Besatzung ein und am folgenden Tage unter dem Oberstlieutenant Floret das vierte Chevauxlegers-Regiment. Am 4. März übergab Frankreich die Stadt feierlich an Bayern. Der französische Stadteommändant Brigadegeneral Rene war von Napoleon zur Uehergabe beauftragt. Am frühen Morgen holte eine Rathsdeputation die UebernahmsCommission, den Landesdirektor v. Merz und den Freiherrn

31 v. Widnmann, aus ihrem Absteigquartier zum „weissen Lamm“ in die Wohnung Renes ab. Von da gingen sie alle durch die Spaliere des aufgestellten Militärs nach dem Rathhause, wo die Commissäre von einer zweiten Deputation in das Sitzungszimmer geführt wurden. General Rene verkündete dem versammelten Rathe seine Vollmacht zur Uebergabe, die Commission gleichfalls ihren Auftrag zur Uebernahme. Die folgende Rede des Direktors v. Merz beantwortete der Stadtpfleger v. Imhof und hieran schloss sich die Huldigung der Collegien und Bediensteten. Vom Balkon des Rathhauses wurde das Besitzergreifungspatent verlesen und an allen Thoren und Hauptgebäuden öffentlich angeschlagen. Ein Festmahl von 142 Gedecken bei den „Drei Mohren“ schloss den Act. In den folgenden Tagen wurde das bedeutsame Ereigniss durch Gottesdienste und Illuminationen gefeiert. Der Weinmarkt wurde in „Maximiliansstrasse“ umgetauft und eine Deputation stellte sich dem Herrscherpaar in München zur Empfehlung vor. Werfen wir schliesslich noch einen Blick auf die öffentliche Stimmung, welche sich an die Mediatisirung der Reichsstadt knüpfte! Wir wüssten hiefür keinen zuverlässigeren Beobachter als Herrn v. Widnmann. Lassen wir ihn selbst reden! Die öffentliche Stimmung — schreibt er — war nach der Religion des Augsburgischen Publikums verschieden. Der evan­ gelische, aber bekanntlich weit geringere Theil war froh, an einen Fürsten überzugehen, unter dessen weiser Regierung Handel und Künste blühten und schädliche im Finstern genährte Vorurtheile mit der Fackel der Aufklärung verscheucht wurden. Der katholische hingegen, der beinahe zwei Drittheile von Augs­ burgs Bevölkerung hatte, war auffallend missvergnügt, weil er aus dem neuesten Zustand der Dinge die noch bestehenden Klöster aufheben, die Kirchen zu Kasernen oder Theater verwenden, die Litaneien, Rosenkränze und Bruderschaften bei Tag und Nacht verschwinden und endlich'gar die Exjesuiten nach Russland aus­ wandern und Glück und Segen von hiesiger Stadt hinweg und mit ihnen fortziehen sah. Darin aber kamen beide Religionstheile überein, dass die bisherige reichsstädtische Verfassung nichts taugte und nicht länget bestehen könne. Auch theilten sie die. Besorgniss, dass ihre Söhne zum Militär ausgehoben werden würden. Was nun die Stimmung der einzelnen Bevölkerungsklassen insbesondere anlangt, so schien vorerst die Mehrheit des Senats den Verlust der reichsstädtischen Existenz tief zu fühlen, war aber billig genug zu gestehen, dass die Auflösung der Reichsstadt als

32 solche hei ihrer geographischen Lage und ihrer finanziellen Zer­ rüttung unvermeidlich sei, und wünschte sich Glück, einem weisen, gerechten und aufgeklärten Monarchen zugetheilt worden zu sein. Die Minorität aber war untröstlich, als sie vernahm, dass man in königl. bayerischen Diensten selbst arbeiten müsse und sich nicht dem Gutachten eines Consulenten- Collegiums anschliessen könne; zudem waren unter dieser Minorität Zeloten von der ersten Klasse, die über die Benutzung der der Stadt durch den Reich sdeputatipnsschluss zuerkannten geistlichen Güter und deren Verwendung zu angeblich profanen Zwecken schon lange im offenen Kampfe lagen und nunmehr ihre Niederlage und künftige Schwäche voraussahen. Für den hohen und niederen Clerus war der Tag derCivilbesitznahme durch Bayern ein Tag des Schreckens und der Ver­ wirrung, weil mit diesem Tage seine Privilegien, Immunitäten und, was das schmerzlichste war, der Einfluss auf das Volk ver­ loren ging. Der hohe Clerus hatte zwar schon lange und besonders seit dem Rastatter Congresse den Regierungsmitgliedern, aber nicht der Regierung selbst unversöhnlichen Hass geschworen, viel­ mehr war selbem die Schwäche derselben äusserst willkommen, auch hatten Bischof und Domcapitel es bei den Reichsgerichten so weit gebracht, dass sie in jeder Sache, die auf Neuerung oder Beschränkung usurpirter Rechte Bezug hatte, ohne Mühe ein mandetum sine clausula gegen den Magistrat extrahiren konnten. Weniger auffallend grob und neckend, aber desto gefährlicher war der niedere Clerus uiid besonders die Klostergeistlichen und Bettelmönche durch ihren Einfluss auf die angesehensten katho­ lischen Häuser durch ihre Bettelbesuche und auf das gemeine Volk durch Kanzel und Beichtstuhl. Trotz und Unverschämtheit gingen so weit, dass nach vorgekehrter Civilbesitznahme ein Geist­ licher von St. Ulrich in seiner Predigt an einem Festtage die Frage auf eine leicht zu errathende Weise erörterte, ob ein Landesherr befugt sei, Klöster aufzuheben u. s. w., und sonach seine Zuhörer mit der hilfreichen Vorsehung tröstete. Ich suspendirte denselben zwar vom Predigtstuhl, überzeugte mich aber gar bald, dass hier die Kanzel nicht zum Wort Gottes, sondern zu fanatischen Schwärmereien und Lästerungen über Neuerungen und Aufklärung gemissbraucht wurde. Der Adel, der in Augsburg ausser dem kleinen Hof des Kurfürsten von Trier nur dem Namen nach existirte, war nie' für die neue Ordnung der Dinge und klagte sich seine Noth im Stillen.

33 So wie die Religion der Handelsleute, so ihre Stimmung. Die Evangelischen sind mit der neuen Ordnung der Dinge zufrieden und denken auf Mittel, ihre Glücksumstände durch ein den gegen­ wärtigen Zeitläuften angepasstes industriöses und speculatives Bestreben zu heben und den Handel in Augsburg wieder aufblühen zu machen. Die Katholischen hingegen sind, wenige ausgenommen, träge und würden ihrem eigenen durch ihre Voreltern erworbenen Wohlstand recht gerne nachsetzen, wenn sie nur die Klöster, Prozessionen, Kreuzgänge, Kosenkränze und Litaneien erhalten könnten. Unter den letztem zeichnen sich besonders einige Häuser als Zufluchtsorte vertriebener und hiesiger Mönche und durch ihre auffallende Anhänglichkeit an das Interesse des österreichischen Hauses aus, dem sie nicht selten schon einen grossen Theil ihres Vermögens zum Opfer gebracht haben. Bei der übrigen Bürgerschaft kommt anzuwenden, was schon oben gesagt worden; doch ist ein grosser Theil derselben für die künftige Staatswohlfahrt unempfindlich und ein anderer wünscht immer Veränderungen, weil er mit solchen bessere Zeiten hofft, und dieser Theil ist sehr zahlreich, weil er alle diejenigen einschliesst, die durch die bisherigen Kriege, Einquartirungen und Abgaben ihr Gewerbe und ihre Habe verloren haben. Endlich besteht noch eine nicht unbedeutende aus Falliten, Raisoneurs, ewigen Dienstcompetenten und arbeitsscheuen Leuten zusammengesetzte Klasse, welche der polizeilichen Aufsicht besonders zu empfehlen ist. Uebrigens habe ich mit der Civilbesitznahme durch sorgfältige Beobachtungen und Erfahrungen die Ueberzeugung gewonnen, dass eine wirklich erfolgende Militär - Conscription, die Aufhebung der Klöster, deren Verwendung zu Kasernen und die allenfallsige Befestigung der Stadt allgemeines Missvergnügen erzeugen wird, welchem man nicht wird auswpichen, wohl aber begegnen können.

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II.

Der Augsburger Bürgermeister Jacob Herbrot und der Sturz des zünftischen Regiments in Augsburg. Von

Paul Hecker.

Die Regierungszeit Kaiser Karls V. bildet unstreitig den Höhepunct in der Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte trotz aller ihrer Kämpfe und Unruhen. Es ist zwar eine stürmische Zeit, in der auf allen Gebieten die Gegensätze scharf aufeinanderstossen, aber sie hat auch einen so vollen kräftigen Pulsschlag, sie entfaltet ein so frisches, selbstbewusstes, kraftvolles, ja üppiges Leben, wie wir ihm weder zuvor noch später begegnen. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wirft schon der verderbliche 30jährige Krieg seinen düstern Schatten voraus, die religiösen Streitigkeiten nehmen den giftigen, gehässigen Character an, der endlich einen gewaltsamen Ausbruch herbeiführen musste, die Le­ benslust artet aus zu raffinirter Genusssucht und Zügellosigkeit, die dann so furchtbar bestraft werden sollte, der Unternehmungs­ geist wird zu waghalsigem Leichtsinn, der verbunden mit Ver­ schwendungssucht, schmähliche, verlustvolle Bankerotte nach sich zieht. Und die Kämpfe in den Niederlanden, in Frankreich tragen dazu bei, den Handel der deutschen Städte, der so geschickt am Anfang des Jahrhunderts in die veränderten Verhältnisse sich einzupassen, daraus Vorteil zu ziehen gewusst, zu lähmen, noch ehe ihm der 30jährige Krieg den Todesstoss gibt. Dieser mehr und mehr sich verdüsternden und dumpfer werdenden Atmosphäre

gegenüber ist die Zeit Carls V. noch heller, sonniger Tag, wenn auch noch so scharfer Wind weht, doch immer erfreulicher, als jene peinliche niederdrückende Spannung. Unter allen deutschen Reichsstädten hat aber Augsburg da­ mals eine besonders ausgezeichnete Stellung eingenommen. Es war ein Gemeinwesen, dem anzugehören jede Brust mit stolzem Bewusstsein erfüllen musste, ein Mikrokosmos, in dem alle Ström­ ungen der Zeit, alle wichtigen Interessen des Reichs ihre Ver­ tretung fanden. Es wäre überflüssig, ausführlich zu sprechen von der Pflege der Gelehrsamkeit durch die" reichen Biichersammler und Liebhaber des classischen Altertums, einen Joh. Jac. Fugger, Conrad Peutinger oder von den herrlichen Werken der Renaissance, womit deutsche, niederländische, italienische Künstler die Häuser der Fugger und andrer mächtiger Kaufherrn zu schmücken wetteiferten. Es braucht ferner nicht weiter ausgeführt zu werden, wie auf den Augsburger Reichstagen gerade die wichtigsten, für die Geschicke des Reichs entscheidendsten Fragen erledigt wurden. Auch in Beziehung auf Handel und Geldverkehr nahm Augs­ burg eine erste Stelle ein. Hier hatten die grossen Welt­ handelshäuser, deren Geschäfte über ganz Europa sich ausbrei­ teten, ihren Sitz, hier wurden die grossen Anlehen der Kaiser, Könige und Fürsten gemacht, hier erhielt Carl V. die Mittel zu seinen Expeditionen gegen Tunis und Algier und zur Unterdrückung des Schmalcaldischen Bundes und wiederum bestritten Philipp v. Hessen und Johann Friedrich v. Sachsen ihre Rüstungen mit Augsburgischem Gelde. Hier fand das moderne Aktiengesell­ schaftswesen sein Vorbild in den Handelsgesellschaften, bei denen die Bürger ihre Capitalien gegen Gewinnanteil oder hohe Ver­ zinsung einlegten, in jenen Handelsgesellschaften, die durch ihre kecken Spekulationen, unter dem Namen „Monopolien“ bekannt, durch ihre künstlichen Preissteigerungen ganz Europa in Contribution setzten. Hier wurde endlich der religiöse Kampf in allen seinen Nuancen durchgekämpft. Die alte Kirche stattlich repräsentirt durch ein reiches angesehenes Domstift und durch ener­ gische hervorragende Persönlichkeiten wie Bischof Cardinal Otto, ihre Hauptanhänger die grossen, reichen Familien, schon aus conservatiVem Interesse, wohl auch um der internationalen Aus­ breitung ihrer Geschäfte willen, die ihnen die Stelle zur Seite des Kaisers, also auch der Kirche anwies. Dem gegenüber eine in der grossen Masse der neuen Lehre 3*

36 mit Eifer ergebene Bürgerschaft, unter ihren Prädicanten die bedeutenden Namen eines Ambrosius Blaurer, Martin Bucer, eine Zeitlang auch des berühmten Sienesen Bernhard Occhino, der aus Italien vertrieben in Augsburg über die paulinischen Briefe pre­ digte und zahlreichen Zulauf fand, da die Kaufleute alle der italienischen Sprache mächtig waren. Nicht blos die Abendmahls­ streitigkeiten zwischen Zwinglianern und Lutheranern sind hier mit durchgefochten worden, auch die radicalen Schwärmer der Reformationszeit haben in Augsburg einen günstigen Boden gefunden. Ende der 1520er Jahre war die Wiedertäufergemeinde in Augs­ burg die bedeutendste in ganz Deutschland, hier wirkten die geistvollsten Vertreter dieser Partei, Johann Denk und Balthasar Hubmaier, hier fanden auch die Münsterischen Propheten ihren Vorgänger in Hans Hut und der Zionskönig Johann v. Leiden den seinigen in dem Bader Augustin, der seinen Sohn als den Verheissenen des Herrn den Brüdern verkündigte und schon die goldne Krone hatte fertig machen lassen, als die Obrigkeit dem schönen Traum ein trauriges Ende bereitete. Vielfach, wie wir sehen, giengen die Strebungen der Bürger auseinander und gegeneinander, in einem aber treffen sie zusammen, in dem Selbstgefühl, in dem Stolz auf ihre Stadt, auf dieses grosse stattliche Gemeinwesen, dem sie angehören. Dieser Ton klingt durch in den brieflichen Aeusserungen der Privatleute, wie in den öffentlichen Kundgebungen des Rats. So sehr sie in Beziehung auf den Glauben, auf die socialen Verhältnisse, auf die Stellung zu Kaiser und Reich entgegengesetzter Ansicht sind, das Gefühl der Zusammengehörigkeit überwiegt doch das andere, das Wohl der Stadt steht doch im Vordergrund. Um die alten mit dem Wesen der Stadt verwachsenen Herrngeschlechter nicht ausster­ ben zu lassen, nimmt der zünftische Rath 1538 die Vermehrung dieser Geschlechter vor, obgleich er dafür keinen Dank erntet, ja seine Gegner dadurch stärkt. Als am Anfang des schmalkaldischen Kriegs die Fugger, Welser, Baumgartner etc. dem Kaiser das Geld zum Krieg vorstrecken und die schmalcaldischen Bundes­ genossen sich darüber beschweren, entschuldigt der Rat jene, weil sie nicht anders handeln können. Die Handelsinteressen jener Häuser sind auch die der Stadt, sie müssen geschont werden, wenns auch für den Augenblick dem Feind zu gut kommt. Anton Fugger, mit so tiefem Verdruss ihn auch die Massregeln der die Stadt regierenden Partei erfüllen, er besinnt sich doch keinen Augenblick, seine Dienste der Vaterstadt zur Aussöhnung mit

37 dem Kaiser anzubieten und diese Aussöhnung mit einem rührenden Eifer zu betreiben. Und andrerseits der stolze zünftische Bürger­ meister Herbrot, dessen Grundsatz war, sich vor keinem Patrizier zu beugen, er schreibt in den flehentlichsten Ausdrücken an Anton Fugger, dass er die Sache zu einem guten Ende führe, damit nicht eine so herrliche, alte, ehrbare Stadt ins Verderben komme. Allerdings besonders gehoben spricht sich dieses Selbstgefühl, aus, wie es gelungen ist, den Bischof und den ganzen Clerus aus der Stadt zu verdrängen; jetzt erst fühlt man sich vollkommen Herr auf dem eignen Grund' und Boden, jetzt braucht, wie es in einem Ausschreiben des Rats heisst, die Bürgerschaft nicht mehr zweierlei, sondern nur einem Regiment zu folgen. „Wenn Alexan­ der d. Grosse“, so schreibt Georg Fröhlich der Stadtschreiber, „fürnehmlich um dreierlay ursach willen Gott stets dankhet, nemlich dass er ein Manns- und kein Weibsbild, ain Mensch und khein Viech geboren were und dasselb zu Zeit da viel gelehrter und vernünftiger Leut lebten“ so preise er selbst sich glücklich zu der Zeit zu leben „da wir nit allein vor dem langwierigen verdamblichen strikh der Gewissen durch die erleuchtung der Wahr­ heit des h. Evangelii, sonder auch in zeitlichem Eegiment mit fürsichtigen, vernünftigen, gelehrten und manlichen Vorgeern von Gott versehen sein.“ Mit dem Eintritt in den schmalcaldischen Bund und der Ver­ drängung der katholischen Geistlichkeit Ende der 1530er ^Jahre stellte sich Augsburg entschieden auf die Seite der Opposition im Reich. Es trennte seine Wege von denen des befreundeten Nürn­ berg, das unter patricischem Regiment zum Kaiser hielt und dem von Carl V. empfohlenen Donauwörther Bündniss beitrat. Zu dieser verschiedenen Haltung lag der Grund vor allem in der Verschie­ denheit des Stadtregiments. In Augsburg lag die Leitung der städtischen Angelegenheiten, die Entscheidung über alle wichtige Fragen in den Händen der zünftischen Bürger. Von Anfang an aber hatte dieses democratische Regiment sich durch ein trotziges, entschiedenes Auftreten in ällen politischen Fragen charakterisirt. So kam denn auch jetzt durch das Betreten der Bahn, die in ihrem Fortgang zum schmalcaldischen Krieg führte, diese selbständige weit über die engen Gränzen des städtischen Weichbildes hinausgreifende Po­ litik, das Bestreben sich innerhalb des Verbandes des deutschen Reichs die Stellung einer unabhängigen Republik zu erringen zum vollen Ausdruck. Nie zuvor hatte die Stadt so kühne, grosse

38 Politik getrieben, es war aber auch das letztemal. Denn als die Fürsten, mit denen man sich zum Kampf gegen den Kaiser ver­ bündet, sich unentschlossen, ratlos zeigten, als sie bei Bedrohung der eignen Länder ihre Streitkräfte zurückzogen und die ver­ bündeten Städte im Stiche Hessen, als die Macht des schmalkaldischen Bundes mit einem Schlag am Boden lag, da brach auch jenes Selbstbewusstsein und jenes Selbständigkeitsgefühl, wie 13 Jahre zuvor die Hanseatenmacht durch das Fehlschlagen einer über ihre Kräfte gehenden Unternehmung innerlich gebroche» war. Nur einmal, 1552 flackerte das Feuer auf kurze Zeit wie­ der auf, aber auch inmitten dieses Aufflackerns ist unverkennbar ein Gefühl der Unsicherheit, eine Nachwirkung jener scharfen Lection, die Carl Y. im Jahre 1547 der besiegten Stadt erteilt hatte. Diese Beteiligung Augsburgs an den grossen geschicht­ lichen Vorgängen, die Schicksale, welche die Stadt hiebei erlebte, ja auch die Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse — das alles steht nun wie schon gesagt in ursächlichem Zusammenhang mit dem Charakter und der Zusammensetzung des Stadtregiments. Das zünftische Regiment, wie es im wesentlichen Träger der po­ litischen und religiösen Selbständigkeitsbestrebungen gewesen, stürzt mit dem Sieg Carls V., und das von diesen eingesetzte patricische Regiment vertritt das Zusammengehen mit dem Kaiser in kirchlichen und politischen Fragen. Indem wir versuchen, einen Beitrag zum Verständniss dieser innern Verhältnisse, wie sie sich in dem Zeitraum von 1536—1552 gestaltet haben, zu geben, möchten wir unsre Darstellung an­ knüpfen an die Lebensgeschichte des Mannes, dessen Namen wir an die Spitze gestellt haben. Es ist selbstverständlich nicht die einzige für die Geschicke der Stadt bedeutungsvoll gewordene Persönlichkeit, andere haben in einzelnen Momenten wichtiger und entscheidender eingegriffen; es ist auch nicht die edelste Ge­ stalt, welche die Augsburgische Geschichte aus jenen Tagen auf­ zuweisen hat, an Bildung wie an Charakter sind ihm andre über­ legen, aber es ist der Name, der in allen wichtigen Handlungen uns begegnet, (wie ihn denn Gasser als einen „homo versutus omnibus negotiis se ingerens“ charakterisirt). Es ist der entschie­ denste und consequenteste Vertreter der einen, erst mächtig und selbstbewusst auftretenden, schliesslich besiegten Richtung, der unter der Mehrheit der Bürgerschaft herrschenden Stimmungen und Ansichten; ein .Mann, der durch seine ausgeprägte Partei­ stellung sich grimmige Feinde zuzog und heftiger angegriffen

39 wurde, als ein anderer, aber auch, wenigstens eine Zeit lang, mehr als ein anderer, das Vertrauen der Bürgerschaft genoss, bis er endlich aus der Stadt gedrängt wurde, sein grosses Geschäft mit durch die Schuld der Seinigen aber auch durch gehässige Feindschaft zusammenstürzte und er selbst einsam und verlassen in der Schuldhaft im Jahr 1564 starb. Herbrot stammte aus Schlesien, sein Vater war als Kürschner in Augsburg eingewandert und hatte sich in die Zunft eingeheiratet. Bei einem Streit auf der Trinkstube war er erschlagen worden. Der Sohn begann in dem Gewerb seines Vaters sein Hauswesen um 1520 und zwar mit einem Vermögen von 1200 fl. einbegriffen die Mitgift seiner Frau, der Tochter eines Kaufmanns Lorenz Kraffter, dessen Wittwe' später als Hauptgönnerin der Wieder­ täufer aus der Stadt getrieben wurde. Mit Eifer scheint er sich der neuen Lehre angeschlossen und wohl dadurch zuerst sich bei seinen Mitbürgern Vertrauen erworben zu haben. Sein Geschäft nahm einen mächtigen Aufschwung. Es war eine gute Zeit für solche, die mit Luxuswaaren Handel trieben, die Fürsten und Herren von Adel aus dem ganzen Reich versahen sich auf den Reichstagen mit solchen kostbaren Dingen. Feine Pelze, nament­ lich Zobel, wovon ein ungeheurer Verbrauch gewesen zu sein scheint, Juwelen, goldene, mit Perlen oder Edelsteinen besetzte Halsbänder, Armbänder u. dgl., schöne „Tapezereien“ mit ein­ gewirkten Figuren: Thierstücken, biblischen Geschichten — solche Waaren erlaubten einen hohen Profit zu nehmen; und der speculative Kaufmann borgte nicht blos, sondern streckte wohl auch einem der hochgeborenen Käufer die Kosten des Reichstags­ aufenthaltes gegen gute Verschreibung und gute Verzinsung vor. Durch solche Geschäfte wurde Herbrot ein wohlhabender und dann ein für die Verhältnisse jener Zeit sehr reicher Mann, dessen Vermögen in seiner Glanzzeit auf mindesten 5l/a Million geschätzt wurde. Freilich seine Feinde warfen ihm wucherische Handlungs­ weise vor, aber dieser Vorwurf verliert für uns seine Schärfe, wenn wir in dem Tagebuch des Grafen Wolrad v. Waldeck (Publikation des Stuttgarter literar. Vereins) aus dem Jahre 1548 mit Herbrot zusammen auch7 die Fugger, Welser, Baum­ gartner, also die grössten Handelshäuser, als Hauptwucherer, die auf den Reichstagen ihren Schnitt machen, und die man „Her­ broter“ nenne, erwähnt finden. Die erste Gelegenheit, bei der Herbrot als in die öffent­ lichen Angelegenheiten eingreifend genannt wird, und bei der er

40 schon die Stellung einnimmt, die für sein ganzes späteres politisches Wirken massgebend werden sollte, ist die Vermehrung und Er­ neuerung des Patriziats im Jahr 1538. Wir gehen auf die Bedeutung dieser Massregel und die mit ihrer Durchführung ver­ bundenen Vorgänge etwas näher ein. Als im Jahr 1368 durch eine unblutige Revolution die Patri­ zier aus der Regierung der Stadt verdrängt wurden, hörten sie darum nicht auf, ein einflussreiches und wichtiges Element des Gemeindelebens zu sein. Wäre man damals darauf bestanden, dass sie sich in die Zünfte aufnehmen lassen, d. h. vollständig mit der gemeinen Bürgerschaft verschmelzen lassen sollten, so hätten wohl die meisten die Auswanderung vorgezogen. Da aber die Zünftischen von diesem Verlangen abstanden, so fügte sich die grosse Mehrzahl der Geschlechter verhältnissmässig leicht in das Unvermeidliche. \Vas ihnen zunächst geblieben, war ihre bevorzugte sociale Stellung. Sie schlossen sich nun eng zusammen als die Genossen­ schaft der alteingesessenen Bürgerfamilien. Sammelplatz und Mittelpunkt dieser Familiengenossenschaft wurde die Herrenstube, gebaut durch freiwillige Beiträge und nur ihnen und den von ihnen freiwillig Zugelassenen zugänglich. Hier hielten sie ihre Tänze, ihre Maskeraden, ihre Trinkgelage, hier wurden die Interessen der Vereinigung besprochen, hier bewegte sich der einzelne in einer Atmosphäre, die durch keine fremde Beimischung verunreinigt war, er sog patricische Luft ein, er hörte und sprach aus patrizische Anschauungen, hier war man ganz unter sich. Fast der einzige Weg für einen nicht aus den alten HerrenGeschlechtern Augsburgs Gebürtigen, in dieses Heiligtum zu dringen, war die Verheiratung mit einer Geschlechterstochter. Wohl befanden sich andere Bürger oder Nichtbürger von patricischem Herkommen aus anderen Städten, oder von ritterlicher Geburt, oder durch Brief Geadelte (damals sehr häufig und leicht zu erreichen) in der Stadt. Aber auf die Herrenstube und damit in die eigentliche Gemeinschaft des Augsburger Patriciats bekamen sie nur Zutritt (mit geringen Ausnahmen) dadurch, dass sie in die alten Familien hereinheirateten. Es bildete sich demnach um den Kern dieser alten Familien ein äusserer Kranz, gebildet aus den Schwiegersöhnen und ihren Nachkommen, sich rekrutirend teils aus den Kaufleuten, teils aus neu in die Stadt herein­ gezogenen Adeligen und die Mehrer der Gesellschaft genannt. In Beziehung auf die sociale Stellung bildeten beide, die alten

41 Geschlechter und die Mehrer mit einander eine Einheit, wenn auch natürlich die erstem vornehmer und angesehener auf der Stube waren, als die letztem. Sie waren von der übrigen Bürger­ schaft abgesondert durch ihr geselliges Zusammenhalten, durch Beschäftigung und Erwerb, indem ihnen Betreibung eines Detail­ geschäftes und Haltung eines offenen Ladens untersagt war, und endlich auch durch ihr äusseres Auftreten, indem ihnen durch stillschweigende Concession das Vorrecht einer stattlichen Kleidung, wozu vor allem der Pelzrock, die goldene Kette und die mit Perlen verzierte Sammtkaube gehörte, gelassen wurde. Neben ihrer socialen Sonderstellung blieb den Patriziern aber auch eine nicht unwichtige politische Bedeutung. Waren sie auch im Rat nur eine Minorität, erst 15 unter 44, später seit der durch den democratischen Bürgermeister Ulrich Schwarz herbeigeführten Aenderung nur 12 unter 62 Mitglieder, so dürfen wir doch annehmen, dass in gewöhnlichen Zeiten ihre Stimme bedeutenderes Gewicht hatte, schon wegen ihrer socialen Stellung, ihrer grossem Welterfahrung und Bildung und wegen ihres Reichtums. Vor allem aber ist zu erwägen, dass aus den 12 zum Rat gewählten Patriciern die Aemter der Stadt mit Vorliebe besetzt wurden. Einer der beiden Bürgermeister (der obersten Beamten zur Zeit des zünftischen Regi­ ments) war aus den Geschlechtern und in der Regel hat der patricische Bürgermeister die Vertretung der Stadt nach aussen, die Beziehungen zu Kaiser und Reichsständen in seiner Hand gehübt; ebenso wurden die aus den Patriciern gewählten Ratsmitglieder am meisten zu diplomatischen Geschäften, als Gesandte der Stadt auf Reichs-Städte-Bundestagen verwendet. Sie hatten freiere Ver­ fügung über ihre Zeit als der Handwerker und kleine Kaufmann, sie hatten ^ als Grosshändler draussen ihre Geschäftsverbindungen oder Eamilienverbindungen mit dem ritterlichen und Hofadel. Bei ihnen war der oder jener Fürst schon zu Gast gewesen, hatte auf ihrer Stube getanzt, an ihrer Tafel gesessen, sie waren also gewöhnt, mit hohen Herren zu verkehren; die zünftischen Rats­ mitglieder traten bei solchen Gesandtschaften von selbst zurück und die „Herren“ traten nach aussen als die eigentlichen Ver­ treter der Stadt auf, als deren rechtmässige, legitime Herrn von Gottes Gnaden sie sich im Stillen ja doch immerfort betrachteten. Mochten also im Rat die Zunftmeister (die „Spitzhüte“ spöttisch genannt) durch ihre Stimmen den Ausschlag geben, was man nicht ändern konnte: man war sieh doch auf der Geschlechterstube seines Einflusses auf die Erledigung der Geschäfte bewusst, man war

42 sich bewusst der Ueberlegenheit über jene Menschen „mit grobem Hirn und schwieligen Händen,“ der feinem Lebensart, wodurch man den Beruf in sich fühlte, gewissermassen die honneurs der Stadt z. B. einem Kaiser Maximilian I. oder überhaupt fürstlichen Häuptern gegenüber zu machen. Im allgemeinen erkannte die Bürgerschaft diesen Beruf und die damit verbundene Ausnahmsstellung gutwillig an, man erkannte in dem Patriciat ein zum Gedeihen der Stadt notwendiges Ele­ ment. Als daher die Zahl der alten Geschlechter teils durch Auswanderung, teils durch Aussterben auf 7 zusammengeschmolzen war: die Hör wart, Ilsung, Welser, Behlinger, Hofmair, Eavensburger und Langenmantel (in 2 Linien) so beschloss am 20. Okt. 1538 der Hat auf ein ausführliches Gutachten des Bürgermeisters'Georg Hörwart hin, dieselben womöglich wieder auf die ursprüngliche Zahl von über 50 zu bringen. Es wurden deshalb durch ein Ausschreiben aufgefordert: 1) diejenigen Eamilien, so über 50 Jahre lang zu den HerrenGeschlechtern geheiratet haben und zu den Mehrern ge­ rechnet werden; 2) die von altem Adel und ritterlichem Herkommen und solche, die durch Kais. Maj. in den Adel erhoben, ferner solche, die aus den alten Geschlechtern der Städte Ulm, Nürnberg und Strassburg stammen, sich binnen 31 Tagen zu melden. Nach Ablauf dieser Frist und nachdem die Gesuche durch eine zu diesem Zweck eingesetzte Commission geprüft waren, wurden die ins Ausgsburger Patriciat neu aufgenommenen Familien, 39 an der Zahl, am 18. Dez. dar­ auf beeidigt, dass sie alle Bestimmungen des Eats befolgen, die bürgerlichen Lasten auf sich nehmen und von etwaigen durch kaiserlichen Brief erlangten Freiheiten, Indulten, Privilegien keinen Gebrauch gegen der Stadt Eecht und Herkommen machen wollten. Unter den Neuaufgenommenen waren von berühmtem Namen die Fugger, Peutinger, Baumgartner, Stetten, Imhof. Für die meisten bestand dieAenderung nur darin, dass sie jetzt nicht bloss den Zutritt zur Herrenstube hatten, sondern auch in poli­ tischer Hinsicht als Patricier galten, d. h. in den Eat und zu den städtischen Aemtern wählbar wurden. Für andere war mit dem förmlichen Eintritt in die städtischen Geschlechter ein Opfer verbunden, vor allem für die Fugger, die von den Kaisern Maxi­ milian I. und Carl Y. bezüglich der Jurisdiction beinahe fürstliche

43 Privilegien hatten, auf deren Ausübung gegenüber der Stadt sie nun durch ihren Eid verzichteten. Bemerkenswert ist die Motivirung der Massregel durch den Rat (sie ist fast wörtlich dem Gutachten des Georg Hörwart entnommen). Vor allem heisst es hier, dass weder Kais, noch Kön. Maj. noch irgend ein Bürger dem Rat in dieser Angelegenheit etwas dreinzureden habe. Es sei auch keine Ungnade des Kaisers darob zu befürchten, denn die alten Rechte ordnen, dass jede Stadt oder Commune vernünftige, nützliche, ehrbare Ordnungen und Satzungen ihres Gefallens auch ohne Yorwissen des Kaisers oder irgend jemandes aufrichten könne.“ Nur — räth Hörwart — soll der Rat recht schnell die gute Massregel durchführen, um den Wider­ wärtigen, namentlich der katholischen Geistlichkeit keine Zeit zu lassen, die bisher der Stadt getreuen Patricier aufzuhetzen, oder beim Kaiser zum voraus ein Mandat dagegen zu erwirken. Sei eine vollendete Thatsache da, so könne man mit Leichtigkeit ein kaiserliches Mandat ablehnen. Demnächst verteidigt der Rath seine Berechtigung zu dem Schritt den alten Geschlechtern gegenüber. Man. war also auf Widerspruch von dieser Seite gefasst. So gut der Rat und das Volk der Stadt Augsburg in alter Zeit die Herrengeschlechter in der Zahl von über 50 festgesetzt, so gut habe der Rat im Namen des Volks jetzt das Recht, um des gemeinen Nutzens willen den jetzigen Abgang durch Schaffung neuer Geschlechter zu ersetzen. Ausserdem wäre er ja schon befugt gewesen, so oft eins von den ursprünglichen 53 Geschlech­ tern ausgestorben, sogleich ein anderes ehrbares Geschlecht an dessen Stelle zu setzen. Es haben deshalb die überlebenden 7 Geschlechter nicht den mindesten Grund, sich zu beschweren, als ob ihnen an ihren Rechten etwas entzogen würde. Sie bleiben dieselben und behalten auch ihre „Präeminenz,“ die sie gehabt. Sie könnten höchstens sagen', sie werden nicht mehr so bald zu Rat oder zu ehrlichen Aemtern kommen wegen der grössern Menge. Allein der gemeine Nutz sei hier allein massgebend. Es sei eben zu wünschen, dass man eine bessere Auswahl bekomme, und nicht mehr genötigt sei, wegen der geringen Zahl der Be­ rechtigten zu untauglichen, alten, bresthaften Leuten zu greifen. Wer tauglich und geschickt sei, der werde auch künftig in den Rat gewählt werden. Neben diesen gegen eine etwaige und auch wirklich vorhan-

44 dene Opposition von Seiten der Geschlechter gerichteten Argu­ menten folgen nun andere, welche die Gemeinde zu beruhigen bestimmt sind. Wenn man einwenden wolle, die Zünfte werden durch die Standeserhöhung von ehrlichen und verständigen Leuten entblösst, so sei zu antworten, sie haben deren so viele, dass sie wohl, einige entbehren können. Ferner: je mehr es Herrenge­ schlechter gebe, eine um so bessere Auswahl werden die Bürger für die 12 in den Hat zu Sendenden haben. Endlich je mehr Geschlechter es gebe, desto besser werden die Geschäfte gehen, denn die Geschlechter seien, weil ihnen in der Stadt die Betreibung eines Gewerbs oder Detailhandels verboten, für ihre Nahrung angewiesen „auf Erbschaft, Gnade römischer Kaiser, Fürsten und Herrn, auf liegende Güter, Bergwerke und ehrbare grosse Kaufmannschaft in fremden Königreichen, Landen und Gebieten.“ Durch sie komme Geld in die Stadt, Steuer und Accise-Einnahmen steigen, es werde mehr verdient und zu dem allem habe man Männer, die die Ehrenämter versehen und dem gemeinen Nutz sich widmen können. Unter den drei Gesichtspunkten, von denen man die Massregel der Vermehrung der Geschlechter betrachten kann, nahm der Eat den mittleren und vermittelnden ein, den des städtischen Interesses. Er behielt sich zugleich eine Einwirkung auf die Haltung des Patriciats vor, indem er sich das Keclit zuschrieb, jederzeit, „wenn jemand stattlich, trefflich mit Vernunft und. Ehrbarkeit begabt der Stadt wohl anstünde und das Bürgerrecht erhielte,“ denselben der Gesellschaft der Geschlechter zuzuweisen und einzuführen — also das Kecht eines liberalen Pairsschubs. Aber gerade diese letztere Bestimmung war es, welche bei den Patriziern eine gereizte Stimmung hervorrief, so dass sie sich weigerten, drei vom Eath zu Patriciern Aufgenommene, weil sie nicht standesgemäss verheiratet waren, auf ihre Stube zuzulassen. Eine grosse Anzahl von ihnen betrachtete die ganze Sache als einen Eingriff in ihre alten Eechte, als einen Versuch, namentlich an ihrer socialen Sonderstellung zu rütteln, da sie doch als ge­ schlossene Gesellschaft allein das Eecht hätten, neue Mitglieder aufzunehmen. Der entgegengesetzte Gesichtspunkt war der des zünftischen Parteiinteresses. Von diesem aus betrachtet war das Bestehen eines eigenen Patriciats eine beständige Gefahr für das democratische Eegiment. Diese Gefahr steigerte sich durch die Ver­ mehrung der Geschlechter, die man lieber hätte vollends aussterben

45 lassen sollen; denn je eher man sie los wurde, um so besser war es. Dieses Ziel batte sich einst der berüchtigte Bürgermeister Ulrich Schwarz gesteckt; alle seine Massregeln liefen darauf hinaus, den „grossen Hansen“ oder den „grossen Mayern von der alten Stube,“ wie er sie nannte, fühlbar zu machen, dass sie am besten thäten, die Stadt zu räumen. Und auch jetzt war eine Agitation unter der zünftischen Bürgerschaft, sich der Vermehrung der Geschlechter zu widersetzen, weil die ganze Massregel nur darauf hinauslaufe, die Zünfte zu unterdrücken und das Stadt­ regiment allmählich den Herrn zuzuwenden. So stark war diese Agitation dass der Eat sich bewogen fühlte, eine feierliche Ur­ kunde auszustellen, dass es mit Besetzung des Eats wie bisher gehalten und den Zünften nichts von ihrem Herkommen, Hechten und Freiheiten genommen werden solle. Hier ist nun der Punkt, wo Herbrot zuerst eine wichtige Eolle spielt. Es wird sowohl in den Chroniken, als in den spä­ tem Anklagen gegen ihn bei Carl V., als auch in der offlciellen Darstellung des späteren patricischen Eats ihm Schuld gegeben, dass er alles gethan habe, um die Vermehrung und Erneuerung der alten Geschlechte zu hintertreiben und zwar einmal, indem er durch seinen Einfluss auf die Zunft-Bürger das Misstrauen der­ selben gegen die Geschlechter wachrief, um den Eath von der Durchführung der Massregel abzuschrecken; und dann, als die Sache doch ins Werk gesetzt war, indem er die Widersetzlichkeit der Patricier benützte, um ihnen eine, gründliche Demütigung zu bereiten. Was auch das Motiv dazu sein mochte, (seine Feinde schieben ihm natürlich unter, dass es der Neid gewesen sei, weil er sich wegen seines geringen Herkommens nicht um die Würde habe bewerben dürfen) jedenfalls zeigte Herbrot durch seine Oppo­ sition ein richtiges Verständniss von der Bedeutung jener Mass­ regel für die innern Verhältnisse der Stadt. Das Patriciat wurde in der That mächtig verstärkt und es hätte ohne diese nicht blos numerische, sondern auch moralische Stärkung wohl nicht wagen können, wie es im Jahre 1548 geschah, das Eegiment der Stadt vollständig in seine Hände zu nehmen. Als Herbrot sah, dass die widerwärtige Anordnung nicht mehr zu hintertreiben war, that er alles, um auf andrem Wege, durch Demütigung der Patricier dieselbe unschädlich zu machen Unter den von der Herrenstube zurückgewiesenen war ein Kaufmann, der erst neuerdings den Adel erlangt hatte, David v. Dettigkofen aus Lindau. Er war mit Herbrot befreundet und dieser bewog

46 ihn, in -wiederholten Eingaben an den Rat auf seinem Recht zu bestehen und des Rats Hilfe nachzusuchen. Die Patricier beharrten auf dem alten Herkommen ihrer Stubengesellschaft. Der Rat erklärte sich aber für berechtigt, die Sache in die Hand zu nehmen, weil die Ausschliessung Dettigkofers geeignet sei, zur Freude der Feinde Zwiespalt unter der Bürgerschaft hervorzu­ rufen. Es wurde deshalb ein Vermittlungsvorschlag gemacht, Dettigkofer und seine Familie sollten in die Gesellschaft aufgenemmen werden, doch sollten seine Töchter, wenn sie „herabhei­ raten“ für sich und ihre Nachkommenschaft die Stubengerechtigkeit verlieren. Die sämmtlichen Mitglieder der Gesellschaft wurden vorgefordert und einzeln vernommen, ob sie sich diesem Vorschlag fügen wollten, oder nicht. Bedenkzeit wurde trotz ihres Ansuchens nicht gegeben, auch keine gemeinsame Beratung bewilligt. Da trotzdem y3, (42), renitent blieb, so erliess der Rat ein scharfes Edict worin er den Widerspenstigen seine höchste Unzufriedenheit ankündigte und mit scharfem Einschreiten wegen Verletzung des Bürgereids drohte. Er werde seine Autorität zu wahren wissen „denn obwol ein Ehrbar. Rat nit durchauss mit Reichen vil zeitlichs Gut gehapten Personen besetzt, so sind sie doch durch die ordenliche Wal altem löblichem Gebrauch nach und also aus Gottes Ordnung daher khommen, bey denen auch an Frümkhait, Redlichait nnnd Mittailung alles Rechten nie gemangelt unnd nie verhoffen, es soll bey Ir Jeden sovil Gottesforcht, Rechts Trauens, Glaubens und Aufrichtigkait gefunden werden, als bey manchem andern, er sei wer er wolle. Dieweyl Inen dann Gott dieses Ampt derOberkayt vergönnt hat, so gedenkhen und werden sie sich derselben Oberkayt zur Billichait gebrauchen und nit dermassen, wie etwa understanden ist, durch Ungehor­ sam, Freihait und Widerspenstigkeit verklainern zu lassen und sich mit Gottes hilff dermassen in die Sach zu schickhen, auch sollichen Ernst fürzuwenden, dass nit Ettlichen Raum ge­ lassen werde, so mild zu reden und zu thuen, was sie gelüst, damit sie sehen und empfinden sollen, dass ain Erbar Rath ain wirkhliche Oberkayt alhier sei.“ In einer weitern Erklärung fühlt sich der Rat gedrungen obgleich „man eigentlich die eigenen Schäden nicht aufdecken soll.“ auf einen Hauptfehler der Augsburger, ihre bösen Zungen hin­ zuweisen: „das merklich milt (unbedacht) und zuvil Reden, wie auch laider bisher am Tag, dass nit allein, was Erbar Rath Ehrlichs

47 und Nutzlichs fürnembt und handlet, zusampt den Bathspersonen vilfeltig vertadlet und verclainert werden, sonder auch von Eöm. Kays. Mag. unsrem allergnedigsten Herrn an biss auf den Mündtsten wurdt niemand verschont.“ In der That fielen auch böse Reden in der Herrenstube na­ mentlich gegen diejenigen Mitglieder, die im Rath sassen: „Man bekäme es bei den Türken leichter“, „man habe vor die Pfaffen hinaustrieben, jetzt wolle man die Ehrbaren auch verjagen“, ein anderer sagte:' „ein Rath sei sein Richter nit, hab über die Stuben nit zu gebieten“, wieder andere: „man solle, die alten Geschlechter lieber gar zum Erker herabwerfen und die neuen mit Ruthen ausjagen.“ Endlich liess der Rath einige der Widerspenstigen in den Turm setzen „gleich als ob sie der elenden Zunfftmaister Sclaven weren“ (heisst es in der spätem Darstellung des patricischen Rats) bis endlich alle sich fügten. Diese Vorgänge benutzten Herbrot und seine Freunde, um, wie Gasser sagt, aus den Kaufleuten eine neue Nobilität zu grün­ den, die es den patricischen Geschlechtern gleichthun und ihr Ansehen zerstören wollte.“ Die Zunft der Kaufleute, von jeher an der Spitze der andern Zünfte, hatte seit den Zeiten Kaiser Maximilians einen grossen Aufschwung genommen. Der Zusammenfluss mächtiger Kapitalien in der Stadt, ihre weitverzweigten Handelsverbindungen, die günstige Gelegenheit, vorteilhafte Geschäfte zu' machen beson­ ders durch die zahlreichen Reichstage hatten vielen Leuten aus den Webern, Kürschnern, Waffenschmieden zu bedeutendem Ver­ mögen verholfen, sie hatten Geschäfte in grossem Styl gegründet und brachten in die Kaufleutezunft, in die sie eintraten, einen neuen Geist, Herbrot, selbst einer der auf diese Weise Emporge­ kommenen, kann als Führer dabei betrachtet werden. Während bisher die Kaufleute es sich zur höchsten Ehre angerechnet hatten, durch Heirat in Berührung mit den patricischen Kreisen zu kommen, während die sogenannten Mehrer der Gesellschaft zugleich einflussreiche Mitglieder der Kaufmannszunft gewesen waren, wurde jetzt darauf hingearbeitet, jede Verbindung abzubrechen. Die Kaufleute erwarben sich mit Beihilfe des Rates 1539 ein eigenes Haus, worin sie ihre Stube einrichteten. Den Geschlech­ tern wurde nun der Besuch der Kaufleutestube untersagt, ja es sollte bei schwerer Busse ausgemacht werden, dass kein Kauf-

48 mann mehr -zu den Geschlechtern heirate. Der Kaufmann sollte den Patriciern zeigen, dass er auch etwas gelte, dass er sowohl in Beziehung auf seine Mittel, als auch an Bildung und Weit­ läufigkeit es ihnen gleichzuthun vermöge; es sollte kein Vorrang der Patricier mehr anerkannt werden. Herbrot war, nachdem es ihm gelungen, die Aufnahme einer Anzahl von Anhängern und Verwandten in die Zunft durchzu­ setzen, der Führer und die Seele dieser Opposition, und wenn es ihm auch nicht gelang, geradezu eine förmliche Verpflichtung zum Abbruch des Connubium’s durchzusetzen, so war doch sein Einfluss gross genug, um die Kaufleute zu einer gegen das Patriciat feindseligen Haltung mitzureissen. Hier war von jetzt an auch der Mittelpunkt aller gegen Carls V. kirchliche Politik und auf ein inniges Zusammengehen mit dem schmalcaldischen Bund, namentlich mit Landgraf Philipp von Hessen gerichteten Bestrebungen. Deshalb hat Carl V. nach seinem Sieg die Kauf­ leutezunft besonders streng gemassregelt und durch seinen Commissar Herrn v. Liera ihren Vorgehern ihr „neuerungssüchtiges und gegen die Ehrbaren trotziges Benehmen“ streng verweisen lassen, auch verordnet, dass sie keine Zusammenkunft noch besondere Feierlichkeit ohne Einwilligung des (patricischen) Rates halten dürfen, dass künftig alle Ratsschreiber, Diener und Söldner jederzeit Macht und Gewalt haben sollten, auf der Kaufleute Trinkstube zu gehen, ebenso die Herrn und Gesellen von der Herrn Trinkstube und dass ihnen wie den Trinkstubenmeistern aufgewartet und gedient werden müsse. Und zum Schluss liess er besonders Herbrot seiner Ungnade versichern, „er kenne den wohl, der mit seinem Anhang am meisten Schuld an allem Unfug habe. Diese Auszeichnung durch den speciellen kaiserlichen Zorn, sowie die wütenden Angriffe gegen Herbrot in den aus dem patricischem Lager hervorgegangenen Anklageschriften beweisen, wie bedeutend sein Einfluss in den Zeiten der ziinftischen Herr­ schaft gewesen und mit welchem Erfolg er es verstanden hat, die bevorzugte Stellung der Patricier anzugreifen. Herbrots Vermögen hatte sich durch glückliche Geschäfte so gemacht, dass es auf 500,000 fl., eine für die-damalige Zeit immerhin sehr bedeutende Summe, wenn es auch mit den Reichtümern der Fugger nicht sich messen konnte, geschätzt wurde. Er erscheint als der Typus jener Classe von wagenden, speculativen Geldmännern, die die Privatcapitalien durch gute Verzinsung an sich zogen und mit Hilfe derselben, die günstigen Verhältnisse

49 benützend, kühne aber vorteilafte Geschäfte, namentlich An­ lehen an deutsche und ausländische Fürsten machten und so mit den alten, grossen, fest begründeten Häusern in Concurrenz traten. So finden wir, dass er dem Landgraf Philipp, dem Mark­ graf Joachim von Brandenburg, dem Pfalzgrafen Otto Heinrich von Neuburg bedeutende Darlehen machte, zum Teil als Ver­ mittler der Stadt, in der Weise, dass er die Summen, um welche die betreffenden Fürsten bei der Stadt nachgesucht hatten, aus der Ratscasse entlehnte und sie unter seinem Namen und auf seine Gefahr gegen höheren Zins jenen vorstreckte. Namentlich bei dem Schuldenwesen des Pfalzgrafen Ottheinrich, der 1544 sich genötigt sah, wegen Ueberschuldung sein Land unter die Admi­ nistration seiner Gläubiger zu stellen, und dessen Rentmeister Arnold Herbrots intimster Freund war, scheint er bedeutend beteiligt gewesen zu sein. Auch sein Handel mit Juwelen und Kostbarkeiten brachte ihn in beständige Verbindung mit fürst­ lichen Personen. So wurde er als der römische König Ferdinand seine Tochter an den Herzog von Mantua verheiratete, an den Hof nach Prag berufen, um die Ausstattung zu besorgen und die Fugger Hessen ihm ihren bewährten Diener Sebastian Kurz, um ihm durch seine Personenkenntniss bei Hofe zu nützen. Er besass eines der schönsten Häuser in dem aristocratischen Stadtteil bei St. Ulrich, das er durch ein Geldgeschäft an sich gebracht; vor allem aber war sein Garten vor dem roten Thor durch seine reiche, geschmackvolle Anlage weithin berühmt. Er war eine der Merkwürdigkeiten des damaligen Augsburg, die man fremden Fürsten, wenn sie nach Augsburg kamen zu zeigen beflissen war. Er war im Geschmack der Renaissance ausge­ schmückt. Der schon einmal genannte Graf Wolrad v. Waldeck, einer der Fürsten, die im schmalcaldischen Krieg compromittirt, 1548 in den Vorzimmern der kaiserlichen Räte herumgehen mussten, um Begnadigung zu erlangen, berichtet in seinem Tage­ buch darüber: er habe den Garten des Consul Herbrot besucht und es reiche ihm kaum die Zeit, alle die Annehmlichkeiten des­ selben zu beschreiben, seine Blumenbeete, Wiesenflächen, ver­ schlungenen Wege, die vielerlei fremden Pflanzen, Obstbäume, die durch Canäle aus dem Lech gespeisten Wasserwerke, Spring­ brunnen; endlich die Lusthäuser, an deren Wänden die Bildnisse der Kaiser in Lebensgrösse gemalt und die Regierungszeit eines jeden mit Majuskeln dabei notirt seien. Seit 1540 finden wir Herbrot, der Zunftmeister und Mitglied 4

50 des Rats war, bei einer Menge diplomatischer Sendungen ver­ wendet. Er ist der Yertrauensmann der Gemeinde und scheint beson­ ders auch als Eiferer für den protestantischen Glauben aufgetreten zu sein. Wenigstens werfen ihm die zahlreichen gegen ihn aus­ gegangenen Pasquille seiner Feinde vor, er hätte die Prädicanten an sich gezogen, bewirtet, auch ein besonderes Interesse für den evangelischen Glauben an den Tag gelegt, um damit die Bürger­ schaft für sich zu gewinnen. Auch stimmt dazu, dass er 1540 mit dem Prediger Musculus zu dem Wormser Religionsgespräch abgesandt wurde. Bezeichnend für die Stellung Augsburgs ist die Meldung der Gesandten, dass sie den Rat von Worms durch ihr Zureden vermocht haben, die Absetzung eines evangelischen Predigers, welche Granvella unter Androhung der kaiserlichen Ungnade verlangt hatte, zu verweigern, weil der Rat durch Nachgibigkeit sich Spott und Schande in aller Welt zuziehen würde. Es stimmt ferner dazu, dass er 1545 wieder mit Mus­ culus nach Donauwörth abgesandt wurde, um dem dortigen Rat bei Einführung der Reformation an die Hand zu gehen. Dafür spricht ferner der Eifer, womit sich Herbrot bei den Aussöhnungs­ verhandlungen mit Carl V. für Bernardino Occhino verwendet, damit dieser mit in die Aussöhnung eingeschlossen werde. Endlich ist es Herbrot auch gewesen, der die Prädicanten, die das Interim nicht annehmen wollten, und darum entsetzt und vertrieben wur­ den, 1548 bei sich noch beherbergte, zu einer Zeit, wo seine eigene Sache gefährlich genug stand. Die confessionelle Frage war aber damals bei dem grössten Teil der Augsburger Bürger­ schaft die ausschlaggebende. Sie war innigst mit der politischen verflochten. Die Privilegien des Domstiftes waren immer der Bürgerschaft ein Dorn im Auge gewesen, unzählige Streitigkeiten waren aus dieser Quelle entsprungen. Jetzt war dieser wider­ wärtige Pfal im Fleische fort, die katholischen Kirchengüter waren eingezogen; der Gedanke einer Rückkehr der Clerisei empörte den Selbständigkeitssinn der Bürgerschaft. Aber auch aus andern Gründen ist Herbrots Einfluss bei der Gemeinde zu erklären. Selbst seine Feinde erwähnen seine Ge­ wandtheit, seine Beredsamkeit, seine Freigebigkeit. Sein Brief­ wechsel mit Anton Fugger bezeugt, wie sehr er eine Sache dringend und warm zu empfehlen vermochte , sie bezeugen auch, — dass er die Wirksamkeit eines am rechten Platz angebrachten Geschenks aus Erfahrung kannte. Die Zunftmeister, die Genossen

51 der Kaufleutestube waren oft seine G-äste bei Banketten, die mit denen der Patrizier an Glanz wetteifern konnten. Andere zog 'er an sich dadurch, dass er ihre Capitalien in seinem Geschäft an­ legte und hoch verzinste. So wurde Sebastian Schertlin ihm befreundet, so dass er Herbrot „seinen Landesherrn“ zu nennen pflegte, — ein Mann, ihm geistesverwandt in Beziehung auf Er­ werbssinn, Geschäftsgewandtheit und Entschiedenheit der Partei­ stellung. Herbrot war auch ein weltkundiger Mann. Bei ihm war nicht der Pall, was eine patricische Schrift von 1552 über den „groben schlechten Povel“ d. h. über die Zunftmeister sagt: „wenn ein solcher als Gesandter zu Kaiser und Fürsten kommt, so weiss er sich nicht zu benehmen, wird verspottet; und wenn es nötig ist, auf eine empfangene Antwort hin zu handeln, „so weiss ein solcher Stockfisch nicht, was er thun soll, muss erst heimschreiben und Instructionen holen.“ Im Gegenteil: er konnte es nicht nur mit seinen patricischen Collegen aufnehmen, sondern er fand auch überall Zeit und Gelegenheit, sich an den Höfen Freunde zu erwerben, die ihm teils in seinen Geschäften von Nutzen sein konnten, teils einen Rückhalt für schlimme Zeiten boten. Seit Augsburg dem Schmalcaldischen Bunde beigetreten war, kam es mehr und mehr in des Kaisers Ungnade. Es wurde hin­ eingezogen in die Unternehmungen des Bundes gegen den Herzog Heinrich von Braunschweig und alles, was damit zusammenhing; und es sah sich 1545 endlich vor die Alternative gestellt, ent­ weder vom Bunde sich loszusagen oder auf einen Krieg gegen den Kaiser sich gefasst zu machen. Das kalte Benehmen des Kaisers gegen die Gesandten auf dem Wormser Reichstag 1545 und das Ansinnen, das Concil zu Trient zu beschicken, Hessen keinen Zweifel übrig, dass die Entscheidung der lang hinausgeschobenen Frage bevorstehe. Augsburg war in besonders gefährdeter Lage. Fast alle Bundesgenossen waren besser daran. Mitten zwischen katholischen Gebieten gelegen nahm es eine Art von Vorpostenstellung ein, war es einem Angriff aus den kaiserlichen Erblanden zuerst aus­ gesetzt. Seine Handelsinteressen wiesen überwiegend auf ein Zusammengehen mit dem Kaiser hin, und die Patricier, die die grossen Handelsinteressen repräsentirten, waren in ihrer Mehrzahl, selbst solche die mit den Zünftischen gingen, gegen jede Feindseügkeit dem Kaiser gegenüber. Einigermassen würdigte dies auch der Rat, indem er, wie 4*

52 schon früher erwähnt, ein Auge zudrückte, als die Fugger, Welser, Herwart u.'a. dem Kaiser grosse Summen vorstreckten, und nur seinerseits eine Commission unter Leitung Herbrots einsetzte, um auch ein Anlehen für die Bundesfürsten zusammenzubringen. Den Hauptausschlag aber gab bei der Bürgerschaft, in deren Händen die Entscheidung lag, die religiöse Frage. Die Furcht, der Kaiser möchte sie von der evangelischen Eeligion drängen, liess den grossen und kleinen Bat die Gefahr und die möglichen Verluste übersehen. Wenige vom Patriciat waren mit ganzer Seele dabei. Selbst Hans Welser, der einst die Verdrängung des katholischen Clerus veranlasst hatte, und jetzt neben Jacob Herbrot Bürgermeister war, wollte, wie er selbst an Anton Fugger schreibt, wenig vom Krieg wissen. Viele Patricier verliessen die Stadt; nur ein namhafter Mann jedoch setzte sich, als 1546 der Krieg ausbrach, in offne Feindschaft gegen dieselbe'; so dass man sein Besitztum confiscirte, nämlich Hans Baumgartner, kaiserlicher Eat, Freiherr von Hohenschwangau. In der Bürgerschaft aber regte sich jener republicanische Trotz, der sie so oft schon in den Kampf gegen Fürstenmacht geführt hatte, diesmal verbunden mit religiösem Eifer. Die Ver­ handlungen, die zwischen der Stadt uhd dem Landgrafen Philipp, sowie mit Pfalzgraf Friedrich durch Sebastian Schertlin gepflogen wurden, die Vorbereitungen zum Krieg und der Gang der kriege­ rischen Ereignisse soweit sie Augsburg betrafen, sind in Herbergers „Sebastian Schertlin“ ausführlich dargestellt. Nur Herbrots Anteil an der Entwicklung der Dinge ist bei Herberger in Schatten gestellt. Allein wenn man auch die Bedeutung von Männern wie Dr. Claudius Pius Peutinger, Dr. Nie. Mayr, Georg Hörwart, Georg Frölich, nicht unterschätzt, so ist doch nicht zu leugnen, dass der Mann, auf den die gewöhnliche Bürgerschaft in erster Linie schaute, neben Schertlin der Bürgermeister Herbrot war. Er hat nachher neben Schertlin die grösste Last des Hasses von Seiten der .Gegenpartei zu tragen gehabt, er hat die Unterhand­ lungen mit Anton Fugger wegen des Friedens im wesentlichen geführt, er musste es übernehmen, den Schertlin zum freiwilligen Verlassen der Stadt zu überreden. Seine Stellung tritt besonders zu Tage durch die von ihm veranstaltete Musterung der Bürgerschaft am 16. August 1545. Alle kriegstauglichen Bürger rückten an diesem Tage teils zu Pferd, teils zu Fuss hinaus vor die Stadt auf den jetzigen grossen Exerzierplatz gegen Kriegshaber zu, Herbrot voran, Georg Fugger

53 mit der Hauptfahne, Herbrots Sohn und Jacob Adler die Kennfahnen tragend. Die Musterung ergab, dass Augsburg 3596 Mann zu Fuss, 470 zu Pferd stellen konnte. Offenbar aber war das Ganze darauf berechnet, der Bürgerschaft Selbstgefühl und Kraft­ bewusstsein für den Fall einer kriegerischen Verwicklung dadurch zu heben. Es ist die Darstellung dieses Auszugs in einer offi­ ziellen Schrift des patricischen Eats 1555, die gegen Herbrot und seinen Freund und Gesinnungsgenossen Georg Oestreicher gerichtet ist, interessant und lässt die Tiefe des gegen Herbrot angesammelten Ingrimms erkennen. Der Satan, heisst es hier — gab dem Bachus und Pluto (Herbrot und Oestreicher) ein, „auff das man dem Zorn des „Kaysers begegnen unnd sehen lassen möcht, was Macht unnd „Gewalt auch die Burgermayster unnd Eäthe der zunfftlichen „Regierung, sampt gemainer Stat Augspurg hatten, das sie alles „volkh. was Manbar gewesen, zollen unnd ainen vast gewaltigen „kriegs unnd Musterzug halten lassen wollen, unnd darauff alles „was zu erhebung unnd Erhaltung desselben dienet, sich bey dem „Rath umb Bewilligung, aber zu Nürnberg umb schöne Strauss„federn unnd Harnisch, durch ällerlay Maltzeyten und Schankungen „mit grosser Eyl auff das Höchst beworben.“ Trotz des Abmahnens ehrbarer und verständiger Männer wurde der Spectakel durchgesetzt. Am frühen Morgen ging es an ein Schirren der Pferde und Putzen der Waffen, an die Aufstellung der Schlachtordnung, dass einer, der den gemeinen Mann nicht gekannt hätte, hätte glauben müssen, es wären lauter Doppel­ söldner und Kriegsleute gewesen. „Der Consul Pelivex (Herbrot) wollte immerzu die Reputation der Zunfften, darumb es angesehen worden, erhalten, der gab die Fahnen aus, deren bey Zehen gewesen. So waren der Spil, pfeyffen und Trummei bey 46. Aber die Thrumeter muesten (wie billich) auf die wohlherausgeputzten Consules warten, Inn welchem das herrlich gebreng angefangen hat. Morgens umb 6 Uhr gieng die Kirchweih an“ (voran die von Herren, welchen dieser Kriegszug fast leid und zuwider war, wahrlich mit kleiner Anzahl, dann die von der Kaufleuten Stube dann die anderen Zünfte.) „Inn solchem Ausszuge sich Consul Pelifex, wie ain Römischer Dictator gehalten, dann er Inn seinem Kirass ainen grossen Fahnen für den Galgen inn das Veld geführt, und sich für alle annder vast gewaltig sehen lassen.“ An dieser Hoffahrt hatte er aber nicht genug, sondern er liess auch seinen

54 Sohn die Bennfahne zu Boss führen. Dem wurde aber so unwohl, und man Ime „das Maul schier mit ainem Haustetter wegken hett auffgewinnen muessen.“ Die von der Weberzunft, weil die schon im Jahr zuvor ihren Kriegszug vollbracht, mussten im Harnisch die Stadt bewachen „hilff Gott, wol haben die kh'uttelfleck unnd Ochsenfuess inn dieser Besetzung so grossen Widerstand erleyden muessen, dann solicher Krieg am maisten über sie ganngen ist.“ — „Und als es sich auff den Abend genaigt, da zohen die Burgermaister vonAugspurg, nachdem sie wie die Schueler einen gutten muet inn den Buetten gehapt, mit dem gannzen Hauffen inn schönem Apparat unnd Herrlichkait Triumphirend wider inn die Stat. Do lueffen die Laggayen vnnd Trabanten sampt Zunftmayster kölin neben Inen daher, der Trommeter stuess Inn seinem Hörhoren dises gewaltigen Kriegszugs haimliche kreyden unnd Lossung auss Neinblich: Hui katz, du muest ann Latz.“ etc. Der freudige Mut, womit die Augsburger Bürgerschaft in den Schmalcaldischen Krieg eintrat, die grossen Erwartungen, die man auf die mächtige Streitkraft des Bundes setzte, sollten bekanntlich bald einer bittern Enttäuschung weichen. Von Augsburg aus wurde in der ersten Hälfte des Juli 1546 der Krieg gegen den Kaiser eröffnet. Der kühne Zug Schertlins nach Füssen, die Eroberung der Ehrenberger Clause, der Einfall in Tyrol waren die ersten Waffenthaten von Seiten der Bündischen. Dieser kecke energische Beginn des Kampfes verhiess einen gün­ stigen Verlauf, um so mehr als der Kaiser mit seinen Büstungen noch lange nicht fertig war. Freilich, es zogen diese Erfolge auch der Stadt die ganz besondere kaiserliche Ungnade zu, die noch gesteigert wurde durch die von Augsburg ausgehenden Schmähschriften gegen die Person des Kaisers, — Streitschriften, in deren Abfassung besonders Bernhard Occhino eine rührige Thätigkeit enfaltete. Das Bewusstsein, den grimmigen Zorn des Kaisers auf sich geladen zu haben, die Gewissheit, dass im Lager des Kaisers böse Feinde der Stadt weilten, die zum Schlimmsten rieten, liess die immer wieder auftauchenden Gerächte, dass der Kaiser einen Ueberfall gegen Augsburg beabsichtige, dass er die Stadt ver­ derben, sie den Italienern preisgeben wolle, glaubwürdig erscheinen und übte einen ungünstigen Einfluss auf die Operation des schmal­ caldischen Heeres. So schon im Juli 1546, als Schertlin durch diese Besorgniss zum Aufgeben der gewonnenen Position und zur Kückkehr bewogen wurde. So namentlich im September 1546 in

55 den Zeiten des unentschiedenen planlosen Hin- und Hermarschirens des sclimalcaldischen Bundesheeres, das so sehr geeignet war, Mut und Freudigkeit zu lähmen. Freilich die Uneinigkeit und Unentschlossenheit in der Leitung des schmalkaldischen Bundes war die Hauptursache des Misserfolgs. Von Anfang giengen die Interessen der Bundesmitglieder ausein­ ander. Man hatte den Kriegsschauplatz nach Oberdeutschland verlegt, und doch waren die beiden mächtigsten Bundesmitglieder, die Fürsten von Sachsen und Hessen, von Anfang nur mit halbem Herzen dabei. Sie hätten lieber in Franken, oder irgendwo in grösserer Nähe ihrer Länder den entscheidenden Kampf geführt, als an der Donau, und doch, nötigte sie die Rücksicht auf die' oberdeutschen Bundesgenossen und die Verstärkung ihrer Macht durch die Streitkräfte derselben, im Süden zu bleiben. Und wie­ der über die Art, wie der Kampf zu führen sei, welches Schwanken ? Sollte man angreifen, oder zur Salvirung des Gewissens den An­ griff des Kaisers abwarten? Sollte man des bayrischen Gebiets sich bemächtigen und Bayern lahm legen, oder rücksichtsvoll es schonen in Hoffnung, dass es neutral bleibe? Weil man zu keinem festen, consequenten Handeln kommen konnte, vertrödelte man die Zeit mit kleinen Unternehmungen, Wegnahme unwichtiger Orte, Einziehung von Klöstern und geistlichen Besitzungen, nur um den Trost zu haben, dass man überhaupt etwas gethan. Ueber solche Besitzergreifungen gab es dann zum Ueberfluss wieder Streit unter den oberdeutschen Bundesgenossen. Es war nicht genug, dass die Interessen Sachsens und Hessens einerseits und der Oberdeutschen andrerseits auseinandergingen. Die letztem waren unter sich wieder gespalten. In mehreren Anzeichen gibt sich eine Rivalität Ulms und Strassburgs gegen Augsburg zu erkennen. Die beiden ersten Städte bemühten sich (Herberger Leben S. Schertlins S. 90) dem Herzog von Wirtemberg die Führung der oberländischen Bundesgenossen zuzuwenden, um Augsburg aus der bevorzugten Stellung zu verdrängen, die es besonders seiner engen Verbindung mit Landgraf Philipp verdankte. Herbrot war Anfang August mit seinem Collegen Hans Welser zur Begrüssung den beiden Fürsten Philipp und Johann Friedrich nach Donauwörth entgegengesandt worden; er nahm an dem Kriegsrat im Lager von Reichertshofen den 15. Aug. teil, er war mit Schertlin unter denjenigen, die dem Vorschlag des ihm längst befreundeten Landgrafen zustimmten, direct auf München zu ziehen

56 und mit dem Kaiser zu schlagen, wo man ihm begegne. Damals wurde die energische Partei überstimmt durch die sächsischen Räte, denen sich die Gesandten von Ulm und Strasshurg anschlossen, und es siegte die verhängnissvolle Zauder- und Verschleppungs­ politik, die zu dem bekannten Ende führte. Am 16. October 1546 hatte sich Sebastian Schertlin vom Lager der Bundesfürsten getrennt und sich nach Augsburg durch­ geschlagen, wo seine Anwesenheit den schon sinkenden Mut der Bürger neu belebte (Herberger S. CI.) Am 27. Nov. brachen die Fürsten ihr Lager bei Giengen ab und zogen nach Norden, die oberdeutschen Bundesgenossen ihrem Schicksal überlassend. Wären die letztem unter sich einig gewesen, so hätten sie wohl noch den Widerstand fostsetzen können. Aber schon lang unter sich gespalten, ging jetzt ein jeder von ihnen, ohne Rücksicht auf die andern zu nehmen, seine eigenen Wege, ja die einzelnen suchten durch die Schnelligkeit der Unterwerfung sich beim Kaiser ein Verdienst vor den andern und dadurch günstigere Be­ dingungen der Aussöhnung zu erlangen. Ulm machte den Anfang. Es suchte sich durch die klägliche und bewegliche Anrede des Bürgermeisters Besserer beim Kaiser „gut Kind“ zu machen und erhielt Verzeihung. Der störrische Sinn der Augsburger erschien dadurch in um so schlimmerem Licht. Die Nachricht von der Capitulation Ulms zwang auch den Rat von Augsburg, die Frage, ob fernerer Widerstand oder Ergebung besser, in ernste Erwägung zu ziehen. Augsburg stand jetzt allein, denn die paar oberländischen Städte, die noch aus­ harrten, Lindau undConstanz waren nicht zu rechnen. Von Ulm aus konnte der Kaiser mit geringen Mitteln den Augsburgern den Proviant abschneiden, ihnen allen möglichen Schaden thun, ganz abgesehen von den Verlusten, von welchen die Augsburger Bürger durch die Beschlagnahme ihrer Forderungen und Güter in (Jen oberländischen Städten bedroht waren. Das letztere hätte keinen Auschlag gegeben, denn einmal war in allen österreichischen und geistlichen Gebieten dieselbe Massregel schon beim Beginn des Kriegs gegen alle Augsburgischen Güter verhängt worden, andrerseits drohte im Fall der Lossagung vom schmalcaldischen Bund das Nämliche in Hesseh und Sachsen und die Stadt sowohl wie einzelne Bürger hatten bedeutende Forderungen an beide Länder. Freilich, die Stadt war wohl befestigt, hatte eine zahl­ reiche bewaffnete Bürgerschaft und unter ihrem kriegskundigen

57 Obersten Schertlin eine wohlorganisirte Södnerschaar, auch Geld genug dieselbe auf längere Dauer zu unterhalten. Wenn Augs­ burg eine Belagerung aushielt, so war damit ein grosser Theil der kaiserlichen Heeresmacht in Anspruch genommen und die das Feld noch haltenden Verbündeten, Sachsen, Hessen, ja auch Würtemberg konnten sich aufraffen und neue Kräfte zum Entsatz der Stadt sammeln. Dann triumphirte Augsburg, dann war es die Retterin der evangelischen Sache. Aber auch im schlimmsten Fall konnten durch kräftigen Widerstand vielleicht bessere Be­ dingungen erlangt werden, als durch schnelle, zaghafte Uebergabe. Ja selbst ein Ende mit Schrecken schien einem rühmlosen Sichpreisgeben einem erbitterten und falschen, des Schlimmsten fähigen Feind gegenüber vorzuziehen. Alle diese Gründe brachte Schertlin in seinem Gutachten vor. (Herberger S. Schertlins Briefe S. 203 u. 208.) Aber andrerseits, was konnte man von den Fürsten erwarten, die ihre Bundesge­ nossen eben erst im Stich gelassen hatten? Berechtigte nicht die ganze Kriegsführung seit dem Juli 1546, durch welehe mit den gewaltigsten Mitteln und unter der Gunst der Umstände doch so gar nichts geleistet war — berechtigte sie nicht zu dem Bedenken, dass Hilfe von dem Churfürsten und Landgrafen entweder gar nicht oder nur zu spät zu erwarten sei? Noch schwankte die -Entscheidung; da gab die Botschaft von der Unterwerfung des Herzogs v. Würtemberg, auf den Schertlin in seinem Gutachten noch gebaut hatte, den Ausschlag. Am 13. Januar beschloss der Rat die Anknüpfung von Unterhandlungen, um zu versuchen, ob man „einen christlichen leidlichen Vertrag“ bekommen könne. Die dreizehn des Rats (der engere Rat bestehend aus den 2 Bür­ germeistern, 2 Baumeistern, 2 Einnehmern, 3 Sieglern und 4 Steuer­ herrn) sollten die Sache leiten. Als Unterhändler wurde Anton Fugger „den meine Herrn für einen guten Augsburger und der seinem Vaterland guts tliut, erkennen“ auserwählt und ihm, sofern es ihm nicht zuwider, Dr. Claudius Peutinger, der Sohn des berühmConrad Peutinger beigegeben. Die dreizehn ihrerseits beauf­ tragten mit dem schriftlichen Gedankenaustausch mit Fugger den Bürgermeister Jakob Herbrot, als den Mann, der die Stimmung der Bürgerschaft am besten kannte und der bis jetzt in Betreibung der Kriegssache der eifrigste gewesen, jetzt aber mit Energie bestrebt war, die nicht sehr leicht zu behandelnde Bürgerschaft an den Gedanken der Unterwerfung zu gewöhnen. Die Acten dieser Unterhandlung werden wir im Anhang zum Teil, soweit

58 sie von allgemeinem Interesse sind, geben.*) Anton Fugger hat sich durch Annahme des peinlichen Auftrags und durch die Hin­ gebung, welche er den Angelegenheiten der Stadt widmete, durch seine werkthätige Hilfe bei Auftreibung der Strafsumme1 für immer ein ehrendes Denkmahl gesetzt, wenn auch seine Unterhand­ lungen nicht von Erfolg gekrönt waren. Er war mit dem in Augsburg herrschenden Regiment keineswegs einverstanden; Aristocrat und eifriger Katholik fühlte er sich durch das Treiben der Zunftmeister im Rat, wie der Prädicanten auf der Kanzel gleichmässig abgestossen. Er weilte desshalb auf seinen Gütern in Weissenhorn, wo er als kaiserlicher Rat die obrigkeitliche Ge­ walt übte, ohne dass er jedoch mit der Stadt gebrochen hätte, wie etwa Hans Baumgartner. Geflissentlich hatte das Augsburgische Kriegsvolk während des schmalcaldischen Kriegs seine Güter geschont. Trotzdem war es ein Opfer, dass er am Hof des Kaisers für die von seinen politischen und religiösen Gegnern regierte Stadt eintrat. Es war eine undankbare Aufgabe. Denn der Kaiser spielte mit Augsburg wie die Katze mit der Maus. Wie er’s im Kriege gethan, so wusste er auch bei den Friedens­ unterhandlungen durch Hinausziehen und Verzögern jeder Ent­ scheidung die Gegner endlich so mürb zu machen, dass sie, nach­ dem sie ganz in seinen Händen waren, sich alles gefallen lassen mussten. Augsburg hätte, wenn es Widerstand geleistet hätte, im schlimmsten Fall gewiss nicht schlechter wegkommen können, als es durch die Ergebung wirklich geschehen ist. Aber das war nicht die Schuld der Unterhändler. Davon hatte man auch am Anfang freilich keine Ahnung. Es ist ergreifend zu verfolgen, wie von Stufe zu Stufe man von einer Hoffnung nach der andern Abschied nehmen, eine bittre Pille nach der andern verschlucken musste, bis man endlich bei der völligen Resignation angelangt war. Die Artikel die der Rat am 14. Januar als Grundlage der Unterhandlung aufsetzte, zeigen noch eine sanguinische Auffassung der Lage. Es sind 6 Punkte: 1) Dass diese Stadt bis zu künftiger christlicher Reformation im heiligen Reich so wohl und lang als Nürnberg und einiger anderer der augsburgischen Confession verwandter Stand bei

*) Es sind mir durch die Güte der Frau Wittwe Köth die Originalurkun­ den aus der ebenso reichen, wie musterhaft geordneten Autographensammlung des Herrn Expeditors Köth zur Verfügung gestellt worden.

