Werke: Band 2 Dramen
 9783110867305, 9783110099294

Table of contents :
Joh. Riemers Glücklicher Bastard
Der glückliche Bastart
Der Regenten Bester Hoff=Meister. Teil 1
Der Regenten Bester Hoff=Meister. Teil 2
Die Unverwandelte Daphne
Amor Der Tyranne
Anhang
Nachwort des Herausgebers
Inhalt des zweiten Bandes

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RIEMER, WERKE

W DE

G

II

AUSGABEN DEUTSCHER LITERATUR DES XV. B I S XVIII. J A H R H U N D E R T S

herausgegeben von Hans-Gert Roloff

W A L T E R DE G R U Y T E R · B E R L I N · N E W YORK 1984

JOHANNES RIEMER WERKE

herausgegeben von

H E L M U T KRAUSE

ZWEITER BAND DRAMEN

WALTER DE G R U Y T E R · B E R L I N · NEW YORK 1984

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Riemer, Johannes: Werke / Johannes Riemer. Hrsg. von Helmut Krause. — Berlin ; New York : de Gruyter NE: Riemer, Johannes: [Sammlung] Bd. 2. Dramen. - 1984. (Ausgaben deutscher Literatur des XV. [fünfzehnten] bis XVIII. Jahrhunderts ; Bd. 112) ISBN 3-11-009929-2 N E : GT

© Copyright 1984 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

JOH.

RIEMERS

GLUCKLICHER BASTARD ODER TYRANNISCHE GROSZVATER.

MERSEBURG

/

I N V E R L E G . C H R I S T I A N FORBERGERS / DRUCKTS CASPAR FORBERGER / F . HOF«BUCHDRUCKER

1678.

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Dem Hochwürdigsten Durchlauchtigsten Hochgebohrnen Fürsten und Herren HERRN

AUGUSTO, PosTULiRten A D M I N I S T R A T O R des P R I M A T und Ertz=Stiffts Magdeburg /

Hertzogen zu Sachsen / Jülich / Cleve und Berg / Landgrafen in Thüringen / Marggraffen zu Meissen / auch Ober= und Nieder-Lausitz / Grafen zu der Marek Ravensbergk und Barby / Herr zum Ravenstein. Meinem gnadigsten Fürsten und Herrn. {)(2r)

10

Hochwürdigster Durchlauchtigster Fürst / Gnadigster Herr /

E S haben E u . H o c h f ü r s t l . D u r c h l . unter andern heilsamen Gesetzen / womit Sie Ihr AUGUSTEUM SO mildiglich versorget / auch dieses nicht vergessen / ( ) ( 2 V ) daß die allhier Studierende / jahrlichen zweymal durch ein ernsthaftes Schauspiel zu manierlicher Redenheit behertzt gemacht / und nach und nach durch ein solch süsses Mittel in der Edlen Historien erbauet werden sollen. D a nun die Anleitung hierzu absonderlich meiner schuldigsten Bemühung gnadigst a n - ( / ) f J r ) b e f o h l e n / alß habe ich verwichenes J a h r meinen Gehorsam nach / den Anfang gemacht / und das wunderliche Glück eines CuREtischen Koniges / nahmens HABIDES, dessen gleichen in aller Historie nicht zufinden / auf den Schauplatz geführet; N u n schiene unßer Vorhaben überaus glücklich zu seyn / dieweil der A n - O f i ^ f a n g zu demselben mit zween sonderbahren Sternen beleuchtet wurde; Nehmlich: Es ließ E w : Hochfl. Durchl. Geliebtester H e r r söhn / H e r t z o g J o h a n n A d o l p h / mein gnadister Herr / sambt seiner H o c h f ü r s t l . G e m a h l i n sich gnadigst gefallen / durch b e y d e r - ( X 4 r ) l e y Hochfürstl: Gegenwart unsere finstere Schaubühne zu durchstrahlen / und durch solchen Glantz die Augen aller scharffsichtigen Richter der besorgten Fehler zuverblenden. Dieweil nun unßer gantzes AUGUSTEUM damahls durch viele geheimbde Seuftzer sich erhitzete / von E w : Hochfürstl: D u r c h l : dergleichen ( ) ( 4 V ) Gnadigstes Glück zugeniessen / und unsern so vaterlichen liebreichen E r nehrer / nach der Anzahl auserster Kraffte gleichmassig zubedienen / gleichwohl aber durch ein ander Geschick so viel verursachet wurde / daß solche in unterthanigsten Feuer entsprungene Flammen in ihrer eigene Asche sich wiederlegen und ( ) ( 5 r ) verleschen müssen. So habe ich vor mich und nach meiner unterthanigsten Schuldigkeit gesorget / wie doch E w : Hochfürstl. Durchlt. der Anfang zu der numehr angepflantzten G e w o h n heit / unter D e r o gnadigstes Antlitz nur auff dem Papier kommen möge. U n d ist also alleine zu dem und keinen andern Zweck / dies abgelegte Schauspiel in öffentlichen D r u c k ergangen. Bitte derowegen E w . H o c h fürstl. Durchlt: wolle mit dem Schild der Gnade mein unterthanigstes A b sehen ver-()(ßv)wahren und nicht zugeben / daß die mügliche Müh dero allergeringsten Dieners von E w : Hochfürstl. Durchlt. Angesicht iemahls verworffen werde. Indeß bleibet der vornehmbste Zweck meines Gebets /