59 ihrer Religion bleiben und mittlerweil mit der Pfaffenheit in der Stadt mit beladen sein soll; 2) dass man zu nichts gedrungen, das an Ehren verletzlich; 3) dass alle dieser Stadt Freiheit, Altherkommen und Gebrauch in Kräften und Würden unverwurkt sein und bleiben; 4) dass gemeine Stadt in dieser Versöhnung nit gar erschöpft noch zu unerschwinglicher Ausgab gedrungen werde; 5) dass die Verzeihung aller ergangener Handlungen gemein umb all Sachen ergehen, und niemand dieser Stadt Verwandte ausgeschlossen sein soll; 6) demnach sich in dieser Kriegshandlung allerlei verloffen, Schaden geschehen und gelitten worden, dass dann solches nit allein auf dieser Stadt liegen, sondern ein gemeine Sach aller derer, so darin verwandt, sein und bleiben soll. Auch die Instruction, die Anton Fugger für seine Unterhand­ lung zugestellt bekam und die im Auftrag des Kats von Dr. Peutinger aufgesetzt wurde, betont noch die Kräfte, über die die Stadt immerhin zu verfügen habe und dass es den Kaiser viel Zeit und Geld kosten würde, wenn er die Stadt würde belagern müssen. Er solle bedenken, wie sehr Augsburg ihm ein Zeichen von Vertrauen gebe, indem es von dem Bündniss mit Sachsen und Hessen sich lossage, ohne irgendwie eine Sicherheit über seine Gesinnung und Absichten zu haben. Noch war ja Sachsen und Hessen unbezwungen, ja Johann Friedrich von Sachsen hatte eben die in sein Land eingedrungenen Verbündeten des Kaisers wieder aus allen eingenommenen Plätzen vertrieben. Im übrigen entschuldigte man sich dem Kaiser gegenüber, dass es einzig die Sache der Religion gewesen, wodurch man in den Schmalcaldischen Bund gedrängt worden sei und einmal in diesen Bund verflochten, habe man alle Handlungen desselben auch mitmachen müssen. Der Kaiser werde eine solche alte und ehr­ würdige und um ihn und seine Vorfahren so wohlverdiente Stadt nicht ruiniren wollen, er würde damit seiner eigenen Reputation schaden. Ja es sei darauf zu hoffen, dass Augsburg gnädigere Behandlung, als andere erfahre „denn Augsburg ist der Türki­ schen und Italienischen Krieg halber wol zu gebrauchen und wenn sie wollen, könnten sie wol und viel serviren. Weiss niemand was sich über Nacht wieder zutragen möcht, darin willige Leut wol etwas Gutes für Ir. Mst. und das Haus Oestreich schaffen möch­ ten.“ Selbst der Aufstand des Fiesco in Genua und die französischen Rüstungen wurden beigezogen, um dem Kaiser den Wert einer

60 Aussöhnung mit Augsburg nahezulegen. Daneben spricht sich in dieser Instruction die bittere Klage über die treulose und unbriiderliche Haltung Ulms aus: „die von Ulm haben Augsburg in all dies Spiel geführt und Ihnen das Bündniss sollicitirt — und zu­ letzt haben sie Augsburg schändlich verlassen.“ Obgleich man ihnen rechtzeitig geschrieben, dass beide Städte gemeinsam mit dem Kaiser um Gnade verhandeln wollen, haben sie erst eine ausweichende Antwort gegeben und dann plötzlich und „unverwarnt sich mit Ir. Mt. aller Ding gegen Augsburg vertragen.“ Von Fugger erfuhr man nun aber bald, dass der Kaiser nicht geneigt sei, sich von Augsburg noch Bedingungen vorschreiben zu lassen. Er hatte durch seinen Diener Sebastian Kurz, dem er die Einleitung der Verhandlungen mit dem Herzog v. Alba und Herrn v. Granvella übertragen, vernehmen müssen, der Kaiser sei über Augsburg mehr erzürnt als über irgend einen andern Gegner, - er wolle die Stadt schleifen lassen, um der ganzen deutschen Na­ tion ein Exempel zu geben. Dann wieder hiess es, der Kaiser verlange vor allem die Auslieferung des Sebastian Schertlin, wogegen Fugger erklärte, er wolle lieber alle seine Güter ver­ lieren, als eine solche Infamie der Stadt anrathen; endlich wollte sich der Kaiser zur Not zufrieden geben, wenn Schertlin „weg­ geschoben“ würde. Ebenso war es mit Bernhard Occhino. Neue Not: das kaiserliche Kriegsvolk rückte aus dem Würtembergischen gegen Ulm heran, um dort die Donau zu überschreiten und das Land gegen Augsburg hin zu verderben. Von Burtenbach sollte kein Stein auf dem andern bleiben. Fugger reiste dem Kaiser und dem Herzog von Alba entgegen, er erlangte endlich von letz­ terem die Zusage, dass er den Marsch verzögern wolle, bis die Verhandlungen mit Augsburg zu einem Resultat gediehen wären. Alles dies drängt sich zusammen in die Tage vom 14. bis 19. Ja­ nuar 1547. In diesen drangvollen Tagen stellt sich der Patrio­ tismus Anton Fuggers in glänzendem Lichte dar. Der Kaiser verzweifelt hartnäckig und unzugänglich, will gerade von den Hauptpunkten, über welche die von Augsburg Beruhigung haben wollen, nichts hören, sich auf gar keine bestimmte Zusage ein­ lassen, die Augsburger sollen vor allem sich auf Gnade und Un­ gnade ergeben und dann ihm vertrauen, dass er sie nicht zu hart behandle, die Hofleute, an deren Vermittlung sich Fugger wendet, haben nur unbestimmte Vertröstungen, wohl aber immer offene Hände, um „Verehrungen“ anzunehmen. Granvella erscheint dabei als der uneigennützigste, der keine Geschenke annimmt,

61 während namentlich der Herzog v. Alba immer darauf hinweist, wie viel von seinem guten Willen abhänge und diesen guten Willen sich durch reiche Verehrungen warm halten lässt. Seine Versicherungen klingen immer am trostvollsten, während in der That keine einzige derselben in Erfüllung geht. An diesem Hof, dem verschlossenen unnahbaren Kaiser gegen­ über, unter diesen glattzüngigen, habsüchtigen Spaniern, *die für Deutschland kein Herz hatten, musste es Anton Fugger, wie er selbst schreibt, unbehaglich zu Mute werden; und nun noch seind unglückliche Vertnittlungsstellung. Auf der einen Seite von Augs­ burg her Schreiben auf Schreiben die Abstellung der beschwer­ lichen Puncte verlangend, an seinen Patriotismus Appellierend und auf der andern höhnische Zurückweisung selbst der Vorschläge, die er als die äussersten Zugeständnisse mit Mühe und Not von den Augsburgern erlangt hat, und je länger die Unterhandlungen dauern, um so mehr unangenehme Ueberraschugnen, immer neue, immer härtere Forderungen. Gtewiss wir begreifen, wenn er zu­ letzt sich sehnt, aus diesen peinlichen Geschäften, womit er es niemanden zu Dank macht, herauszukommen. Fassen wir die Lage der Dinge in Augsburg ins Auge, so finden wir dort den Rat und vor allem den Bürgermeister Herbrot in einer ähnlichen drangvollen Stellung. Auf der einen Seite eine unruhige, zu scharfen Reden und zur Widerspenstigkeit geneigte Bürgerschaft, von der ein grosser Teil gegen die Einleitung von Friedensunterhandlungen überhaupt gestimmt war und darin von einem Teil der Prädicanten bestärkt wurde. Hatte man diesen Leuten das Aufgeben des Widerstands gegen den Kaiser nur durch die feste Versicherung mundgerecht zu machen vermocht, dass in der Religion keine Aenderung daraus erfolgen werde; so musste jetzt die Weigerung des Kaisers, eine specielle Zusage hierüber zu geben, das höchste Misstrauen wachrufen, ein Misstrauen, das noch gesteigert wurde durch die Ausweisung Bernhard Occhino’s. Mit ihm war, so räsonnirte das Volk, nur der Anfang gemacht, bald würden die Prädicanten alle nachfolgen und dann der Bischof und die Clerisei triumphirend wieder einziehen. Da war ferner Sebastian Schertlin mit seinen Kriegsleuten. Der Kaiser wollte als äusserste Concession zugeben, dass er in die Schweiz „weg­ geschoben“ werde. Aber ob er sich nur so gutwillig wegschieben liess, ob ihn die Bürgerschaft mit seinen Kriegsleuten wegziehen liess, ihn, den letzten Hort gegen die kaiserliche Tyrannei, das war die schwierige Frage. Die (Korrespondenz der Stadt und

62 besonders Herbrots mit Anton Fugger gibt ein lebendiges Bild dieser Bedrängniss. Nachdem Fugger am 16. Januar das Vor­ rücken des kaiserlichen Kriegsvolks von Schorndorf her gegen die Donau zu gemeldet, ferner die vom Kaiser für die Friedenshand­ lung aufgestellten 11 Puncte mitgetheilt, * und der Rath auch auf andrem Wege am 18. Januar die Kunde vom Durchmarsch des Marquis von Marignano und des Hauptmanns Schnabel durch Geisslingen bekommen hatte, begann am 19. Januar der Brief­ wechsel ein beschleunigtes Tempo zu bekommen. Derselbe wurde durch reitende Boten, Metzgerbursche, vermittelt und zwar machten 'dieselben bei Tag und Nacht den Weg in der Regel so, dass binnen 24 Stunden die Antwort auf ein Schreiben in den Händen des Absenders war. Im entscheidenden Augenblick musste sich aber der rechtsgelehrte Rat Dr. Peutinger selbst zu Pferd setzen, um persönlich die Beschlüsse des Rats an Fugger zu überbringen. In zwei aufeinanderfolgenden Tagen, den 21. und 22. ritt er nach tJlrn und wieder zurück, um alsbald nach seiner Rückkehr einer Ratssitzung beizuwohnen. „Bin so stark geritten, schreibt er, dass ich auf die Stund noch nit gehen kann.“ Auf die ersten Briefe Fuggers vom 19. und, 20. aus Esslingen und Geisslingen schreibt am 21. Januar * Es sind folgende: 1) Ergebung auf Gnade und Ungnade. ^ 2) Aufsagung des Bundes mit Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen und ihren Anhängern. Verpflichtung, künftig kein Bündniss gegen Kaiser und röm. König einzugehem 3) Aufnahme einer Besatzung, die der Kaiser der Stadt ordnen wird. 4) Unterordnung unter die von Kaiser und Reich verordneten Gerichte und Beitrag zur Unterstützung derselben. 5) Die Ansprüche und Forderungen des Röm. Königs, des Cardinais von Augs­ burg und anderer durch die Stadt zu Schaden Gekommener werden Vor­ behalten. ^ ; 6) Sie sollen den Feinden des Kaisers, den Anhängern der Fürsten von Sachsen und Hessen keinen Aufenthalt in der Stadt gestatten. 7) Sie sollen nicht gestatten, dass einer ihrer Bürger oder Unterthanen in Dienst der Feinde des Kaisers in oder ausser dem Reich trete, auch Frem­ den, die sich dahin begeben wollten, den Durchpass nicht gestatten. 8) Diejenigen, die als Anhänger des Kaisers sich von der Stadt gethan, sollen weder offen noch heimlich irgendwie beschädigt werden. 9) Erneuerung des Huldigungseids. 10) Der Kaiser behält sich vor, die Strafsumme nach Vermögen der Stadt zu massigen und dessen, was hierüber gehandelt worden, zu gedenken. 11) Die Stadt verpflichtet sich allem, was der Kaiser dem Reich und deutscher Nation zu nutz anordnen wird, zu gehorsamen.

63 Mittags Herbrot, Abends zwischen 8—9 Uhr der engere Rat, dann Bürgermeister und Baumeister für sich und endlich um 9 Uhr wieder Herbrot , also 4 Briefe, abgesehen davon, dass am selben Tag Peutinger mit mündlichen Aufträgen noch abgesandt wurde. Es handelt sich besonders um 2 Punkte, die Einlegung einer kaiserlichen Besatzung und die Ausschliessung Sebastian Schertlins von. der Versöhnung. Beides erscheint unerträglich. Unermüdlich wird Fugger beschworen beide Punkte wegzubringen, denn nie werde Rat und Bürgerschaft ihre Zustimmung dazu geben. Her­ brot mahnt, Fugger solle ja nicht sparsam sein mit Verehrungen, er, Herbrot wolle sichs selbst 1000 fl. kosten lassen, oder es möge kosten was es wolle, er werde es nicht blos verantworten, sondern auch zahlen helfen. Der „teure Mann,“ der kein gewöhnlicher Mann sei, sondern beim Kriegsvolk und den Bürgern in höchster Gunst stehe, „der dem Kaiser viel besser anstünde in seinem Dienst als in dem Frankreichs“ muss in die Versöhnung ein­ geschlossen werden, es wäre Schimpf und Schande nicht blos, sondern auch die schwerste Gefahr für Augsburg, wenn man ihn verdrängen wollte. Ebenso soll sich Fugger verwenden für den „teuren Mann,“ Bernhard Occhino, der ja gewiss bei seinem Predigtamt bleiben und keine Bücher mehr schreiben wolle. Er soll sich ferner ver­ wenden für den „armen ehrlichen Mann“, den Neuburgischen Rent­ meister Arnold, Herbrots Freund, der durch den Krieg um all das Seinige gekommen. Und endlich müsse das Kriegsvolk abgewendet werden, denn wenn dieses käme, so brauchte man nicht erst auf das völlige Verderben der Stadt zu warten, dasselbe wäre dann schon da. Die Bürgerschaft würde sich durch die Anwesenheit kaiserlicher Kriegsleute fortwährend beleidigt fühlen, es würde alle Augenblicke zu Schlägereien kommen, die Prädicanten würden sich nicht mehr sicher fühlen und fortziehen — alles gienge zu Grunde. Am besten wäre es, wenn der Kaiser die jetzt in der Stadt befindlichen Knechte sammt ihrem Hauptmann, dem Schertlin in seinen Eid und Dienst nähme. Wenn aber viel, namentlich fremdes Kriegsvolk der Stadt auferlegt werden sollte, „so würde es bei meinem Herrn stehen, ob sie lieber die Feinde in der Stadt oder draussen haben wollen.“ Fugger sucht zu trösten: der Kaiser bestehe auf der Einlegung von Kriegsvolk blos um der Reputation willen, damit es nicht scheine, als ob er blos aus Bedrängniss Frieden mit Augsburg geschlossen habe, sondern dass man, „weil diese die weitbertihmteste Stadt deutscher Nation sei,

64 „in Frankreich, England, Italia, Ungarn und Polen und in Türkei „davon müsse hören sagen, dass Ir. May. diese Stadt mit Gewalt „inne habe.“ Herbrot aber erwiderte ihm, für die Reputation des Kaisers wäre es viel besser, wenn er Grossmut walten liesse, dann würde Augsburg nicht blos gezwungen sich unterwerfen, sondern Gut und Blut, ja den letzten Tropfen seines Herzbluts mit Freu­ den für ihn einsetzen. Der Kaiser blieb jedoch taub für solche Anrufung seiner Grossmut. Am 23. und 24. Januar sandte Fugger 2 Briefe, welche als Ultimatum betrachtet werden mussten. Die Armee war einst­ weilen in Ulm angekommen und bereit, die Donau zu überschreiten. Mit Mühe hatte Fugger noch einen Aufschub ausgewirkt, um Augs­ burg Zeit zum entscheidenden Entschluss zu lassen. Der musste aber gefasst werden. Noch 40 Stunden wollte der Kaiser vom Mittag des 24. Januar an warten, wenn bis dahin die Stadt sich nicht bedingungslos und auf Gnade und Ungnade ergeben hätte, so würde die Acht gegen sie ausgesprochen, und sie sollte zum Exempel für die ganze deutsche Nation „blutig gezüchtigt werden. In den beweglichsten Worten bat Fugger, sie möchten doch nachgeben, damit nicht um eines Mannes (Schertlins) willen eine so herrliche Stadt ganz und gar- verderbt werde. „Der Allmäch„tige wolle sein Gnad und Geist in eure Herzen geben, damit „diese Stadt in Ir. May. Gnaden und in Ruh komme, das schreib „ich meinethalb ganz herzlich guter Meinung, als der sein Vater­ land gern in aller Wohlfahrt sähe, dann ich die Sach anderst „nit kann aufschieben.“ In Beziehung auf das Kriegsvolk, dessen Zahl, die Dauer der Besatzung, in Beziehung auf die Kriegskostensumme, auf die Be­ handlung von Burtenbach, überhaupt in allen Punkten müsse man eben Seiner May. Gnade vertrauen, auf Zusicherungen lasse sich der Kaiser nicht ein. Wenn man aber sich vertrauensvoll unter­ werfe und demütige, dann seien nachträglich, wie er aus Andeu­ tungen schliessen dürfe, bessere Bedingungen zu erwarten, als man jetzt verhoffe. Diese tröstliche Aussicht, die sich übrigens nicht verwirk­ lichen sollte, gab in Augsburg den Ausschlag. Noch am 23. Jan. hatte man von Schertlin einen Plan zur Verteidigung der Stadt ausarbeiten lassen, (Herberger Schertlins Briefe S. 208 ff.) worin unter andern verzweifelten Massregeln die Niederbrennung von Göggingen, Pfersee, Oberhausen, Stadtbergen und andern um­ liegenden Dörfern anempfohlen wird. Die Aussicht, die Fugger

68 eröffnete, dass man mit dem Kaiser "doch noch am Ende zu besserem Austrag der kritischen Punkte gelangen könnte, hielt Augsburgs Bürgerschaft vom Aeussersten ab. Nachdem Fuggers erster Brief in der Nacht angekommen, wurden um 4 Uhr Morgens die 13 des engern Rats, um 5 Uhr der kleine und um 6 Uhr der grosse Rat zusammenberufen. Bis nach Mittag dauerten hier die Debatten; während derselben brachte Herbrot in geheimer Unterredung mit Schertlin diesen so weit, dass er sich bereit erklärte, die Stadt zu verlassen, wogegen die Stadt sein Gut Burtenbach mit der Verpflichtung übernahm, ihn für alle Verluste schadlos zu halten. Wegen dieses diplomatischen Erfolgs beglückwünschte der Bürger­ meister Hans Welser seinen Collegen Herbrot als den Retter der Stadt; später hat Herbrot gerade um dieser Verhandlung willen von Seite des Kaisers genug Anfechtung erleiden müssen. Der Rat beschloss in Anbetracht, dass die Stadt nicht mächtig genug sei, einem so gewaltigen Herrn wie der Kaiser mit ihren unvollständigen Befestigungen zu widerstehen und in der Zuversicht, dass nach Fuggers Zusage Milderung der 2n bedenklichen Artikel nachträglich zu erwarten sei, unverzüglich Gesandte an den Kaiser zum Fussfall abzuordnen. Es war allen den leitenden Männern ein Stein vom Herzen, als dieser Beschluss durchgesetzt war. Diesen Eindruck bekommt man recht lebendig aus der Flut von Briefen, die an demselben Tag an Fugger abgesandt wurden und sich mit seinem zweiten Ultimatum kreuzten. Da wird ihm zunächst unmittelbar nach der Sitzung vom kleinen und grossen Rat der Beschluss mit­ geteilt und die Erwartung ausgesprochen, dass die Einlegung von Kriegsvolk mit Geld abgekauft werden könnte, wie denn einige Aeusserungen des duca d’Alba zu solcher Hoffnung berech­ tigen. Peutinger, der schon um 7 Uhr Morgens einen Boten mit der Nachricht von dem Entschluss des kleinen Rats abgesandt, schreibt um 2 Uhr einen zweiten Brief voll Freude „Gott hat es wohl gemacht, ma patientia.“ Zur selben Stunde schreibt Hans Welser; ihm sind von Anfang die ganzen Händel leid gewesen, und er hat als Bürgermeister viel Mühe und Arbeit gehabt; jetzt reut ihn dieselbe nicht „da diese edle Stadt, als einsteils Ihr. May. Seckel, unverderbt bleibt.“ Und Herbrot sendet zwei Briefe, einen um 3 Uhr in grosser Eil und einen um 6 Uhr. Er ist der Sorgenvollste. Ihm will es nicht in den Kopf, dass Schertlin definitiv aus Augsburg wegziehen soll, obgleich er selbst ihn dazu vermocht. „Diejenigen, die den teuren Mann wegdringen, thun

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66 das Aergste.“ Er wäre der kais. und kön. May. viel ntitzer in Augsburg, als in Frankreich.“ Auf alle diese Meldungen erwidert Fugger schon am 25. früh vor 5 Uhr mit dem Ausdruck seiner Freude und der Mahnung, man solle als Vorredner der Gesandten einen Mann schicken, der recht beweglich zu reden verstehe, denn es brauche „keine doctorische oder besonders scharfe Red, sondern die geeignet sei, recht Mitleid zu erwecken.“ Die Gesandten: Marx Pfister, Conrad Mair, Sebastian Seitz, Georg Hopffer und Dr. Peutinger kamen am 27. nach Ulm und thaten am 29. im Namen der Stadt den Fussfall vor dem Kaiser, wobei Dr. Peutinger die Anrede hielt, in welcher auf ausdrück­ liches Verlangen des Kaisers die Erklärung gegeben wurde, dass die Stadt in die jetzige Kriegshandlung zum Teil verführt worden sei, zum Teil aus Unverstand geirrt habe. Unmittelbar darauf wurde sie vom Kaiser zu Gnaden angenommen, auch durch ein Edict dies bekannt gemacht und Befehl erlassen, die mit Arrest belegten Güter der Augsburger Bürger frei zu geben. Auch an seinen Bruder Ferdinand, sowie an den Cardinal von Trient erliess der Kaiser dieselbe Aufforderung. Doch dauerte es noch lang, bis dieser Punct erledigt wurde, zuletzt mussten die Augsburger, wie in allem, mit Verehrungen am kaiserlichen und königlichen Hof und mit Zahlungen an den Bischof von Trient nachhelfen. Mit dem Fussfall und der Aussöhnung war eben überhaupt keineswegs alles abgethan, sondern die schwierigen Verhandlungen begannen erst jetzt. Die Geldzahlung, die Einlegung kaiserlichen Fussvolks, die Auslieferung der Thorschlüssel an den kaiserlichen Obersten, die Entschädigungsansprüche, die von allen Seiten erhoben wurden, waren ebensoviele „schwarze Punkte.“ Dem Bürgermeister Herbrot Hessen die Sorgen keine Ruhe, er schreibt 2, 3 Briefe jeden Tag, ja Nachts um 2 Uhr „es treibt ihn Tag und Nacht herum;“ es thut ihm der Kopf so weh, dass er kaum schreiben kann; der Gedanke, dass unter seiner Verwaltung die Stadt in solches Verderben kommen soll, lässt ihm keine Ruhe. Dazu die unzufriedene Haltung der Bürgerschaft, der er sich speciell verantwortUch fühlt. Er ergreift jeden Strohhalm der Rettung hoffen lässt. So, als die Stadt Lindau einen Gesandten, Pappus, nach Augsburg geschickt hat, um sich wegen der Aus­ söhnung mit dem Kaiser zu erkundigen, meint Herbrot, Fugger solle dem Kaiser zu Ohren bringen, dass der Rat von Augsburg die Lindauer zur Unterwerfung gemahnt habe und auch die Costnitzer dazu mahnen wolle, damit der Kaiser daraus die gute Ge-

67 simrang Augsburgs ersehe und das Kriegsvolk erlasse. Leider vergebens. Denn die Lindauer und Constanzer haben zu gleicher Zeit schon Botschaft an den kaiserlichen Hof geschickt, so dass den Augsburgern ihr Verdienst um die Unterwerfung beider Städte wieder vorweggenommen ist. Anton Fugger mahnt in seinen Briefen dagegen, Herbrot solle ljicht so kleinmütig sein, es werde sich alles machen, die Kriegsknechte hat er unter ihrem Obersten Bernhard v. Schäuenberg gesehen „er hat seine Leut unter ihm, doch mögen sie nit all so züchtig wie die Jungfrauen sein.“ Der Rat von Augsburg solle nur sorgen, dass die Prädicanten auf der Kanzel gegen die kaiserliche Majestät und die Obrigkeit nichts sagen; dem gemeinen Mann solle man zusichern, dass er bei seiner Keligion bleiben dürfe, „aber darob muss ein Rat stark halten, dass sie beim Wein und sonst nit wider Ihr. Maj. reden, lieber den Wein für sich selbst austrinken.“ Solche Mahnungen zeigen, dass die Sor­ gen Herbrots wegen der Stimmung der Bürgerschaft und der protestantischen Geistlichkeit keineswegs unbegründet waren, wie denn auch später, als das kaiserliche Kriegsvolk wirklich einzog, (im Februar) die Bürgerschaft sich so gereizt zeigte, dass von einer Verstärkung der Besatzung die Rede war und dieselbe nur durch die Bemühungen der Bürgermeister bei dem Obersten von. Schauenberg hintertrieben wurde. Um dieser schwierigen Stim­ mung willen liess der Rat schon am 27. Januar durch Herbrot die Prädicanten zu behutsamem Auftreten ermahnen und forderte zugleich durch ein Edict die Bürgerschaft zur Ruhe auf. Die Bürger sollen überzeugt sein, „dass ein kleiner und grosser Rat bis auf diese Stund nichts andres gedacht, gehandelt noch angenommen hat, als bei erkannter Wahrheit, bei der reinen Lehre des Worts Gottes und bei allen Freiheiten, Rechten, Würden und Ehren dieser Stadt zu bleiben.“ Alle Angehörige der Stadt, Ratsfreunde, Bürger, Prädicanten und Diener seien in die Ver­ söhnung eingeschlossen und können ungefährdet bleiben. Der Rat habe Frieden geschlossen um „weiter Blutvergiessen und Ver­ derben vieler Unschuldigen in der Stadt und auf dem Lande zu verhüten.“ „Dass aber die Sach nit nach Willen und Gefallen ergangen, das hat ohne Zweifel nichts andres, denn unser sündlich Leben gegen Gott den Allmächtigen verursacht. Damit denn der Zorn Gottes gestillt und abgewendet, sind vor Jahren und seither vielerlei Beruf, Gebot und Verbot geschehen, dass sich männiglich der schweren Uebertretung und Laster wider Gottes Gebot ent-

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halten sollt; was aber für Frucht daraus erfolgt, und was der langwierig Kriegslast für Besserung gewirkt, ist leider vor Augen; denn seien Gotteslästern, Ueberfüllen, Trunkenheit, Ehrabschneiden, Uebelreden, Uebelwollen und-gönnen, Vehassung, Ungeduld und drgl. je gemein gewesen, so sind sie jetzt leider in Schwang. Darum will ein ehrsamer ßat hiemit zu Buss und Besserung, auch zu Geduld und Abstellung des Uebelwollens und Nachredens der Obrigkeit ernstlich ermahnt und erinnert haben“ bei Androhung gebührlicher Strafe. Nächst der Einlegung von Kriegsvolk, welche am 16. Februar zur Thatsache wurde, bildet die dem Kaiser zu bezahlende Geld­ strafe und die Aufbringung der erforderlichen Summen seit An­ fang Februar einen stehenden Artikel in der (Korrespondenz mit Fugger. Auch hier giengs, wie mit den andern Punkten. Was man in Augsburg als äusserstes Anerbieten ansah, wurde am kaiserlichen Hof mit Hohn zurückgewiesen und Fugger nebst den Gesandten der Stadt mochte noch so rührend die Verarmung der Stadt, ihre schlimme Lage, die Besorgniss dass gerade die reichsten Bürger ausziehen werden, Vorbringen, der Kaiser blieb unerbittlich, aufgehetzt durch Feinde der Stadt, die ihm einflüsterten Augs­ burg könne mit Leichtigkeit 200,000 fl. (soviel betrug des Kaisers Forderung) aufbringen., Fugger bot erst 100,000 fl. und wurde darob hart angefahren, dann 130,000 endlich 150,000 fl. darauf wurde eingegangen, aber für den Nachlass von 50,000 fl. ver­ langte der Kaiser 18 Stück Kanonen mit dazugehörigen Kugeln und Pulver in kriegsmässiger Ausrüstung. Das Geld wollten die Augsburger in 3 Raten und in Terminen von je 6 Monaten zahlen, allein der Kaiser bestand darauf, dass 100,000 fl. binnen 10 Tagen vom 9 Februar an und der Rest von 50,000 fl. binnen Monats­ frist erlegt werden musste, weil er das Geld zur Bezahlung seines Kriegsvolks brauchte. Wegen der Kanonen erhob sich ein neuer Anstand: wenn die Stadt Augsburg dem Kaiser Geschütz zum Kampf gegen ihre frühem Bundesgenossen lieferte, so musste sie darob die ärgsten Vorwürfe und Feindseligkeiten befürchten. Herbrot fleht Fugger an, er möchte einen Ausweg finden, vielleicht so, dass die Geschütze als ein Geschenk, welches er, Fugger, aus eignem Antrieb dem Kaiser verehre, vor der Welt ausge­ geben werde. Fugger geht darauf ein, und endlich wird auch diese Angelegenheit geregelt. Wir glauben ihm aber gern, wenn er schreibt: hätte er vorher gewusst, wie die Sachen zugehen werden, so hätte er sich zweimal besonnen, denn die Gesandten

69 und er seien am Hof so behandelt worden, dass es einen „billig soll unlustig machen.“ Ohne sein hilfreiches Eingreifen wäre die Stadt in die bitterste Verlegenheit gekommen. Und doch erntete er bei der Bürgerschaft nicht den Dank, den er verdiente. Nachdem er gleich Anfangs 50,000 fl. zum Teil aus dem Ertrag seiner Bergwerke in Tirol vorgestreckt und weitere 30,000 fl. zu bezahlen sich bereit erklärt hatte, verlangte man statt der letz­ teren von ihm 60,000 fl. und später noch getraute er sich nicht nach Augsburg zurückzukehren, weil er fürchtete, dass man über seine Kräfte von ihm borgen wollte. Auch machte man ihm dem Kaiser gegenüber von Augsburg aus seine Sache schwer durch die Zähigkeit, womit man um jeden Artikel sich wehrte. Man be­ handelte die Angelegenheit, wie mans von den Reichstagen her gewöhnt war , wo die Gesandten der Reichsstädte immer auf der Hut sein mussten, dass man ihnen von den Lasten nicht zu viel aufbürdete. Jetzt aber hatte man sich, wie Fugger dem Rat oft ins Gedächtniss zurückrief, einmal dem Kaiser ergeben und war in seiner Macht trotzdem hängte man sich oft an Kleinigkeiten, oder zeigte sich in solchen Puncten, wo durchaus nichts auszurichten war, hartnäckig. So wollte man sich weigern, dem vom Kaiser gesandten Commandanten Bernhard v. Schauenberg die Schlüssel der Stadtthore auszuliefern, obgleich Fugger mehrmals schrieb, dass dies Widerstreben den ohnedies „schiechen“ Kaiser nur erbittern und zu beschwerlicheren Forderungen reizen könne. Ein anderes Bei­ spiel betrifft die Geldangelegenheiten. Man hatte dem kaiserlichen Gesandten bei einer Zahlung unter anderm 4645 Ducaten zu 106 Kreuzern und eine Summe von Kronen zu 93 Kreuzern gerechnet. Die Gesandten hatten die Münzen zu diesem Curs nicht annehmen wollen und man hatte ihnen Erstattung des Fehlenden zugesagt. Nun schrieben desshalb die Bürgermeister an Fugger, er solle beim Herzog von Alba die Annahme des Golds zu obigem Curs durch­ setzen, oder Ducaten und Kronen sich wieder herausgeben lassen und dafür einen Wechsel ausstellen. Dies war zu einer Zeit, wo es sich bei der Verhandlung wegen der Strafsumme um 100,000 fl. mehr oder weniger handelte. Ein andermal hatte Fugger dem Herzog von Alba, damit er wegen des Kriegsvolks sich verwende, unter der Hand ein Geschenk von 3000 fl. zugesagt. Um der Sache eine anständige Form zu geben, sollte ein Trinkgefäss von Gold in obigem Wert verehrt werden. Fugger schrieb, dasselbe brauche durchaus nichts „Krummes oder Getriebenes“ zu haben,

70 es solle ganz einfach sein, denn die Hauptsache sei der Geldwert und es werde doch wohl gleich eingeschmolzen werden. Herbrot aber fand, ein so schweres Trinkgefäss, zumal mit Wein gefüllt, würde sich kaum aufheben lassen; er schlug vor, zwei oder drei leichtere machen zu lassen, schickte verschiedene Zeichnungen, nach denen sie gearbeitet werden sollen, schlug vor, das Wappen des Empfängers anbringen zu lassen und zog damit die Sache so in die Länge, bis am Ende Fugger ärgerlich erwiderte, man scheine ihn nicht verstanden zu haben, es handle sich um nichts Feines, wenns der Goldschmied nicht fertig bringe, sollen sie es durch den Kupferschmied schlagen lassen, zwei Gefässe dürfen es nicht sein, sonst käme es bei der Ueberreichung heraus, als ob man ihm eins davon schenken solle, Wappen brauche es nicht, denn es werde doch nicht viel daraus getrunken, sondern dasselbe bald zusammengeschlagen werden. Endlich wurden die Unterhandlungen mit dem Kaiser zu einem Abschluss gebracht, die Stadt zahlte 150,000 fl. wovon Fugger im Ganzen 80,000 fl. Herbrot 20,000 fl. vorstreckten, an den dazu abgesandten Alonso Portiglio; Bat und Bürgermeister leisteten den kaiserlichen Commissarien Dr. Marquardt und Graf Friedrich von Fürstenberg von neuem den Huldigungseid, statt der anfangs verlangten 18 Stücke Geschütz bekam der Kaiser 12, „4 canoni grossi, 4 canoni und 4 colobrinidem Herzog v. Alba wurden 4 Stück „Büchsen“ mit dazu gehöriger Munition zum Geschenk gemacht, nachdem er, wie sämmtliche Herrn am Hofe des Kaisers viele Tausende als „propina“ bekommen (diese Ge­ bühren und Geschenke mögen wohl soviel als die dem Kaiser bezahlte Strafsumme ausgemacht haben). Dann kamen nach ein­ ander alle, die im schmalcaldischen Krieg durch Schertlins Züge Schaden erlitten. Vergebens hatte der Bat durch Fugger zu erlangen gesucht, dass diese Schadenansprüche, da sie den ganzen Schmalcaldischen Bund angi engen, auch auf alle Bundesstände umgelegt werden müssten, die Betreffendeu hielten sich mit Be­ willigung des Kaisers speciell an Augsburg. So musste die Stadt dem Bruder des Kaisers, König Ferdinand für Beschädigungen in der Markgrafschaft Burgau und an der Ehrenberger Clause 100,000 fl. zahlen, der Herzog von Bayern bekam, hauptsächlich wegen eines auf Schertlins Befehl gehängten Landsberger Bür­ gers 20,000 fl. abgesehen davon, dass er das von der Stadt über­ nommene Burtenbach als verfallenes Lehen einzog, dem Cardinal Otto zahlte man 95,000 fl., dann kamen die Klöster alle, dann

71 Hans Baumgartner, der um des Kaisers willen seiner Vaterstadt bittrer Feind geworden war; des Zählens war kein Ende. Auch die Erfahrung, dass wer den Schaden hat, für den Spott nicht sorgen darf, blieb den Augsburgern nicht erspart. Denn von dem bischöflichen Hofgesind mussten sich die Ratsherrn, als sie auf die kaiserliche Pfalz zu Grast geladen waren, sagen lassen: „liebe Herrn, seid fröhlich und leben wohl, denn ihr haben diese Mahl­ zeiten wohl bezahlt.“ *) Die Ankunft des Cardinais in Augsburg, am 18. Juli rief, abgesehen von seinen Geldforderungen, auch die Besorgniss wegen der Religion wieder wach. Wohl hatte der Kaiser in Ulm wieder­ holt geäussert, man solle seinen beim Ausbruch des sehmalcaldischen Kriegs gegebenen Versicherungen, dass er niemand von der Reli­ gion dringen wolle, vertrauen. Aber auf eine bestimmte Zusicherung hatte er sich nicht eingelassen. Und als der Rat einmal eine Garantie für die Nichtwiederkehr des Bischofs und der Clerisei verlangte, hatte Fugger dringend gebeten, nicht eine Sache anzu­ rühren, an die jetzt niemand denke, damit nicht der Kaiser daran erinnert und so vielleicht gerade das bewirkt werde, was man verhüten wollte. Jetzt war der Cardinal Otto da, und er war nicht der Mann, der lange unbeachtet bleiben konnte. Wenige Wochen vorher hatte Herbrot in einem Schreiben dagegen protestirt, dass ausser der Wohnung des Commandanten, des Obersten v. Schauenburg irgendwo Messe gelesen würde, weil sonst die Prädicanten fortziehen würden, dann hatte der Rat in der Stille die S. Anna und die Dominikanerkirche für den katholischen Gottesdienst einräumen lassen auf die Nachricht von der bevor­ stehenden Ankunft des Kaisers; alsbald aber hatte der voraus­ gesandte Granvella die Domkirche und die von S. Ulrich in An­ spruch genommen, und als der Kaiser kam, mussten die Prädicanten froh sein, dass sie tiberhanpt noch predigen durften. Im Juni 1547 noch wollte der Rat dem Cardinal alles, was er und das Kapitel in der Stadt besass, ablcaufen, um ihn so aus der Stadt gewissermassen hinauszukaufen, weil sonst wie Herbrot an Fugger schreibt, zu befürchten, „dass die Pfaffen herein und dagegen die Religion sollte hinaus verschafft werden.“ Fugger riet ab; „dem Cardinal sehe es nicht ungleich, als werd’ ein solcher Ver­ kauf je länger-, je minder geschehen; und wenn der Kaiser von dem Project erführe, so könnte er leicht sagen: „sie stecken noch *) Vorbereitung eines erbareu Rate der Stadt Augsburg 1556,

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voll Geld.“ Ein Jahr später hatte Cardinal Otto durch das In­ terim die Jurisdiction und Verfügung über alle Kirchen, Klöster und Kapellen in der Stadt, ausser den dem Kat gehörigen, und wieder drei Jahre später wurden fast alle die Prädicanten, vor deren Abzug Herbrot so oft bange gewesen, aus der Stadt gejagt, weil sie nicht nach dem Interim predigen wollten. Die Augsburger Bürgerschaft sollte also in ihrem Misstrauen gegen Carl V. Recht behalten. Die trotz der unzähligemal wie­ derholten dringenden Bitten Herbrots fortgesetzte Weigerung Fuggers, seinen Aufenthalt in der Stadt zu nehmen, wurde dahin ausgelegt, dass er selbst dem von ihm zustande gebrachten Aus­ gleich mit dem Kaiser nicht traue. Als, die bevorstehende Ankunft des Kaisers und die Aus­ schreibung eines Reichstags nach Augsburg bekannt wurde, rief diese Botschaft nur Schreck und Bestürzung hervor. Auch hierin sollte Fugger helfen, versuchen, ob er den Kaiser nicht zur Wahl eines andern Ortes bringen könnte. Natürlich konnte davon keine Rede sein. Am 23. Juli 1547 zog Carl V. in Augsburg ein mit vielem spanischem und anderm Gefolge, so dass der Zug 4 Stunden währte. In demselben ritten der Reichsmarschall v. Pappenheim, der Car­ dinal von Augsburg, dann 3 Bürgermeister Georg Hörwart, Simprecht Hoser und Jakob Herbrot sammt ihren Söldnern alle in Schwarz, dann ein reisiger Zeug in gelb und blauem Sammt und Harnischen, neapolitanische Reiter, dann ein Zug mit schwarzen Harnischen und Spiessen, genannt die schwarzen Reiter — dann 10 Fähnlein Knechte „vast wohl gebutzt“ etc. etc. Schwer wurde jetzt die Bürgerschaft mit Einquartierung be­ drückt. Das Regiment des Bernhard von Schauenburg; die bis­ herige Besatzung, um deren Abstellung so oft und viel geschrieben worden war, wurde jetzt beurlaubt, aber an ihre Stelle traten jetzt die spanischen Kriegsleute,' und wenn man über jene geklagt hatte, dass sie „durch grosse Unzucht, Frevel und mutwillige Worte sehr lästig fallen“ so wäre man jetzt- an ihnen froh ge­ wesen. Denn die Spanier benahmen sich wie wilde Bestien, trotzdem der Kaiser zur Abschreckung für sie und für das viele schlimme Gesindel, was sich in die Stadt hereingezogen hatte, mitten auf dem Perlach ein Schaffot und vor dem Rathaus einen Galgen errichten liess. ' Die Verhandlungen des Reichstags brachten, wie bekannt, für die Reichsstädte eine Reihe von Demütigungen. Ueber die

73 wichtigsten Beratungsgegenstände wurden sie eigentlich gar nicht gehört, so in Beziehung auf das Interim, die neue Kammer­ gerichtsordnung, den Landfrieden; man begnügte sich, ihnen die Beschlüsse des Churfürsten- und Fürstencollegiums vorzulesen ohne auf ihre Bedenken und Proteste zu achten; oder der Kaiser schüchterte sie durch harte Drohungen so ein, dass sie vom Protest abstanden. Die Periode der einflussreichen reichsständischen Stellung der Städte war vorüber, die fürstliche Gewalt absorbirte sie mehr und mehr. Carl Y. .aber scheint es als seine specielle Aufgabe betrachtet zu haben, das Bürgertum in seine Schranken zurück­ zuweisen. Da nun jene/ Periode selbständigen Auftretens der Städte zusammenfällt mit der der zünftischen Regierung, so war es nur eine Consequenz der allgemeinen Haltung Carls gegen die Städte, wenn er dem zünftischen Regiment besonders ungünstig gesinnt war. In Augsburg kam dazu die scharf ausgeprägte Stellung der Zünfte in der religiösen Frage, der Einfluss den die democratische Gestaltung des Stadtregiments auf die Beteiligung am schmälcaldischen Bund geübt. Also bereitete sich ein Sturm gegen das zünftische Regiment in Augsburg und gegen dessen damaligen Hauptvertreter, gegen Herbrot vor. Die Vorzeichen waren lange schon zu bemerken. Schon in den Ausführungen die Dr. Claud. Peutinger für Anton Fugger zur Benützung bei seinen Verhandlungen am Hof 'aufsetzte, ist mehrfach die Democratie als die Ursache unbesonnenen, ungestümen Vorgehens genannt. Auch sonst scheint schon damals von patricischer Seite der Kaiser darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass die Opposition gegen die kaiserliche Sache ihre Hauptursache in dem Vorwiegen des zünftischen Einflusses habe. Der spätere patricische Rat ver­ wahrt sich in seiner „Vorbereitung gegen Georg Östereiches“ (Herbrots Vetter und Freund) gegen diese Beschuldigung, gibt aber zu dass wohl einige, die an Ehre und Gütern durch den zünftischen Rat geschädigt worden, in diesem Sinn beim Kaiser gewirkt haben mögen. Dies würde auf Baumgartner hinweisen. Von Anton Fugger ist es nicht wahrscheinlich. Herbrot schreibt ihm einmal, es seien solche Gerüchte über ihn im Umlauf, er halte sie „für verstunken und verlogen“, worauf Fugger antwortet, er wolle seinen Kopf geben, sowie man ihm etwas dergleichen nachweisen könne. Er war, wenn gleich nichts weniger als ein Freund der zünftischen Verfassung (wie er denn von Herbrot unter der Hand ziemlich abschätzig, als von dem „Pelzmann“

74 redet) doch zu loyal und auch zu bequem, um sich gerade für Augsburger Verfassungssachen heftig zu interessiren. Genug, der Kaiser wartete nur auf die Verkündigung und Einführung des Interims, welche bei der Bürgerschaft gehässige Massregel er noch dem bisherigen Rat überliess, ab, um dann zu der wohl längst beschlossenen' Aenderung des Regiments zu schreiten. Zuvor bekam Herbrot die besondere kaiserliche Un­ gnade zu fühlen. Er wurde den 18. Juni 1548 in, die kaiserliche Pfalz citirt, dort vor den Räten Dr. Hase und Dr. Marquard, ferner vom Bischof von Augsburg und Bischof von Arras empfangen und ihm trotz seines Sträubens ein Eid darauf abgenommen, dass er auf alle im vorzulegenden Fragen die Wahrheit sagen wollte. Dann wurde ihm eine Reihe von Fragen, teils seine eigenen, teils die Handlungen des zünftischen Rats betreffend auf einem Zettel übergeben und er in ein von Trabanten bewachtes Zimmer geführt. Auf seine Weigerung einer augenblicklichen Antwort verlangte man von ihm eine Bürgschaft von 60,000 fl. dass er „weder Leib noch Gut verrücken wolle“, bis er sich vor dem Kaiser verantwortet hätte., Auf seinen Eid liess man ihn endlich Weggehen. Aber gleich darauf liess ihm der Bischof von Arras durch seinen Secretär sagen, der Kaiser wolle sich mit 50,000 fl. binnen 4 Tagen zahlbar begnügen. Herbrot berief sich auf den Aus­ söhnungsbrief, worin für alle vergangenen Handlungen des Rats und seiner Verordneten ohne Ausnahme Amnestie ausgesprochen, der Rat sandte auch auf das Gutachten der Rechtsgelehrten eine Deputation an Granvella, um gegen den Erpressungsversuch (denn als etwas andres lässt sich das Verfahren der kaiserlichen Räte nicht bezeichnen) zu protestiren. Vergebens: man liess sich mit den Abgesandten des Rats gar nicht auf Unterhandlung ein, das einemal hiess es, der Kaiser sei jetzt nicht in Augsburg an­ wesend, man könne nichts ausrichten, ein andermal: es seien nur 4 Räte versammelt, man müsste es erst den andern ansagen lassen. Einstweilen verhandelte man unter der Hand mit Herbrot und gab sich schliesslich mit 25,000 fl. zufrieden. Herbrot hatte also nicht umsonst in seinen Briefen an Anton Fugger sich so lebhaft dafür interessirt, dass Augsburg nicht zum Ort des Reichstags auserkoren werde, er hatte auch nicht umsonst besorgt, dass die persönliche Anwesenheit des Kaisers eine unwiderstehliche Ver­ suchung zu einem Eingreifen in die städtische Verfassung mit sich bringen werde. Wenn der Kaiser seiner ganzen Denkweise

75 nach schon, dem zünftischen Element, als einem demokratischen abhold sein musste, so lag man ihm auch noch von patricischer Seite in den Ohren, man erinnerte daran, wie die Patricier stets kaiserlich gewesen, wie einst vor 1368 „die lieben alten Räte aus den alten ehrlichen Geschlechtern“ die Stadt als rechte Hirten regiert, wie nur „der Ehrgeiz und die Gott gehässige Unlust gegen den ehrlichen Geschlechtern,“ Ursache gewesen zum Sturz des rechtmässigen Regiments und zum Aufkommen der zünftischen Herrschaft, die nichts „als ein selbstgewachsen Unkraut“ „weil es ja zu allen Zeiten schlechte ehrgeizige Menschen gegeben die aus Eigennutz gegen Gottes heilige Ordnung sich empört.“ (alle diese Stellen aus der „Vorbereitung eines Rats gegen die nichtig auch unbegründet und grob Anklag des Oesterreichers.“) Was bei Kaiser Carol des vierten Leben Die Handwerker den Geschlechtern genommen, Ward ihnen mit Ehren wiedergeben Durch Kaiser Carol den fünften, Frommen. Der Kaiser blieb nach Beendigung des Reichstags und nach Abreise der meisten Fürsten speciell zu diesem Zweck noch einige Zeit in Augsburg. Der zünftische Rat musste noch das Interim verkünden, die nötigen Aufforderungen an die Bürgerschaft erlassen, am 2. August den für die Stadt höchst beschwerlichen Vertrag mit dem Cardinal Otto, wodurch dessen geistliche Juris­ diction wieder hergestellt wurde, unterzeichnen, dann konnte er gehen. Am 3. August 1548 liess der Kaiser die Bürgermeister, den kleinen und grossen Rat, sammt allen Beamten und Dienern der Stadt, dazu etliche besonders ansehnliche Bürger zu sich for­ dern und ihnen durch den Dr. Seid (der zuvor als Gesandter der Stadt am Hof und im Lager des Kaisers verweilt, und nament­ lich die Aussöhnung Sebastian Schertlins zu betreiben gehabt hatte) mündlich Vorhalten: Seine Vorfahren und namentlich die Kaiser aus dem Haus Oestreich haben von jeher die Stadt Augs­ burg mit Gnaden, Freiheiten und Privilegien ausgestattet, vor allem habe des Kaisers Ahnherr Maximilian sie erhöht und ihr seine gnädigste Neigung zugewandt, so dass, so lange die Stadt in der kaiserlichen Majestät Gehorsam erhalten, dieselbe an Ehren und Gut dermassen zugenommen habe, „dass wenig ihres gleichen in der ganzen teutschen Nation zu befinden gewesen.“ Bald nach Sr. Maj. Regierungsantritt sei aber bei den Bürgern allerlei Spaltung und Missverstand eingerissen, wodurch das bürger­ liche gegenseitige Vertrauen in Hass und Neid verwandelt, dazu

76 auch die ganze Commune mehr und mehr vom Gehoi^am. gegen den Kaiser abgewandt worden sei. Unter der Bürgerschaft sei „grausame Empörung entstanden, nachmals wunderbarliche und „erschreckliche Veränderung des Regiments und der Obrigkeit“ — „folgends allerlei geschwinde Praktiken untergelaufen“ — bis „zuletzt in Eil der jämmerliche Last über den Hals gewachsen, „darein die Stadt erst bei diesen Jahren kommen“ und es sei also „der Stadt Abfall und Schmälerung des gemeinen Nutzes „dermassen erfolgt, dass wenn nicht durch Gottes Gnade und „zeitlichen Rat Abhilfe geworden und solcher Unrat auf künftig „verhuetet wurde, der Stadt völliger Untergang zu gewarten „wäre.“ Aus alter Liebe zu der Stadt wolle der Kaiser dazu thun, dass der Unrat abgeschafft werde und sich in den alten glückseligen Stand verwandle. Dazu müsse aber die Wurzel des Uebels abgegraben werden. Alles Uebel aber sei durch Gottes Verhängniss aus ausserordent­ lichem Regiment und Verwaltung der Obrigkeit entsprungen. „Es sind eine gute Zeit her unerfahrene, untaugliche Leute in grosser Zahl im Rat gesessen, die sich doch sonst viel besser auf ihre Handarbeit und täglichen Erwerb, als auf die Regierung besonders in einer so ansehnlichen, herrlichen Commune verstan­ den.“ Daraus haben sich 2 Nachtheile ergeben: 1) haben diese Leute aus Ungeschicklichkeit und Unvertraulich­ keit mit den Geschäften, auch wenn sie es gut gemeint, mit ihrem Verstand nicht ausgereicht und haben in Folge davon entweder in ihren Ratschlägen „an andern Leuten hangen“ müssen oder für sich selbst die Sachen verpfuscht, . 2) sind sie dabei in ihrem Geschäft heruntergekommen, es war ihnen höchst beschwerlich, dass sie zu etwas gebraucht wur­ den, wozu sie untauglich waren. Der Kaiser könnte noch andere schlimme Dinge aufführen, wolle aber, weil er die ganze Sache mit väterlicher Milde betreiben möchte, für jetzt davon schweigen. Aus obigen Ursachen wolle der Kaiser Rat und Obrigkeit ändern und bessern „nach seinem ihm von Gott verliehenen Ver­ stand und fleissig gehabter Nachforschung.“ Also seien vor allem die vom grossen und kleinen Rat und alle Offiziere und Amtleute der Stadt ihres Dienstes entlassen, ohne dass dadurch der Stadt Herkommen, Freiheiten, Privilegien geändert, auch ohne dass dadurch die Abgesetzten an ihrer Ehre irgendwie verkleinert

77 werden sollen, vielmehr wolle sie der Kaiser in seinem Schutz und Gnade behalten, empfehle auch der neu einzusetzenden Obrig­ keit, sie in allen bürgerlichen Angelegenheiten zu schützen, wofür er auch erwarte, dass diese .Personen seine gütige Absicht dank­ bar anerkennen. Darauf wurden die Namen der neu eingesetzten Räte ver­ lesen;' jeder Verlesene musste vortreten und sich Sr. Mt. unterthänig präsentiren. Keiner sollte sich entschuldigen, nicht einmal die Ablehnung des 80jährigen Conrad Rehlinger wurde angenom­ men. Nachdem dieselben beeidigt waren, wurde die Aemterverteilung vorgenommen, wobei zugleich in der Ordnung des Stadtregiments bedeutende Aenderungen eintraten. Vor allem wurde die Zahl der obern städtischen Aemter vermehrt und die­ selben ausschliesslich den Geschlechtern Vorbehalten. An die Spitze des städtischen Regiments kamen jetzt 2 Stadtpfleger, welche alle Geheimnisse, der Stadt Geld, Privilegien, kleine Siegel und Ein­ nehmeramt bei ihren Händen haben und des Rats Häupter und Vorgeher sein sollten.“ Ihnen wurden 5 „Zusätze“ als Beistände zugeordnet, die mit den Stadtpflegern fortan den geheimen Rat zu bilden hatten. Statt der bisherigen 2 Bürgermeister wurden 6 eingesetzt, von denen je 2 vier Monate lang das Amt verwalten sollten mit gegen früher bedeutend beschränkten Befugnissen, (sie durften nur, wenn es die Stadtpfleger für notwendig hielten, den Rat einberufen), diese alle, sowie die 3 Bauherrn und 3 Einnehmer sollten nur aus den Geschlechtern oder den Mehrern genommen werden. Ebenso wurde der kleine Rat von 21 auf 41 Mitglieder, worunter 31 Patricier, 8 von den Mehrern und 7 von der Gemeinde, ver­ mehrt. Die Regierung der Stadt war also fortan ganz ausschliess­ lich in den Händen der Patricier. Selbst in dem grossen Rat, der erst am 27. Januar 1549 durch den kaiserlichen Commissär Herrn v. Liera reorganisirt wurde, war das zünftische Element in der Minorität, indem von 300 (statt der bisherigen 69) Mit­ gliedern nur 137 von den Handwerkern neben 43 von den Herren, 37 von den Mehrern und 83 Kaufleuten genommen wurden. Eine so ausgiebige Beteiligung des Patriciats am Stadtregiment war nur möglich in Folge jener einst, 1538 durch den zünftischen Rat durchgeführten Erneuerung und Vermehrung der Geschlechter, gegen die damals von patricischer Seite so viel Widerspruch erhoben worden war. Auch so noch gieng es nicht ohne Aemterhäufung und man musste, wie ein dem zünftischen Regiment sonst

78 nicht hold gesinnter Chronist sagt, sehen, „dass Vater, Sohn, Bruder und Tochtermann im Rat beieinander sitzen.“ Die neueingesetzten Räte wurden vom kaiserlichen Commissär ermahnt, besonders die heilige Religion und den Gehorsam gegen den Kaiser und das Haus Oestreich vor Augen zu haben, die abgesetzten mussten Schlüssel, Siegel, Briefe und Canzlei der Stadt alsbald den neueu Stadtpflegern überantworten und diejenigen, die mit öffentlichem Geld zu thun gehabt, wurden darauf ver­ pflichtet „weder Leib noch Gut aus der Stadt zu verrücken,“ bis ihre Rechnungen von dem neuen Rat geprüft wären. Allein man begnügte sich nicht mit dieser Ausschliessung des zünftischen Elements aus dem Stadtregiment; wohlwissend, welche erbitterte Stimmung sowohl wegen der politischen, als der reli> giösen Massregeln unter dem weitaus grössten Teil der Bürgerschaft herrschte, suchte man den Widerstand zu brechen durch Auflösung der zünftischen Organisation überhaupt. Aus kaiserlicher Macht­ vollkommenheit wurden die Zünfte für aufgehoben erklärt, den Zunftmeistern und Vorgehern geboten, „alle Freiheiten, Privile­ gien, Ordnungen, Verträge und briefliche Urkunden der Zünfte auszuliefern; alle ferneren Zusammenkünfte wurden bei Strafe Leibes und Lebens verpönt, die Zunfthäuser, ebenso die Kaufleute­ stube verkauft und den Erlös daraus (im ganzen 36,000 fl.) sowie die eingezogene Baarschaft der Zünfte nahm der neue Rat in seine Verwaltung. Nur das Weberhaus und Metzgerhaus die man für gewerbliche Zwecke nicht entbehren konnte, sowie das Loder­ haus und Fischhaus, die von jeher dem Rat gehört hatten, entgiengen dem Schicksal der andern. Nachdem der Kaiser so die Augsburger Bürgerschaft, die ihm zu trotzen gewagt, gründlich gedemütigt, reiste er von Augs­ burg ab am 13. August und entliess auch den grössten Teil des Kriegsvolks, das bisher der Stadt unsäglich zur Last geworden. Dass ein Mann wie Herbrot von allen diesen Ereignissen am schwersten betroffen werden musste, ist begreiflich. Nicht nur, dass er, der, wie ein Pasquillant ihm vorwirft, gleich einem Kaiser in Augsburg gewaltet, jetzt mit seinem Anhang von allem Einfluss auf die städtischen Angelegenheiten verdrängt war, von allen Seiten erhoben sich ihm Feinde und Bedrängnisse. Nachdem die kaiserlichen Räte ihm, wie oben erzählt, schon eine bedeutende Summe abgenötigt, machte nun auch der neue Rat einen Process gegen ihn anhängig wegen der Verwendung der zum Zweck der Aussöhnungsunterhandlungen ihm zur Dispo-

79 sition übergebenen städtischen Gelder, ein gewisser Leonhard Beck von Beckenstein, dem er an Zahlungsstatt für eine Schuld sein neugebautes schönes Haus am Weinmarkt genommen hatte, erwirkte eine eigene Commission, um eine Klage auf Herausgabe des Hauses zu verhandeln. In beiden Fällen wusste Herbrot Hecht zu behalten. Aber auch die Geldgeschäfte giengen misslich. Landgraf Philipp und Churfürst Johann Friedrich, seine Schuldner waren Gefangene des Kaisers (durch eine Ironie des Schicksals musste er den Kurfürsten gerade ein Jahr, nachdem er ihm so hoffnungsvoll ins Lager bei Donauwörth entgegengeritten, wieder begrüssen, als derselbe von 400 Spaniern escortirt nach Augsburg gebracht wurde.) Um eine Forderung von 24,000 Thalern an den letztern sicher zu stellen, musste er neue 24,000 Thaler geben, wofür ihm dann die Stadt Leipzig sich verschrieb. Als der neu eingesetzte Rat dem kaiserlichen Commissär Hr. v. Liera auf der Herrentrinkstube ein prächtiges Banket gab, hatte Herbrot zum Trotz die Seinigen auf der Kaufleutestube kostbar bewirtet. Jetzt wurde aber auch die Kaufleutegesellschaft gemassregelt, ihr eigenes Haus verkauft, ihren Vorgehern ver­ boten, ohne Erlaubniss des Rats Versammlungen einzuberufen, ihnen ihre bisherige feindselige Haltung gegen die Geschlechter unter Androhung besonderer kaiserlicher Ungnade vorgehalten, auf Herbrot wurde hingewiesen als auf denjenigen, der durch seine Neuerungen und sein Bestreben, die Geschlechter zu unter­ drücken alle diese ungnädigen Massregeln veranlasst hätte. So war Herbrot isolirt und aller Mittel seines Einflusses beraubt. Aber zum grossen Aerger seiner Feinde verlor er den Muth nicht, liess sieh auch nicht, wie sie wohl gehofft, aus der Stadt drängen. Ja der gewandte weltkundige Mann wusste sich in dem Römischen König einen mächtigen Gönner zu verschaffen. Wahrscheinlich durch bedeutende Darlehen erlangte er von Ferdinand die Ernen­ nung zum röm. königl. Rat und die Erhebung in den Adelsstand. Seinem Sohn Hieronymus tibergab er die von ihm um 40,000 fl. erkaufte Herrschaft Retz in Oestreich; derselbe feierte in Wien mit auffallender Pracht seine Vermählung mit einem Freifräulein v. Hieburg und kam an den Hof König Ferdinands. Durch diese seine Verbindungen wusste es Herbrot dahin zu bringen, dass während des langen Reichstags vom Juni 1550 bis Februar 1551 er von spanischer Einquartierung, unter deren Uebermut nnd Mut­ willen alle davon Betroffenen schwer zu leiden hatten, verschont blieb. Wohl mag er nach Art eines Emporkömmlings pralerisch

80 diese seine Geltung und seinen Reichtum zur Schau getragen und so seine Feinde noch mehr herausgefordert haben. Nur so begreift sich die Wut, mit der er in einer Reihe von Pasquillen, die deut­ lich die Spuren ihres Ursprungs aus dem patricischen Lager an der Stirn tragen, angegriffen wird. (Ein Sammelband, Copien von einer Reihe solcher Schriften enthaltend, ist in der Bibliothek des historischen Vereins.) Herbrot gesteht hier in einem Gespräch mit seinem Vetter Georg Oesterreicher, dass er einen besondern Teufel habe, der ihm Nachts Ratschläge erteile, dem er dafür seine Seele verschrieben. Er habe die mächtigsten Herrn am kaiserlichen und königlichen Hof durch Bestechung zu Freunden. Nicht weniger als 80,000 fl. habe er dafür aufgewandt, ohne dass es ihn etwas gekostet, denn teils habe er die Geschenke, z. B. an den Herzog von Alba, an Granvella, aus dem Stadtsekel gemacht, oder haben ihm die Beschenkten dazu geholfen, Kleino­ dien an ihre Herrn um das Doppelte dfes Werts zu verkaufen. Wegen seiner Beteiligung am schmalcaldischen Kriege habe er sich gerechtfertigt dadurch, dass er am Hof alle Schuld auf das Volk geschoben, nach dessen Pfeife er habe tanzen müssen. Er habe Reden über die Bürgerschaft ausgestossen, die nicht bekannt werden dürften. „Es wäre dir besser gewesen, du hättest das Maul gehalten, denn mit dem gemeinen Mann ist nit allweg gut zu spassen, bedenke, wie dein Vater um viel geringerer Ursach willen von den Kürschnern ermordet worden.“ Dieser freundliche Wink des Pasquillanten wurde aber von der Bürgerschaft nicht beachtet, w'esshalb ein späteres Pasquill ihm durch den Teufel die Gabe verleihen lässt, jedermann so zu verzaubern und zu ver­ blenden, „dass über alles bös Geschrei, so von ihm ausgehen „würde, dennoch niemand sein müssig gehen, noch entschlagen „könnt,“ sich niemand dran stossen, sondern nichts destoweniger „alle ihm vertrauen und hinter ihm kommen sollen.“ Warum man ihn mit Recht hasse, das sei, weil er das schönste Haus und den schönsten Garten besitze und soviel Pracht treibe, und weil er es durch Bestechung dahin gebracht, dass er von der spanischen Einquartierung verschont geblieben, während solche, die von jeher gut kaiserlich und königlich gewesen, darunter leiden müssen. Herbrot beschwerte sich beim Rat über diese Angriffe, es wurde aber der Urheber derselben nicht heraus­ gebracht. Zeugniss derselben Stimmung gegen ihn ist eine von den meisten Chronisten mit ganz besonderer Genugthuung berich-

tete Klatschgeschichte des Inhalts, dass Herbrotweil er dem König Ferdinand einen geringen Pelz um teuren Preis anzuhängen versucht, vom König hart angefahren wird und dass derselbe seinem Sohn sagt: „du und dein Yater wären vor etlich Jahren henkenswert gewesen und ich schaff dir, dass du gleich von Stund an zu deinem Vater gehen und ihm alles sagen sollst.“ Die Bürgerschaft hatte die Veränderungen, die Carl V. vorgenommen, mit verbissenem Ingrimm über sich ergehen lassen, die Anwesen­ heit des kaiserlichen Kriegsvolks, die Auflösung der zünftischen Organisation, die Wachsamkeit des Rats, der die von ihm ein­ gesetzten Vorgeher verpflichtete, von allen widerspenstigen Reden oder Anschlägen augenblicklich Anzeige zu machen, Hessen es zu keinem gewaltsamen Ausbruch kommen, aber die vielen Berufe des Rats, die Strafandrohungen gegen Zusammenkünfte, gegen böse Reden, gegen Beschimpfung der Priester auf den Strassen geben Zeugniss von der herrschenden Stimmung, einer Stimmung, die durch das Benehmen der Spanier nicht sanfter wurde. War doch vor dem Mutwillen der fremden Kriegsknechte „niemand Herr noch Meister weder über Leib noch Gut, Weib noch Kind.“ Wurde doch von den Leuten des Prinzen Philipp der evangelische Gottes­ dienst bei S. Ulrich und S. Jacob durch Tumult aller Art, durch Ballspiel u. dgl. ungestraft gestört; ja die protestantische Kirche bei S. Ulrich im Innern gänzlich demolirt. Unter solchen Umständen muss es die Bürgerschaft Herbrot doppelt hoch angerechnet haben, das? er mehrere der am 26. Au­ gust 1551 vertriebenen evangelischen Prädicanten in demonstra­ tiver Weise noch bei sich beherbergte und beschenkte. Er muss auch sonst in Fühlung mit den einstigen Zunftmeistern und Rats­ mitgliedern, von denen kein einziger in den neuen Rat aufgenom­ men war, geblieben sein, denn sowie eine Wendung der Dinge eintrat, finden wir ihn auch als Wortführer und Vertrauensmann der Gemeinde wieder. Und diese Wendung der Dinge kam im Frühjahr 1552 durch die Erhebung des Churfürsten Moritz und seiner Verbündeten. Noch einmal scheinen die Zeiten des schmalcaldischen Kriegs wiedergekehrt, noch einmal bekommt die democratische, antikaiserliche und protestantische Strömung für kurze Zeit die Oberhand, aber von Anfang ohne das Selbstgefühl und die Siegeszuversicht jener frühem Zeit. Die Beteiligung Augs­ burgs an dem Aufstand der verbündeten Fürsten war für den Gang der Ereignisse von Wichtigkeit, denn nur dadurch wurde dem Churfürsten das rasche Vordringen nach Tirol ermöglicht.

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82 Augsburg gieng diesmal einen von dem der Schwesterstädte Ulm und Nürnberg getrennten Weg, denn beide letztem, wie wir ■ gesehen haben, schon im schmalcaldischen Krieg nicht in gutem Einvernehmen, blieben diesmal dem Kaiser treu. Dass aber Augsburg sich den aufständischen Fürsten anschloss, war das Werk einer Erhebung der Bürgerschaft, an deren Spitze Herbrot und sein Freund Georg Oesterreicher standen. Der patricische Hat hatte alles gethan, um die Stadt für den Kaiser zu erhalten. Schon in den ersten Tagen des März 1552 war der Rat durch einen kaiserlichen Brief auf die in manchen Gegenden Deutschlands stattfindenden verdächtigen Rüstungen aufmerksam gemacht und zu Yorsichtsmassregeln aufgefordert worden. Man hatte darauf 3 Fähnlein Kriegsknechte angeworben, bei den Ge­ schlechtern und Kaufleuten Umfrage gehalten, ob sie bereit seien, für die Verteidigung der Stadt einzustehen, ebendesselben Inhalts auch eine Aufforderung an die Bürgerschaft erlassen. Als das Heer der Bundesfürsten näher rückte, wurde eine Botschaft, wobei auch Anton Fugger, nach Innsbruck zum Kaiser gesandt, um Hilfe zu bitten, welche der Kaiser, obgleich er gar keine Truppen hatte, zusagte, wie er auch die Ulmer in einem Schreiben zum Ausharren ermunterte. Als Ende März das Heer der Fürsten schon bis Donauwörth vorgerückt war, erliess der Rat wieder einen Beruf, die ganze Bürgerschaft solle erklären, ob sie Gut und Blut zur Verteidigung der Stadt gegen den Unrat einsetzen wolle, der Kaiser sei das Oberhaupt von Gott, ihm müsse man treu sein, er habe brieflich versprochen, die Stadt nicht ohne Hilfe zp lassen. Im grossen Rat trug der protestantische Patricier Marx Ulstett vor, es gehe die Erhebung der Fürsten nicht für das Evangelium, sondern nur auf Raub aus. Markgraf Albrecht von Brandenburg habe schon Eigentum von Augsburger Kauf­ leuten weggenommen und wolle es nicht wieder -herausgeben, wenn der nach Augsburg käme, so würde er ärger hausen als die Türken. Er (Ulstett) wolle dem Kaiser die geschworene Treue halten, ohne sich darum vom evangelischen Glauben dringen zu lassen, aber das sei nicht der Weg. Um die Bürgerschaft zu1 gewinnen, wurde vom Rat verordnet, dass die evangelischen Schul­ meister die man zusammen mit den dem Interim widerstrebenden Prädicanten abgesetzt hatte, ihre Schulen wieder eröffnen und dass die Metzger auf den Palmsonntag schlachten durften. Diese Concessionen wirkten nicht mehr, schon hatte sich die Gemeinde durch Herbrot und Oestreicher mit dem Churfürsten Moritz in

83 Verbindung gesetzt. Zwar hat sich Herbrot später am 11. Mai 1552 durch die verbündeten Fürsten eine Urkunde ausstellen lassen, worin sie auf fürstliches Wort beteuren, dass er auf keine Weise weder öffentlich noch heimlich zu den „vor Augen schwebenden Kriegsrüstungen der kaiserlichen und königlichen Majestät zuwider practicieren helfen,“ noch die Kriegsfürsten bewogen, vor die Stadt Augsburg mit Heereskraft zu rücken, „noch zu solchem Thun weder Kat noch That mit Worten oder Werken je gegeben.“ Allein der dabei gemachte Zusatz, dass er das nicht „von seinet­ wegen“ gethan, hebt die Beweiskraft dieser Urkunde auf, Herbrot handelte im Namen der Gemeinde, allerdings hinter dem Rücken des patricischen Kats und die Sicherheit des Auftretens der Kriegsfürsten vor Augsburg, sowie der Inhalt ihres an Kat und Bürgerschaft erlassenen Briefs, worin sie über die Ver­ hältnisse in der Stadt, sowie über die Verfassungsfragen sich voll­ kommen orientirt zeigen, endlich ihr vertrautes Benehmen Herbrot gegenüber beim Einzug beweisen, dass si$ unter der Hand schon mit ihm verhandelt^ und sich von ihm über die Puncte, durch welche man auf die Bürgerschaft einwirken konnte, hatten unter­ richten lassen. Freilich seine Feinde giengen in ihren Anklagen viel weiter, sie legten Herbrot die ganze Schuld an dem Kriegs^ zug Moritzens bei. So heisst es in einem Schmähgedicht auf ihn: „Es hat der Bauer des Kaisers Feind Weil’s noch in Franken glegen seind Herauf von Schweinfurt .gladen. Das kommt alls leider offenbar Manchen frummen Mann in die Gefahr Seines Leibs und Guts in Schaden. Der Poffel und einfältig Häuf Ward durch ihn gewilliget auf Von Neuem abzufallen Wiewol die löblich Oberkait In Augsburg von der Ehrbarkeit Trug dessen höchsts Missfallen.“ Am 31. März 1552 rückte das Heer der Bundesfürsten ganz in die Nähe der Stadt und lagerte sich hinter Oberhausen 40 Fähn­ lein stark. Am nämlichen Tag noch kam ein Herold, der den Rat zur Uebergabe aufforderte, zugleich aber einen für die Ge­ meinde bestimmten Brief der Fürsten mitbrachte. Am Morgen des 1. April wurde die Aufforderung zur Uebergabe wiederholt. Der Rat, noch entschlossen zum Widerstand, bat sich Bedenkzeit 6*

84 aus, nahm aber inzwischen als Söldner an „was schier Stab und Stengen hat tragen können.“ Dann wurde die Bürgerschaft an verschiedenen Sammelplätzen zusammenberufen, die Hauptmasse im Barfüsserhof vom Stadtpfleger Heinrich Rehlingen aufgefordert sich zum Widerstand bereit zu erklären. Allein Jakob Herbrot und Georg Oestreicher traten nun auf und erklärten, sie haben und wissen keinen Feind, und verlangten, man solle der Gemeinde den Brief vorlesen, den die Fürsten für dieselbe hereingeschickt. Das musste geschehen. Der Inhalt dieses Briefes aber war folgender: „Dieweil alle ehrliebende Christen, auch diejenigen, so gemeine Ehr und Ehrbarkeit für sich selbs und von wegen der unschuldigen Jugend aller unsrer Nachkommen vor Augen haben, oder zu der alten, wohlhergebrachten Libertät und Freiheiten der Teutschen Will und Lust tragen, wissen und mehrersteils mit Schaden erfahren, in was Zwangsal, Jammers und Elends das geliebt Vaterland teutscher Nation etliche Jahr her gestellt; „also dass die Gewissen in beiden, Gottes und politischen Sachen ein­ gezäunt, alles ehrbare Regiment verändert und dermassen vor Augen seind, dass sich- auf heutigen Tag die Sachen dermassen ansehen lassen, als müsse man in allen Ständen unter das Joch und der lang gepracticierten Monarchie stattgeben, so ist demnach kein Zweifel zu haben, es sollen und werden alle hoch und niedern Standes, Mann und Frauen, auch geringen Verstandes den Vater aller Gnaden und Barmherzigkeit durch Christum unsern Herrn loben und preisen, dass er seinen heiligen Geist in die Herzen der Menschen gegeben und etliche hochlöliche Potentaten, Chur­ fürsten, Fürsten und Stände efweckt und denselben auch Herz und Gemüt verliehen hat, dass sie zu Handhabung und Beschützung aller Bekümmerten und Verdruckten und damit Gottes Ehr gefürdert, auch die alten Liebertät und Freiheiten der Teutschen recuperirt werden u. s. w. Auf dass nun das Werk den Meister lobe, so soll hiemit . der alt und neu Rat sammt einer ehrbaren Gemein der löblichen Stadt Augsburg wissen, dass allbereit etliche Churfürsten und Fürsten aus Liebe des Vaterlandes und gezwungener, unvermeidenlicher Not — mit Heereskraft endlich Willens sein — die alten Freiheiten wiederumb anzurichten und dann auch die gefangenen zween Fürsten ledig zu machen u. s. w. „Und wirdet freilich unter euch lieben ehrlichen Burgern keiner oder je gar wenige hie vor Augen stehen, welche sich wider Gott und sein heiliges, einigs seligmachendes Wort auf-

85 lehnen und auch Verhinderung thun, dass eure Prädicanten und wahre Religion nicht alsbald sollen wieder aufgestellt und angericht werden. . Zum andern werdet ihr euch sammt und sonderlich zu erinnern wissen, dass länger als vor 180 Jahren durch der Ge­ schlechter unordentliches Regiment die Stadt Augsburg in merk­ lich Verderben und Abnehmen gerathen, dass dazumal die Zünften aufgebracht und gerichtet, dass auch die von Geschlech­ tern der ganzen Gemein stattliche Brief und Siegel gegeben, dass sie bei der Verlierung Leibs und Guts darwider nicht handeln, noch andern zu thun gestatten wollten, welche Brief und Verpflichtung je die Gemein zu Absetzen des alten Regi­ ments aus Schaffung kaiserl. Maj. Gewalts der neuen Regierung von Geschlechtern überantworten müssen, ungeachtet, dass alle Kaiser, auch der jetzige, vermeldets Regiment der Gemein confirmirt und bestättigt, dazu unangesehen, dass bei Regierung der Geschlechter die Stadt verdorben, aber bei der Gemein Regiment beides, in äusserlichen und gottseligen Sachen in aller Wohlfahrt gestanden, aber nicht desto minder sind die Zünften abgethan unverwirkt, ' unverhört und an ihrer Statt wider' Recht und Gerechtigkeit ein parteilicher neuer Rat ge­ ordnet, welche zu ihrem Vorteil mit Verdrückung Gottes Wort und guter, gemeinnütziger Policei regieren, dadurch die ehrbare Gemein von ihren wohlhergebrachten Freiheiten unbillig spoliirt und gedrungen worden-. Zudem wissent ihr, geliebten Bürger, wie wohl man euch an der Capitulation eures Vertrags und vermeinte Begnadung Ver­ pflichtung gethan, euch bei der wahren Religion und Freiheiten bleiben zu lassen und zu schützen, dass man doch so wenig, als andern begegnet, euch gehalten, sondern darüber euren Prädi­ canten neben Veränderung der christlichen Schulen das heilige römische Reich frevenlich wider Gott und die Billigkeit verboten — und sich dahin erklärt hat, dass weder Zusagen noch Ver­ pflichtung, sondern allein die gewaltigen Herrschung und Ver­ drückung der Armen soll statt haben.“ (Wenn sie vermeinten sich neutral halten zu wollen, so wür­ den sie damit nicht nur in der Zwangsal ihres vermeinten neuen Regiments bleiben, sondern auch sich selber den G; Denn das Verderben würde über den Unschuldigen Schuldigen herdinbrechen) „denn es ist den löbliche’ Fürsten glaublichen angelangt, als sollten sich di

86 neuen Rats erboten und verpflichtet haben, bei dem Gegenteil Blut und Gut bis auf den letzten Mann durchzusetzen.“ Darum haben die Verbündeten „diesen Handel und der löb­ lichen Stadt Augsburg Wesen und Herkommen, und wie grausam gegen ihnen gehandelt worden, mitleidenlicher zu Herzen und Ge­ müt gezogen und sind geneigt, da ihr euch anderst selbst wollt helfen lassen und die Zeit eurer Ledigung denken, also dass ihr euch mit Oeffnung, Hilf und Beistand und Fürschub zu ihnen den Fürsten und ihren Mitverwandten schlagen und halten werdet, dass sie euch in den vorigen Stand eurer Freiheiten stellen, das vorig Regiment und Zünften wiederumb anriehten und dermassen mit Gnaden bei euch zusetzen,, dass kein Teil von dem andern weichen, noch sich ausschliessen, sondern bis auf den letzten Mann bei einander halten sollen.“ „Man ist auch zu diesem Werk mit Geld und aller Notdurft gottlob dermassen gefasset, dass man mit Gottes mächtiger Hilfe den Krieg beharren und den Beschwerden verhoffentlich Endschaft machen kann, zudem, dass man in allweg ratsam sein will, mit Christo zu leiden und ein ruhiges Gewissen und seliges End zu erwählen, weder bei dem Gegenteil eine geringe Zeit zergänglich Wollust zu haben.“ (Endlich werden die Bürger ohne Zweifel sich gern an der Befreiung der gefangenen Fürsten und Herstellung der Würde des Reichs beteiligen) „und da ihr euch diesem Begehren gemäss halten, so werdet ihr neben Gottes Belohnung euch selbst und gemeinem Vaterland dienen, auch Schutz, Schirm und Handhabung eurer Freiheiten erlangen; wo nit, und (fass ihr lieber unter der Zwangsal sein wollt, so ist es eben der Weg, dardurch ihr für euch und eure Nachkommen zu noch mehrer Straf und Beschwerde und Verderben geraten werden, welches doch dem hochlöblichsten König (von Frankreich), Potentaten, Chur- und Fürsten auch allen Christenleuten entgegen wärA Der allmächtig gütig Gott wolle euch Augen und Herzen verleihen, damit ihr zu diesem allgemeinen Werk als getreue, ehrliche und mannhafte Leute und geborne Alenianni christlichen Güter Förderer und nicht Hinderer erfunden werdet etc. Gegeben im Feldlager bei Donauwörth. Unterschrieben von Markgraf Albrecht zu Brandenburg und Landgraf Wilhelm zu Hessen im Namen der andern Verbündeten, am letzten März 1552. Nach Verlesung dieses Briefs, in dem die Stimmung der Bür­ gerschaft in Beziehung auf die Religion und das Stadtregiment

87 aufs geschickteste benutzt war, zeigte sich eine solche entschiedene Haltung der Gemeinde, dass der Rat jeden Gedanken an Wider­ stand aufgab und sich in Unterhandlungen einliess. Noch wurde jede Zunft aufgefordert, durch gewählte Vertrauensmänner aus ihrer Mitte ihre Meinung dem Rat kund zu geben. Einstweilen erbat der Rat von den Fürsten Aufschub. Die Nacht über brannten auf den öffentlichen Plätzen die Feuerpfannen und wurde von be­ waffneten Bürgern Wache gehalten. Am 2. April versammelte sich schon um 4 Uhr der Rat um die Vertrauensmänner der Zünfte anzuhören, dann ritten 2 Abgesandte des Rats, Hans Vöhlin und Ulrich Hieber, denen sich als Botschafter der Gemeinde Jakob Herbrot und Oesterreicher anschlossen, nebst dem Dr. Claudius Peutinger hinaus ins Lager der Fürsten. Nachmittags kehrten sie zurüek mit den Abgesandten der letztern, dem Herrn v. Hei­ deck und Graf Friedrich von Castel, welche sich bei Herbrot einquartierten. Nachdem dem Rat Bericht erstattet worden, wurden die Bürgermeister und einige Herren vom Rat zu Herbrot geladen und während des Abendessens wurde der Vertrag abge­ macht. Zur Feier des Abschlusses bekamen dann die beiden Abgesandten ein Züberlein Fisch und 16 Kannen mit Wein im Namen der Stadt verehrt. Am 3. war Stillstand, während dessen ein Teil des Heeres der Verbündeten um die Stadt herum auf bayerisches Gebiet nach Friedberg weiterrückte. An diesem Tag fiel auch das ein­ zige Opfer, welches die gauze Handlung erforderte. Es kam nämlich ein Landsknecht aus dem fürstlichen Lager bis an den Stadtgraben, „da haben die von der Mauer geschrien, er solle sich hinwegmachen, da hat er ihnen die schnell Feigen geboten, auch den Hintern gegen ihnen aufgereckt, da hat einer an den Hauptmann begehrt, dass er ihn lasse einen Schuss thun, das er ihm gewährt hat und hinausgeschossen und ihn über und über geschossen, also ist dieser einig Mann vor dieser Stadt um­ kommen, es ist auch sonst nie kein Schuss hinausgeschehen, auch von ihnen herein nie keiner.“ (Aus den Aufzeichnungen des Ratschreibers Hector Mayer.) , Am 4. April rückten 4 Fähnlein von den Truppen der Fürsten in die Stadt, während zugleich am entgegengesetzten Ende durch das Göggingerthor das vom Rat angeworbene Kriegsvolk, 3000 Mann, hinauszog bis Inningen, wo es andern Tags abgelohnt und abgedankt wurde. Am Abend ritten die Fürsten, Moritz von Sachsen, Markgraf Albrecht und Landgraf Wilhelm von Hessen



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mit grossem Gefolge ein und erhielten ihre Quartiere angewiesen, Churftirst Moriz bei Herbrot. Npn trat eine vollständige Umwandlung und zwar, bezeich­ nend, zugleich in der Verfassung und in den kirchlichen Verhält­ nissen ein. Das erste war die Wiederherstellung der Zünfte. Dieselben wurden am Morgen des 6. April zusammenberufen, um nach altejn Brauch wieder Zunftmeister und Vorgeher zu "wählen. An der Spitze der neugewählten Zunftmeister begab sich Herbrot aufs Rathaus, um mit dem bisherigen patricischen Stadtregiment zu verhandeln. Das letztere trat zurück, und es wurden alsbald wie vor 1548 durch Wahl die Aemter besetzt und zwar wieder 2 Bürgermeister, worunter ein patricischer, 3 Baumeister, 3 Ein­ nehmer und 2 Siegelherrn, dann wurde am 7. April der übrige Rat vollends gewählt und zwar so, dass derselbe im ganzen aus 15 patricischen und 40 zünftischen Mitgliedern bestand. Bemer­ kenswert bei diesen Verhandlungen ist die versöhnliche Haltung der Zünftischen; Sie erboten sich freiwillig die Zahl der patrizischen Ratsmitglieder, von 12, wie sie vor der Aenderung gewesen, auf 15 zu erhöhen, die der. „Zusätze“ aus den Zünften zum kleinen Rat von 17 (die Zahl der Zünfte) auf 6 zu vermindern „um die Geschlechter den dienstlichen, unterthänigen Willen der Zünfte vermerken zu lassen, damit sich beeder Teil Gemueter und Herzen nähner zusammen richten und also fürohin in Ruh, Fried und Einigkeit neben und mit einander leben möchten.“ (Ratsdecrete.) Die Patricier nahmen mit Versicherung guten, freundlichen Willens dies Anerbieten dankbarlich an, doch hielt es schwer, einen von ihnen zur Annahme der einen Bürgermeisterstelle zu bewegen. Heinrich Rehlinger, der bisherige Stadtpfleger, verbat sich die Wahl, weil, er um der Religion willen beim gemeinen Mann verhasst sei, man habe gesagt, er sei ein Götzendiener, man sollte ihm ein Rappier durch den Leib stossen. Endlich nahm Anton Rudolf von den Patriciern die AVahl an, aus der Gemeinde wurde Jakob Herbrot zum Bürgermeister und Georg Oesterreicher zum Bauherrn gewählt. Somit war alles wieder in den Stand ge­ setzt, wie zur Zeit des schmalcaldischen Kriegs. Der Rückschlag auf die kirchlichen Verhältnisse liess nicht lange auf sich warten. Hatten einst die Spanier den Gottesdienst in den protestantischen Kirchen gestört, so tliaten jetzt die Kriegs­ knechte der verbündeten Fürsten dasselbe in den katholischen. Inj. Dom stellte sich ein Landsknecht mit einer Geige hinter den Priester am Altar und fieng, wie dieser dass Allerheiligste empor-

89 hob, zu geigen an, während andere wüsten Lärm erhoben. Dann als das Capitel um bewaffneten Schutz bat, um ungestört Ostern feiern zu können, wurde es mit dieser Bitte abgewiesen und ermahnt, sich ruhig und eingezogen zu halten. Den Deputirten wurde vor­ gehalten, ob sie nicht wüssten, was die Fürsten gesagt hätten: „sie wollten ihnen raten, dass sie von ihrem Gaukelspiel abstehen, damit sie nicht in grössere Gefahr kämen.“ Den Abschluss dieser Feindseligkeiten, machte die Schliessung des katholischen Gottes­ dienstes und das Verbot der Messe. Dass die protestantischen Geistlichen sich nicht mehr an das Interim halten durften, ver­ steht sich von selbst; ein Teil der das Jahr zuvor vertriebenen wurde zurückberufen. Alle diese Aenderungen waren ins Werk gesetzt durch die anwesenden Bundesfürsten, wenn sie auch dem Willen der Mehrzalil des Augsburger Bürgerschaft entsprachen. Die Stellung des neueingesetzten Rats und Regiments war daher immer eine pre­ käre, denn wer garantirte dafür, dass es nicht wieder wie im schmalcaldischen Krieg gehen, dass des Kaisers überlegene diplo­ matische Klugheit nicht wieder die Anfangs mächtigeren Aufstän­ dischen doch zuletzt zu Paaren treiben würde. Auf den Kaiser hoffte auch die unterlegene Partei in der Stadt. Als Churfürst Moritz auf dem Rathaus dem Herbrot auf die Achsel klopfte und scherzte: „das ist der erst Bürgermeister, den ich zu Augsburg gemacht hab“ musste, er von einem Patrizier die Antwort hören: „wie wann aber der Kaiser einen Hifepanier gen Plassenburg setzen würde.“ Das Gefühl der Unsicherheit, das die-wieder in Besitz der Herrschaft gelangte Partei schon am Anfang niederdrückte, spricht sich in einer Reihe von Handlungen aus. So liess sich Herbröt neben dem oben schon angeführten Zeugniss der Bundes­ fürsten auch vom Rat am 3. Mai eine Urkunde ausstellen des Inhalts, dass er die Capitulation nicht aus sich selbst, sondern auf des „jetzigen und gewesenen Rats und der Gemeinde fleissig An­ suchen und Bitt auch mit des Rats gutem Vorwissen, Geheiss und Befehl“ um der Stadt Verderben zu verhüten, unterhandelt (der spätere patricische Rat sagt in seiner „Vorbereitung“ über dieses Zeugniss, es sei nicht besser als ein vom Hehler dem Stehler ausgestelltes.) Auch für die Fortdauer des zünftischen Regiments suchte man nach Garantien. So kamen am 9. April die Fürsten Moritz, Albrecht und Wilhelm von Hessen nebst dem französischen Botschafter in die

90 Ratssitzung und proponirten die Aufrichtung eines feierlichen von Zünften und Patriziern zu beschwörenden Vertrags (wie er 1368 geschlossen worden war) behufs Aufrechterhaltung des neugeord­ neten Regiments der Stadt. Die Patrizier aber wussten geschickt diesen Vertrag zu hintertreiben, indem sie zunächst an den für den Kaiser beleidigenden Ausdrücken in dem Entwurf Anstoss nahmen, dann aber gegen eine Einmischung der Fremden in die städtischen Angelegenheiten an das patriotische Gefühl auch der zünftischen Ratsmitglieder mit Erfolg appellirten, so dass Herbrot den Fürsten die Antwort überbringen musste, der Rat hätte sich wegen aller Angelegenheiten schon unter sich verglichen, man müsse also für ihre Bemühungen danken. Ein späterer Versuch, den Herbrot noch im letzten Moment, am 11. Juli machte, durch einen förmlichen Vertrag die zünftische Regierung zu sichern, scheiterte ebenfalls an der beharrlichen Weigerung der Patrizier, die damals in der Person des Kaisers schon den Retter und Rächer herannahen sahen. Ueberhaupt wurden Herbrot und die Seinigen der neuerlangten Macht nicht froh auch abgesehen von der Furcht vor dem Kaiser. Vor allem machte sich der verbannte und jetzt in französischem Sold stehende Sebastian Schertlin unbequem, in­ dem er durch den König von Frankreich und die Bundesfursten eine für die Stadt höchst beschwerliche Entschädigungsforderung wegen Burtenbach (für das ihm bei seiner Flucht der Rat erst 4000 fl. bezahlt hatte) im Betrag von 78,500 fl. betreiben liess. Der um seinen Besitz übermässig besorgte Mann kümmerte sich so wenig um die früheren Beziehungen zu der Stadt und erkannte so wenig deren eifrige Bemühungen um seine Aussöhnung mit dem ■ Kaiser an, dass er sogar auf Beschlagnahme Augsburgischen Kauf­ mannsguts in Frankreich drang. Dann gestalteten sich die Ver­ hältnisse zu den beiden Schwesterstädten Nürnberg und Ulm peinlich. Beide Städte hielten zum Kaiser, Nürnberg schon lang mit Markgraf Albrecht verfeindet und von demselben auf alle Weise drangsalirt, Ulm in Erinnerung an den schmalcaldischen Krieg und dessen Erfahrungen. Nun sollte Augsburg erst den Fürsten Geschütz und Munition gegen Ulm liefern, und als es sich dessen aus nachbarlicher und reichsstädtischer Gesinnung weigerte, bekamen die Augsburger das undankbare Geschäft, durch eine Botschaft,' an deren Spitze Herbrot stand, Ulm zur Unterwerfung zu bereden. Der Auftrag misslang vollständig und brachte den Unterhändlern nur den Hohn der Gegner ein. In einem zu Ulm ausgegangenen Lied heisst es hierüber:

91 Als Augsburg dies vernähme (dass die Fürsten Gesehnt« Schickten sie bald herein uncl Munition verlangten.) Aus ihrem Rat vier Manne, Die wollten Mittler sein, Meinten, wir sollen uns geben Wie sie dann hant gethan Das war uns gar nit eben, Kein Mensch sollt es erleben, Zu Grund wollten wir ehe gan. Als die von Augsburg horten, Dass ein Rat nit wollt thon Nach ihren glatten Worten Da gaben sie zu verstohn Man thät aus Frankreich bringen wohl hunderttausend Maun, Damit man uns wird zwingen, mit grossem Gschütz umbringen es wird uns übel gan. Meinten, mit solchen Worten, wollten sie uns schrecken thon Wann wir sollichs horten, wurden wir uns geben schon Sie meinten wir sollten weichen von unserm geschwornen Eid Zu der Krone in Frankreichen, auch zum Mauritzen dessgleichen dass sie uns brächten in Leid. Die Ulmer setzten den Widerstand fort, obgleich ihre Um­ gebung von dem Wüterich Albrecht auf grauenhafte Weise zer­ stört , ja ihnen gedroht wurde, er wolle im Fall der Eroberung der Stadt kein Mannsbild, so über 7 Jahre, leben lassen. Die Stadt bekam vom Kaiser Unterstützung durch den bewährten Conrad von Bemmelberg mit einem Regiment Landsknechte und 350 Reitern. Nürnberg, durch unmenschliche Verwüstung seines Gebiets und Beeinträchtigung seines Handels mürb gemacht, schloss Frieden mit Markgraf Albrecht und seinen Verbündeten. Wieder mussten Gesandte von Augsburg und den andern der Capitulation beigetretenen Städten den Frieden vermitteln helfen. Aber die Bedingungen desselben fielen so hart für Nürnberg aus, dass auch hier Augsburg für seine Bemühungen schwerlich Dank geerntet hat. Und endlich brachte das Verhältniss zu den Fürsten viel Missliches mit sich. Einem nach Augsburg zusammenberufenen Städtetag wurden von den Fürsten starke Geldforderungen vor­ gelegt. Augsburg sollte nämlich 9 Römermonate zahlen, oder 600 Pferde und 10 Fähnlein stellen. Vergebens berief sich der Rat darauf, dass in seiner Capitulation mit den Verbündeten hie-

92 von nichts stehe, vergebens stellten die Abgesandten Georg Oesterreicher und Marx Pfister den Fürsten die Verarmung der Stadt durch den schmalcaldischen Krieg vor und die Gefahr des kaiserlichen Zornes, wenn, was Gott verhüte, der gegenwärtige Krieg missglückte. Der hessische Kanzler erwiderte: im schmal­ caldischen Krieg hätten andere noch viel mehr verloren und eben um das Verlorene zu holen und damit die deutsche Nation nicht gar unterdrückt werde, führe man den gegenwärtigen Krieg. Das Geld solle zum Nutzen der Stadt verwendet werden, unter ihrer Controle, sie sollte daher nicht allein sich absondern und Zwietracht verursachen. Der Kat bewilligte eine Summe, die 6 Kömermonaten entsprach, beschloss aber ausdrücklich, das Geld dürfe nicht als Romzug oder als irgend eine Kriegsbeisteuer, sondern nur als Ehren- und Gnadengeld angesehen und benannt werden und es solle nicht in Augsburg, sondern an einem andern Ort niedergelegt werden. Zugleich wurde an den Kaiser geschrieben und ihm vorgestellt, dass die Stadt keineswegs gegen ihn feindlich gesinnt, dass sie zu der Capitulation, sowie. zur Unterstützung der aufständischen Fürsten nur durch die äusserste Not gezwungen worden sei. Man traute also den Verbündeten nicht, weder in Beziehung auf ihren Erfolg, noch auf ihren guten Willen. Als nach Anknüpfung der Passauer Verhandlungen Moritz sein Heer aus Tirol zurückzog und bei Augsburg lagerte, wurde ihm sein Begehren, eine Besatzung in die Stadt zu legen, abgeschlagen und der Rat warb selbst ,Kriegsvolk an und liess die Bürger sich bewaffnen, nicht gegen den Kaiser, wie man durch einen Botschafter, Heinrich Rehlingen am Hof in Innsbruck versichern liess, sondern um im Notfall mit Gewalt dem Ansinnen der Fürsten sich widersetzen zu können. Ebenso wurde im August Moritzen ein Anlehen von 15,000 Thalern abgeschlagen, während der Rat dem König Ferdinand ausser dem gemeinen Pfennig im Betrag von 20,000 fl. freiwillig noch 5000 fl. zum Türkenkrieg bewilligte. Lauter Anzeichen, dass man sich dem Kaiser annähern wollte, weil man auf die Unterhandlungen in Passau wenig Vertrauen setzte. Ausdrücklich wurden die nach Passau geschickten Ver­ treter der Städte instruirt, die Fürsten zu ermahnen, dass sie, wenn es zu einem Frieden komme, der Städte Notdurft nicht ver­ gessen und sie nicht sitzen lassen sollen. In der That wurden in Passau die Vertreter der Städte zu den Verhandlungen gar nicht beigezogen und der Passauer Vertrag enthält wohl das

93 Versprechen einer friedlichen Lösung der kirchlichen Frage, sowie Amnestie für 'die Teilnehmer an dem Aufstand, aber kein Wort zum Schutz des neueingesetzten zünftischen Regiments. Mit welchen bangen Gefühlen man daher in Augsburg dem Nahen des Kaisers entgegensah, lässt sich begreifen. Von den wiederholten Loyalitätsversicherungen konnte man sich keine grosse Wirkung versprechen, hatte der Kaiser doch selbst den Nürnbergern übel genommen, dass sie nach verlustvollem, langem Kampf sich mit den Fürsten vertragen (Brief an Ulm: sie sollen sich durch Nürnbergs Exempel nicht einschüchtern lassen „dieweil sie nicht durch Gewalt (dem sie doch mit Ehren noch länger hätten vorstehen mögen) dahin gedrungen, sondern durch etlicher schädlicher Leute arglistige Practiken dahin beredet worden,“ sie sollen als die Verständigen bedenken, dass weder Basteien oder andere Befestigungen, sondern die Leute, so darin sein, eine Stadt fest und unfest machen.) Hatte doch ferner der Kaiser dem Heinrich Rehlinger gesagt, er werde sich schon an Ort und Stelle selbst überzeugen, wie das Geschehene zu beurteilen und was zu verordnen sei. Carl V. schien entschlossen, gerade weil er in der Religionssache nachgegeben, auf andern Gebieten seine Autorität um so nachdrücklicher zu wahren. Am 19. August rückte der Herzog von Alba mit 21 Fähnlein Fussvolk und vieler spanischer, italienischer, niederländischer Reiterei, die in der Stadt und Umgegend einquartirt wurden, ein und den Tag darauf der Kaiser, dem bei seinem Einzug der. gewesene Churfürst Johann Friedrich und der Herzog von Alba zur Seite ritten. Damit trat alsbald eine beinahe ebenso gründliche Restauration wie 1548 ein. Nur in einer Beziehung zeigte sich die Wirkung des Passauer Vertrags: die Prädikanten durften bleiben, ja selbst während des Kaisers Anwesenheit in 3 Kirchen predigen, nur drei von ihnen, die durch scharfe Aeusserungen sich compromittirt hatten, wurden ausgetrieben. Dagegen wurde schon am 25. August der zünftische Rat und die Beamten der Stadt abgesetzt, der vorige patricische Rat und das ganze Regiment, wie es bis zum 1. April bestanden, wiederhergestellt. Darauf wurden dem Zünften all ihr Gold, Silber und andere Baarschaft, die sie wieder zu Händen genommen, wieder abgefordert, ihre Bücher und Register aber verbrannt, die gewählten Zunftmeister abgesetzt und durch vom Rat ernannte Vorgeher ersetzt, welche von den Bürgern „des Rats Verräter“ genannt wurden. Endlich wurde ganz wie nach dem schmalcaldischen Krieg der Kaufleutestuben-Gesellschaft wegen ihres Ver-

94 haltens ein strenger Verweis im Namen des Kaisers erteilt und angezeigt, der Kaiser hätte wohl Ursache, die Gesellschaft ganz abzuschaffen, er wolle sie zwar aus Gnaden bestehen lassen, weil sie schon so lange bestehe, sie dürfen sich aber keine Stuben­ meister, noch Vorgeher mehr selbst wählen, sondern der Rat werde ihnen alle Jahre Stubenmeister einsetzen. Damit war das zünftische Regiment definitiv und für immer abgeschafft und der Stadt die Verfassung aus kaiserlicher Macht­ vollkommenheit gegeben, die im wesentlichen bis zum Ende ihrer Selbstständigkeit geblieben ist. Es bleibt uns. noch übrig von den Schicksalen Herbrots, des letzten zünftischen Bürgermeisters zu berichten. Vor dem Einzug des Kaisers hatten sich mehrere Bürger, die sich nicht sicher fühlten, darunter Georg Oesterreicher, der als Amtmann in Chemnitz in Churfürst Moritzens Dienste trat, aus der Stadt geflüchtet. Herbrot war geblieben. Wohl brach jetzt der Hass seiner Feinde wieder in einer Reihe von Schmäh­ schriften und Denunziationen in Prosa und Poesie gegen ihn los. In dem einen dieser Machwerke wird er, der schon längst den Strick verdient habe, dem Kaiser empfohlen „darum die kaiserliche Majestät Ihn billig jetzt lasst unbegabt Eines bösen Tods ersterben.“ Ein anderes lässt ihn beichten „Viel Stolz und Hochmut übet ich Und wollt nur drucken unter mich Die ehrbare Geschlechter hochmütiglich und gibt ihm dann die Absolution „Wie kannst nur büssen soviel Sünd Du elends leidigs Teufelskind Und soviel Laster ungeheur, Du leidest dann das ewig Feuer.“ Wieder in einem andern klagt er dem Teufel, es sei ihm dies Jahr nicht alles nach Wunsch gegangen, er hätte gern gesehen „dass dem Kaiser hass wäre gelauset worden.“ • So lange er Bürgermeister gewesen, habe er jedem, „der gegen ihn das Maul aufgethan, gleich beim Grind genommen und strafen lassen, dass ihm* der Herzbändel kracht“ u. s. w. Ganz unbehelligt blieb Herbrot auch nicht. Die Nacht vor dem Abzug des Kaisers wurde, wie man allgemein annahm, mit dessen Einverständniss und unter

95 Anleitung des Grafen Jost von Zorn durch eine Compagnie von Hackenschützen sein prächtiger Garten von Grund aus verwüstet, die Sommerhäuser und Oekonomiegebäude niedergebrannt, die Bäume umgehauen. Ein Gedieht, wahrscheinlich von Nikolaus Mameranus „Jacoben Herbrots Gartenklag“ besingt dies Ereigniss. Der Garten erklärt darin seinem Herrn, dass ihm ganz recht geschehn; „wär ich eins ehrbaren Herrn gwest So stünden noch mein Bäum und Aest und wünscht ihm dann freundschaftlich, er möchte gehenkt oder von 4 Bäumen zerrissen werden, wie der Verräter Sufferius. Diese frommen Wünsche giengen aber nicht in Erfüllung, denn Herbrot überstand auch diese kritische Zeit. Er klagte sogar beim Rat wegen Verwüstung seines Gartens, erhielt aber den Bescheid, er möge selbst den Urhebern nachfragen. Auf die Dauer konnte er aber doch es in Augsburg nicht mehr aushalten. Er übergab sein Geschäft, das durch grosse Ver­ luste schon stark gelitten hatte, seinen drei Söhnen und zog nach Lauingen als pfalzgräilicher Rat und Pfleger. Die Söhne machten schlechte Geschäfte. Sie speculierten mit böhmischen und säch­ sischen Bergwerken, der eine, Hieronymus, der die Herrschaft Retz in die Hände der Baumgartner als Unterpfand hatte abtreten müssen, liess sich in alchymistische Versuche ein; der Hass, den der grösste Teil der Patricier vom Vater auf sie übertrug, schä­ digte ihren Credit und dazu kam die Handelskrisis, die durch die kriegerischen Verwicklungen in Frankreich, durch die Unruhen in den Niederlanden hervorgerufen ward. Der alte Herbrot hatte in Lauingen eine angesehene Stellung, er scheint auch für litera­ rische Bestrebungen Sinn gehabt zu haben, wenigstens nannten seine Augsburger Feinde Lauingen spottend das deutsche Mirandola und ein Pasquill hält sich besonders darüber auf, dass Martin Montanus von Strassburg eine von ihm verfasste Sammlung von Fabeln, Novellen etc. „Wegkürzung“ betitelt, dem „gestrengen wohlgebornen gnädigen Herrn“ Jacob Herbrot widmete („Von wannen ist er doch ein Freiherr und Ritter von Peltzingen und Katzingenheim ?) Seit 1557 hatte er sich mit seinen Söhnen aus­ einandergesetzt, ihnen das Geschäft mit 583,961 fl. Passiven und 750,958 fl. Activen nebst Haus und Garten übergeben und sich eine Rente von 3600 fl. Vorbehalten. Er wäre also bei dem Ruin seiner Söhne eigentlich aus dem Spiel gewesen. Allein er scheint sich doch für dieselben verbürgt und auch sonst an dem Geschäft sich beteiligt zu haben, und so hielten, zumal da die Söhne das

96 Weite suchten, die Gläubiger sich an ihn. Seit 1562 brachen die Verlegenheiten herein. . „Der Herbrot ist verdorben Sein Weib vor Leid gestorben Des freut sich jedermann.“ Er hatte grosse Summen an den König von Polen und an den Kaiser Ferdinand auf lange Termine ausgeliehen und dabei seine Kräfte überspannt. Als er nun auf der Frankfurter Messe seinen Verbindlichkeiten nicht so schnell wie gewöhnlich nachkommen konnte, brach auf einmal ein Sturm gegen ihn los. Die ihm Geld anvertraut hatten, verlangten stürmisch dasselbe zurück und drängten ihm weit über den Wert der Forderung Unterpfän­ der ab, in Augsburg wurde gegen ihn ein Complott gemacht, dass er nirgends Geld bekam. Vergebens suchte Herbrot beim Kaiser ein Moratorium zu erwirken, dem stand eine ausdrückliche Be­ stimmung des Reichstagsabschieds von 1551 entgegen. Doch gab der Kaiser dem Landvogt in Schwaben, Melchior Ilsung, den Auf­ trag, 30,000 fl. für Herbrot in seinem Namen aufzubringen. Allein sowie verlautete, für wen die Summe bestimmt war, haben „die Schreibstuben und der Perlach“ kein Geld hergegeben und Ilsung musste froh sein, dass etliche Gläubiger sich bis auf den Betrag von 30,000 fl. auf des Kaisers Schuld verweisen Hessen, womit Herbrot wenig geholfen war. Nun wurden nach einander eine Menge wertvoller Unterpfänder, Kleinodien, Juwelen, Zobelpelze, gewirkte Tapezerein von seinen Gläubigern auf die Gant gebracht und da verabredungsgemäss niemand darauf bot, zu Spottpreisen behalten. Endlich wurde vom Pfalzgrafen von Neuburg, dessen Unterthanen die Herbrot geworden waren, ein Rechtstag auf den 10. Januar 1564 ausgeschrieben und .dies Edict auch auf der Kaufleutestube in Augsburg angeschlagen, zugleich in Wien ein Cridatag angesetzt. Es ergaben sich nach der Angabe der Schuld­ ner 554,623 fl. Passiva und 545,014 fl. Activa. Unter den in Hän­ den der Gläubiger befindlichen Unterpfändern finden sich neben Pelzwaaren, Kleinodien, Tapezereien auch Landsknechtsharnische (das Stück zu 8 fl. k-ngeschlagen) und Hackenbüchsen mit langen Röhren (das Stück zu 10 — 11 fl.) verzeichnet. Die Söhne Her­ brots flüchteten trotz gegebenen Worts, weil sie (wie es in ihrer eingereichten Verteidigungsschrift heisst) wussten, dass ihre Gläu­ biger ihnen nach dem Leben trachteten; sie Hessen ihren Vater, der sich bitter über die ihm, dem 74jährigen kranken Mann be-

97 wiesene Herzlosigkeit beklagte, in den Händen der Gläubiger. Auf deren heftiges Drängen wurde Herbrot nach Neuburg gebracht, in einem Sessel durch zwei Diener auf das Bathaus getragen und verhört. Durch fürstliches Mandat wurde er in der Herberge des Simon Steinberger in Haft gehalten, wo er den 21. April 1564 starb. Ein Mann Namens Jörg Mentelin von Augsburg, ein Seckler und eine Magd hatten ihm zuletzt gewartet. Diese beiden, nebst dem Wirt und einiger Schuljugend folgten ihm, als er am andern Morgen in aller Frühe in einem Winkel des Friedhofs begraben wurde. Der fürstliche Statthalter hatte ihn Nachts wie einen Uebelthäter ausserhalb des Kirchhofs verscharren lassen wollen, der Landvogt Ilsung (der ihm befreundet war) hatte wenigstens ein ordentliches Begräbniss ausgewirkt. Die Prädicanten in Neuburg hatten dem Sterbenden das Abendmahl verweigert, weil er zwing­ lisch gewesen war. Der Hass seiner Feinde dichtete ihm ein Epitaphium worin ihm vorgeworfen wird, dass er durch Wucher, List und Betrug viele ins Elend gebracht; über seine politische Eolle heisst es: „An gemainen Mann hab ich mich ghenkt Und da ich Miet und Gab ausschenkt, Mich drangen selb in Oberkait Und hab’ angfeind die Ehrbarkeit Viel Geschlechter hab’ ich verhasst Und wo ich könnt, verfolgt gar fast. So hab ich auch übel gregiert Bös’ Meuterei und Pratik gführt, Dardurch mein Stadt und Vaterland In hechsten Not, Gfahr, Spott und Schand Und in so grossen Nachteil gsetzt Dass sie des nie mehr wird ergetzt, Hab aus dem Kaiser trieben Spott Im Herzen auch verachtet Gott. Die Höll ist mir vorlängst bereit, Darin ich sitz mit grosser Pein Und muss verdammt unendlich sein.“

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98 Als. ein Hauptanklagepunkt kehrt in allen diesen Schmähungen immer wieder, dass Herbrot die legitime Obrigkeit, die Geschlechter verdrängt, dass er sie zu unterdrücken, zu beseitigen gesucht. Dass er als Bürgermeister die Leitung der wichtigsten Angelegen­ heiten in seine Hand genommen, trotz seiner geringen Herkunft, dass er die patricischen Collegen im Bürgermeisteramt und im Rat in Schatten stellte, dass er die Kaufleute dahin zu bringen suchte, sich an Geltung mit den Patriziern zu messen, das wurde ihm von diesen nie verziehen. „Der Pelzmann hatte den Kopf so hoch gestreckt“ (wie Anton Fugger einmal in einem vertrau­ lichen Brief sagt) und es wollte so lange nicht gelingen, ihm bei­ zukommen. Darum der Triumph bei seinem Sturz. Darum ist das Bild Herbrots in so verzerrter Gestalt überliefert, weil über ihn fast nur feindliche, gehässige Berichte existiren. Dass er ein bedeutender Mann von trefflichem Verstand, grosser Beredsamkeit und von gewinnendem Wesen war, sagen selbst seine Feinde. Energie und Consequenz wird man ihm auch nicht abstreiten können. Inwieweit die Vorwürfe seiner Gegner, dass all sein politisches Thun nur auf Ehrgeiz und Herrschsucht beruht habe, gerecht sind, mag dahin gestellt sein. Man darf nicht vergessen, dass die Patrizier in ihrem Legitimitätsbewusstsein das zünftische Regiment überhaupt als einen Ausfluss gottvergessener Auflehnung gegen die rechtmässige Obrigkeit ansahen. Auch über sein Ver­ fahren in Geldsachen liegen zwar Anklagen genug vor. In dem einzigen Fall jedoch, in welchem nachträglich eine Untersuchung gegen ihn veranlasst wurde, und zwar nach dem Triumph Carls V., als Herbrot politisch machtlos war, hat er Recht bekommen, weil ihm vom Standpunkt des Gesetzes nichts anzuhaben war. Damit ist freilich nicht alles bewiesen. Doch wird man sagen können, dass er nicht rücksichtsloser gehandelt hat, als es damals in der Geschäftswelt Brauch war. Der Neid auf seinen schnell erwor­ benen Reichtum ebenso wie der auf seinen Einfluss suchte nach ungünstigen Erklärungsgründen und fand sie dort im Wucher, hier in der Bestechung. Einen Einblick in seine Denkweise bie­ ten seine zahlreichen Briefe die er während der Aussöhnungs­ verhandlungen mit Carl V. 1547 an Anton Fugger geschrieben hat und von deneu die wichtigsten im Anhang mitgeteilt wer­ den sollen.

III.

Die Flucht der verwitweten Truchsessin Maria von Waldburg, geborenen Gräfin von Oettingen, aus der Haft im Schlosse Zeil im Jahre 1539.

Einleitung. In dem der Bibliothek des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg von dem k. Bezirksgerichts-Bathe von Hörmann zur Aufbewahrung und freien literarischen Benützung übergebenen Archive der von Kaufbeuren stammenden, altpatricischen und von Gutenberg zubenannten Familie desselben, in welchem die ge­ nauere Durchsicht allmälig höchst interessante Aufschlüsse über Verhältnisse des Mittelalters, besonders des Handels, entdeckt, befindet sich nachfolgendes, die Flucht der verwitweten Truch­ sessin Maria von Waldburg erzählendes Schriftstück, das einer Veröffentlichung in diesen Blättern wohl nicht unwerth erscheinen dürfte. Wohl möchte man dasselbe bei der Abenteuerlichkeit und der isolirten, so viel bewusst, durch keine weiteren Nachrichten bestätigten Erscheinung seines Inhalts leicht für eine wenigstens grossentheils romanhafte Schilderung halten; aber die bestimmte Versicherung der durchaus wahrhaften Darstellung von Seite des jedenfalls diesen Vorgängen zunächst befindlichen, wenn auch unbekannten Verfassers, die aus Sprache und Schreibweise erkenn­ bare Gleichzeitigkeit des Berichtes und die Unwahrscheinlichkeit, dass in das Leben einer damals in weiten Kreisen bekannten Frau schon willkürliche Dichtung getragen worden sei, bieten

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100 genügende Bürgschaft für den geschichtlichen Charakter der Erzählung. Die Frau, die wir hier in tiefster Bedrängniss, gleich einem gejagten Wilde flüchtend, erblicken, war die im Jahre 1498 geborene Tochter des zu Wallerstein sesshaften Grafen Joachim von Oettingen, Hauptmanns der Gesellschaft des St. Georgenschildes und Rathes des Herzogs Georg des Reichen von Bayern-Landshut, welcher im Jahre 1520 auf der Heimreise vom Bundestage in Augsburg vön dem Feinde des Bundes, Hans Thomas von Absberg aus der Markgrafschaft Ansbach und seinen Gefährten zwischen Donauwörth und Harburg ohne vorausgegangenen Absagebrief meuchlings Überfällen und so schwer verwundet wurde, dass er bald, darauf, am 6. Juli, im letztgenannten Schlosse verschied. Marias Mutter, Dorothea, war aus dem fürstlichen Hause von Anhalt und starb bereits 1505. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, der Gräfin Apollonia von Sonnenberg, reichte der in kriegerischer und politischer Thätigkeit vielerprobte, allbekannte Georg (III.), Freiherr von Waldburg, des römischen Reiches Erb­ truchsess, kaiserlicher Statthalter des Herzogthums Wirtemberg und oberster Feldhauptmann im Bauernkriege, der Gräfin Maria die Hand am Altäre. Ueber die Beschaffenheit dieser Ehe liegt ein höchst ungünstiges Zeugniss in der vor einigen Jahren von Dr. Barack edirten sogenannten Zimmern’schen Chronik (von den Grafen Wilhelm Wernher und Frohen Christoph von Zimmern in den Jahren 1564 bis 1566 verfasst) vor, welches wörtlich also lautet (III, 511.): „Man sagt, herr Jörg truchsess von Walpurg hab auch in seiner jugendt den reimen (zur aber­ gläubischen Erforschung der Zukunft) gepraucht auf s. Endres abendt; do seien ime in der nacht zwo frawen erschinen, under denen die ein ganz freuntlich gegen ime gangen, die ander aber hab das angesicht vor ime verborgen und sich nit sehen wollen lasen. Das hat sich hernach warhaftigcliclien erfunden; dann nach absterben seines ersten gemahels, war graf Hannsen von Sonnenbergs dochter, da nam er grof Joachim von Oettingen dochter. Wie sich dieselbig gegen im erwisen, darvon wer ein besonderer tractat zu schreiben. Man sagt, sie hab mer dann ein kind bei ime geliapt, das sie kein wort mit ime nie reden wollen. Er ist uf ein zeit etlich monat von haus gewest; wie er nun unversehenlich, aber spatt, zu haus kommen und verhofft, er solle wilkom bei ir sein, so hat sie ine aber vor der cammer wissent­ lich beschlossen, auch, er weit dann ain gewalt haben angelegt,

101 nit einlassen wellen, das es zu erbarmen ist, das man einer sollichen einfleren bestia ein so grossen stritt und stolz hat nach­ gelassen. Ungebrante eschen und faiste brtigelsuplin hetten des orts die haut glimpfig machen künden, seitmals er doch ein so verstendiger, grossmuetiger und holtseliger herr gewest.“ Da aber die genannte Chronik bei aller sonstigen Anerken­ nung ihres hohen historischen Werth es doch von vielfach schonungs­ loser Tadelsucht und vom Haschen nach scandalösen Geschichten unmöglich freizusprechen ist, so hat wohl die Annahme einige Berechtigung, dass dieselbe vielleicht auch hier zu dunkel gezeichnet und das nicht fleckenreine Andenken der Gräfin über das richtige Mass getrübt habe. Ueberdiess führt sie selbst die Abneigung der Gräfin nicht ohne weitere Begründung an, sondern erklärt sie aus einer leidigen Krankheit Georgs, die aber damals keineswegs immer den gewissen Schluss auf sittliche Verirrungen zuliess. Auch dürfte doch wohl auch der Umstand, dass diese Ehe mit 5 Söhnen und 3 Töchtern gesegnet wurde, sie in etwas freundlicherem Lichte erscheinen lassen. Von den Söhnen bereitete der im Jahre 1514 geborene Jacob den Eltern ohne sein Ver­ schulden schon im frühen jugendlichen Alter schweres und langes Leid. Als er sich im Jahre 1529 auf der damals beliebten hohen Schule zu Toul in Burgund befand, um vorzüglich in der franzö­ sischen Sprache sich zu bilden, wurde er von Hans Thomas von Rosenberg und seinen Gesellen gewaltsam entführt, zur Rache, weil sein Vater, Truchsess Georg, diesen Verbündeten des oben­ genannten Mörders des Grafen von Oettingen, des von Absberg, auf Befehl des schwäbischen Bundes das Schloss Boxberg in Franken genommen und niedergebrannt hatte. Es war dem Vater nicht gegönnt, den lieben Sohn im Sterben an seiner Seite zu haben, ja wenigstens seinen Aufenthalt zu wissen. Erst nach seinem Tode gelang der Vormundschaft die Erkundigung der Haft des Junkers in einem hessischen Schlosse und die Auslösung um 8000 Goldgulden. Als der Truchsess im Jahre 1531 zu Stuttgart das vielbewegte Leben verliess und die erwählten Vormünder, die Freiherrn Wil­ helm Truchsess von Waldburg, Schweikart von Gundelfingen und Hans Marquart von Königsegg zu Aulendorf, sämmtlich dem Ver­ storbenen befreundet und verwandt, die Pflege der Waisen über­ nahmen, muss bald die Ruhelosigkeit und der Kampf mit schweren Bedrängnissen, von welchen die folgenden Blätter eine Episode bringen, über die Witwe hereingebrochen sein.

10? Es war nun zunächst die Beantwortung der Frage zu ver­ suchen: aus welchen Gründen die Zwietracht in der Familie ent­ stand; ob die Schuld in böswilliger Verfolgung von Seite der Vor­ mundschaft oder in dem Leichtsinn und in der Widerspänstigkeit Marias oder in beiden zugleich lag? Die Zimmern’sche Chronik klagt wieder nur die Truchsessin an, da sie schreibt: „Nach seinem (Georgs) Absterben ist sie bei iren Sönen nit bliben, sondern ires gefallens hin und wieder gezogen. Als sie iren sönen nit mer laids und widertriess wissen zu thuen u. s. w.“ Obgleich aber der Verfasser der Zeit dieser Zerwürfnisse nähe stand, so ist doch sein die Gräfin allein mit bitterer Schärfe treffendes Urtheil nicht als zweifellos begründet anzunehmen und, aueh abgesehen davon, viel zu allgemein gehalten, als dass es als erschöpfende Antwort genügen könnte. Der Herausgeber dieser Blätter durchforschte zum Zwecke genauerer Aufschlüsse nicht bloss die ihm zugängliche auf die betreffenden Häuser bezügliche Literatur und die von Hörmann’schen Archivalien, in welchen letzteren er aus dem Grunde des ersten Fundes der Fluchtgeschichte auch nähere Nachrichten über deren Veranlassung zu entdecken vermuthete, sondern er bat und erhielt auch freundliche Unterstützung von Geschichtsforschern, denen hier einschlägiges Material in reichem Masse zu Gebote steht und unter denen er dem Herrn fürstlichen Domänenrathe Baron von Löffelholz in Wallerstein und dem fürstlichen Archivs­ registrator Dr. Baumann in Donaueschingen für ihre Bemühungen zu grossem Danke verpflichtet ist. Aber leider blieben die mehr­ fachen Nachforschungen ohne genügendes Resultat; selbst aus Zeil, Leutkirch, Wurzach u. a. 0. kam keine aufhellende Nach­ richt. Misslich für die Truchsessin bleibt freilich, dass die häufig begegnende Kunde von den genannten Vormündern keiner Anklage eines unehrlichen und grausamen Benehmens zuverlässigen Halt gibt, ja besonders Wilhelm von Waldburg, Herr zu Trauchburg (gestorben im Jahre 1557 im Alter von 87 Jahren), als ein in politischer und wirthschaftlicher Beziehung überaus praktischer und gegen die Armen ausserordentlich freigebiger Mann bezeichnet wird. Hingegen ist aber auch die in den folgenden Blättern vor­ kommende Versicherung, dass die Witwe ungesetzliche Gewalt gelitten, sowie der Umstand, dass trotz dem anfänglichen Sträuben und Fürchten böser Folgen von Seiten der mächtigen Nachbarn der Rath von Leutkirch sich zuletzt derselben annahm und Recht und Schirm versprach, nicht zu ignoriren und zu unterschätzen. Yen höchstem Interesse für die ganze Sache wäre die Vorlage

103 der am Schlüsse der Erzählung erwähnten Klageschrift der Vor­ münder ; doch scheint diese für immer verloren gegangen zu sein. Nur eine schwache Hypothese dürfte der Umstand gestatten, dass sich aus den vom Herrn Baron von Löffelholz mitgetheilten Notizen des Archives des gräflichen Hauses von Oettingen eine Differenz zwischen diesem und dem Waldhur gischen wegen des der Gräfin Maria von ihren Angehörigen versprochenen und vor dem Hof­ gerichte in Eottweil urkundlich versicherten Heiratgutes von 4000 fl. nebst 650 fl. für Ausfertigung beweisen lässt, welche nicht bloss durch das ganze Leben des Truchsessen Georg unerledigt blieb, sondern, beim Reichskammergerichte anhängig, noch im Witwenstande Marias fortdauerte und erst im Jahre 1560 mit der Bezahlung von 4000 fl. an die Nachkommen Georgs von Seite Oettingens laut noch vorliegender Waldburgischer Urkunde been­ digt wurde. Hätte etwa die Haft der Witwe als Pression auf ihr väterliches Haus dienen sollen? Von dem weiteren Leben der Truchsessin ist nur noch ihre standeswidrige Vermählung bekannt, über die sich die wiederholt erwähnte Chronik also bitter ausspricht: „Als sie iren sönen nit mer laids und widertriess wissen zu thuen, da hat sie bei wenig jaren vor irem absterben ein Schreiber genommen, genant Jeremias Raiser, derohalben auch in etwas unsicherhait gestanden. Anno domini 15.. ist sie im Schweizerbadt in beiwesen ires hauswiirts, wie man sagt, als sie etlich tag ganz trawrig und geschweift gewest, gleich bald mit todt vergangen. Der Jeremias ist her­ nach zu Haldenwang im wurtshaus s'ampt seinem knecht erschossen worden.“ Im Widerspruche mit dieser Nachricht nennen die Oettingischen Geschichtschreiber Falkenstein, Wildeisen u. a. als den unebenbürtigen Gemahl Marias Christoph Pfister. (Denselben Vornamen führte der letzte des alten Augsburgischen-Patriciergeschlechtes Pfister, der gegen das Ende des 16. Jahrhunderts gestorben sein soll). Selbst das Todesjahr der unglücklichen Frau ist verschieden, bald als 1555, bald als 1557 aufgezeichnet. Was den folgenden im von Hörmannischen Archive befindlichen Bericht von der Flucht der Truchsessin selbst betrifft, so ist er offenbar blos Copie, füllt deutlich geschrieben 9 Folioblätter und trägt auf einem vorhergehenden von der Hand des im Jahre 1552 gestorbenen Georg von Hörmann den Titel: Histori Frauen Maria u. s. w. Weder über den Namen und Stand des absichtlich diese verschweigenden Verfassers noch über den des Junkers, an welchen die genaue Nachricht gesandt wurde, konnte irgend eine

Aufklärung ermittelt werden. In Bezug auf die Herausgabe wurde als das Beste erachtet, trotz der fast regellosen, selbst in den­ selben Wörtern stets wechselnden Schreibweise im Ganzen buch­ stäbliche Treue einzuhalten und nur in der Weise eine gewiss gerechtfertigte Aenderung eintreten zu lassen, dass die Inter­ punktion mehr geregelt und dadurch das Verständniss erleichtert, der beständige Wechsel von u, v und w, sowie die fast durch­ gängige Verdoppelung der Schlussconsonanten vermieden und statt der Verschiedenheit in der Anwendung bald kleiner, bald grosser Anfangsbuchstaben der Hauptwörter der jetzige Schreibgebrauch befolgt wurde.

Dr. P. L. Brunner.

Histori Frauen Maria Gräffin zu Oetti iigen, weylundt Hern Jergen Truchsesse Freilierrn zu Walburg ge­ lassen Witib, wie die irer Fangknus zu Zeyl ledig worden und daraus wunderparlich gen Luykircli khumen. 1539. Auf Mittwochen saut Martins Aubend Anno 1539 nächst verschinen zwischen acht oder neun Uren nach Mitag ungefar ist die wolgeboren Frau Frau Maria geborne Grefin zu Oeting, Frau zu Waltburg Witib ausser der Fangknus und Verstrickung, darinen sie auf irer Sune Sloss, Zeill genant, dreu Jahr und 11 Wochen (oder 11 Wochen minder dann dreu Jar, dieser unkraden Wochen halb will ich unbehaft sein) enthalden und verwart, kommen und ausgefallen. Inmas ich dann sollichs aus irm selbsaigen Munt etwan befragt und unbefragt geliert und sunst die Zeit, als sie zu Leukirch gewest, bas und mer, dann sie yemands auderem angezaigt, glaubhaft und gewislich herfaren liab. Erstlich, wann sie ausser dem Gemach, darin sie verspert gewest, zum Fenster aus und das Stettlin Leutkirch vor ir ge­ sehen, hat sie die Magt, so mit ir verschlossen und auf iren Dienst warden sollen, mermalen und so oft befragt, wie des Stettlins Namen und ob es ein Reichs oder Herrenstettlin, so lang, bis sie des Stettlins Namen und dass es dem Reich verwant, erfaren und im Gedachtnus behalden. Und wie dann alle gefangen Armen nichzit anders, dann alain nach irer Erledigung trachden und nachgedencken, also ist ir auch ein und furgefallen, so wann ir Got der allmechdig sovil Genaden erzaigde, dass sie in das Stett­ lin Leuckirch komen, so mecht und weld sie alsdann vor inen, denen von Leukirch als ainer Raichstat oder allen Unbardeiischen, iren Sunen, derselben Formunden und meniklichen, so si Spruch

106 und Vorderung nit erlassen, gebirlich Recht leiden, nemen und geben. Dieser ir Gedankli und erlich Vorhaben ist ir ungezweifelt von Gott dem Heren gelangt und zu irer Erledigung ge­ raden. Dann als sie dye Sach bey ir selbs dermas erwogen, hat sie, ausser leynin Duch, so man ir auf ir Bigeren, zu näen, in das Gemach widerfaren lassen irer Magten halb verborgen und unwessent, und so sie allein in der Schlafkammer und die Magt darfor oder in der Stuben gesessen, ain bar Hosen und Wammas gemacht, die Nestel von 3 oder vierfachem Tuch von Leinbat auf einander getobbelt und genet, solche Ristung in Abwesen irer Magt (dann dieselben haben an ir Erfordern zu ir nit sollen noch dürfen kumen) oft und dick angelegt und versucht, und nachdem si vermaint, solche Ristung zu irem Furnemen und Vorhaben ge­ schickt und gut sein, in einem Trog verschlossen und bis auf den Aubent, als si ausfallen wollen, behalden. Und auf obbemelden sant Martins Aubend hat si, wie oben angezaigt, alein irer Erledigung nachgedacht, desselben Tags das Stetlin Leuckirch und wie si den nächsten Weg vom Schloss gen Leuckirch treten und kumen, fleissig besichdigt und zu irer Opportunitet und Gelegenhait dise Schwindigkhait erdacht, si wolle irn Mägden über das Nachtessen und darnach zusprechen, dass si sant Martinsaubent begeen und doch einmal ir alter langen Weil vergessen, mit ainander einen Trunkh thun und frölich sein wolten, vermählende, wann die Magt wol bezecht und entschlafen, si die Frau mecht also ir Vorhaben des stattlicher, stiller und sicherer volpringen, wie dann beschehen. Und als die Magt also bey dem Wein, des si vor nit gewont, gesessen, ist die Frau bei inen in der Stuben umbgangen und ineu wieder iren Gebrauch (dann si sunst gar weniges reden) mer dann andere mal zugesprochen, doch letstlich, nacjidem si vermaint, ir Zeit sein, inen ain gude Nacht gegeben und in ihr Schlafkamer gegangen, dieselbe ofen sten lassen und sich an ir Rue gelegt und, nachdem si gehert, dass ir Magt auch zu Bett gegangen und endschlafen, hat si ire gewenliche Frauenklaider ausgethon, für -die Bettstat gelegt und das obvermelt line Par Hosen und Wammas angelegt, ein schwarzsametin Däschlin, darin si iren Betschiering gehabt, und am Ausfallen, wie hernach gemelt, ver­ loren, zu ir genommen, die Leylachen ab irem Bett je eins an das andere gestrickt und zum Dail vorhin zusamen genät, dieselben oben in irm gehaimen Gemach versorgt und angehenckt und etlich Ziegelstain an demselben irem Gemach ausge-

107 brochen urd geledigt, also, dass si hart dadurch austringen müssen, und sich also Gott bevelhe und an den zusamen knüpften und genedten Leylachen abgelassen. Und als si wenig über den halben Thail abwerz komen, send die Knöpf (als die von ainer schwachen Frauen nit genugsam zusamen gezogen) aufgangen, also dass si sich zu fallen ergeben und zum wenigsten vier oder fünf Klafder hoch in alles Kott (mit Gunst zu melden), so von irem und anderen haimlicherrGemächen daselbst zusamen geflossen, gefallen hat, also an der Mauren an irem Haupt, An­ gesicht, Händ und Füssen blaue und nit wenig Malzaichen em­ pfangen und solchen harden Fal genomen, dass si ein gutteWeil (mit Reverenz anzuzeigen) in dem Kott gelegen und'wenig um sich selbs gewisst. Als si sich aber widerum erholt und zu besseren Kreften kumen, ist si aufgestanden und als si den Berg abgen wollen, vor Omacht durch Staut, Stecken und alles Rauche bis zu underst in ein diefen Graben abgefalen und abermal in einer Onmacht bis auf ein halb Stunt gelegen, geseufzet, umb sich gesehen und den Weg gen Leuckirch, den si den Dag darfor oft und irs Erachtens fleissig besehen, zu trefen understanden und an einen hochen aichin Zaun im bemelt^n Graben komen, den aber erstlich weder ersteigen noch brechen kinden, doch sich am Zaun so vil bearbeit, dass si das samedin Deschlin und den Betschiering, wie gemelt, verloren, und durch den Zaun getrungen, volgends den Graben linder der Brugen und den Berg abgangen und vermaint, den rechden und nächsten Weg auf Leuckirch zu kumen. Als si aber zu Zeil hindern Dorf über die Aytrachbrug kumen, hat si vor dem Gebell der Hunt nit in das Dorf gen wollen und sich zu vil auf die recht Hant begeben, dass si also 'bis zum Haitschachen (welchen die Truchsässischen das Banholz nennen) komen, darbei si vermerkt, dass si ab dem Weg und zuweit auf die Rechden gegangen und hat also wider kert und den Messner zu Niderhofen, den si formals kennet, gesucht und funden, denselben gebeden, si den nechsten gen Leukirch zu fieren, und sich der Hern von Khungsegg Knecht einen genent. Ob si sich aber demselben underwegen zu erkennen gegeben oder nit, das wäis Niemans, dann Gott und si beyde, hat mir auch nit gebiren wellen, die Frauen deshalb zu fraugen. Als nun die Nacht verschinen und der Tag am Himmel ge­ sessen, ist gemelte Frau Truchsessin durch Wegweisung obgedachts Messners, der si gleich zu Leuckirch verlassen und wider anhaim keret, in die under Forstatt und daselbs in Stefan Holz-

108 Schneiders Behausung komen. Und nachdem derselbig Stefan mit seinen Drescheren die Morgensupen bei Liechtschein essen wollen, hat si sich nach erlitnem Frost nit mit klainer Scham zum war­ men Ofen gestellt, das Aufschliessen erwarden wellen und besorgt, nachdem si im Kott also verstert gelegen, mecht si den Leiten billiclisam des Geruchs halben beschwerlich sein und, woher si so ellent entlofen, dester befragt werden. Und wiewol er Stefan gedachte Frauen angeredt, mit inen ein Supen oder Mus zu essen, so hat si sich desselben aus Scham und angezaigten Ursachen gewidert, so lang, bis er Stefan zu ir gesagt, mit diesen Worten: Gozleichnam, was bist du doch für ein haillos Man, dass du nit essen willt und so gar weder Degen noch Wer tregst, lug, dass du mit rechden Sachen umbgehest. Und hat ir darmit ain Stuck Brot dargeboden, sagende: Willt du dann (mit Zuchten anzuregen) kain Mus fressen, so nim doch das Stuck Brot, welches si genu­ men aber nit gessen, sondern beim Ofen liegen lassen. Und si ist, nachdem man die Stattthor geöfnet, am Donstag morgen frie in die Sthtt zu zwaien des Raths (so ich euch vormals mintlich genent) komen, von dem ainen zu dem anderen, über das si sich zu erkennen gegeben und Rath, Hilf und Hanthabung zu Recht und vor Gewalt bigert, aber abgewisen (worden). Als si nun wider ir Yerhofen von dem ersten Zunftmaister one ainich Vertrestung in iren, hechsten und gresten Nöden zum anderen, wie gehert, verschickt worden, hat si sich erst nichzit dan Unrats und grossen Unfals, dann ir vor je widerfaren, besorgt, doch mit gefastem Herzen zum anderen Zunftmaister gegangen und denselben ernstlicher dann den ersten angesprochen erzelende, wie si irs Erachtens unverdienter Sach und wie wol si sich von irer Jugent bis auf dise Stunt nicht anderst als erlich, züchtig und erbar, als ainer gebornen Grefin wollstendig und gebirlich, vor und bei menigklichen gehaklen und erzaigt, drey Jar und 11 Wochen in irer Sun schloss Zill in Verwarung und Verstrickung gewest und bei gemelder irer Sun Furmundern umbe Erlassung solcher irer Verstickung mermalen mund- und schriftlich Ansuchen gethan, so hett si aber weder Erlassung vermelter irer Verstrickung noch vil weniger ainichs Rechten bekomen mögen. Dieweil ir dan Gott der allmechdig yezunt wunderbarlich ausgeholfen und si in dis Reichsstettlin komen, so wär si der Hoffnung und Zu­ versicht, si würde der Enden zu Recht und aller Billichait vor unrechtmessiger Gewalt pillich gehandhabt, dar gegen wölt si allen denen, so si Spruch und Vordrung nit erlassen kinden, all-

109 möglichen geburlichs und furderlichs Rechtens gewertig und. nit for sein. . Darauf ir gedachter Zunftmaister weder Hilf, Rath noch Drost zugesagt, sunder schlechtlich geantwurt, er khund und wiss si irm ßegeren genügend nit zuverdresten noch deshalben nichzit zususagen, dan als ir der Frauen wissent, so wären sine Hern, die von Leuckirch mainende, schlecht einfeldig Leut, dazu ir Stätlin unbefestigt und armehi Yermegens, dagegen aber ire der Frauen Sun und Furmunder an Land und Leuten rieh und wol befreundt. Wan si dann vernemen, dass si also ausgefalen und gen Leuckirch körnen, so stund darauf, si mechten gegen ir und einen Rath von irn wegen Gewalt gebrauchen und si die Frauen widerumb in ir Gewaltsam zu pringen sich understen wollen. Solde dan ir der Frauen in irer Statt ainicher Gewalt widerfaren, so möcht si die Frau selbs gedenken, dass ir damit nit geholfen unddennocht ir Ungefel einem Rath in Draien leid. Darumb so were sein Rath, si sollt sich an bessere Sicherhait und in vermuglich Reichsstet verfugen und daselbs der Sach mit Recht auswarden. Ob dises des Zunftmaisters Rat hat sich die Frau und nit unbillich riit wenig entsezt und der Sachen ie lenger ie weider nachgedacht, ganz für beschwerlich achtende, auf disen des Zunft­ maisters Furhalt zu Leuckirch zu pleiben. So war ir Ausfallen ungezweifelt zu Zill iez offenbar, alle Pass, Strassen und Weg verlegt, und, wohin sie zu entgen willens, daselbst wäre si, zu­ dem dass ir die Weg und Strassen nit wissent, unsicher und ir Erachdens, sich in denWälden besserer Sicherhait dan des Zunft­ maisters Sag nach zu Leukirch zu getresten. Und nachdem si ir selbs gemachte for angezaigte Hosen und Warnas ausgethon, hat ir ain arme Dienstmagt zu Leukirch ein ParStifel, so über 12 kr. nit wert, ein pesen' alden Underrock, ain graub wullin Muderlin mit Ermelen, ain unsauberen Schiair und schwarzen besen Filzhut (darinen sie firwar kainer Grefin gleich gesehen) furgelichen. In dieser Klaidung ist si zur Statt aus und die Halden aufgegangen, und als sie liinder den Berg, so ob dem Stettlin ligt, auf die Aichwis körnen, ist ir der Abt von Weingarden selb achdent oder neint (doch unwissent, dass si die Drugsessin ausgefallen) ent­ gegen und zunächst an ir hingeriden. Als si die Pfärd gesechen und doch nit kennet, hat si gedacht, es wären Leit und Pfert, die auf si zu straifen ausgeschickt, vermainende, schon veraten und verkauft zu sein. Ist si auch solche Forcht und Schrecken

110 eingefallen, dass si glaich, sobalt der AM mit seinen Pferden furgedraM, den Berg und widerum hinab in die obern Vorstatt in Gerg Jacken Behausung gelaufen. Daselbst hat sie die Hauswirdin in ir Kamer verborgen und, wie nachfolgt, verlaugnet. In disen Weylen hat der Vogt zu Zill durch Anzaigung der Magt herfaren, dass die Frau nit mer vorhanden, zu Stund das Gemach aufgeschlossen, die Magt fängklich verwart und der Land­ schaft mit drey Schüssen aus ainer Bockhbuchs Warzaichen gegeben. Alsbalt ist die Lantschaft dem Schloss Zill mit Weren und Har­ nisch zugeriden und gelaufen, Botschafter und Kuntschafter zu Ross und Fuss gen Wolfegg, Waise und zu den Formundern eilends abgeferdigt, allenthalben Sturum angeschlagen, alle Päss, 'Weg und Strassen und an mer Orden, da si ainich hoch oder nider Oberkait auch weder Gebot noch Verbot gehabt, verlegt, zu Leukirch in der Stat und beyden Vorsteten haimlich und zum Thail offenlich Haussuchen beschechen, Kuntschaft gemacht und fil Gelts dem, der si zuerst zaigte, angeboden und weltlich List und Gschwindigkait soviel gepraucht, also dass ich glaub (wiewol nit urdaile), der allmechtig hab disem hochmuetigen furnemen Trug und Boch sinen Furgang verwert und nit gewollt, das die erlich Frau widerum in den und fielleicht noch grösseren Zwang und Gewalt, denn darin si formals gewest, komen solt. Als nun das auf und durchreiden und gen in der Statt und allenthalben auf dem Lant in allen Hegken und Winkeln über­ hand genumen und aim Roth zu Leukirch angesagt worden, wie die Frau die Halden herab und in Gerg Jacken Haus, als obstet, komen, haben si besorgt, so wann die Trucksessische die Frauen daselbst gesucht und funden (dann als ir wisst, so ligt diz Haus zu oberst in der obern Forstatt und so weit von den Leiden, dass si irFürnemen unferhindert der Vorstetter wol volpringen megen)? si hetten si aus irer Obrikait gewaldigklich hingefuert, und inen damit Abruch und Schmelerung irer Fraihaiden, Juristdizien und Obrikaiten zugefugt. Dasselbig zu verhieden, hat ain Eatt die Frauen in bemelden Haus zum zwaidemal suchen und der Haus­ wirtin gar hefdig zusprechen lassen. Aber alls Zusprechen, Ermanen, Gebieden und Verbieden ungeacht hat die Hauswirtin die Frau Grefin auf ir Bitt erhalden und verlaugnet. Als die Frau dises deren von Leukirch ernstlich Nachfragen selbs gehert, hat sie über des Zunftmaisters vorgethan Anzaigen weder den von Leukirch, dem Weib noch emans andern verdrauen, sonder ir Hail und Wolfart in die Flucht sezen wollen.

111 Und ist demnach die bekumert und betriebt Frau an Donerstag Martini vermelts Jars ungefar umb Mitag wenig vor oder nach auser vermeldem Haus durch den Renbach neben dem Baurhaus, über die Blaich zu ainer Zaunlucken hinaus in und an der Eschach hinuf gegen ainen Gesteit, so man das Kraienloch nennet und ir woll wisst, gegangen und daselbs bei ainer Wis, genant der Bogen neben der Eschach, den ganzen Dag und die nachgeende Nacht am kalden Regen und übel beklait in ain Hecken nidergesessen, das Geschray deren, so si mit Wer, Harnisch und Hunden gesucht und ob 400 Manen gewest, gehört, sie zum Thail gesechen, und, welches nit wenig zu verwunderen, so ist ain Hunt, so mit den Suchenden gelaufen, bis zu ir in die Hegg komen, für si gestan­ den und woll besichdigt, aber nit gebollen, darnach widerumb von ir geloffen. Was die erlich Frau den Tag und kalde Nacht für Forcht, Schrecken, Angst, Not und Triebsal empfangen, geliden und gehabt, des megt ir euch, lieber Junker, leichtlich erinnern. Und am Freidag morgen, als es heller Dag worden, ungefar um 7 Uren, als gemelde Frau, wie gehert, im Feld und armer, Beklaidung den Dag und Nacht darfor underm Himmel und Regen gesessen und von der Mittwoch zu Aubent nächst darvor bis daher über so hart erliden Ausfall weder geessen noch getrunken und darbey gehert und gesechen, dass si der Menig deren, so si gesucht und, als obstet, über 400 gewest, dermasen ubergeben, dass si aintweders erhungern, vor Frost sterben oder widerum gefangen werdenlnuessen, hat si sich dem Almechdigen, mit welchs Hilf und Gnat si vormals auskomen, bevolchen und in die Flucht begeben, verhofende, in der Aeschach, so dazumal ohne Wasser, als oft beschicht, trucken gewest, und durch das Gesteit, so daran ab und ab bis zu der Blaichstett, menigklichen zu entgen, und ist also an Enden, da die Aeschach ein hoch oder tief Gestatt gehabt, gegangen, wo aber das Gestatt nieder gewest, auf allen fieren kriechend bis zu der Blaich hinab und hinder Wolfen Hässlins Beund zu ainem Bauren (der ir tröstlicher dann die gemelden Zunftmaister gewest), genant Konz Schräggelin, komen, denselben lauder umb Gottes willen bident, dass er si nit beyfangen, sondern an ir Gewarsam und Sicherhait Aren wollt, der ir geantwurt: Frau, dieweil ich aus euern Worten her, dass ir die Truchsassin, so seit nun sicher und frelich, kann ich euch ye nit an euer Sicherhait ferhelfen, so will ich euch doch gewisslich weder fachen noch feraden, ir secht aber wohl, dass alle Strassen und Weg belegt; so ir dann in die Statt gen wolt, ist zu besorgen, ir

112 inechten inen in die Hent gen, darum!) rat ich euch, dass ir durch die Aeschach und das Gesteud auf die Blaich geet, alda ir euch, bis das Yolkh verlauft, wol enthalden megen. Das hat die Frau gethan und ist über die Blaich den kraden und nächsten Weg zu der Baclikuchin, darinen ain Magt gewest, gegangen. Nachdem aber die Magt das unrueig Wesen und Suchen, so den nechst ver­ gangen Tag und Nacht darvor geweret, darzu von der Frauen Auskomen, als obstet, geliert, hat si ab ir der Frauen fluchtigen, verzagten Gang und blaichem bemasten (?) Angesicht von Stund geargwonet, es mechde die Frau sein, der man so hefdig nachgestelt, und si deshalb befragt, der sich gemelde Frau zu erkenen gegeben und mit Yerhaisung grosser und erlicher Schenck lauder um Godes willen gebeden, dass si ir etwan ain sicher geliaim Ort zeigen, daran si sich for iren suchenden Feinden verpergen und enthalden mecht. Das hat gemelde Magt getiion, die Frauen auf irn Arm gethon (dann wie ir die Magt kennt, so ist si jung und drefenlich stark) und ir in den Bachofen verholfen, das Ofenloch von Stund mit Holz verlegt, die Bachkuchin zugethon, daraus ge­ gangen und zu ainer irer Gespielen, Barbaren Benglin genant, die auch geschwind und bes, ylends Khundtschaft gemacht, derselben alle Hantlung angezaigt mit Erzelung, sewann sy der Frauen darvon helfen, wurden si ungezweifelt bey ir ain gute Vererung und grossen Dankh erlangen. Wie aber gewenlich geschieht, dass dem Glukh grosse Gfar vorget oder nachvolgt, also ist die vielgedacht Frau bey irm hechsten Gluckh grosser Gfar bescliwarlich uud kumerlich entgangen. Dann als si, wie iez angezeigt, nach Cunzen Schräggelins Eatli auf die Blaich und zu der Bachkuchin gegangen, haben sy etlich Beider, so auf der Halden und bey der alten Zilstatt gehalden, gesehen und von Stund mit verlangtem Zäumen der Magt und Bachkuchin zugerent, fragende, wer die Frau, so die Magt eingelassen, woher und wohin si körnen, aber die Magt gegesagt, sy hett nemans fremden, dan die so irm Maister dem Blaicher zugeherig, eingelassen und wisste nichzit umb kain Frauen, so hett si kaine gesehen. Es haben aber gemelde Bei­ der dieser irer Antwurt nit ersetigt sein wollen und gesagt: Sa­ nier boz Marder Hur (mit Beverenz zu melden), du musst übel geschlagen werden oder sagen, was du für ain Waib aingelassen. Denen die Magt geantwurt, was solt ich euch vil von ainem Waib sagen, dieweil ich nit wais, wen ir sucht oder welchem Weib ir nachfragt. Darauf haben si gesagt, wir suchen die Huren (salfa

113 referenzia), so zu Zyl auskomen, die du iez eingelassen, zu denen die Magt widerum gesagt, si hab dieselbige Frauen ir Leben lang nie kent noch gesechen, auch nit eingelassen', und sovern syiren Worden nit gelauben, so mechden sy, wolten sy geren, in der Bachkuchin suchen. Als si aber die Dür aufgestossen, die leren Bachkuchin und das verlegt Ofenloch mit Holz gesechen, haben si nit weider gesucht, aber die Magt übel angeschworen und nochmalen bestreiden wollen, als ob si die Frauen eingelassen und verborgen, denen aber die Magt gleichwol ain grobe unge­ schickte Antwurt (so der Frauen zu allem Glick und Gluten ge­ raden) gegeben und gesagt, weit ir mich dann mit der Frauen hinderfuren, so ir doch hert, dass ich si weder kenn noch wais, ich hab aber heit morgens frie ain lang ungestalt Waib in besen Klaidern oben im Kraienloch sechen umbgen, weit ir si wissen oder haben, so sucht sy. Als diz .die Beider gehert, haben si die Magt verlassen und dem Kraienloch ylend, was die Greil ertreiben megen, zugerent, also dass inen ain grosse Meng deren, so die Frauen gesucht, nachgefolgt. Ich glaub und wais aber, dass sich menger der Sach ernstlich beladen, hefdig gesucht und nit gewelt, dass er funden het, aber ener, Kuntman Bunnderlin von Adrazhofen, Forstmaister, der die Krebs aus dem Kattach stillt und dem Bürgermeister zu kaufen gibt, hat die Sach (ist es war, wie ich schreib) treulich gemaint. Indem hat die forgedacht Barbara Bennglin irm Man Jergen Schlossern irer Gspillen vorgemelt Anzaigen eröfnet und sich mit ime auf die Blaich gemacht, er Jerg Schlosser ainen Hamer Zangen und anderen Gezeig, als ob er ain Schloss anschlagen oder abbrechen wollen, mit genumen, sy bayde Eegemechil sambt dem Plaicher und seiner Magt der Frauen ausser dem Bachofen ge­ holfen, mit anderen aber gleich wol schlechten Mansklaideren angethon, ainer Seitenwer begurtet, und also durch haimisch und frempt Leit in die Stat und sein Jergen Schlossers Behausung gefuert. Daselbst ist sie zwo oder drey Stunden lang bliben und darnach von ainem Hat in die Klusin genomen, und als ain Hat etlich der Räth zu ir verordnet, si irer Erledigung halb Got loben, darbey tresten und warumen si daher körnen, befragen lassen, hat si den Rathen ir Begeren, wie si vormals gegen unsern Peter gethon, aber gleich wol etwas scherpfer, dann obstet, angezaigt und nach langer Disputacion so viel erhalden, dass ir die von Leukirch zugesagt, si nach irum hechstem und bestem Vermegen zu Recht und Billichait für Gewalt zu hanthaben, zu schizen 8

114 und zu schirmen, wie sie dan fürwar ernstlich gethon und darob nit geringe Gevar bestanden. Also habt ir, günstiger lieber Junker, die Histori der Frauen Truchsessin Bidermesingens Ausfallens und was ir die baid Nacht für Gfar, Angst und Not zugestanden, auf euer schriftliche Begerung zum kurzsten, aber gründlich hierin begrifen, und dämmen ich mich selbs darinen nindert genent, megt ir die Ursach selbs bedenken und mich nichzdest weniger vor und bei erlichen ver­ trauten Leuten wol nennen. So hab ich euch den Furtrag und Anzaigung der Ursachen, warumen die Frau in Fäncknus körnen und was in Beiwesen Herren Willhelm Truchsessen, Herren Hans Marquarth von Khungsegg, baid Freiherren, und etlich vom Adl durch den Oberfogt zu Wallsa vor Rath zu Leitkirch beschechen, heren und lesen lassen. Was ir dann diser Sach halb weiter zu wissen begert (dann mich will gedunken, so ir etwan bei erlichen Leuten von den Sachen geredt, man hab’ euch solch selzam Ding nit geren glauben wollen), soll euch, sovil mir ge­ bürt, auch unversagt sein, dann euch in diesem und meren Fälen zu gedinen, bin ich nit weniger willig und genaigt, dann schuldig.

IV.

Beiträge zur Augsburger Kunstgeschichte. 1. Der Maler Gumpolt Gültlinger. Von

R. HofFmann. Paul von Stetten führt in seiner Augburger Kunst- und Ge­ werbegeschichte *) den Maler Gumpolt Gültlinger als Zeitgenossen des älteren Hans Holbein an, und fügt bei; dass derselbe der wichtigen Bestellungen und der hohen Preise wegen, welche ihm für seine Werke bezahlt wurden, als ein geachteter Künstler seiner Zeit angeführt zu werden verdiene. Da aber weder Stetten noch Andere beglaubigte Werke dieses Künstlers kannten, so wird dessen Namen in der Kunstgeschichte weiter nicht erwähnt. Nun war aber in dem Maximilians Museum dahier auf der Ab­ theilung des historischen Yereines während der letzten Monate ein Bild ausgestellt, welches mit Sicherheit diesem Meister zuge­ schrieben werden kann. Die 1,2 hohe und 0,66 Mtr. breite Tafel stellt die Anbetung der heiligen 3 Könige vor. Rechts im Vor­ dergründe sitzt Maria mit dem Christuskinde, vor ihr kniet der älteste König, hinter und neben demselben stehen die beiden andern Könige und das Gefolge, zweifellos lauter Porträtköpfe. Im Hintergründe befindet sich das weitere Gefolge mit Pferden und Maulthieren und ein Palast, und oben im Goldgründe rechts *) Kunst- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt Augsburg verfasst von Paul von Stetten dem jüngeren 1779. B. I. S. 275.

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116 und links ein schwebender Engel. Das Bild ist in kräftigen Farben gemalt, die Ausführung bis ins Detail äusserst sorgfältig. Die Kostüme gehören der Zeit Kaiser Maximilians I. an. Verschiedene Kunstkenner haben sich bei Besichtigung dieser Tafel dahin ausgesprochen, dass dieselbe ganz am Ende des 15. oder Anfangs des 16. Jahrhunderts von einem guten Künstler ge­ malt zu sein scheine, aber keinem der bekannten Meister dieser Zeit zugeschrieben werden könne, der Künstler vielmehr in die Mitte zwischen Hans Holbein dem Aeltern und Hans Burgmair und dem jüngeren Hans Holbein zu stellen sei. Nun aber ist auf dem Rande des zu Füssen der Maria stehenden goldenen Gefässes der Name G. Giltlinger zu lesen, und dieser Name war schon vor jeder mit dem Bilde vorgenommenen Restauration nach Aus­ sage höchst glaubwürdiger Männer deutlich sichtbar, während eine weiter unten stehende Jahreszahl nicht mehr erkannt werden konnte. Die Tafel kam aus dem Nachlasse des Pfarrers Benedict Abt, welcher vor der Secularisation des Klosters Conventuale im Benedictinerstifte zu St. Ulrich und Afra und von 1804 bis 1810 und wieder von 1814 bis zu seinem Tode im Jahre 1848 Pfarrer bei St. Ulrich war, in den Besitz des verstorbenen Gallerie-Conservators Aigner, und wurde die Restauration desselben erst 1871 vollendet. Da nun der Name auf dem Bilde, sowie die höchst wahr­ scheinliche Herkunft desselben aus der Kirche oder dem Kloster von St. Ulrich, für welche Gumpolt Gitlinger so viele Aufträge ausführte, und auch der Umstand, dass es keinem der andern bekannten Meister jener Zeit zugeschrieben werden kann, es als sicher erscheinen lassen, dass uns in diesem Bilde ein Werk dieses seiner Zeit hochgeachteten später aber vergessenen Meisters er­ halten blieb, so dürfte es für die Kunstgeschichte im Allgemeinen insbesondere aber für die Augsburgs nicht unwichtig sein, einige urkundlich festgestellte Nachrichten über diesen Meister zu ver­ öffentlichen. Im Jahre 1481 muss er schon ein angesehener Meister hier gewesen sein, da er in diesem den Auftrag bekam, die Altartafel auf den Michaelsaltar im Dome zu malen, wofür er im Jahre 1485, nachdem er sein Werk das Jahr vorher beendet hatte, die hohe Summe von 400 fl. rheinisch erhielt *), eine Bezahlung, welche *) Anno Domini 1481 jahr hatt man die tafel verdingt zu malen an Gum­ polten Giltlinger in zwayen iaren die unzuberaiten und hat im davon zu vergulden und zu malen geben vier hundert guldin. (Aus dem Dompfarreibuch.)

117 die an den älteren Hans Holbein und an Bürgmair für grosse Tafeln bezahlten weit übersteigt. Eine kleine Bestellung für das Rathhaus findet sich im Ban­ meisterbuche von 1488: Itism 2 fl. dem Gumpolt von ainem täfelin zu machen in bawmaisterstuben. Yon da bis zum Jahre 1493, wo seine Thätigkeit bei St. Ul­ rich begann, ist weiter Nichts aufzufinden ausser den Einträgen im Malerbuche*) über die Annahme von Lehrjungen, welche er In dem historischen Verein liegt die in das hiesige Archiv gehörige von dem Maler ausgestellte Quittung auf, welche lautet: Ich Gumpolt Gültlinger der maler bürgere zu Augspurg bekenn offenlich mit dem brieve für mich und mein erben allermannigclich, das mich die fursichtigen ersamen und weysen Hanns langenmantel allter Burgermaister zu Augspurg und Bartholme horlin Burger und des rats daselbst bayde der zeytt pfleger der pfarrzech zu unser lieben frawen zu Augspurg der vierhundert guldin guter reinischer, so mir von der newen tafeln auff Sannt michels altar daselbst die ze fassen und nach notdurfft mit vergulden, varben und andere zugehorde ausszuberayten versprochen worden sind, auff hewt date ditz brieves allerding guetlich aufgericht bezalt und an guten baren golde zu meine sichern hennden und gewalte geantwort und geraicht habend, on allen meiner schaden. Hierumbe so zeel lass und sage ich die ge­ nannten pfleeger der pfarrzech obgemellt und alle ir nocbkommen- an der pfleege der bemellten vierhundert’ guldin guoter reinischer, so mir von der gedachten Tafeln wegen auff Sannt Michels altar zu geben versprochen worden und mir yetzo allerding auch gar und gänntzlich quitt frey ledig und losse für mich mein erben und manigclich von meinen wegen darumb und das alles halben hinfuro hin ewigclich kein vordrung clag ansprach noch recht an sy nymermer ye haben ze thun furtzenemen ze gewynnen noch zu geprauchen weder mit geistlichen noch weltlichen rechten noch on recht sunst midt nichten vor nyemandt an kainer statt in kainerley wegs noch weege sonder arglist und gefärde mit urkond und inn crafft ditz brieves doran der ersam weys Jörig Ott Statvogt zu Augspurg sein aigen ins igele umb mein vleyssigs erbitten zu gezewgknisse offenlich zu ennde der schrift gedrucket hat doch im und seiner erben one schaden darundter ich mich vestigclich verbinde statt zu hallten was vor steet. Meinem gebet umbe das Insigele sind gezewgen die erbarn Claus wanner allten Zunffmaister den metzger und Narciss niesinger der goldschmid bayde burger zu Augspurg. Der geben ist uff Affermontag vor sanndt Gallen des hailigen abbts tage nach der geburde Cristi unsers lieben herren 1485. *) Im hiesigen Archive sind 2 Malerbücher aufbewahrt, wovon das erste zuerst eine von Thoman Burgkauer geschriebene Liste der im Jahre. 1460 hier lebenden Maler und Bildschnitzer bringt, dann verschiedene ältere Ordnungen des Handwerks der Maler, Glaser, Bildschnitzer und Goldschlager von 1453 bis 1512, von einer Hand wahrscheinlich 1512 geschrieben, und verschiedene Nach­ träge dazu bei 1548 enthält, das zweite Buch aber (ebenfalls in Quarto) i.J. 1542 aus einem älteren Büchlein, welches aber wieder ein anderes als das erstgenannte gewesen zu sein scheint, abgeschrieben ist, und folgende Abtheilungen enthält: lstens Register und Vorrede, 2tens die Reihenfolge der bis zum Jahre J542 ver-

118 nach damaliger Ordnung jedesmal dem versammelten Handwerk vorstellte, und die Gebühr dafür bezahlte. So stellte er anno 1483 den Hans Drester, 1490 den Laux frelich, 1493 den Six Saurlach vor, was er auch spaeter in den Jahren 1498, 1499 und 1500 mit Wolfgang und Stephan Miller und Ulrich Mair wiederholte. Als der Neubau der Kirche von St. Ulrich unter dem Bau­ meister Burkhard Engelberger im Jahre 1493 so weit fortgeschritten storbenen alten Meister, die meisten mit Angabe des Todesjahres, und fortgesetzt bis 1548. 3tens ein Yerzeichniss der in dem Jahre 1542 im Handwerk einge­ schriebenen Meister nach der Reihenfolge, wie sie die Gerechtigkeit erhielten. 4tens einige Pharagraphen über die Bedingungen zum Empfang der Handwerks­ gerechtigkeit und Einträge, wie die verschiedenen Meister von 1487 bis 1548 ihre Gerechtigkeit erhalten haben. 5tens verschiedene Ordnungen üher die An­ nahme von Lehrjungen und Aufzeichnungen mit den Namen der Meister und der Jungen, welche von 1481 bis 1548 dem versammelten Handwerk vorgestellt wurden. 6tens und 7tens alphabetische Namensregister, nach damaligem Gebrauche nach den Vornamen angelegt, von den Jungen, welche vorgestellt wurden, und von den Meistern, welche Handwerksgerechtigkeit erhielten. 8tens verschiedene Erkenntnisse und Beschlüsse des Handwerks, und zum Schluss die Bemerkung, dass das Büchlein 1542 von dem Zunftgenossen Sebastian Michl geschrieben worden sei. Die vielen zwischen den einzelnen Abtheilungen leer gelassenen Blätter des Buches beweisen, dass es bestimmt war, noch weitere Einträge üher die Ereignisse im Handwerk aufzunehmen, aber als im Jahre 1548 durch Kaiser Karl V. das Zunftregiment aufgelöst, und die neue Regimentsordnung eingeführt wurde, mussten auch diese Bücher mit dem Vermögen der Zunft dem Rathe übergeben werden, und wurden desshalb keine weiteren Einträge in dieselben gemacht. Im Jahre 1566 aber erhielten auf ihr Gesuch die Vorgeher der Innung vom Rathe die Erlaubniss, aus diesen Büchern die Verzeichnisse der Meister, welche die Gerechtigkeit erhielten und der Jungen, welche in das Handwerk eintraten, abschreiben zu lassen. Dieser Abschrift fügten die jeweiligen Innungsvorgeher ihre Einträge hei, bis das Buch vollgeschrieben war, darauf folgten noch mehrere Bände en folio, welche die Fortsetzung dieser Einträge bis zu der in neuerer Zeit erfolgten Auflösung der Innung und verschiedene seit dem Jahre 1548 erschienenen Verordnungen und Innungsrechnungen enthalten. Diese Bücher sind in der Lade der Innung aufbewahrt worden, und sind uns glücklicherweise noch erhalten, während die von Paul v. Stetten in seiner Kunstgeschichte B. I, S. 269 erwähnten Malerbücher von den Jahren 1542 und 1610, welche auch die Wappen aller Meister bis 1646 enthielten, nicht mehr vorgefunden werden. Das oben angeführte Malerbuch von 1566 enthält nach der Vorrede: lstens das Ver­ zeichniss der verstorbenen Meister bis 1566, 2tens das Verzeichniss der Meister, welche 1542 lebten, fortgesetzt bis zum Jahre 1693, 3tens das ebenfalls nach den Vornamen alphabetisch geordnete Register der Meister, welche die Gerechtig­ keit erhielten, 4tens in 2 Abtheilungen die Aufzeichnungen, wie und wann die Meister die Gerechtigkeit bekommen oder erkauft haben (vom Jahre 1487 bis 1629), ötens und 6tens alphabetisches Register und Einträge der Lehrjungen, welche von den Meistern angenommen wurden, vom Jahre 1481 bis 1624.

119 war, dass die gegen das Kloster und die Stadt gelegenen Kapellen ihre Ueberwölbung und Bedachung erhalten hatten, begannen der kunst- und prachtliebende Abt Johannes von Giltlingen sowie mehrere reiche hiesige Bürger, von welchen einzelne dieser Kapel­ len als Familien - Grabstätten auf eigene Kosten erbaut worden waren, sogleich mit der Errichtung von Altären in denselben, und bei dieser Gelegenheit finden wir in dem Catalogus abbatum ,*) welchen der damalige Conventuale des Stifts und Custos der Kirche Wilhelm Wittwer geschrieben hat, genaue Nachricht über ver­ schiedene bei Gumpolt Gültlinger bestellte Werke. Die Altartafel in der Kapelle des heiligen Dyonisius, des ersten Augsburger Bischoffes, welche auf Kosten der Fugger erbaut wurde, malte Gumpold Gültlinger im Jahre 1493 unter dem Abte Johannes von Giltlingen. In demselben Jahre beendete er auch die Altar­ tafel in der Kapelle der heiligen Jungfrau, welche auf Kosten der Stammler erbaut worden war.**) Im Jahre 1495 liess der genannte Abt an die westliche Wand im Eefectorium die Ansichten der Stadt Jerusalem und der heili­ gen Orte, wo Christus mit den Schülern wandelte, malen. Im Jahre 1496 wurde in der über der Kapelle des heiligen Simperts gelegenen Kapelle, welche die Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten oder auch Kapelle der Aebte genannt wird, ein von Gumbold Gültlinger gemaltes Altarbild aufgestellt, welches Wittwer ausführlich beschreibt. ***) *) Fr. Wilhelmi Wittwer Catalogus Abbatum monasterii S. S. Udalrici et Afrae Augustensis, herausgegeben von unserm verehrten 2ten Vereinsvorstand, dem um die Ortsgeschichte der Augsburger Diöcese hochverdienten Herrn Dom­ probst A. Steichele, im 3ten Bande seines Archivs für die Geschichte des Bisthums Augsburg, enthält für die Kunstgeschichte Augsburgs am Ende des löten Jahr­ hunderts viele interessante Aufzeichnungen, welche auch der ehemalige Conven­ tuale von St. Ulrich Placidus Braun in seiner anno 1817 herausgegebenen Ge­ schichte der Kirche und des Klosters des heiligen Ulrich und Afra benüzte. **) Archiv B. III S. 342. 344. ***) Archiv B. III. S.430. 431.: Sunt autem hee ymagines in eadem tabula: ymago b. Virginis in sole habens in utroque latere unum angelum, sub pedibus ejus parva ymago S. Jeronimi, quam Dominus Conradus Mörlin abb. ob dileccionem et reverenciam S. Jeronimi addidit et jussit fieri*, deinde in interiori parte et inferiori ymagines S. S. Johannis Bapte cum agno et Johannis Ewgte et ap. cum calice. In alis interioribus ejusdem tabule depicte sunt ymagines S. S. Petri et Pauli app. Andree et Simperti. -In exteriori et superiori parte tabule sunt hee ymagines: Misericordia Domini, Affrae Ultarici, Benedict i, Scolastice. Sed in alis exterioribus sunt hee ymagines S. S* Katharine, Barbare, Margarethe, Dorothee. In medio pedis tabule est depicta ymago faciei Domini nostri Jbesu

120 Placidus Braun sagt Seite 37, dass von diesem Altar nur noch die beiden Flügel übrig seien (also noch anno 1817), auf deren innerer Seite die Heiligen Peter, Paul, Andreas und Simpert, auf der Aussensejte aber die Heilgen Barbara, Catharina, Margaretha und Dorothea zu sehen seien. Im Jahre 1497 stellte Gumpolt Gültlinger, die von ihm ge­ malte Altartafel auf dem Altäre des heiligen Simpert auf, **) und erhielt dafür 230 fl. rheinisch, während der Bildschnitzer Adam **) 70 fl. bekam. Mit dem Jahre 1497 schliesst Wittwers Catalogus, und es liegen für die nächsten Jahrzehnde, obwohl der Convent von St. Ulrich viele Männer zählte, welche sich mit Geschichtsschreibung befassten, doch über den Ausbau der Kirche keine so genauen Nachrichten mehr vor, wie sie Wittwer verzeichnete. Da aber erst anno 1499 das Schiff der Kirche gewölbt, und 1500 der Grundstein zum Chor gelegt wurde, so wird bei der inneren Aus­ stattung der Kirche mit Altarbildern die Kunst Gültlingers wohl noch öfters in Anspruch genommen worden sein. Dass er später noch thätig war beweist ausser einer im Zechpflegerbuche von St. Moritz anno 1502 angeführten Ausgaben von 40 Gulden für eine von ihm gemalte Fahne auch die im Malerbuche gemeldete Vorstellung von Jungen in den Jahren 1498, 1499 und 1500. Nach dem Maler buche ist er erst i. J. 1522 gestorben, nachdem zwei Jahre vorher sein Sohn gleichen Namens die Gerechtigkeit des Vaters erhalten hatte. Wohl die meisten der Arbeiten Gültlingers werden mit denen Meister Adolphs und anderer Künstler leider bald nach ihrer Ent­ stehung zu Grunde gegangen sein, als im Jahre 1537 ein fanaChristi Salvatoris que communiter nominatur ymago Veronice cum duobus Angelis a dextris et sinstris; deinde ymago abbatis in dextro latere et in sinistro latere arma ejus. Der mit den Verhältnissen seines Hauses sehr vertraute Witt­ wer fügt noch hinzu, dass das Bild und Wappen des Abtes Johann von Gült­ linger nicht mit Hecht sondern nur aus Gunst dort seinen Platz habe, weil dieser Abt die Tafel wohl bestellt, die Bezahlung aber seinem Nachfolger dem Abte Conrad Mörlin überlassen habe, welcher dafür 100 fl. bezahlte. *) Archiv Bd. III. S. 434. **) Ein Meister Adam ist im Malerbuche nicht zu finden, und es ist möglich dass Wittwer aus Versehen Adam statt Adolph geschrieben, welch letzteren er auch an anderen Stellen als einen um das Jahr 1493 von Ulm hieherberufenen Bildschnitzer erwähnt. Dieser steht im Malerbuche Bltt. 30 und im Register fälschlich als Meister Adolph Kistler anstatt Daucher oder Dawher, und hat nach der Chronik von Sendner im Jahre 1498 für den Frühmessaltar in der Ulrichskirche 350 fl. erhalten.