Glücklicher Bastard

7

nach wie vor / das lange und heilvolle Leben meines gnadigsten Fürsten und Herrn / mit unbetrübten Friede in geseegneten Lande bey Redlichen Unterthanen. Um welches alles auch in diesen Schluß die Gottl: Macht unermiedet ansuchet E w : Hochfürstl. Durchl. unterthanigster gehorsamster

5 Johann Riemer ()(6r)

Aufrichtiger Leser / DReyerley wird dir in diesen glücklichen Bastard befrembdet vorkommen. Erstlich / daß zuweilen eine Begebenheit unter denen vergangenen und geschehenen Dingen mit erzehlet wird / welche doch kaum hundert zweyhundert und mehr Jahr hernach geschehen; Vors andere / daß der Verlauf der auffgeführten Historie / des H A B I D E S , sich fast auff die 20. Jahr belauffen / ()(6V) do hingegen manierliche C O M I C I es vor einen Fehler halten / wann der Verlauff der Begebenheit so man auf den Schauplatz führet / mehr Zeit erfodert / alß die Abhandlung selbst brauchet; Und dann drittens / daß das Spiel an sich selbst so lang und bißweilen auch der OA etwas frey und schertzhafftig redet. So bistu zuberichten / daß mein abgesehener Zweck alles dreyes entschuldige / ob ich gleich sagen konte / daß das erste nichts neues oder ungereumtes; dieweil auch solches denen vornehmsten be-()(7r)rühmtesten COMCEDIEN Schreibern gemein. Und nachdem ich also nichts alß die Erbauung der Jugend hierdurch suche / wird es dem gonstigen Leser keinen Anstoß geben / wann ich die TITULOS PARALLELOS gleich durch derselben bekandt mache / sie mögen vor oder nach der Spielhistorie ergangen seyn; Daher dann auch der andere Vorwurff zerfleist; Welchen der jenige so eine COMCEDIE Lehre wegen schreibet / nicht achtet / wann er nur denen Zuschauern und spielenden Personen den gantzen Lebenslauff (des) so ü(X7 t ')beraus glücklichen Koniges bekandt gemacht. Der dritte Punct ist bald zuentschuldigen / dieweil die Lange der ich sonst selbst feind bin / darüm gedultet worden / daß man zwo COMCEDIEN daraus machen / und einmal die drey ersten Handlungen / das andermahl die übrigen aufführen kan. Vor den darinnen gebrauchten Schertz aber wird der günstige Leser mehr von des Verlegers Belieben / alß von des A U T O R I S Vorsatze Rechenschafft fodern: Ihnen beyden aber dennoch günstig verbleiben / und sich an einen und ()(8 r ) den andern mercklichen druckfehler nicht argern.