121 tscher Pöbel, den Befehl des Rathes, die Bilder in den Kirchen abzunehmen und aufzubewahren, missachtend mit barbarischer Wuth in die Kirchen drang, und Statuen und Bilder zerbrach, und verbrannte. Der Altar in der Johannes- oder Abtskapelle, vor welchem nach PL Braun noch im Jahre 1817 die Flügel vor­ handen waren, mag desshalb der allgemeinen Zerstörung entgangen sein, weil diese Kapelle über der des heil. Simpert gelegen weni­ ger in die Augen fällt, von der Kirche aus keinen Zugang hat, und so wahrscheinlich bei dem ersten Anlauf der Zerstörer ver­ schont blieb. Wohin aber diese Flügel gekommen, konnte nicht ermittelt werden, und hat Schreiber dieses die wortgetreue Schil­ derung dieses Altares von Wittwer zu dem Zwecke aufgenommen, um, falls sie noch existiren sollten, Kunstforscher darauf aufmerk­ sam zu machen. Ausser der Anfangs erwähnten mit seinem Namen bezeichneten Tafel ist bis jetzt kein Bild bekannt, welches mit Sicherheit dem Gumpolt Gültlinger zugeschrieben werden könnte, aber auf der hiesigen Gemälde-Gallerie befindet sich ein Bild, welches, ebenfalls die Anbetung der heil. 3 Könige vorstellend, in der Auf­ fassung, Darstellungsart und Malerei, in den Kostümen und dem Schmuck so viel Aehnlichkeit mit ersterem Bilde hat, dass die Annahme desselben Meisters für beide Bilder wohl begründet erscheint. Es ist dieses das sub Nr. 59 in dem Marggraffschen Cataloge beschriebene und (muthmasslich) dem Amberger zuge­ schriebene, welches bedeutend grösser als das erstere ist. In beiden Bildern hält Maria mit aufgelösten blonden Haaren, gelbem Gewände und blauem Mantel das Christuskind auf dem Schosse, welches in naiver Auffassung in dem grösseren Bild nach den Goldmünzen in dem Kästchen, in dem kleineren ebenfalls nach einem glänzenden Gegenstände nehmlich nach dem Ringe an des Königs Daumen greift. Die Behandlung der Bäume und der Arcliitectur ist in beiden Bildern ähnlich, und wenn Dr. Marggraf bei dem Galleriebilde die Bemerkung macht, dass mit diesem Werke völlig ausgebildeter Kunst der Goldgrund in Widerspruch zu stehen scheine, so gilt dieses in gleich hohem Grade bei der andern Tatei, welche auch an sorgfältiger Ausführung bis ins Kleinste die erstere noch übertrifft. Die Annahme, dass der Gold­ grund von Amberger auf Bestellung gemacht worden sei, ist dann nicht nothwendig, so wie auch die angeführte Tradition, welche sich wohl an die 2 auf dem Bilde befindlichen Wappen knüpft, hinfällig wird, weil das dem v. Stetten’schen gegenüberstehende

122 nicht das der Vögelin, sondern das erste Wappen der Baumgart­ ner ist. Ueber die Herkunft dieses Bildes ist nichts bekannt, dass es aber von hier und nicht, wie im Register der Gallerie steht, von Zweibrücken stammt, beweisen schon die Wappen. Auch in der Gallerie des Louvre in Paris soll sich (nach Dr. Eisenmann) ein Bild befinden, welches unserem Meister zuge­ schrieben werden kann. Wenn vorstehende Zeilen Etwas dazu bei­ tragen, das Interesse von Kunstforschern und Kunstfreunden für diesen Maler zu erwecken, so werden vielleicht noch andere Ge­ mälde desselben aufgefunden werden, welche bis jetzt ohne oder unter fremden Namen in Kirchen, Gallerien oder im Privatbesitze sich befinden. Ueber das Privatleben des Künstlers haben wir keine Nach­ richten, aber aus den Malerbüchern ist ersichtlich, dass die Fa­ milie Gültlinger während des 16-. bis zu Anfang des 17. Jahrhun­ derts mehrere Mitglieder zählte, welche als Maler oder als Glas­ maler hier gelernt hatten, und in die Innung als Meister aufge­ nommen wurden. Der Sohn des Gumpolt Gültlinger, welcher den gleichen Namen wie sein Vater führte, bekam die Gerechtigkeit 1520 und* starb 1547 ’) Dessen Sohn Christoph trat 1554 bei dem jüngeren Christoph Amberger in die Lehre,12) und bekam die Hand­ werksgerechtigkeit i. J. 1572.3) Dieser stellte von dem Jahre 1578 bis 1596 mehrere Lehrjungen vor,4) unter diesen 1585 seinen Sohn Felix5) und 1591 seinen 2. und 3. Sohn Christoph und Chri­ stoph Hieronymus Gültlinger.6) Von diesen erhielt Felix Gültlinger die Malergerechtsame i. J. 1597 7) und Christoph i. J. 1608.8) Glaser und Glasmaler waren: Florian Gültlinger im Jahre 1510 in das Handwerk aufgenommen9) und gestorben im Jahre 1547.10) Andreas Gültlinger bekommt seines Vaters Gerechtigkeit im Jahre 1563,11) und stellt im Jahr 158012) seinen Sohn Christoph als Lehrjungen vor, das Glasen und Glasmalen zu lernen. Auch in Nürnberg hat zu Ende des 15. Jahrhunderts ein Mi­ niaturmaler Namens Johannes Gültlinger gelebt. 1) 2. Malerbuch Bltt. 4 und 33. 0 Mlrbeb. von 1566 Bltt. 195. 3) Ebenda Bltt. 87. 4) Ebenda Bltt. 231, 237, 262. 5) Ebenda Bltt. 244. «) Ebenda Bltt. 254. ‘) Ebenda Bltt. 29, 119. 8) Ebenda Bltt. 126. ®) 2. Malerbuch Bltt. 30. 10) Ebenda Bltt. 4. ü) Malerbuch von 1566 Bltt. 82. ») Ebenda Bltt. 233.

Inventar einer Fugger’schen Hauseinrichtung. Von

A. F. Butscli.

Der Glanz und die Blüthe des Fugger’sehen Geschlechts während des 16. Jahrhunderts sind allgemein bekannt und es soll daher die Herausgabe des vorliegenden Schriftchen weniger zum Zweck haben Aufschluss darüber zu ertheilen in welch’ für die damalige Zeit fürstlichem Luxus dieses berühmte Geschlecht seine Kinder erziehen liess, als vielmehr einen kleinen Beitrag für die Culturgeschichte des Jahrhunderts zu bilden, indem es uns ein ziemlich klares Bild eines glänzenden Studentenhaushaltes gibt. Die Paduaner Universität stand damals im höchsten Ansehen und die Söhne der reichen Familien ganz Europa’s bezogen die­ selben mit besonderer Vorliebe. Wem der rege Verkehr der Fugger mit Italien, ein Verkehr der sich nicht nur durch mercantile Interessen des grossartigen Handlungshauses, sondern auch in dem literarischen Verkehr einzelner Glieder desselben mit Coryphäen des italienischen Gelehrtenstandes bemerklich machte, überhaupt bekannt ist, wird begreifen, dass Nichts näher lag, als Italien für die academische Bildung der Sprossen zu wählen. Von den Persönlichkeiten, deren Hauseinrichtung während ihrer Studienzeit zu Padua das in meinem Besitze befindliche Manuscript beschreibt und dessen gegenwärtige Publication ein wortwörtlicher Abdruck ist, ist Folgendes bekannt: Marx, Christoph und Jacob waren Söhne des Johannes Fugger, Sohnes des Anton Fugger, des Stifters der sogenannten jüngern

124 Linie. Dieser Johannes Fugger wurde Stifter der Kirchheimer Linie. Der älteste seiner 3 Söhne war Marx geh. 1564. Er hatte zwei Frauen, die erste war eine Gräfin Maria von Hohenzollern, die zweite Maria Salome Gräfin von Königsegg. Er residirte zu Kirchheim, ward auch Stifter des Klosters daselbst und starb 1614. Der zweite Sohn, Christoph, war 1566 geboren, vermählte sich mit Maria Gräfin von Schwarzenberg und starb als Cammerherr des Erzherzogs Maximilian von Oesterreich a. 1615. Der dritte Sohn endlich, Jacob, wurde 1567 geboren und starb als Bischof von Constanz. Wolfgang Graf von Montfort der sich den drei Brüdern Fugger anschloss, ist der Sohn des Grafen Jacob von Montfort aus dessen Ehe mit Catharina geb. Fugger, einer Schwester des Johannes Fugger und somit der Tante der drei genannten Brüder. Dieser Wolfgang Montfort ist um 1562 geboren, starb ledigen Standes a. 1607. Da sich auf dem Manuscripte eine Jahrzahl nicht befindet, so kann mit Bestimmtheit die Zeit der Wanderschaft nach Padua nicht angegeben werden, aber ich glaube, dass diese um das Jahr 1585 erfolgt sein muss. Ungefähr dieser Zeit gehört auch die Schreibweise und Schrift des Manuscripts an.

Verzaichnus dess gantzen Hausrats wöllchen des wolgebornen Herrn Herrn Hannsen Fuggers B Siin Marx Cliristoff vnd Jacob auch Hraff wolff von Montfort Jn Padua haben» Gemeiner Haussrath. Erstlich sein dess graf wolfen herr Marxen Cämmer dessgleichen herr Christof vnd herr Jacobs auch des Preceptors, vnd die Ess Cammer der Saal mit Spalieri*) vmbhangt vnd sein solche spalieri Ein in 207. Mer stehen vf dem Saal in der herrn Cämmer, Preceptors auch Essstuben vnd Kuchen 18 Nussbaume sessel zum anleinen. 24 Nussbaume stiel vnd 2 Weiber sessele. **) *) Unter spalieri sind hier zweifellos Teppiche verstanden, die in der Art der Gobelins die Zimmerwände schmückten. Das Wort könnte auch die Bezeich­ nung für Tapeten sein, was aber wohl hier nicht der Fall sein wird, da die damals tiblichön Ledeitapeten nicht gehängt, sondern angenagelt wurden. **) Weibersessel sind kleine Armstühje.

125 Mer yf dem Saal stehet ein Lange Tafel mit 1 rot vnnd gelbgescheckheten Teppich vberzogen darauf gehört noch ein schon gemalter Teppich; 6 Helleparten mit 4 Rondellen;*) 1 Zanngen, 1 Hamer 1 Porer 1 schauffel 1 Sayl vnnd Eyssen Zum Prunnen; Letstlich 1 Kutschi sambt geschirr Zu 4 rossen, 2 truchen, welliche graf Wolf vnnd herr Jacob gebrauchen. Voigt graf wolffen Cammer. Darin hat er: Erstlich 1 studier Tisch mit gruener Leimbat vber­ zogen darauf seine büeeher deren erselbs ein verzaichnus hat, 1 Tisch mit einem Turgkisclien Teppich vberzog darauf seine klaider zulegen. Ein khlayder truchen ist Nussbaume, darin hat er, Erstlich 1 rot samet bar Hosen mit gülden Passoman**) Por­ ten sambt einem rot gmosiert***) Atlessen wammes mit auch gülden Passoman vnd ein rot seiden barstimpf; 1 Schwarzer mantel aus Canoazo die setaf) mit schwarzem samet durchfuttert; 1 blaer mantl mit gülden Passoman vnnd vornen mit Pomeranzen­ farben sameten Aussschlägen; 1 Mädernff) Belcz mit Damast vberzogen; 1 Rayssmantl von Cordelreem tuech fff); 1 Laibrockh von Cordelreem tuech; 1 Gastgonisch Cordeirees bar hosen auf die raiss gemacht, darunder 1 Lidere glats bar hosen darüber ein Aschenfarb vber gsess von vngewessertem schamlot *f) sambt 1 solchen Wammes, 1 Aschenfarb Wälisch bar hosen, sambt 1 Atlassen wammes, gestrickt seiden vnnd Wulles bar stimpfen. 1 Nachtbelcz 1 alten vnd 1 Neuen. 1 gestrickht seide heuble 1 rott wullen heuble im hauss zu tragen; 1 Wullen hembd 1 Brust­ fleck; 1 bar wintter hentschue 1 bar somer hentschue; 1 bar wullen reut sockhen 2 bar leine reutsockhen; 1 samete baret alt vnd 1 Neus mit federn; 1 huet 1 Leibgirtl. Ein Raistruchen. Darin ist: Erstlich 19 hembder, darunder 7 Neue, 2 Duczet Pacilet, *f*) 5 Schlafhauben, 5 haupt tüecher, 2 Fusstüecher, 10 bar *) Rondellen sind kleine Metallscheren zum Schutze der Hand beim Ge­ brauche der Hellebarde, die ähnlich den Brechscheiben der Turnier Lanzen in dieselben gesteckt wurden. **) Passoman: Posamentierarbeit. ***) gmosiert bedeutet hier eine Art Wässerung des Stoffes. f) Canoazo di seta war die Benennung eines damals beliebten Seidenstoffes. ff) Mädern: aus Marderfell. fff) Cordelreem Tuech: Feines auf der innern Seite geknöpftes Tuch. 4*f) schamlot dürfte wohl dem italienischen Wort: Cammellottina stammen, welches einen Zeug bedeutet, der aus Ziegenhaar und Floretseide verfertigt ist, *f*) Facilet: Schnupftuch (Fazzoletto).

126 Leine hosenstimpf, 10 Zahntuechle, 1 badmanttl, 1 Reibsäckhel, 1 Nider Clayd. Clainotter. Erstlich ein ganz guldiner Pfening, 1 vergulter Pfening auf baiden imago Christi, 2 Armbanndl, 1 Agnus Dei vergalt, 1 Ring Vergiss mein nit, 1 Rubin, 1 Demuet,*) 1 Denckhring, 1 Pettschafft, 1 Silberes Pixle zum Zahnpuluer, Letstlich 1 Futteral mit spiegl, khemppel, scher vnd anndern. Bettgewanndt. Erstlich 1 Eysine Pettstatt mit 1 rott arlesen Padiglion**) vberdackt, vnd vnnden herumb mit 1 Arlesen Flügel behenngt, 1 strosackh, 1 Liget bett von federn, 1 Maderacz, 1 Pfulgen, ***) auss federn, 1 Pfulgen auss Maderacz, 1 khüsse, 1 Bauchküsse, 1 wuller golter, 1 Leiner gemalter golter, 3 bar Leilacher, 1 Deckbett Ziech, 3 khüssenziech, 2 Polsterziech, 1 Orinal. Mer 1 schubkare vnnd. des graf Wolfen bettstatt für den Egidif) daran ist, 1 strosackh, 1 Maderatz, 1 Pfulgen, khüss, 2 golter, 2 bar Leilacher. Letstlich 1 Wöhr, 1 Dolchen, 1 Pirstpix, ff) 1 bar Stifel, 1 bar sporen. Voigt Herr Marxen Cammer. Darin ist: Erstlich 1 studiertisch mit gruener Leimbat vberzogen darauf hat er seine büecher deren er ein verzaichnus. 1 Tafel mit einem Turgkischen Teppich vberzogen darauf seine khlayder Zulegen. Eine kleider truchen von Nussb aumenholcz. Darin ist: Erstlich 1 rot samete bar hosen mit gülden Passoman Portten sambt 1 rot gemosiert Atlesen wammes mit auch gülden Passoman vnd 1 rott seiden bar stimpf, 1 schwarzer mantel auss Canoazo di seta mit schwarzem samet durch fuettert, 1 Blaer man­ tel mit gülden Passoman vnd vornen mit Pomeranzen färb sametten aussschlägen, 1 Mädern bellcz, 1 Filizmantl, 1 Rayssmantl von Cordlreemtuech, 1 Leibröckhel von Cordlreemtuech, 1 Grastgoniseh fff) *) Die damalige Bezeichnung für Diamant. **) Padiglione: Zeltdach, Himmelbett. ***) pfulgen und Golter sind ältere Bezeichnungen für verschiedene Arten von Polstern. f) Wahrscheinlich sein Diener. Auch scheint das Wort schubkare ein verschiebbares Bett für den Diener zu bezeichnen, ff) Pirstpix ^ Jagdflinte, fff) Gastgonisch: Gascogneisch.

127 Cordlrees bar hosen yf die Eaiss gemacht, darunder 1 Lidern glats bar hosen darüber 1 Aschenfarb vbergsess von vngewesertem schamlott sambt 1 sollichen Wammes, 1 Aschenfarb Wälisch bar hosen sambt 1 Atlesen wammes 1 gestrickht' bar seiden und 1 bar wullin stimpfen, 2 Nachtbelcz 1 Alter vnd 1 Neuer, 1 ge­ strickht seide heuble, 1 rott wullin heuble im hauss Zu tragen, 1 Wullen hembd, 1 Brustfleckh, 1 bar Wintterhentschue vnnd 1 bar svmer hentschue, 1 bar wullen reit sockh, 2 bar leine reutsockh, 1 Alt samete baret, 1 Neues mit fädern, 1 huet, 1 Leibgürtl. 1 Ein Leimbath truchen von Nussbaumenholz. Darinist: Erstlich 19hembder darund. 13Neue, 2Duczedfacilet, 5 schlafhauben, 5 haubttüecher, 2 Fuesstüecher, 10 bar Leine hosen stimpf, 10 Zahntüechle, 1 badmantl, 1 Keibsäckhl, 1 Nider Claid. Clainotter. Erstlich 1 ganz guldiner Pfenning, 1 vergulter Pfenning vf baiden imago Christi, 2 Armbenndl, 1 guldes Cättele daran 1 guldes Creuzle, 1 Agnus Dei, 1 Türgkes, 1 Eubin, 1 Demuet damit man schreibt. 1 krampfring, 1 Pettschaft, 1 silberes Pixle zum Zahnpulver, 1 Zungenschaber, ein Futteral mit kemppel, 1 Spie­ gel, 1 köpf Pirsten, scher vnnd annderes. Bettgewanndt. Erstlich 1 Eysine Pettstatt mit rot Arlesen Padiglion vberdeckht vnnd vnden herumb mit ArleSen fliigel behengt, 1 Stroh­ sack, 1 Ligbett voh federn, 1 Maderatzen, 1 Pfülgen auss födern, 1 Pfülgen auss Maderatz, 1 kopfküsse, 1 bauchküsse, 1 wuller golter, 1 Leine gemalter golter, 1 wullen bar Lailacher Zum raysen, 3 bar Lailacher, 1 Deckhbett Ziech, 3 küssen Ziech, 2 Polster Ziech, 3 bauchkisset Ziech, 1 Orinal, 1 Sewetstuel.*) Neben der Betstatt 1 Wöhr, 1 Tolch, 1 Pirst Pix, 1 Nachtampel sambt 1 Olkrueg, 1 kessele Zum waichwasser, 1 Crosati **) daran man die mäntl hennkht, 2 Caueclons sambt 1 Eisenring, fewrhack schauffel gabel Zanngen- vnnd blassbalg, 1 Anzigl, 1 körbösen, 1 gewandt Pirsten, 1 reib Pirstle, 1 schwam, 1 bar stifel mit rinckh, 1 bar sporn. *) Sewetstuel 'Nachtstuhl. •*) Crosati: Kleiderhacken-Halter nach dem italien. Crocco oder französ, crochet: Hacken, in dieser eigenthüml. Weise germanisirt.

128 Voigt was Herr Christof in Seiner Cammer hat. Erstlich in einem studier stüble 1 tisch mit gruener Leimbat vberzogen darauf seine Buecher deren er 1 verzeichnus. 1 Tafel mit 1 Türckischen Teppich darauf die klaider zu legen. Ein klaidertruchen von buxbaumenholcz. Darin ist: Erstlich 1 rot samete bar hosen mit gülden Passoman Portten. sambt 1 rot gmosiert atlesen wammes mit auch gülden Passo­ man vnd rot seiden bar stimpf, 1 schwarzer mantl aus Canoaz di seta mit schwarczem samet durchfuettert, 1 Ploer mantl mit gülden Passoman vnnd vornen mit Pomeranez färb sametten Aussschlägen, 1 Mädern bellcz, 1 Rayssmantl vornen mit samet sonst von Cordlreem tnech, 1 Gastgonisch Cordlrees bar hosen vf die raiss ge­ macht darund. 1 Lidere glats bar hosen darüber 1 Aschenfarb Vbergsess von vngewessertem schamlot sambt 1 solchen Wammes, 1 Aschenfarb wälisch bar Hosen sambt 1 Atlessen wammes gestrückht seiden vnd 1 bar wullen stimpfen, 1 Neuer Nachtbelcz 1 alter, 1 wulle hembd, ein brustflekh, 1 gestrickht seide heuble, 1 rot wullen heuble im haus Zu tragen, 1 bar Wintterhentschue, 1 bar svmmer hentschue, 1 bar wullen reuttsockh, 2 bar Leine reutsockhen, 1 Alts Paret, 1 Neues mit födern, 1 huet, 1 Leibgürtl. Ein Leimbat truchen vonn Nussbaumenholcz. Darin ist: Erstlich 19 Hembden darund. 13 Neue, 2 Duczet Facilet, 5 schlaff Hauben, 5 haubttuecher, 2 Fuesstuecher, 10 bar Leine hosen stimpf, 10 Zantüechle, 1 badmantl, 1 Reibsäckhl, 1 Niderclaid. Clainotter. Erstlich 1 gancz guldiner Pfenning, 1 vergulter Pfenning vf bayden imago Christi, 1 bar Armbanndl, 1 Agnus dei vergult, 2 Türkhes, 1 Vergiss mein nit, 1 krampfring, 1 Demuet, 1 Rubin, 1 Ring mit 1 Cättele, 1 Petschafft neu vnd 1 alts, 1 silberes Zanpixle. Letstlieh 1 Futteral mit kemppel, Spiegel, scher vnd affnderes. Bettgewanndt. Erstlich 1 Eysne verguldte Pettstatt mit 1 rott arlesen Padiglion vberdacht vnnd vnden herumb mit 1 arlesen Flügel behenngt, 1 Strosackh, 1 Ligbeth von federn, 1 Maderacz, 1 Pfulgen auss federn, 1 auss maderacz, 1 kopfkhisse, 1 bauchküsse, 1 wuller gemalter golter, 1 Leiner golter, 1 wullen bar Leilacher Zum raysen, 3 bar Leilacher, 1 Deckhbet Ziech, 3 küssen Ziech,

129 2 Polster Ziech, 2 bauchküssel Ziech, 1 Orinäl, 1 Sewet stnel. Vnnder der Betstatt 1 schubkarr für den Jochan dazu gehört 1 strosackh, 1 Mafferacz, 1 Pfulgen von Maderacz, 1 küss, 1 kocz, 1 golter, 1 har Leilacher. Neben der betstat 1 Wöhr, 1 tolch, 1 Pirstpix, 1 Nachtampel sambt 1 Olkrueg, 1 kessele zum waich­ wasser, 1 Crosati daran man die mäntl hengkht, 1 Anzigl, 1 ge­ wandt Pirsten, 1 körbösen, 1 raib Pirstle, 1 schwam, 1 bar Reutstifel, 1 "bar sporen 1 bar Cauedonj vnnd. dem Camin sambt 1 feursehauffel, feuerhaggen, gabel, Zanngen vnnd Plassbalgkh. Yolgt wass herr Jacob in seiner Cammer hat. Erstlich in seinem studierstüble 1 stu^iertisch mit grüener Leimbath vberzogen darauf seine Büecher deren er 1 verzaichnus. Ein klayder truchen von buxbaumenholcz. Darin ist: Erstlich 1 rottsamette gastgonisch bar Hosen von gülden Passoman Portten, sambt 1 rot gmosiert Atlesen wammes mit auch gülden Passoman vnd 1 rott seiden bar stimpf, 1 schwarzer mantl auss Canoazo di seta mit schwarzem samet durchfuettert, 1 blaer mantl mit gülden Passoman vnnd vornen mit Pomeranczenfarb sameten Ausschläg, 1 Mädern belcz, 1 Rays mantl von Cordlreem tuech, 1 Cordlrees Gastgonisch bar hosen vf die raiss ge­ macht, darunder 1 Lidern glats bar hosen, darüber 1 Aschenfarb vbergsess von vngewessertem schamlot sambt einem solchen wammes, 1 Aschenfarb wälisch bar Hosen sambt 1 Atlesen wam­ mes gestrickht seiden vnd bar wullen stimpfen, 1 Neuer vnd 1 alter 'Nachtbelcz, 1 wullin hembt, 1 brustfleckh, 1 gestrikht heuble, 1 rottwullin heuble im haus Zutragen, 1 Par wintter hentschüe, 1 bar summer henntschuhe, 1 bar wullen reutsockhn, 2 bar leine reutsockhn, 1 Samete baret alt, 1 Neues mit federn, 1 huet, 1 Leibgürtel. Ein Raysstruchen darin ist vonn Leimbat: Erstlich 19 hembder darund. 13 Neue, 2 Duczet facilet, 5 schlaffhauben, 5 haubttüecher, 2 Fuesstuecher, 10 bar leine hosen stimpf, 10 Zantüechle, 1 badmantl, 1 Reibsäckhl, 1 Niderclaid. Clainotter. Erst 1 gancz gülden Pfenning, 1 vergulter Pfenning vf baiden imago Christi, 1 guldes bar Armbenndl, 1 Agnus dei verguldt, 1 Vergiss mein nit, 2 Demuet, 1 Rubin, 1 Silbern Pettschaft, 1 silberes Zanpixle, 1 Futteral mit kemppel, Spiegel, scher vnd anderen. Letstlich 1 bindpix. *) *) Bindpix: Windbüchse. (?)

9

130 Bettgewandt vnnd annd’s. Erstlich 1 Eysne Pettstatt mit 1 rott arlesen Padiglion vberdeckht vnd vnnden herumb mit 1 arlesen flügel behenngkht, 1 Strosackh, 1 Maderaczen, 1 Ligbett von federn, 1 Pfulgenauss Maderacz, 1 Pfulgen anss federn, 1 kopfküsse, 1 bauchküsse, 1 wuller golter, 1 gemalter golter, .3 küssen Ziech, 3 bar 'Lei­ lacher, 3 Polster Ziech, 2 bauchküssen Ziech, 1 Orinal. Neben der bettstat 1 wöhr, 1 tolch, 1 Pirst-Pix. Letstlich 1 bar reutstifel, 1 bar sporen. i Voigt des Preceptors Cammer. Erstlich 1 buxbaumene bettstatt mit 1 Padiglion vberdeckht vnnd rond herumb mit 1 Arlesen flügel behenngt, 1 Maderacz, 1 Ligbet, 1 Feder Pfulgen, 1 Pfulgen auss Maderacz, 1 küssen, 1 golter, 1 koczen, *) 2 bar Lailacher, 1 Polster Ziech, 2 Khüssen Ziech, 1 Orinal, 1 Tafel mit grüener Leinbath vberzogen, 1 Crosati zu den Mantlen aufzuhennkhn, 1 Nacht Ampel darzue 1 Ölkrueg. In des Spenditor**) vnnd wälisch Cammer. Erstlich 1 Caueleti***) oder Pettstatt von brettern, 1 strohsackh, 1 Maderacz, 2 Pfulg, 1 kocz, 1 golter, 2 bar Lailacher. In des Kochs vnnd Bueben Cammer. Erstlich 1 Caueleti oder bettstatt von Brettern, 1 strosackh, 1 Maderacz, 1 Pfulgen, 1 kocz, 1 Golter, 2 bar Lailacher. Voigt weitter Tisch, Leinbath vnnd anndereszur tafel gehörig. Ein gemalte truchen, darin ist: Erstlich 2 geegckte lange Tafeltüecher, 6 kürczere Tafeltüecher geegcket, 4 Tischtuecher, 112 Fanniet, f) 18 Handt Zwegel, 6 vmb lauff, 8 Küchentuecher. Esstuben darin: Erstlich in der Esstuben 1 Tafel mit 1 gescheckheten Tep­ pich für die herrn, 1 ßonntten tisch für’s gesünndt, 1 Credencztisch, 1 Messin handtbeckhet sambt giess vass, 1 Messin schüssele Zum wasser sambt messin Schöpflöffel Zum wein wessern, 10 Messer; *) **) ***) f)

Koczen: dicker haariger Teppich aus grober Wolle Spenditore: Einkäufer, hier e. Art Hausmeister oder Haushofmeister. Casa di letto. Vermutlich Servietten.

131 12 sülbere Pieran, *) 4 silbere löffel für die herrn, 6 messn löffel, 4 salczfesser, 4 Messin Fondei**) darauf man die Pocal seczt, 1 Messin Leichter satiibt 3 buezern, 4 hilczene Leichter, 4 hoche winndgläser vber die Liechter, 3 weinkrieg, 1 kupfern kielbeckh, 2 körb zum brott, 1 Zun Dellern, 4 Yenedische Pocal zum Wein, 2 Zum Wässern, 20 glöser für die Herrn vnnd dss gsündt. Kuchen Haussrath vnnd annders. Erstlich 1 Anricht Tafel, 2 Lannge bennckh, 2 khupfern wasser khessel, 1 khupfern Gaza,***) 1 kupfern suppenseiger, 2 kupfern Dortenpfendle, 1 Pastetten Pfannen, 2 kupfern kössel zum kochn sambt 2 Copert, 1 kupfern kössel zum wasser Wärmen 1 wärm Pfannen, 1 kösten Pfannen, 1 Prat Pfannen, 6 anndere Pfaönen, 2 glut Pfendel, 24 Zinschtissl, 6 Chleine schüssele, 6 Irdine schüssel, 24 Zindeller, 24 hilzine Deller, 2 Eysen Schöpf­ löffel, 2 Eysen Suppenlöffel, 1 Teutscher Pratter sambt 4 spissen» 2 Höst, 2 Hackhmesser, 2 Hackhbrettle, 1 Eibeysen, 1 Dreifuess, 2 Pfannenkettin, 1 bar Cauedoni sambt 1 feuerhackhn, schauffel, Zanngen vnnd blassbalckh, 1 Eysen raiff vnnd sonst 1 Eysen hackhn zum flaisch aufzuehennckhn, 1 Peichelf) Zum flaisch Zu hackhn, 1 Müsselo dz flaisch darin auf Zuhennckhn, 12 Eysen hackhen, die kössel daran Zu hennckhen, 4 staine kössel mit messen raiffen, welche man Lauesi nennt, 1 staine Mersqr, 1 Irdiner schmalskrueg, 6 Irdin Häfen, 2 Irden spiel karr, 1 gwurtz Pix, 1 salczfass, 1 kraut kueffen. Wäschkuchen gschirr. Erstlich 1 wäschkössel eingemauert, 1 grosser wasch Zuber für die herrn, 1 Zuber für die hauswäsch, 4 schäffle, strick zur Wäsch, 2 grossen kreczen Zur wesch, 1 Laitter zum vfhenckhn. Im Keller. 3 Essig vesser, 4 weinfesser. *) Pieran: das Wort war nicht zu finden. Soll es vielleicht Gabeln bedeuten ? **) Fondei: Untersatz. ***) Gaza bedeutet hier sicher den Wasserschöpfer noch heute im Altbayerischen Gazl. f) Beil.

9*

Kleinere Mittheilungen. I. Keltische Aphorismen. Die nachfolgenden Notizen machen begreiflicherweise keinen Anspruch weder auf Yollständigkeit noch auf Unfehlbarkeit. Beides schliesst schon der noch immer so unsichere Stand keltischer Forschung von vornherein aus. Sie wollen nur die Aufmerksamkeit auf einige bisher gar nicht oder wenig .beachtete Posten der localen Namengebung lenken. Die uralten Flussnamen unserer Hochebene, Lech und Wertach, hat schon Zeuss richtig gedeutet. Wenn er den ersteren Muss als den „stei­ nigen“ bezeichnet, so stimmen hier etymologische und sachliche Gründe in einer Weise zusammen, die jeden Zweifel ausschliesst. Auch der Deutung des Namens Wertach, als des „grünen“ Flusses wird jeder beitreten können, der nur je die grünen Wellen des Flusses mit den grauen Kalkwassern des Lechs verglichen hat. Ich möchte hier an das altirische urde ~~ viridis erinnern, weniger an das cambrische gwrdd = fortis, auf welches die mit Yirdo componirten Personennamen zurückzuführen wären und auf welches auch Bacmeister in den „Alemannischen Wanderungen“ den Namen bezieht. Schwieriger ist die Deutung des Namens der Yindeliker selber. Ueberall wo keltische Laute erklangen, tönt uns der Stamm vind oder vin entgegen. Bacmeister, der sich noch in den letzten Tagen seines Lebens mit der Frage beschäftigte, dachte bei dem Stamme vind an das irische: fin === weiss; die keltischen Namen mit dem Stamme vind treten indess so mannichfach auf, dass man nicht immer auf gleiche Abstammung zu schliessen braucht. Zu ihnen gehört der hibernische Fluss Buvinda wohl ebensogut, wie die Tectosagische Stadt Yincela in Pisidien. Ich nenne noch die Städte Yindana und Yindinon im lugdunensischen Gallien, Yindia in Galatien, Vindobona (mana, mina) in Pannonien, Vindomagps im narbonensischen Gallien, den brittanischen Meerbusen Yindogara, die Flüsse Vinderis in Schottland und Yindelicus, welch letzteren Florus in Verbindung mit der Jsara nennt. Auch die Yindeliker sind hierherzuziehen. Ich gebe zu bedenken, ob nicht guineach verwandt mit got. kuni yevoq oder besser noch, gälisch fine = Verwandschaft, Stamm hier anzuführen ist. Da die Yindeliker als Collectivbegriff gleich in der ältesten Urkunde ihrer Geschichte, in der Sieges­ inschrift des Augustus, auftreten, so dürfte letztere Vermuthung nicht ganz ohne Grund sein. Fntör den vindelikischen Stämmen werden die Consuaneten genannt. Bacmeister weist in den „keltischenBriefen“ p. 108 nach, dass con = zu­ sammen, mit bedeutet. Also ein Name vereinigter Stämme der Suaneten, die sowohl dem Tropaeum wie dem Ptolemäos bekannt sind/ Suas altir. heisst oben, hinauf, doch könnte hierher auch die keltische Vorsilbe su = gut gezogen werden, wie sie nach Bacmeister bei den Suessiones, Sucasses hervortritt. Neben ihnen werden erwähnt die Rucinates. Man könnte an das gäl. ceanu = Haupt denken, Gen. cinn, altir. cenn mit dem adverbialen verstärkenden ro. In dem ganzen weiten Gebiete zwischen der Donau und den rätischen Alpen nennt Strabo bekanntlich nur drei Staedte: Brigantion, Kambodunon

133 und „gleichsam die Akropolis der Likattier“, Damasia. Die beiden ersten Namen sind ziemlich sicher festgestellt, nicht minder ihre Lage. Schlim­ mer steht es mit Damasia. Nur so viel ist sicher, dass die Stadt auf einem Berge im Lechgebiet lag. Ueber dies Resultat wird man nie hin­ aus kommen, die Lage der Stadt ist geradezu unbestimmbar. Ob sie zu den Burgen an den Alpenhängen gehörte, deren Erstürmung durch Drusus Horaz besingt, ob sie die Höhe über Landsberg krönte oder sich in dem Winkel zwischen Lech und Wertach erhob, wissen wir einfach nicht. Weder birgt das Ortslexicon anklingende Namen in diesen Gregenden, noch hat der keltische Holz- und Erdbau Spuren hinterlassen, die die Jahr­ hunderte überdauerten. Was den Namen anlangt, so lässt sich eine Deu­ tung wohl versuchen, Liesze sich nicht das gälische tamh hier anführen, das auf ein altirisches tarn leiten würde (wie gäl. lamh = die Hand, einem altirischen lam, gäl. brigh = Kraft einem altir. brig entspricht) und das mit Tfidco, Ti\LVco verwandt Wohnung, Zufluchtsort bedeuten würde? Oder ist etwa an gäl. taom (anschwellen, sich ergiessen) zu denken, wozu tom der Hügel zu rechnen ist ? Zu taom würde die Tamesis zu beziehen sein, sowie die Flüsse Tamaros (bei Mela Tamaris) in Gallaecien und Tamaros an der Südküste von Brittanien mit der an ihm liegenden Stadt Tamare. Sprachlich be­ quemer, wenn auch nicht dem Sinne nach erscheint folgende Ableitung: da der Umlaut a gäl. auf einen Stamm mit ai zu deuten pflegt, so würde ein genetivisches dam einem Stamme gäl. daimh, altir. daim entsprechen. Daimh aber vielleicht mit dtfpoq nach Ebrard verwandt, bedeutet den Fremden, den Gast sowohl als den Feind. Ich möchte mich für die erstere Ableit­ ung entscheiden, die sich mit der lakonischen Angabe Strabo’s wohl ver­ einigen Hesse. Für die Endung steht mir als keltisches Analogon nur Alesia zu Gebote. Dr. Konrad ReicharcL

II. Conrad Herwart, Domherr zu Augsburg, und seine urkundliche Erwähnung [1246 — 1262]. Conrad Herwart ist meines Wissens der älteste mit Namen bekannte Augsburger, welcher in das Domkapitel aufgenommen wurde. Es findet seiner mit Sicherheit Erwähnung in der im August 1251 von Bischof Hartmann den Schwestern S.. Augustini zu St. Catharina ausgestellten Ur­ kunde üher einen in der Stadt eingeräumten Plaitz. Die Urkunde selbst hat weder in den Monumentis boicis, noch in anderen mir bekannten Ur­ kundenwerken Aufnahme oder sonstwo Veröffentlichung gofunden; es sei daher gestattet, ein am 18. März 1647 in Augsburg ausgestelltes, das Kanonikat des Conrad Herwart bestätigendes Attest hier mitzutheilen, worin jene'Urkunde von 1251 im wörtlichen lateinischen Text, wiedergegeben ist. „Attestat des Hochwürdigen Domkapitel«, dass Conrad Herwarta. 1251 als Nobilis Domherr daselbst gewesen. Augsburg 18. März 1647. An* Herrn Dr. Heinrich Herwart“ „Wir Christoff von Aw Dombprobst, Johann Ulrich Schenckh von Castel Dechant und gemain Capitul des hochen Dombstiffts zue Augspurg etc. beurkhunden hiemit und thuen khundt meniglichen, was massen

134 unnss der edle vest und hochgelerte Herr Hainrich Her wardt*) beeder Rechten Doctor alhie den ailfften Martij jüngsthin mit Geb fr schrüfftlichen ersuecht, ihme zue Beweissung antiquae nobilitatis Herwartorum ein testimonium veritates in probante forma mitzuethailen, dass weyland sein Yetter Conrad Herwardt seel. uff hochgedachtem Stüfft Dombherr gewessen,. gestallten dessen im Herwartisehen Genealogie-Register oder Stammenbuech ausstruckhenlich gedacht und zue dem End gleich nachfolgender Anno Tausendt zwayhundert ein und fünffzig von ihme neben andern Herren in tali qualitate verrichter vornemme actus angezogen werde, welcher lateinisch und teutsch unnss fürgelegt de verbo ad verbum also lautet: In nomine sanctae et individuae trinitatis amen. Hartmanus dei gratia Augustens. ecclesiae electus et confirmatus universis Christi fidelibus ad quos praesens scriptum pervenerit salutem in omnium salvatore. Cum religionem eligentibus nostrum adesse velimus subsidium, ut devoti non solum in suae pietatis proposito perseverent, imo etiam ut nostro iuvamine ipsorum devotio augeatur, nos dilectarum in Christo sororum ord. S. Augustini, quae in prato civitatis nostrae primitus existentes, ibidem locum suae mansionis congruum non habebant, volentes provisione paterna earum commodis providere, ut nostra solicjtudine deo commodius famulenter,*****) ) ipsis ob reverentiam et venerationem S. Dominici primi patris| Ord. praedicatorum, nec non ad petitionem dilectorum civium Augustens. proprietatem arearum in parochia S. Mauritii sitarum, quas Oswaldus miles et Berchtoldus dispensator officiales nostri ab ecclesia nostra tenebant in feudo, consensu totius capituli nostri et dictorum officialium nostrorum, ad hoc plenius accedente donavimus perpetuo possidendam: quas areas ipsae sorores alio earum praedio nostrae ecclesiae compensarunt. Ad haec habentes fidutiam in domino, quod orationum earum fragrantia nobis ad aeternitatis praemium sapiat et ceteris devotio religionis suae proficiat in exemplo, ipsis in eisdem areis fundandi et construendi Oratorium in honore gloriosae Yirg. et Mart. Catharinae ac locandi aedifitia, quae suo collegio ibidem domino perpetim servituro congruant, plenam dedimus facutatem, salvis universis earum privilegiis ipsis a primae plantationis collegii'sui exordio concessis ac imposterum concedendis. Ut autem hoc plenum robur obtineat fraternitatis dictis sororibus praesentem literam ad evidentiam veritatis dedimus sigillis nostro videlicet et capituli nostri fideliter communitam. Acta sunt haec anno domini M0.CC°.LI°., indictione nona, nonis augusti, praesentibus testibus subscriptis videlicet domino Ludovico summo praeposito, Sifido decano ecclesiae Augustens. et praeposito S. Mauritii, Cunone plebano et archidiacono, Conrado cellario, Wernhero custode et archidiacono, Ruperto de Summerowe archidiacono, Sifrido de Inningen, Ulrico de Knöringen oblaico, Heinrico de Stauffen archidiacono, Hermanno summo villico, Cunrado Herwardo, Henrico de Baiswile, Marquardo deMidelingen, Alberto de Yischach, canonicis Augustens., item fratribus praedicatoribus videlicet Henrico de Waldhausen priore, Jordano, Heinrico de Babenhausen, Walthero Rufo, item civibus Augustens. Conrado Curialicervo, Cuni^do de **) Sibotone *) Ein Sohn des Heinrich Herwart und der Maria Walterin, geb. 1602, f 1658, J. U. D., kaiserl. Rath u. 1653 comes palat. •*) famulentur. ***) jedenfalls et.

135 I

filiis patrui sui, Henrico de William, Cunrado Barba, Henrico de Murnowe, et aliis pluribus viris providis et honestis. Weil dan solch sein Herrn DoctorHerwärdts bittlich Begehren billich, dessgleichen die producierte uns abgelesne mehr weder hundert Jahr allte Hanndschrifft bey unnserer Cannzley und aus unsern Registra­ turen wolerkhandtlich, zumahlen gantz glaubwirdig wie nit weniger ann unnd für sich selbsten der darinnen begrifne ietzt recapitulierte actus in materialibus et personalibus und in specie dass der erwürdig und edel annuhn vor etlich hundert Jahren seelig verstorbne Herr Conrad Her­ wart anno Tausendt zwayhundert ,ain und fünfzig Dombherr dises hochen Stiffts zu Augspurg gewesen unzeitlich (sic), massen ferner wahr, dass nit allein biss uf heutigen Tag im Critzgang der Dombkirchen alhier desselben Epitaphium verhannden, und zwar, wie die Ueberschrifft ausweist, berait anno Tausendt vierhundert acht und neunzig mense octobri renoviert wor­ den, sondern auch noch darzue uf dem darbey ligenden Grabstein eine geistliche ein offen Buech in Händen habende Persohn und under dero dass Wappen (so die Herren Herwart allhie und denen Churbayrischen Lannden sich ufhalltendt noch immerhin fiehren, benantlichen ein Schildt und Kautz oder Eyle darin) gehauen hell und klar zue sechen, dahero öffters seeligerwähnten Herrn Conraden Herwärts sowol Canonicat alls Nobilität desto unfahlbarer und sonnenklarer, umbwillen auch gewiss ist, dass ausser deren heiligen Schrifft oder geist- und weltlicher Rechten Doctorn und Graduirten (darunder wir ihne Herren Conrad Herwardten über ffeissig anbefolchnes und gethones Nachsuechen nicht finden) auf dass hoche Stift zue Augspurg ainzig unnd rittermessige vom Adel und höhere Stanndts-Persohnen jederzeit genommen worden und noch uf den heutigen Tag diser und anderer Gestallt nit an und ufgenommen werden. Dem allem nach habe wir ihme Herren Doctor Heinrich Herwardt uf sein billichmessig Begehren dise mit unserm anhangenden Capitular Secret bekräftigte Attestation zur Steuer der Warheit ertheilen wollen. Geschechen und geben in Augspurg den achzehenden Monatstag Martij, nach Christi unsers Herren und Seeligmachers allerheyligsten Geburts Tausend sechs­ hundert siben und vierzigsten Jahrss.“ (Pergamenturkunde in meinem Besitz.) v Wenn es somit unzweifelhaft feststeht, dass Conrad Herwart Domherr gewesen, so darf man wohl erwarten, ihm und den anderen oben auf­ geführten Zeugen des Domstiftes in den überlieferten Dokumenten jener Zeit wieder zu begegnen, allerdings treffen wir Conrads Geschlechtsnamen nur in verdorbener Form, aber bei der schwankenden Orthographie des Mittelalters, bei dem Umstande, dass die Namen der Zeugen von Schreibers­ hand in die Urkunden aufgenommen wurden, genügt die Lautähnlichkeit gewiss dann, wenn Yorname und Platz unter den mitzeugenden Kapitel­ herren unverändert bleiben. Folgende Urkunden kommen hier in Betracht: 1) Hartmanus episcopus ecclesiae suae castrum et oppidum Dilingen, advocatias et omnes possessiones suas inter Danubium et terminos, qui Rieszhalde dicuntur, nec non inter villam Nawe et Blinthain sitas, insuper advocatias monasterii in Nerenshain et praedium suum in Nortvelden donat. Anno 1258. 29. Decembris. Augustae. (Monumenta boica, Collectio nova. Yol. VI. Pars I. p. 88—90),

136 2) Hartmannus ep. pontem Yindeliciae et curiam quondam Heinrico Schongower, civi Augustenci, oppignorat. 1259. 2. Januarii. (Mon. boi. Coli, nova. Toi. VI. P. I. p. 90—92). 3) Hartmannus ep. Heinrico Schongowensi, civi August., pro C. lib. den. theloneum civitatis sue confert. 1259. 2. Januarii. (Mon. boi. Coli, nova. Vol. VI. P. I. p. 92—93. 4. Hartmannus ep. Heinrico Schongowario eiusdemque filiis officium praefecturae civitatis suae ad duodecim annos confert. 1262. 26. Julii. (Mon. boi. Coli. nova. Vol. VI. P. I. p. 97—99). Die vollständige Zeugenreihe dieser Urkunden zu geben, ist nicht nöthig, aber in allen vier finden wir von den Zeugen der Urkunde des Jahres 1251 wieder den Ludovicus summus praepositus, Sifridus decanus, Cuno plebanus, Heinricus de Stauffen, Mcrquardus de Nidelingen und Howardus, von welchem wir, da er 1262 Conrad’us Hawardus genannt wird, wohl nicht zweifeln können, dass er mit dem Conradus Herwardns von 1251 identisch sei. Nur einmal noch, in einer älteren Urkunde von 1246 findet sich ein Dominus Howardus angeführt, in der merkwürdigen Urkunde von 1246, IV. K^tl. Sept., in welcher sich ein Graf von Hohenlohe, in An­ wesenheit des römischen Königs,' von Otto dem Bogener zu Augsburg, dem er seinen dortigen Wohnhof zu Lehen gab, als jährliche Anerkennung ein Paar Hosen von feinem Wollenzeuge ausbedingte. Zeugen waren (nach Stetten Gesch. der adl. Geschlechter Augsburgs S. 365): Comes Pridericus de Zolr. Comes Ludovicus de Spurenberch. Dominus Eberhardus de Eberstain. Dominus Hainricus de Nifen. Dominus Ulricus de ffundolfingen. Dominus Krafft de Bockesberg. Dominus Wolframus de Kruthain. Dominus Cunradus Kroph. Dominus Waltherus pincerna de Limpurch. Dominus Cunradus pincerna de Klingenburch. Dominus Lupoldus magister coquine de Eotenburcb. Dominus Hawardus. Dominus Fridericus de Rindesmul. Dominus Siboto Tanhuser. Dominus Engelhardus de Tapfham. Dominus Heinricus Hiela (Gula) Advocatus Augustensis etc. Ob dieser Hawardus der gleichnamige Domherr gewesen ist, lasse ich dahingestellt sein, doch wird man ihn dem Herwartischen Geschlechte bei­ zählen dürfen, was auch Stetten gethan, der den Namen gleichwie die Na­ men aller Augsburger, in Cursivschrift hervorhebt. Seine letzte Ruhestätte fand Herwart im Kreuzgange des Domes zu Augsburg, der s. g. „finsteren Gräbd.“ Senkrecht zur Wand liegt der Grab­ stein, der ihn deckt und den’das Attestat von 1647 beschreibt. Zu Häupten des Steines zeigt sich auf der Wand ein Frecogemälde: Christus am Kreuz, von Maria und Joseph trauernd umstanden, vor dem Kreuse kniet Conrad Herwart, neben sich den Wappenschild und ruft dem Erlöser die auf ein Spruchband geschriebene Bitte zu: „Miserere mei deus secundum mag . . . .“ (zu ergänzen magnam misericordiam tuam). Ueber dem Ge­ mälde steht eine Inschrift, welche auf die im Attest von 1647 ewähnte Re­ novation Bezug hat, nun aber schadhaft geworden, nur noch die Worte lesbar enthält: Domini Anno MCCCCLXXXXVIII Die V. Octobris.............. Der Grabstein des Conrad Herwart giebt die älteste Darstellung des Wappens seines Geschlechtes. _ _ . __

Hans Herwarth von Bittenfeld.

VI.

Aus dem Bildungsgänge eines Augsburger Kaufmanns­ sohnes vom Schlüsse des 16. Jahrhunderts. Von

Luitpold Brunner.

Die folgenden Blätter haben die Bestimmung, einen sechs Jahre umfassenden Abschnitt des Bildungsganges eines reichen Augsburger Kaufmannssohnes, des Anton Christoph Hörmann von Gutenberg, auf dem sicheren Grunde des meist noch im Original vorliegenden Briefwechsels desselben mit Angehörigen, der in dem Archive der genannten Familie aufbewahrt ist, in getreuer Wie­ dergabe des Hauptsächlichen darzustellen. Es ist somit nicht ein Beitrag zur Geschichte eines in grösserem oder kleinerem Um­ fange in die Entwicklung seiner Zeit eingreifenden gesellschaft­ lichen Vereines oder eines zur vollen Selbstständigkeit gelangten und in der Ausfüllung eines wichtigen Berufes thätigen Einzeln­ lebens, was hier geboten wird, sondern nur ein bescheidenes Stück mittelalterlichen Stilllebens im kleinen Raume der Schule, die Schilderung des ersten Heranreifens einer individuellen Kraft zur künftig offen waltenden Standesthätigkeit. Wohl wurde die Frage, ob eine solche in den engsten Kreis des Speziellen gewie­ sene Mittheilung auch das Interesse eines grösseren und die Auf­ hellung bedeutenderer historischer Gegenstände fordernden Leser­ kreises mit Recht beanspruchen könne, vor dem Vorhaben der Bearbeitung und noch mehr der Herausgabe der gebührenden Berücksichtigung unterstellt; reifliche Ueberlegung aber liess ihre Bejahung als nicht zu gewagt, sondern als gerechtfertigt erscheinen.

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138 Bekanntlich ist es als ein grosser Fortschritt der geschicht­ lichen Forschung der Gegenwart zu bezeichnen, dass diese, wie sie einerseits auf dem weiten Lebensgebiete die offen zu Tage liegenden, die Zeitrichtung mitbestimmenden oder sie anschau­ lich ausprägenden Thatsachen gründlich prüft, entwickelt und darstellt, so auch anderseits, wie es vordem viel weniger geschah, in die geheimen Gänge des Entstehens und Reifens der später weithin sichtbaren, vollen Kräfte, in das Innere der gesellschaft­ lichen "Verhältnisse bis zu denen der Familie einzudringen und so ein möglichst vollständiges in Ursachen und Wirkungen er­ kennbares Bild zu erhalten sucht. Dass aber das Walten der Schule wohl berechtigt sei, in diesen erweiterten Kreis der For­ schung und der Mittheilung günstiger Resultate derselben ein­ zutreten, ist bei seiner Wichtigkeit für das gebildete Leben über­ haupt, bei seinem Einflüsse auf eine ganze Zeitlage und bei seiner unabweisbaren Vorbedingung zur Bildung der meisten historisch bedeutenden Persönlichkeiten gewiss nicht zu bezweifeln. Frei­ lich hat der Jüngling, in dessen Briefgeheimniss wir hier eindringen, sich später zu keiner Bedeutung erschwungen, ist selbst im engen Kreise der Familiengeschichte noch vor Vollendung der Studienzeit spurlos bis zur Todesnachricht verschwunden; dessenungeachtet aber hat der klar erkennbare Abschnitt seines Bildungsganges aus dem Grunde eine nicht zu unterschätzende Wichtigkeit, weil dieser gewiss als der damals herkömmliche der meisten Jünglinge seines Standes, als die gewöhnliche Vor­ schule zu dem bedeutenden und damals noch mehr wie jetzt in die grossen Zeitfragen eingreifenden und sie mitbestimmenden . Handelsgeschäfte, in dessen Trägern wir so oft mit Staunen eine Weit über die nächsten Interessen hinausgehende Vielseitigkeit der Bildung und selbst tiefe Bekanntschaft mit den klassischen Studien finden, betrachtet werden kann. Dass einzelne Verhält­ nisse dieser Erziehung, so die Stellung und Aufgabe der Praeceptoren, welche die reicheren Jünglinge gewöhnlich auf dem ersten Gange zur Universität begleiteten, hier in viel hellerem Lichte, wie bisher, erscheinen, kann wohl behauptet werden. Selbst aber von dieser Bedeutung abgesehen, entfaltet der hier freilich nur excerpirte Briefwechsel ein so freundliches Bild des mittelalterlichen Familienlebens, des traulichsten Verhältnisses zwischen dem biederen Grossvater und dem treu anhänglichen Enkel, dass über dem wohlthuenden Eindrücke desselben der Mangel eines grösseren historischen Werthes leicht vergessen

189 werden kann. Und wäre endlich alle weitere Aussicht auf freund­ liche Aufnahme dieser Blätter eine verfehlte, so bliebe doch noch der Kreis aller in der höheren Jugendbildung Beschäftigten, deren unser Verein auch nicht wenige zählt, von dem Zufriedenheit mit dem hier Gegebenen mit Sicherheit zu erwarten ist.

I. Genealogische Einleitung. Der Fleiss, mit welchem die hervorragenden Glieder der von Hörmannischen Familie aus Kaufbeuren und besonders die Be­ gründer des Ansehens und Eeichthums derselben die Hauptzüge ihres Lebens und ihrer oft die unerwartetsten Erfolge gewähren­ den Unternehmungen zum ermunternden Beispiele ihrer Nach­ kommen aufzeichneten, und die dauernde Pietät, womit letztere die Schriften der Ahnen als heiliges Vermächtniss bewahrten und zugleich fortsetzten, gestattet eine im Verhältnisse zu anderen, wenn gleich weit angeseheneren sehr umfangreiche und nicht bedeutende Mühe erfordernde Hausgeschichte, die überdiess weit über den zunächst liegenden, heimischen Kreis hinaus für allge­ meine Lebensformen und besonders für Handelsverhältnisse eine Fülle von wichtigen Aufschlüssen darbietet. Hier aber ist nicht diese Geschichte im Ganzen als Aufgabe gestellt, sondern nur dasjenige aus ihr zu entnehmen,, was zur allgemeinen Kenntniss vom Herkommen des Hauses und zur näheren Bekanntschaft mit den einzelnen Gliedern desselben, welche den hier zu Grunde liegenden Briefwechsel führten oder in diesem genannt sind, als nothwendig oder doch nicht überflüssig erscheint. Erst im Anfänge des 15. Jahrhunderts erscheint die Hörmannische Familie erkennbar unter den bürgerlichen der Stadt Kaufbeuren. Wohl wurden in der Folge auch einzelne Glieder derselben von dem damals herrschenden Hange ^zur möglichst tief in die Vorzeit greifenden und hohen Ableitung, wenigstens in Bezug auf ihre Ahnfrauen ergriffen, und suchten diesem durch eigenes und fremdes Bemühen (so durch brieflichen Verkehr mit dem bekannten Stadtschreiber Martin Furtenbäch von Füssen i. J. 1536) zu genügen; doch gaben sie bald denVersuch wieder auf und waren im Bewusstsein des um so rühmenswertheren schnellen Aufstrebens durch persönliche Kraft mit der einfachen

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Abstammung und dem geringen Alter wohl zufrieden. Für die am Schlüsse des genannten Jahrhunderts bereits gewonnene Be­ deutung spricht das zweimalige Wohnen des Kaisers Friedrich III. im Hause des Hans Hörmann in besagter Stadt (1484 „im hin­ tern Stüblein und Kammer“ und später „im neuen Gemach“), so­ wie die Pathenschaft hoher Personen, wie der Aebte yon Irsee und Steingaden, bei der Taufe der Hörmannischen Kinder. Die zweite Vermählung seiner Mutter, Dorothea Lieberin, mit dem reichen Georg Spleiss, Bürgermeister zu Kaufbeuren, i. J. 1488 war für den erwähnten Hans und seine Söhne, die dem Gross­ stiefvater alle Liebe und Ehrfurcht erwiesen, Veranlassung zu reichen Erwerbungen von Landgütern und selbst zu der Führung des spleissischen Wappens (der goldenen Mondsichel und des gleich­ farbigen Sternes im schwarzen Felde) durch Bewilligung des Kaisers Maximilian (zu Füssen am 5. April 1494). Hans starb als Stadtammann 1529 in besagter Stadt und bald nach ihm sein Bruder Georg, Chorherr zu St. Moritz in Augsburg. Das bis dahin so glücklich und auf die redlichste Weise begründete An­ sehen des Hauses wurde durch den ältesten Sohn des Hans, den 1491 gehornen und schon 1501 von dem genannten Spleiss „we­ gen seiner unterwürfigen, .dienstlichen und gehorsamen Kindheit“ mit einem grossen Bauernhöfe in Untergermaringen beschenkten Georg in der erfreulichsten Weise erweitert. Dieser trat früh­ zeitig in die Dienste der Fugger *) und waltete zu ihrer vollen Zufriedenheit, auch mit seinem grossen Vermögen an ihrem Ge­ schäfte sich beständig betheiligend, als Faktor und Verwalter der reichen Bergwerke in Tirol mit dem Hauptaufenthalte in Schwaz. Ihn erhob Kaiser Karl V. (Augsburg, 12. Juli 1530) nebst allen Leibeserben wegen der ihm vielfach geleisteten Ver­ dienste in den Stand des Adels der recht edelgebornen Lehens­ und Turniergenossen und rittermässigen Edelleute, befreite ihn von allen Gerichten ausser den kaiserlichen, gab ihm das Kecht der Freizügigkeit, der Wahl eines beliebigen lokalen Zunamens und eine reichere Ausstattung des bisherigen oben erwähnten *) Anton Fugger (gest. 1560), wohl eines der bedeutendsten Glieder der reichen Familie, auf politischem Gebiete durch seinen hohen Einfluss bei Kaiser Karl V. und durch seine Verwendung für die Stadt Augsburg am Ende des schmalkaldiscben Krieges bekannt, nennt Georg Hörmann in seinen zahlreichen Briefen seinen lieben Schwager Jörg. Diese Verwandtschaft gründete darin, dass die Mütter Antons und der Barbara, der Gemahlin des Georg, Regina und Vero­ nika, Schwestern und Töchter des Peter Imhof waren.

141 Wappens. Dazu kam durch des Kaisers Bruder,. König Ferdi­ nand, die Erhebung zum königlichen Rathe um der Yerdienste willen, die sich Georg um die oberösterreichische Regierung und die Aufnahme und Mehrung des Reichskammergerichtes erworben hatte (23. Mai 1536). Von anderen Protektionen durch hohe Personen ist besonders die durch den Herzog Wilhelm IV. von Bayern, der mehrmals zu häuslichen Festen nebst freundlichem Glück­ wunsch Wildpret sandte, zu erwähnen. Seinen Reichthum .be­ benützte Georg vorzüglich zur Erwerbung von ansehnlichem Grundbesitze. So kaufte er 1544 von den Brüdern Honold in Memmingen ihre Güter im Dorfe Gutenbefg bei Kaufbeuren, machte nach und nach diesen ganzen Ort, von dem er sich auch den bewilligten Beinamen wählte, mit voller Gerichtsbarkeit, ihn von kemptischer und kemnatisch er Lehenschaft lösend, zu seinem Eigen und zu einem Fideicommiss, erwasb ebenfalls, aber nur vorübergehend, die Burg Waldeck an der Iller bei Memmingen nebst dem Dorfe Kaltenbrunnen, die ihm K. Ferdinand 1545 von der gräflich kirchbergischen Lehenschaft befreite, und ausserdem eine Reihe von anderen stattlichen Gütern in Beckstetten, Germaringen, Westendorf, Geisenhofen u. a. Ueber solchen Käufen vergass Georg der Wohlthätigkeit nicht und stiftete den Armen däuerndes und ergiebiges Almosen zu Schwaz und in der Pfründe zu Kaufbeuren, wo der eigene Freisitz, den ihm der Rath nach einigem Sträuben auf Kaiser Karls eigenhändiges Schreiben hin gewährt hatte, fortwährend in bestem Stande erhalten wurde, wenn auch erstere Stadt Georgs gewöhnlicher Aufenthalt blieb. In dem ruhelosen Drängen der merkantilen und politischen, häufig im Dienste des Königs Ferdinand geforderten Thätigkeit wahrte sich Georg bis zum Lebensende die von früher Jugend auf durch sorgfältigste Bildung gewonnene Liebe zu den Wissenschaften und klassischen Studien, stand, der lateinischen' und griechischen Sprache in hohem Grade mächtig, in Briefwechsel mit hervor­ ragenden Gelehrten, wie mit Melanchthon, mit dem niederlän­ dischen Juristen Yiglius, den Karl V. von der Professur zum Amte des Präsidenten des obersten Rathes in Brüssel erhob, ferner mit Konrad Peutinger u. a. und stellte literarischen Ar­ beiten seine reichen Geldmittel grossmüthig zu Diensten. Unter denen, welche ihm als Mäcenas in Wort und Schrift dankbar huldigten, ist auch die damals mit Recht als die gelehrteste Frau gepriesene und bewunderte, mit der Literatur von Rom und Hellas auf das innigste vertraute Olympia Fulvia Morata aus

142 Ferrara, seit 1548 Gemahlin des deutschen Gelehrten Grundier, zu erwähnen, welche,,nachdem sie wegen des Confessionswechsels Italien, wo sie öffentlich klassische Literatur docirte, hatte ver­ lassen müssen, in Georgs Häusern in Kaufbeuren und Augsburg längere Zeit hindurch ein freundliches Asyl und sodann die nöthigen Mittel zur Weiterreise fand. Am meisten aber lag Georg die tüchtige Bildung seiner mit Barbara Reyhing von Augsburg erzeugten Söhne am Herzen, von welchen bei seinem Tode noch 4 lebten, aber nur der letztgeborene, Anton, als am folgenden Briefwechsel hauptsächlich betheiligt, hier näher zu betrachten ist. Georg, der in unbekannter Zeit sich der Reformation angeschlos­ sen hatte, starb am 11. Dezember 1552 in Kaufbeuren und wurde in Gutenberg begraben. Unter den zahlreichen Schuldnern, die er hinterliess, befand sieb auch König Ferdinand mit einer Schuld von 21,000 fl. Anton wurde am 13. Februar 1522 in Gundelfingen, wohin seine Mutter mit ihrem Bruder Ludwig Reyhing aus Augsburg vor der dort herrschenden Pest geflohen war, geboren. Im Alter von 12 Jahren begab er sich, nachdem er in Augsburg die Rudi­ mente der Grammatik erlernt hatte, mit einem eigenen Präceptor zu den weiteren Studien zunächst nach Prag, von wo er mit seinem Vater in lateinischer und böhmischer Sprache brieflich verkehrte. Die nächste Bildungsstätte Antons war Lyon, wo er von 1539 bis 1542 der Vorbereitung zum Handelsstande, aber mit fortdauernder Betheiligung an klassischen Studien oblag. Zu­ rückgekehrt trat er nach des Vaters Vorgang in den Fuggerischen Dienst, in dem sich bereits seine drei Brüder, Hans Georg, Chri­ stoph und Ludwig befanden und er seine Beschäftigung haupt­ sächlich in Augsburg fand, während jene, der zweite als oberster Verwalter der spanischen Handelsangelegenheiten, meist im Aus­ lande thätig waren. Im Jahre 1543 vermählte sich Anton mit Susanna, der Tochter des Kaufmanns und kaiserlichen Rathes Mathias Männlich in Augsburg, liess sich im folgenden Jahre in die Zunft der Kaufleute und in die Gesellschaft auf der Bür­ gerstube ein tragen und betheiligte sich, zuerst als Diener, am grossen Geschäfte seines Schwiegervaters. In dieses legte er nebst dem eigenen Vermögen das Heiratgut seiner Gemahlin, desgleichen Alles, was er von seinem Gehalte und den bedeu­ tenden Verehrungen erübrigte, so dass er i. J. 1555 schon 20,204 fl. darin liegen hatte. Antons weitere Handelsbeziehungen, seine direkte Betheiligung am letztgenannten Geschäfte, sein

143 fortdauerndes Verhältnis» zum fuggerischen u. a. nachzuweisen, liegt ausser dem Bereiche dieser kurzen Darstellung. Aus den ununterbrochenen Aufzeichnungen des ehrlichen Mannes tritt uns eine vielbewegte, das Kleinste wie das Grösste erfassende, theils in eigenem, theils in fremdem Interesse klug und redlich waltende Standesthätigkeit, verbunden mit gewissenhafter Sorge für seine Familie und mit beständiger Berücksichtigung der höchsten und ewigen Lebensaufgabe und iiberdiess in dem aussergewöhnlichen Reize der ungeschwächten Liebe für Kunst und Wissenschaft entgegen. Seinem energischen Streben fehlte es nicht an glück­ lichen Erfolgen zum wachsenden materiellen Wohlstände des Hauses, der sich unter andern in den enormen, theils in den fuggerischen Handel, theils an Personen und Corporationen, wie an die Stadt Nürnberg, geliehenen Summen kundgibt. Auch im Dienste seiner Stadt, in der er mehrere Häuser besass, war der Handelsmann vielfach thätig, so 1564 als Oberviertels-Hauptmann, sodann als einer der vier Strafherrn, 1574 als Lieutenant des Gassenhauptmanns und im nächsten Jahre als letzterer selbst. Seine Hausfrau Susanna verlor Anton am 17. November 1585 und liess sie in der kurz vorher erkauften Gruft in der sogenannten finstern Gräbd des Domes bestatten. Dem Schmerze über den unersetzlichen Verlust gab der Witwer in einem Briefe an die Gräfin Anna von Lichtenstein würdigen Ausdruck. Von dem Ende seines eigenen Lebens wird erst am Schlüsse des folgenden Briefwechsels, weil es über diesen hinausreicht, zu berichten sein. Von Antons vier Söhnen lebte in dem Jahre 1588, in welchem unsere Darstellung beginnt, keiner mehr; drei hatte der Tod bald nach der Geburt hinweggerafft, der einzige, der das Mannesalter erreichte, Karl, ist als des jungen Anton Christophs Vater in eigenem, kurzen Lebensabrisse zu betrachten. Von Antons Töchtern heirathete Maria 1566 den kaiserlichen Rath und Hofzahlmeister David Hag, einen Mann von hohem Ansehen, Euphrosine 1576 den Jeremias Seiz, Regina 1577 den Sixt Adelgais und Sibilla 1579 den Anton Felix Welser. Die zweite war in dem genannten Jahre 1588 nicht mehr unter den Lebenden. Karl, geboren 1550 in Augsburg, erhielt im Alter von acht Jahren den Unterricht des Praeceptors Andreas Langener von Medenburg und ging 1563 mit mehreren Verwandten und dem Praeceptor Johannes Munch nach „Genua“ (Jena) in Thüringen, um die Studien fortzusetzen und Jgute Sitten und Tugenden zu

144 lernen.“ Nach zweijährigem Aufenthalte daselbst schickte ihn der Vater nach Burgis in Frankreich, damit er sich in der französischen Sprache bilde und die institutiones juris höre. Mit der genannten Sprache hinlänglich und mit den höheren Wissen­ schaften wenigstens in der Hauptsache bekannt, trat Karl 1568 zur Erlernung der Handelsschaft in das Geschäft des Hans Trampl in Nürnberg, woselbst die Pflege der klassischen Studien seine edelste Erholung bildete, wie sich aus Briefen des Vaters, so über die Lektüre der römischen Klassiker, ergibt. Nachdem der gutbegabte Jüngling in der genannten Stadt tüchtig in der Theorie, besonders im Rechnen und Buchhalten, geschult worden war, kam er zur praktischen Anwendung und zugleich zur Aneignung der italienischen Sprache 1569 als Diener in das ansehnliche Ge­ schäft des Sebastian Pfaffenberger und Ludwig Walter in Vene­ dig. Zur Theilnahme an dem des Vaters nach Augsburg zurück­ gekehrt heirathete er 1571 Sophia, die Tochter des kaiserlichen Rathes, Dr. juris Konrad Heel, welche ihm 3 Söhne, von welchen nur Anton Christoph die Kindheit überlebte, und zwei Töchter, Fejicitas und Susanna, die wir im Folgenden wieder treffen, gebar. Karl starb am 29. Nov. 1582 zu Augsburg und wurde in der Hörmannischen „anderen Gruft“ bei St. Anna begraben. Da wir nun aber in Karls genanntem, die Kindheit und das Jünglingsalter überlebenden Sohne denjenigen erreicht haben, aus dessen ziemlich klarer Erscheinung wir eine Anschauung von der damals gewöhnlichen Bildung der Söhne angesehener Bürger wenigstens für einen Zeitraum von einigen Jahren erhalten, so stehen wir am Beginne unserer eigentlichen Aufgabe und fassen den Bildungsgang des Knaben und Jünglings auf Grund des reichen Briefwechsels in’s Auge.

II. Anton Christoph Hörmann in der lateinischen Schule des Magisters Lang zu Memmingen (1588—90.) Anton Christoph erblickte am 7. November 1574 in Augsburg das Licht der Welt und wurde in derZeit der geeigneten Geistes­ reife der damals in stattlichem Zustande befindlichen Schule zu St. Anna*) in der genannten Stadt übergeben. Wie viele Jahre *) Die in dem von seinen Bewohnern verlassenen Karmelitenkloster St. Anna 1531 von dem Rathe als sogenannte lateinische Schule errichtete, bald

145 er daselbst verweilte, ist nicht zu bestimmen, da erst mit der Entfernung von der Vaterstadt und mit dem Beginne des Briefaber zum Gymnasium erhobene Anstalt hatte seit 1557 in dem bis dahin in fuggerischen Diensten als Bibliothekar gestandenen, ebenso durch Gelehrsam­ keit wie durch praktische Tüchtigkeit ausgezeichneten Hieronymus Wolf von Oettingen einen gründlichen Reformator erhalten, dessen Anordnungen vielfach noch in der Zeit des folgenden Briefwechsels in Geltung waren und schon aus dem Grunde des besseren Verständnisses der auch in Memmingen herrschenden Schulordnung in Kürze hier zu erwähnen sind. Die ganze Schule war darnach in fünf Klassen getheilt. Die unterste oder fünfte, welche mit der ersten Grund­ lage der Bildung zu beginnen hatte, zerfiel wieder in drei Abtheilungen, die der Buchstabirenden, Lesenden und Schreibenden, welchen auch die Elemente der lateinischen Grammatik nach Rivius beizubringen waren. In der nächsten oder vierten Klasse wurde der Unterricht in der genannten Grammatik fort­ gesetzt, bereits das Sprechen und Schreiben des Lateinischen versucht und das Büchlein des Erasmus von der Feinheit der Sitten, sowie eine Auswahl von Ciceros leichteren Briefen gelesen. Die dritte Klasse vermittelte bei fortdau­ ernder Behandlung der lateinischen Grammatik die erste Bekanntschaft mit den römischen Dichtern nach der Mustersammlung des Murmelius (Rektors des Gymnasiums zu ^ünster f 1517) und begann mit Erlernung des Griechischen. Fortgesetzte Bildung in den beiden klassischen Sprachen mit Lektüre von aus­ gewählten Stücken des Ovid, Virgil und Aristoteles war die Aufgabe der zwei­ ten und sodann hauptsächlich Dialektik, Rhetorik und Poetik die der ersten Klasse. Hierauf folgte, aber mehr in selbstständiger Stellung das sogenannte Auditorium publicum, eine Art von Hochschule (Lyceum), worin ausser den mathematischen Disciplinen eine ausführlichere Erklärung der Dialektik und Rhetorik nebst dem Verständnisse der schwierigeren Klassiker zu geben und den Zöglingen, die mehr als Studenten denn als Schüler behandelt wurden, ein freieres Leben gestattet war. Für das Bleiben in einer Klasse waren 18 Monate bestimmt, so dass beim Eintritte mit 7 Jahren der Uebergang an das Audi­ torium gewöhnlich mit 16 stattfand. Schon Wolf sah sich zu mehrfachen Aenderungen genöthigt und konnte seiner Stiftung nie volles Gefallen abgewinnen, sondern schloss vielmehr seinen Lebenslauf 1580 mit bittersten Klagen über vielfache Täuschungen und Mängel, wie schlechte Besoldung der Lehrer, Träg­ heit und Zügellosigkeit der Schüler und Gleichgiltigkeit der Eltern. Im Jahre 1588, wo der junge Hörmann die Anstalt verliess, War das Auditorium wegen unabwendbaren Nachtheils für die Gymnasialdisciplin bereits beseitigt, auch sonst mancher Missbrauch gehoben und das Ganze im erfreulicher! Gange, da drei tüchtige Kräfte, deren Angedenken ihre Zeit weit überdauerte, zu har­ monischem Wirken sich einigten: der Franke Fabricius von 1561 bis 1593, der Ungar Georg Henisch von 1576 bis 1618 und der Augsburger David Höschel von 1581 bis 1617. Letzterer genoss das Vertrauen der Eltern in hohem Grade, so dass ihm viele von Ansehen ihre Söhne zur vollen, auch leiblichen Pflege anvertrauten. / Was die Schule von St. Anna trotz diesem gedeihlichen Zustande bei dem verständigen und besonnenen Anton Hörmann so in ^Misskredit setzte, dass er den Enkel ihr entzog und für ihn bei Magister Lang in Memmingen mehr Ge­ legenheit zum Lernen erwartete, ist aus dem vorhandenen Briefwechsel nicht

146 Wechsels uns gewisse und zusammenhängende Nachrichten von ihm begegnen; doch lässt sich aus späteren Andeutungen als wahrscheinlich erheben, dass nach damaliger Sitte auch er im Alter von etwa 8 Jahren der besagten Anstalt übergeben wurde und, weil er beim Austritte über 13 Jahre alt war, beiläufig 4 bis 5 in ihr den Unterricht genoss. Beim Scheiden aus der bisherigen Bildungsstätte und aus dem Kreise seiner Lieben zur Fortsetzung der Studien bei Magister Lang in Memmingen übergab der Grossvater Anton Hörmann dem Jünglinge eine ausführliche, selbst das Geringe mit sorglichster Liebe beachtende Vorschrift des Verhaltens in Schule und Haus, deren vollständiger Abdruck gewiss nicht unwillkommen sein dürfte. Memorial und Eecorda für mein Eniklen Antoni Christof Hörmann.**) Liebs Eniklen Antoni Christof. Dieweil dich dein liebe Mutter mit Eat mein und anderer nechsten Freund willens ist gen Mem­ mingen zum Herrn David Lang**) Schuelmaister daselbst zu

ersichtlich. Wohl mag auch auf ihn die Klage des genannten Wolf (Mezger, memoria H. Wolfii, p. 42) Anwendung gefunden haben, dass den meist nur auf materiellen Gewinn spekulirenden Reichen und Angesehenen der Stadt bei der Bestimmung der Söhne zu gleichem Berufe der hauptsächlich im Geleise der klassischen Wissenschaften sich bewegende Gang der Schule zu langsam und vielfach unnöthig, die unveräusserliche Kenntniss der neueren Sprachen hingegen ausgeschlossen und somit das erstrebte Ziel in einer freieren Anstalt leichter erreichbar schien. Die weitere Beschuldigung aber, dass Viele die Schule der Vaterstadt verachteten, weil sie unentgeldlich lehre und auch Schü­ ler von niederem Stande aufnehme, ist in Bezug auf den durchaus humanen Anton Hörmann bestimmt abzuweisen. *) Die Mitgabe von solchen schriftlichen Ermahnungen durch Eltern oder deren Stelle Vertretende an die Knaben und Jünglinge war damals bei jedem bedeutenderen Wechsel von Art und Ort der Erziehung in der Ferne vom väterlichen Hause gebräuchlich. In dem von Hörmannischen Archive findet sich eine Reihe von solchen, die theilweise aus nocnlrülierer Zeit stammen und ebenso herzlich als ernst, selbst mit Bestimmung der zum wiederholten Lesen zu wählenden Zeit, der persönlich abwesenden Liebe die stets gegen­ wärtige Sprache verleihen. **) Schelborn J. G. klagt in seinen Nachrichten von Männern, die sich um die Schulen in Memmingen verdient gemacht haben (Beiträge zur Erleuterung der Geschichte u. s. w. 1. Stück, S. 60), dass über die lateinische Schule daselbst nur weniges urkundlich vorliege, und erwähnt des Magisters Lang nicht.

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schiken, alda du bei Ime wie ander Knaben in der Cost sein und nit allain deine Studia daselbst continuieren, sonder darneben auch wohl rechnen und schreiben lernen sollt, so winsch ich dir zu solcher Rais und Vorhaben von Gott dem Herrn vil Glick, gesundlieh längs Leben und Gedeien. Will dich auch hiemit treulich und mit Ernst ermant haben, du wollest vor allen Dingen Gottsforchtig sein und dich alle Morgen, so du aufsteest, und Nachts niedergeest, der hailigen Dreifaltigkait, Gott Vater, Sun und hailigen Gaist bevelchen und treulich anruefen und bitten, dass er dich in warem Christlichen Glauben auf rechter Pan laiten, fueren, erhalten und von allem Übel Leibs und der See­ len gnediglich behueten wöll. An Feiertagen oder wann du sunst zu Kirchen geest, solltu andechtiglich beten, die Predig göttlichs Worts fleissig hören und betrachten, zu österlichen oder andern Zeiten im Jar die tröstlich Absolution beim Kirchendiener und das hochwirdig Sacrament des waren Leibs und Bluts unsers Herrn Jesu Christi, wie ers eingesetzt und verordnet bat, mit grosser Andacht und Reve­ renz empfahen, und darbei seines bittern Leiden und Sterben mit ernstlichem Fursatz, dein Leben zu besseren, betrachten und darfur dankbar sein. Wann du also gottsfurchtig und nach dem Willen Gottes wirdest leben, so wird dir Gott in allen deinem Thuen und Lassen, sovil desto meer Gnad, Glick und Hail verlaihen. Gegen deinem Herrn Schuelmaister und seiner itausfrau befleissig dich aller Gehorsame und Dienstbarkait, gegen deinen Schuelgesellen friedlichs, freuntlichs und guets Willens, bis nit zenkisch noch haderisch, was mit dir geschaft wirdet, das thue guetwillig. Wann du von deinem Schuelmaister oder andern ge­ straft wirdest, so nimbs demuetig und mit Dank an und folg, bedenk, dass es dir zu guetem geschieht. Begegnet dir was widerwertigs, zaigs deinem Herrn Schuelmaister an. Rech dich nit selber in Zorn, sonder thue all Sachen bedechtig und mit Vernunft. Weil dein Muetter den Kosten geren über dich geen lasst, damit du was merers dann anhaim lernest und sehest, so gedenk, dass du dein Zeit mit Studieren, auch Schreiben und Rechnen zu lernen wol anlegest. Huet dich vor Muessiggang. Stee morgens zu rechter Zeit auf und gee zu Nacht bey rechter Zeit schlafen. Non enim latet in molli veneranda Scientia lecto: nia sed assiduo parta labore venit. Bey erbarn Leuten hab Achtung auf dich selber, bis zichtig und sebamhaftig, lass dasGschwetz nit dain allain sein,

148 wann du gefragt wirdest, gib beschaidenlich Antwurt. Befleiss dich erbers Wandels, gueter Sitten und Tugenten und bis in deinen Reden, Thuen und Lassen aufrichtig und wahrhaftig. Huet dich vor böser Geselschaft, Gespilschaft, Unzucht und an­ derer Leichtfertigkait, sonder gesell dich zu erbern und frumen, darvon du was Guets sehen und lernen magst. Des Spilens auf Wirfel, Karten oder andern, so den Pfenning gewinnen oder ver­ lieren kan, wollest muessig geen. Du kanst allweg nutzlichers ausrichten, dann dem Spilen, daraus nichts guets erfolgt, aus­ warten. In Essen und Trinken bis messig, trink kain Wain, er sey, dann wol gewessert oder gemischt. Sonderlich huet dich, dass du nit in die Hitz trinkest, weil du aufs Plueten genaigt bist. Derhalb wöllest guet Achtung auf dich selber geben. Huet dich vor dem Laster der Trunkenhait und Fillerey, daraus aller Un­ art erfolgt. Mit Baden, Haupt- und Fuesswaschen wird sonder Zweifel dein Herr Schuelmaister auch guete Ordnung halten, der­ selben kum nach. In deinen Kleidern bis sauber, heb die ordenlich auf, lass nit auf den Penken umbfaren, lass dir auch nichts von Seidenklaidern machen, sonder klaid dich (yedoch allweg mit Rat, Vorwissen und Willen deines Herrn Schuelmaisters) deinem Stand und wie sich ainem Jungen gebürt gemess. Bis gesperig und nit leichtfertig, Gelt böslich, unnutz oder liederlich auszu­ geben oder ainem Jeden nachzuthuen, was du sichst. Was für Unkosten auf Klaidung und anders über dich geet, das schreib alles ordenlich auf und schick deiner Muetter alle viertl Jar ain Rechnung. Du sollt auch one Vorwissen und Erlaubnus deines Herrn Schuelmaister weder bei Tag oder Nacht nit aus dem Haus geen. Deiner Muetter, mir und andern deinen Herrn Gefreunten wöllest ünderweilen Lateinisch und Teutsch und aufs wenigest alle Monat ainmal schreiben, damit wir sehen kinden, wie du dich in latein und teutsch Stellen und Schreiben bösserest. Wann dich mir oder den Deinen bekante Hern oder Freund ansprechen, so wöl­ lest dich ererbietig und gehorsam erzaigen und allzeit dein Auf­ merken auf erber, redlich Leut haben und derselben Sitten und gueten Tugenten nachvolgen. Und wiewoll diss und anders weitleuflger ausgefuert kunt werden, dieweil du aber aus Gnaden des allmechtigen auf den 7. TagNovembrisnechstverschinens 1587. Jars 13 Jar deines Alters erraicht hast und nunmeer zum Tail selbst waist, was dir als einem Jungen wol oder übel ansteet, so hab ich dir dise Instruction

149 ufs kürtzest gestellt, die soltu oft überlesen und diser meiner ge­ treuen Vermanung als ein gehorsamer Sun und Eniklen mit höchstem Fleiss gehorsamlich nachkomen, darzu der allmechtig Gott dir sein Gnad und hailigen Gaist verleihen wöll, Amen. Geben in Augspurg den 27. Aprilis A. 1588. Stilo novo. *) Antoni Hörmann dein Eny. Am 23. April (5. Mai neuen Stiles) meldet Anton Christoph aus Memmingen seinem „erentreichen, günstigen, Heben Anhern“ und den Basen Berbelin und JacobiUn, dass er am 19. April (1. Mai), wie bereits der Yetter Heel angezeigt haben werde, wohl herauf kommen und bei seinem neuen Präceptor einge­ standen sei. **) Vom 30. April a. St. (in Augsburg empfangen 14. Mai n. St.) erhält der Herr „Eny“, der mittlerweile auch geschrieben und

*) Papst Gregor XIII. liess bekanntlich 1582 die schon längst dringend geforderte Regulirung des julianischen Kalenders, der das Jahr um etwas zu lange bestimmte, vornehmen, wonach 10 Tage ausgelassen wurden und dem 4. Oktober sogleich der 15. folgte. Nach dem Vorgänge benachbarter Stände fand sich auch der Rath der Stadt Augsburg zur Annahme der so geänderten Rechnung bereit, erfuhr aber bei protestantischen Predigern, an deren Spitze Georg Mylius stand, und bei einem grossen Theile des Volkes heftigen Wider­ stand, den erst die für die Neuerung sprechende Sentenz des angerufenen Reichskammergerichtes allmälig zum Schweigen brachte. Noch lange aber bediente man sich, wie in folgenden Briefen, beider Bezeichnungen der Tage. **) Barbara, die einzige dieses Namens in der damaligen zahlreichen Fa­ milie, Tochter des Hans Georg Hörmann, Bruders des Anton, und der Rade­ gunde Herwart, geb. 1542, heirathete 1562 den Augsburger Patricier Melchior Hainhofer und ward die Mutter des berühmten Philipp Hainhofer, herzogl. pommernschen Käthes, der seine weiten Reisen ausführlich beschrieb und als Liebhaber ausgezeichneter Kunstgegenstände bekannt war. — Anna Jakobina, Tochter des David Hörmann, eines Neffen Antons, geb. 1578, vermählte sich 1595 mit Hans Konrad von Herschberg. In der Regel beginnen apch die fol­ genden Briefe mit dem Grusse an diese beiden, gewöhnlich: „wann du sambt der Bas Berbelin und Bas Jacobilin und allen Verwanten in frischer Gesundhait werest, das wer mir ein sondeie Freud zu vernemen.“ Die Heel siedelten von Kaufbeuren, wo noch Konrad 1499 als Bürger starb, nach Augsburg über und, gelangten daselbst zu grossem Ansehen. Der hier genannte, welcher ohne Zweifel den Knaben an seinen neuen Bestimmungs­ ort geleitete, ist der Bruder der Mutter desselben, Karl Konrad, später Mit­ glied des Stadtgerichtes in Augsburg und Besitzer des Gutes Strassberg, wel­ cher sich mit Katharina Pimlin vermählte, als der letzte seines angese­ henen Stammes 1597 starb und bei St. Anna in Augsburg begraben wurde (Prasch, epitaph. 174).

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sich über die Adresse des ersten Briefes *) beklagt hatte, schon Nachrichten über den erst begonnenen Unterricht. „So thue ich dir zu wissen, dass ich in die andere Klass von oben herab gesezt bin Worten und dass man mir kain andere Grammatica für gibt, daun die ich zu Augspurg gelernt hab. Weiter lerne ich Comediam Nicodemi Frischlini exponieren, Nomenclaturain Maturini Crusii auswendig, carmina Georgii Aemilii**) exponieren, Ciuilitatem morum exponieren, graecam gram: Maturini Cru:, Aepistol: Cic: lib. 3. exponieren, auch Argumenta, themata, constructiones aus denselben. Die Stund des Schreibens ist, wanns zwelfen, so kombt darnach der in die Schuel, der uns lernet, derselbig ist auch ein lateinischer Schuelmaister und auch ein Predicant zu Buchsen***), ist aber nicht fer von der Statt. Des Rechnens halben hat mein Herr Schuelmaister gesagt, er wöll mich auf nechste Cotember auch einstellen. Ich thue dir auch zu wissen, dass ich lerne singen.“ Des Titels halber, den der vorige Brief führte, entschuldigt sich der Enkel mit damaliger Eile. Schliess­ lich folgt die Nachricht von der stattlichen Hochzeit des „Rupertus Linz von Dorndorff) und Susana Reichleri von Melteg“, wobei die Schüler in der Kirchen sangen. Im Brief vom 22. Mai (a. St.) versichert Anton Christoph, dass er, Gott sei Lob, des Ortes schon gewohnt sei, einen treuen und fleissigen Herrn habe und seinem Amte fleissig aufwarten wolle, zu dem ihm Gott Segen und Gedeihen geben möge. Zu­ gleich meldet er des Magisters am 20. Mai mit den Söhnen des

*) Diese, vielleicht die erste von dem Knaben überhaupt geschriebene lautete: „Dem Ehrentreichen tugenthaften Herrn etc.“ **) Nicodemus Frischlin, geh. zu Balingen in Würtemberg, einer der ge­ nialsten Männer seiner Zeit, aber unstät und von leichtfertigen Sitten, wurde 1547 Professor zu Tübingen, fiel aber in seines Herzogs Ungnade und wurde auf der Feste Hohenurach gefangen gesetzt, wo er sich bei einem Fluchtver­ suche am Felsen zerschmetterte (1590). Trefflich gelangen ihm Elegien, weniger Werth haben seine 7 Komödien, Rebecca, Susanna u. a. — Crusius Martinus, geh. 1526 im Bambergischen, wurde 1554 Rektor der Schule in Memmingen, 1559 herzoglicher Edelknaben-Informator und Professor des Griechischen in Tübingen, wo er 1607 starb. Für die Geschichte hat er noch eine besondere Bedeutung als Verfasset der bekannten Annales Sueviae. Das Forschen nach dem G. Aemilius blieb erfolglos. ***) Pfarrdorf Buxach im B.-A. Memmingen. f) Die Ulmer Bürger Lyns hatten Dorndorf (würt. O.-A. Laupbeim) von den Grafen von Montfort als Lehen. Urkundlich erscheint 1511 als Lehen­ träger Symprecht Lyns.

151 Estenreiehers und Hopfers*) erfolgte Abreise nach Augsburg zu ein oder mehrwöchentlichem Bleiben. Am 20. Juni (a. St.) drückt Anton Christoph seine Freude über der Mutter glückliche Heimkunft vom Bade, die ihm die liebe Schwester gemeldet, aus und berichtet über seine Stadien: „Meiner Sachen halben steht es im alten Wesen, hab die vorige lectiones, so ich bis anher gehört, gehe auch alle Tag ein Stund in die Eechenschuel und spire allen gueten Willen bei meinem Herren.“ Am 8. August antwortet der Magister David Lang auf eine brieflich an ihn ergangene Anfrage des Karl Konrad Heel, „ob der Sach nit in ander Weg möge gerathen werden, dass seiner Schwester Sohn nit aus der lateinischen Schul hinaus in ein teutsche Schul, das Rechnen allda zu lernen, gehn dürfe ?“ „Da­ rauf (schreibt Lang) gib dem Herren ich zur Antwort, dass ich gleichwol verhofft hab, die Sach dahin zu bringen, dass ein teutscher Schreiber und Rechenmaister alle Tag ein Stund zu uns ins Haus komme, und die Knaben, so es begeren werden, rechnen und schreiben lerne; demnach aber es in des teutschen Schulmaisters allhie Gfelegenhait nit sein will, zu uns zu kommen, die­ weil er vil Costgänger dahaim hat, denen er abwarten muss, so kann es anderst nit sein, denn dass der Anthoni Christof, so er das Rechnen lernen soll und muss, zu ime ins Haus gehe. Gleichwol es der Knaben Nutz nit ist, dass sie zu vil ausgehen, da­ mit sie des Lufts nit zu vast gewöhnen, höre gleich wol nichts von ime Anthoni Christof, dass er sich diser Gelegenhait miss­ brauche, wie er sich dann auch sonst aller Gtebür nach verhält, also dass er mir lieb und angenem ist.“ *) Wohl Hans Oesterreicher, Augsburger Patricier, der mit Anna Jenisch vermählt war und dieser wenige Tage später im Juli 1590 im Tode folgte. Aus den Hörmannischen Schriften ergibt sich, dass von diesem Hause an die Regierung in Innsbruck das nöthige Schreibpapier geliefert wurde. — Die Hopfer stammten aus Kaufbeuren, wo sie Bürger und Maler waren. Daniel Hopfer, ebenfalls Maler und Kupferstecher, nahm 1493 das Bürgerrecht in Augsburg. Er und sein Bruder Hieronymus hiessen die Träuhleinsmeister, weil ihr Kunstzeichen, eine zwischen den Anfangsbuchstaben des Namens be­ findliche Hopfenfrucht, einer Traube glich, oder auch die Meister vom Lichte, weil besagtes Wappen auch mit einem Leuchter mit brennender Kerze Äehnlichkeit hatte (aus Hörm. Schriften). Der hier genannte ist ohne Zweifel Georg, Daniels Enkel, der in Bobingen und Schwabmtinchen begütert war und von K. Rudolf II. 1590 in den Adelstand erhoben wurde. Sein Sohn Georg Christoph ehelichte 1608 Susanna Hörmannn, des Anton Christoph Schwester.

152 Einen Brief des Grossvaters vom 7. August beantwortet der Enkel am 17. desselben Monats mit der .Versicherung treuester Erfüllung aller empfangenen Ermahnungen, besonders zur Pflege im Lateinischen, in Musik und Arithmetik, und zur Bewahrung der Gesundheit, in der genannten Sprache. Am 3. Oktober (a. St.) berichtet derselbe, dass man „am iez verschinen Montag“ habe angefangen zu examiniren und vielleicht schon morgen, will’s Gott, auch in seiner Klasse den Anfang damit machen werde, und legt das Verzeichniss seiner Schulgesellen bei, so mit ihm „auf dem Convikt sind“. Dieses lautet: „Zum ersten, so von Augsburg sind: Joachim Jenisch, Jakob Jenisch, Marx Jenisch, Konrad Herman, Berenhard Jenisch, Joannes Gienger, Joannes Antoni L^uginger, Lukas von Stätten, Joannes Konradus Walther, Ludwig Stenglin, Philipp Stenglin, Joannes Paulus Schweigger, Mattheus Berenhard Hörmann, Adolphus Occo, Christof Cistler, Christof Polin, Hans Christof Hopfer, Jeremias Oesterreicher, Georgius Schlecht, Mattheus Horendacher. *) Folgen weiter die andern: David Funkh von Memmingen, Helias Ensler von Mem­ mingen, Felix Rostman von Leykirch, Sebastian Aichman von Tübingen, Christophorus Harterus a Sevillia, David Benrieder von Kaufbeiren, Philipp Wolfart von Memmingen, Marx Kellen­ rieder von Ravenspurg, Joannes Mauch von Wangen, Paulus Link von Arlesried, Sylvester Bichelin von Leykirch, Joannes Bichelin item. Summa 33.“ Der gute Stil des oben erwähnten lateinischen Briefes hatte in dem Grossvater, der selbst in den klassischen Sprachen treff­ lich geschult war, sogleich die Ueberzeugung hervorgerufen, dass derselbe den bisherigen Fortschritten des Knaben, und wenn sie auch über Erwarten gross gewesen wären, nicht entspreche, son*) Die Eltern dieser Jünglinge gehörten zu dem Patriciate, der MehrernGesellschaft und den Kaufleuten. Im Dienste der Stadt erscheinen später be­ schäftigt : Johann Anton Lauginger, geh. 1575, im Rathe 1632—35; Lukas von Stetten, geh. 1675, dessgleichen im Rathe 1632—35; Jeremias Oesterreicher, geb. 1576, im Rathe 1620, entsetzt 1631, aber durch Gustav Adolf 1632 wieder aufgenommen und als Bürgermeister ernannt; Adolf Occo, Sohn des bekannten, weiter unten vorkommenden gleichnamigen berühmten Arztes, dieses Namens des III., geh. 1578, ebenfalls Arzt in Augsburg und daseihst 1628 gestorben. Von anderweitigen staatlichen Stellungen dieser Augsburger konnte nichts ent­ deckt werden. M. Bernhard Hörmann war ein Sohn des David H., also ein Bruder der oben genannten „Jacobilin“; der vor ihm begegnende Konrad ge­ hörte, wie schon die verschiedene Schreibart des Namens zeigt, einer anderen Familie an.

153 dern von fremder Kraft herrühre, was er auch in einem durch den Boten der Stadt Memmingen überbrachten Brief vom 5. Sept. (n. St.) tadelnd aussprach. Darauf antwortet Anton Christoph am 26. September wieder mit einer lateinischen Epistel und gesteht, dass er nach seinem geringen Talente und jungen Alter solches nicht einmal deutsch, viel weniger lateinisch zu schreiben im Stande, doch nicht Alles vom Praeceptor allein ausgegangen sei, sondern er selbst zur Uebersetzung grosse Mühe angewendet habe. „Damit du aber, theuerster Herr Grossvater, siehst“ — so fährt er fort, — „dass ich dich keineswegs täuschen und mich nicht mit frem­ den Federn schmücken wolle, so schicke ich dir diesen Brief, den ich ganz mit eigenem Fleisse (proj>rio Marte) aufsetzte und schrieb und in dem ich dir danke u. s. w.“ Diese Ehrenrettung nahm der Grossvater günstig auf, wie sich aus des Enkels Briefe vom 28. November ergibt, worin er schreibt: „Sonderlich freuet mich nit wenig, dass du dir mein progressum in studiis, den ich dir neulich mit meiner lateinischen Epistel, so ich proprio Marte componirt hab, erwisen, für dismal wol gefallen last, und hiemit mich gleichsam anrayzest und trei­ best, damit ich mit desto grösserem Fleiss in meinem angefan­ genen cursu studiorum täglich ie länger ie mehr progrediere und fürfahre, darneben auch einen bequemen und feinen Weg zaygest, welchen ich an die Hand nemen und auf demselben fleissig fort­ rucken will, damit ich die edle Zeyt und den Costen wol anlege. Was meine lectiones anlanget, hör ich noch eben diejenige, von welchen ich dir zuvor geschriben hab, werd auch dieselbige so lang haben, bis dass ich in ein andere Classem transferiert werde. Das Bechnen hab ich bisher allein in der Teutschen Schuel ge­ übt nach Mitag von 2 Uhren bis 3. Demnach es dich aber für guet ansicht, dass ich mich auch im Schreiben übe, so will ich dasselbige die volgende Wochen auch anfahen.“ In Bezug auf Kalligraphie müssen des Grossvaters Forderungen sehr strenge ge­ wesen sein, denn, wie gerade aus dem vorliegenden Briefe ersicht­ lich, schrieb der Enkel schon damals sehr leserlich, reinlich und gleichmässig, so dass. die Schrift einen freundlichen Eindruck macht, wobei freilich das Mühsame und Zeitfordernde, das der spätere Geschäftsmann unfnöglich beibehalten durfte, merklich in die Augen fällt. Der erste- Brief des folgenden Jahres 1589, ohne Datum der Ahsendung, aber von Anton als am 14. Januar erhpfangen bezeichnet, gibt nach herzlichem Wunsche beim Jahreswechsel die Versicherung

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154 treuer Pflichterfüllung und einige Notizen über den Schulgang. „Erstlich, lieber Herr Eny, so wiss, dass ich gern hie bin und mein Herr und Iru Frauen alles guets thon, desselbengleichen •will ich mich gegen ihnen auch verhalten und erzaigen und mit Gottes Hilf waidlich studieren, auf dass ich die herrliche Zeit nicht umsonst und vergebens fürüber gehen lasse, und der Unkost, so auf mich gewendet, nit vergebens und umsonst angelegt werde, und dass auch mit der Zeit ein rechter Mensch aus mir werde. Anderer meiner Sachen halben stehet es noch wol, hab auch noch die vorige lectiones, allein list man iezunder in meiner Class die Epistolas Familiäres librum sextum, und ich iezunder bald den grösseren Syntaxin Crusii lernen muess, dann ich und des Yötters Hans Anthoni Laugingers Son haben den kleineren müssen lernen .und haben ihn schon oftermal ausgelernet, der mir auch besser gefeilt, und ich auch besser darin erfaren bin, dann in des Rivii *), den ich sonst zu Augsburg gelernet habe.“ Am 13. Februar berichtet der Enkel dem Grossvater in einem lateinischen Briefe, der zugleich als Beweis von seinen Fortschritten in dieser Sprache dienen könne, von seinen Studien, im Wesent­ lichen aber nichts Neues, sondern nur eine Rechtfertigung der Lectüre Frischlins und des Gebrauches der Grammatik des Crusius gegenüber den von Anton schriftlich geäusserten Bedenken. „Die Comödien des berühmten Dichters Frischlins, schreibt er, sind in unserer Schule an die Stelle des profanen Terentius aufge­ nommen worden. Denn wenn auch letzterer, wie du schreibst, viel Elegantes hat, so ist er doch in vielen Stellen, wie ich von meinem Praeceptor höre, sehr schmutzig und schamlos, so dass er mehr zur Zerstörung, als zur Erbauung und Einpflanzung guter Sitten verhelfe, während im Gegentheile des ersteren Stücke nicht allein die elegantesten, aus den besten komischen Dichtern ge­ nommenen Phrasen, sondern auch die schicklichsten und der Er• *) Die Grammatik des Rivius (aus Westphalen, Prof, zu Köln, Zwickau und Amberg, zuletzt herzog. sächs. Käthes und Erziehers des nachmaligen Churfürsten August, gest. 1653) führte H. Wolf in der Anstalt von St. Anna ein, hatte aber desslialb von seinen Collegen und anderen grossen Widerspruch zu erfahren, •der sich auch mit der Befürchtung zu rechtfertigen suchte, dass die Schüler, wenn ein bisher gebrauchtes Buch aus den Klassen entfernt werde, leicht in Verwirrung kämen und dem, was früher gelehrt worden, in der Folge keinen Glauben mehr schenkten. Wolf aber vertheidigte die getroffene Wahl auf ener­ gische Weise (Mezger a. a. 0. S. 38), edirte die Grammatik zu Augsburg auf’s neue und suchte den rechten, jeden Nachtheil abwehrenden Gebrauch derselben nachdrücklich zu lehren.

155 kenntniss der Jugend würdigsten Dinge enthalten. Was die Regeln unserer Grammatik betrifft, so sind diese keineswegs, wie du glaubst, verschieden vön denen des Philipp Melanchthön, sondern ganz dieselben, nur dass sie nach dem Bedürfniss unserer Schule in vier Theile gesondert sind und jede Klasse einen derselben hat, was schon von Crusius, der ehedem diese Schule leitete, ange­ ordnet wurde, wesshalb das Buch auch seinen Namen trägt. In der Arithmetik bin ich bis zur Multiplikation der Brüche vorge­ schritten, und weil du nach bestem Verständnisse schreibst, dass die regula Detri mit den Brüchen vor dem Praktischen tüchtig gelernt und erfasst werden müsse, so gedenke ich mich noch einige Zeit mit letzteren zu beschäftigen. Auch im Deutschschreiben (in pingendis literis germ.) bessere ich mich täglich und will mir alle Mühe geben, damit du mich nie mehr irgend eines Versäum­ nisses beschuldigest.“ Am 23. April (a. St.) berichtet Anton Christoph: „Erstlich, lie­ ber Herr Eny, thue ich dir zu wissen, dass ich nechst verschienen Ostern zu meinem Herrn in die öberst classem transferiert bin worden und seind dieses ieziger Zeit meine lectiones, Figurata Syntaxis Crusii, den ich ietz auch gar absolviert hab, und was mir iezund weiter proponiert wird, de reciprocis et de prosodia, und wann ich dasselbig auch gar absolvirt hab, so würd ich dar­ nach dialecticam und Rhetoricam lernen müssen, weiter hör ich auch den Vergilium librum 2. Aeneid., orationes M. T. Ciceronis und für das Griechische lerne ich die epistolas familiäres librum 7. et carmina Aemilii.“ Der Brief vom 12. Juni (a. St.) dankt für liebe Nachrichten aus dem heimischen Kreise durch den Grossvater und fährt sodann fort: „Erstlich schreibst du mir, wie dass die Bas Weiserin*) täglich von Leutershofen gen Augspurg kommen soll und sich in die Kindbet rüsten, so winsch ich ihr von Gott dem Allmächtigen vil Gluck und Segen darein und .dass sie mit einem frehlichen Anblick erfreuet werde. Da du mir auch schreibest, wie dass der Vötter Adelgais **) verschinen 16.-diss (n. St.) mit guten Ge*) Sibilla, die 1555 geborene Tochter des Anton Hörmann, also Anton Chri­ stophs Tante, die sich 1579 mit Anton Felix Welser vermählte und 4 Söhne und 9 Töchter gebar, gest. zu Stuttgart 1635. **) Sixtus Adelgais, Sohn des Melchior A., Bürgers von Ravensburg, befand sich in Diensten defc fuggerischen Hauses und vermählte sich 1577 mit Regina, der 1554 geborenen Tochter des Anton Hörmann, wobei er das urkundliche Ver­ sprechen geben musste, diese nicht in der evangelischen Confession zu stören.

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156 ferten auf Genua zu nach Hispania verraist sei seiner selbst aignen Gescheft halben, so wil ich Gott den Herrn fleissig anruefen und bitten, dass er ihn belaiten und ihm gsund widerum heim helfen wolle. — Verner, lieber Herr Eny, schreibst du mir, ich solle fleissig sein und mich im latein reden wol üben, so wiss, dass ich deiner väterlichen Vermanung und Warnung fleissig will nachkommen. So exercieren wir uns täglich mit dem latein reden, so heit auch mein Herr bisweilen lateinische comoedias, hat auch erstlich neulich vor Ostern eine gehalten, darin ich auch gewest bin, darzu kommen der ganze Eaht, alle Doctores und die Schuelherrn, als nämlich die Predicanten allhie, und solches geschieht fast alle examina. In der Musica exercieren wir uns täglich und singen alle Tage ein Stund, als nämlich von 12 Uhr bis 1. So singen wir auch alle Feiertag in der Kirchen. In der Rechnung bin ich aus dem ersten Buch kommen und werd iezunder bald in Simonem Jacobum kommen, welches Buch man allhie in der teutschen Schuel pflegt zu lernen.“ Die im Juli gestatteten Ferien brachte der Schüler bei dem Grossvater in Augsburg zu, von wo er am 26. dieses Monats dem Magister Lang (nach dem vorliegenden deutschen und lateinischen Concepte) nebst der traurigen Kunde von der Schwachheit seiner Mutter von seinem Leben berichtet: „Damit ich die Caniculares (Hundstage) alhie nit gar muessig verzeer, so gibt mir mein Herr Eny underweilen zu schreiben, daneben üb ich mich auch mit lateinischem lesen, nam etsi non omittenda studia, tarnen relaxanda non nunquam sunt. Sunst wais ich euch nit sunders zu schreiben, dann dass man dise Tag alhie Herrn Christof Ylsing zum Statpfleger, Quirinus Rehlinger zum Gehaimen Rat und Johann Bah. Schellenberg znm Burgermaister gewölt hat. Gott der Herr geh Inen sambt den andern Herrn Glick und Hail, saliglich und wol zu regieren. Amen.“ Am 13. August langte der Zögling, wie sich aus dem Briefe an den Grossvater vom 21. ergibt, mit Gefährten und Geleitsleuten wieder in Memmingen bei seinem Lehrer an, dem er eine nicht Bis 1581 wohnte er bei seinem Schwiegervater am Salzstadel, bezog dann, als dieser das Haus an Martin Pfeiffelmann verkaufte, die Wohnung des domkapitlischen Schreibers auf unser Frauen Graben und erfreute sich aus Gunst seiner Herrn des jahrelangen Landaufenthaltes im Schlosse Hainhofen. Er starb 1622 und wurde bei den Dominikanern in Augsburg begraben. Sein Sohn Mel­ chior trat in bayerische Dienste und erscheint in solchen 1610 als KriegsrathsSekretär.

157 näher bezeichnete Verehrung nebst einem Schreiben von jenem überbrachte. Letzteres beantwortet M. David Lang, Ludimoderator, mit der Entschuldigung der langen Zögerung durch seine vielen obliegenden Geschäfte am 2. October. Nach dem Danke für die stattliche Verehrung, so in dem Briefe angeschlossen geschickt war, fährt der Schreibende fort: „Wir wollen auch möglichstes Fleiss ein. jedes nach seinem Verstand solches um E. Ehrenvesten Enicklen verdienen, dann er von wegen seiner Fromkhait, Ehrer­ bietung, Beschaidenhait und Fleiss uns sonders wol bevolhen, lieb und angenem ist, nicht wöniger, dann als wann er unser aigner Sohn were. Es schicket auch mein Hausfrau E. Ehrenveste und oftermeldtens unsers lieben discipuli Frau Mutter rotte Erbis zu einem Gruss und Anzaigen unsers dankbaren 'Gemüets.“ Beige­ schlossen wird der'leider verlorene „Extract der sumptuum, so über den Schüler ergangen, demnach nun das halb Jahr seines convictus abermal verloffen ist.“ Im Monate Oktober traf den Jüngling ein schweres Unglück durch den, wenn auch nach längerer Krankheit, doch wahrschein­ lich unerwartet frühe eintretenden Tod seiner lieben Mutter Sophia, den ihm der Grossvater brieflich mittheilte. In dem lateinisch abgefassten Schreiben vom 23. dieses Monats spricht Anton Chri­ stoph den tiefsten Schmerz über den nach des Vaters Tode doppelt fühlbaren Verlust aus, tröstet sich aber im Gedanken an Gottes unerforschlichen Rathschluss und mit des Grossvaters Versicherung, dass die Unvergessliche fromm, dem ganzen Leben entsprechend in Christus gestorben sei und er sich der Waisen mit aller Mühe und Treue annehmen werde. Für wiederholten Trost und das Ver­ sprechen des möglichsten Ersatzes der Verstorbenen durch den Grossvater im Briefe vom 12. November, in welchem zugleich die Aufnahme der beiden verwaisten Töchter jener bei der Frau Laugingerin*) gemeldet wird, dankt der Enkel her’zlichst am 19. desselben Monats (a. St.) und fügt in Betreff seiner Studien Fol­ gendes bei: „Was meine lectiones zu diser Zeit seien, hastu vor disem von mir vernommen, will dir derhalben darvon aufdissmal weiters nicht schreiben, dann dass ich gar alle Tag neben andern meinen condiscipulis von meinem Praeceptore scribendis latinis *) Aus dem alten Augsburger Patrizierhause der Lauginger, war Felicitas die Gemahlin' des Dr. Konrad Heel und die Mutter der Sophia, der Gemahlin des Karl Hörmann, also der drei Doppelwaisen Grossmutter. Oh sie oder eine andere desselben Geschlechtes hier gemeint sei, konnte hei dem Abgänge eines Stammbaumes nicht bestimmt werden.

158 Epistolis und usu praeceptorum Grammaticae neben den Erotematibus Dialecticae fleissig exerciert und geübt werd, also dass ich verhoff, ich wolle mit Gottes Hilf mein Zeit und den Kosten wol anlegen, dann mein Praeceptor an seinem Fleiss, Mühe und Arbeit nichts erwinden lasst, damit wir zugleich in pietate, honestis moribus et bonis literis unterrichtet werden.“ Am 1. Januar des folgenden Jahres 1590 berichtet derselbe im Gratulationsbriefe in gut gesetzter lateinischer Sprache, dass er die Regeln der Dialektik grösseren Theiles schon dem Gedächt­ nisse eingeprägt habe und das noch Uebrige binnen zwei oder drei Monaten zu bezwingen hoffe, worauf der Unterricht in der Rhetorik anfangen werde. Davon erwarte er grossen Nutzen, ver­ säume auch dabei keineswegs das Studium der Grammatik, son­ dern übe sich durch fortgesetzte Aufsätze und Sprechen in latei­ nischer Sprache. Mit der Zeitangabe vom letzten Mai 1590 ist ein Yerzeichniss der Bücher des Schülers erhalten, das meist nur das für den Unterricht Nothwendige oder Erspriessliche umfasst.*) *) Da dieses für die Kenntniss des literarischen Apparates eines vermöglichen Studirenden dieser Zeit nicht ohne Interesse ist, so möge es hier vollständig folgen: Biblia Germanica Martini Lutheri. 4°. Oratio de vita et morte Dni Jo. Langii (des schlesischen Juristen und Rathes des Königs Ferdinand, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. Kirchenhistoriker und Gedichte edirte?). 4°. Comoediae Nicodemi Frischlini. 8°. Dictionarius lat.-germ. 8°. Vergilius. 8°. Orationes Ciceronis aliquot. 8°. Evangelia graec. et lat. 8°. Nomenclator Hadriani Junii. 8°. Grammatica Rivii. 8°. Grammatica Phil. Melanchtonis. 8°. Maturini Crusii Grammaticae lat. et graec. P. 3. 8°. Educatio puerilis in lingua graec. et lat. P. 2. 8°. Dialectica Ph. Melanchtonis scripta atque etiam impressa. 80. M. T. Ciceronis epistol. libri 3. 8°. Ciceronis epistol. familiäres. 16°. Elegantiarum puerilium ex Cic. epistolis libri 3. 8°. Ciceronis sententiae. 16°. Steph. Ricii Commentarii in Cic. epist. 80. Elementa literarum et pietatis, quae in Augustana Schola ad D. Annam pueris initio proponi solent. 8°. .Erasmi de civilitate morum. 80. Catonis disticha moralia. 8°\ Jo. Rivii Athendoriensis Über 1. de primis Grammat. rudimentis. 8°. 100 Fabulae ex antiquis auctoribus. 16°. Alberti magni enchiridion de veris virtutibus. 8°. Passio et resurrectio Domini et Salvatoris nostri Jesu Christi. Catechismus M. Lutheri. 80. Testamentum novum latin. 8°. Psalterium latin. et german. 8°. Aliquot libelli de sacra coena. 8°. Precationes latin. et german. Joa. Avenarii. 80. Colloquia Erasmi. 8°. Methodus de conscribendis epistolis. 8°. Liber Signorum. 8°. Hauspostill Joh. Gigantis. 2 Th. 8°. Tisch­ reden M. Luthers. 8°. Päpstliche Geschieht. 8°. Wendemueth. 80. (Der Titel des letztgenannten, in neuester tieit als 95. Publikation des literar. Vereines in Stuttgart von Österley edirten Buches lautet: Wendemuth, darinnen550höfliche, züchtige und lustige Historien, schimpffreden und gleichnüssen begriffen und gezogen sein aus alten und jetzigen scribenten u. s. w. beschrieben und zusammen­ gebracht durch Hans Wilhelm Kirchhof 1562).

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159 Ein neuer schwerer Schlag traf den Jüngling durch den Tod der Frau Lauginger, welche seine Schwestern in Pflege genommen hatte, brieflich durch den Grossvater ^m 18/28. Januar und münd­ lich durch seinen zu einer Hochzeit „gen Eisnen“ durchreisenden Vetter Hieronymus Hörmann*) ihm mitgetheilt. Im tief religiösen Bewusstsein aber findet er wieder die volle Ergebung und Ruhe, wie er sie im Schreiben an den ersteren vom 29. Jan. ausspricht: „Nun es Gott dem Herrn also gefallen, sie zu dieser Zeit abzufodern und zu sein Gnaden zu nemen, soll ich auch dem Willen und Ordnung Gottes mit Ungedult nit widersezen, sonder mit dem gedultigen Job sagen: der Herr hats geben, der Herr hats gnom­ men, der Nam des Herrn sey gebenedeiet. So hülft auch das über­ machte Drauren und Klagen nichts, wir könden sie mit Wainen und Weheklagen nit mer zu uns bringen, wir werden zu ihr zu seiner Zeit mit grosser unaussprechlicher Freud kommen, sie aber kombt nit mehr zu uns in diss sterbliche Leben, wie der Prophet David von seinem verstorbnen Kind redt. Und dessen tröst ich mich nächst der Göttlichen Hülf meiner noch übrigen Freund, sonderlich aber dein, lieber Anherr. Gott der Allmächtig wolle dich und euch alle noch langwierig zu seinen Ehren und euer Seeligkeit erhalten.“ Am Schlüsse drückt Anton Christoph seine Freude über die ihm jüngst gemeldete Verlobung seiner Base Katharina Hörmann mit dem edlen und hochgelehrten Herrn Dr. Lucas Geizkofler **) aus. Die Ferien brachte Anton Christoph in diesem Jahre früher, als im vorhergegangenen, beim Grossvater zu, denn am 4/14. Juni 1590 berichtet er diesem, dass er zwei Tage vorher glück­ lich wieder in Memmingen angekommen und des Käthes in Betreff der Erlernung des Griechischen bedürftig sei. „Verner, freundlicher lieber Herr Eny, so lauten die Worte, bitt ich dich., du wollest mir vermelden, wie ich mit dem Griechischen mich verhalten soll, wann ich es von 2 bis 8 muest lernen, so kunt ich die selb Stund nit'in die teutsche Schuel gehn, es wer dann Sach, dass er mich von 2 bis 3 mit dem Griechischen underrichtet, dieweil ohn das #) Sohn des Hans Georg Hörmann, älteren Bruders des Anton, und der Ra­ degunde Herwart, geh. 1544, heirathete die Susanna Schorer und starb 1607. Das angegebene Ziel seiner Reise ist ohne Zweifel Isny in Wirtemberg. *#) Katharina ist die 1563 geborne Tochter des Ludwig, Bruders des Anton Hörmann. Ausführlich berichtet über diese Verlobung und Vermählung mit dem hochangesehenen Advokaten und Rathe der Fugger in dessen Selbstbiographie (Herausgeg. von Adam Wolf. Wien 1873.)

160 der Herr Jtfaior gsagt hat, ich därf nit sondere Autores oder vil im Griechischen lernen, wann ichs nur ein wenig verstehe, bitt dich derhalben, mir dein gtffet Bedunken zu vermelden.“ An den Magister Lang hatte der Grossvater dem zurückkehrenden Enkel einen Brief vom 1/11. Juni mitgegeben, der in Copie vorliegt und aufrichtigen Aufschluss über die Talente des, letzteren fordert. „Ich habe ine, so heisst es darin, gleichwol allhie was wenigs Examinieren und Epistolas vertieren lassen, befinde aber, dass er mit dem Vertieren oder lateinisch Epistolas zu schreiben, wie auch mit dem latein reden nit fast wol fundiert oder geuebt ist. Ob er nun in seiner Jugend alhie versäumt oder sunst so eines tardi ingenii ist, wais ich nit, dann weil er schon über 15 Jar alt, sollt er meines Verhofifens ein merers zu seinem Alter gelernt haben, und ich wer zwar wol zufrieden, wann er gleich nit so gar ciceronianisch schreiben und reden, sonder allein die gemeinen phrases oder formulas loqnendi et scribendi gelernet het, damit er sich in latein jedoch congrue mit einem bereden kint. Und die­ weil mir an eurem Fleiss gar nit zweifelt, so bitt ich doch, ir wollt mich vertreulich berichten, ob es seines Unfleiss oder tardi ingenii oder was anders schuld sein möcht. Dann wann ir vermainen, dass er nit taugenlich zum Studieren sein soll (da ich ine-doch lieber lenger darbei sech), so wer besser, man nem in desto zeiter darvon, dann dass er seine Zeit sonder profectum sollt vergeblich verzeren.“ Darauf antwortet der Magister in einem Briefe vom 18/28. Juli, worin er vor allem die längere Verzögerung mit den zu den scholasticis laboribus noch hinzugekommenen occupationibus ecclesiasticis entschuldigt. „Was den Anthonium Christophorum, Euer E. und Vesten Enklin belanget, schreibt der Lehrer, dass er im latein schreiben und reden noch ziemlich schwach, ist mir solches ziemlich wol bewusst, kompt aber meines Erachtens nit so gar her ab minuta qnadam ingenii duricia, dann ich bis anher an ime befunden, dass er mediocri ingenio von Gott begabt, dieweil er neben anderen seinen condiscipulis wol bestanden, etwan auch vor inen ein Sach hat verstehen lernen. Sonder sein infirmitas in studiis entsteht dannenher, dass er Augustae in Scliola Annaea in magna puerorum frequentia ist instituirt worden, da dann unmög­ lich, dass man einem jeden, als wie bei uns, da der Knaben wenig sein, könde zukommen und in nach Notturft underrichten. Es zweiflet mir aber nicht, solcher Mangel könte leichtlich ver­ besseret werden, dieweil, ob er wol nit gar eximio ingenio prae-

161 ditus ist, er einen sonderen Lust und Liebe zum Studieren hat, an seinem Fleiss nichts erwinden lasst. Wann dann nun Melis institutio praeceptoris hinzukommen wird (das ime dann mit gött­ licher Hilf nit solle mangeln) so verhoffe ich, er werde sein Zeit und den Kosten wol anlegen.“ Des Grossvaters Anfrage wegen des griechischen Unterrichts vom 15. Juli (a. St.) beantwortet der Enkel am 30. desselben Mo­ nats: „Was nun meine lectiones im Griechischen an trifft, auch die Stund und Zeit, die ich in denselbigen zubringe, ist alle Tag von 2 bis um 3 Ur und lehrne nur jezmals die Fundamenta graecae linguae, als declinieren, conjugieren und was dann einem, der erst graecam linguam studieren oder ergreifen will, zu lehrnen not­ wendig, doch noch nichts exponieren, sondern allein lesen und die Fundamente, wie oben gemelt. Wann du aber meinst, dass ich die Zeit sonst nit versäume (und dieweil du, wie ich noch Junten gewest, zü mir gesagt, wann ich was von Büchern beterfe, so soll ichs hinabschreiben) so bitt ich dich, du wollest mir einen griechischen Isocratem mit der lateinischen Version*) herauf schicken lassen, dass ich daraus etwas lehrne exponieren, dann er in unserer Schuel alhie gebreuchlich ist.“ Schliisslich wird gemeldet, dass am 24. ds. (a. St.) der Magister mit seinem Bruder „im den, Sauerprunnen seiner Gsundheit halben verrückt,“ um 3 Wochen daselbst zu verharren, aber seine Classe einem Collega für diese Zeit befohlen habe, welche vorgenommene „Badenfarth“ der Allmächtige zu ihrer völ­ ligen Gesundheit dienen lassen möge. Die glückliche Rückkehr aus dem Bade, das hier mit dem NamenIberkingen**) begegnet, meldet ein lateinischer Brief vom 3. September.

III. Vorbereitungen für den Abgang des Anton Christoph Hörmann zur Universität. Apttlerweile hatten die Pfleger des Jünglings, die ihm nahe verwandten Anton Felix Welser und Karl Konrad Heel, im Ein­ verständnisse mit dem alten Anton Hörmann über die nächste *) Beigefügt ist die nähere Bestimmung der Ausgabe: Isocratis Scripta, quae quidem nunc extant omnia graecolatina postremo recognita Hieronymo Wolfio Oetingensi interprete. **) Ueberkingen, damals vorzüglich beliebtes Bad bei Geislingen in Wirtemberg.

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162 Bildungsart desselben neue Bestimmungen getroffen, deren Grund wohl nicht in Unzufriedenheit mit den Leistungen des bisherigen Magisters und auch nicht in der bis dahin an dem Zöglinge vollbrachten Leistungsfähigkeit der beschränkteren Schule, sondern in der uns freilich befremdenden aber damals bei reicheren Ständen gewöhn­ lichen Weise der Unterrichtsmethode zu suchen ist. Aus dem engeren Kreise der vorbereitenden Anstalt wurde ein grösserer, fern gele­ gener und mit einer Universität ausgestatteter Ort gewählt, damit daselbst die jugendliche Kraft sich übe und fortbilde, aber, wenigstens für die nächste Zeit, nicht im gewöhnlichen akademischen Lehr­ gänge und unter der Leitung der eigentlichen Professoren, sondern ohne wirkliche Betheiligung an diesen und unter Aufsicht und Belehrung eines selbst noch in jugendlichen Jahren befindlichen Fachstudirenden. Das hiezu vorzüglich oder selbst ausschliesslich bestimmende Motiv lässt sich leicht in der Rücksicht auf die Erlernung der fremden, aber dem Gebildeten und besonders dem zum Handelsstande Bestimmten unveräusserlichen italienischen und französischen Sprache erkennen, die sich an einem Orte, wo sie selbst die herrschende war, viel leichter dem Verständnisse und allmälig dem eigenen Besitze und Gebrauche des Jünglings fügte. Hiezu aber eine Universitätsstadt zu wählen, die, wenn auch nicht sogleich, so doch bald die Betheiligung an höheren wissenschaft­ lichen Studien darbot, schien besonders in dem Falle gerathen, wo, wie es bei unserm Anton Christoph gewesen sein mag, die Wahl zwischen diesen und dem, Berufe des Kaufmanns noch nicht entschieden war. Nachdem diese Art der Weiterbildung für den Jüngling beschlossen war, so kamen zunächst die Wahl des Ortes und die noch viel wichtigere eines tauglichen Praeceptors in Frage, deren Erledigung auch hier vorzugsweise der treubewährten Sorg­ falt des Grossvaters überlassen blieb. Wenn über letzteren Punkt auch keine Nachrichten mehr vorliegen, so ist doch bestimmt an­ zunehmen, dass die Berufung eines mit dem Jünglinge in die Ferne ziehenden Lehrers in der Person des Alexander Lingelsheim von Strassburg*) nicht unüberlegt, sondern auf Grund von umfassenden *) Dieser war der jüngste Sohn des .Professors Theobald Lingelsheim (auch von L. genannt, ohne Zweifel von dem Schlosse und Flecken an der 111, eine Meile von Strassburg). Während von ihm in seinem spätem Leben nichts auf­ gefunden werden konnte, erscheint sein ältester Bruder Georg Michael als ein damals wegen seiner Gelehrsamkeit hochgeachteter Mann, der in Briefwechsel mit dem grossen Philologen Scaliger und dem Historiker Thuanus stand und als Rath am churpfälzischen Hofe starb.

163 Erkundigungen nach geistigen und sittlichen Fähigkeiten zunächst nach Augsburg erfolgte. Aber selbst damals scheint die Wahl noch keineswegs definitiv abgeschlossen, sondern erst noch von dem Resultate der persönlichen Bekanntschaft und Besprechung abhängig gewesen zu sein. Erst nach der Ankunft des Genannten in Augsburg, *) am 8. (n. St.) wurde die weitere Frage nach der zu wählenden Stadt in eifrige Berathung genommen, wie sich aus den noch vorliegen­ den Briefstücken beweisen lässt. Am 22. September ertheilt Anton Hörmann dem Jeremias Seiz, der seine Tochter Euphrosina 1576 geheirathet hatte, den Auftrag, an Hans Huepher **) in Venedig zu *) Nachstehende Quittung benennt die auf die Reise des Praeceptors ver­ wendeten Kosten: Laus deo 1590 in Augspurg. Alexander Lingelshaim Soll 19./29. Augusti. So man dem Herr Doctor Johann Lobetio widerum zu vergnügen hat, nemlich für ein Pferdt mit aller Ristung hat kost 40 Taler zu 18 Patzen .................................................................... fl. 48 kr. — Für 4 Tage Zerung von disem Pferdt in Strasburg zu 6 Patzen des Tags.......................................................................................... fl. 1 kr. 36 So hat Herr Lobetius ime Lingelshaim auf Zerung.nach Augsfl. 12 lcr. — purg geben................................................................................... Suma Sirasburger Valuta Darvon abzogen 8 p. c°. Reichswerung Rest So hah ich dem Wilhelm Montfort Poten zaltfür 5 Tag Zerung des Pferdt allhir bei ime gestanden 25 Patzen und für ein Nacht Zerung für den Lingelshaim 5 Patzen. Mer dem Montfort für sein Mue verert, dass er mit Einkäufen der Pferdt bemuet ge­ west und den Lingelßheim mit sich hergefuert fl. IV2 A 24. Sept. j 4. Octob. Zalt dem Hildeprandt Schneider Furmann von Ulm des Lingelshaim Fässlen von Strasburg alher Fuerlon, hat gewogen C. II/4 zu fl. 21 p. C. laut H. Lo­ betius Fracht epistlen...........................................................................fl.

fl. 61 kr. 36 fl. 4 kr. 56 fl. 56 kr. 40

fl.

3 kr. 30

3

kr. 37

Suma fl. 63 kr. 47. Iheronimus Ilörmann. (Dr. Johann Lubetius wird in der Selbstbiographie des Lucas Geizkofler S. 57 als Agent etlicher Reichsstädte am königlichen französischen Hofe genannt und als ein sehr erfahrener und gutherziger Mann gepriesen). **) Johann Hupher, wie er selbst gegenüber der verschiedenen Schreibweise anderer sich nennt, Bürger von Augsburg, war in fuggerischen Diensten ein­ flussreich beschäftigt und mit eigenem Gelde betheiligt, und dazu ein eifriger Freund der Wissenschaft (in Schelhorns Beiträgen 4. 182 als Mitgründer der berühmten Druckerei ad insigne pinus in Augsburg gepriesen). Bei St. Anna liess er sich und seiner Gemahlin Anna Maria Bauhofin noch bei Lebzeiten das Grabmal bereiten (Prasch 1. 171.).

164 schreiben: „Man wol sich mit erstem zu Padua erkhundigen, was für Teutsche von Augspurg daselbst studieren und wie sy haissen. Item, ob nit bei einem erlichen Man ein Ort zu bekomen, da ain Praeceptor sambt dreien Knaben ir aigen Zimer und Betgewand haben und daselbst zu Kost oder Tisch gen khindten. Und was man von ainem Preceptor sambt drey Knaben ain Wuchen oder Monat für die Herberg, Betgewand und anders, auch für die Kost und Trankh geben muesst. Und mutatis mutandis nach Senis zu schreiben.“ Erst nach diesen Vorbereitungen erfolgte die Mittheilung der beschlossenen Veränderung an Magister Lang in Memmingen, der am 17. Sept. (a. St.) an Anton Hörmann schreibt: „Ich wollte in (Anton Christoph) zwar lieber allhie behalten von seiner Frombkhait, Fleiss und Beschaidenhait wegen, dieweil sich aber mit ime ein solche Gelegeuhait begibt und zuträgt, dass er ltaliam erkündigen und allda seine Studia mit Hilf eines aignen Praeceptoris continuieren soll und mag, so lass ich mir solches seiner Herren actorum Fürnemen, wie billich, wol gefallen und winsch ime auch darzu von Gott dem Allmächtigen vil Glück und Hail.“ Dazu bittet der biedere Mann, man möge mit seinen geleisteten Diensten „günstig fürlieb und gut haben“ und bestimmt die geeignetste Rückkehr des Schülers mit dem in kurzer Frist von Memmingen nach Augburg reisenden Dr. Occo. *) Des Anton Hörmann genannter Auftrag fand schleunigste Erledigung, denn schon am 28. September berichtet Hupher aus Venedig an Seiz: „Wegen Eur Vöttern, so in Padua studieren wolle, hab ich mich allerdings bei dem Studenten Factorn Hansen Staudt alhie wonhaft Berichts erholt, der zaigt mir'an, dass man in Padua gar guete Gelegenhait und Leit findt, die solche Studiosi mit Betgewandt, Essen, Trinken und aignen Camera underhalden des Monats zu 7 in 8 Cronen für ain Person und gueter Tractation. Wann der Herr solche herein senden, will ich aintweder mit inen selbs nach Padua oder inen mit gueter Eecomadation dahin versehen.“ *) Adolf Occo (III.), der Vater des obengenannten Zöglings der Schule Längs, als Arzt seiner Vaterstad t Augsburg und durch seine Gelehrsamkeit auf dem übrigen Gebiete der Wissenschaft, besonders durch seine Kenntnisse in der Numismatik (als Verfasser der bekannten Imp. rom. numismata etc. Antverp. 1579) hochgeachtet, war mit dem Rnthe jener wegen des Kalenderstreites in v scharfen Conllikt gekommen und 1588 seines städtischen Amtes entsetzt worden. Er starb 1606 in besagtem Orte und wurde bei St Anna begraben (Prasch, 1.137).

165 Am 1. Oktober (n. St.) wurde zwischen den Vormündern und dem neuen Präceptor, ehe noch die Wahl der zu besuchenden Universität definitiv ausgemacht gewesen zu sein scheint, in förm­ licher Weise und urkundlicher Abfassung der Vertrag geschlossen, dessen wörtliche Wiedergabe hier folgt: „Zu wissen, nachdem sich die Edlen und Ernvesten Carl Conrat Heel und Antoni Foelix Welser, Burger zu Augspurg,* als verordnete Pfleger ires lieben Vöttern Antoni Christo! Hörman; weilend Carl Hörman seligen eelichen Sun, furgenumen, gedachten iren Vötter mit einem Praeceptor auf ein Universitet in Italiam oder anderer Ort zu schickhen, haben sy derwegen mit Hat Herrn Antoni Hörmans, sein Antoni Christofen Anherrn, mit dem Erbarn Alexander Lingelshaim, des Ersamen wolgelerten Herrn 'Theobaldi Lingelshaim professoris zu Strasburg eelichen Sun, gehandlet, und zu baiden Tailen sich mit einander verglichen, inmassen hernach vermeldet wirdet. Nemlich hat sich gedachter Alexander Lingels­ haim mit Vorwissen und Guethaissen obgemelts seines Vatter frei­ willig verobligiert von dato diss Briefs drei Jar lang anzuraiten bei gedachtem Antoni Christof auf einer Universitet inltalia oder ander Ort zu bleiben, ine nach Willen und Bevelch seiner Pfleger auf alle Gottsforcht, warer Erkantnuss Gottes nach Inhalt hailiger göttlicher Schrift und der Augspurgischen Confession, auch Zucht, Erbarkeit, gueten Sitten und Tugenten zu erziehen, da­ neben in studiis literarum et bonarum artium und dann mit Rech­ nen und Schreiben nach des Knaben ingenium und seinem besten Verstand oder wieime jederzeit Ordnung furgeben werden möcht, auf das fleissigest und treulichest zu underweisen, auch darob und daran sein, dass er die Italienisch Sprach wol reden und schrei­ ben lernen mag, ine darneben mit schuldiger Zucht und getreuem Warnen, in gueter Forcht haben und halten, oder wo er sich anderst dann recht verhielt, seinen Herrn Pflegern jederzeit anzaigen und allerding gegen ime verhalten, wie einem gottsaligen, fleissigen und treuen praeceptori zu thuen gebürt, nit allein für sich selbst erbaren zichtigen Wandl fueren, sonder auch ine An­ toni Christof dahin halten und darob sein, damit er sich aller bösen Gesellschaft, Unzucht und Einmischung frembder Hendl und Gezenks auch unordenlichen Essens und Trinkens enthalt, darzue one obgemelter seiner Herrn Vorwissen und Bewilligung für sich selbst kainswegs Macht haben, Jemand andern zur Beiwonung anzunemen oder zu underweisen. Da er auch privatim publicas lectiones hören oder für sich selber studieren wollt, soll er dasselb

166 in allweg one Versäumnuss der Knaben thuen. Was ime dann für Gelt verordnet und zuegeschickt wirdet, dasselb soll und will er zu nichts anderst, dann zu rechten notturftigen Ausgaben an­ wenden, auch merbemelten seinen Herrn alle viertl Jarzeit oder so oft sy es begeren erbare guete Rechnung thuen und geben, und sich sambt seinem bevolchnen Discipl in allem der Sparigkeit befleissen. Da er aber in Zeit seiner Dienst one seiner Herrn Yorwissen und Bevelch ainicherlay Schulden machen wurd, des doch nit sein soll, dieselben soll er für sich selb entrichten und bemelte seine Herrn nit schuldig sein, Jemant von seinetwegen zu bezalen. Er soll und will auch vor Yerscheinung der drey Jaren kein Gewalt noch Macht haben, Urlab zu nemen, auch gemelten seinen Herrn nie Ursach geben, ine zu urlaben, viel weniger für sich selbst oder nach des Jungen Gefallen one Vor­ wissen und Bevelch seiner Herrn one sunder ehaft Ursachen an ander Ort ziehen. Da entgegen aber seinen Herrn bevorsteen soll, ine nach seinem übel Verhalten zu Urlauben, aber nach Aus­ gang der drey Jar soll es zu baiden Tailen guetem Willen und Gefallen steen, sich alsdann weiter der Besoldung und anders halben freüntlich zu vergleichen. Da entgegen haben ime obgemelte Herrn Pfleger zuegesagt, ine sambt seinen Buecher und Klaider an gemelt Ort zu schicken, daselbst mit zimlicher Speis und Trank, Wonung, Ligerstat, Holz, Liecht die Zeit seines werenden Diensts zu underhalten und noch darzue die obbemelte drey Jar und ein jedes Jar allein und besonder zu rechter bestimbter Besoldung für Lerung, Klaidung, Buecher und all ander sein An­ forderung und Notturft sechtzig Gulden reinisch in Muntz, jeden zu sechtzig Kreutzer gerait, bezalen und raichen, daran er also woll benuegt und zufrieden ist. Jedoch wann er vor bemelter Zeit der drey Jar mit Todt abgieng, oder vor Ausgang diser Verschreibung, wie vorstet, geurlabt wurdt, so soll ime oder seinen Erben nach beschehner genuegsamer Rechnung und Zuestellen des iren nit mer Belonung, dann sovil ime nach Anzall der Zeit ge­ bürt, bezalt und geben werden. Es haben inen auch gedachte Herrn Pfleger in Sonderheit Vorbehalten, welches er Alexander Lingelshaim freiwillig angenumen, da sy jetzt oder khunftig zu irem Vötter Antoni Christof aufs maist noch zwen Knaben in solche Zucht undLernung thuen wolten oder wurden, dass er die­ selben gleicherweis, wie vorstet, zu unterweisen und zu ziehen ' schuldig sein soll, und aber desswegen die Besoldung nit gemert noch gebössert werden, sonder in vorgenanter und ainiger Besol-

167 düng hingeen. Damit er aber desto mer Ursachi hab, bei irem Yötter und den zuegebnen Knaben sein treuen böstenFleiss desto höher zu erzaigen, so bewilligen sich die Pfleger sambt der an­ dern Knaben Gefreundten, da er inen die obbestimbte drey Jar inhalt diser Verschreibung ungeurlabt bis zu Ende treulich und fleissig ausdient, ime über obgemelte seine Besoldung noch ein eerliche und geburliche Vereerung zu thuen. Im Fal aber, da gedachter Antoni Christof Hörman vor Ausgang der gemelten drey Jar nach dem Willen Gottes mit Todt abgeen wurde, so soll und will er Alexander Lingelshaim nicht desto weniger bey den zuegegebenen andern zwaien Knaben, oder da derselben Eltern oder Gefreundte noch einen ungeferlich in gleicher Lernung zue den iren nemen wolten, die verschribne Zeit der drey Jar lang beieiben, sich in allem, wie vorstet, verhalten und dieselben mit allem Fleiss instituieren und ziehen. Dargegen sollen Und wollen der andern zwaien oder dreien Knaben Eltern oder Gefreunte in Alexander nicht desto weniger ausser obgemelts Antoni Chri­ stof Hörmans Pfleger die Besoldung und anders nach Inhalt diser Verschreibung treulich laisten und geben. Dess zu warem Urkundt sein diser Bestallung zwe gleichlautend Schriften aufgericht, deren die ein vorgedachte Herrn Pfleger und die ander oftermelter Alexander Lingelshaim zu Händen genumen, baid von iren Händen underschriben und mit Petschaften verfertiget. So hat sich auch der Edl Ernvest Iheronimus Hörman beneben ime under­ schriben und sein Petschaft aufgetruckt, als .der bei diser Abred gewesen ist. Beschehen inAugspurg den ersten Tag Octobris im fünfzehnhundert und neunzigsten Jar.“ Am 6. Oktober kehrte der junge Anton Christoph. von Mem­ mingen nach Augsburg zurück, um ernstlich zur weiteren Reise zu rüsten. Glücklicher Weise hatten sich zwei jugendliche Ge­ fährten zu gleicher Unterweisung und Leitung durch Lingelshaim gefunden, die überdies durch Bande der Verwandtschaft der Hörmannischen Familie nahe standen: Hans Anton, der Sohn des gleichnamigen Lauginger, schon Anton Christophs Schulgenosse in Memmingen, und Balthasar Langenmantel, Sohn der Witwe Josina Langenmantel, Schwiegermutter des Jeremias Seiz.*) *) Nachdem seine erste Gemahlin Euphrosina Hörmann 1582 gestorben war, heirathete Jeremias Seiz schon im nächsten Jahre Ursula, die Tochter des Da­ vid Langenmantel (gest. 1572) und der Josina, geborenen Grimmlin von Antorf (Antwerpen). Ihr Sohn Balthasar war 1571 in Augsburg geboren, kam 1608 in den ßath dieser Stadt und starb 1625.

168 Am 17. Oktober empfing Anton Hörmann aus Florenz einen verlangten Bericht über Verköstigung der „Studiosi in Senis.“ „Als vil nun, schreibt der unbekannte Beauftragte, ein Herr in Siena, welcher 3 Jungen mit ainem Preceptor in seiner Behau­ sung und Kost hielte, belangent, habe ich weder, weil ich alda, noch hernach (ausgenommen was die, so ander mehr in der Cost haben) erfaren khonden, alain da ainer solche zue anderen Sco­ lari tette, dass sie alda ain Khamer hetten, und da man sie neben anderen Scolari in ainem andern Haus wolte lassen zue Disch, so khan man wol Leit finden, die Cronen 8 ain Monat von ainer Person nemen, dass sie aber bei ainem in ainem Haus allain, der sie mit Zimer und Speis versehe, sein solten, habe ich Niemand erfaren khonden, ain Junger allain were wol besser in der Gestalt underzubringen weder irr vier.“ Damals aber war die Wahl für Padua bereits getroffen und des Grossvaters unermüdliche Sorge bestrebte sich mm zunächst, dem Enkel und seiner Begleitung eine sichere Reise und freund­ lichen Empfang zu verschaffen. Zu diesem Zwecke wurden am gleichen Tage, am 18. Oktober, zwei Empfehlungsbriefe aus­ gefertigt, die in Copien von Antons eigener Hand vorliegen. Der erste ist an seinen sonders lieben Herrn und Freund, den schon genannten „Huepherrn“ in Venedig gerichtet und stellt nach der Darlegung des Zweckes der Reise und der Persönlichkeit der Betheiligten die Bitte: „Dieweil mich Jheremias Seitz mein lieber Tochtermann bericht hat, dass Ir euch auf sein Schreiben und Begeren so guetwillig erbotten, da Ir inen zu'Padua mit Bestel­ lung der Herberg und andern khinden verholfen sein, dass Ir dasselb gern thuen wollen, also langt auf das sonder guet Ver­ trauen , so wir mein lieber Sun Seliger und ich vor diesem zu Euch gehabt, mein ganz freuntlich Bitt, Ir wollt euch gedacht meinen Eniklen, als der laider sein Vatter und Muetter zeitlich verloren hat, sambt seinem Preceptori und den andern zwaien zuegebene Knaben treulich lassen bevolchen sein und dieweil sy des Lands und der Leid Brauch unerfaren, inen mit eurem ge­ treuen Rat hilflich und beiständig sein, damit sy nach Gelegen­ heit bei eerlichen Leuten zu Padua umb ain ziemlich Gelt, wies jetziger Zeit beschaffen, mit geburlicher Herwerg, auch Kost, Trankh und Ligerstat und was sunst die Notturft erfordern möcht, versehen werden. Was sy dann zur Notturft von Gelt bedürfen werden, wird euch gedachter mein Tochtermann Seitz selber ver­ melden, wess Ir Euch verhalten sollt.“

169 Den zweiten Brief schrieb Anton an seinen lieben Freund Jerg Schuster, dem die Bitte dringendst jin’s Herz gelegt wird, den Herrn Christoph und Hieronymus Ott in Venedig, in deren Dienst dieser steht, die Reisegesellschaft zu aller Gunst und Unterstützung zu empfehlen, und selbst, wenn ihm der Präceptor oder Anton Christoph etwa ein ßrieflein überschicken würden, dessen Weitersendung nach Augsburg zu besorgen. Aus dem Familienkreise ist dabei mitgetheilt: „Mein Tochtermann Sixt Adelgais kan sich seins Podagrams noch nit wol erholen; gleichwol was er den ainen Tag guet macht, das verderbt er den an­ dern wider, sonderlich wann er zu den Herrn Fuggern kombt.“ Ara gleichen 18. Oktober schrieb endlich der besorgte Grossvater, wie er es bei des Enkels erstem Abgänge nach Memmingen gethan, eine neue genaue Ermahnung, wie dieser in seinem wissen­ schaftlichen und sittlichen Leben sich verhalten soll, die wört­ lich lautet: Memorial und Recorda für mein Eniklen Antoni Christof Hörmann. Lieber Antoni Christof, nachdem du nun mehr in das drit Jar beim Magister David Langen zu Memingen in der Cost gewest, und daselbst, zimlich wol gstudiert hast, auch noch lenger Lust und Lieb hast, deine Studia zu continuieren, so hat es deine Pfleger und Vetter Carl Conrat Helen und Anton Felix Welser und mich für guet angesehen, dich mit deinem Preceptore Ale­ xander Lingelshaim, des Herrn Theobaldi Lingelshaim, Professoris zu Strasburg Sun, neben Herrn Hans Antoni Laugingers und Frauen Josina Langamentlin, Hans Antoni und Baltas, zwen Sunen gen Padua in Italiam- zu schicken, damit du erbar Leut, Sitten und Tugenten, auch neben den Studiis die Italienisch Sprach lernest. Dieweil ich dir aber vor drey Jaren ain Instruction ge­ stellt, wie du dich in deiner Jugent halten sollt, die du dann noch bei Händen hast, und nun mer aus Gnaden des Allmechtigen im sechzehenden Jar deines Alters bist, so wer wol von Unnötten, weitere Ausfuerung zu thuen, dieweil du wissen sollt, was dir wol oder übel anstet. Derhalb beschicht diess allain aus väter­ licher Lieb und Treu hiemit anstat deiner lieben verstorbene» Eltern saligen, dich zu ermanen, du wöllest in all deinem Thuen und Lassen Gott den allmechtigen vor Augen haben, furchten, lieben und für alle Guettat dankbar sein, auch dein ainige Zueflucht durch Christum seinen Sun zu ime haben, der wird dich in kainen Nötten verlassen, darneben Gott hailigen Geist den Trö12

170 ster aller Betruebten von Herzen anrufen und bitten, dir sein Gnad zu verleihen, damit du nach Gottes Willen und Geboten dein ganzes Leben anfichten, volziehen und zulezt saliglich volenden mugest. Aber in allen Dingen hab ain guet Gewissen, nam conscia mens recti vana mendacia ridet, und bedenk, dass Gott kain Übel ungestraft und kain Guettat unbelont lasst. Und dieweil es der hiesigen rainer Leer halben was geferlich in Italien ist, so bis behuetsam, gib dich nit in Gefar, lass dich nit in Disputationes oder Gezenk ein, misch dich auch nit in frembde Hendl, sonder lass sie das Ir schaffen und wart du deiner Lernung aus, gib Niemand Ergernus und meid ir superstitiosische Religion, lis darfur fleissig in der rainen Biblia, so ver dus haben kanst und in deinem Catechismo und andern andechtigen Übungen und Gebet. Deinem Dno Praeceptori bis gehorsam nit weniger als mir oder deinen Pflegern selbsten, befleis dich seins Willens und Gefallens, damit du Ine bei guetem Willen und Lieb gegen dich erhaltest. Bis nit stolz oder hochfertig, sonder erzaig dich ererbietig und gegen deinen Schuelgesellen freuntlich und fridlich, das macht dicl\ angenem und befurdert dich. Bis frum, redlich und aufrechts Gemuets und nit leichtfertig oder liederlich, sunderlich aber warhaftig, dann ain Lugner hasst Gott und die Welt. Denique omnia si perdas famam servare memento, qua semel amissa postea nullus eris. Huet dich vor böser Geselschaft und Gepulschaft, sonderlich schändlicher Frauenlieb, wie man dann in Italia sonderlich frech und unverschambt ist. Befleisse dich raines und keusches Leben und besudl dein Leib nit mit Unrainigkait, davon Seel und Leib verdirbt, auch vil Krankhait, Übel und Laides daraus entstet. Derohalben hab alzeit dein Aufmerken, Aufsehen und Gemein­ schaft mit frumen, erbarn, redlichen Leuten, dar von du was guets sehen und lernen kanst, und meid leichtfertige Leut, sunst wird man dich auch für ain solchen halten. Zue dem gehört, dass ainer nit muessig geh, nihil magis alienum est a Studiosi professione, quam otium. Darum bedenk, warum man dich ausschickt, und warum man so ain grossen Costen über dich geen lasst, nemlich dass du fleissig studierest und die Italienisch Sprach wol reden und schreiben' lernest. Wie du aber deine Studia continuieren und was deine Lectiones sein sollen, das kan und wird dir dein Preceptor wol wissen anzuzaigen. Im selben halt guete Ordnung, stee morgens zu rechter

in Zeit auf und gee zu Nacht bei rechter Zeit nider. Was du in ainer Stund versaumbst, das bring in ainer andern wider herein, nam ubi non est ordo, ibi sequitur confusio. Aber kein Zeit soltu vergebens und unnutz hinlassen, dass du nit etwas guets lernest. Quia temporis jactura omnium pessima. Des Teutschreden soltu dich sovil muglich enthalten, sonder befleiss dich mit deins gleichen lateinisch, oder so du die Sprach ein wenig ergriffen, italienisch zu reden, und solt dich deshalb nit Schemen, wenn du es gleich in solchen Sprachen nit allweg recht triffst. Aus vilem Reden, Lesen und Schreiben lernet man die Sprach zum ehisten und besten, desshalb wöllest dich mit vil Lesen und Schreiben ueben. Mir und deinen Pflegern und Gefreundten magstu monatlich sonderlich aber latine und wann du die welsche Sprach ein wenig ergriffen, italice schreiben, und mach die Brief fein geschmeidig zu, dann das Potenlon cost vil. Beileis dich eleganter und zierlich latine und italice zu reden und zu schreiben. Zur Zeit der Yacantz, oder da du sunst keine lectiones hören kannst, so ube dich im Rechnen und Schreiben, damit dus nit vergessest, sonder je lenger je bas lernest. Wann du zu Zeiten Kurtzweil oder Recreationes suechen willt, so ube dich in der musica, jedoch dass du nit nötigers versäumest. Und ist besser (wie die Alten gesagt haben), du lernest, dass man dir vor dem Tisch hofier, weder dass du andern hofierest. Du sollt auch weder bei Tag oder Nacht keine Wören oder Waffen neque offensive neque defensive tragen, auch weder allein noch mit Geselschaft bei Tag oder Nacht one deins Preceptors Wissen und Willen nit aus dem Haus geen, noch vil weniger an ungeburliche oder unziemliche Ort, dein Spacieren oder Recreation soll mit deinem Preceptore und Schuelgesellen sein, mit denselben geren von nützlichen Sachen conversieren, disputieren, fragen, hören und also was guets von inen lernen. Es haben die Teutschen ain bösen Brauch, dass sie Sumers­ zeiten in den fliessenden Wassern zu Padua baden und Narrey treiben, dardurch. etliche namhafte in Gfar ihres Lebens kumen und etwan gar ertrunken sein. Derhalb wöllest dich solches Wasserbadens und dergleichen Gferlichkeiten ganz und gar ent­ halten, auch der gmainen Bäder muessig geen, sondern mitHaubt und Fuesswaschen dich sauber halten. Des Baalspilens, damit man allain das Gelt unutzlich verthuet und vil gueter Zeit ver­ lernt, magstu dich wol enthalten, es wer dann sach, dass man sich 12*

172 zu Zeiten am Feiertag mit Wissen und Willen deines Preceptors ' mit disem oder andern erlichen Exercitiis ziemlich recreieren wollt. Was du von Gott zu deiner Notdurft mit Kleidung oder an­ deren bederfen und brauchen wirdest, das wird dir dein Preceptor geburlicher Weis geben oder selber für dich zalen, doch soltu nichts one sein Vorwissen und Bewilligen ausgeben, kaufen oder machen lassen. Von solcher deiner Einnam und Ausgab, -es sey klain oder gros, wollest deinen Pflegern alle Quartal nachlangs ain Eechnung schiken. In deinen Klaidern bis sauber, brauch kain Überfluss oder Kostlichait, sondern bis heuslich und gesperjg, klaid dich deinem Stand gemes, gedenks nit ainem Jeden nach zu thuen, was du sichst, sonder bedenk, dass bölder was erspart, dann gewunnen. In Essen und Trinken bis messig, All dich nit an, trink kain starken Wein ungewessert, trink auch nit in die Hitz, huet dich vor dem Laster der Trunkenhait, auch vor übrigem Obs und Früchten. Emplös dich nit leichtlich an Luft, weder bey Tag noch Nacht, dann darvon leichtlich Fieber kumen. Ob du krank wurdest (des bey Gott steet), so zaige deinem Preceptor bey Zeiten an, damit man Rat haben mag. Durch Wolhalten und guete Dieta oder Aufmerken kinden mit Gottes Hilf vil Krankhaiten verhuet werden, des wollest dich auch befleissen. Deinem Dno preceptori hab ich ain Copie von ainer lateini­ schen Instruction zuegestellt, darin sein vil salubria praaecepta. Die soltu mit Gelegenheit selber auch abschreiben, und dich und deine studia darnach anrichten und verhalten. Also wollest auch dise und vorige mein Instruction und väter­ liche Vermanung oft uberlesen und dich befleissen, darnach zu leben, so man dich heraus fordert, widerum mit dir bringen. Das will ich mich also zu dir als ainem gehorsamen Enicklen und Sun genzlich versehen und getrosten. Der allmechtig Gott wöll dir darzue sein Gnad und hailigen Gaist, auch sambt deinen Gferten ain glicksalige Reis verleihen und hernach widerum mit Gesundt und Freuden zu uns verhelfen. Amen. Amen. Datum Augspurg den 18. Tag Octobris a. 1590. Dein treuer Eny Antoni Hörmann.

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IV. Anton Christoph Hörmann auf der Universität zu Padua und zu Basel (1590—1591). Nach all diesen Vorkehrungen erfolgte am 19. Oktober 1590 die Abreise der jungen Gesellschaft. Erst nach dieser traf auch ein italienischer Brief des Ottavio Ferari aus Siena ein, worin vom Unterkommen der Studierenden daselbst berichtet wird, dass bei der gegenwärtigen Theuerung, wo das Scheffel Getreide 10 Giuli koste, für Wohnung und Kost in massiger Weise 8 bis 10 Dukaten zu bezahlen seien. Die Ankunft in Venedig erfolgte am 29. Oktober, wie Anton Christoph dem Grossvater in einem Briefe vom nächsten Tage berichtet, den der Bote Meister Meixner, welcher sie auf guten Kossen hineingeführt, zurückbrachte. „Ueberfüge dir nun zu wissen, so schreibt der Enkel, dass wir von den Gnaden Gottes wol und glücklich nach Venedig gestern ankommen sein, alda wir uns bei dem Herrn Huebherren haben anzaigen lassen, welcher zu uns in das Wirtshaus kommen ist und uns einen feinen Mann zugeben, der uns in der Statt herumb gefüert und uns schöne Sachen gewisen, den wirt er uns auch mit nach Paduam schicken, welcher uns dann daselbs recommandieren wirt.“ Am 7. November (n. St.) schrieb Anton Christoph zum ersten­ mal aus Padua an' den Grossvater und meldete die am 31. Oktober daselbst erfolgte Ankunft und Wahl der Wohnung. „Aida,“ heisst es, „haben wir ein guet Orth bekommen und tractiert man uns herrlich und wol, sind auch mit Kammern und Gliger wol versehen, allein dass ein Person 8 Kronen ein Monat geben muess und es ein Teutscher Herr und Frau ist. — So seind auch noch sonst 2 Freyherrn von Buechaim und 2 Doctores sambt uns in der Cost, einer Doctor iuris utriusque prudentiae, der ander medicinae. Sy irrent uns aber nichts an unsern Kammern, seind auch nicht gleich an unsern Kammern, sonder sy wohnen in dem Gegenthail des Hauses. So haben wir fürwar feine Kammern und kinden von ainer in die ander gehn, in der ainen ligen wir und in der andern exercieren wir unsere studia, ligend auch gegen Aufgang der Sonnen. So accomodieren wir uns ferner under ainander fein und haben einen feinen Mann bekommen, der zu uns geht und uns die Sprache leeret. — Was dann ferner meine studia betreffen, so bring ich den morgen mit zu und etwan nach dem Essen oder wann wir sonst nichts zu thun haben, so ueben

174 wir uns in der Musica, darnach setzen wir uns wiederumb ueber das Studieren, so went auch unser Praeceptor allen Fleiss mit uns an u. s. w.“ Erst am 16. November berichtet Hupher selbst, das längere Schweigen mit dringenden Geschäften entschuldigend, dem Anton Hörmann die genaue Erfüllung des erhaltenen Auftrages in Bezug auf die Jungen, die er als gar feine, verständige Leute erkannte, und auf den Praeceptor, der ein hochverständiger Gesell sei, in der uns aus den vorhergehenden Briefen schon bewussten Weise. Am 10./20. Dezember verbindet der Enkel den Gehorsam gegen des Grossvaters Auftrag, von Zeit zu Zeit in lateinischer Sprache zu schreiben, mit der gewohnten Sitte des Neujahrwunsches und berichtet nebst dem wiederholten Ausdrucke vollständiger Zufriedenheit mit Wohnung und Kost, dass das Gespräch während der Tischzeit bereits nur italienisch geführt werde. Gegen Ende des Jahres überschickte der Praeceptor dem Anton Hörmann die lateinisch verfasste genaue Tagesordnung, an welche er zur Winterszeit seine Zöglinge gebunden hatte und die in Uebersetzung lautet: „Frühe zwischen 5 und 6 (italien. 12 und 13) ist aufzustehen, zu waschen, zu kämmen und sodann das Morgengebet zu verrichten; Von 6 bis 7 (13 bis 14) werden die Regeln der Dialektik gelernt; von 7 bis 8 (14 bis 15) Ciceros officia übersetzt und auswendig gesagt; von 8 bis 9 (15 bis 16) wird im italienischen Stile geübt. Von 9 bis zur Zeit des Mittagmahles oder 11 (16 bis 18) nehme ich wieder Ciceros officia vor, fahre in der Dialektik weiter, corrigiere die italienische Aufgabe und gebe eine für den folgenden Tag. Nach der Mahlzeit oder von 12 bis 1 (19 bis 20) ist Vokal­ oder Instrumentalmusik zu üben. Von 1 bis 2 (20 bis 21) folgt der Unterricht in der Rhetorik, von 2 bis 3 (21 bis 22) lateinische Uebersetzung des Isocrates ad Demonicum; von 3 bis 4 (22 bis 23) die deutsche des italienischen Abschnittes. Von 4 bis 6 (23 bis 1) als zur Zeit des Abendessens, trage ich über Rhetorik vor, erkläre den Isokrates und bestimme die auf den nächsten Tag treffenden Lektionen. Nach dem Abendessen ist 1ja Stunde lang wieder Musikübung, hierauf aus Virgils Aeneide auswendig zu lernen und das Gelernte mit anderen lateinischen Worten zu erklären. So­ dann folgen Gebete in lateinischer und deutscher Sprache und endlich begeben wir uns zum Schlafe im Namen des Herrn.“ Vom ersten Monate des nächsten Jahres 1591 liegen zwei Briefe des Anton Christoph an den Grossvater vor, in deren erstem



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(8. Januar) über die aussergewöhnliche, seit 25 Jahren nicht mehr gefühlte Kälte in Pavia geklagt und im zweiten (30. Januar) der Vorwurf über zu hohen Betrag der überschickten Rechnungen mit der Versicherung der Vermeidung alles Ueberflusses und mit dem Hinweise auf die gegenwärtige Theuerung bescheiden zurüekgewiesen wird. Am 12/22. März benützt derselbe die unerwartet gebotene Gelegenheit, dem Moyses Meixner, der ihn in ihrem Losament besuchte, einen Brief an den Eny mitzugeben, zugleich als Ant­ wort auf verschiedene von diesem am 5/15. desselben Monats zu Padua empfangene Nachrichten aus der lieben Heimath, so von dem Fieber, das seine Schwester Feliz gehabt, und von der stattlichen Hochzeit, die in der vergangenen Fassnacht zu Augsburg statt­ gefunden. *) „Was Herrn Georg Fugger von Siena anlangt (bemerkt der Enkel), von welchem du schreibst, dass er seye Rector worden, das ich vor diesem auch vernommen, wie ich aber von andern verstendigt wirdt, so soll er nur Consilarius worden sein. Gott verley ihm lang Leben mit Gesundhait. Sonst ist auf dissmal nichts fürgefallen, das des Schreibens nothwendig. gewest were, dann dass wir allhie auch ein ziemliche fröliche Fas­ nacht gehabt haben und man waidlich in der Mascara gelaufen, der Allmächtige verleyhe jetzund auch ain guete Fasten.“ Nach dieser Zeit muss Anton Christoph an dem Aufenthalte in Padua, wie es aus späterem ersichtlich, im Interesse des italienischen Sprachunterrichtes weniger Wohlgefallen gefunden und desshalb dem Grossvater den Wunsch nach der Uebersiedelung nach Siena geäussert haben, worauf letzterer den Georg Schuester in Florenz brauftragte, bei Bekannten in der von dem Enkel bezeichneten Stadt Erkundigung über die Kosten des Lebens daselbst einzu­ ziehen. Das bezeugt die von Antons eigener Hand gemachte Abschrift eines Briefes des Christianus Trix aus Siena an genannten Schuester vom 22. April, worin jener meldet, „dass gar guete Glegenhait hie hat zu spendieren oder auch zu Tisch zu geen, das spendieren aber kost immerzuemer, meines Erachtens hielt ich darfur, die vier weren in die Kost gangen, darzue ich inen gar guete Gelegenhait wais, und ist der Patron gar ein frumer und treuherziger, ja schier aller *) Hier ist die prächtige Hochzeit gemeint, welche Anton Fugger mit der am 24. Februar mit mehren sechsspännigen Kutschen und mehr als 700 Pferden eingeholten Gräfin Barbara von Montfort hielt und bei der Lustbarkeiten aller Art, Bankette, Ritterspiele zu Pferde und zu Fusse auf dem kostbar geschmückten Weinmarkte, Tänze u. a. bis zum 28. des genannten Monats aufeinander folgten.

176 Teutschen Vater, wurdt aber monatlich 9 Goldcronen zu 90 Q. einer für Speis und Trank, Zimer und Bött bezallen muessen, extraordinaria als Liechter, bisweilen ein Gast, morgens und abents Colation zu machen, sein auch darunder gerechnet.“ Am 7. Juni 1591 berichtet Anton Christoph dem Grossvater auf Befragen aus Padua den ungestörten Fortgang der Studien und erzählt dann weiter: „Von neuem weiss ich dir nichts sonderlichs zu schreiben, dann dass man will sagen, es sterbe dahinein in Toscana, wir zwar hören noch nichts in Padua allhie, Gott sey Lob, er wolle uns weiter behüeten, es ist zwar alle Ding hie theur und ernärt sich das arme Volk elendiglich, trag Sorg, es werde etwann auch einmal (da Gott für sey) zu uns kommen, man kann schier kein Korn und Brot überkommen, isst das Paurs Volk und der arm Mann gar schwarz Brot und dankt Gott darumb, wann sy es nur haben. — Thu dir auch zu wissen, dass der Vötter Felix Kem sambt dem Wolgeboriien Herrn Grafen von Oettingen, welche der Moses Meixner hereingefüert hat, in unser Haus sein eingstanden. Ist fürwar ein feiner Herr, erzaigt mir allen gueten Willen, doch will er nit, dass seinNam soll offenbar werden, hat im Willen gehabt, weiter hinein zu ziehen, so es'aber anfaht sterben, will er widerum in Teutschland, er fürcht, es fahe hie auch an.“ Am 16. August bedankt sich der Enkel' in einem lateinischen Schreiben bei Anton Hörmann für das wegen eines jüngst geschickten italienischen Briefes gespendete Lob und erneuert den Wunsch, um der Fortschritte in dieser Sprache willen, die in Padua verdorben sei, nach Siena oder Pisa gehen zu dürfen, wie es auch andere in dieser sich ausbildende Studenten zu thun pflegen, zumal da es in letztgenannten Orten nicht tlieurer sei. Was den Mord des Freiherrn von Puchaim *) betreffe, so sei der Getödtete der Vater Rudolfs, welcher sich bei ihnen aufgehalten, und habe viele Kinder in tiefster Trauer hinterlassen. Am 26. September 1591 schreibt Christoph dem Grossvater italienisch, dass er sich seinem Willen, den folgenden Winter noch in Padua zu verbleiben, gerne fügen wolle, aber die Bitte um Aenderung des Aufenthaltes gewiss nur im Interesse seiner Sprachfortschritte gestellt habe. *) Nikolaus, Freiherr von Puchaim, Verordnetcr der niederösterreichischen Landschaft, wurde auf seiner Besitzung Rabs an der mährischen Grenze 1591 von einem Edelmann mörderisch erschossen. Er war Vater von 10 Söhnen und 5 Töchtern.

177 Am 10/20. Oktober folgt ein neues, dem Moses Meixner, den sie zu Gast geladen hatten, mitgegebenes Schreiben, welches dem Eny den Wohnungswechsel meldet: „ich thu dir zu wissen, dass wir schon ein anderes Losament bei einem welschen Patron be­ standen haben, von welches Kämmern, Glegenheit und des Orts dich schon der Moses verstendigen wird, die Gassen heisst al pozzo depinto. Ist ein ziemlich fein Haus, auch feine Kämmer, geben aber monatlich aus disen zwayen Kämmern 30 S. und spen­ dieren selber. Von neuem waiss ich dir nichts sonderlichs zu schreiben, als dass dise Tag die Venediger Musterung von Verona, Vicenz und aus disen Stätten, so unter der Venediger Gebiet ge­ hörig, allhie gewesen, ist ziemlich fein zu sehen, es ist aber kaum der halb Thail allhie gewesen, wie ich aber höre, so werde zu Verona auch Musterung gehalten werden. — Der Moses Meixner fiiert auf diese Rais Proviant auf des Wolgebornen Herrn Graven des Regierenden Herren von Oettingen Hochzeit mit ihm hinaus von Geflügel, Wein und anderem gar stattlich, so zeuche auch der Doctor Pozhaim, so bey uns gestanden in unsers vorigen Patrona Haus, mit ihm nach Augsburg. Der Wolgeboren Herr Graf Philipp von Oettingen, so auch bei uns gestanden, will'nit hinaus auf seines Herren Brüdern Hochzeit, dann er willens, die Wochen in Toscana zu verreisen.“ In einem lateinischen Brief vom 40

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Und da es ye die Maynung sollt haben, des ich mich doch nicht verseilen wüll, so pitt ich E. H. ganz dienstlich sich meinthalb Berychts erholen, dann da es umb meiner Perschon wüflen zu thon dem Vaterland zu helfen, soll bey mir kayn Mangel erscheinen, mich dessen, da mir doch Besehwerlichers nicht zusten möcht, zu begeben. Ist gleichwol an meiner Perschon nicht fül gelegen, da aber meinethalb widerwertigs entsten sollt, wüsst' ich nichts, das mich höher beschwerte, wüll also E. H. diese Sach meinem Sündern Vertrauen nach zu bedenkhen und gepeten berolhen haben, dero Antwurt und was ich mich hierin halten soll, pin ich wartend. E. H. sollen wüssen und nicht wenen, Sy haben der Sachen so gute Achtung zu geben, als ich. Wie ich pis hieher geschrieben, habe ich Eur. Ht. Schreyben von 9 dato empfangen, darauf folgt kurz Antwurt, dann El Ht. ways ich wol one das mit disem Thon gross beladen. Ich hett mich nach dem Fuessfall füler Gnaden versehen, dero layder wenig folgen. Gott wölls denen* die solichs befördern, verzeyhen. Der fremden Knecht halb, da es ye nit anderst seyn kann, muss mans Gott bevelhen, meine Herrn und gemeine Stat haben sich in der kay. Mt. Gnad ergeben, hoffen und wollen auch, ob Gott wüll, , darin er­ sterben, aber etlich Sachen, so teglich fürfallen, hett ich mich nit ver­ sehen — — etc.