Inhalt des Spieles. GARGORIS Konig der alten CURETEN ist so erbittert über seine einige Tochter TARPEJA, welche Fürst SIVARINO unbekandter Weise durch List unter der Gestalt des MARTIS im Tempel bey dem O p f e r entehret / daß er den neugebohrnen Enckel alsobald nach seiner Geburt auf vielerley grausame Art zu todten suchet. O b er nun wol denselben in der Wüsten weglegen last / so wird er doch nach etzlichen Tagen lebendig als ein Säugling der wilden Bestien wieder gefunden. ()(8V) Er gibt zwar weiter Befehl das unschuldige Kind auf eine enge Thür=Schwelle zu binden / und mehr als tausend grosse Mast=Ochsen darüber zu jagen. Diese Thiere aber setzen ihre dolpische Füsse so sorgfältig / daß sie ohne des Kindes Verletzung darüber gehen. Wodurch der Konig bewogen wird / dieses glückliche Bastard denen in die zehen Tage hungerenden Hunden / und wiederumb denen Sauen vorzuwerffen. Alleine diese fürchten sich und lauffen davon: jene aber liebkosen und belecken es: Biß endlich der Tyranne die zarte Jugend gar ins Meer werffen / und dessen Mutter TARPEJA auf einem Seegellosen Schiffe gleichfals in die See stoßen last. Das unerzogene ()(9r) Kind wird von denen seichten Wellen ans Land geschoben / und in der Wildnis von einer Hindin ernehret. Biß es endlich in der Jagt gefangen / und dem grossen TYGRAN, Konig in Persien / geschencket wird. Dieweil aber dieses halb vernunfftige Wildpret des Königs Bruder vermeynendlich ertodtet / wird er gebunden und zum T o d e verdammet; were auch folgenden Tag geopfert worden / w o nicht das Königliche Fraulein TANAIS aus Liebe solches verhindert / und mit wunderlicher List ihn durch seine Mutter TARPEJA, welche aus sonderbaren Glücke in ihrem Elend ohngefehr an Persischen H o f f e der TANAIS Magd worden / loßgemacht und verkleidet durch die starcke Wache ()(9V) aus dem Gefängnüs geführet hätte. Darauf er denn mit TANAIS vermählet und öffentlich zum Konige in Persien gecronet wird.

Die Personen des Spieles. FAUSTULUS ein H i r t e .

ACCA sein Weib. FLENS

ScHIT

| 2 Bauern.

GARGORIS K o n i g der CURETEN.

TARPEJA dessen Tochter. BERENICE die H o f f m e i s t e r i n . MONCADO F ü r s t v o n

CARDONA.

SIVARINO Fürst von Pompelon. LARA ein E d e l m a n n .

OA ein lustiger Hoffdiener. CALATRAFA ein E d e l m a n n . COBARES ein T r a u m d e u t e r . RABBI KAM D e r H o f f = J u d e .

PRUDENTIO Reichs* Cantzler. NUNNIUS ein G r a f f .

TYGRAN Konig in Persien. LEUCOR deßen Bruder. TANAIS das Konigl. Fraulein. H A B I D E S der weggelegte Printz. ()(10 r ) NICIAS ein Persianischer Fürst. SORIAN der J a g e r m e i s t e r .

R o x ein Bauer. Puschklopper. ATHANARICUS ein Heidnischer Pfaf. 2 andere heidnische PRIESTER. HAUBTMANN. 3 SOLDATEN. (GEIST

Gehilfe des

COBARES.

CAMMERPAGE. 2 SYRENEN. 2

WÄCHTER.

PALAMOR

der

TARPEJA

ORACULUM.

Staat.)

{)(10v)

Bote.

Abhandlung. Erster Handlung 1. Aufftritt. Der Schauplatz

zeigt ein Geb urge.

FAUSTULUS,

ACCA.