Zettel zu dem vorigen Brief. Edler gross günstiger Herr. Sollten die Sachen, wie hie neben ge-' meldet, geschaffen sein, so helf Gott dieser Stat und E. Ht., auch meiner Person, hab mich warlich anfangs diser Verhandlung, wie E. Ht. wüssen, höchlich besorgt. Berut mains Erachtens darauf, da E. Ht. diese Be­ schwerden kiihden ablegen, zweiflet mir nicht, es werd beschehen, wo nit, So wölln doch E. Ht., wie die Sach zu thon sei, Meldung thon. Dann da die Pratik so gros, dass etlich in diese Sachen ye wöllten begryest oder gepraucht werden, so wollen, pitt ich, E. Ht. abermalen Bericht thon, was sich zu halten. Herr, ich kann nicht mer schreyben, wüll Eur. Ht. die Sach, auch meine Perschon bevolhen haben, dann sollt die Sach also, wie uns Warnung kummen, des Folks halben fürgen, so ways ich nit anders, dann Leyb, lieben und all mein Wolfart darob zu verlieren,’ das ich ways, Eur. Ht. meinethalb leid were. Hoch vertraulich zu melden wirt ausgossen, E. Ht. suchen Weg die Zünften hie abzuthon, das ich ways, erstunken und erlogen, ich betryeb E. Ht. nit gern, kanns doch derselben aus herzlichem Vei^rauen nicht

pergen. Ich kann nit mer schreyben, thu Eur. Ht. diese Sachen, auch gemaine Stat sampt unsern Personen in Gott bevelhen. actum 11. Febr. 1847. Hoff gute und förderliche Antwurt zu ver­ nemen. actum in Eyl zu 9 Uren Nachts. E. Ht. Wülliger Jacob Herbrot.

XX. Jacob Herbrot an Anton Fugger. 1547, 15. Februar. Bittere Klage über die Barte Behandlung der Stadt dufch den Kaiser. Edler gros günstiger Herr. Auf E. Ht. jüngst Schreiben meinen Herrn gethan werden sy hiermit Antwurt haben. Die Sachen verlengern sich wol, aber sy pessem sich nicht, möcht leiden, Eur. Ht. beschlossen, kernen her, damit nicht teglich noch mer Beschwerden folgen, Kays. Mt. will auf ainmal gar von dieser Stat gedient sein, (folgen Geldgeschäfte.) Ich kann nicht mer schreiben, dann ich ain gros Augeiiweh hab, kann aber Eur. Ht. vertreulich nit pergen, dass ich mich dero Handlung zum höchsten beschwer, da ich mich nit andrer Gnade vertröst und also in meiner Amptverwaltung gemaine Stat zu ewigem Verderben und Schmach soll geraten. Ich wurde auch, so fül mein Person belangt, an der gleichwol nicht fül gelegen, ains andern bedacht haben , alsdann aym E. Bath ausser meiner Person die Sachen also zu handeln gleichwol vergunnt haben, aber mein Gemyet stet mer nach erlichem Sterben, als zu schändlichem Leben. Ich trag mit Eur. Ht. getreues Mitleyden, ways, dass sy all Sache aufrecht, wol und erbar maynen, das glaub ich aber, dass Sy dero so wol als ich zum Höchsten beschwerdt sündt, das alles man aber, die weil es ye diessinal nicht anderst kann seyn, Gott bevelhen muss. Herr,1 mein Herz im Leyb plut mir, dass ichs so treulich maynen und dermassen ge­ raten soll, dann der Anfang zu dieser Stat Verderben schon im Werk, der Best wirt teglich folgen. Die TJrsach wüsst ich Eur. Ht. nach lengs zu berichten, Gott sey es klagt, etc. etc. actum eylent den 15. Febr. 1547. E. Ht. dienstwülliger Jacob Herbrot.

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XXI. Anton Fugger an Jae. Herbrot. 1547, 18. Februar. Y orwurf, dass derRat die Sache durch seine Hartnäckigkeit selbst verschlimmere. Ernvester etc. E. W. Schreiben des dat. 15 diss hab ich müntlich wellen verantwurten. So haben nunmer E. W. vernommen, dass sich derselb Rais hieher gewent hab, denn Herr Yicekanzler ist fast khrankh, dass alle teutsche Sachen feiern. Wie E. W. schreiben, dem ist wol also, dass sich lensere Sachen verlengern, aber nit pessern. Daran ist aber niemandt als ein Rath selber schuldig, die handlen Irem Prauch nach; aber wir sein jezo in Kriegssachen, hat viel ain andere Gestalt als uf einem Reichstag, und diese, dass der Herr also haben will. Und E. W. zweifeln nit, je lenger Ir handlen, je mehr Beschwerden kommen. Ich sorg, dise Schlissel (der Rath Sollte die Thorschlüssel nicht an den kaiser­ lichen Commandanten ausliefern) werden erst ein neues Unglückh machen, das machen Ir euch selbs, genug davon. Das E. W. übel trost und diese Sach so hoch beschweren, dem ist nit wenig, send Sachen die nahend gandt. Aber dem wirfc noch guter Rath gefunden, lasst sich nit alles schreiben, ist am pesten müntlich zu reden, mag zu unserm Zusammenkommen beschehen. Den Brief gen Antorf hab ich gesant etc. etc. dat. Ulm 18. Febr, 12 Ur Mittags 1547. A. Fugger.

XXII. Anton Fugger an die zwei Bürgermeister. 1547, 19 Febr. Geschenke für die Mittelspersonen am Hof, speciell für den Herzog v. Alba. Emvest etc. Wie die Sachen stand mit Kay. Mt. Khriegs und Zugs halb, referier ich mich auf Herrn Dr. Claudi Schreiben, so er E. E. W. mit disem thuet. Und ist diss mein Schreiben allain von wegen der propina halb, hab ich pis anher nit davon geschrieben • der Mainung, dass ichs müntlich pey E. E. Wt. hab wellen verrichten, weil dann solche mein Rais wider hieher gangen, solln E. E. Wt. vertraulich wissen als das, so das nötigst, dem Obristen (soll heissen Herzog v. Alba) hab ich durch' Mittelpersonen zuegesagt 3000 Kronen zu verehren (dann an disem Mann, was Kriegssachen send, sonderlich mit Einlegung desselben am meisten ge­ legen). Aber mit ime selbs hab ichs nit dürfen reden, und ist die Mei-

295 nung, dass solchs in ain gülden Trinkgeschirr soll gewent sein. Wann er selhs hin gen Augspurg wer geritten, sollte dise Verehrung allda am pessten sein geschehen, weil es aber nun nit geschieht, dass er nit hinkhompt, so muss diese Verehrung hie geschehen; hierauf diser Zusage gnug zu thuen, so geliehen E. E. W. ain gülden Geschirr lassen machen, das an Gold und Guete reichlich 3000 Kr. weg und das nit viel Khrumbs und Triebens sei, weils die Zeit nit erleid und das Macherlohn also am wenigist cost, als sein khann; ist am pessten ain zwifacti Khopf auf ainander ganz glatt und nichts khrumps daran, den schickh E. P. Wt. mier, dass ich deii von jezo in 5 Tagen hie hab, ain gedreht Fueter lassen darzue machen, weil ichs zuegesagt, ist pillich, das gehalten werd; diser hat sich fürwahr in allen Sachen ganz glimpflich und wol gehalten und kanns hinfüran auch noch verdienen, wo es nit verdient wer. Dem dann, so mir diss mit seinem Herrn hat gehandlet, dem hab ich ain goldene Kethin zuegesagt um 100 G., khann ich mit Gelt allhie verrichten, dem im Lager hab ich ain Zusag thon, das hat wol Zeit auf mein Hinüberkhommen; dem der jezo khrankh (Navos) hab ichs schon verricht, davon ich auch müntlich Relation thon will. Send Sachen, die send nit gut zu vertrauen, und wann ichs hett khönnen lenger aussziehen, hett ichs auch thon, aber aus dringender Not, dieweil Ir. Mt. also pald verruckhen, muss ichs anzaigen, E. P. Wt. wellen in der Sache nit säumig sein, damit ichs in bemelter Zeit hab, thue mich hiemit etc. Der Jacob Sauerzapff hat Bevelh, wo E. Wt. 3 in 4000 Kr. pegem, soll ers E. E. Wt. zaln. Datum Ulm 19 Februar Abents um 5 Uren 1547. A. Fugger. Dieser Herzog ist mir am meisten verholfen gewesen Erlassung der 50,000 und dann von den 18 auf 12 Stückh Püxen.

XXIII. Jacob Herbrot an Anton Fugger. 1547, 20. Febr. Antwort wegen

des Trinkgeschirres für den H. v. Alba. Aenderungsvorschläge. Eur. Ht. Schreiben vom 19. dito, Sy dem Herrn Burgermaister Welser und mir gethan, haben wir empfangen, darauf folgt Antwurt, so fül ich Augen und Zeyt hab. Was E. Ht. dem Duca zu verern vertröst, das sind meine Herren zufrieden, werden demselben pülich nachkummen, befind wol, dass der Mann den Lascht mit dem Kriegsfolk gemainer Stat wol und pald kann abhelfen, indem E. Ht. zu Beförderung desselben nichts werden erwinden lassen. Dass aber E. Ht. begern, ain gülden Drinkgeschirr von 3000 Kronen schwer zu machen, verordnen, dass es in ain 5 Tagen fertig sey, das ist weder menschlich noch möglich in solcher Zeyt zu vertigen für uns, zum

296 andern, so kündt ick nickt gedenken, da ain solicke Sckwere an ain Drinkgesckirr gelegt und snnderlick, da es mit Wein gefüllt, wie mans erkeken kkündt, derkalken ick meinen Herrn geratken, dass man 2 oder drei Gesckirr macken soll, von solckem Werdt nemklick zway, jedes 1500 ^ sckwer, oder 3, jedes von 1000 y sckwer, dock ackt ick, zway Stück möcktens tknn. Ick kak vergangenen Reyckstag zu Speier Drinkgsckirr von reynisckem Gold zu 1000 fl. sckwer gekapt, die in der Warkeit sckeinlick und sckön gewest, nemlick doklet, glauk, sy würden Eur. Ht., wenn Sy die geseken ketten gevallen. Summa, die Gesckirr sollen gemackt werden, aker in ainer solcken Eyl ist es nit möglick, zu dem so würd wenig Dank damit erlangt, wann sy nickt ain Manier und rain weren. Ackt, da E. Ht. solicks Vertrösten zu lieken, Sy werden wol so fül und etwas mpr Glauken kei dem Herrn kaken; so soll kain Fleys, damit die eylent key Tag und Hackt gemackt, darin gespart werden; da dann E. Ht. für gut anseken, des Herrn Wappen aufs sckönste darein gesckmelzt würd, so wöllen E. Ht. solick Wappen kerein senden, wüll ick ordnen, dass es kesckeck, pin auf das alles für­ derlickst Antwurt wartend, dann ick kak ermelte 2 Drinkgesckirr sckon ins Werk geken, auf dass sy pald gemackt werden. E. Ht. wöllen mit diesem meinem pösen Sckreiken zu gut lieinen, pin nock Gesuntkayt kalk meins Kopfs nickt wol auf und wakrlick, Herr, mit anderm Tkon mekr als mir liek ist, keladen. Der Herr pessers. etc. etc. E. Ht. wülliger Jacok Herkrot.

XXIY. Anton FuggeT an Jacok Herkrot. 1547, 21. Fekr. Erläuterung, welcke Bewandtniss es mit dem Trinkgesckirr für den Herzog von Alka kake. Ernvest fürsicktig etc. E. W. Sckreiken vom 20 zu Akent ist mir disen Morgen jezo worden. Vernimm daraus die Sorgfältigkait so E. W. tragen, die mag auck wol zu gross sein, denn ainmal wills der Herr also kaken, dem muess man vertrauen und, E. W. sollen nit also sorgfeltig sein. Es wird nun mer alles guet. (Folgen Ratschläge, ketreffend die Unterkandlung am Hof König Fer­ dinands wegen Herausgake der arrestirten Güter und Öffnung der Strassen.) Der Scklüssel kalk, dass E. W. erst Rat darüker wellen kaken, ist mir selzam. Wann Ir sckon kesckliessen, dass Irs nit wellen tkun, so

297 miest Irs dannnocht oder noch ein ärgers thön, denn E. E. W. haben uss vorigem meinem vernommen, dass man jezo im Krieg ist und diser Fall sich vor nie hat begeben. Der Obrist representiert Ir. Mt. Person. Der propina halb ist nit wol jezo von zu melden, wills uff mein Ge­ genwart sparen. Allain angeend das Trinkgeschirr für den Duca, werden E. W. main Schreiben nit recht haben verstanden, dass die erst mer als ein Trinkgeschirr lassen machen und dass die hupsch sollen* oder auch das Wappen darauf sein. Das hat aber die Mainung gar nit. Ich derfft auch, wenns mer als ein Stuckh were, damit nit fürkommen, sollt sunst verstanden werden, also sollt man mir das ain herwider schenken. Nun E. W. haben us demselben mainem Schreiben verstanden, dass man’s Gelt an disem Ort nit annimpt, also muss es ein Trinkgeschirr sein, das 3 tau­ send cronen an Gold reichlich sei. Das lassen machen ein zwifach Ge­ schirr uffs allerschlechtest nichts Krumbs darein, kanns ein Goldschmied nit machen, so lassts ein Kupferschmid schlagen. Und das ander, so was gemacht wär, das lasst nur auf ein Hauffen schlagen, dies darf nit schön sein (man zerpricht es bald wider) und E. W. schicken mirs nachmal so bald es möglich, denn je beider ichs hab, je pesser. E. W. wellen mirs verzeihen, wo dis wider dero Meinung ist, so beschicht es derohalben dem Prauch nach. Und ist kain Neues; zuvor an diesem Hof mermalen beschehen. Ich schick desshalb diesen Metzger, E. W. wellens befürdern. Man wirt nit vil daraus trinken oder an Tag kommen lassen, aber das bald an Kopf schlagen, u. s. w. dat. Ulm 21 Pebr. umb 6 Uren Morgens.

XXY. Supplik von Bürgermeister und Rat ah den Kaiser um Ab­ stellung der von dem spanischen Kriegsvolk verübten Plünderungen. 1547, März. Allerdurchleuchtigster grossmechtigster, unüberwindlichster Kayser, Allergnädigster Herre. Ettliche unserer Burger und Pfründer, arme Lewt und underthänen, Nämlich die Dorffgemeinden zu Ottmarsshausen, Hainhofen und Deferdingen thun sich cläglich und schmertzlich beclagen, wie das Hispanisch Kriegsvolkh in grosser Anzal nun 14 tage ob Ine lige, sie Ir weib und kyndt uss Iren Betten und mit Eren zu melden Ir ross und vich uss Iren Ställen treiben und nit ersettigt seien, sich und Ire ross an Ir statt zulegen und zu stellen, sonder sie nemen Ine auch die Stedel ein, verderben Ine Ir Hew und traide, allso dass sie nit dreschen, sehen noch Ir vieh underhalden noch viel weniger Ire güldten raichen können. Item sie stechen den arm Leuten Ir vieh mit gewaldt darnider, ettlich zaln Ine kaum halb geldt, ettlich geben gar nichts dafür. Item wann Ine gleich uss der Stat oder andersswo proviant zugefürt wurdt, so ist doch Ir maynung nit, dieselb umb ain

298 gleichs zu bezaln, sonder sie tarirens Ires gefallens, darumb es nit erzeugt worden und mussallso wider dannen gefuert werden, darbei gut zu erachten, was Ir fümemen sei. Item die wollen auch den armen Leuten nit gestatten, Ir Armut dannen zu höhnen, wellichs Inen schwer gedanken macht, zu dem dass sie zum teil gefangen, gepunden, geschlagen und gantz hart Ires anzaigens tractirt. So sind sie hievor zum teil geplündert worden, Herr Bern­ hart von Schaumbergs Regiment ob Inen anfenklich auch gelegen, und gar verarmbt und dermassen betrengt und belestigt, dass ine nichts anders bevorstee, dann wo Ine nit unverlengte gnade bewisen und rate geschafft werde, dass sie mit Weib und Kynder von Hauss und Hofe in das pitter eilend zu ziehen gedrungen werden. (Bitte um Abhilfe.)

XXYL Jacob Herbrot an Anton Fugger. 1547, 3. März. Klage über die durch Dr. Peutinger dem Rat vor gehaltenen Beschwerden wegen aufrührerischer Haltung der Bürger­ schaft. Bezahltingsmodus der Strafsumme. Edler in sunder günstiger Herr. Eur Ht. Gesunthait sampt derselben Herkunft verlangt mich zu vernemen und kann hiemit Eur Ht. vertraulich nicht pergen, es hat Dr. Claudi die Tag meinen Herrn ain Schreiben 8 Plätter lang übersandt, in wölchem fast durchaus anders nit ist, dann dass sich gemaine Bürgerschaft allhie freventlich und übel halten solle, dass auch der Herr Oberst sich ob solchem hoch thue beklagen und darauf meinen Herrn Mass und Ordnung geben, was man sich dargegen halten soll; möcht wol leyden, zu was Gevallen solichs meinen Herrn gereycht, Eur Ht. wüssens ausser mains Anzaygen. Und kann hierauf Eur Ht. aus gutem Vertrauen, wie die Sachen im Grundt auch pis auf dise Stund allhie beschaffen, nicht pergen, und ist nit on, dass im Anfang dieser Sache der gemayn Mann sich diser Enderung beschwert, zu dem, dass ich sorg, durch etlich Leut solichs nicht wenig beym gemaynen Mann eyngetragen, dieser Aussonung seye nicht zu ver­ trauen, uns werde nichts gehalten, und da in so wichtigen Sachen und son­ derlich auf ungleichen Bericht sich der Unverstand schon etwas zu Ungedult bewegen lassen, ways ich nit, ob mans als gar verdenkhen kann, da in solchem schon etwan Reden fürgon, die aus gutem Eyfer beschehen. So pald aber gemayne Bürgerschaft der Handlung, wie die bey der kays. Mt. erlangt, berichtet worden, da ist man fast wol damit zufriden, sag auch bey meinen Eren, dass ich anders nicht befind als Gehorsam und Stylle. Möcht leyden, dass der Doctor seyns Berychts nit so mylt wer, nicht yedem Geschwäz Glauben gab, es sey dann, dass sunst der gemain

299 Mann allhie gering in seynen Augen sey, das myest man seinethalb Gott bevelhen. Was dann den Herrn Obersten belangt, der sich ob dem Wesen allhie, auch oh meiner Herrn Thon beklagen soll, gib ich Eur Ht. freuntlich zu vernemen, dass meine Herrn, die Burgermaister und ich den gedachten Herrn zum oftermalen freuntlich angeredt, da er aynichen Mangel hab oder sich was ob gemayner Bürgerschaft zu beklagen, so soll er solichs meinen Herrn anzaygen, so wöllen wir stattlichs Eynsehen thon. Darauf sich ermelter Herr Oberster meiner Herrn Freuntschaft und dass Ime in der ganzen Stat alle Er und Guts bewysen und erzaygt, ser bedankt mit dem vernern Anzaygen, dass er solchen geneygten Wüllen sich gegen etlichen zu Ulm dessen beruemt. Und damit Eur Ht. der Sachen noch mer Grundt, wie vergangen Tag der khay Mt. Comissarii in aim erbarn Eath die Pflicht genommen, bey welchen der Herr Oberst gesessen, da hat er aus aygner Bewegnus in aym Rath geredt, wie Im alle Freuntschaft und guter Wüllen allhie erzaygt worden, sich nichts zu beklagen, sunder sich zu bedankhen hab. Weyter, als wir, nemlich die Herrn Burgermaister, mit den Herrn Commissarii in Eur Ht. Behausung Malzeyt gehalten, da hat sich Graf Friedrich mehrmalen vernemen lassen, dass sich der Herr Oberst, so darbey gesessen, gegen Im nicht genug beryemen kinden, was guter Wüllen Im allhie durchaus gelayst werd. Ueber das alles und dass meine Herren dem Doctor Peutinger solichs mermalen gemelt, so gibt er doch solchem kein Glauben, sunder gibt meinen Herrn teglich Mass und Ordnung, wie man sich mit der Straf und in ander Weg gegen dem gemainen Mann halten solle, acht, er halt meine Herrn für Künder, so doch Gott Lob meine Herrn in den und andern Sachen handlen fülleicht so fül, ja mer, weder er meinen Herrn fürmalen kann. Und dieweyl er, Doctor Peutinger, über das alles so heftig melt, wie sich der Oberst über meine Herrn und gemayne Stat beklagen soll, hab ich zu Erkundigung der Warhayt nicht underlassen sollen und seyen heut dato der Herr Burgermaister Welser und ich zu dem Herrn Obristen gangen, uns dessen erkundigt, was Mangel und Fel er hab und ob er sich gegen meine Herrn was beklag, soll Im günstigs Eynsehen verordnet werden. Darauf er dem Herrn Burgermaister und mir abermalen gemelt, er hab uns oftmalen anzaygt, dass er sich meiner Herrn Thon belob, dem sey also, der anders von Im red, den wöllt er gern sehen, mit Anzaygen, solchem kain Glauben zu geben. Das alles zeyg ich Eur Ht. allein und darumb an, damit Sy sehen, wohin sich Dr. Peutinger bereden last, und da sich Eur Ht. sollten zu Klainmuetigkait bewegen lassen, wie er ist, wer mirs nicht lyeb, mich versehen, eur Ht. werden diesem meinem Anzaygen, wölchs mit Grund be­ schicht, so fül als andern Glauben geben, von dem ich zu Eur Ht. An­ kunft, wüll Gott, weyter reden wüll. Was dann E. Ht. von deT ganzen Bezalung der 150,000 fl. zu thon melden, haben meine Herrn und ich vernommen, wöllen sich versehen, Eur Ht. haben die Vertragsverschreybung zu Händen gepracht, sunst wer es beschwerlich, wie aber solche Bezalung folgen soll, folgt hernach.

300 Erstlich sollen meine Herrn alspald allliie erlegen Mer wüll ich in Nürnberg durch meinen Verwalter Dominicus Hermann allda erlegen von meiner Herrn wegen Den Best nemlich fl. 60,000 werden sich meine Herrn bei Eur Ht. zu haben versehen, zu dem Sy allliie und in Nürnberg Provision werden zu verordnen wüssen, dut

fl.

70,000

fl.

20,000

fl.

60,000

Summa fl. 150,000. Wirdt der Sauerzapf ain fl. 70,000 oder mer von mir zu haben be­ dürfen, wüll ich Ims, wie E. Ht. mir oft gethan, gern fürstreckhen. Was sich dann gegen der Bezalung mit Quittungen soll gehalten werden, dem wirt, wie E. Ht. melden, in allem nachkummen. Was dann das Drinkgeschirr belangt, da ist kain Fleys solichs zu befürdern gespart worden, es hat aber pis anher, demnach das Goldt ungeschmeydig im Feur worden, nicht künden noch mugen fertig werden, derhalben Eur Ht. darauf nicht warten dürfen; ist meinen Herrn und mir nit lyeb. Sehe mich auf Eur Ht. Verpessern für gut an, dass Sy nichts desto mynder dem Herzogen solichs presentierten mit Anzaygen, dass sollichs Drinkgeschirr in wenig Tagen durch den Kurzen soll gelyefert werden; mich versehe, es soll Eur Ht. ain Weg wie den andern zu genedigem Ab­ schied gelangen. Und da Eur Ht. den zu Abstellung der Knecht, auch Herr Sebastians Versönung erlangten, so wöllt ich für mein Perschon der ganzen Hand­ lung zufryden seyn. Das alles ich Eur Ht. in Eyl aus Vertrauen nit pergen sollen, und thu mich zu Eur Ht. Diensten etc. etc. actum Augspurg d. 2 Marzo Nachts zu 9 Um im 1547 Jar. E. Ht. dienstwülliger Jacob

Herbrot.

XXVII, Jacob Herbrot an Anton Fugger. 1547, 17. Mai. Herb rot wünscht, FuggermöchtenachAugsburgübersiedeln, erneuert seine Mahnung, auf Abberufung der kaiserlichen Besatzung zu dringen, spricht die Befürchtung aus, das Kriegsvolk möchte zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung geh raucht wer den. Geschenke für Gr anvellaund Alba. Nach­ richten aus Sachsen. Insunder günstiger Her, eur Ht. Herkunft verlangt mich aus merlay Ursachen, Got wayssts, zum höchsten und ist mir nicht lieb, dass sich eur Ht. dermassen zu Irem thon zu Schwaz eingericht, doch sten Sy ains, als des guten Lufts den Sy hie möchte haben, sampt guter. Geselschaft in Mangel; mich versehen, demnach es Got Lob ganz still und ruebig hie ist,

Sy werden Sich zu uns hieher verfuegen, wie dann E. Ht. mains Erachtens in Irem Vaterland am pülichsten sein sollen. Was dann das fremd Folk so hie liegt, belangt, ways ich mich wol zu erinnern, was E. Ht. zu Abstellung desselben gethan, das meine Hern pülich danckpar erkennen sollen, und demnach die kay. Mjt. dise Stat zu gnaden angenommen, auch eur Ht. alerlay Vertröstung, dass solichs mit geringer Anzal auf wenig tag alain umb ßeputacion zu erhalten förgenomen, beschehen ist und wahrlich khay. M. an meinen Hern und gemayner Stat kain Zweyffel noch Abfal bevaren dürffen darfür, (da ich genugsam darzu wer) ich mein Leib und Vermugen verpfenden wollt, so möcht ich wol leiden, dass ir May.N gemainer Stat so gnädig weren, uns diess Lasts entlüeden. Ich trag aber warlich, günstiger Her, Sorg, es seien Leut denen es gleichwol nit gepürt, die das Widerspil gemayner Stat zu Nachteil befördern,* füleycht ain Eeichstag hieher zu pringen und dardurch etlichermass Iren wülen zu erlangen und Enderung anzurichten, dero sich füleycht nicht jederman bedankhen würd, derhalben meins besorgens, das Kriegsfolk pis zum selben Werk allhie bleiben sollt. So wül ich mich zu eur Ht. versehen, auch dieselb ganz dienstlich von gemainer Stat wegen gepeten haben, Sy wöllen an den Orten, wie Sy wüssen, anhalten lassen, damit wir des Folks, wie dan Eur Ht. derhalben fül vertröst, abkftmen, das wirt eur Ht. zu ser grossen Gunst und willen bey aym erbarn Rath und ganzer Bürgerschaft raychen, dem Sy zu thon werden wüssen. Was die Present, dem Hem Granwela zu thon, belangt, wer gut, 4*

dieselb beschechen, der Ring von dem eur Ht. wüssen, ist bey 1000 werdt, wo der eur Ht. beschehenen Zusagen genugsam, des wöln eur Ht. meine Hern oder mich berichten, so kann damit furgefaren oder zu aim andern gedracht werden. Gleichfalls wer gut, dass die 4 Stuckh Puchsen so eur Ht. dem Hern duca de alba vertröst, fertig würden, darvon wirdt der Her Dr. Peutinger eur Ht. bericht thon, auch der Wappen halb, dass Sr. f. Gn. Wapen oben an der Puchsen und meiner Hern hindten am Kopf sein soll; ich wil auch bevelch thon, dass die Gefess sollen gemacht werden, so wöllen eur Ht. Meister Gregori anhalten lassen, die förderlich zu gyessen und hieher zu schicken. E. H. dienstwülliger Jacob Herbrot. Zedul. Edler insunder günstiger Herr. Wie ich dise beschlossen, ist meinen Herrn Schreyben von unsem Gesandten vom 11. diss aus dem Lager vor Witemberg zu kommen, in dem sy melden, dass ain Vertrag zwischen khay. Mt. und dem Curfürsten gemacht sei; worauf die condicion beruen, ist noch nit öffenbar, zu Gott verhoffend, es soll sich zum Weg des Frie­ dens in deutscher Nacion richten. Mit der kön. Mt. stet man noch unverglichen, aber doch in stattlicher Handlung, zu besorgen, es werde meinen Herrn beschwerlichs auferlegt,

802 sollte gemainer Stat nicht zu ungutem raychen, da E. Ht. bey solcher Handlung were. Wann dann, wie mir nicht zweifelt, diser Tag mit Ir. Mt. verglichen die Handlung mit Sachsen auch ir Entschaft erraycht, die Kays. Mt. dise Stat zu Gnaden aufgenopimen, was wollt dann Ir Mt. unser lyebe Bürger­ schaft mit dem fremden Volk hie lenger beschweren, mich versehen, Eur Ht. werden auf Ir verner Anhalten genedigeti Beschaid erlangen. -actum ut in litteris. 17. Mai.

XXVIII. Anton Fugger an Jacob Herbrot. 1547, 28. Mai. Vertröstung bezüglich der an dasBleiben der kayserlichen Besatzung geknüpften Befürchtungen. Geschenke für Alba und Granvella. Nachichten aus Sachsen. Meins hinein khommens halb gen Augspurg waiss ich zwar diser Zeit nichts Notmendigs alda usszerichten, derhalb ich auch dessen minder Eyl hab, und wo ich kann E. E. W. mit meinem clain Vermugen dienen, das kann ich allhie auch und wil das willig gern thun, lass sonst bei vorigem meinem Schreiben bleiben. Dass E. E. W. besorgen des Kriegsfolkh halber, was daruff stand und dass etlich mechten practicieren ain Reichstag gen Augspurg zelegen und Enderung im Regiment zu machen, das kann ich gleichwol in meinem Verstand nit zusammen bringen, dann die von Ulm, so doch die lieben Khind sollen sein', haben gleich dise Lasst und bedarf Ir May. dieses Folkhs gar nit zu ainem solchen fürnemen; Nun diese grosse Herrn lassen' sich nit eylen noch notten, anderst dann was mit guetem Willen beschicht, dann wann Ir. Mjt. schon ain solichs wolte fürnehmen, so haben E. E. W. als die Hochverstendigen selbs wol zu ermessen, dass khay. May. ain solchs Kriegsfolk nit darzue bedarff, wo die ain solichs wolte fürnehmen, kann es dannoch endern. Was ich dan, weil E. E. W. bericht, hierin nochmalen soll händlen, dass Ir. May. zufriden sei, das Kriegsfolkh wider us der Stat zenemen, müge .E. E. W. mir lassen copias stellen, weil doch die Ge­ sandten bei diser Handlung zu Ulm auch gewesen und ich alles nach Irem Haissen und Baten gehandelt, so will ichs fertigen oder was ain Bath sonst hierinnen will gehandlet haben, bin ich erbietig, sovil an mier ist, dasselbig gern zu thun. Des Present halb des^Herm von Granvella Hausfrau zu thon, vernimm ich des Bings halb, hat meinethalb nit Mangel. E. E. W. haben mich wol vernommen. Ist auch den Herrn heimgesetzt, es muess nit sein, wie ichs acht, gleichwol mecht ich meins teils leiden, dass sollichs beschehe, dann ichs hab zuegesagt, bin auch nochmals erpietig, wo es beschwerlich will sein, dass mir nit zuwider, sollichs nochmalen von dem meinen zethun,



303,



dann dem Sprichwort nach ist 2mal gehen, wahn man bald gibt, und dass mer wirt zu erhalten sein. Mit dem duca de Alba ist fast auch also; E. E. W. melden, ich soll den Maister Gregori anhalten, dass er die 4 pix bald giess, nun ist mier von Herrn Dr. Peutinger noch von andern diese Sach geschrieben, also dass ich nit kann anhalten. Mit dem Vertrag mit Sachsen hab ich nit früher Brieff aus dem La­ ger vor Witemberg als vom 15. diess; wiert der Vertrag, wo ainer gemacht, noch gar haimblich gehalten, vermainen etliche, man wart uff den Herzog von Clef, der soll mit Ime den Landtgraven bringen, oder doch dass man Ime die Ehr, den Frieden zu machen well gönnen; wie das, so kann «es sich nit lang verziehen, hoff der Friede soll durchaus gon, das gebe Gott, will hiermit abbrechen, mich E. E. W. hiemit ganz dienstlich bevelhent. dat. Swatz d. 28. Mai 1547. A. Fugger.

XXIX. Anton Fugger an die zwei(,Bürgermeister. 1547, 7. Juni. Guss der vier zum Geschenk für Alba bestimmten Geschütze. Ernvest fürsichtig u. s. w. Dero Schreiben des datum 29 May hab ich empfangen und alles Inhalts vernommen^ Erstlich betreffent der Eöm. Kön. Mt. Schreiben an die Regierung zu Innsprugg, belangent Maister Gregori Löffler zu Giessung der Puchsen für den Herrn duca de Alba hinaus gen Augspurg zu verordnen, hab ich mit demselben ainen meiner Diener gen Innsprugg gesant und die Sach neben meinem Schreiben zu sollicitieren Bevelch geben. Darauf ist gedachter Maister Gregori für die Regieruug erfordert und der hochgedachten Kön. Mt. Schreiben neben vererm Anhalten sich der Sach E. E. F. W. Begern nach zu underfahen, angezaigt und begert worden. Darauf er sein Beschwerung auch fürge­ bracht, über dasselbig ist meinem Diener zu Antwurt gegeben worden von den Herrn der Regierung, dass sy mit ime auf Khön. Mt. Bevelch gehandelt, auch für sich selbs angehalten, damit er E. E. F. W. begern stat thun soll. Er Löffler aber hab dagegen sovil beschwerlich Ursachen und dass solchs grosslich zu seim Nachtheil sein würde, fürgewendt und angezaigt, dass sie Ine weiter nit dringen mugen. Nach disem ist Maister Gregori selbs zu mir hieher khommen, hat mich solchs als obsteet, auch bericht und dabei erinnert, dass er Herrn Dr. Claudio P. Peitinger und mir zu Innsprugg hiezuvor muntlichen angezaigt, auch hivon geschrieben hab, dass er vor ainer so wenigen Arbait, so sich nit über 100 fl. verlauffen werde, mit grossem seinem Nachteil sich nit khond hinausbegeben, welle aber gern dieselbigen Stück, inmassen Ime ain Visir und Form zue-

— ao4 — gestellt werde, ■ hierinnen giessen und yolgent auf sein aigne Costen hinaus schickhen, auch auf die Prob draussen wie sich gebuert beschiessen und in dem Preiss antwurten, wie Ime E. E. W. hiezuvox zalt haben. Doch dass dieselben Ime das Metall darzue herein schickhen oder (was er dann für retlich acht, den Costen des Fuerlons zu ersparen) mit demselbigen herinnen fürseh. Dann es wurde mit grossem seinem Nachtail sein, sich von so geringer Arbait wegen, als E. E. P. W. begern, hinauszubegeben. Er muesste nit allain ain neue Werkstatt auffrichten, sondern auch Ge­ sellen und alles andre dazu gehörig mit sich hinausbringen; hinnen aber sei er gerichtt und wolls alles Yleisses verrichten und dermassen, dass er sich versehe, bei E. F. E. W. ain Dank zu erlangen, befinde Ine auch solcher Gestalt, dass er E. E. W. zu dienen ganz willich ist, und boschliesslich verhoff er, E. E. W. werden mit solchem seinem Erbieten günstig zufriden sein. Er meldet auch, dass er sich, weil Ine Herr Antoni Rudolff bei 4 Wochen geschrieben, E. F. E. W. mit dem, dass er bewilligt, solche Puxen hinnen zu giessen, wol zufriden, dieses Unmuetes nit versehen hett, weil ich Ine dann über der Herrn von der Regierung und mein Anhalten nit anderst bewegen mugen, hab ich solichs E. F. E. W. hiemit wollen anzaigen, dieselben werden dero Gelegenheit nach das Metal herein oder aber die Sach verer durch Ine hinnen zu verrichten zu verordnen wissen etc. Datum Schwaz den 7. Juni 1547. Antoni Fugger.

XXX. Jacob Herbrot an Anton Fugger. 1547, 18. Juni. Drängen auf Fuggers Uebersiedlung nach Augsburg. Un­ terhandlungen mit dem Cardinal. Project die Clerisei aus Augsburg auszukaufen. Edler etc. Auf mein jüngst Schreiben, ich Eur. Ht. gethan, ver­ langt mich Antwurt zu vernemen und sunderlich, dass sich E. Ht. hie zu uns her theten, wölichs ich aus merlay Ursachen Eur Ht. zu Eren und Gutem wol leiden möcht, dann pin ich glaubenswerdt, so haben reich und arm zu Eur. Ht. Ankunft gros Verlangen; pitt nochmalen dienstlich, Sy wöllen diess mein Anmanen in gutem vermerken und sich mit erstem zu uns hieher thon. Mich langt durch Mittelpersonen an, dass sich Herr Hanns Paumgartner zu Unterhändler zwischen dem Cardinal von Augspurg und meinen Herrn anpiet, wie dann solichs erstlich und schon an mich kummen ist, ob es aber gemeiner Stat oder seiner Perschon, sich dardurch schön zu machen bedacht, das stet bey mir in Zweyfel. Der Cardinal hat solichs und dass er gern mit meinen Herrn vertragen wer, in geheym auch an mich pringen lassen, ist hierauf an E. Ht. mein vertreulich Pitt, Sy

805 wollen mir was hierin zu thon sei, Ir. ratsam Bedenken mitteylen. Aber mein Bedünkens wirk gut Achtung darauf zu gehen sein, in was Genaden der Cardinal bey der kays. Mt. sey, oh ime auch Ir. Mt. wider meine Herrn was vertröst. Und wüll Eur. Ht. nicht pergen, als jüngst der schwehisch Adel zu Ulm gewest, hat sich ermelter Cardinal des Schadens, so ime von meinen Herrn zugestanden, beklagt, Hülf und Rath begert, darauf Im abschlägig Antwurt geben, aus wölchem nicht wenig zu vermuten, da er sich grosser Gnaden bey kays. Mt. derwegen zu getrosten, er wurde dero Ort umb Hilf nit ansuchen. So wir aber meine Herrn /zu aynem leydenlichen Vertrag auch das, so die Gaystlichen hie haben, bekummeu möchten, so würde ich, sofül an mir, solchs zu befördern geneygt sein. Wo aber nit, so müeste mans vermög der kays. Mt. genedigster Vertröstung dem Rechte bevelhen, wüll mich hierauf Eur. Ht. Gemyet zu verneinen versehen. Günstiger Herr. Wiewol ich den Ring meinem Vetter Jenisch Eur. Ht. zu überantwurten zugestellt, so bericht er mich, dass er etlich Tag undter wegen zu thon hab, derhalben ich im diese Prüef nicht zugestellt, sonder in Eur. Ht. Schreybstuben überantwurten lassen; versieh mich, der Jenisch werde Eur. Ht. ermelten Ring ungeverlich in ain .10 Tagen zustellen. Wüll mich etc. actum Augspurg 13. Juni 1547. E. H. dienstwülliger ' Jacob Herbrot.

XXXI. Anton Eugger an Dr. Claudius Peutinger. 1547, 13, Juli. Gibt Nachricht über die mit dem Cardinal angeknüpften Verhandlungen. Fuggers A nsicht üb er das Pro ject, den Car­ dinal und Clerus hinauszukaufen. Mängel des Aussöh­ nungsbriefes. Ernvester hochgelerter lieber Herr und Vetter. Euch sein min ganz willich Dienst mit vleis zuvoran, und ist mir dise tag Eur Schreiben das datum Ulm ultimo Juni worden, hab daraus vernommen, dass euch mein Schreiben war zu komen betreffent die Handlung mit dem Cardinal und dass der Herr Bürgermeister Hörprodt auch diserhalben geschriben vernimm woll der Cardinal und der ander sich gegen euch erzaigen. Der Herr Hörprodt meldt in sainem Schreiben, dass sich ander auch anpieten, Unter­ händler zu sein, die seien wer sie wellen so bin ich noch meiner vorigen Meinung, dass dise Sach woll was angefangen, aber dass der Cardinal und Capitl alles was sie in der Stat haben, sollen verkaufen sicht Im nit un­ gleich, als werd dis je lenger je minder besohehen. Wo auch ain Rath

306 stark darauff wiert verharren, besorg Ich wo dis für kays. May. solt komen (als leicht mag beschehen) es wurd einem zu Unglimpffen komen, dass Ir May. wurd sagen mögen, sie steckhen noch vol Gelt da wurd man auch finden, die anhezen wurden und — Got verleih dazu sein Gnad, dass Ir dise Sach wol verricht Ich hör nit gern, dass mit dem Punt machen so langsam zugeth. Sorg woll die Stet miessen den kurzen ziehen, wie vor wol auch beschehen Got verleih frieden. Amen. Uff 7 diss hab ich euch geschriben, welchermassen der Herr Bürger­ meister Hörprodt mir unser Ussonung halb und dass wir nit wie ander Stet sollen versorget sein, geschriben, het mich gern zu Augspurg versieh mich, solchs mein Schreiben sei euch vor disem woll zukommen. Seider ist mir ein Schreiben von ainem Bath zukommen, darauf ich Antwurt ge­ geben, wie Ir ab inliegender copia hapt zu vernemen und sovil betrifft den Usssonbrieff, das ist mir woll ingedenkh dass uns ist vil zugesagt, wie es aber nachmalen mit Uffrichtung der Brief gangen das ist ainmal nit main Arbait, dann ichs warlick nit also scharpff verstand. Wo aber noch ainiger Mangl, daraus gemainer Stat in künftiger Zeit Machteil er­ fahren, und damit ander Stet für uns fürsehen weren, so acht ich, man soll euch denselben erstatten und sei unnot, dass ich diserhalb soll hinaus­ kommen, wan wir euchs Zusagen gleich sovil als mir haben, pit, Ir wellen mich hierüber verständigen, was doch diser Mangel sei. Ir vernemen auch uss disem Schreiben dass Ir. May. gen Augspurg komen; denk mir sei am maisten des Sterben halb dass es in Ulm nit rain soll sein. Aber meiner Person halb mich in dise Unrue zu begeben khann ich warlich nit thun, dann ich vermags an gesund nit und wurd Inen wenig durch mich beholfen mögen sein und wie Ir von mir vernomen, dass ich meine Sachen zu meiner Eue well richten Mit dem pin ich nun in Arbait zu Fristung meines gesunts. Denn ich khann den Müe und Sorg nit leiden. Sonst hab ich diser Zeit anders nit. hiemit der euer. dat. Sohwaz d. 18. Juli 1547. A. Fugger.

XXXII. Jacob Herbrot an Anton Fugger. 1547, 13./14. August. Dringende Aufforderung an Fugger, nach Augsburg überzu­ siedeln. Nachricht von der Klage Baumgartners gegen die Stadt. Edler und vester etc. Dass ich Ew. Ht. mermalen fraintlich geschrieben und darneben gepeten hab, sich zu uns hieher zu verfügen, das, hoff ich, werden E. Ht. von mir in gutem und wie ichs mayn, vermerken, dann dieweyl E. H. aym erbarn Eath und gemeiner Stat gegen der Khay. Mt. unserm allergnedigsten Herrn dankpar und wol gedient, also dass sich E. Ht. dardurch

307 fül grösser gemacht und zu Gunsten geraten, dann manchem lyeb ist. Dass aher E. H. das alles nit achten sollte und Ir Vaterland dermassen begeben, das were bey mir zu hören beschwerlich, muss schier bey mir gedenken, dass solichs on Sünder Ursach nicht beschehen müess, da ich dann dieselben wüsste und kündte E. H. Eath darin schaffen, solle sich E. H. gewüsslich zu mir getrosten, dass an meym Leyb und Vermügen zu Abstellung dessen kain Mangel bei mir erscheinen soll. Mich also nochmalen getröste, E. H. werden sich gemainer Stat Wolfart zu befürdern, mit erstem hieher füegen, damit Eur. Ht. Missgünner an Irem draussenseyn nicht erfreut, es wurde auch aym erbarn Eath und Gemayn zu grossem Drost und Gevallen raychen, dann Herr, es ist nit one, es möchten Eeden fürgen, als wollten E. Ht. dem selbst nicht ver­ trauen, das Sy gehandelt, da doch bey mir ganz kain Zweyfel ist, es werd uns ’ trauen und Glauben gehalten, wie wir, ob Gott wüll, wie erlichen Leuten pepürt, auch thon wollen, hoff Eur Ht. werden mir auf dies mein Schreyben Ir Antwurt, das Gott mit Seynen Gnaden verleyhen wöll, selbst geben. Meine Herrn wern Eur. Ht. in teglichen Sachen, so fürfallen, fast wol nottürftig, so dürften bede Sachen, den Cardinal, auch des Schertlins wol guter Fürderung, ways bey mir kayn Ursach so gros, die E. Ht. für­ wenden inechten, die Sy an gemainer Stat Wolfart verhindern sollt. Günstiger Herr. Was E. Ht. der propina halber, dem Herrn von Granvella gethan, melden, solln E. Ht. wüssen, dass er die für Sr. Gnaden Gemahl zu Gnaden angenommen, alain begert, bemelten Eing pis zu seynem Abreysen zu bewahren. Da dann E. Ht. befürdern kindten, dass das Geschütz, meinem gn. Fürsten von Alba gehörig, pald heraus kern, were ser gut. Zedul: Edler gros günstiger Herr. Ich kann E. Ht. vertraulich nicht pergen, dass Herr Hanns Paumgartner meine Herren gegen der kays. Mt., dem Herrn duca d’Alba, auch dem Herrn v. Granvella und Arras verklagt hat, mit Beger, sich meine Herrn mit Im vertragen sollen, das hayssts Vater­ land gelyept, gedenk mir, das sey der Anfang von dem Proces, den er und etlich lange Zeyt her wider diese Stat pratiziert. Was Verlangen meine Herrn um diser und anderer Handlung wüllen auf E. Ht. haben, das künde Sy gedenken, will mich versehen, E. Ht. werden sich als ain Lyebhaber Irs Vaterlands fürderlich hiekerverfügen, denn man suecht, das weder gemainer Stat noch etlichen sundern Personen, sorg ich, zu gutem raychen. Un hab solichs E. H. in Vertrauen nicht pergen sollen etc. actum 14. August 1547 in Eyl. E. H. dienstwülliger Jacob Herbrot.

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XXXIII. Anton Fugger an Burgermaister Jacob Herbrot. 1547, 25. Aug. Entschuldigung seines Wegbleibens von Augsburg. Aus­ kunft über die Bamgartensche Sache. Ernyester etc. und hab dero Schreiben am dat. 13. und 14. diss zu verantworten wie hernach volget. Betreffent mein Hinauskommen, wie E, E. Wt. melden, dass ich vil thon khundt und zu allen täglichen fürfallenden Sachen soll verholfen sein, dises alles hab ich nje anderst von E. E. W. dann ganz gueter und treuer Meinung verstanden. Hab auch Hinauszukhummen nie abgeschlagen, bin noch dessen Willens, wann es zu gelegener Zeit sein kann, so will ich nit ausbleiben. Dass aber E. E. W. mir sollichs nit für guet passiert, dem kann ich nit thuen. So mues aber, lieber Herr, ich mich selber auch bedenkhen und mir nit mer aufladen, dann ich ertragen kann; wie aber etlich vermainen, dass ich der Sach, so ich selber gehandelt, nit vertraue und des­ wegen heraussen pleibe, denselben gib ich dise Antwurt: Wiewol mein Wille guet und gross, so hab ich doch wenig gethon, dass aber dasselbig Zuesagen soll oder mues ainem erbarn Kat gehalten werden, dafür bin ich nit Pürg, wie dann E. F. Wt. in meiner mundtlichen Kelation genuegsam habe vernommen. Ich hab aber an disem gar kain Zweifel, Ir Mt. werde dises halten, dargegen sollen Ir euch gut kaiserisch erzaigen und sein. (Wie ichs dann in allem mein Sagen und Schreiben hab gemelt) und auch nit Zweifel, dann dass solichs also beschehe. Dass ich aber bej einem Kat oder andern diser Handlung halb dester mer oder grösser geacht sein soll und dasselb nit solle verachten, das ist warlich, lieber Herr, pei mir die Mainung gar nit. Ich beger derselben eytel Ehr und dass ich mer soll gehalten werden, gar nit. Ich bin auch wol zufriden, dass ich den­ selben Dankh schon hab eingenommen. Betreffend dass ich bey der Handlung des Cardinais sollt sein, hier­ über hab ich hiezuvor E. E. W. genuegsam geschriben und wer der Mai­ nung gewesen, ich waiss auch noch nitPessers, dann dass der angefangne Weg wer volltzogen, demselben nachgangen worden; so wär es am stillisten auch schieinig zuegangen. So man aber grosse Hansen und ander dartzu gepraucht, ist es umb sovil dester weitleifiger, das mag doch auch zu guetem Beschlus kommen. Ich weiss mich des Ansehens beim Cardinal nit, dass ich am selben Ort vil kunnt aussrichten E. E. W. kennen dise Leut wol, ob sie gleich guete Wort geben, so thun sie doch, was inen wol bekombt. Die Sach Herrn Sebastian betreffent, wissen E. E. W. wol, in was termin dieselbig stat und dass main Gegenwuertigkait yetzo nit von Nöten. Dann zum Beschluss hab ich mich nie verwidert, bin auch nachmalen willens hinauszukhommen, wanns die Notturft eraischt, wie aber E. E. W. in allen Iren Schreiben melden, dass ich die tegliche fürfallenden Handlungen soll helfen verrichten, und in rechten Stall helfen bringen, solichs hab ich mich allweg beschwärdt gehabt und noch, dass sollichs in meiner Leibsmüglichait

309 nit ist. Ich hin für und für schwach und paufellig, darzue hin ich solcher Handlen zu schlecht und dero gar nit geyebt. Was sonst tägliche Hader­ sachen sich zuetragen zwischen Burgern und den Kriegsleiten, das hat auch Richtigkait, was wollten Ir mich dann mit sollichen Sachen helestigen, das hah ich also meiner Notturft nach, weil E. E. W. mich also hoch anziehen, derselben nit künden verhalten, Versehens, die werden damit also zufriden sein. Es ist meinethalber auch die Ursach, wann ich hinauskomm, so wirt man Lehen an mich hegeren, darzue ich diser Zeit nit staffiert, also dass mein Hinauskommen desto minder Eyl hat, dann wann ich’s ahschlueg möchtich Undankh und Ungnad verdienen; doch schreihs ich gegen E. E. W. in guetem Vertrauen. Das Geshcütz für den duque d’Alva ist gossen ,und wirt damit nit gefeiert. Aber dass mein untrewer Schwager ain Erbaren Rat also verclagt und begert hat, man sich mit Ime solle vergleichen, hierüber bin ich zu solchen Sachen nit zu geprauchen. Die Freuntschaft ist mir zu nahent; wo ich mich dann schon heftig umb dise Sach annem, so wurde nichts Gewissers daraus erfolgen, dann dass ich und mein Schwager den Leuten noch mer zu ainem Vassnachtspil wurde. Daun wir yetzo sein Versehens, E. E. W. gunnde uns paiden sollichs nit, ain Rat sein diser Sachen verstendig genueg, wissen wol, mit wem sie sich oder nit sollen vertragen oder sonst an das Recht weisen. Aber neben disern will ich dannocht E. E. W. diss noch­ malen hiemit erinnren, als die Herrn ains Rats Gesanten zu Ulm unter andrem mit dem Herrn von Granvela Arras (ich main Navis selig sey da­ mals auch dabei gewesen) kamen sie mit etlichen Artickheln (davon zuvor mit mir gar nichts geredt, dass ich gar übel zufriden was) unter welchen der Burger halb, so aus der Stat on Erlaubniss ains Rats /gezogen. Drungen dise Herrn darauf dass denselben gegen ainem Rat sollte verzigen sein und man sie disshalbar nichts sollt lassen entgelten. Als ich aber solichs heftig widerfacht und dass nit pillich, dieselben Burger nit auch sollten in dem Darleihen ainem Rat zuthuen zu disen Ausgaben Ir Kays. Mt. und andern zur Aussonung und Vertrag u. darauf gemeltc Herrn uns dise austruckhliche Antwort gegeben, dass sollichs pillich, und dass ain Rat sie sollichs Daileihens auf künftige Ire Steuer, inmassen wie ich ander mer gethan, nit soll erlassen, sie sollen in solcher Contribucion auch sein. Diss hab ich in hivorgangner meiner Relation auch meinen Herrn, den Gehaimen, anzaigt, die mugen Ire Gesanten diserhalb auch befragen und zweifelt mir nit, Herr Granvela, auch Arras werden dises iugedenkh und gestendig sein. Nun ich kumm zu tief in die Sach, mues abprechen, will mich hiemit E. E. W. gantz dienstlich bevelhen. datum Schwats am 25. Augusti a. 1547. Anton Fugger.

X.

Die Malerfamilie Burgkmair von Augsburg. Von

Eduard von Huber.

In Augsburgs blühender Culturepoche, am Beginne des sech­ zehnten Jahrhunderts, wo die Stadt durch ihre bedeutenden Han­ delsverbindungen mit Italien an Reichthum und Ansehen zunahm, wo der ritterliche Kaiser Maximilian I. Augsburg zu seinem Lieblingsaufenthalte erkohr und vorzugsweise hier, durch Ver­ mittlung seines Rathes Conrad Peutinger, seine Kunstaufträge ausführen liess, musste sich aus dem grossen industriellen Auf­ schwünge die Wunderblume der Kunst entfalten, deren Farben­ pracht in den herrlichsten Werken sich bis auf unsre Zeit er­ halten hat. Aus den vielen Meisternamen, welche die alten Zunftbücher nennen, ragen zwei Malerfamilien, Holbein und Burgkmair, hervor, von welchen in den letzten Jahren hauptsächlich der ersteren die grösste Aufmerksamkeit zugewendet wurde, und Alfred Woltmann, der durch sein vortreffliches Werk: „Hans Holbein und seine Zeit“ die Anregung zu vielen Forschungen gab, die namentlich im Basler Archive so reich gekrönt wurden, entrollt uns in seinen lebendigen Schilderungen das klare Bild von Hans Holbein dem Jüngeren und stellt ihn als grössten deutschen Meister, als den Meister der deutschen Renaissance auf. Wenn in der Würdigung dieses Meisters ein schönes Zeichen der dankbaren Jetztzeit zu erkennen ist, muss es auch als Pflicht

311 erscheinen, der zweiten Augsburger Malerfamilie Burgkmair zu gedenken, indem es unbestritten sein dürfte, dass Hans Burgkmair der Vater der erste deutsche Maler ist, welcher die Formen der italienischen Renaissance in sich aufnahm und in seinen Werken wiedergab und durch dieselben auf seine Zeitgenossen, besonders auf Vater Holbein und seinen berühmteren Sohn ein wirkte. Die nachfolgende Skizze sucht aber nur zerstreute Erwäh­ nungen mit noch nicht öffentlich bekannten Notizen über Burgkmair zum Vergleiche zusammenzustellen, um zur weitern Forschung und Bearbeitung des noch wenig erschöpften Materials anzuregen. Thoman Burgkmair ist der erste seiner Familie, welcher im Augsburger Gerechtigkeitsbuche 1489 als Maler aufgeführt wird. In den Steuerbüchern steht er seit den Jahren 1479 und 1480, wo er unter der Ortsbezeichnung „Von St. Anthonio“ er­ scheint. In den Jahren 1481, 1483 und 1486 tritt er unter „Schmidhaus“, dem Eckhause des Schmidberges und der Carolinen­ strasse, seit 1488’ regelmässig unter „vom Dieppold“ auf. Eine Urkunde erweist ihn anno 1495 als Hausbesitzer eines auf dem Mauerberg gelegenen, dem Haus C. 37 zinspflichtigen Hauses.*) Das erste Malerbuch ist von seiner Hand anno 1471 „schön geschrieben“ und zählt die Namen der 1460 in Augsburg gewesenen Maler auf, die er alle noch gekannt habe, als er (wie von einer spätem Hand beigefligt ist) in der Lehre bei dem Bemmler war. Bei Meister Ulrich Wolfertzheuser, Bildschnitzer, erwähnt er, dass dieser sein Schweher gewesen sei. Von diesen neun Meistern habe keiner mehr den Ankauf des Maler-Zufthauses erlebt, welches sich wahrscheinlich dem jetzigen k. Postgebäude gegenüber be­ funden hat. Die folgenden zehn Pergamentblätter enthalten die Handwerks- und Zunftartikel. Im zweiten Malerbuche ist auf Blatt 77 bemerkt: „Item Meister Thoman Burckhmair hat sein Jungen für gestellt mit Namen Jörg Gutknecht, und ein Handwerkh hat ein guet genigen gehapt 1497 Jar.“ Es sind wohl von Waagen**) und Herberger***) zwei von Bürgermeister Walther 1480 gestiftete und in der hiesigen Dom­ kirche früher aufgestellt gewesene Bilder f) als Werke dieses

*) Obige Mittheilung verdanke ich Herrn Dr. Hoffmann in AugBburg. **) Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen I. Abth. S. 183. ***) Augsburg und seine frühere Industrie S. 36. f) Genannte Bilder sind jetzt in der mit grossem Verständnisse im Or-

312 Malers aufgeführt und in Marggraffs Katalog der Augsburger Gallerie sind mehrere Bilder mit ihm in Beziehung gebracht, doch bieten sich, trotz typischer Anklänge der Letztem zu den spätem Bildern seines Sohnes, ausser der Tradition keine beglaubigten Anhaltspunkte. Thomans Tod erfolgte erst 1523. Desto glücklicher macht uns das künstlerische Yermächtniss seines Sohnes Hans Burg.kmair, dessen Geburtsjahr durch sein und seiner Frau Portrait bestimmt wurde.**) Früher galt Hans Burgkmair als Dürers Schüler. Doch die von ihm nach Martin Schongauers Selbstbildniss gefertigte und in der k. Pinakothek zu München befindliche Copie beurkundet, dass er in der väterlichen Werkstätte vorher gebildet, schon in sehr jugendlichem Alter bei Schongauer in der Lehre gewesen sei; denn auf einem an der Rückseite dieses Bildes befestigten Zettel steht von Burgkmairs eigner Hand geschrieben: „Mayster Martin schongawer Maler, genannt Hipsch Martin von wegen seiner Kunst geporn zu Kolmar, Aber von seinen Oltern ain augspurger burger, des Geschlechts von Hier, geporn, und ist gestorben zu Kolmar anno 1499 auf 2ten Hornung dem got genad. Ich sein Jünger Hans Burgkmair im Jar 1488.“ Sein Verhältniss zu Dürer erweist sich als ein freundschaft­ liches, was auch Nagler in dem Zusammenwirken beider Meister bei den Aufträgen des Kaisers Maximilian ersieht, besonders dass Dürer Burgkmairs ßildniss, welches Landrart stechen liess, in sein Buch zeichnete. Woltmann hebt in seinem schon genannten Werke**) sehr treffend hervor, dass der Einfluss Schongauers auf ihn bei grosser Yerschiedenheit der Naturen von keiner Nachhaltigkeit war, und Burgkmair seinem grossen Zeitgenossen Dürer gegenüber, trotz eifriger Studien nach dessen Kupferstichen und Holzschnitten, seine dinariatsgebäude zu Augsburg errichteten Sammlung aufgestellt, wo die Bilder, bei der dadurch ermöglichten näheren Besichtigung, eine vorgeschrittnere Kunst­ entwicklung und mehr Anklänge zur Hand des Vaters Holbein zeigen. *) Dasselbe, früher in Georg Christian Kilians Besitz und von demselben radirt, jetzt in Belvedere zu Wien befindlich, zeigt folgende Inschrift: „Joan Burkmair Malr LVI Jar alt. Anna Aiserlahn Gemachei Ln Jar alt. MDXXVIH Mai X Tag.“ **) Bd. I. Abth. V. S. 83.

313 volle Selbstständigkeit wahrte und dem malerischen Vorträge der Augsburger Schule treu blieb. Meisterlich ist Burgkmairs künstlerische Entwicklung durch Woltmann geschildert: „Wohl bei keinem deutschen Künstler sind die Einwirkungen der italienischen Renaissance früher nachweis­ bar als bei ihm. Mochte er aber seine ersten Anregungen nach dieser Seite hin in Augsburg selbst empfangen können, so treten doch in der Folge die neuen Formen bei ihm mit einer solchen Entschiedenheit und Ausbildung auf, dass die Annahme, er sei selbst in Oberitalien gewesen, unabweisbar ist. Dieser Umschwung ist etwa seit dem Jahre 1507 zu bemerken. Nach jeder Seite hin bringt es Burgkmair zu einer tüchtigen Durchbildung des Geschmacks. Seine Gestalten stehen niemals so schwach auf den Beinen, wie das in früheren Bildern Holbeins d. V. der Fall war, ihm begegnet es nicht, dass kühnere Bewegungen in das Ver­ zerrte verfallen, von dem Fratzenhaften, in welches die deutsche Malerei so leicht gerieth, ist er vollkommen frei. Manchmal zeigt er in dem Ornamentalen eine gewisse Ueberladung und in den Figuren eine eigenthümliche Wucht des Auftretens, auch Farbe und Faltenwurf sind oft schwer. Aber die Energie, mit der er die Dinge angreift, die weltkundige Tüchtigkeit, mit welcher er das wirkliche Leben auffasst, sind imposant.“ Lübke sagt in seiner Geschichte der deutschen Renaissance*): „Haps Burgkmair ist einer der ersten, welche die Kunst des Südens nach Deutsch­ land verpflanzten. In der Regel wird von ihm gesagt, er habe seit seinem Aufenthalte in Venedig 1508 „„seine Manier ge­ ändert!““ Allein seine Werke beweisen, dass er die Renaissance schon vorher gekannt hat, sei es, dass er schon einmal im Süden war, sei es, dass er aus italienischen Stichen und Gemälden ge­ lernt hatte. Schon auf seinem mit 1502 bezeichneten Bilde der Lateran-Basilika**) mischen sich in der Architektur der Halle die Formen des neuen Stiles mit dem gothischen. Es ist wohl das früheste Auftreten von Renaissancemotiven in Deutschland, wenigstens ist mir kein früheres Denkmal bekannt. Noch ent­ schiedener kommt die neue Kuustweise zum Ausdruck bei dem prächtigen Throne, ***) den wir auf dem Mittelbilde einer aus dem Katharina - Kloster stammenden Altartafel vom Jahre 1607 be*) I. Abth. S. 62. **) Augsburger Öallerie-Cat. Nro. 20—22. ***) In Abbildung in der „Geschichte der deutschen Renaissance“ mitgetheilt.

314 merken.*) Auffallend ist schon an diesem Blatte, wie überlegen an ornamentaler Fülle und Pracht die Renaissanceformen den dekorativen Elementen einer fessellos gewordenen Gothik er­ scheinen. Dennoch wendet der Künstler beide Stile neben ein­ ander'an, und das bleibt für längere Zeit das Verfahren fast aller deutschen Meister!“ — Weist Lübke in dem eben besprochenen Bilde das allmälige Eindringen der Renaissanceformen in Burgkmairs Werken nach, so zeigt das Altarwerk von 1519**) besonders auf den Rück­ seiten***) in den Architekturtheilen, wie er ganz mit der Gothik gebrochen hatte. Auch die Farbe ist gesättigter und tiefer im Tone. Der Faltenwurf hat die eckigen Formen verloren und erscheint abgerundeter und luftgefüllter. Und trotz dieses gewaltigen Ueberganges bewahrt er, wie früher den grossen Meistern Schongauer und Dürer gegenüber, seine Individualität und den ächt deutschen Typus — ein Beweis seines wahren künstlerischen Berufes und klaren Bewustseins desselben. Er entwickelte sich logisch aus sich selbst, seine Ausdrucksweise verfeinert und vergeistigt sich nur, und das üppige Treiben der reichen Handelsstadt, wie das durch Maximilian nach Augsburg gebrachte bunte bewegliche Hofleben kommt seiner Phantasie zu gut. Wenn auch seine dargestellten Aufzüge and Allegorieen an das Pomphafte streifen, und seine Heiligen manchmal in ihrem festen Auftreten, wie die trotzigen Landsknechte mit ausgespreiz­ ten Beinen dastehen, schauen doch seine Gestalten aus ihrer bunten Tracht und ihrem zierlichen Schmucke mit treuen deutschen Augen heraus. Wenn man seine anmuthigen Fraüenköpfchen be­ trachtet, wie sie uns in seiner Kreuzbasilika bei den .elftausend Jungfrauen entzücken, so denkt man unwillkürlich an den Augsburger Geschlechtertanz, welchem Maximilian 1518 huldvoll anwohnte, bei welchem die Augsburger Frauen, auf den Wunsch des geliebten Kaisers, das nach orientalischer Sitte verschleierte Antlitz frei und nur mit der Goldhaube geschmückt zeigen mussten, um so sein Auge durch die Schönheiten zu erfreuen, aus welchen eine Philippine Welser hervorging. In diesem blühenden Kranze der Augsburger Frauen musste

*) Augsburger Gallerie Cat. Nr. 6* **) Augsburger Gallerie Cat. Nr. 44—46. ***) Cat. Nr. 52 und 53.

315 Burgkmair seine reizenden Vorbilder finden. Burgkmair ist der wahre Spiegel Augsburger Lebens aus der glücklichsten Zeit, ein Stück seiner Vaterstadt selbst, und muss ihr dadurch immer werth bleiben. Doch von höchster Bedeutung für die deutsche Kunst ist er dadurch, dass er zuerst den Weg der neuen Kenaissancerichtung für die schwäbische Schule betrat, welcher Hans Holbein den Sohn zur Höhe seiner Meisterschaft führte. Wenn man sein köstliches Bild, die kleine Madonna in der Moritzkapelle in Nürnberg, seine vielen Heiligengestalten, voll tiefem Ausdruck und edlem Anstand in der Bewegung, betrachtet, wie sie uns bei den vierzehn Nothhelfer in der Peters-Basilika, *) bei einem Bilde um 1520, mit Monogramm bezeichnet, St. Ulrich und St. Afra,**) entgegenleuchten, so kann man ihm auch die volle religiöse Empfindung nicht absprechen. Der ihm zum Vorwurf gemachte höfische Pomp, der sich eini­ gen seiner Darstellungen einflechtet, hebt gerade seinen Kaiser Heinrich in dem schon erwähnten Bilde von 1519 zur wahren Majestät, ohne die in seinen Zügen ausgedrückte Glaubenstreue und Begeisterung zu beeinträchtigen. Burgkmair ist ein sittlicher Künstler, der nicht leicht in die Satyre und das Profane verfiel, was sich in den Bildern seiner Zeitgenossen oft breit macht. Wenn seine Farbe auch nicht die Farbengluth des Vater Holbein erreicht, bleibt sie doch immer fein und harmonisch. Trotzdem sie oft nur wie hingehaucht ist, dass die geniale Zeichnung und Schraffirung an manchen Stellen durchschimmert, hat sie sich, als Zeichen seiner vorzüglichen Technik, bis auf heute erhalten. Die von Holbein und Burgkmair gemeinsam ausgeführten grossen Basilikenbilder für das Katharinenkloster in Augsburg lassen auch auf ein freundliches Verhältniss derselben schliessen. Man hat sogar behauptet, Holbein d. V. hätte eine Tochter des Thoman Burgkmair geehelicht, und Paul von Stetten giebt dies zuerst an, allerdings nur mit einem „vermuthlich“, und wurde dazu veranlasst, weil Holbein in den Jahren 1494 und 1495 unter „vom Diepold“ in dem Hause zuerst erscheint, welches Thoman dauernd bewohnte. Hans Burgkmair der Aeltere, der schon 1498 die Gerechtig­ keit in Augsburg erhielt, stellte 1499 bis 1501 drei Jungen, 1502,

*) Augsburger Gallerie Cat. Nr. 19. **) Befindet sich im Privatbesitz in Freiburg i. Br,

316 1506, 1510, 1517 und 1520 je einen Jungen vor, und starb 1531. Von seinen Gemäldetafeln sind folgende in der Augsburger Gallerie: Cat. Nr. I. Die Niederlage der Römer bei Cannä. Mit Namen und 1519 bezeichnet. Cat. Nr. 6—8. Jesus und Maria. Unter denselben und auf beiden Seitenflügeln Chöre von Heiligen. Mit Namen und 1507 bez. Cat. Nr. 19. Die Petersbasilika, 1501. Cat. Nr. 20—22. Basilika St. Giovanni in Laterano in Rom. Mit Namen und 1502 bezeichnet. Cat. Nr. 24. Die Basilika Santa Croce. Mit Namen und 1504 bez. Cat. Nr. 44—46. Die Kreuzigung Christi. Cat. Nr. 52—53. Kaiser Heinrich und St. Georg. Rückseiten zum vorigen Altarwerke. Mit Namen und 1519 bezeichnet. In der Domkirche zu Augsburg, in einer Kapelle hinter dem Hochaltäre, sind vier Flügel zu einem Altarschrein mit Schnitz­ werken von seiner Hand, wie auch die St. Annenkirche Werke von ihm besitzt. Die k. Pinakothek in München enthält zehn Gemälde von ihm. Darunter: I. Saal Nr. 65. Johannes auf Patmos 1520. Cab. 136 und 150. Die Brustbilder vom Herzog Wilhelm IV. von Bayern und seiner Gemahlin Maria Jacobaea von Baden. 1519. Cab. 146. Copie nach Schongauers Selbstbildniss. 1488. In Nürnberg in der Morizkapelle sind neun Werke unter seinem Namen, worunter: Maria, unter einem Baume sitzend, reicht dem Christkind eine Traube. Mit Namen und 1510 bezeichnet..*) Auf der Burg ist eine Geburt Christi, und in der städtischen Gallerie, wie im Dürer Hause, Bilder nach ihm genannt. Das k. Museum in Berlin führt fünf, die fürstlich Fürstenberg’sche Sammlung in Danaueschingen sechs, die Cassler Gallerie fünf, die Schleissheimer und Dresdner je ein Bild von ihm auf. Im Wiener Belvedere findet sich, ausser des Künstlers und seiner Gattin Bildniss, noch eine Altartafel, und im Besitze des Herrn Senator Kulemann in Hannover ein sehr bedeutendes Bild mit verschiedenen Heiligen. Am productivsten erscheint uns jedoch Burgkmair in der grossen Anzahl von Holzschnitten, durch welche er zuerst Aner­ kennung und Ruhm erwarb, von welchen Bartsch **) allein gegen #) Cat. Nr. 132. **) Peintre graveur Th. VII. S. 223 ff.

317 600Nummern aufführt, während Nagler*) gegen 700 zählt, ohne der vielen Titelblätter und Illustrationen für Bücher zu gedenken, welche die Zahl über 1000 bringen dürften. Zu den Hervorragendsten gehören jedenfalls: 1) Sein erstes Werk, die Genealogie des Kaisers Maximilian, wo jedes Blatt der sieben und siebzig Nummern eine Figur mit zur Seite stehendem Wappenschild enthält. 2) Der Weiskunig, der gleich Schäufelins Theuerdank zur Ver­ herrlichung Maximilians mit zweihundert sieben und dreissig Holzschnitten diente, aber erst 1775 publizirt wurde. Alte Abdrücke existiren nur wenige und sind von grösster Selten­ heit. Zu obigem Werke lieferte Hans Springinklein das Blatt 199, Schäufelin Blatt 200, mit Monogramm, und das Blatt 78 ist von einem unbekannten Meister bezeichnet. 3) Der Triumpfzug des Kaisers Maximilian I., wofür Dürer mit noch andern Meistern Zeichnungen lieferte. Burgkmair musste fremde Hilfe in Anspruch nehmen, da der Kaiser die schnelle Vollendung des Werkes wollte, obgleich die Arbeit das halbe Leben eines einzigen Künstlers in Anspruch genommen hätte. Auch diese aus einhundert fünf und dreissig Blättern bestehende Suite bildet ein kostbares Denkmal für altdeutsche Holzschneide­ kunst und ist hauptsächlich nur in Abdrücken des vorigen Jahrhunderts verbreitet, publizirt in London 1796. 4) Die männlichen und weiblichen Heiligen aus dem Hause Oesterreich, den Vorfahren Maximilians, eine Folge von ein­ hundert zwei und zwanzig der vorzüglichsten Holzschnitte, um das Jahr 1515. Von den in der Wiener Hofbibliothek befind­ lichen Holzstöcken wurden 119 im Jahre 1799 neu abgedruckt. Die neuen Abdrücke haben, wegen der vielen in den Holz­ stöcken entstandenen Wurmstiche, nicht die Reinheit der alten sehr seltenen Blätter. 5) Der junge Ritter, welchen der Tod niedergeworfen, während Letzterer ein zur Flucht gewendetes Weib mit den Zähnen am Kleide gepackt hält. Im Hintergründe sind Paläste, die an Venedig erinnern, und ein Canal mit einer Gondel. 6) Bildnisse der Truchsessen von Waldburg, wovon die Münchner Bibliothek ein Exemplar, vielleicht das einzig noch erhaltene besitzt. Von Büchern sind Cicero öfficia 1531 und das Glücksbuch *) Ktinstler-Lexicon Bd. II. S. 241,

318 „bey des Gutten und Bösen etc.“, durch Franciscum Petrarcham in Latein beschrieben, und von Virgilius jetzt verdeutscht, 1539 bei Steyner erschienen. Bei der grossen Anzahl der Burgkmair’schen Holzschnitte zweifelt schon Bartsch mit Recht, ob er alle, zu welchen er die Zeichnungen fertigte, und die seinen Namen tragen, selbst geschnitten habe, wozu ihm seine andern Leistungen an Tafel- und Wandgemälden kaum die Zeit gelassen hätten. Ausser allen Zweifel setzt hierüber ein Brief von Conrad Peutinger *), in welchem er dem Kaiser schrieb, als ein Formschneider **) plötzlich aus Augsburg aut einige Zeit verschwand, es könnte im Nothfalle der Maler in Augsburg (Burgkmair), der sich ganz darauf verstehe, sich um den Schnitt der Bilder annehmen und die Ar­ beit zu Ende führen, was dokumentirt, dass Burgkmair des Schnittes kundig war. Doch wird er sich selbst nie viel damit befasst haben, da Dienecker sich rühmt, von den so sehr geschätzten grossen Helldunkelblättern eines der schönsten, das Portrait Baumgartners, geschnitten zu haben. Burgkmair scheint gerade durch seine technischen Kenntnisse den grössten Einfluss auf die Ausführung geübt zu haben, wodurch fast alle Holzschnitte nach seinen Entwürfen so wunderbar die Handschrift und den eigen­ tümlichen Charakter des Meisters tragen, wie man sie nimmer von einer fremden Hand erwarten sollte. Zwei unvollendete Glasmalereien auf runden Scheiben, welche bei der Abendversammlung des historischen Vereines am 3. März d. Js. ausgestellt waren, zeigen wiederholt die Vielseitigkeit von Burgkmairs Leistungen, wie er auch für Glasmalereien die Zeich­ nungen lieferte. An diesen Scheiben ist dieselbe fast noch ganz sichtbar; denn es ist nur das Gelb und ein wenig Braun erst auf­ getragen und eingebrannt. Das erste Bild, mit seinem Monogramm bezeichnet, stellt die Zollbude am Augsburger Viktualien-Markte vor, wie der Ein­ nehmer, der ganz das Profil und das Goldbar et von Jacob Fugger trägt, Geld, Geflügel, und Viktualien von den Marktleuten empfängt. ***) Auf dem zweiten Bilde ist ein Turnier vorgeführt. *) Herberger: „Conrad Peutinger in seinem Verhältnis zu Kaiser Maxi­ milian.“ S. 58. **) Dieser Formschneider schnitt an Maximilians Genealogie ***) Auf einem grösseren Leinwandbilde im südlichen Thurme des Augsb. Rathhauses ist derselbe Gegenstand in erweiterter Darstellung wiederholt.

319 Von seinen herrlichen Miniaturen besitzt die k. k. Bibliothek z^ Wien einige vom „Grossen Triumpfzuge Maximilians,“ und eines seiner in Miniatur ausgeführten Turnierhücher die Sammlung des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. Von Metallstichen kennt man bloss einen Eisenstich desMeisters: „Venus und Merkur“;*) denn das von Peter Zimmermann 1618 herausgegebene Kupferwerk, welches Abbildungen von Figuren mit Waffen und Wappen der uralten Geschlechter von kugsburg enthält, rührt vom Jüngern Hans Burgkmair, seinem Sohne, und von Vogther, nach folgendem Titel, her: „Ernewtes Geschlechter Buch der löblichen der heil. Reichs­ stadt Augspurg Patriciorum, darunter 80 voraus lustige Contrafacturen von weylendt den kunstreichen Malern in Augsburg, Johann Burkhmair und Hein. Vogther von P. W. Zimraermann aufs fleissigste hinzugethan. etc.“ Dieser Meister obwohl er den Vater nicht erreichte', scheint doch einen ziemlich guten Namen für seine Zeit errungen zu haben, indem Kaiser Ferdinand I., hei dem zunehmenden Alter des Mei­ sters, von Wien am 11. Dezember 1559 eine Fürbitte an den Rath der Stadt Augsburg schrieb, dem alten Maler Hans Burgkmair, seiner vielen Kinder, blöden Gesichts und zugestandner Leibs­ schwachheit halber, einen kleinen Dienst als Wein-Anstecher etc. zu verleihen. **) Leider erlebte der kranke Meister den Erfolg der kaiser­ lichen Fürbütte nicht, sondern starb im selben Jahre. Im Gerechtigkeitsbuche ist sein Sohn 1562, wo er die Auf­ nahme bekam, eingetragen, während drei Tochtermänner von ihm, Leonhart Moser, Endres Gegitz und Conrad Fischer, 1561, 1564 *) Von diesem Stiche ist ein gutes Exemplar in der förstl. Sammlung in Donaueschingen, und ein zweiter befand sich in der nun veräusserten Samm­ lung des Grafen Festetits, welche Nachrichten ich Herrn F. Butsch verdanke. •») „Uns hat Euer Mitbürger Hans Burgkmair Maller underteniglich für­ bracht wie weillendt sein Vatter vnd Er vnseren lieben Herrn, Anherrn vnd Bruedem Kaiser Maximilian vnd Kaiser Karlen hochloblicher gedechtnuss, mit mallung der Harnaseh, dessgleichen dem Etzen zu hilff vnnd fUrstandder Plattner vnnd vnuerdrossen vnd gehorsamblieh gedient haben, wie Er sich dann auch in den Christlichen Exequiis so hochernennten vnnsern lieben Brueder vnnd Herrn Kaiser Karlen jungistlich zu Augsburg durch vnns gehalten worden, mitmachung aller Wappen zu den Pferdten, dergleichen Entwerffung gedachter herrlichen Exequien, vnnd annderer mer Sachen, vor anndern Maliern gehorsamblich ge­ brauchen lassen.“ — Mitgetheilt von Archivar Dr. Chr. Meyer in der Beilage der' Augsb. Allg. Zt. vom 14. August 1871.

320 und 1573 die Malergerechtigkeit erhielten. Er stellte 1549 und 1559 Jungen vor. Dessen Sohn Hans Burgkmair erhielt 1570 die Gerechtigkeit und stellte von 1570 bis 1609 zehn Jungen vor. Der andre Sohn, Friedrich Burgkmair, erhält die Gerechtigkeit 1575 und kam 1565 bei Hans Sehror in die Lehre. Er stellte von 1576 bis 1580 drei Jungen, 1593 und 1602 seine zwei Söhne Hans und Matheus Burgkmair vor. Mit dem Tode des der Stadt Augsburg so freundlich gesinnten Kaisers Maximilian I. kam auch das so reich entwickelte Kunst­ leben Augsburgs wieder zum Sinken, und mit den Abschiedsworten: „Nun gesegne dich Gott du liebes Augsburg und alle frommen Bürger darinnen! Wohl haben wir manchen frohen Muth in dir gehabt, nun werden wir dich nicht mehr sehen!“ — mit diesen Worten verhüllte sich die Sonne, an deren warmen Strahlen die grossen schwäbischen Meister heranwuchsen und erstarkten.

Aus Hieronymus Kölers Aufzeichnungen. So erfreulich es ist, dass die im Dienste der Brüder Bartholmä und Anton Welser unternommenen und ausgeführten Züge des Ambrosius Dalfinger und Nikolaus Federman von Ulm, des Georg Hohermuth von Speyer und des fränkischen Ritters Philipp von Hutten nach und in der südamerikanischen Provinz Venezuela in neuerer Zeit in Dr. Klunzingers Schrift: Antheil der Deutschen an der Entdeckuüg von Südamerika*) eine gründliche, geschicht­ liche Bearbeitung gefunden haben, so erscheint es bei der Dürf­ tigkeit des bezüglichen Quellenmaterials doch nicht als überflüssig, einzelne hie und da in Archiven und Bibliotheken sich findende, zur Vervollständigung des in obengenannter Schrift enthaltenen historischen Stoffes dienliche Notizen zu veröffentlichen. Solche Notizen bieten uns die handschriftlichen Aufzeichnungen eines gewissen Hieronymus Köler, welche sich bei den Sammlungen des germanischen Museums zu Nürnberg befinden, da dieselben nicht nur ein Bild geben, wie es bei Ausrüstung solcher Expeditionen zuging, sondern unter anderem auch den von Dr. Klunzinger vermissten Be­ weis**) liefern, dass Nikolaus Federmann, als er zum zweitenmal nach *) Der ganze Titel ist: Antheil der Deutschen an der Entdeckung von Südamerika oder Abenteuer des Ambrosius DalfiDger und des Nikolaus Feder­ man, beider von Ulm, des Georg Hohemuth von Speier und des fränkischen Ritters Philipp von Hutten unter der Herrschaft der Welser von Augsburg in Venezuela, nach den Hauptquellen dargestellt von Karl Klunzinger, Dr. der Philo­ sophie &c. Stuttgart, 1857, in Commission der C. A. Sonnewald’schen Buch­ handlung. **) Antheil der Deutschen &c. S. 67 not 8.

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Venezuela sich begab,*) mit Georg von Speyer A. 1534 nach Coro gekommen sei. Hieronymus Köler stammte aus einem alten Ntirnbergischen Geschlecht und war im Jahr 1507 in Nürnberg geboren. Er widmete sich dem Handel und reiste im Jahr 1526 nach Venedig, woselbst er sich 4 Jahre aufhielt und vermuthlich auch einige juristische Studien machte. Nachdem er von dort in seine Heimath zurückgekehrt war und sich einige Zeit in Nürnberg aufgehalten hatte, begab er sich im Jahr 1533 nach Holland, woselbst er Lust bekam, auch Portugal und besonders Lissabon zu sehen. Nach 17tägiger Fahrt, die er beschreibt, kam er dabin und hielt sich 3 Monate dort auf, gedachte aber noch mehr zu sehen und begab sich nach Sevilla, woselbst er sich zu einer Expedition anwerben liess, welche damals gerade von den Welser’schen Fak­ toren ausgerüstet wurde und auf zwei Schiffen nach Venezuela abzusegeln bestimmt war. Als jedoch durch heftige Stürme die Abfahrt mehrmals vereitelt wurde, verlor sich bei ihm die Lust, eine so gefährliche und weite Reise mitzumachen, wesshalb er sich beurlaubte und über Holland nach Nürnberg zurückkehrte. Hier kam er A. 1538 in das Bauerngericht, A. 1541 wurde er Pfleger in Engelthal,**) A. 1555 Richter zu Wöhrd und A. 1560 Stadtrichter zu Nürnberg. Er hat sich, wie aus seinen eigenen Aufzeichnungen ersichtlich ist, fünfmal verheirathet und soll, wie behauptet wird, auch seine fünfte Ehewirthin Ursula, geb. Dörrer, überlebt haben. Er starb am 31. Januar 1573. Aus seinen handschriftlichen Auszeichnungen wird nun Nach­ stehendes entnommen, und zwar I. aus der Köler Wappenbuch (german. Museum N. 2910).***) Ittem, alss ich in Sevyllia bey Senor Latzarus Nürmbergerf) 4 in *) Nikolaus Federmann Latte schon in den Jahren 1529—1531 den Weisem in Venezuela Dienste geleistet und einen kühnen Entdeckungszug in das Innere des Landes ausgeflihrt. Er war A. 1532 nach Europa und nach Augsburg zu­ rückgekehrt und hatte sodann seine Reiseabenteuer niedergeschrieben, welche Beschreibung unter dem Titel: „Indianische Historien“ zu Hagenau im Jahr 1557 im Druck erschien. Diese alte und seltene Druckschrift befindet sich in der K. Hofbibliothek zu München. **) Ein vormals nürnbergisches Pflegamt. ***) Die Erklärung der häufig vorkommenden spanischen Wörter ist der Gefälligkeit eines bewährten Sprachforschers und Kenners am germanischen Museum zu verdanken. f) Nürnberger, eine nürnbergische Familie, von der mehrere sich als Mttnzmeister bekannt gemacht haben.

323 5 monatt auff sein kostung ward und er mich an seiner Taffeil sitzendtt anderst nitt hieltt, dan wer ich sein son, wollt er mich pr. armada nach dem Stretzo Mavillion*) schicken, ist von Sevyllia 3 taussendtt meill. Do aber diss kein Fürganck hett, warden eben die Barthelmeus und Anthoni Welschsserischen (Welserischen) von Augspurg Factoren in Sevyllia mitt irer Armada in der Rüstung; verhiessen mir doppeltten sold und gutte parthiden;**) Jörg Koch sagtt mir zu, ich bedörfft mich weder zu inen versprechen noch verschreiben, sollt inen allein disse Reiss diennen &c. Also kam ich in iren gewaltt. Sy machten mych auff ir einem Bissgeyschssem (Bissgaischen) Gallionschiff in 3 monatt Spenssirer ***) oder Pfeningmeister und hernach zum Scholdedusf) mitt einem Armbrost von Niklas Federmann Printzipall Capittanj pr. 200 Pferdtt. (Der) ft) beschluss auch mitt Jörgen Koch, Cristoff Hessler , Jörg Hochermutt Gobernattor, all von Memingen geboren, Hanns Felle von Augspurg unnd Jakob Rein­ wald sambt Anderes Gundelfinger von Nürnberg Mayher domo, fff) das zwey Armadaschiff, (davon das eine) di Sancta Drynnydad, darauff ich ward, hiess, (das andere) La Nostera Senora qua di Lupa genantt, mitt mell und wein belast, mitt drey kleiner Fenlein, Knechtt pr. Vinizolle gerüst wurd &c. Also mustertt man uns offt, gab uns aber nye kein geltt, sonnder man orduett'uns all: die Büchssenschützen zu iren Scopetten,*f) die Rodellirers*f+) zu iren Rodellen, und wir armbrustschützen musten zu unsern *) Stretzo, ital. Stretto, Meerenge, Wasserstrasse zwischen zwei Ländern. Von einer Strasse Mavillion ist nichts bekannt, vermuthlich ist die Strasse Magellan gemeint, da &c. Köler.die Eigennamen häufig ganz ungenau, so wie sie eben ihrem ungefähren Laut nach seiner Erinnerung noch vorschwebten, niederschrieb. **) Parthiden, v. ital. partito, span, partido, Uebereinkunft, Bedingung, Vertrag. ***) Spensirer, Zahlmeister* f) Scholdedus = scultetus, Schultheiss, Aufseher, Obmann. ff) Die hier und im folgenden Satz eingeschlossenen Worte finden sich in der Original-Handschrift nicht, scheinen aber ergänzt werden zu müssen. fff) Bezüglich der hier genannten Persönlichkeiten ist zu bemerken: a) Nikolaus Federmann, welcher als Prinzipal - Cap itain bezeichnet wird, scheint der oberste Befehlshaber der Expedition gewesen zu sein. b) Der von den Weisem im Jahr 1534 als Gubernator von Venezuela er­ nannte Georg Hohermuth wird gewöhnlich Georg von Speyer genannt, weil er sich vermuthlich vor seiner Ernennung zum Statthalter von Venezuela in Speyer auf hielt. Von Geburt war er, wie Köler behauptet, ein Memminger. c) Hans Felle von Augsburg ist ohne Zweifel Hans Vöhlin der jüngere, Enkel Konrad Vöhlins und der Katharina Welser. d) Jakob Reinwald soll wahrscheinlich Jakob Rembold heissen, von dem zu vermuthen ist, dass er in Diensten der Welser gleichfalls in Venezuela war. Später war er Theilhaber an dem Welserschen Handlungsgeschäft. e) Anderes Gundelfinger, Major domo, war aus einer Nürnberger Familie und hiess gewöhnlich Meister Endres. *f) Scopetten, ital. scoppietto, span, escopeta die Büchse, Flinte. *ff) Rodellirer, der mit einem Rundschild (span, rodela, ital. rotella) be­ waffnete Soldat.

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834 armbrosten, und ein yeder, so in der Welschsser (Welser) Landtt woltt, wurden auffgezeichnett in Sevyllin, in' Casa della Contterastacion mit zweyen testüs, so unsere ellttern kentten und unsere Freunth, das wir gutt leuth und Cristen weren, Scuramenta (Eidschwur) für uns thun, do wurd auch ich samptt meinem vatter mutter und der statt Nürnberg für gutt eingeschriben, des gab mir Zeugcknuss Senor Latzerus Nürnberger, Hanns Lonner von Marek Erelpach, noch hett ich Andreas Gundelfinger zum pesten, so es von nötten wer gewessen &c. Ittem darnach mustertt man uns und schrib uns und ordinirtt uns, musten also della Sconpardia*) oder ins Seiffenhawss für der Welschsser Hawss alla Dryanna**) über die langen Brück des Bios in Sevyllia durch .die ganze Ordnung ziehen mitt dreyen schönnen Fenlein, meines Capittanj und der Welschsser Parb wassrott und weiss, die zwey andern der Capittanj die pennes ***) genandtt von kay. Mytt. wegen , der Färb war rott, weiss und blaw mitt Burgundischen Creutzen, trugen und beleitten disse drey Fenlein in ein Kirchen, war ein Closter, da sing man ein schönne mess und weichett disse Fenlein, so zugen wir fortt alle trianna. Darnach bescheid man uns pr. Sanct Lucar, uns in zu barckiren; da thett ich mich in der Welschset parcken von Sevyla nach Sanct Lucar, da ich und mein gesellschafft dan vill gefer inen erliden. Dan disse Marinneros f) warn Moren und künden nitt woll mitt,tf) Dessen uns an landt setzen, giengen forttan ein langen weg zu Fusss gen Sanct Lucar. Da müestert man uns sechs hundttertt, vorttftt) in ein Barfüsser kloster vor der statt, da man uns auch fürhieltt, wie das wir dem Gobernattor den Eydtt thun müsten, im zu helffen streitten wider die Indianer, umb Eher und gutt zu erlangen, auch die Indianer mitt dem schwertt zu trobern und Cristen zu machen und dem Gobernattor aus kay. Mtt. befellich untherthenig zu machen, auch die erst profintzen so wir gewünen, oder das erst landtt wer wir*f) geobligirtt, was wir da uberkemeri, dem Gobernattor uberanttwortten müssen, alssdan würd er dasselb ausparttiren unser yedem nach lautt kayer. Mtt. beveelich, davon wer dan unser ein yeder dem mergemellten Gobernattor schuldig, achtt Ducat für passassy*ft) zu bezallen, welchem aber von den Herrn einig Armada ge­ liehen wer, sollt 4 Do.*ftt) mer zallen, mit mer des Kayssers und der Herrn gebührd**f) etc. Ja fir so vill must er von im geben, das er zuleztt nitt vill behaltten hett. War die sag, es müst yeder zechen Jar im

•) Sconpardia, vergl. ital. scompartito eingerichtet, geordnet. **) Dryanna, Trianna, Triana grosse Vorstadt von Sevilla, am rechten Üfer des Guadalquivir. ***) Derselbe kommt auch mit dem Namen Joachim de Pennes vor. f) Marinero span. Schiffsmann, Matrose, ff) künden nitt woll mitt, wussten nicht mit uns umzugehen, wussten nicht Bescheid. ' fff) vortt, fortan, weiter seil, giengen wir. *f) wären wir. •ff) Passassy, span, pasage, Ueberfahrt. •fff) vermuthlich ducado, eine spanische Goldmünze. **f) Gebühren.

325 landtt bleiben, wass eim dan von notten, müst er von den Herren umb zweintzig wertt**) bezaltt haben, dan ein pippen**) weins würd pr. 100 Do. und ein pippen melb***) pr. 50 Do. unther uns zu verkaufen von den Herren angeschlagen, welcher dan krank und nitt zu kaufen mer vorhanden istf) mus nian wurtzell, krautt und solich Ding essen, das uns hie zu landtt unmöglich ist, on das dasselb landtt den Teudttschen sunst so ungesunth, das es nymer keinem in die leng zu vertragen, wie dan bei den 80 Berckgesellen und andern zu erkennen &c. Ittem man hieltt uns für unser Eactzion all tag in essen und trincken, das man uns auf dem Meher und disser Eaiss dreyen menschen geben wolt t*/2 somerff) weins, x/2 somer wassers, ist bedes bey einer Nürnberger mass etc. Ittem drey tag würd man uns in der Wochen Fleischs geben qua del dj 3 perschonn ein U +tt) fleischs und 4 tag vischs all tag 3 perschonn 1 U und Biscotzy *1) genuch etc., welches geding uns aber hernach nitt wurd gehaltten. Nichts dester weniger mussten wir schweren auf berürtte Arttickel etc. unnd schlissen also unser geschützs los und zuegen wider mitt unsern Fetzen, *tt) trumep und pfeifen in Sanct Lucar. Adj. 18. October a° [34] musten wir all uns von Sanct Lucar in parckiren und zu schiff gen. Also gieng wir di 19 ditto ze seil *ftt) im namen Lob und Eher gott des almechtigen p. Las Indias nach Venizolle auf Petter Marcus Naffe**f) In meiner Eott waren Hanns Lonner, Nicklas Crado dell, **ft) Andereas Gundelfinger, ein albones, mer in meiner Eott Hanns Friess, Diemuttschneider von Augspurg, Bennedicktt ein buchdrucker, petter Müllner ein berckhewer, ***f) auss der Schlessy, mer zwen fleming,***ff) ein brobbierer***fft) von Brüssel, Hanns genandt, der ander ein Zinnoberbrenner von Anttorf, Calliustus und sunst noch drey fleming, die waren nitt in meiner Eott, auch war in dem schiff, darauf! ich war, und Petter Marcus oberster Schiffer, unser Capittanj Murgo und Hanns Felle &c. auff dem andern des Gobernattors schiff war er und Andreas Gundelfinger als Major domo, Frantzs Lettzelttner t*f) des Gober­ nattors Spensiro und mayster Lucas Balbiro von Augspurg. Wie wir *) zwanzigfachen Werth. **) Pipe, span, pipa, ein spanisches Wein- und Oel-Mass, etwa 6I/3 Eimer preussisch. ***) Melb, Melw, Mehl. f) Wenn dann einer krank oder nichts mehr zu kaufen vorhanden ist. ff) Sommer, ein spanisches Maas ftir Flüssigkeiten, fff) pf. pondus, U auf den Tag ftir 3 Personen 1 U Fleisch. *f) Pisscotzy, ital. biscotti, Zwieback. •ff) i. c. Fahnen (die geweiht worden waren). *fff) se Seil gehen, unter Segel gehen; vergl. unten seilen. ••f) Naffe, Schiff, span, und ital. nave. **ff) Nicklas Crado des Andreas Gundelfinger seil. Diener, Angehöriger. ##fff) Diamantschneider. ***f) Berghauer, Bergmann. ##*ff) Fleming, le Flamand, Flamänder. •••fff) vermuthlich Barbirer. f*f) Franz Lebzelter aus Ulm.

326 aber nun in 200 meill im meer waren, hetten wir tag und nachtt dickmals*) die grösten stürm, das wir uns manigmall verloren scheztten etc. Und auff 21. Octobris das grosse Thurmentt **) und Forttuna, ***) das wir uns für todtt scheztten unnd uns alle gott bevalchenn und gelübtt thetten, wir wisten nitt, wo wir waren, der tag verwandtteltt sich in die nachtt, das gewülcken zoche sich herab auff das meer und das meer hinauff in die wolcken, und fiell so graussam wasser vom himel, das unser ein tayll schir auff dem schiff ertruncken weren, in Somma, da unser sach besser wurd, vermercktt wir, schonn 6 meill von Lissabon waren, also hett uns diss wetter zuruck getriben in wenig tagen und stunden aus dem Occeannischen meer für Anttelossia, Hoch-Spania und Porttugall mer dan 500 meill und von dan wurff uns der Windtt wider in das gross Occeannischs meer, das wir also in fir (gott hab lob) wider hinther sich lieffen nach dem halfen in Callis. f) Ittem am 30. tag ditto hetten wir wider ein gross Thurmentt und Forttuna, in dem verluren wir hinther uns des Gubernattors schiff und sorgtten, es wer verdorben. Da war es in dem Haffen Sanct Lucar eingelauffen, und sy mayntten, das es mitt uns geschehen wer, da uns der Gobernattor aber erkundttigett, empott er uns, mit unserm schiff auch nach Sanct Lucar zu seilen, ff) das wir auff adj. ultto. ditto versuchtten, aber vor Conttradftt) des windtts nitt fortt künden. Musten also wider unsere ancker werffen auff dem Weg vor grossem Thurmentt unnd zu morgenst wider zurück in den Haffen Callis, dan wir hetten schirr" an landtt geseltt, unser rechtter Pillott wass an landtt, machtt gutt schirr *t) wir aber musten ein andern hyren*ff) oder bestellen, welchen man hernach nitt zallen woltt. In Somma Sommarum böss Kegimentt wass unther den Marineros von allerley sprachen, ein taill Schottis, ein taill Englischs, Fleming und der maiste taill Bissgayer und Spaniartt und Tallianex (Italiäner), allerley 30 menschen, der verstiindtt keiner den andern in der nott. Es waren auch ein taill Ostlennder darünther, wan einer so redtt, so sagtt der ander sunst,*ftt) dadurch dan manches schiff verdirbtt. Es was auch unser schiffman offt so verzagtt unther inen, das er sich mer dan einmall vor angst hinther den Mastbaum verkroch unnd sein Harr aussraufft, sprach auch, er hett nu in die 25 Jar auff dem Meer geseltt, wTer zu Callacutt gewessen und in kayser. Mtt. India, und hett das spanischs meer mer dan 18 mall passirtt, es wer im aber dergeleichen nye begegnett, so geferlich alss dissmalss mitt sein schiff knechtten, man hett im die zugeben, wie man die dissmalss bekomen möchtt. Dan *) dickmals, oftmals. (Schmeller) **) Thurmentt, span., ital. tormento, Marter, Qual, Pein, Noth. ***) unglückliches Schicksal, Missgeschick. • f) Es scheint Cadix gemeint zu sein, doch nennt &C. Köier an einer an­ dern Stelle auch die Stadt Calais — Callis. , ff) seilen, segeln. fff) Conttrad, d. i. contrariedad, span. Widerwärtigkeit. *f) Gut schirr oder gut Geschirr machen, franz. faire bonne chere, herrlich und in Freuden leben. (Schmeller) *ff) hyren, niederd. hüren, miethen, dingen. *fff) sunst, sust, sonst, so (Schmeller).

327 wir selltten**) gleichwoll ,auss wider der nattur läuff im Oktober und November, alda sunsten und im Marzo nitt gewonlich zu naffiren ist**) und von Königen unnd Kayssern verbotten, darmitt nitt so viil schiff und leutt umb den Halss körnen, aber man last es yeztt nitt, man wagtt es gar dür, so versincktt und ertrincktt man auch gar thür,***) unnd verlachtt sy darzu, unnd in solchen gefaren lassen offt schiffleutt schiff und sellf) gen> wie sy gen, also verzachtt werden sy offt, darzu sy dan Gobernattor und Capittanj offt zu irem schaden auffreden und brengenft) die gutte armen schiffleutt etc. Da ich riuu dis und anders meher, so nitt gutt ist, erfuer, besach ich, wie ich disser schweren pürden loss würd, liess mich und Hanns Friess an landtt setzen, die weill vor uns und her­ nach vill Spaniartt waren ausgetretten, so suchtt unser yeder Kemediftt) wie er der Ding los würd, und fure ich unnd Hanns Friess mitt der Marina p. maria portt, wollten for*f) p. tera*ft) nach Sanct Lucar, dem Gobernattor umb Liczencia zu zesprechen, die weill auch kein Spanigartt mer bleiben woltt. In dem wass er aber selb p. Callis, so must ich wider in Callis. Da nam ich von ime Urlaub, das must er mir mit einer gutten postpart*ttt) geben. Auch mein Cassa und Arma aus dem schiff nemen, doch sagtt er , ich soltt mych mitt Petter Marco umb die kost vertragen, und lies mich nitt gern etc. Da must ich im für all Wochen ye für eine 1/2 Do. zallen, wie ander mer.**f) So gieng ich tortt in ein parcken sambt Hanns Friessen p. maria portt und fort p. tera inn Sevillia &c. Allso kam ich von disser schweren dienstparkeit, die da woll pillig genantt wirtt ein fretterey, **ft) schmarotzerey nnd schintterey, des gab mir gott Kemedi. In Callis kam ein gutt frum man zu mir von Augspurg, Mathes Mayer genandtt, welcher zu Callacut und ins Königs von Porttugals Indias lang gewest und hernach auch in dissem India der Welscher; disser gutt man warnatt mich fast, desgleichen unser eigener Schiffer und Contteramaister oder Hochpotzsmann, was ich mich Zeichen woltt, **t+t) dan ich mitt leben von disser schweren Keiss nitt körnen würd in 10 Jaren, ob ich so lang lebtt, dan es wer für uns Teudtschen nitt dasselb ***t) landtt, dan sy es ser woll kentten, welcher gleich mitt lebenlang dorten wer, müst zu leztt in geschwulst verschmachten; solchermassen wurd ich von villen

*) segelten aus, fuhren ab. **) naffiren, schiffen. ***) dürr, thür, keck, verwegen. Grimm, Wörterbuch II. 1741, e. f) seil — Segel. ff) auffbrengen, aufregen. Grimm, Wörterbuch I. 630, 7. fff) Remedi, span, remedio, Mittel, Hülfe. *f) for, zuvor, erst. *ff) zu Land. *fff) Postpartt, span, pasaporte, Reisepass. **f) wie andere auch. **f+) Fretterey, kümmerliches Fortkommen. **fff) was (wes) ich mich Zeichen (zeihen) wollt, wes ich mich getrosten, worauf ich mich verlassen wollte. (Schmeller.) ***f) (jas uns gewohnte,

838 leutten gewarnett, gedachtt ich mir von gott gesagtt sein, wiewoll mir die Welschsserischen zuvorn und Latzero Nürnberger all Ding vill besser zu versten hetten geben. Da ich aber alle Duck und untrew erfuer, gedachte ich, wie ein köstlich Ding es wer, auch wie göttlich, ein wenning zu Hawss mit Dancksagung genossen, dan sich in solche grosse gefar zu begeben in ein landtt, das nitt gesunth, da auch weder zu drincken noch zu essen ist, allein böss Wasser, Wurtzell und Krautt, auch da man die armen leutt uberpoldttertt, erwürgtt und inen das Ir nymptfc allain umb ein wenig schenttliches goldes und Silbers willen. Darnach will man sagen: Ey man muss diss volck mitt dem schwertt zum cristlichen gelauben nötten, auch sy dem Kayser unthertenig machen zur merhung der Christenheitt, ich besorg aber, es werd gegen gott einer andern schwerem Rechenschafft bedorfen etc. — Ittem als wir zu seil p. Jas Indias gen wollten, wie auch davornnen berürtt, hetten wir Nicklas Federmann von Sanct Lucar abgeferttigett, kam vom Connttrad windtt 8 mall wider ein unnd ettlich schiff mit im, so vor ime zwey monatt ausgesellt hetten, eines tails an*) gutt, eines tails an seil, eines tails an masten etc.; vill pliben gar aussen, nichts dester weninger, alss gemeltter Federman zum virdttenmall ausseltt, kam er erst fordtt unnd hett den bevelich, so er gen Sanct Dommenigo kern, da solfct er 200 pferd mitt im p. Venizolle bestellen und unser wartten**) also wen wir dahin kernen, dieselben pferd mitt schellen und schlittenge­ zeugen behingen unnd 200 man Rodellierers darauff beritten machtten, welche im landtt also poldtterendtt umbschweifften, auf das sich die Indianner dester er***) ergeben, so waren wir die andern 200 armbrustschützen auch zu unser Rüstung gemun'stert und die Büchssenschützen dergleichen &c. Ittem so hetten wir vill grosser Hundtt mitt uns, das wir in somma all unser Rüstung weder mitt Hellepartten, lange spiess noch Harnischs bedorfften, sonnder wass leichtt wass, als leinene Hossen, ellendttheuttene goller, Wames mitt paumwollen aussgefüdttertt und schuch aus stricken gemacht, albergattusf) genantt, und Ellentzsheuttene Hüettlein auff, alles gutt für der Indianner vergifftige pfaill zeschiessen &c. auff das kürzste hiemitt angezeigtt etc. —

II. In einem andern Heft, betitelt: 1507. Ein allt Geschieht- und Wappenbuch (germ. Museum Nr. 2908) findet sich nachstehende weitere eigenhändige Aufzeichnung des Hieronymus Köler: Laus Deo (1584) ett honnor. Nun yolgtt unser munster Zug in Anttelossia oder Hoche-Spaniga, der kayserlichen Statt Sevylia fürgenommen, auch wie wir uns in Sanct *) an = ohne. **) Nikolaus Federmann kam hienach allerdings früher nach St. Domingo als Georg Hohermuth, nach Coro sollte er aber nicht früher kommen als letzterer. ***) Er, d. i. eher. f) alpargata, alpargate, span, grober Schuh der Landleute, aus Hanf oder Binsen geflochten.

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Lucar zu hauff imparckirtt haben piv las Indias, doch so wir dahin an landtt woll ankomen unnd also unser ortt erreicht hotten, das wir uns in 3 taili ins landtt eintaillen und ziehen soltten, gegen den nackenden In­ dianischen leutten zu streitten etc. Das ortt und Innsell,*) darnach wir uns rüsten, heist Vinizolla, ligtt von hie, der statt Nürnberg, bey dreyundzwaintzig hundttertt teudtschs meillen gegen Orienns**) zu undzweyhundttertt meill von der silberreichen und gesunden Insell E. N. Ria de la platta, da so vill der Greifen Vögell sindtt; ligtt auch fünffhundttertt meill vonPeruo, dergoldtreichenfruchttparen undguttlendigenInnsell***)etc. und ist an irf) selbst (wie man vermaynndt) bey fünffhundttertt meillen umb sich gross begriffen, wie woll mans noch nitt eigendtlichen weist. Dan sy von den Spanigartten bisshero anno 1524 noch nitt gar eingenomen, noch allendtthalben besuchtt, dan vill Yolcks, auch Teudtschen, auff dem Weg, die zu erobernn, umbkomen ist, dan man verhofft, vill golds und Edellsgesteins alda mittler zeitt zu bekomen. Disse Innsell ist volkreich, (die Einwohner) dunkler gelber Färb, mitt vierecketten angesichtten,ft) schwachs leibs und nitt wie die Barbariscus, Weissen, moren oder türcken stark gross leutt sindt, sy haben geren wollechtt und der maiste tail schwarzes langes Harr vor dem angesichtt, kein bartt, sy ziren ir harr mit Rossschwenzen und ettwan ir arm und halss mitt Dürckossen und anderm edlen gestein, sy behängen sich auch voll pappigaisfedern umb die schäm, ettlich thun auch schaffsfell an, wass tapffer unther inen geachtet wirdtt, machen ein Loch dardurch, zichens an Hals herab über den leib und keren das Rauch heraus und bindens mitt laubwerk Raissig oder Widen umb den leib, sy gen auch sunst man und weib alda*nackendtt unther einander, tragen Köcher und bogen, darmitt sy schiessen vergifte pfeill, ettlich haltten sich allein der schleudern und steinwerffens und andere iren prügell oder Kol­ benstecken etc., das ist ir weer. Wass sy von Wurtzlen, Kreuttern und sunst von Früchtten, auch pappigaien und tiren und vischen zur speiss nyessen, pratten sy zwischen zweyen steynen an der sunen und haben ir speiss fast alle gemeynn und deren genug, aber böss faulls Wasser ist ir getranck und betten stern, sun und mon an, ettlich schlangen und würm, haben der maiste taill ire wonung in • gepirgen und Höllernn, ir thürgestell haben sy gemeinlich mitt goltt überzogen, und ir gefess zum Wasser ist ettwan fff) lautter goldtt gefatzenirtt, wie unser yrdene Krüg hie zu landtt seindtt. Sy machen auch ettwan ubttgöttische bildt von lautterm goldtt in gestaltt des bössen geists, eren sy,, fallen vor inen nider und haltt sy

*) Man stellte sich damals das Land Venezuela immer noch als Insel vor. **) Eine Verwechselung mit Occident, die sich Hieronymus Köler nicht hätte zu Schulden kommen lassen sollen. ***) Also auch Peru wurde für eine Insel gehalten. 4) nehmlich die Insel Venezuela. ff) Man darf nicht vergessen, dass die ganze nachfolgende Schilderung der Be­ völkerung von Venezuela auf Hörensagen beruht uud aus derselben nur zu ent­ nehmen ist, was für Vorstellungen hierüber unter den Leuten, die den Zug nach Venezuela mitzumachen gedachten, herrschten.

44t) etwan, zuweilen (Schmeller).

830 hoch, wie ich dan auch diser abgott einen geschehen (gesehen) hab. Gott erbarme sich disser armen loutt aller. Amen. Im ersten gelid waren 6 perschon*) mitt schallmeyen und Sackpfeiffen. Im anderen gelid 6 pfaffen oder leyenprister mit prennetten liechtternn, messgewandtten und anderm alttar gezeug und glenzslichen Dingen. Im dritten gelid 6 perschonn mitt pussaunen unncj Trumetten von heller stym erschellenndtt. Im 4 gelid 6 Münich, prediger Ordens, mitt patternoster und vergultten pildernn. Im 5 gelid 6 perschonn mitt Trumlen und herpaucken. Im 6 gelid 6 Münich, obsserfantzei barfüsser orden mit büchernn und Crucifixenn etc. disse gaisbliche Vetter**) solln göttlicher Meynung und mit listen diss Indianischs Volk an sich gewennen, auff das sy sich tauffen lassen und mitt der zeitt den cristlichen gelauben lernnen durch ettliche auss andern Insullen, Indianische Totmetzsten (so auch spanischs künden), ob sy die besser une eher versten lernnen möchtten, dan uns, die hetten wir mitt (mit) iren Tarschssen***) und Kirchengezeug, wie obgemeltt, mit gemaltten tafflen und bildern, die soltten sy lernen erkenen, nach wem sy pildtt weren, wass Cristus und die Heilligen sein, warumb er und sy gelitten, wass Evangelium und die geschrifft inheltt und enttlich, wie sy sellig mügen werden und ein ewigs leben nach dissem haben. Wie dan bey uns Cristen auch gepredigtt und iref) lange voraltte vorellttern und vorfaren ettwan auch geglaubett und in irem sterben aprobbirtt haben etc. Disse wilde leutt diss und alles guttes anzureitzen, muss man gemach mitt inen umbgeen, dan sy von menschlicher gedechtnus und biss sy die spanigartt erkundigtt, nye nitt andtterst gewist, dan sy seind und leben allein in disser wellt, da sy erstlich Eoss und man gesehen, habens nitt andtterst gemaynndtt, dan Eoss und man sey ein Ding. Man muss sy gewennen mit schellen Margarittas und anderen glenzs­ lichen Dingen, inen fürwerffen und schenken und fein also anezenft) und loken, wie ein vogell, biss sy der leutt ein wenig gewonnen, man muss auch ettwan ir einen, so sy mitt gutten nitt wollen, fachen (fangen), in auff unser manir klaiden und wider in zu inen lassen lauffen, auff dass sy sehen, das wirs mitt inen nitt böss maynnen. So sy dannoch nitt wollen, sagen obgemeltte Vetter,fff) mög man woll in sy brechen und ime ein jeder nach einer gutten peutt trachtten, wie man dan thutt, man jagtt inen nach mitt Hunden und pferden (wie volgendtt angezeigett wirdt) und allem gerumpell, man schlechtt

*) perschon, Personen. **) Vetter, Väter. ***) Tarschssen, Tartsche ein kleiner Schild (Schmeller). f) Hieronymus Köler scheint der Meinung gewesen zu sein, dass die Be­ wohner des Landes auch von christlichen Voreltern abstammten, ff) anezen, anätzen, durch Futter anziehen, anlocken, fff) Es sind hiemit die obenerwähnten geistlichen Väter gemeint, deren Ausspruch dann die gegen die Indianer verübte Gewalt rechtfertigt.

331 und scheust in sy, wie die wüettenden Eundtt zu todtt, *) nympt inen ir gold und Edellgestein mitt gewaltt, damit man reich werd, land und leutt überkum. Wir fürtten mitt uns auff disse Reiss auch Mell und Wein mitt, auff dass wir uns dester lenger erhaltten möchtten,. auch Zimerzeug zu Heusser bawen etc. Wie cristlieh aber solches fürnemen sey, bevelich ich einem yeden verstendigen zu urttaylen, mit solchem Rauben und Würgen soll es dann heissen, die Cristenheitt meren und kayer Mjtt. das Volk untherthenig zu machen, gott schicks zum pesten. Amen. Im 7 gelid volgtten vill Winden (Windhunde) und ander böss hundt. Im 8 gelid vill englische und ander grosse hundtt mitt iren füreren und beleiternn. Im 9 gelid waren 6 perschonn zu Ross mitt schellenzeugen behängen, in dissem gelid ward unser Gobernattor Senor Jörg Hochermutt von Memingen und die peness,**) haubttleutt, alle auff leichtten pferden mit iren Rodellen und Ruppiren. Im 10 gelid waren auch wie disse, ***) darunther Hiclas Federman, printzipall Capittanj. Im 11 gelid waren auch wie disse, darunther wardtt Andereas Gundelfinger von Mürmberg Mayor Domo etc. Im 12 gelid waren auch wie disse, darunther wardtt Einer von Hutten ein Edelman.f) Im 13 gelid waren auch wie disse, darunther ward eil capitanj Murgo. Im 14—19 gelid waren auch wie disse, 6 perschonn. Im 20 gelid waren 5 perschonn mitt halben Hacken ft) und mitt irem Conttesstabell. Im 21 gelid waren auch wie disse, 5 perschonn, darunther ward Hanns Friess von Augspurg, ein Diemanttschneider. Im 22 gelid waren auch wie disse, 5 perschonn. Im 23—29 gelid waren auch wie disse, 5 perschonn. Im 30 gelid waren 5 armbrusfcschützen, darunther ich Iheronimus Köler der fürnembste wardtt etc. Wir armbrustschützen waren gerüst mit langen armbrüsten, die waren stehelin, und die Winden an der gürtteil hangendtt, also baldt auffspannen möchtten, und unsere Köcher mit gutten verstahaldten und spitzigen pfeillen, waren gekleidtt mit thiersharen ausgefültten Wamessernn, hetten Sturmhauben auff, wie die alltten Römischenn helmliniein, gemachtt aus Ellendtsheutten etc. Im 31—39 gelid waren auch wie disse, 5 perschonn. Im 40 gelid waren 5 perschonn mitt iren Rodellen, waren gekleitt mitt Ellentzsheutten, die sind gutt lüfftig und für die gross Hitzs *) Man schlägt und schiesst sie wie wtithende Hunde todt. **) der schon oben erwähnte de Pennes. ###) nemlich auch 6 Reiter mit schellenzeug befangen, f) Philipp von Hutten von Birkenfeld, welcher mit Barthelmä Welser dem jüngern in Venezuela ermordet wurde. Conf. Zeitung aus India Junckher Phi­ lipps von Hutten in Joli. Gg. Meusels hist, lit, Magazin I. Thl. und Klunzinger, Antheil der Deutschen S. 66. flg. ff) Eine Art Feuergewehr.

332 der sunen und für das schiessen der vergiften pfeill disser Indianner hetten auch an Wamesser mit paumwollen aussgefültt und weit leynen püxenn*) oder hossen, die barett. oder Helmlinlein mitt federnn geziret. Die scheiden mitt den Rappiren mit weissem plech umbschlagen, auff dass alle Ding dester besser und langwiriger weren möcht. etc. Im 41—45 gelid waren auch 5 Rodellirers wie disse. Im 46 gelid waren 5 perschonti mit parthissannen. 47) Nun folgen die drey fenlein nach 6 perschonnen mitt Trümell und pfeifen. Das erst fenlein wass gelb, weiss und rossinfarb, mit 1 Burgundischen 3) grossen Endres Creutz und feureissen, zu gedencken, dass disses fürnemen mit vergunsh und willen kayer. Mjtt. geschech etc. 48 Das ander fenlein neben dissem wass rott und weiss getayllt, zu 2) gedencken, dass disses fürnemen und Rüstung im Dienst und von wegen der Herren Barthelmeo und Anthonj gebrüder, die Welscher zu Augspurg geschech etc.; auff der linken seitten das dritt *) **) fenlein wass weiss undplaw, zu gedencken, das wir auf unssernn Gobernattor und Haubtleutt vleiss und achtung haben sollten. Und hieltt der yedes für ein kleins fenlein gerechnett mer dan 200 wolgerüster perschonn etc. Im 49 gelid waren 5 perschonn mit parthissanen. Im 50 gelid waren 5 Rodelirers mit iren Rodellen, Rappirn und tragen glenlein,***) darmitt sy stechen, werfen und ser vil mitt ausrichtten, wie ir dan zum taill dafornen gemeltt sein. Im 51—55 gelid waren auch 5 Rodellirers wie disse. Darauf volgtt der Tross, als balbierer, maister Lauus von Augspurg heltt Haws zu Wilwauf) in Pistgaye, schuster, Schneider, Zimerleutt, steckenknechtt, profossen und ander mer, so zu disser Rüstung dienlich gewesen sein etc. Ittem unser zweyen war erlaubtt, ein kistenn mit bistcotziff) und vittalliattt) -mitt zu nemen, so hetten wir uns gerüst mitt schuchen auss stricken gemachtt oder schnüren, die über hartt gebirg für hitzs und wasser gutt sein, haben uns in Spaniga die seiller gemachtt, mer hett wir Wein­ flaschen auss gaissheutten gemachtt, das Rauch hineingekertt, die heissen Buratzy, *f) hett ein yeder eine mitt Wein, der ander mit Wasser unther den gürttell und die Ermell mit kes und brott, und am plossen haubt waren unser vill mitt gutten drieckeden schweissthüchern versechen, auff türkischs auffgesetztt etc.

*) Püxen, Büchsen, Hosen. (Schmeller). **) Die aussenstehenden Ziffern 1 2 und 3 scheinen die den Fähnlein eigent­ lich gebührende Reihenfolge anzudeuten. ***) Glenlein, kleine Lanze (Schmeller). f) Bilbao. ff) Bistcotzi, Schiffszwieback s. oben, fff) Vittalia, Lebensmittel, Viktualien. *f) borracha span, kleiner Schlauch zum Aufbewahren des Weins, ital. borracia.

333 Ittem, als ich Iheronimus Köler disser Zeitt in Hispaniga war, seindt Zeittung aus Las Indias körnen, dass an ettlichen orfcten alda der gebrauch ist, so yemandtt altt oder tödttlichen kranck wird, welches sy dan wol erkennen mügen, so kumen seine liebste und negste freunth, schneiden im fluchs die Kellen ab und hclffen im also von der martter, zertaillen seinen leib, kochen und fressen in, was über pleibtt, henkens in Rauch, ich hab disser messer selbst zwey gehabtt und zu Cölln gelassen, wie dafornnen in dissem buch auch vermeltt ist. Sy spaltten auch ir holzs alda mitt, dan sy schneiden woll und haben sunst kein eissen werk etc. Disse und andere Wunder werk haben mich dahin brachtt im Dienst vorgemeltter Herschafft, das ich mich mitt yorgenantter Rott pr. Yenizole auffgemachtt hab, dan sy*) dürften auss Spaniga dahin seilen (segeln) lassen auff iren Kosten und abenthewr, wen und so offt sy wollen, doch dass sy wegen kays. Mjtt. die landtt einnemen und das Volk Cristen machen, lassen tauffen und ime untherthenig machen, neben dissen mügen sy gegeneinander iren pessten Nutzs schaffen, als mitt tauschssen, stechen und brechen, doch das in alleweg kayer. Majtt. iren taill mitt hab. Darumb ich dis pr. memory gemachtt hab, auch mit zwey gearmirtten Gallionschiffen auff disse Reiss mich begeben. Nachdem wir aber dreymall auss Anttelossia und Sant Lucas aussgesellt sein, haben wir vor grossem ungewitter, Tempest und Conttradi Windt wider zurückgeschlagen gemusst, auch so unglücklich und abentheurlich unds sunst zugestanden ist, dass ich frey von disser Reiss wider ablassen must und ein anders für mich nemen und zurück kerenn. *) die Welser.

Joh. Mich. Ant. v. Welser.

Zur Geschichte der Welser in Venezuela.

Unter Bezugnahme auf das, was bereits im Eingang des Artikels: „Aus Hieronymus Kölers Aufzeichnungen“ angeführt wurde, sollen hiemit einige weitere Nachrichten über der Welser Herrschaft in Venezuela mitgetheilt werden. Auf der Kreis- und Stadt-Bibliothek zu Augsburg befindet sich nemlich, zwar nicht im Original, aber doch in sehr alter Abschrift: 1) die Entwürfe zweier Briefe in spanischer Sprache, der eine vom Februar 1543 von Bartholmä Welser, der andere vermuthlich von Jakob Eembold, gleichfalls aus dem Jahr 1543, beide an einen gewissen Franz Davila in St. Domingo gerichtet. 2) ein Brief Bartholmä Welsers an Bartholmä Mai, Welser'sehen Faktor und Bevollmächtigten in Madrid, vom Februar 1547. Die durch sprach- und geschichtskundige Männer angefertig­ ten Uebersetzungen der beiden ersten Briefe in die deutsche Sprache lauten nun, wie folgt: I. Brief Bartholmä Welsers vom Febr. 1543 an Franz Davila.*) Mein Herr! Den Brief von Euer Gnaden vom 20. Juny vergangenen Jahres habe ich als Antwort auf einen von mir erhalten und es wird glicht nothwen*) Wer Franz Davila war, ist aus andern Quellen nicht bekannt; nach Inhalt dieses Schreibens selbst aber scheint er ein hochgestellter spanischer Beamte an der Audiencia oder dem Gerichtshof zu St. Domingo gewesen zu sein, der bereis mehrfach in Angelegenheiten der Welser in Venezuela thätig war und sich dieselben zu Dank verpflichtet hatte.

335 dig sein, sich über die Gunst zu verbreiten, welche E. G. gegen unsere Gesellschaft und ihre Angelegenheiten in diesen Ländereien*) gehabt haben und noch haben; denn ich und alle Mitglieder der Gesellschaft sind sehr befrie­ digt, da Sie unsere Angelegenheiten immer in so hohem Grade begünstigt haben und überlassen E. G. ferner die Besorgung derselben, damit, wenn Gott einst in diesem Land Fruchtbarkeit schafft, wie in demselben alles das nützlich anwenden und fördern, was E. G. wie unsere eigenen Angelegenheiten in seine Obhut nimmt, und wenn sich E. G. näher über Ihre Absicht er­ klären wollten, welche Sie, wie Sie sagen, gehabt haben, in Person nach Venezuela zu kommen, so würde sich mit E. Gnaden jegliche Angelegen­ heit ordnen lassen, und es würde ein gemeinsamer Vortheil**) sein; gleich­ wohl ist es besser spät als gar nicht; denn diese Insel***) ist sehr un­ sicher. Gleichwohl wollten!) E. G. auf diesem Entschlüsse beharren. Wenn Hutten und Bartholomäus Welser, mein Sohn, ft) am Leben bleiben, so können sich E. G. über ihre Reise belehren lassen und ihnen Aufträge zu Eroberungen geben, und können E. G. als der Höchste in der Kolonie Alles durchschauen++t). Bartholomäus May wird, weil er mehr in der Nähe von E. G. und der Herren des Gerichtshofs ist, *t) E. G. weitläuf­ ig über diesen Fall schreiben, und aus diesem Grunde will ich nicht so ausführlich sein, jedoch werden E. G. bei mir und bei allen Mitgliedern der Gesellschaft in Betreff der Geschäfte volles Vertrauen und alle Geneigt­ heit finden. Was die Schuld von Federmann betrifft, von welcher E. G. sagen, dass er damit noch im Rückstand sei, so werde ich sorgfältig darauf be­ dacht sein, um in Erfahrung zu bringen, was er mit seinem Vermögen angefangen hat, und wenn er in St. Domingo im neuen Reiche gelandet hat,*ft)’alsdann wird es die rechte Zeit sein, das von ihm zu fordern, *) dass hierunter Venezuela verstanden wurde, ergibt sich aus dem, was folgt. — **) gemeinsamer Vortheil für die Krone Spaniens sowohl als für die Welser und ihre Gesellschaft. ###) Bartholmä Welser stellte sich entweder selbst noch das Land als eine Insel vor oder er folgte vielleicht unabsichtlich nur der gewöhnlichen Ausdrucks­ weise bei Bezeichnung des Landes Venezuela, f) wäre zu wünschen, dass etc. ff) Hiedurch wird ausser Zweifel gestellt, dass Bartholmä Welser der Verfasser des Briefs war. fff) Bartholmä Welser wollte, wie es scheint, dem Franz Davila Exspektanz auf die Statthalter-Stelle in Venezuela, welche damals nicht, wie im Vertrag von 1528 bestimmt, d. h. nach Vorschlag der Welser mit Bestätigung des Königs besetzt war, (cf. Klunzinger, Antheil der Deutschen etc. S. 95 flg.) er­ öffnen, wie sich denn auch aus dem Folgenden ergeben wird, dass Bartholmä Welser einige Jahre später wirklich den Auftrag ertheilte, den Franz Davila als Statthalter zu ernennen. *f) Derselbe war Faktor der Welser in deren Commandite zu Madrid und bevollmächtigter Geschäftsführer derselben am spanischen Hofe. *ff) Bartholmä Welser vermuthete demnach damals noch, dass Federmanu eines Tages wieder in St. Domingo landen würde.

836 was E. G. ihm übergehen zu haben behaupten. Er bleibt dieser Gesell­ schaft doch noch eine grosse Summe schuldig und hat uns viele Unannemlichkeiten verursacht durch die Zalung einer so bedeutenden Summe, welche wir ihm machten und gerne*) machten. Gott möge es ihm ver­ zeihen ! Ich bedaure, dass E. G. mit dieser einzigen Mittheilung nicht wohl gedient sein möge. Es ist dies nur ein kleiner Beweis von der Zuneigung, welche diese Gesellschaft gegen E. G. hat. Wenn das Land anfienge, Früchte zu tragen,**) so würden E. G. an dem Ertrage bald merken, in welchem hohen Ansehen Sie bei Allen den Unsrigen stehen, deren so erhabene Person unser Herr behüten und deren Leben er verlängern möge. Von Arvon***) am . . . des Februars im Jahr 1543. Aussen Entwurf für Franz d’Avila v. Bartt0 V. II. Brief Jakob Eembolds dd. . . . 1543 an Franz Davila. Mein Herr! Einen Brief von Euer Gnaden, geschrieben zu Sanct Domingo am 17. Juni vergangenen Jahres, erhielt ich vor wenigen Tagen und, weil ich denke, dass Bartholomäus May E. G. jeden Tag das Nöthige und was sonst vorgeht, schreiben werde, so werde ich für diessmal kurz sein. Ueber die Betrügereien Federmanns, von welchem E. G. schreiben, dass er sie gegen E. G. verübt habe, darf man sich nicht wundern, denn ausserdem, dass er der Kompagnie Alles geraubt hat, was er konnte, wozu er als Gouverneur Seiner Majestät die Macht hatte,!) so wollte er nicht allein Nichts von Demjenigen herausgeben, was er, wie man sagt, an sich gezogen hatte, sondern konnte auch nicht einmal Eechenschaft über das­ jenige geben, was zu seiner Zeit vorgegangen war, und ausserdem, um sich aus dem Gefängniss zu befreien, in welchem ihn S. Maj. aus dem Grund des oben Gemelten halten liess,ft) stellte er eine Klage wegen *) kein Bedenken trugen, ihm zu machen. Es handelte sich sonach nicht nur um erworbene Reichthtimer, mit denen sich Federmann, anstatt dass er die­ selben an die spanische Regierung und die Welser abgeliefert hätte, unsichtbar gemacht hatte, sondern um wirkliche Sehulden, die er noch zu tilgen gehabt hätte. **) Bis dahin scheint dasselbe sonach noch nicht viele Früchte getragen zu haben. Doch ist nicht anzunehmen, dass die Welser gar keinen Gewinn aus demselben gezogen haben, weil sie 26 Jahre lang den Besitz der Provinz be­ haupteten und denselben im Jahr 1555 nicht etwa freiwillig aufgaben, sondern einem Richter- oder wie es scheint einem Macht-Spruch der Krone Spaniens weichen mussten. **#) vermuthlich Arbon am Bodensee, woselbst Bartholmä Welser auch später, während des Qchmalkaldischen Krieges sich aufhielt. f) Nikolaus Federmann war ungefähr um das Jahr 1538 von dem König von Spanien an die Stelle des \ Georg von Speyer als Statthalter voü Venezuela gesetzt worden. Dr. Klunzinger, Antheil der Deutschen etc. S. 87. ff) Es scheint sish dieses auf das gerichtliche Verfahren zu beziehen,

337 tausend Betrügereien und falschen Angaben an. Wahrheit ist es, dass er vor seinem Tode,**) um seine Seele zu retten,- Alles dieses widerrufen hat, aber gleichwohl haben wir jetzt diese Plackerei auf dem Halse. Sein Vermögen ist abhanden gekommen, da er im Geheimen und unter an­ derem Namen über dasselbe verfügte. Die Unsrigen würden sich freuen, wenn sie desselben habhaft werden oder es ausfindig machen könnten, um Ordnung in allem dem herzustellen, wo es die Gerechtigkeit erfordert hätte. Er hat dem neuen Beich an Werth reichlich 6000 Gold-Piaster geraubt, worüber wir hinreichende Beweise haben, und hat sie in Gold mit sich genommen; was er aber damit machte, das werden wir wohl niemals erfahren können. Bartholomäus May wird die Vollmacht behalten, welche E. G. ge­ schickt haben,**) oder wird sie demjenigen übergeben, welchen E. G. dazu beordnen werden, und er wird allen möglichen Fleiss anwenden, um in Erfahrung zu bringen, was er mit seinem Vermögen angefangen hat, und wird für E. G. Alles thun, was er thun kann, und wenn E. G. ihm das Mandat übertrügen, so würde er sich bestreben, auch mit demselben was möglich ist, auszuführen, und können es E. G. dem Bartholomöus May oder dem Neffen von E. G. übertragen. Würden E. G. mehr Zeit gestatten, so könnte man einen vortheilhaften Gebrauch von derselben machen. Dieser Federmann kostet uns mit dem, was er von unserem Vermögen geraubt und mit den Unterthanen, die er in dem Neuen Beiche verkauft hat,***) viele Tausende von Goldpiastern. Was die 550 Piaster anlangt, von welchen E. G. schrieben, dass sie Georg Spiral) schuldig sei, so glaube ich, dass E. G. wissen werden, dass diese Herren tt) von den Schulden der Gouverneure keine Notiz nehmen, da keiner von ihnen für Geschäfte dieser Herren bevollmächtigt gewesen ist, und ebenso nehmen sie auch keine Notiz von den Verhandlungen, weiche diese Herren fff) in einem solchen Falle pflegen. Obschon er*f) nun dem Hause eine grosse Summe schuldig blieb für das, was für die Perlen eingieng und dasjenige, was er son dem Kriegsbedarf und dem welches gegen etc. Federmann nach seiner Entfernung von der Statthalterschaft wegen seiner Amtsführung eingeleitet worden war und zu welchem Zweck der Licenciado Antonio Novarro nach Venezuela gekommen war. Dr. Klunzinger 1. c. S. 88. *) In Hinblick auf den vorausgehenden ungefähr gleichzeitigen Brief Bartholmä Weisere scheint dies nicht so zu verstehen zu sein, als ob über Federmanns Tod bestimmte Nachrichten bereits Vorgelegen wären, vielmehr scheint es, dass der Briefschreiber nur sagen wollte, Federmann habe sich, um seine Seele zu retten, beeilt, bei Lebzeiten zu widerrufen. **) Diese Vollmacht scheint sich gleichfalls auf die gegen Federmann und sein Vermögen zu ergreifenden Massregeln bezogen, aber nach dem was folgt noch nicht auf einen bestimmten Namen verlautet zu haben. ***) Sclavenhandel ? f) Georg Hohemut von Speyer, der frühere Statthalter von Venezuela, ff) nehmlich die Mitglieder der Welser’schen Handelsgesellschaft, fff) die Gouverneure. *f) Georg von Speyer.

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338 Hab und Gut dieser Herren wegnahm, so würden gleichwohl, wenn er dort in Venezuela sein Vermögen hätte, diese Schuldposten für diese Herren nicht verloren sein, wenn E. G. in Gemeinschaft mit ihnen einkassieren würden, was von seinem Vermögen noch übrig ist.*) E. G. wissen besser, als jeder andere, was diese Herren**) in diesem Lande schon versucht haben, ohne einen Pfennig im Vermögen zu haben, und wie der Gerichts­ hof von St. Domingo bei der Sendung des Carabajal ***) zugleich mit Erias dem Ruin der Provinz das Siegel aufgedrückt hat. Was die Aeusserung von E. G. anbelangt, dass sie einstmals Lust gehabt hätten, nach Venezuela zu kommen wegen der Vorliebe, die Sie für das Land hatten, sowie aus andern Gründen, so möge es Gott gefallen, dass sich E. G. noch viele Jahre hindurch!) dazu entschliessen, damit man in der That vor E. G. in Allem Rechenschaft geben könne, und da­ rüber schreiben diese Herren weitläufig an Bartholmäus May, damit er mit Ihnen, weil er mehr in ihrer Nähe ist, wegen der Festung +t) und anderer weit wichtigerer Dinge verhandeln möge. Er wird nicht erman­ geln, in diesem Falle mit E. G. für diese Herrn die Verhandlungen zu leiten, als wie einer von ihnen selbst, denn sie haben zu E. G. kein ge­ ringeres Vertrauern, als zu einem aus ihrer Mitte, weil sie gar nicht zweifeln, dass E. G. die Provinz recht schnell zum Wohlstand bringen werden, und weil ich mich in Allem auf das beziehe, was Bartholomäus May E. G. schreiben wird, so höre ich nicht auf, unsern Herrn zu bitten, dass er das Leben von E. G. verlängern und Euer Haus beschützen möge, wie es E. G. selbst wünschen. Von...............am . . Tag des . * . im Jahr 1543. Aussen Entwurf für Franz d’Avila Jacob Bd. fff)

III. Aus dem Brief Bartholmä Welsers au Bartholmä May vom Febr. 1547 sind nachstehende die Angelegenheiten Venezuela^ betreffende Stellen auszuheben: Laus Deo 1547 addj . . . Febrer etc.*f) „Erbarer lieber Bartto. *) Georg von Speyer war nemlich im Jahr 1540 in Venezuela gestorben. Dr. Klunzinger a. a. 0. S. 94. **) Hier scheinen die gewesenen Gouverneure gemeint zu sein. #**) Juan de Carvajal, von dessen Ernennung zum Statthalter durch die Audienzia zu St. Domingo der Verfasser des Briefes somit bereits Kenntnis» hatte, cf. Dr. Klunzinger, Antheil der Deutschen S. 98. f) scheint so zu verstehen zu sein: „noch jetzt nach vielen Jahren.“ ff) Es ist vielleicht die Niederlassung am Cabo de la Vela gemeint, die einem kaiserlichen Befehle gemäss schon von Federmann gegründet werden sollte, cf. Dr. Klunzinger 1. c. S. 67 u. 84 flg. fff) Dass dieser Namenszug Rembold bedeute, ergibt sich mit ziemlicher Sicherheit aus dem nachfolgenden Briefe. *f) Aus der am Schluss des Briefes befindlichen Mittheilung: „Die khayserischen Landsknecht bis yn die 2 körnen morgen gen Augspurg“ erhellet, da

339 May.! Ewerr 2 schieyben aus Madrid dd. 16 u*. 17 Jenner haben wir woll empfangen &c. Der Indias halben lassen wir es fast bei unserm jüngsten schreyben beieiben. Ir hetten ewere Letardos*) derselben Sachen halb bei einander gehabt und sy sich resolvirt, den chuessa**) wider den Carovasal ***) zu machen. Dasselb weltten ir alsso inns werk bringen, dem ist mir gantz recht; aber das Numeriren t) aines governators und in falta (in Ermang­ lung) der Bewilligung der notturft gegen dem Ratfc (Rath zu St. Domingo) zu protestiren, gedachten sy, nitt zu thon sein, anderst dann, das man mit der perssonn, die man numeriren wolte, gefasst were; das gedunckt unns auch also das best unnd weren der mainung, ir soltten von stund an in der sach fortfaren unnd im Namen gotfces den Franco Davila (Fran­ cesco Davila) numeriren, dan wie wir sein schreyben verstanden, so er mir Bartto. Welser und dem Vo. Jacop Remboldt gethanft) so wirt er die sach nit abschlagen; wurdt man in auch conzatieren, +t+) so kindte ir im die Provisiones mit sampt Copia der Capitulation, so mir (wir) mit dem Federman machen haben wellen, das er dieselb verfertige, auch ein von euch verfertigte ime zuo schicken. Nem ers an, wol unnd gutt, wir wellen auch im fal, das er die sach animpt, yber 1 peses*f) des unsern zu St. Domingo hat?, nit hinein gesteckt haben; das miessen ir, wa des­ halb inn des Federmans Capitulacion ettwas merers stiende, endren. Nem ers dan nit an, so habt ir unsers achtens gegen ein Ratfc *tt) ain gutte scusa*ttt) und verliert ir also kain Zeitt und erfaßt dero vom Rath willen in dissem fall, das migt ir mit ewern Letardos auch berathschlagen und, die kaiserliche Besatzung am 16. Febr. 1547 in Augsburg einrückte, dass der Brief um die Mitte Februars geschrieben wurde. *) Letardos, Advokaten, Rechtsgelehrte. **) chueca, Streich, den man gegen Jemand führt. ***) Carvajal; von dessen bereits erfolgter Hinrichtung wusste Bartholmä Welser damals noch nichts. „Erst kurz Verschiener Tagen“ schreibt er am 23. März 1547 an Bischof Moritz von Eichstädt, habe er Briefe aus Spanien empfangen, dass der Carabayal von der Obrigkeit geviertheilt und ihm also für die elendigliche Ermordung seines Sohnes Bartholmä und des Junkers Philipp von Hutten der wohlverdiente Lohn gegeben worden sei. vid. Meusel hist. lit. Magazin Thl. I. S. 107 u. 108. f) numeriren von nombrer, ernennen. ff) Wenn auch ein Zeitraum von 3 Jahren dazwischen liegt, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass die beiden vorausgehenden Briefe des Bar­ tholmä Welser und Jakob Rembold die Antwortschreiben auf die hier erwähn­ ten Schreiben Franz Davilas an die beiden genannten waren. fff) soll vermuthlich heissen constatieren, bestätigen, denn die Welser hatten das Recht, den Statthalter zu ernennen, die Krone Spaniens aber, denselben zu bestätigen. *f) pesos, Piaster. *ff) den Rath zu St. Domingo. •fff) Ausrede, Entschuldigung; man scheint Seitens der Welser das Recht der Ernennung des Statthalters, vielleicht des Kostenpunkts wegen mehr als eine Last betrachtet zu haben.

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340 sovil ir im Ratt findt und euch gutt bedunckt, an die handt nemen, wir seien ja khain weg gesindt, ain newen Governator aus Spania hinein zu senden, wie ir dan selber woll wisst, das wir lang ein so grossen khosten diser Zeitt auf dise sach (nit) wenden weren (werden), und gedünkt, man hab mit dem Numeriren nur zufil Zeitt verloren. Dieweyl aber die vom Ratt und die zu Santo Domingo so ungeschickt gehandlet, hat man sich genug zu verantwurten ; aber unsers achtens ist dannocht von nötten, das sy wissendt, das, was sy bisher gethon, das solchs on unser wissen, willen unnd allen unsern Provision es unnd Capittulaciones zu entgegen gewest.*) Sovil dan die suplication des Frias sententz halber betrifft, da vermainten die Letardes, dieweil wir nit citiert seien, so khinde uns solcher sententz nit präjudicieren. Dem ist nun im grundt also, wir tragen aber nit weniger als ir nit khlaine sorg, der Frias möchte ettwa durch ein Substitution von Heinrich Rembold, **) Lezelter, ***) Gribel oder andern unns ein part in dissem proces gemacht haben, t) und were also nit gutt, ungenpeliert den sententz in cosa jusgada passieren zu lassen, tt) Unseres Erachtens were ain general apelacion (gegen) alle und jeden sententz, so in India widergangen unnd gemacht, einzulegen mit protestation, das ir euch darmit nit weyter parte gemacht noch erzaigt haben welle (t), dan ir von Rechts wegen zu thun schuldig weren. ttt)N Es ist je nit gar darauff zu verlassen, das der Frias so gar unpartte*f) gehandlet hab. Wir kinden in dissem ial euch ye nit retten, ir müest nur bey euch durch ewere gelertten aus der sach khomen, die wissen die breuch zwischen euch unnd denn Indias unnd am basten, was ir fug habt, auch in was gestalt ir euch unnd unns in dissen feilen vor schaden hietten kindt, solchs und alles anders, was dise Indias betrifft, stellen wir euch, wie langest beschechen, gentzlich heim. *tt) Was ir vergangne Ottobermess*ftf) für unns gehandlet, haben wir langest unnd ir auch, was unns oder nit gefellig, von unns der notturft gutten beschaidt vernemen, yetz, das ir in künftiger Villalon Mes ehe an 2 dl. *) Es scheint, dass sich dieses auf die eigenmächtige Ernennung des Carvajal zum Statthalter durch die Audiencia von St. Domingo beziehe, conf. Dr. Klunzinger a. a. O. S. 98. **) Heinrich Rembold, welcher vom Oberrichter zum Alkalden in Vene­ zuela ernannt worden war, hat, wie Dr. Klunzinger am ang. Orte S 98 erzählt, das Vermögen der Welser mit vollen Händen vergeudet. ***) Franz Lebzelter von Ulm, welcher schon im Jahr 1535 als Freund Philipp von Huttens einen Entdeckungszug mitmachte und im Jahr 1541 in seine Heimath zurückkehrte. Dr. Klunzinger a. a. O. S. 67 u. 83. f) ein part machen, zur Parthei machen. Für die Handlungen der ge­ nannten Personen hatten vermuthlich die Welser zu haften. ff) in rem judicatam, in Rechtskraft erwachsen zu lassen. fff) Wa3 für eine Bewandtniss es mit dieser Sentenz des Frias gehabt habe, ist nicht bekannt. *f) unpartheiisch. *ff) Bartholmä May hatte hienach unbeschränkte Vollmacht in den Ange­ legenheiten Venezuelas. ♦fff) Vermuthlich in Lion.

341 ab-, dan Zugang haben, unnd sover kain geld auss Indiab is ptto.*) Pebrer zu Sibilia (Sevilla) ankomen, so wurden ir ewer achtens in gemelter Villalon Mees grosse streteza**) leiden, wie dan schon die Weuel zu Sibilia p. Villalon zu 4J/2 prcto gondt. Das sendt hoch press genug, wird eben solliche stretessa abermal in der fasten komen unnd on ain Lerma etc. nit zergeen. Wan aber reiche schiff aus India ankomen weren, so wurde solich stretessa unser achtens remediert und ir fileucht an ewerem Liedt auch ein gesetzlin oder zway zu singen gefunden unnd damit auf Anttorf oder Lion zu nit gefeirt haben. Des Verfolgs wellen wir mit der zeitt zu vernemen gewertig sein. Es were ein gutt Werk, das der Peru wider pacificierb unnd also die 2 Million goldts, darvon ir schreibt, herauskemen, dan man were der wol nodturfftig unnd sunderlich für die, so seiner Mt. dienen, ain gutte Zeittung. Gott der Herr welle es alles nach seinem willen richten, der waisb am besten, was gutt oder bess ist. &c. *) postremo, letzten. **) Bedrängniss.

Job. Mich. Frhr. r. Welser.

xm. Augsburger Musikzustände seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Von

Dr. Joseph von Ahorner.

Die nachstehenden schmucklosen Reminiscenzen sind von dem oben benannten Musikdilettanten, welcher an den meisten hier er­ wähnten Produktionen selbst thätigen Antheil genommen hat, aus der Erinnerung zusammengeschrieben und machen daher auf Voll­ ständigkeit eben so wenig Anspruch, als sie sich kritischer Be­ merkungen über die verzeichneten einzelnen Leistungen enthalten, sondern nur von der Absicht geleitet sind, die Leistungen in der Ton­ kunst in der Stadt Augsburg, — abgesehen von der Oper, — seit dem Anfänge des gegenwärtigen Jahrhunderts und die hiebei thätigen hervorragenden Individuen der gänzlichen Vergessenheit zu entreissen.

I. Die Hofeoncerte am churfürstlicli Trier’schen Hofe in Augsburg. Der Churfürst von Trier und Fürstbischof von Augsburg, Clemens Wenzeslaus, welcher seit dem Jahre 1795, als er wegen des Einfalles der Franzosen in die deutschen Rheinlande seine neugebaute Residenz in Koblenz verlassen musste, seinen ständigen Wohnsitz in der fürstbischöflichen Residenz zu Augsburg aufgeschlagen hatte, war ein vorzüglicher Freund und Gönner der Musik. Auch von Augsburg musste er zweimal, im Jahre 1796,

343 dann 1800 und 1801, wegen des Vorrückens der Franzosen in Bayern nach Dresden flüchten und kehrte von dorther erst im Jahre 1802 nach Augsburg zurück, wo er bis zu seinem im Jahre 1812 erfolgten Tode als säkularisirter Reichs- und Churfürst residirte. Nachdem er hier anfänglich öfter kleinere musikalische Kammerproduktionen angeordnet hatte, wobei unter Andern auch der junge Carl Maria von Weber mitwirkte, welcher damals mit seinem Vater einige Zeit in Augsburg sich aufhielt, liess er vom Jahre 1803 an in den Wintermonaten in dem Saale seiner Residenz alljährlich Hofconcerte abhalten, welche regelmässig jeden Samstag Abends bis ausschliesslich zur Charwoche und auch noch nach Ostern in einigen Produktionen statt fanden. Hiebei fanden sich nicht blos der hiezu geladene Adel und höhere Beamte, Militärs und Patrizier ein , sondern es hatten auch sonstige Honoratioren und Kunstfreunde freien Zutritt, soweit es der Raum des nicht sehr geräumigen Concertsaales gestattete. Das Qrchester bildeten die Mitglieder der churfürstlichen Hofkapelle, wozu auch Mitglieder des Stadt-Orchesters und einige musikkundige Geistliche beigezogen wurden. Die Direktion führte der churfürstliche Musikdirektor Plödterl, ein sehr tüchtiger Violinspieler, welcher in seinen Solo vor trägen Feinheit des Spieles mit vielem Geschmacke vereinigte und als Dirigent gute Aus­ wahl, Verständniss, Präcision und Energie entwickelte. — In den Solovorträgen wechselten die hervorragenderen Mitglieder des Concertorchesters mit den bessern Dilettanten und Dilettantinnen der Stadt und manchmal mit zufällig durchreisenden auswärtigen Künstlern ab, deren Kunstreisen aber in jenen Jahren noch nicht sehr zahlreich waren. In Gesang - Soloparthieen traten auf die Hofsängerinnen Fräulein Str äuble (nachmalige Domänendirektorsgattin in Waal) und Fräulein Ebner, — als Tenor der Hofkapellsänger Lindpaintner, Vater des berühmten k. Württemberg’schen Hofkapell­ meisters Peter Lindpaintner in Stuttgart, — als Bassisten der churfürstliche Hofmusiker Reithmaier, nachmaliger städtischer Concertmeister, und die Domvikarier Magg und Nett, lauter tüchtige, mit hervorragenden Stimmmitteln begabte und sowohl durch gebildeten Vortrag als musikalische Festigkeit sich aus­ zeichnende Musiker. — Unter den Instrumental-Solisten verdienen hervorgehoben zu werden als Concertisten: auf der Violine der oben erwähnte Musikdirektor Plödterl und der Concertmeister

344 Reithmaier, — auf dem Violoncell der k. Musikdirektor E. Haussier, — auf der Flöte M. Huber, — auf dem Clarinett Schmitz und auf dem Horn Rauch, welch beide Letztere nach dem Tode des Churfürsten in das k. Hoforchester in München als Hofmusiker aufgenommen wurden. In Klavier-Concerten zeichnete sich aus besonders der nachmalige Domkapellmeister Witzka, dann Freifrau von Schnurbein, Frau Doktor Din gier, Frl. von Im Hof und der damalige Stadtgerichts-Assessor Chr. David von Stetten. Die Besetzung des Orchesters bestand in 6 ersten und 6 zweiten Violinen, 4 Violen, 3 Violoncellen, 2 Contrabässen, da der beschränkte Raum des Concertsaales eine stärkere Besetzung nicht gestattete, und den gewöhnlichen Blasinstrumenten. Bei Oratorien zählte der Chor gewöhnlich gegen 30 Sänger, welche durchgängig fest musikalisch geschult und mit guten Stimmmitteln begabt waren. Zu den hohen Stimmen des Chors wurden ChorKnaben verwendet, unter welchen an den vielen damaligen katho­ lischen Kirchenchören stets viele ganz tüchtige Sänger sich be­ fanden. Unter den Oratorien bildeten Haydn’s Schöpfung und Jahreszeiten die Glanzpunkte. Unter den Symphonieen ragten jene von Haydn, Mozart, Krommer etc., unter den Ouvertüren jene von Mozart, Cherubini, Pär, Mehul, Winter etc. hervor. Beethovens und Spohrs Meister­ werke waren damals in Augsburg noch nicht heimisch geworden. Im Januar des Jahres 1812 erreichten diese Concerte, welche zur Bildung des musikalischen Geschmackes in höheren Kreisen zu Augsburg sowohl durch die gute Auswahl als durch die ge­ lungene Ausführung der Musikstücke unverkennbar Vieles bei­ trugen, ihr Ende, da der Churfürst in dem erwähnten Monate von einer lebensgefährlichen Krankheit befallen wurde, von welcher er zwar wieder genas, aber noch in demselben Jahre am 27. Juli in seinem Sommerresidenz - Schlosse zu Oberdorf im Allgäu ge­ storben ist.

IL Der Stand der Concert-Musik in Augsburg vom Anfänge des gegenwärtigen Jahrhunderts an. Im Winter des Jahres 1803—4 begann der Musikdirektor an den protestantischen Kirchen Augsburgs, Ernst Haussier, in dem damals neu erbauten Saale des Gasthofes zur goldenen Traube Abonnements - Concerte zu veranstalten, deren 6 in den

345 Wintermonaten der beiden Jahre 1804 und 1805 gegeben wurden, die aber dann wegen der durch die fortwährenden Kriege veranlassten Truppendurchmärsche und Einquartierungen wieder auf­ hörten. In denselben wurden nebst den die Concerte eröffnenden und schliessenden Orchester-Stücken (Symphonieen und Ouvertüren) meist gut gelungene Soloparthieen für Gesang und Instrumente grösstentheils von Dilettanten aufgeführt, unter denen namentlich die Klavierproduktionen hervorragten. Es können daher auch diese Concerte als die ersten Musikliebhaber-Concerte zu Augsburg im gegenwärtigen Jahrhunderte betrachtet werden. Besonders her­ vorzuheben sind hiebei die hervorragenden Leistungen des Unter­ nehmers, k. Musikdirektors Haussier, (ehemals Zögling der einst berühmten hohen Karlsschule in Stuttgart) als ausübenden Musikers und zwar als vorzüglichen Yioloncellspielers und als sehr gewand­ ten Coloratur-Sängers, wobei er sich darin gefiel, bei einem Stimm­ umfang von beinahe vier Oktaven (von P bis d=) vorzüglich seine hohen Fisteltöne hören und brilliren zu lassen. Ueberhaupt ist der belebende Einfluss Haussiers auf Weckung und Anregung des Geschmackes für Musik in gewissen höheren Kreisen Augsburgs nicht zu verkennen. Nach dem! Aufhören der Häussler’schen Abonnements - Con­ certe fallen in die Wintermonate 1807 die ersten Anfänge der Musikliebhaber-Concerte, welche auf Anregung des dama­ ligen Erziehers im Banquier von Carlischen Hause und späteren k. Progymnasiallehrers W. Burkhard in dem sogenannten an­ tiken Saale bei den 3 Mohren einen sehr bescheidenen Anfang nahmen und unter musikalischer Leitung des Domvikars Johann Jaumann zwar Anlass zur Weckung mancher musikalischen Talente boten, jedoch einen ziemlich untergeordneten Charakter behaupteten, bis nach dem Aufhören der Hofconcerte das Bedürfniss grösserer musikalischer Produktionen sich ergab und die in den damalig Fürstlich Fugger’schen Concertsaal transferirten Musikliebhaberconcerte vom Wintersemester 1812/13 an unter der Direktion des damaligen Musikdirektor^; von St. Moriz und späteren Dom­ kapellmeisters Carl Bonaventura Witzka grössere Dimensionen annahmen, so dass in denselben, insbesondere als sich im Jahre 1818 ein eigener Gesellschafts-Ausschuss von 9 Direktions-Mit­ gliedern und 3 Intendanten gebildet hatte, die gediegendsten Orchester-Compositionen, Oratorien, so wie Soloparthieen für Ge­ sang und Instrumente zur geluugenen Aufführung kamen, da nicht blos einheimische Dilettanten in Soloparthieen auftraten, unter

346 — welchen insbesondere Fräulein Flacho, Fräulein Martin und Fräulein Heg eie als vorzügliche Sopransängerinnen und der treffliche Violinspieler Karl Neugebauer hervorgehoben zu werden verdienen, sondern auch nicht selten auswärtige und durch­ reisende Künstler beigezogen wurden. — Die Beethoven’schen und Ries’schen Symphonieen und Weber’schen Ouvertüren kamen der Reihe nach nebst andern damals neuen Orchester-Compositionen abwechselnd mit den altern Meister­ werken dieser Art zur Aufführung. Nebst den Haydn’schen Ora­ torien wurde Schneiders Weltgericht, Beethovens Christus am Oelberg, Stadlers Befreiung von Jerusalem, einige Cantaten von Winter, Romberg, Fesca, Lindpaintner, Witzka etc. gegeben. — Die Besetzung des Orchesters bestand in der Regel aus 16 bis 18 Violinen, 5 bis 6 Violen, 4 Violoncellen, 3 Contrabässen und den erforderlichen Blasinstrumenten. Bei Aufführung von Chören und Qratorien wurden die Singstimmen nach Erforderniss der ein­ zelnen Compositionen mit einigen 20 bis gegen 50 Sängern be­ setzt, wobei Sopran und Alt durchgängig von Knaben gesungen wurden. Die musikalische Leitung dieser Concerte lag in der Hand des bereits oben erwähnten Kapellmeisters C. B. Witzka, welcher auch als Compositeur im Fache der Kirchenmusik geach­ tet, die Direktion mit Einsicht, Geschmack und der erforderlichen Energie führte. In jedem Winter wurden 12 Concerte und ein ausserordent­ liches Concert zum Besten der Armen gegeben. — Eine der glänzendsten Produktionen war das am 15. Februar 1824 zur Vorfeier des 25jährigen Regierungs-Jubiläums Seiner Majestät des Königs Maximilian Joseph veranstaltete Festconcert, in welchem nebst der Jubelouvertüre von C. M. v. Weber und andern ausgewählten Compositionen eine vom zweiten Redakteur der allgemeinen Zeitung Dr. Widemann gedichtete und von Witzka in Musik gesetzte und mit ungetheiltem Beifall aufgenommene grosse Festcantate betitelt: „Maximilians und Augustas Genius“ gegeben wurde, in welcher Fräulein Hildegarde Wide­ mann, die Tochter des Dichters, und Professor Clemens Zimmer­ mann, nachmaliger Direktor der Münchner Gemälde-Gallerie, die Hauptparthieen sangen. In den letzten drei Jahren ihres Bestehens wurden diese Concerte in den grossen Saal des Gasthofs zur goldenen Traube übertragen. Da aber Einige der hervorragendsten Dilettanten

347 und namentlich Damen von dem Auftreten in Soloparthieen sich immer mehr zurückzogen, weil einige Lokalblätter bei ihren Concertberichten mit Beiseitesetzung jeder Rücksichtnahme oft zu unzart sich äusserten und bei den immer sich steigernden An­ sprüchen der Abonnenten der Concertdirektion die pekuniären Mittel nicht zu Gebote standen, um für jedes Concert fremde Künstler mit grossen Opfern herbeiziehen zu können; so giengen endlich auch diese Concerte den Weg alles Fleisches und er­ reichten im Monate März 1829 ihr Ende. Doch brach das Bedürfniss nach musikalischen Produktionen bald wieder , jedoch in anderer Weise, Bahn. Bei der er­ wachten Liebhaberei für mehrstimmigen Männergesang bildete sich schon im Winter 1830 ein grösserer Männergesangverein unter der Benennung „Liederkranz“, welcher aus den Mit­ gliedern mehrerer kleinerer Gesanggesellschaften zusammengesetzt wurde, worunter katholische Geistliche und Lehrer beider Confessionen die Soloquartette bildeten, an deren Spitze der als vor­ züglicher erster Tenorist sehr beliebte damalige Domvikar und nachherige geistliche Rath und Stadfpfarrer Albert Höf er stand. Auch die Studierenden von St. Stephan bildeten bei den Lieder­ kranz-Produktionen ein tüchtiges Soloquartett mit dem geschätz­ ten Tenoristen Max Strobl, dermaligen Dekan und Pfarrer in Zirgesheim, an der Spitze. Die Direktion dieses Gesangvereines führte der Domkapellmeister Witzka imd manchmal aushilfs­ weise der damalige k. Rath und Regierungs-Assessor Dr. V. A h o r n e r. — Die öffentlichen Produktionen fanden mit freiem Eintritt in dem neuerbauten Saale der Harmoniegesellschaft (dermaligen Schwurgerichtssaale) im Börsengebäude alle vier Wochen statt. Zwischen den Männerchören und einigen Soloquartetten wurden gewöhnlich 2 oder 3 Klavier-Solo’s mit kleinerer Begleitung ge­ geben. Mit der Auflösung der Harmoniegesellschaft, beziehungsweise bei Umbildung derselben in die nur kurze Zeit dauernde Museums­ gesellschaft hörten auch diese einer regen Theilnahme sich er­ freuenden öffentlichen Produktionen des Liederkranzes schon im Jahre 1832 wieder auf, so wie der Liederkranz in mehrere kleine Privat-Gesanggesellschaften sich auflöste, bis erst im Jahre 1843 wieder ein grösserer Männergesangverein als „Augsburger Liedertafel“ auf Anregung unseres allgemein hochgeschätzten, ausgezeichneten Tenoristen und dermal noch als Liedertafel-Direktor eifrig wirkenden Johannes Rösle sich bildete.

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Dieser unter den verschiedenen Gesangvereinen Augsburgs hervorragende Männergesangverein steht noch immer in frischer Blüthe, hat bei den verschiedenen süddeutschen Gesangfesten, z. B. in Würzburg, Regensburg, Nürnberg, Ravensburg etc., stets seine bewährte Tüchtigkeit bewiesen und bietet'dem kunstliebenden Augsburger Publikum noch immer manche genussreiche Produk­ tionen, durch welche nebenbei auch zur Unterstützung verschie­ dener wohlthätiger Zwecke schon namhafte Spenden erzielt wurden. Durch die Liedertafel wurden ausser den neuesten grossen Compositionen für Männerchöre zeitenweise auch die grossen klassischen Oratorien von Haydn, Händel, Mendelssohn, Spohr etc. für wohlthätige Zwecke zur gelungenen Aufführung gebracht. Nicht lange vor der Auflösung des Liederkranzes begannen die von dem verstorbenen kgl. Hofrathe Dr. Reisinger zur Gründung eines Fondes für die von ihm gestifteten s. g. ambu­ latorischen Krankenanstalten ins Leben gerufenen Dilettan'tenConcerte, deren jedes Jahr drei bis vier bis zu Reisingers im Jahre 1855 erfolgtem Tode anfänglich im Börsensaale und nach dessen Umwandlung zum Schwurgerichts-Saale im Saale der gol­ denen Traube und zuletzt im Saale bei den 3 Mohren gegeben wurden. Wenn auch in denselben grosse Orchesterstücke und Oratorien schon wegen Mangels an Raum des Börsensaales nicht gegeben werden konnten, sondern nur eine, mässige Orchesterbesetzung stattfand; so war doch das Programm in der Regel reichhaltig und gut gewählt, und wusste der strebsame Unternehmer auf Weckung und Ausbildung von Talenten eifrig und mit gutem Erfolge hinzuwirken und war stets bemüht, dem Publikum manche musikalische Produkte der neuesten Zeit zu Gehör zu bringen. In jene Periode fällt auch das Entstehen der MusikvereinsConcerte, zu welchen der Musiklehrer Pfeiffer in Verbindung mit dem damaligen k. Oberlieutenant (jetzigen General) Freiherrn von Thon-Dittmer und Kaufmann Lang (jetzt in Regensburg) den Impuls gab. Die musikalische Direktion dieser Concerte führten die damaligen Musikdirektoren des Stadttheaters, anfäng­ lich Röder, dann Kühnlein und zuletzt einige Jahre der spätere k. bayerische Hofkapellmeister Hypolithe Chelard. In denselben kamen bei verstärkter guter Orchesterbesetzung namentlich unter Chelard an Orchester werken nicht blos jene der ältern klassischen Meister, sondern auch der neuern , wie

349 Mendelssohn, Spohr etc., zur Aufführung, und in Soloparthieen traten nicht selten auswärtige Künstler und Künstlerinnen auf. Nach dem im Jahre 1837 erfolgten Tode des Musiklehrers Pfeiffer und bei ermangelnder hinreichender pekuniärer Unter­ stützung von Seite des Publikums hörten auch diese Concerte, welche bei den Musikfreunden manche angenehme Erinnerung hinterliessen, wieder auf. Von nun an unterblieb ein Oyklus regelmässiger Concerte ausser den 2 oder 3 jährlichen vom Kapellmeister Drobisch dirigirten Concerten des städtischen Orchestervereins und wenigen von einzelnen Orchestermitgliedern auf ihre Rechnung veran­ stalteten Concerten, bis durch die dankeswerthen Bemühungen des Kapellmeisters Schletterer im Jahre 1867 wieder regel­ mässige grössere Abonnements-Concerte des von ihm ge­ gründeten Oratorien - Vereins zustande gebracht worden sind, welche auch jetzt noch in stets zunehmendem Flore stehen und durch welche dem hiesigen kunstliebenden Publikum Gelegenheit geboten wird, nicht nur die hervorragenden Vokal- und Orchestercompositionen sowohl der neuern Heroen der Tonkunst als auch Meister­ werke der ältern Tonsetzer des vorigen Jahrhunderts in gut ge­ lungenen Aufführungen zu hören, sondern auch abwechlungsweise durch den Genuss vorzüglicher Kammermusik in trefflichen Quar­ tetten und Soloparthieen von Münchner Künstlern erfreut zu werden. Uebrigens fanden in jedem Jahre ausserordentliche Concerte von durchreisenden Künstlern statt, welche aber in neuester Zeit alljährlich seltener wurden, da. ohne Sicherung für die Deckung der Kosten durch ein im voraus zu eröffnendes Abonnement mancher Künstler, wenn ihm nicht ein europäischer Ruf vorausgieng, Ge­ fahr lief, kaum seine haaren Auslagen gedeckt zu sehen. Jedoch hatten wir hier das Glück, seiner Zeit einen Paganini, Catalani, (jedoch erst bei ihrem absteigenden Gestirn) Brizzi, Sonntag, Weber, Liszt, Thalberg, Vieuxtemps, Molique, Romberg, Moschelles, Ole-Bull, Clara Schumann etc., das Müllersche und das Florentiner Quartett und in neuester Zeit v. Bülow öfter zu hören. — Von einheimischen Künstlern gaben in früheren Jahren regelmässig einmal im Jahre Concerte: der k. Musikdirektor Ernst Häusler, der Concertmeister und Violinspieler Alois Reithmaier, der Oboist Caspar Reichard, der Organist Joseph Demharfer, der Kapell­ meister Karl Kammerlander. Der Domkapellmeister Karl Ke mp t er brachte seine gelungenen Oratorien „Maria“ und „Johannes“, dann in

350 früheren Jahren Musikdirektor Röder sein grosses Oratorium „die Messiade“ mit besonders starker Besetzung zur Aufführung, so wie der im Jahre 1854 an der Cholera verstorbene thätige und als vorzüglicher Tonsetzer im Fache der kirchlichen und Oratorien-Mnsik sehr geschätzte Kapellmeister Drobisch, — welcher auch, wie oben erwähnt, die Direktion der von den Musikern der städtischen Kapelle einige Jahre hindurch gegebenen Concerte zur Gründung einer Kranken-Unterstützungskasse für die hiesigen Musiker über­ nommen hatte, — mehrere gerne gehörte Oratorien und Cantaten von seiner Composition neben anderen grösseren Musikwerken zur Aufführung gebracht hat.