NUr fort A C C A ! Ihr must einmahl in einen sauren Apfel beissen. Wir werden uns an dem Wege nicht wund gehen. Ihr sehet wohl es will uns an der T I B E R nicht mehr schmecken. Die ALBANischen Grunde haben auch kein Graß mehr vor unser Vieh. ACCA. Wann wir nur die grosse Schilde nicht müssen den Schinder zu rücke las-(/)sen. Weinende. Und haben so ein hauffen in die Kuh gesteckt. FAUSTULUS. Je thut doch nur nicht so! wann einer sich stracks über eine Kuh wolte zu tode gramen; so hatte der GRigische H E R C U L E S sich auch hengen müssen / da ihm CACUS seine besten Kühe stahl und in die nächste Hole schlepte. ACCA. Ja es hat sich was tolle. Der hatte ein viertzig Stücke Vieh / davon kan man noch ehr ein / oder zwey / oder drey verwinden. Zu dem so glaube ichs auch nicht / daß sich H E R C U L E S hat was stehlen lassen; es war ja so ein böser Mann / er wurde CACSEN auf die Pfuten geklopt haben. FAUSTULUS. Ja ja / es hat sich wohl geklopt. Jener schlieff / und dieser war ein abgerittener Schelm. ACCA, dencke doch nur / er zerte die Kühe beym Schwantze zur Hole hinein / daß man drauff geschworen hatte das Vieh ware heraus gekommen / denn die Trappen gingen alle auswarts. Es ware auch niemals an Tag kommen. Aber es war eine Kuh dabey die rinderte und schriehe nach dem Ochsen / das horte H E R - ( 2 ) C U L E S , der ging in die Hole / und gab dem Diebe so eine Hirten Maulschelle, daß er ins Graß beissen muste. Es war zwar nicht recht / daß er der lieben Obrigkeit ins Handwergk fiel. Uber diß kam Dieb über Dieb. Er H E R C U L E S hatte die blancken Ochsen dem G E R Y O N selbst mit gewalt und unrecht genommen; nachdem er diesen zuvor gleichsfals den Hals gebrochen. ACCA. Ey behüte uns der Himmel. Behüt uns. Je hats denn der Strafherr EVANDER nicht gewust. FAUSTULUS.

12

Johannes

Riemer

Was! nicht wissen. A C C A du siehest wohl: Wer da schmert der fehrt. Ein baar fette Ochsen hat er ihm in die Gacke geschoben / da that er so. Siebet durch die Finger. ACCA. Je je! gehets nicht übel zu / wenn kein Konig in Lande ist. FAUSTULUS. Drum halte dich nur nicht auff daß wir in ARCADIEN kommen. Ich weis da soll es uns besser gehen. Wir wollen uns unten an dem grossen C Y L L E N E ein Hutgen bauen / und der Einwohner Viehe so lange umbs Lohn hüten. Sie gehen fort. (3) FAUSTULUS.

FAUSTULUS. W i r wollen immer in den Grunde naus gehen / und uns oben

beyn PLAThügel auff die rechte Hand nieder schlagen daß wir an die Cretischen Grantzen kommen. Darnach wollen wir. A C C A . FÄUSTEL seht doch. FAUSTULUS. Was denn / wo denn? ACCA. Sehet ihr nicht ein Kind. FAUSTULUS. Bots Stern noch nein! es ist als wann es ein Kind ware. ACCA. Last uns doch naher hingehen. FAUSTULUS. Ο nein nein / wer weiß was das vor ein Berg=Geist ist. Oder ist wohl etwan ein Alpmangen. Oder ist wohl gar der Geist von den zwey Kindern / die einmahl hier an der Tiber seind weg geworffen / und von einer Wolffin gesauget worden. A C C A . F Ä U S T E L : last uns doch immer hingehen / wir wollen einen fünfffingrigen Stern vor uns machen. So kann uns kein Gespenste was abhaben. Sie bezeichnen sich beyde. FAUSTULUS. Wann es nur hilfft. Steckt den Hirten Stock voraus. Glück zu kleiner. (4) A C C A . FÄUSTEL wartet doch: es konte wohl ein Mädgen seyn. FAUSTULUS. D U Narre lerne du mich doch einen Jungen kennen. Du wirst es ja da wohl sehen. Glück zu Mangen. Glück zu. Schweigt etwas stille. ACCA. Je das arme Kind. Je / je / je. FAUSTULUS. D U wessen Vater bistu? oder wie heist deine Mutter. A C C A . FÄUSTEL seyd doch nicht so wunderlich / das kleine Würmgen kan ja noch nicht reden. Es ist kaum trucken. FAUSTULUS. ACCA Siehe doch ob es ein Halsbandgen an hat: oder ob sichs etwa gar hat unreine gemacht / weils nicht reden will. ACCA. Ich befinde nichts / als da hat es ein groß Gebrand Zeichen auf dem Rücken. FAUSTULUS. ACCA es gehet wohl nicht recht zu mit dem Kinde. A C C A . E S hat so helle Augelein. FAUSTULUS. Wundert sich mit beyden Händen / sagende: Dich hat wohl kein (5) Bauer ge: oder sage ich: Du hast wohl keinen Bauer zum Vater. A C C A . FÄUSTEL seht doch / seynd das nicht schone Windelgen. Nechst einmahl hatte der Konig so ein Hembde an. Ich wil mir lauter Schleyer draus machen.