III. Die Kirchenmusik auf den katholischen KirehenChören in Augsburg. Die Kirchenmusik in den katholischen Pfarrkirchen Augsburgs stand noch in dem ersten Decennium des dermaligen Jahrhunderts nach damaligem Massstabe in verhältnissmässig gutem Flore, zwar nicht hinsichtlich des damals verdorbenen Geschmackes in der zu jener Zeit überhaupt unkirchlichen Kirchenmusik, wohl aber hinsichtlich der Qualität und Quantität der Musiker, da von den ehemaligen Klöstern und Seminarien noch eine grosse Anzahl ganz tüchtiger, gut geschulter Yokalisten und theilweise auch Instrumentalisten vorhanden war, welche im Laufe der Jahre sich immer mehr verminderten. Wie damals bestehen auch jetzt noch seit dem Jahre 1810 in den fünf katholischen Stadtpfarrkirchen, dann in der Wallfahrts­ und Garnisonskirche zum heiligen Kreuz, sowie in der dermaligen Studienkirche bei St. Stephan ständige Musikchöre, wo jeden Sonnund Feiertag und zwar in den 5 Pfarrkirchen zu denselben Stunden musikalische Gottesdienste stattfinden. — Die vollständigste Be­ setzung des Vokal- und Instrumental-Chors fand von jeher in der Domkirche (zugleich Dompfarrkirche) statt. Jedoch behauptet dort die Kirchenmusik erst seit dem Jahre 1822, als Domkapeljmeister Witzka als solcher eintrat, den ersten Rang. Früher war die Auswahl der Musikstücke und der Geschmack, der daselbst ein­ gedrungen war, kein glücklicher. — Die beste Kirchenmusik besass vom Jahre 1802 bis 1822, so lange Witzka die Direktion

351 führte, unstreitig in jeder Beziehung St. Moritz, wo zuerst ein geläuterter Geschmack Eingang fand und die grossen Messen der damaligen Zeit von Haydn, Mozart, Gänsbacher, Hummel, Krommer, Preindl, Vogler etc. zuerst aufgeführt wurden. Dieses Repertoir brachte Witzka bei seiner Beförderung als Domkapell­ meister auch auf den Domchor, wozu unter Beseitigung der un­ kirchlichen Compositionen von Biihler, Fischer, Pausch, Drexel etc. später noch die Produkte der schlesischen Schule von Schnabel, Hahn, Brosig etc. kamen und auch Beethovens und Eyblers Messen gegeben wurden. — Unter Kellers Direktion erhielt sich die Dom-Musik nicht nur auf gleicher Höhe, sondern gewann auch noch hinsichtlich des Vokalchors durch Kellers zahlreiche VokalCompositionen im kontrapunktischen Style, welche in dem ausgezeich­ neten, grossen Keller’schen Contrapunkte „Benedictus, Canticum Zachariae zur Charfreitags Mette“ als Vokalmusik ihren Höhepunkt erreichten. Auch kam unter dessen Direktion am Pfingstfeste des Jahres 1852 Beethovens grosse Missa solemnis in D in der Domkirche zu Augsburg (und zwar zum erstenmal in einer Kirche Deutschlands) zur gelungenen Aufführung. Auch der nach Keller’s Tode im Jahre 1865 als Domkapell­ meister eingetretene fruchtbare Kirchencompositeur Karl Kempter leistete Vorzügliches, bis sein schon zwei Jahre nach seiner Er­ nennung eingetretenes, schweres körperliches Leiden seine rastlose Thätigkeit lähmte. In neuester Zeit seit der im Jahre 1870 erfolgten Ernennung Karl Kammerlanders, eines eben so tüchtigen Dirigenten, als vorzüglichen Tenoristen, Orgelspielers und Compositeurs, zum Domkapellmeister und bei dem gleichzeitig durch den General­ präses des Cäcilienvereins, Dr. Franz Witt, eingetretenen Um­ schwung der katholischen Kirchenmusik hat dieser Umschwung auch die Augsburger Dommusik berührt, und es werden jetzt auch ausser der Advent- und Fastenzeit abwechselnd Produkte der neuen Regensburger Schule sowie der alten italienischen Schule und zwar mit sehr günstigem Erfolge aufgeführt, da die guten Gesang­ kräfte der Domkapelle hiezu die erforderlichen Personalmittel dar­ bieten. Jedoch sind dadurch die älteren klassischen Werke der Kirchenmusik mit Instrumental - Begleitung, namentlich von der Breslauer Schule, nicht ausgeschlossen, da in der Regel zweimal im Monate und an den vorgeschriebenen kirchlichen Zeiten Vokalmessen der ältesten und neuesten Zeit stattfinden und zweimal so wie an Festtagen Kirchenmusik mit Instrumentalbegleitung mit gut ent-

352 sprechendem Erfolge aufgeführt wird. — Auf den Musikchören der übrigen Pfarrkirchen hat mit Ausnahme von heilig Kreuz und theilweise von St. Max die Kirchenmusik im Sinne des Cä­ cilienvereins noch wenig Eingang gefunden. Die Musik in diesen Kirchen hängt von der Qualifikation und der grösseren oder min­ deren Tüchtigkeit des jeweiligen Chorregenten bei dem öfter vorkom­ menden Wechsel desselben und von der glücklichen Auswahl der von ihm vorgeschlagen werdenden Musiker ab, da deren Bezüge grösstentheils gering sind. Im Dom dagegen findet eine für das Gedeihen der Musik wohlthätige Ständigkeit des Musikpersonals statt. Als Domkapellmeister wirkten an der Augsburger Ka­ thedrale ausser den vier letztgenannten Kapellmeistern im vorigen Jahrhunderte: Giu 1 ini, vorzüglicher Contrapunktist; Demmler, ausgezeichneter Organist, G e r b e 1 und Dr ex e 1, Letzterer frucht­ barer Kirchen-Kompositeur im damaligen eleganten italienischen Style; dann seit dem Jahre 1802 Franz Bühl er, ein seiner Zeit bekannter, äusserst fruchtbarer kirchlicher Tonsetzer im unkirch­ lichen Style; ferner seit dem Jahre 1822 Carl Bonaventura Witzka; seit dem Jahre 1839 Michael Keller; seit dem Jahre 1865 Carl Kempter und seit dem Jahre 1870 Carl Kammer­ lander, wovon besonders die vier letzten als tüchtige Compositeure im Fache der Kirchenmusik bekannt sind.*) In der Studienkirche, früher St. Salvator, hatte die vom dortigen Studenten - Seminar versehene Kirchenmusik bei der Schliessung dieser Kirche im Jahre 1807 aufgehört und wurde in der nachherigen Studienkirche bei St. Peter mehrere Jahre hin­ durch nur durch Yolksgesang ersetzt, bis im Monate Mai 1816 eine *) In den übrigen katholischen Stadtpfarrkirchen folgten nacheinander seit dem Anfänge des gegenwärtigen Jahrhunderts nachbenannte Chorregenten. Bei St. Moritz: Johann Baptist Schue, Carl Bonaventura Witzka (nachheriger Domkapellmeister), P. Mathäus Fischer, vorzüglicher Organist, Joseph Geist, Kirchencompositeur im acht kirchlichen Style, Mathäus Bosch, vorzüglicher Basssänger, Karl Kammerlander, derzeitiger Domkapellmeister, Anton G r e iner und Anton Ortner; bei. St. Ulrich:?. Nidgar Fichtl, P. Mathäus Fischer, P. Rupert Streicher, Michael Keller (nachheriger Domkapell­ meister) und Donat Müller; bei St. Georg: P. Carl Steidle, P. Mathäus Fischer, P. Rupert Streicher, Moriz R ittl er, Johann Nepomuk Jegg, Donat Mülle r, Anton Wallenreiter, Anton S c h m i d, geschätzter Tonsetzer, und Johann Baptist Niggl; bei St. Maximilian: Martin Penz, Johann Nepomuk Kretzler, Johann Nepomuk Jegg, Carl Wurst, Carl Kamm er­ lander, Anton Gr ein er und Georg Seitz; dann in der Wallfahrtskirche bei heilig Kreuz: P. Mathäus Fischer, Joseph Geist, Jakob Niggl und Carl Kammerlander, gleichzeitig Domkapellmeister.

353 ständige Kirchenmusik in dieser Kirche aus Veranlassung und unter der Direktion des damaligen Rechtspraktikanten und nun­ mehrigen pensionirten k. Regierungsdirektors Dr. Joseph v. Ahorn e r, welcher zur Zeit die Kirchenmusik der Studirenden in der jetzi­ gen Studienkirche von St. Stephan noch immer leitet, wieder ein­ gerichtet worden ist. — Bei der Wiedereinrichtung der katholischen Studienanstalt in dten Stiftsgebäuden bei St. Stephan im Jahre 1828 wurden die Gottesdienste für die Studirenden und hiemit auch die Kirchenmusik bei denselben in die dermalige Stifts­ und Studienkirche bei St. Stephan transferirt, wo sie noch fort­ besteht und ausschliessend von den Studirenden unentgeltlich be­ sorgt wird. — Selbstverständlich ist diese Kirchenmusik bei dem jährlichen Wechsel der Schüler hinsichtlich der Qualität und Quantität der Mitwirkendon grossen Schwankungen unterworfen, und während dieselbe in manchen Jahren, besonders zur Zeit der noch grösseren Frequenz der Studienanstalt St. Stephan, auf einer sehr hervorragenden Stufe stand und selbst mit den Leistungen der Domkapelle sich messen konnte, da die grössten Messen und andere Kirchencompositionen der vorzüglichsten kirchlichen Ton­ setzer mit entsprechendem Erfolge aufgeführt wurden, sank sie in manch andern Jahren dagegen bis zu den gewöhnlichen Lei­ stungen herab; hiebei wurde aber stets auf einen stark besetzten und gut geschulten Sängerchor besondere Rücksicht genommen und nie unterlassen, nur gediegene Kirchenmusik der ältesten, mitt­ leren und neuesten Zeit theils mit, theils ohne Instrumentalbegleitung, so wie solches die kirchlichen Vorschriften zu den verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres erheischen, zur Aufführung zu bringen.*) Auch dürfte hiebei nicht unerwähnt bleiben, dass schon im Jahre 1821 auf dem Chor der Augsburger Studienkirche fünfstimmige Messen von Orlando di Lasso und zwar zuerst in Augsburg zur Aufführung kamen. *) Aus der alten italienischen Schule kamen nämlich zur Aufführung die CompoBitionen von Palestrina, Vittoria, Anerio, AUegri, Orlando di Lasso, Hassler etc., dann von neuern jene von Haydn, Mozart, Eybler, Vogler, Hummel, Krommer, Gänsbacher, Reissiger, Ett, Schnabel, Hahn, Horak, Brossig, Aiblinger, Rempter, Witzka, Drobisch, Mendelssohn-Bartholdi (Lauda Sion) etc., und von den neuesten jene von Witt, Greith, Mettenleiter, Stehle, Kaim etc., woraus hervorgeht, dass zwar den Vorschriften und der Tendenz des Cäcilienvereins auf dem Musikchor der Studienkirche Rechnung getragen wird, dass aber von demselben solide und acht kirchliche Instrumentalmusik früherer Meister auch in neuester Zeit nicht ausgeschlossen ist, hiebei jedoch vorzugsweise an die Produkte der Breslauer Schule sich gehalten wird.

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354 Dieser Kirchenchor ist zur Zeit noch der einzige in Augs­ burg, wo die. Sopran- und Altstimmen von Knaben gesungen wer­ den, wie solches in den ersten drei Decennien des gegenwärtigen Jahrhunderts noch auf allen katholischen Kirchenchören der Fall war, während jetzt auf allen andern Kirchenchören nur Da­ men zu den hohen Stimmen verwendet werden. — Unter diesen Chorknaben fänden sich zeitweise vorzügliche, mit eminenten Stimmmitteln begabte und durch musikalische Festigkeit und ge­ bildeten Vortrag sich auszeichnende Sänger, wovon mehrere später­ hin in der musikalischen Welt als Hof- und Opernsänger Epoche machten, wie z. B. Härtinger, Löhle, Wiedemann, Wallenreiter, Holzmüller etc. Dass übrigens an der Studienanstalt St. Stephan die Musik überhaupt stets eifrige Pflege fand, mag daraus hervorgehen, dass die Studierenden' zu verschiedenen Perioden im Stande waren, mit eigenen Kräften ausser der Kirchenmusik auch Beethoven’sche, Weber’sche und Cherubinische Ouvertüren und Symphonien und andere schwierige Orchester - Compositionen' der besten Meister, dann Oratorien und Cantaten von Haydn, Mozart, Beethoven, Spohr, Mendelssohn, Weber, Homberg, Friedrich Schneider, Neukomm etc. an den Maifesten, Schlussproduktionen und bei verschiedenen an­ dern Anlässen mit entsprechendem Erfolge aufzuführen.*)

IV. Die Kirchenmusik in den protestantischen Kirchen zu Augsburg. Für die Leitung der Kirchenmusik in den protestantischen Kirchen war von jeher ein eigener Musikdirektor aufgestellt, wel­ cher nicht nur in der Hauptpfarrkirche bei St. Anna, sondern auch die in den übrigen vier protestantischen Pfarrkirchen abwechs­ lungsweise an Sonn- und Festagen stattfindenden musikalischen Aufführungen zu dirigiren hat, und welchem auch früher oblag, für die Feier des Friedensfestes (8. August) je nach zwei Jahren *) So wurden z. B. die Schöpfung und die Jahreszeiten von Haydn, das Weltgericht von Fr. Schneider, die letzten Dinge von Spohr, Preis der TonKunst (Congress-Cantate) von Beethoven, die Cantaten und grössern PsalmenCompositionen von Mendelssohn, Oratorien von Neukomm, die Glocke und an­ dere Cantaten von Romberg etc. gegeben und auf der Bühne im Seminar ausser mehreren Operetten auch Joseph in Egypten von Mehul und der Wasserträger von Cherubim gut gelungen aufgeführt.

355 eine neue Composition einer grossem Hymne oder Cantate zu liefern. — Die kirchlichen Produktionen bestanden in früheren Jahren in Hymnen und Motetten, meistens mit Instrumentalbegleitung, von Bach, Händel, Haydn, Hasse, Zumsteg und andern grösstentheils bewährten Meistern, bis in den vierziger Jahren die Instrumentalbegleitung zunächst auf Blasinstrumente beschränkt und dann in Folge der Synodal- resp. Pfarrconventbeschlüsse die Instrumente gänzlich beseitiget wurden und nur mehr Vokalmusik mit und ohne Orgelbegleitung aufgeführt wird, wobei insbesondere die herrliche Stein’sche Orgel in der Pfarr­ kirche zu den Barfüssern eine Hauptrolle spielt.*) Mit Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts wurde Ernst Haussier, gebildet in der hohen Karlsschule zu Stuttgart, ein vor­ züglicher Violoncellspieler und Sänger, als Musikdirektor angestellt. Nach dessen im Jahre 1837 erfolgtem Tode übernahm die Ka­ pellmeisterstelle an den protestantischen Kirchen Carl Ludwig Drobisch aus Leipzig, bekannt in der musikalischen Welt durch viele geschätzte kirchliche Compositionen und als ganz tüchtiger Dirigent anerkannt. Unter ihm trat, — zwar nicht seinem Wunsche entsprechend, sondern durch Conventbeschlüsse veranlasst, — die gänzliche Be­ seitigung der Instrumentalmusik und die Einführung der reinen Vokalmusik in den protestantischen Kirchen ein, wobei er sich um die Bildung eines guten Vokalchors wesentliche Verdienste erwarb. — Nach seinem im Jahre 1854 an der Cholera erfolgten Ableben war sein Nachfolger Friedrich Kiegel, ein trefflicher Organist, welcher schon im Jahre 1858 als erster Organist an die prote­ stantische Kirche in München ah Professor Herzog’s Stelle ab­ berufen wurde. Seit diesem Jahre ist Kapellmeister Hermann Michael Schietterer, früher akademischer Musiklehrer an der Universität Heidelberg, als Direktor der Musik in den protestan­ tischen Kirchen Augsburgs aufgestellt, dessen Leistungen in dieser Eigenschaft, dann besonders als musikalischer Schriftsteller, so wie als Begründer eines Gesang - und Oratorienvereins und der Oratorienvereins-Concerte, wie auch einer Musikschule in hiesiger Stadt allgemein anerkannt sind. *) Dieses ausgezeichnete, berühmte Orgelwerk, welches auf 3 Manualen und einem Pedal jetzt 41 klingende Stimmen nebst 3 Nebenzügen enthält, wurde in den Jahren 1755—57 von dem berühmten Orgelbauer O. A. Stein in Augs­ burg erbaut und im Jahre 1863 von dem Orgelbauer E. Fr. Walker aus Lud­ wigsburg in seiner jetzigen Disposition renovirt und ist eine der Hauptzierden der Kirchen Augsburgs. op *

Die alten Feuerordnungen der Stadt Augsburg. Die Augsburger Feuerwehr hat in diesem Jahre das Fest ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens gefeiert. Von allen Sei­ ten, aus dem engsten Kreise der Heimath, der ihre trefflichen Leistungen in erster Linie wahrhaft segnungsreich geworden sind, wie aus der Ferne, wohin ihr ruhmreiches Beispiel erweckend und aufmunternd gewirkt hat, sind ihr bei dieser Gelegenheit vollgiltige Beweise lebhafter Theilnahme und tiefgefühlten Dankes zugegangen. Eine eigene Festschrift hat sich mit der Entwick­ lung des Feuerlöschwesens innerhalb des genannten Zeitraumes beschäftigt. Es ist daher sicherlich nicht ohne Interesse, bei diesem festlichen Anlass, der jeden Nachdenkenden neben dem lauten Fest&jubel unwillkührlich auch zu ernsteren Betrachtungen Ver­ anlassung geben muss, den Blick noch weiter rückwärts zu lenken und an der Hand zuverlässiger Quellen den Zustand des Feuer­ löschwesens unserer Stadt von den ältesten Zeiten an bis herauf zur neueren und neuesten Zeit zu verfolgen. Diesem Zwecke sind die folgenden Blätter bestimmt: neben kurzen orientirenden Notizen sollen sie namentlich die einzelnen Feuerordnungen früherer Jahr­ hunderte enthalten. Die Darstellung der mittelalterlichen Löschanstalten muss von einer Angabe der Anordnungen ausgehen, durch welche man dem Ausbruch eines Brandes vorzubeugen suchte. Die baupolizei­ lichen Massregeln zur Verhütung von Feuersbrünsten betrafen die Dächer und die Schornsteine. Die Dächer waren bis tief in das Mittelalter herein fast insgesammt Stroh- oder Schindeldächer.

357 Augsburg scheint jedoch schon sehr früh ziemlich allgemein nur Ziegeldächer gehabt zu haben: es geht dies mit hinreichender Sicherheit aus einer Notiz des alten Stadtbuchs vom Jahre 1276 hervor, wo es heisst, dass der Stadtvogt das Schiessen mit Stein­ bogen verboten hat, weil dadurch den Burgern Schaden an ihren Ziegeldächern zugefügt worden sei.*) Und während anderwärts die Einrichtung von feuersichern Kaminen bis in das 15. Jahr­ hundert Ausnahme blieb oder wenigstens nicht allgemein durch­ geführt wurde, führt das Augsburger Stadtbuch eine gesetzliche Bestimmung an, aus der wir auf das allgemeine Vorkommen zweck­ mässig construirter Kamine einen Rückschluss machen dürfen.**) Auch die ersten Spuren einer obrigkeitlichen Feuerschau finden wir schon in verhältnissmässig sehr früher Zeit.***) Gehen wir nun zu den Löschanstalten selbst über, so ist uns die früheste Anordnung hierüber abermals schon im Stadtbuch vom Jahre 1276 aufbewahrt. Hier heisst es im Art. XVII. 56: „ouch habent die wintrager unde alle träger daz reht dez si ane stiure sint. Unde darumbe' suln si sin allesampt swa fiwer uzgat unde suln wazzer zutragen ane Ion. Unde swa ir der vogt oder sine botten da misseten, swelhes man da misset, der ist dem vogte schuldic fiunf Schillinge phenninge.“ Sonst enthalten die Quellen nur spärliche Notizen über die ältesten Feuerlöschanstalten. Nur so viel geht mit Sicherheit hervor, dass dieselben äusserst beschränkter Natur waren. Höl­ zerne oder lederne Wassereimer, die in den zahlreichen Bädern der Stadt aufbewahrt wurden, und Feuerleitern in den Baugewöl- ’ ben waren die einzigen Mittel zum Löschen der Brände. Aus *) Art. XC. S. 173 meiner Ausgabe. **) Art. LXXV. ß. 148. Der feuersichern Bauart is$ jedenfalls auch die verhältnissmässig geringe Zahl grösserer Brände zuzuschreiben. So meldet uns eine chronikalische Aufzeichnung im Stadtarchiv, dass zwischen den Jahren 1608 —1759 nur 75 grössere Brandfälle vorgekommen seien. ***) Baumeisterbuch v. J. 1421: „Dem Vogt und den Werklüten trinkgelt als sy die kymisch und feurstat geschauoten.“ Rathsdekret v. J. 1437: „mer ist beredt, das der vogt oder sein scheinbott und Knechte mit den geschwornen wercklüten beschowen sollen alle fürstell und Kümich; und wa das nit wol versorget ist das sölben si in ainer benampten Zeit nach notdorfft haiszen machen und versorgen nach ir erkanntnüss 5 wa auch das versorget und dennocht villeicht notdorfftig ist Kümich zu kören, das sollen si ouch sprechen in ainer benembten zeit zu tund uff die pen die der raut ouch daruf setzen und on gnad nemen will. Und sölich gebrechen und schrifft sollen si ouch für die rät bringen als not tut uff ir aide, das die gestraffet und pen genomen werde nach ains rautes raut.“

358 den Bädern wurden auch die grösseren Wassergefässe beigebracht, und es kommen in den Rechnungen Einträge vor, nach welchen den Badebesitzern hiefür Entschädigungen bezahlt wurden. Auch während des 15. Jahrhunderts scheinen nur sehr ge­ ringe Fortschritte im Feuerlöschwesen gemacht worden zu sein. Zpi Jahre 1403 findet sich eine Verordnung vor, nach welcher Frauenspersonen und Kindern bei Strafe verboten wurde, sei es Tags oder Nachts, auf der Brandstätte zu erscheinen. Als es im Jahre 1415 in des Custers Weier brannte, erhielten die Bleich­ knechte, welche Wasserschäffer zubrachten, ein Geschenk. Bessere Einrichtungen scheint man gegen das Ende dieses Jahrhunderts in Folge des grossen Brandes, welcher 1488 das Meuting’sche Haus und die Trinkstube der Bürger in Asche gelegt hatte, ge­ troffen zu haben. Das Baumeisterbuch von diesem Jahr enthält den Eintrag: „item Joergen Kesselschmidt von 52 kupferin naepfen zum feur gehoerig und ein kessel zu machen.“ Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts, in welchem die mechani­ schen Künste in Augsburg einen hohen Aufschwung nahmen, machte auch das Feuerlöschwesen einen merkbaren Fortschritt. Zum 26. October 1508 enthält das Baumeisterbuch den Eintrag: „item 5 0> 5 sh. um spritzen uffs ratliaus“ (fol. 53a). Diese Spritzen können kaum zu einem andern Zwecke gedient haben als zum Löschen bei ausgebrochenem Feuer im Innern des Hauses. Anfangs September 1509 entstand ein Brand im Kloster der Dominicaner. Derselbe muss sehr bedeutend gewesen sein, weil die Entschädi­ gungen an die Badbesitzer und Andere für dargeliehenes „Ge­ schirr“ und „Fuhrlohn“ ungewöhnlich gross waren. Es scheint dieser Brand auch den unmittelbar darauf begonnenen Neubau der Kirche veranlasst zu haben. Eine andere Folge desselben war, dass der Rath viel grössere Wassergeschirre „zur Brunst“ anfertigen liess und die geschwornen Bauleute 10 Tage lang alle „Feuerstätten“ der Stadt untersuchen mussten. Jene Geschirre („Kübel“, 16 an der Zahl) wurden durch den Zunftmeister Kalt­ schmied gefertigt und hatten zusammen ein Gewicht von 17 Zentnern 14 waren also von bedeutender Grösse. Hierher gehört auch der weitere Eintrag des Baumeisterbuchs vom 22. Dezember 1509: „item 24 fl. Michel Egkelberger schmid von 16 schlaipfen, *) *) Vermuthlich Schleifen, auf denen die Wasserkufen zum Brandorte ge­ fahren wurden.

359 16 waegen und 16 aimer zur brunst beschlagen von ains rats eisen. Hat das eisen allain mitsampt den naegeln gewogen 12 Zentner 12 ft“ (fol. 55a). Das war bis jetzt die bedeutendste Einrichtung, welche die Stadt zur Feuerwehr getroffen hatteAuch stellte der ßath eine Art Bürgerausschuss auf („Verordnete zu der Brunst“), welche das erstemal thätig waren, als Mitte März 1510 „das Knaepplins törlin verbrunnen ist*)“ (an der Stelle des nachher erbauten Einlasses). Im Jahre 1517 erhielt der Stadt­ wagner einen sehr bedeutenden Geldbetrag für „neu schlaifen zu den buntzen die man zum feuer braucht,“ auf denen die „kupferiu buntzen hangen;“ ebenso Lienhart Kaltschmidt für neue „der stat kupferin buntzen zum feuer gehörig.“ 1517 stossen wir zuerst auf eine Nachricht über die Einfüh­ rung einer Feuerspritze. Ende November d. J. erhielt Anton Platner, Goldschmied zu Friedberg, eine Vorausbezahlung von 15 fl. zu dem „werk so er aim erbarn rat zum wasser machen sol.“ Dieses „Werk“ war eine grössere Feuerspritze, welcher der Rath eine ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte. Noch vor Beginn des Jahres 1518 erhielt Anton Plattner das Bürger­ recht und zog in die Stadt. Er war als Goldschmied ein Künstler und betrieb sein Geschäft als solcher fort. Er arbeitete eben an einem „guldin clainat, was der ritter sant Jeorig.“ Auf dieses Kleinod lieh ihm der Rath 10 fl., die er wieder abziehen sollte, wenn ihm das „instrument zu den brunsten gehörig“ bezahlt würde. **) Eine weitere Bezahlung „wegen der wasserspritzen zum feur dienstlich“ erhielt er am 27. März 1518, die letzte am Ende des­ selben Jahres, als das Werk vollendet war. Inzwischen erhielt Hans Wiudenmacher eine Bezahlung „umb raeder und Stangen maister Anthoni ßlattner zu der wasser spritzen gemacht,“ und Lienhard Kesselschmied fertigte ein „zuber und was dazu gehoert zu der feur- oder wasserspritzen.“ Dieser Zuber von Kupfer hatte ein Gewicht von 6 Zentnern 56 Pfd. Ueberdies lieferte Sebold Schienmacher „messine ror zu der feurspritzen.“ Fasst man alle diese Notizen zusammen, so ergibt sich, dass Anton Blattner eine Feuerspritze geliefert hat, wie eine gleich bedeutende früher nicht gefunden wird. Denn wenn schon im Laufe des 15. Jahrhunderts da und dort (so in Nürnberg und Frankfurt) *) Baumeisterbuch z. d. J. **) Baumeisterbuch z. J. 1518.

360 des Gebrauches von Feuerspritzen Erwähnung geschieht, so waren diese blosse Handspritzen und zwar recht kleine, wie aus dem Beispiel der letztgenannten Stadt hervorgeht, in welcher zuerst im Jahre 1440 11 Stück auf einmal von Nürnberg bezogen wur­ den, von denen eine jede nicht mehr als 19 Schillinge, d. h. etwas über 3/4 Gulden gekostet hatte. Die älteste vorhandene Feuerordnung ist aus dem Jahre 1549. Dieselbe ist dann in den Jahren 1593 und 1653 mit unwesent­ lichen Aenderungen aufs neue publizirt worden. Eine zweite Feuerordnung datirt vom Jahre 1731 und unterscheidet sich von der älteren insbesondere dadurch, dass sie ausser den Anordnun­ gen, wie einem bereits ausgebrochenen Brande zu begegnen sei, insbesondere auch eine Reihe von Vorschriften zur Verhütung von Feuersbrünsten gibt. Späterhin sind — abgesehen von einzelnen novellenartigen Bestimmungen (so von den Jahren 1794, 1798 und 1808) — um­ fassende Feuerordnungen erlassen worden in den Jahren 1791, 1816 und 1835.

I. Feuerordmmg vom 25. Juni 1549. Ordnung, wie sich dieOberundUnder Hauptlcüth, auch die Zeiigherren mit fürsohung der Gassen-Kettinen, Schussgaettern, Geschütz unnd anderm,dess gl eichen gemaine Burgerschafft im val der noth hey tag uud nacht, so an die Sturm geschlagen wird et, hallten sollen. Die Oberhauptleüth, wellicher an der zal 18, so auf die vier gewöndlichen Plätz diser Statt verordnet, nemlich auf den Weinmarkt*) vier, auf den Berlach vier, auf Barfüsser Vorstadt vier unnd auf Hailig-CreützerVorstat**) sechs, sollen fürsehung thun, dass die Schussgätter***) unnder allen Haupt- und Neben-Thoren allzeit zu feilen gericht und geraumbt seyen, dass sy zu der zeit der noth on ainiche Verhinderung gefeilt mögen werden. Sy sollen auch zu yedem Schussgatter vier Mann auss den Zimmerleüten und Maurern oder ander, so damit umbgen künden, verordnen, so die in fürfallender noth auf gebürlichen befelch unverzogenlich zu fei­ len wissen. Dise Oberhauptleüth sollen auch alle Jar die Schussgätter dieser Statt feilen, dass ain yeder in sonders ainsmals nidergefellt werde, unnd wa mangel erscheint, soll unvertzogenlich gemacht werden; zu sollichem mögen sy der Stat Werckleüth yeder zeit brauchen. Item, sy sollen auch zu den Fewrlaitern, Hacken und Aimern etc. verordnen, damit so inn Feursnöten an die Sturm geschlagen, dass damit dem Fewr unvertzogenlich zugelaufen. Und zu diser Sach sollen gebraucht werden die Ballenbinder, Weinzieher, Kornmesser und Saltzlader. Denselbigen soll angetzaigt werden, an wellichen ortten die Feurlaitern, Hacken und liderin Aimer in zeit der noth zu finden seyen. Und wie bissher der Gebrauch gewesen, dass die Fewrlaitern, liderin Aimer und Fewrhacken an mehr ortten als billich verschlossen, so soll doch der Schlüssel yedes orts dem nechstgesessnen Nachbawren zu bewaren uberantwurtt werden. Derselbig soll zu der zeit des Sturmstraichs unvertzogenlich aufsperren, damit die Verordneten iren befelch one veihinderung vollziehen mügen. #) Jetzt Maximiliansstrasse. ' **) Vor dem Heiligkreuzerthor, welches in der Nähe des Salzstadels stand und 1807 abgebrochen wurde. ***) Fallgitter an den StadtthoTeii. f) Herunter lassen, ff) Lederne Feuereimer.

362 Unnd damit dass sich niemand der unwissenhait halben entschuldigen möge, so sollen die Herren Oberhauptleüth dess Weinmarckts die verordenten Ballenbinder, Weinzieher, Kornmesser und Saltzlader beruffen, sy angelobep lassen, wa tags oder nachts an die Sturm geschlagen, dass sy, wie oben gemeldet, auf das beldest dem Fewr mit Laittern, Hacken unnd liderin Aimern wöllen zulauffen. Unnd wellicher das one namhafft Ur­ sachen ubexfüro, der solle nach gestalt der Sachen gestrafft werden. Es soll auch ain yede Kott iren Rottmaister under inen haben unnd den Herren Oberhauptleüten in geschrillten zustellen.*) Die Herren Oberhauptleüth sollen auch all Gassenkettin **) gross und klain mit erlichen Männern fürsehen, so die nechstgesesmen desselben orts seind, wolbetagte Männer, doch sollich, so der Kettin fürzuschlagen***) mechtig. Dieselbigen sollen, so die Stum angeschlagen, es sey tags oder nachts, bey den Kettinen erscheinen, dieselbigen aber one besonder vor­ wissen und befelch der Herren Ratpfleger unnd Geheimen nit fürschlagen unnd one abkündung davon nit abgeen. Unnd wellicher Verordneter seinem befelch nit nachkeme, soll darum gestrafft, auch sollich befelchsleüt von den öbern Hauptleuten, dem also nachzekommen, in Gelübdt genommen werden. Item zu dem Geschütz auf die Thürn diser Statt und auch in den Zeügheüsern sollen die Zeügmaister Ordnung und Fürsehung thun mit darzu dienlichen Personen, dass ain yeder wisse, wann die Sturm angeschla­ gen wirdet, an welliches ort er lauffen, auch was er thun solle, dass sy auch das Geschütz auf den Wörthürnen diser Statt fürsehen, damit dasselbig zur zeit der noth möge gebraucht werden. Item die Zeügmaister sollen, so an die Sturm tags oder nachts ge­ schlagen, den Zeügheüsern zulauffen und zu inen sollen meiner Herren Büchsenmaister kommen. Es soll auch yeder Zeügmaister zehen namhafft Burger erwelen, so an die Sturm geschlagen, dass sy inen sollen mit Wör und Harnasch zu Hauss kommen unnd alda bis auf der Zeügmaister ab­ schaffen beleihen. Item es soll auch auf yedes Zeüghauss, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, zu den wenigsten vier Ross auf dem Spital oder von sanct Katherina sambt ainem Für- und Handtknecht verordent werden, ob was von Geschütz zu füren von nöten. Item so an die Sturm geschlagen, es sey tags oder nachts, sollen die Zeügmaister on ain besondere Losung von den Herren Stat-Pflegern niemand nichts uss den Zeügheüsern folgen lassen, auch on ursach weder Burger noch frembd einlassen. Item es soll kain Ober- oder Under - Hauptmaii, auch kain nachge­ setzter Befelchhaber über Kettinen, Schussgatter, Geschütz auf den Thürnen oder anders über nacht aus diser Stat sein, er habe dann zuvor sein Be­ felch, Register oder Schlüssel oder was er desshalben in Verwaltung hat, ainem andern Man seines gleichens, damit sein stat wol fürsehen sey, *) d. h. die einzelnen Feuerwehrrotten sollen unter sich einen Rottmeister wählen und die getroffene Wahl den Oberhauptleuten schriftlich anzeigen. **) Zur Erhaltung der Ruhe im Innern der Stadt diente das Absperren der Strassen mit Ketten, um bei Aufläufen das Gedränge zu verhindern.

***) i. e. Vorspannen.

363 befolhen und ubergeben. Und ob ainer oder mer, Ober oder Underhauptleiit oder sonst ainich ander Befelchsmänner irer notdurfft nach aussraisen*) wolten, soll ain jeder ainen Verweser an sein stat ordnen, damit der Befehl dieser Ordnung voltzogen werde. Und damit auch ain jeder Underhauptman oder Befechhaber im val seines aussraisens oder annderer Ursachen desst förderlicher an sein stat verordnen müg, so soll ain yeder, sobald in sein Ampt befolhen wirdet, ainen erbern, redlichen Mann auss seiner Unnderhauptmanschaft zu ainem Verwalter erwelen, denselben aigentlich underrichten, was sein befelch sey, wo er Underhauptman nit erscheinen kündte, dasselbig trewlich zu ver­ walten. Unnd wellicher dermassen erwelet wirdt, der soll sich dess mit nichten widern**) und allwegen ain sollicher Erwelter dem Oberhauptman an statt ains ersamen Raths, dem trewlich nachzukommen, angeloben. Item ain yeder erwelter Unnderhauptman soll seine Unnderthanen (der zehen minder oder mehr Häuser sein sollen) alle alss Burger, Innwonner, Burgersknecht, auch Handtwerksgesellen in Gelübdt nemmen, dass sy allem dem, so inen teglich von den Herren Statpflegern, Burgermaisfcern im Ampt oder ainem erbern Rath befolhen, gehorsamlich wollen nachkommen. Item dessgleichen Geliibdt und Pflicht sollen die Unnderhauptleüt den öbern Viertelhauptleüten auch thun. Item die obern Hauptleüt die sollen ainem erbern Rath angeloben, dise Ordnung getrewlich zu voltzieben, auch ausserhalb diser ordnung weiters nichts bandien, dann was inen yeder zeit von den Herren Stat­ pflegern, Gehaimen oder ainem erbern Rathe zu verschafft würdet. Item so offt ain Underhauptman under den seinen abganng oder mangel befindet an ainer .oder mehr Personen, als die so zu den Kettin, Schussgättern, Fewrlaitem und dergleichen verordnet seind, es beschehe durch absterben, aufsagen dess Bürgerrechts, langkwiriger kranckhait oder anderer ursach halben, soll der Underhauptman solliches seinem Ober­ hauptman, damit der abgang erstattet werde, förderlichen und one Verzug antzaigen. Item glicher gestalt sollen auch die Oberhauptleüt schuldig sein, wann sy abgang an iren Underhauptleüten und anndern Befelchsmännern befinden, dieselbigen zu erstatten. Sy sollen auch yedem Unnderhauptman verzaichnus geben, was er und seine Unnderthanen zu thun schuldig. Item dessgleichen, wa ain Oberhauptman abgieng oder sonst die Sachen nit lennger wüsste zu verwalten, sollen die andern Öberhauptleüth desselben Vierdtails solliches den Herren Statpflegern uuvertzogenlich antzaigen, die sollen sambt den Herren Gehaimen ainn andern erwelen unnd in Gelübdt nemmen. Item es soll auch ain yeder Underhauptman allzeit fleissig nachfrag unnd gut aufmercken haben, ob sich ainich gesessen Haussgesind, die nit Burgerecht betten, in seiner Hauptmanschaft enthielte; so soll er das bey mittel seines Gelübdts ainem Herrn Burgermaister im Ampt oder den Herren, so über die Bürgerrecht verordnet, unvertzogenlich antzaigen. Item die Herren Viertailhauptleüth sollen in befelch haben, dass sy *) i. e. wegreisen. **) i. e. widersefczen.

364 alle Jar nach iren Underhauptletiten und andern über die Kettin, Schussgätter, Feürlaitem beschicken, dise alle zu befragen, was ain yeder für abgang und mangel hab; und was sy notwendigs befinden, soll von inen erstattet und gebessert werden. Item der Perlachthum soll mit zwayen Herren ains erbern klainen Raths zur zeit Fewrs oder anderer Noth versehen werden unnd derselben yeder soll mit Vorwissen der Herren Gehaimen ainn Verweser zu ime erwelen, und so inen auf den Thürnen*) zu laufen angesagt, dem sollen sy auffs eylendest, so inen müglich, nachkommen. Es sollen auch die Thurner**) wie bissher nit macht haben, weder Fewrs noch annderer Sachen haben anzuschlagen, unnd das zu furkommen soll inen die Sturmglock verschlossen unnd die Schlüssel den verordneten Herren zugestellt werden. Unnd ob sich tags oder nachts Feürsnoth oder andere Gefar zutrüge und die Wächter sollichs vernemen, sollen sy unvertzogenlich tags oder nachts herab rufen, damit sollicher Gefar auf das beldest den zwayen Herren auf den Perlachthurn verordnet unnd alss denn den Herren Statpflegern angetzaigt werde. Wa aber die verordneten Herren sollichs für sich selbs zeitlicher verneinen, sollen sy unvertzogenlich dem Perlachthurn zueylen. So denn dise baide Herren samentlich oder sonderlich auch in irem abwesen ire Verwalter das Feür dermassen sehen, dass es on zeitige rettung grösser Schaden thun möcht, so soll ain yeder derselbigen Herren macht haben, anschlagen zu lassen, doch dass die straich langksam beschehen, damit unnderschaid Junnder dem leüthen^der Sturm unnd dem Anschlägen erkennt möge werden. Wa aber Feinds oder anndere Noth vorhanden, so sollen die Ver­ ordneten von ainem erbern Rath onn befelch unnd on aine gewisse Losung von den Herren Statpflegern kaineswegs anschlagen lassen. Und so die verordneten Herren ainer oder mehr, es sey tags oder nachts, auf den Perlachthurn^kommen, sojsollen sy^verordnen, dassjlie Sturmglock, auch Läden dess Thurns geöffnet werdeA, damit man im val der Noth unverhindert^anschlagen möge. Item so bey tag oder nacht ’ ain oder mer Feür*rauffgingen, so soll von den Wächtern aufdem Perlachthurn ain roter Fanen gegen ainem oder mehr Fewren, so vil dero seind, so vil Fanen aussgesteckt. So es aber bey nacht, soll zu sambt den Fanen ain Latern und^darinn ain brinnend Liecht fgegen^dem Fewr aussgesteckt werden. Item so die Sturm tags oder Nachts angeschlagen, so werden die Herren Statpfleger sampt den Herren Gehaimen, dessgleichen die Herren Einnemmer und Bawmaister sich auf das Hathhauss verfügen der ursach, wa sich Fewr oder annder • Sachen zutrngen, dass, was zu handlen, Rath unnd befelch^da gefunden werden mochte. Item dass obermeldte Herren wie billich zu der Zeit ^des 'Sturmanschlagens mit erbern bürgern diser Statt versehen, so sollen auf yeden Herren Stadtpfleger zwaintzig namhaffte Burger und auf yeden Herren Gehaimenrath, dessgleichen die Herren Einnemmer unnd Bawmaister, yeden sechs erber namhafft Männer erwelet werden, die sollen mit Wör und *) i. e. Thurm. •*) i. e. Thürmer.

365 Harnisch, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, auf das beldest so inen müglich, yeder dem Herren, dahin er verordnet, zulauffen unnd derselben befelch trewlich nachkommen, wie sy dann derhalben ange­ loben sollen. Item die Burger, wie oben gemeldt, so auf die Herrn Statpfleger, Gehaimen, Einnemmern unnd Bawmaiser waitten sollen, seind an der zal 94 Personen, die sollen, so die Herren bey ainander, das Bathhauss bewaren und niemand on ursach hinauff lassen. Item es sollen auch die geschwornen Kriegshauptleüth diser Statt, so an die Sturm geschlagen, sich verainigen, dass ain yeder unverzogenlich ainem Herrn Statpfleger mit Wöm unnd Harnasch zülauffe. Unnd soll auch ain yeder obgemeldter Hauptman sich in seiner Nachbaurschafft umb zween oder drey erber Burger bewerben, dieselbigen auf sy beschaiden zu der zeit dess Sturmstraichs inen mit Wörn unnd Harnasch zulauffen unnd sampt den Hauptleüten, als oben gemeldt, zu den Herren Statpflegern zu hauss oder wa sy seind kommen und derselbigen befelch jederzeit erwartten unnd denn getrewlich nachkommen. Dessgleichen sollen yederzeit die Herren Burgermaister im Ampt dem Fewr wie von alters her zureitten, bis zum ennde alda beieiben und den rettern freiindtlich unnd im val der noth erenstlich zusprechen. So auch tags oder nachts an die Sturm geschlagen, so soll der Keichs unnd Sfcatvogt den Herren Burgermaistern im Ampt gerüst zu­ reitten unnd die Gassenknecht und was der gebrauch bisshere gewesen mitnemmen. Es sollen auch alle Söldner diser Statt sich in zween tail tailen und allweg der halb tail dem ainen Herrn Burgermaister unnd der annder halb tail dem anndem Herrn Burgermaister, so derzeit im Ampt, auf das för­ derlichst gerüst züreitten unnd alda der Herren Burgermaister befelch erwartten. Den Eeleöten, auch ledigen Gesellen von baiden erbern Stuben soll angesagt werden: so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, dass die­ jenigen, so dess leibs halben vermügenlich, auch mit Eoss unnd Harnasch gerüst seyen, allain oder mit iren Knechten ainem erbern Eathe zu gefal­ len, gemainer Bürgerschaft, auch inen selbs zu guttem unvertzogenlich auf den Berlachplatz gerüst kommen sollen, alda auf befelch der Öberkait wartten. Dise Eeiter mögen auch yeder zeit durch die Herren Burger­ maister, so auf.sy zu ainem Oberhauptman verordnet, rottweiss als vier, sechs, acht oder zehen in die Statt, auch den Yorstetten unnd Thoren diser Statt, allenthalben zu besichtigen, verordnet-werden, wa das Yolckh zu hauff kommen wölte, die anhaims zu verschaffen, auch was sy in dem umbreitten gefärlichs vernemen, solliches den Herren Burgermaistem als iren Hauptleüten unvertzogenlich anzutzaigen. Alssdenn mag sich inn wichtigen Sachen yederzeit ain Herr Burgermaister bei den Herren Stat­ pflegern unnd Gehaimen beschaids unnd befelchs erhollen. Unnd versieht sich ain erberer Kath, ermeldte die vonn Herren unnd Kaufleüten sollen unnd werden sich zur zeit der Noth gehorsamlich ertzaigen. Dieweil auch diser zeit sechs Herren Burgermaister seind unnd wie oben gemeldt allain die zween, so im Ampt, zu der Feürsnoth reitten sollen, so sollen sich hinfüran die andern vier Herren Bürgermeister, so

366 nit im Ampt, allwegen auf vier Monat lanng vergleichen, dass ainer unnder inen gerüstt zu Ross auf den Berlachplatz kommen soll. Sollicher Herr Bnrgermaister soll Oberkauptman über die Raisigen , als oben vermeldt, sein. Unnd dieweil noch drey Herren Burgermaister seind, sollen dieselbigen, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, sich vergleichen der dreyer Yorstett, nämlichen Barfusser, unnser Frawen unnd Hailig-Creützer Thor, also dass zur zeit dess Sturmstraichs yedes Thor mit ainem Herrn Burger­ maister versehen, alda in zeit der noth niemand ongerechtfertiget weder ein noch ausslassen. Unnd sollen yedem Herrn Burgermaister zwaintzig namhafter Burger zugeordnet, die sollen in Gelübdt genommen werden, zu der zeit dess Anschlagens mit Wör unnd Harnasch den Herren Burger­ maistern zu Hauss zulauffen, sy zu dem Thor unnd widerumben haim belaitten. Sy sollen auch angeloben, den Herren Burgermaistern gehorsam zu sein. Und dartzu unnder disen zwaintzig Personen ainn Hauptman zu sein erwelet werden, damit man wissen künde, wer sich der gehorsame hallte. Es soll auch ain yeder Herr Burgermaister ainen ansehlichen Ver­ weser an sein stat erwelen, der im val der Noth sein Ort vertretten künde. Item die achtzehen Oberviertelhauptleüt diser stat sollen, so an die Sturm geschlagen, ain yeder in seiner Behausung sein unnd on ehafft Ursachen darauss nit kommen, sonder die Under-Hauptleüt in ungefärlicher gleicher ausstailung zu inen, doch one Harnasch unnd lannge Wören kommen, ob sich was zutrüge, das sy die Herren Statpfleger und Gehaimen wissen zu finden. Und zu allen Thoren diser Stat sollen, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, zween auss ainem grossen Rath die nechstgesessnen zu jedem Thor sambt den Thorschliessern und Huttern verordnet worden. Unnd dise Männer, auch, die Wächter und Schützen auf dem Thurn sollen inner und ausserhalb der Statt gut aufmercken haben, wä sy was gefärlichs befunden, dasselbig unvertzogenlich den Herren Statpflegem auf das Rathhauss anzuzaigen. Unnd so tags an die Sturm geschlagen, sollen die Thor auf das beldest gesperrt werden. So auch tags oder nachts an die Sturm geschlagen, sollen die Schützen, so auf die Thürn verordnet, ain yeder dem seinen zulauffen, die Doppelhacken laden unnd nit vor Abschaffung abgeen. Unnd so nächtlicherweil angeschlagen, sollen alle Feürpfannen *) diser Stat angezündt werden, und wa von nöten soll der Mann desselben Hauss nichts dessterweniger seiner Ordnung nachkommeii unnd dem Weib oder seinen Mägden die Feürpfannen zu versehen befelhen. Es sollen auch, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, alle Kettinen diser Stat fürgetzogen werden, unangesehen das man nit wie vor auf die Plätz kumbt, unnd soll ain yeder, so zu der Kettin verordent, darbey beieiben, bis ime widerumb abkündet wirdet. Die Blaichknecht sollen' auch, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, mit iren Wasserschüsseln zu dem Olblaterthörlin geen, daselbst verharren, unnd wa von nöten sollen sy mit vorwissen der Herren Stat­ pfleger, auch auf derselben befelch eingelassen werden. *) Pfannen, welche an den einzelnen Häusern angebracht waren und in denen man Holz, Pech u. s. w. brennen Hess.

367 Ünnd dieweil auch die Zimmerleüt, Maurer und ander bissher zu den Fewrsnoten verordent gewesen, soll denselbigen hinföran dem nachzukom­ men von newem verschafft und befelch gegeben werden dergestalt: wa tags oder nachts an die Sturm geschlagen, das sie dem Feür zulauffen und trewlich retten sollen, auch dem also getrewlich nachzukommen in Gelübdt genommen werden. Man soll auch allwegen über zehen Mann ainn Rott­ mais ter machen, damit man in zeit der Noth wissen müge, wer gehorsam oder ungehorsam sey. E3 soll auch sollichen getrewen Rettern, als näm­ lich erstlich den obern befelchsmännem und folgends den rotmaistern, auch allen andern , so getrewlich helffen, nach gelegenhait der Gefar ain gute Yereerung beschehen. Aber diejenigen, so on redlich Ursachen oder one erlaubnus aussbeleiben, die sollen angezaigt und nach gestallt der Sachen gestrafft werden. ‘ * Es sollen auch die obern befelchsleüt ir Ordnung haben, wa von nöten ir Yolck auf mehr dann ain ort zutailen. Die Herren Öberhauptleüt sollen auch yederzeit fürsehung thun, das die ort mit Feürlaitern, Hacken und liderin Aimern in massen die vor gewesen verordent werden. Und dieweil aber dise Stat eben weitleiiff, sollen sy noch mehr, dann vor gewesen, an gelegen ort Fewrlaittern, Hacken und liderin Aimer zu hencken verordnen, auch die alten Laitern und Hacken besichtigen lassen, ob sy noch im val der Noth zu gebrau­ chen seyen. Item so an die Sturm geschlagen, sollen die im Spittal und allen anndern Clöstern mit den gefüllten Wasserkesseln auf das beldest dem Feür zufarn. Dessgleichen sollen auch alle Sawrbecken*), sobald an die Sturm geschlagen, on Verzug mit gefüllten Puntzen wasser dem Fewr zufam, die sollen auch darumb betzalt werden, insondeihait welcher den ersten, anndern und dritten Buntzen bringt, mit denen soll es nach altem gebrauch gehallten. Es sollen auch alle Sawrbecken dem nachzekommen in Gelübdt genommen werden. ' Es sollen auch alle Burger, ire Süne unnd Knecht, wa tags oder nachts an die Sturm geschlagen würdet (sy haben denn, als oben begriffen, ainichen befelch), in iren heüsern beleibep. Und wa sy zu der zeit dess Anschlagens nit bey hauss, so sollen sy unvertzogenlichen haim geen unnd on ehafft Ursachen, bis widerumb von den Herren Burgermaistem abkündet wirdet, bey hauss beleihen und wartten, was inen ain Oberkait in für­ fallender Noth verschaffen möchte, bey aines erbern Raths ernnstlicher Straff. Item alle Weibspersonen, Frawen oder mägt sollen, so tags oder nachts an die Sturm geschlagen, sich auf Reichs-Strass nicht finden lassen. Dessgleichen sollen auch alle Kinder anhaims enthalten werden bey ains erbern Rats Straff. Es sollen auch zur zeit des Sturmanschlagens alle frembde Gosst sich in iren Herbergen enthalten unnd auf dess Reichs-Strass nit körnen, sy seyen gaistlich oder weltlich, niemand ausgenommen, es wäre dann Sach, das es an ainem ort brenne den Gaistlichen zugehörig, alssdenn so möchten sy wol neben anndern zulauffen unnd helffen retten. Und so die ursach dess Sturmanschlagens vergangen, sollen die bey

*) i. e. Schwarzbrodbäcker.

368 den Thoren, Thürnen, Zeügheüsern, auch anndern ortten abgeschafft Wer* den, wie vor auch der gebrauch gewesen, das die Herren Burgermaister bey ainem Hauptthor die Doppelhacken desselbigen Thurns zu ainem Zaichen oder Abschaffung abschiessen lassen; alsdenn sollen all annder auf den Thürnen rundsumb dise Stat all Doppelhacken auch abschiessen. So das gehört, mag yederman, an was stat er verordnet, abgenn, doch sollen die Herren Burgermaister imm Ambt nicht dessertweniger herum zu den Thoren (was es bey tags) reitten, dieselbigen widerumb aufzuthun ver­ schaffen und allenthalben mit Abschaffung der Burger denselbigen freündtlichen Dank sagen. Item den Scharwachtern, *) auch andern Gassenknechten soll befelch gegeben werden: so nächtlicherweil feür aufgienge, dass gefärlich wäre, oder ob sy sonst was gefärlichs vernemen, sollen sy das unverzogenlich den Herren Stadtpflegern, auch den Herren Burgermaistern imm Ammt anzaigen. Dieselben Herren sollen yederzeit das weitter den Herren, so auf den Berlachthurn verordent, es sey tags oder nachts, ansagen lassen, da­ mit auf das baldest rettung und Gegenwör gemacht mög werden. Die Öberhauptleüt sollen auch dise Ordnung niemand zustellen, was aber die TJnnderhauptleüt darinn betrifft, soll inen in sondern Zedeln zu­ gestellt werden. Wellicher oder welliche aber irem Befelch als vorstent gefärlicher weiss nit nachkämen, der oder dieselben sollen nach gestalt der Sachen von ainem ersamen Bath ernstlichen gestrafft werden. Dise Ordnung sol ain yeder Öberhauptman bey seinen bürgerlichen Pflichten in gehaimbd behalten und niemand ainiche Abschrifft darvon geben noch zukommen lassen. Unnd so offt ain Öberhauptman von seinem Ampt stirbt, soll desselben habende Ordnung von ime oder seinen Erben durch die andern Öberhauptleüt genommen unnd dem newen angeenden Hauptmann zugestellt werden. Erkennt durch ainn ersamen Bath auf den 25 tag dess Monats Junii Anno & XLIX.

II. Feuerordnung vom Jahre 1731. Ausszug auss eines Hoch-Edlen und Hoch-weissen Baths des Heil. Böm. Beichs-Stadt Augspurg erneuerten FeurOrdnung vom Jahr 1731. Sämtliche Bürgere und Innwohnere betreffend. Erster Theil. Von denen Veranstaltungen, welche zu Verhütung Feuers-Gefahr und Schaden ins gemein zu beobachten und der Burgerschafft respective anbefohlen und recommendirt werden. *

§ I. Will und gebiet Ein Hoch-Edler und Hoch-weiser Bath, auss treu-Vätterlicher Vorsorge, dass alle und jede Bürgere und Innwohnere *)

i. e. Strassenwächter.

369 diser Stadt ihre Häuser und Wohnungen jetzt und in das künftige dergestalten hauen und die bereits gebaute nach Nothdurfft bessern und ein­ richten sollen, damit sie für Feuers - Gefahr verwahret und gesichert seyn und bleiben mögen. §. II. Wessentwegen dann auch allen Maur- und Zimmermeistern und ihren Gesellen ernstlich und bey Vermeidung empfindlicher Bestrafung hiemit verbotten ist, kein Gebäu weder auf Reichs - Strass noch innerhalb den Häusern, in Höfen oder Gärten aufzuführen, es habe dann zu vorhero das Gcschwohrne-Ambt, (welches jederzeit mit Bau-verständigen Persohnen bestellet,) den Augenschein eingenommen und den Bericht oder Bescheid ertheilet, wie das Gebäu gegen das Feuer gesichert und ohne Schaden und Nachtheil der Nachbarn fürgenommen werden, auch bey entstehender Feuers-Brunst benöthigter Baum zum Löschen unverbaut ligen verblei­ ben möge. §. III. Absonderlich« aber haben die Deputirte und Werck-Meistere dess Geschwohrnen-Amts darauf zu sehen und vest zu halten, dass fürohin alle Häuser in der Stadt, zumahlen welche neu gebauet werden, mit eignen oder gemeinschaftlichen Schied- oder Feiler-Mauren versehen, und damit folgender massen gehalten werden solle, dass wo zwey Nachbarn zwischen ihren Häusern ein gemeine Maur oder Sehüesser mit einander würcklich schon haben oder in das künftige machen wolten, sie seye oder würde so dick als sie wölbe, so solle ein Jeder gegen dem andern an derselben gemeinen Maur oder Sehüesser zu Einlegung der Träm, zum Gewölben, Schliessung der Bögen und Einsetzung der Kästen einen hal­ ben Stein eines Maur-Steins seines eigenen Maur-Wercks ligen lassen, also dass solche gemeine Maur oder Sehüesser in der Mitten einen halben Maur-Stein dick für das Feuer unzertrennt bevor habe: hätte aber einer gegen seines Nachbarn Hauss eine eigene Maur, sie seye so dick sie wolle, so solle ihme erlaubt seyn, zu Einlegung der Träum und zum Gewölben, auch Schliessung dei Bögen und Einsetzung der Kästen darein zu brechen, so tief seine Nothdurfft erheischet, doch dass er wenigstens gegen seinem Nachbarn einen flachen Maur-Stein fürsetzte; wann er aber Feuer-Stätte und Kümmich gegen seinen Nachbarn hätte oder macht, soll er aufs wenigst seines eignen Maur-Wercks an der Feuer-Statt einen halben MaurStein, aber oben im Kümmich wenigstens ein Viertel eines Maur-Steins gegen seinem Nachbarn zu Verhüttung Feuers-Gefahr ligen lassen, welcher Verordnung dann die Werck-Meis:ere genau nachleben sollen. §. IV. So sollen auch noch ferner inn- und ausserhalb dieser Stadt weder durch die Maur- und Zimmer - Meistere noch ihre Gesellen oder Jemand anderer nicht mehr dann zwey Feuer-Stätte oder Rauch von zweyen Gemach, die man täglich bewohnet und braucht, in einen Küm­ mich gericht noch geführt, die Kümmich und Kutten aber alle mit sambt deren Schluff oder Schlund bis zu dem ersten Buh-Aufsatz von gebachenen und zwar ligenden Maur- oder Riegel-Stein oder Guggeislen, auch nicht mit Laim oder Thon, sondern von Kalch aufgeführt und tauglich gemacht, folgsam aufs wenigst ein- und einen halben Schuh weit und dergestalt räumlich gebauet werden, dass nicht allein der Rauch-Fang-Kehrer allent­ halben bis oben auss hindurch kommen, sondern auch der Rauch sich nicht so leicht erhitzen oder anzünden kan: so solle auch jeder Kümmich

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370 wenigstens vier oder nach Beschaffenheit des Gebäudes und der Lage sechs oder mehr Schuh gerad über dem Tach hinauss gehen und dergestalten geführt werden, dass dess Nachbarn Hauss davon keinen Scha­ den zu befahren habe. §. V._ Dann solle auch durch keinen Camin weder oben noch unten inwendig einiges Holtz durchgezogen, sondern wo dergleichen an denen allbereits erbauten Bauch-Fängen sich zeigen wurde, sogleich entweder gar weggethan oder, da es ohne grossen Schaden nicht geschehen könnte, tieff abgeschnitten oder aussgehauen und die hierdurch verbleibende Löcher nicht mit Laim und Kalch noch mit einem flachen, sondern mit einem ligenden oder doppelt flachen Stein gemaurt und versorgt, auch solcher gestalten es mit denen ligenden Kümmichen gehalten werden. So ist auch keinem Burger oder Innwohner dieser Stadt zu erlauben, eine Schmidt-Ess, Schmöltz- und Treib-Heerd in seinem Hauss zu bauen, ehe das Geschwohrne - Amt den Ort mit Fleiss besichtiget, auch sie die nächste anstossende Nachbarn, ob und was sie darwider einzuwenden haben möchten, vernommen und so dann den Bescheid, was desshalben zu thun oder zu lassen, ertheilet haben. Insonderheit aber sollen sie, die Ge­ schwohrne, ohne Vorwissen und Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch­ weisen Kaths niemanden gestatten, den Kümmich von der Ess in andere Kümmich zu richten, sondern jedesmahlen die Verfügung zu thun, dass zu jeder Ess ein eigener- und besonderer Kümmich von einer genügsamen Weite von Guggeislen solle gemacht werden. §. VII. Gleicher Gestalt solle auch bey Anrichtung und Aufbauen der Preu-Stätten, Maltz-Dörren, Brandtwein- und Bach-, auch .all übrigen Brenn-Oefen, Färb- und Wasch-Kessel, Tollen und dergleichen alle Ver­ wahrung und Vorsichtigkeit gebraucht und keines der gleichen Gebäude vorgenommen und geführet werden, es habe dann das Geschwohrne - Amt den Augenschein eingenommen und alle Umstände wohl überlegt, auch, wie der Bau ohne Gefahr und Schaden der Nachbarschafft geführet werden könne, seinen Amts-Spruch ertheilet. §. VIII. Und damit Ein Hoch-Edler und Hochweiser Rath die gründliche Nachricht haben könne, ob und welcher gestalten dieser der Feur-Stätten, Kutten und Kümmich halber gemachten heilsamen Verord­ nung gebührend nachgelebet weide, als sollen die Herren Deputirte und Werck-Meistere des Geschwohrnen-Amts mit Zuziehung dess in jeder Gassen bestellten Gassen - Haubtmanns oder Lieutenants, dann auch der CaminKehrer noch fürohin nach Innhalt dess schon in Anno 1553 ergangenen Decreti alle Jahr und zwar im Monat April dieselbe in der gantzen Stadt und Vorstädten nothdürfftiglich besichtigen und, was sie unordentlichs oder besorgliches an besagten Kümmichen, Kutten, (so jedesmahl durch einen unpartheyischen und nicht ordinari-Kümmich-Kehrer besichtiget werden sollen,) Feur-Wänden, Pflastern und dergleichen befinden wurden, abschaffen und solches in Zeit eines Monats der Ordnung nach zu bessern und einzurichten Befehl geben: so dann nach Verstreichung dess eTtheilten Termins wider herumb gehen und die Persohnen, so ihre schädliche Feur-Stätten, Kutten, Bauch-Fänge und Pflaster nach der ihnen gegebenen Anweisung nicht gemacht hätten, aufschreiben und straffen, auch solche Sodann wegreissen und auf der Eigenthumer Kosten durch der Stadt ge-

371 schwohrno Werck-Moistere in ordnungsmässigcn Stand stellen lassen. Und damit man ferners Gefahr und dessen Eettung halber umb so mehr ge­ sichert seyn möchte, so solle in allen und jeden Zimmern, wordurch die Camin gehen, kein Unterschlag oder andere Einfahung von Holtz-Werck hart an den Camin gemacht, sondern dergleichen also eingerichtet werden, dass so leicht keine Entzündung geschehen, im Fall der Moth aber darzu gesehen werden kan. Und gleichwie auch biss anhero die Erfahrung be­ zeugt, dass vielfältig-durch die gemaurte Vor-Kümmich, weilen man in vdieselbe nicht schliefen noch sonsten behörig kehren kan, Feur entstanden, als sollen hinkünfftig die Maurer keinen gemaurten Vor-Kümmich mehr weder von neuem machen noch die schadhaften aussbessern, sondern es sollen dieselbige gäntzlich abgeschafft und ein jeder Burger schuldig seyn, dergleichen Vor-Kümmich von Kupfer oder Eisen-Blech zu machen, damit man denselben, so offt es vonnöthen, abheben, aussbrennen oder anderst säubern könne. §. IX. Würde aber ein- oder der andere von denen Maur- oder Zimmer-Meistern sich unterstehen, einen in vorigen §§. specificirten schäd­ lichen Bau heimlich oder öffentlich ins Werck zu richten, (desshalben dann die Herren Deputirte und Werck-Meistere des Geschwohrnen - Amts nach vollendtem Bau einen nochmahligen Augenschein einzunehmen haben,) so solle der- odor dieselben nicht nur allein solchen auf eigene Kosten und ohne Entgeldt dess Bau-Herrns in ordnungsmässigen Stand stellen, son­ dern auch den dahero entstandenen Schaden ersetzen, ja noch darzu nach Erfordernuss der Umbständen exemplarisch gestrafft werden. §. 10. Dieweilen aber über diese zu Verhütung Feurs-Gefahr heilsamlich verfasste Verordnung auch haubtsächlich auf eines jeden HaussVatters und dessen Gesinds eigne Wachtsamkeit und Sorgfalt ankommet, auf Feur und Liecht, wie auch alle leichtlich Feur-fangende Sachen und Materialien gute Achtung zu geben, als ergehet hiermit der weitere obrig­ keitliche Befehl an alle Bürgere und Einwohnere samt und sonders, zu­ mahlen an die jenige, welche nach Erfordernuss ihrer Profession starck heizen oder Feur haben müssen, als da seynd Becken, Würth, Färber, Brandtweiner, Garn- und Saiffen-Sieder: item alle die im Feur arbeitende Handwercker, dass sie auf das Feur wohl Acht geben und alle Behut­ samkeit gebrauchen, mithin auch ihre Feur-Stätte und Camins-Essen öfters, und sonderlich wann nach Erfordernuss eines Jeden Profession und Handwercks oder Winters-Zeit bey einfallender harten Kälte starck geheitzt wird, längstens alle vier Wochen durch den Rauch-Fang-Kehrer besteigen und fegen lassen sollen: welcher das unterliesse, solle von dem RauchFang-Kehrer bey dem Geschwohrnen - Amt angezeigt und nicht nur die darauf gesetzte Straff ä fl. 4 zum ersten-, zum andernmahl aber ä fl. 8 zu erlegen, sondern auch noch über das allen Schaden, wann der RauchFang hierüber in Brand gerathen und den Nachbarn hierdurch Schaden zugefügt würde, zu tragen und zu ersetzen schuldig seyn. §. XI. Da aber die Schuld nicht auf den Hauss-Herrn oder dessön Innwohnere, sondern auf den Kümmich-Kehrer käme, dass dieser entweders auf Erfordern sich nicht eingestellet oder wegen sein- oder seiner Ge­ sellen liederlich- und unfleissigen Kehrens der Kümmich und Oefen einige Klage oder Mangel Vorkommen würde, sollen solche durch die Vorgehere

372 besichtiget, sothaner erfundene Unfleiss durch dieselbe dem Bau-Amt angezeigt und daselbsten der Gebühr und Beschaffenheit der Sachen nach abgestrafft: oder, im Pall solcher Unfleiss oder darauss entstandene Ge­ fahr oder Schaden allzu gross wäre, mittelst eines von den verordneten Herren an das Bau-Amt, an Wohl-Löblichen Magistrat zu erstattenden Berichts und Gutachtens sothanen schuldig erfundenen Kümmich-Kehrern das Handwerck auf einige Zeit nieder geleget oder selbiges ihme gar be­ nommen werden. §. XII. Damit aber auch ein jeglicher Burger oder Innwohner den Fleiss oder Nachlässigkeit im Kehren selbst wissen oder beurtheilen könne, so solle kein Kümmich-Kehrer befugt seyn, den herunter gescharrten Ruess mit zunehmen, er habe dann solchen zuvorhero demselben vorgezeiget: würde sich nun zeigen, dass nach Proportion dess Kümmiehs und dess Einfeurens zu wenig Ruess herunter gefeget worden, hätte der HaussVatter den Camin-Kehrer desshalben zu Red zu stellen und allenfalls anzuhalten, den Kümmich noch einmahl zu besteigen; da er sich aber dessen weigerte, soll selbiger durch einen unpartheyischen Kümmich-Kehrer visitieret und, wann der Unfleiss so dann sich zeigte, die Klag bey dem Bau-Amt angebracht werden. §. XIII. So ist auch ferner der Kümmich-Kehrer Pflicht und Schul­ digkeit, alle an und in denen Rauch-Fängen, Yor-Kümmichen, Kutten, Oefen, Feur- Wänden und Pflastern befundene Mängel und Baufälligkeit sowohl dem Hauss- Herrn als dem Geschwohrnen - Amt, umb die Behörde verfügen zu können, anzuzeigen bey Yermeydung schwerer Ahndung und Bestraffung. Und gleichwie §. XIY. Allen Burgern und Innwohnern allbereit verbotten und an dem all - jährlichen Schwöhr-Tag abgelesen und von ihnen beschwohren wird, dass sie keine Aschen auf die Böden oder sonst unverwahrte Orth tragen, sondern in Kellern oder Gruben, wo keine Entzündung zu be­ fahren ist, aufhalten sollen: also sollen sie auch §. XY. Mit Holtz, Kohlen, Spähn, Heu, Stroh und andern leichtlich Feur - fangenden Sachen und Materialien sorgfältig umbgehen, auch Oel, Pech, Hanff, Schmeer, Schwefel, Fürniess, Brandtewein und was sonsten die Gewerb- und Handwercks-Leuthe zu ihrer Profession und Handthierung nöthig haben möchten, an wohl-verwahrte und nicht zu nahe an geheitzten Oefen, Rauch-Fäng, Küchen oder andere gefährliche Orth legen, auch an solche Behaltnusse mit blossem brennenden Liecht nicht gehen, sondern eine gute Laterne gebrauchen. Dessgleichen auch Winters-Zeit das Holtz nicht hinter oder unter die Oefen oder gar unter das OfenLoch legen, solches zu trücknen. Wo aber und bey weme dergleichen Materien an unsicheren Orthen gefunden würden, dieselbe sollen jedesmahl mit fl. 4. gestrafft werden. §. XYI. Sonderheitlioh aber sollen die jenige, welche mit Pulver handlen oder solches in ihren Häussern, Läden und Gewölbern haben, davon bey Liecht-Zeit nichts verkauften, auch auf einmahl mehr nicht, als etliche wenige zum Yerkauff nothwendige Pfund im Laden und zwar in kupffernen oder blechenen Geschürren haben, das übrige aber alles auf denen Böden unter dem Tach wohl-verwahrter aufbehalten. §. XVII. So ist auch hiermit zu Verhütung Feurs-Gefahr und anderen

373 Unglücks alles Schiessen, (ausser den gewöhnlichen Salven bey veranstal­ tender Aufwartung grosser Herren oder bey öffentlichen Danck - und Freuden-Festivitäten,) wie auch Raqueten-Werffen und all anderes lauffendes Lust-Feur in denen Häusern und auf den Gassen dieser Stadt ernst­ lich und bey Yermeydung der in dem offnen Anschlag de 28. Novembris Anno 1722.. gedroheten schweren Bestraffung verbotten. §. XYIII. So soll auch niemand bey spathem Abend oder zu Nacht Schmaltz, Unschlicht, Wax, etc. zu Hauss ausslassen noch Kertzen ziehen, auch nicht waschen oder um Mitternacht zum Waschen Feur unter die Wasch-Kessel anmachen, sondern diese Arbeiten alle erst gegen Morgen und zu Winters-Zeit nicht ehender als umb 4. Uhr anfangen, bey an­ brechender. Nacht aber wieder aussetzen oder vollenden. §. XIX. So ist auch hiermit ernstlich verbotten, dass niemand mit einem blossen Liecht, angezündeter Tobacks-Pfeiffe, Lunten oder KühnHoltz in die Ställe zu den Pferdten oder anderin Yieh, noch auf die Heu-Böden, Stroh- oder Futter-Kammern gehe; wer aber dahin nothwendig zu gehen hätte, soll das Liecht in einer wohl-verwahrten Laterne tragen. §. XX. Welcher Yerordnung dann absonderlich die jenige, die offene Würthschafften treiben, item die Fuhr-Leuthe, Metzger und andere, so viele Pferdte, Ochsen, Kühe, Schaaf, etc. in ihren Stallungen haben, gehorsamlich nachzugeleben, anboy auch zu verhüten haben, dass ihre Häuser und Böden nicht mit allzu vielen Heu und Stroh angefüllet, noch sorgloss und unbedaclitsam mit Feur und Liecht umb gegangen werde. §. XXI. Letstlicken wird allen Burgern und Innwohnern dieser Stadt ernstlich anbefohlen, dass jeder gleichwie auf seine eigene Hauss-Genossen, also auch auf seine Nachbarn gute Achtung und Obsicht habe; und da einer oder der andere vorbemelte oder andere Gefährlichkeiten bey ihnen vermercken würde, er dieselbe ungesäumt warnen, im Fall unterbleibender Abstellung aber die umständliche Anzeige in dem Burger-Meister- oder Bau-Amt thun solle, so lieb als jedem seine eigene Sicherheit und Befreyung von aller Yerantwortung seyn mag. Zweyter Theil. Veranstaltungen, damit man bey entstehender Feurs-Brunst mit behörigen RettungsInstrumenten und Leuthen in Zeiten parat seye.

§. 1. Alldieweilen in Ansehung dess weiten Bezircks allhieiger Stadt eine ' grosse Menge allerley Instrumenten zum Löschen, wann sie aller Orthen, wo Feur ausskommet, gleich bey Händen seyn sollen, erforderlich ist, welche sämtlich anzuschaffen und in brauchbaren Stand zu erhalten dem Gemeinen Stadt Aerario dermahlen schwer, ja fast unmöglich fallen will, als werden die sämtliche Burger und Innwohnere wohl-meynend erinnert, dass ein jedweder nach seines Vermögens Zustand und Beschaffen­ heit sich mit einigen ledernen Feur-Kübeln, Hahd-Spritzen, Pickel, Äxten und anderer nothwendigen Hauss - Wöhr;, sonderheitlich auch mit einer 10. 12. bis 15. Sprossen langen und eiserne Hacken habenden Leiter, umb solche oben am Fürst oder sonsten anhencken zu können, versehe, derselben im Fall der Noth Selbsten zu gebrauchen oder seinem Nothleydenden Nachbar oder Mit-Burger Hilff leisten zu können.

374 §. XI. Letstlichen soll auch ein jeder Hauss-Yatter sorgfältig seyn, auch die Seinigen darzu anhalten, damit man jederzeit im Nothfall zu Nacht mit Feur-Zeug, um gleich Liecht haben zu können, auch mit genügsamen und sonderheitlich zur Zeit der Ablässe mit etlichen Kueffen voll Wasser im Hauss versehen seye, auf dass einer unversehens sich ereignenden Brunst desto geschwinder begegnet und gewähret werden möge. Dritter Theil. Begreiffend die Veranstaltungen, was Jedweder bey entstandener Feurs-Brunst sowohl zu Erhaltung, Buhe und Sicherheit, als auch zu Rett- und Dämpffung des Feurs eigentlich zu verrichten und zu besorgen habe.

§. I. Wann ein Burger oder Innwohner dieser Stadt in seinem Hauss oder Wohnung Feur vermerckt, solle er solches nicht vertuschen noch sich unterstehen, solches allein zu löschen, sondern die Nachbarschafft zu Hilff ruffen und trachten nach Möglichkeit grösserer Gefahr und Schaden vorzukommen, bey anhaltender Gefahr aber solle das Feur auf den Gassen beschryeh und den Wächtern auf dem nächsten Thurn der Stadt-Thor von sothanen Hauss - Leuthen oder anderen der Benachbarten die Feurs -Noth angezeigt und dabey vermeldt werden, wo und bey weine es brenne. §. II. Soferne aber die Wächter auf dem Perlach-Thurn oder andern der Stadt-Thor eines starcken gefährlichen Bauchs oder gar aussgebrochenen Feurs zu erst gewahr wurden, (darauf gutes Aufsehen zu haben sie hiemit bey jährlicher Verlesung der Feur-Ordnung jederzeit ernstlich erinnert werden) sollen sie ersten Falls so gleich herunter ruffen oder deren selbsten einer zur nächsten Wache oder Bast der Nacht-Wächter lauffen und ihnen den Orth, wo Feurs-Gefahr besorget wird, anzeigen, von dar dann einer oder mehr von Soldaten oder Nacht-Wächtern dahin eylen und den HaussLeuthen die Gefahr zu zeitlicher Vorkehrung der Nothdurfft anzeigen, die Untersuchung und Visitation aufs fleissigste mit verrichten und, wann ver­ steckt oder heimlichs Feur vermerckt wird, der Nachbarschafft zur Hilff und Bettung ruffen; andern Falls aber, wann das Feur aussgeschlagen und in seiner Lohe zu sehen ist, haben sie Thürner durch Anschlägen an die Glocken, anfänglich mit wenigen, bey anwachsender Gefahr aber mit mehrern Streichen das Zeichen einer entstanden Feurs-Brunst zu geben, auch auf dem Perlach, Heilig-Creutz-, Unser-Frauen- und Paarfüsser-Thurn nach der Seiten oder Gegend dess ausgebrochenen Feurs zu Tags eine rothe Fahne, zu Nachts-Zeit aber darzu eine brennend Laterne aufzuhän­ gen, und die Wache auf der Haubt-Wacht uud in den Zwingern das Spiel zu rühren, da dann sogleich auch zu Nachts-Zeit die Feur-Pfannen oder bey starckem Wind und stürmenden Wetter ein dickes Liecht in einer guten hellen Laternen, an denen darzu gewidmeten Häuseren angezündet werden solle. §. XXII. Die in dem Zeug-Hauss, Spital, St. Ulrich, Heilig-Creutz, St. Georgen und St. Catharina verwahrlich behaltene grosse kupffeme Feur-Kessel sollen mit Wasser gefüllt, durch deren Pferdte zu der Brunst geführt; nicht weniger von dem Hof-Gewölb und andern unter dem BauAmt stehenden Karrern, item Proviant-Karrern, Teyhel-Führern, Schrandund Wein-Karrern, Fuhr-Leuthen, dann allen fahrenden Botten, Kutschern,

375 Löhn-Bösslern, ingleichem von denen Würthen, Brandteweinem, Färbern und Metzgern, welche mit Pferdten versehen, Wasser in Fässern und Buntzen zugefähret und damit so lang als es nöthig angehalten, davor aber ihnen der von Alters her übliche Sold gereichet werden. §. XXIII. Nicht weniger setzt Ein Hoch-Edler und Hochweiser Eath in die Herren von der Burgerschafft, welche sich der Kutschen und Pferdte bedienen, das zuversichtliche Vertrauen, es werden dieselbe bei entstehen­ der Feurs-Noth auss Liebe zu ihrem Hilff - bedürfftigen Mit-Burger und zu Abwendung dess wohl Selbsten zu befahren habenden Unglücks willig und bereit seyn, mit Zuführung henöthigten Wassers und anderer Nothdurfft all mögliche Mit-Hilffe zu leisten, davor deren Knechte nach Ver­ dienst belohnet werden sollen. §. XXIV. Damit aber das Wasser nicht erst auss der Ferne müsse geholet und beygeführet werden oder wohl gar an demselben Mangel zu besorgen seyn möchte, (welches zur Zeit der Ablässe, da das Wasser auss der Stadt hinauss geschlagen, und im Winter, wann die grosse in denen Gassen stehende Eöhr-Kästen bedeckt,) leicht sich begeben könnte: als wird hiermit gesetzt und befohlen, dass jeder Hauss-Vatter bey entstehen­ der Feurs-Brunst, sonderheitlich die jenige, welche in demselben Drittel der Stadt oder umbligenden Gassen, wo die Feurs-Brunst entstanden, ihre Wohnungen haben, wenigstens ein- oder zwey Kueffen angefüllt mit Wasser vor das Hauss stellen solle, damit die jenige, welche in Feur-Kesseln und Buntzen Wasser zuführen, nicht allzu weit fahren dürffen, sondern dessen im Fall der Nothdurfft gebrauchen können: wie dann auch dise Geschürr 4Jder Kueffen, wann sie ein- oder mehrmahlen aussgeleeret, beständig und bis zu Ende der Feurs-Brunst mit Wasser angefüllet und unterhalten werden sollen. §. XXIX. Die jenige Burger und Innwohnere dieser Stadt, welche bey der Feurs-Brunst keine Verrichtung habdn, auch nicht willens seynd, dabey Hand anzulegen und retten zu helffen oder dem Noth-leydenden Mit-Burger oder Freund mit Bettung seiner Mobilien und Fahrnus diensam zu seyn: ingleichem alle Frembde werden ernslich ermahnet, mit denen Kindern, Weibern und Gesind in ihren Häusern und Gast-Höfen zu ver­ bleiben und ohne ehehafffce Ursach darauss nicht zu kommen, bis von denen Herren Amts-Burger-Meistern durch die Losungs-Schuss abgekündet worden; auch übrigens auf das Flug-Feur, wohin es der Wind trage, ein wachtsames Aug zu halten und besorgt zu seyn, dass jeder auf BedärffungsFall mit genügsamen Bettungs-Mittel versehen seyn möchte.

Berichtigungen. 1. Heft. p.

p.

134.

136.

Zeile 4 von oben, statt 15 » unten, » » 8 n » » n 13 oben, n w n n 13 n » ii 16 n i> ii » 11 unten, ii n n 18 n oben, n n 2.

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Howardus

n

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Heft.

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186. Zeile 5 von unten, statt Traupadel lies Taupadel. 5 Herwart 188. „ Bernhard. n ii 55 17 ihr. oben, ihrem 189. 55 Hentzinghen unten, 55 Hentzinghen 55 „ 15 190. ii 12 Kembs. 190. Hembs ii ii 11 ?? 9 ii „ extreme. 192. externe »5 ii 11 „ „ 192. 4 Kehl. Hehl 55 ii oben, 9 ii Batholomäus ii Bartholomäus. 193. 55 11 1 Staats für, Staats, für. 194. 55 ii 11 'i 6 ii die. dis 195. „ »5 11 2 hist. Vhist. unten,' 11 195. 55 ii ii 1 Kehl. 196. „ Hehl „ u 55 11 6 desgleichen. 198. „ 55 ii 11 17 oben, 11 biens. 201. bien lies 55 ii 25 ii aucun. 201. aucum 55 ii 11 5» 4crit. 4 ii unten. 11 4rit 202. >5 55 „ „ 3 4xecution execution. 202. ii 11 11 soussigue. 1 saussigu4 202. 55 ii ii 11 55 roi. oben, „ rois 203. 10 ii 11 1» ä a 13 203. „ „ 55 55 11 agröe agre6. unten,1 55 „ 18 „ 203. 55 Azabe. 10 5? oben, „ Agabe * 206. 55 55 10 und 14 von unten statt Savilla lies Saville. 256. 55

p.

257. Ueberschrift lies: Die Correspondenz der Stadt Augsburg betreffend die Aussöhnung mit Karl V. im Ausgang des schmalkaldischen Kriegs.

3. H e f t.