Glucklicher

Bastard,

1.

13

Handlung

FAUSTULUS. Was wollen wir aber machen. ACCA. Je das liebe Kind / wir müssens doch mit nehmen. [. . .] Nimt man doch ein Lam oder einen jungen Hund mit heim / warum solten wir denn so ein hübsch Knechtgen liegen lassen? Wir wollen es mitnehmen und groß ziehen; wann wir alt werden / daß wir jemanden haben / der uns warten und pflegen kann. FAUSTULUS. So fasse es nur auff! dort wollen wir hinter jenen Pusch gehen: und es recht auff die Reise einpacken. Die Sonne sticht hier gar zu heiß. A C C A . FÄUSTEL gehet ihr nur sachte hin. FAUSTULUS. Und kom du nur sachte hinterher. Gehen ab. {6}

2. Aufftritt.

Der Schauplatz enthält ein Königlich TARPEJA, O A ,

alle drey

Zimmer.

BERENICE,

weinende.

sitzend auf einen Bette als Kindbetterin. Unglückselige T A R P E J A ! ist dis der Wechsel deiner Ehren? Ο armseligstes Weibesbild! Niemahls habe ich ein wollüstiges Opfer überreichet / und muß dennoch das lebendige Zeugnis der würcklichen Unzucht an meiner Brust ernehren. Zwar muß ich gestehen / daß diese Augen / deren Glantz und Güte ich dem Himmel zu dancken habe / manches Hertz in Flammen gesetzt / alleine das Feuer welches wir allezeit mit grossen Gemüthe verachtet / ist niemals so machtig gewesen / uns mit Gegenliebe anzuzünden. Meine Jugend ist wie die auffgehende Sonne angebethet worden. Wie offt habe ich mich gewegert von Königlichen Lippen ein ( 7 ) Handkuß einzunehmen. Ich bin nicht wie THALASTRES aus geiler Brunst einen Manne biß in INDIEN entgegen gezogen / und {habe) denselben unverschämter weise um das Eheliche Verbindnis angesprochen. Niemals habe ich mit der frechen SEMPRONIA zu meinen Konigl. Frauenzimmer heraus / und nach üppigen Mannsfleische mich umgesehen. Leichtlich habe ich mich nicht verliebt wie C L E O P A T R A . Vermag wohl der allwissende Himmel selbst mich mit der SEMIRAMIS ZU vergleichen? Ο nein. Jetzt vermeinete ich es der LAVINIA nachzutuhn / und gleich wie V I R G I N I A in unbefleckter Jungfrauschafft zu sterben. Die Gottin VESTA hatte mein Wort schon weg / und mein Nähme war albereit zur ewigen Keuschheit eingetragen. Man beehrte mich mit Opfern und ein jeglicher theilete mir der Gottinnen güldenen Apfel zu. Nun aber / was bin ich ietzo? eine geschimpfte Königs Tochter: ein Beyspiel der geschändeten und ein Abscheu meines Konigl. Hauses. Wolan dann / ich will nicht verziehen meine (8) reine See-

TARPEJA

2

Riemer II

14

Jobannes Riemer

le aus diesen befleckten Kercker zu erlosen / und nach dem Rauber meiner Ehren in der Hollen zu fragen. Ehe ich mich aber zu dieser Reise fertig mache / fordere ich dich auff / ungeneigte VENUS. Stelle dich vor mich und bringe deinen blinden G O T T mit; offne Ihm die Augen / sein Ziel an mir desto gewisser abzusehen. Laß ihn alle seine Pfeile auff dieses Hertz zuschiessen; Ich bin eisenfeste und unüberwindlich. Ich verachte solch Geschütz und spotte deine Ohnmacht mit meinem Tode. Zieht das Messer aus / sich zu ermorden. B E R E N I C E . A U weh / gnadigste Princessin was ist dieses. Fdlt ihr in die Arme. T A R P E J A . Laß mich B E R E N I C E . B E R E N I C E . O A hilff. Hilff O A . OA. Jämmerlich schreiende. Last sie erst das Messer wegthun und bindet Ihr die Hände / und werfft Sie ins Bette / und setzet euch auff Sie / hernach will ich wohl halten helffen. T A R P E J A . Haltet mich nicht B E R E N I C E . ( 9 ) BERENICE. I c h

muß.

Wer hat euch das befohlen? Meine Pflicht. T A R P E J A . Der entsetze ich euch hiermit. B E R E N I C E . Wann Sie erst wieder zu voriger Vernunfft gekommen. TARPEJA.

BERENICE.

3. Aufftritt. MONCADO, TARPEJA, BERENICE,

OA.

Was vor Zanck und Geschrey erfüllet dieses Zimmer? Schönste Princessin / ich bitte diesen freyen Eintritt mir gnadigst zu gute zu halten: weil ich dero Gemach mit Friede wolte beschützet wissen. T A R P E J A . Bittet nicht um Verzeihung M O N C A D O . Weil ein aus Fürstlichen Geblüt entsprossener wohl bemächtiget ist / einen solchen Abscheu / wie ich bin / unangemeldet zubesuchen. M O N C A D O . Wie? Durchlauchtigstes Fraul. diese Reden kommen mir frembde vor. Sie ist ja die H E L E N A dieser Zeiten. (10) T A R P E J A . Nennet mich nicht H E L E N A , dieweil ich keinen PARIS habe / der mich aus meiner Schande entführet. M O N C A D O . Was vor Schande? T A R P E J A . Die wird euch mein weggelegtes Kind bald eroffnen. M O N C A D O . Und was vor ein Kind? T A R P E J A . Das zwar unter meinen Hertzen erzogen und von mir gebohren; durch wessen Beystand aber / sey dem Himmel bekant / und Euch geklaget. MONCADO.

Glücklicher Bastard, 1. Handlung

15

MONCADO. Schertzet Sie gnadigste Princessin / oder will Sie etwa / wie zu Hofe gebrauchlich / mir eine Schraube setzen? TARPEJA. Das Hertz / das mit bitterer Wehmuth das gantze Gemüthe erfüllet / kann keinen Schertz erdencken. MONCADO. Ich werde aus diesen Reden verwirret / daß ich nichts sagen kann. TARPEJA. Wie sorgfältig ich das kostbahre Kleinod meiner angebohrnen Zucht / welches mir nunmehr unwissend gestohlen / von Jugend an und nach dem todtlichen Hin tritt meiner Konigl. Frau Mutter (11) verwahret / kann dieser wachsame Zeuge gestehen. MONCADO. Solte man aber zu dem Thater gantz keine Muthmassung schöpfen können? TARPEJA. Niemals haben meine Gedancken Liebe gefühlet; viel weniger diese Brust weiß auch von dieser Weltbeherscherin gantz nichts zu sagen. Numehr aber seynd 9. Monat verflossen / als mein Bruder die Schlacht wieder die SARACENEN erhalten; Ich gieng in des MARTIS Tempel / mein Opfer / vor den verlangten Sieg / abzulegen: Ich hatte aber kaum die Helffte desselben verbracht / umleuchtete mich ein ungemeines Feuer / welches alle meine Geister dermassen erschreckte / daß mich BERENICE meine verbundene Begleiterin / gantz krafft und lebloß / mit dem unvollkommenen Opfer in das Zimmer bringen Hesse. OA. FUNTUS! der Vater ist klahr der Cüster hats gethan. MONCADO. Ich bin ausser mir selbst / und vermag diese Offenbahrung nicht zubegreiffen. ( 1 2 ) TARPEJA. A c h ! H i m m e l a c h !

MONCADO. W o ist aber das Kind? BERENICE. Das habe ich auf Befehl der Mutter an die Landstrasse / bey dem Vorgebürge / niederlegen müssen. MONCADO. SO habt Ihr einen Mord befordert / duppelt gesündiget / und die Gotter erzürnet. TARPEJA. Welche ich an Ihre Stadt mit meinen eigenen Blute wieder versöhnen will. MONCADO. Sie redet zu viel / holdseligste Princessin. TARPEJA. Nicht zuviel MONCADO! weil euer eigen Gewehr meine Wort erfüllen soll. Greifft Ihm nach dem Degen. MONCADO. Bezaumet euren Willen / Princessin / und ändert diesen Vorsatz. TARPEJA.

MONCADO!

MONCADO. Zu unterthanigsten Diensten. TARPEJA. Euer Gewehr. MONCADO. In meiner Faust. TARPEJA. Mich zu todten. ( 1 3 )

Johannes Riemer

16 MONCADO. T A R P E J A . SO

men?

Vor Sie zu fechten. wolt ihr nicht das verbrechen durch meinen Todt von mir neh-

Ich bin kein Hencker der Bluturtheil vollstreckt. Ey so mag J U P I T E R selbst den Pfeil / welchen er mit Donner gehartet / auff mich zur Rache loß drücken. B E R E N I C E . Durchl. Princessin; Sie überwinde die Verzweifflung / ehe die Verzweifflung Sie überwindet. T A R P E J A . O A kanstu nicht helffen. OA. Das mal nicht / gnadige Frau. Wann es noch einmahl so komt. Last es nur gehen wie es geht. Wie man fiedelt so klingets. Wann ein M U S I C A N T E vor alle Unrechte Griffe Rechenschafft geben solte / man würde schrecklich viel Ein= und Auffseher von nothen haben. T A R P E J A . Ey so wird diese Wand barmhertzig seyn / mir meinen Todt mitMONCADO.

TARPEJA.

zutheilen. Will mit dem K o p f f e wieder

die Wand l a u f f e n . (14)

Nicht so / Princessin; Sie wird ja ihren erworbenen Ruhm und Herrisches Gemüthe nicht zugleich mit dem Edlen Leben auff einmahl vergiessen / und dem Königlichen Nahmen ein blutiges Grabmahl setzen. T A R P E J A . Mein Ruhm welcher in der zugefügten Schande schon begraben lieget / muß durch diese That wieder auffstehen. M O N C A D O . Will Sie denn einem selbst=Mord den Nahmen der Tapferkeit beylegen? [. . .] Ein Weib / das in Verzweiflung umkomt /mag ihre Ahnen aus dem furchtsamen Pobel und nicht von preißwürdigen Helden herlesen. T A R P E J A . Keine Verzweifflung / sondern mein wohlbedach tiger Rath hat dieses Vornehmen erkohren. M O N C A D O . Ein wohlbedachtsamer Rath setzt sich nicht vor unzeitig den Todt zu suchen. T A R P E J A . Doch ist ein Tugendhafter Todt besser als ein beschimpfet Leben. (15) M O N C A D O . Ja: nachdem der Zustand die Wahl verstattet. T A R P E J A . Aber Leben und Keuschheit hanget bey einen unberührten Weibesbilde in gleichen Wagschalen. M O N C A D O . Das ist wohl wahr. Alleine wer sich selbst ermordet / wird deswegen nicht vor klug gehalten; sondern ewig geschmahet. T A R P E J A . Warumb rühmet man denn die L U C R E T I A . M O N C A D O . Nur der Treue wegen welche Sie ihren C O L L A T I N O dadurch bewiesen. T A R P E J A . Und nicht wegen der manlichen Faust / womit Sie ihre Brust durchschnitten? M O N C A D O . Keines weges. MONCADO.

Glücklicher

Bastard,

1.

Handlung

17

ist doch T H I M O C L E A zupreisen. Die war tolle. T A R P E J A . Aber EUPHRASIA. M O N C A D O . Die ist nicht in ihr eigen Schwerd / sondern in die Hand des Nothzüchtigers gefallen. (16) T A R P E J A . So ist doch ELISA mein Trost. M O N C A D O . Das Ehrsichtige stoltze Weib. T A R P E J A . Gleichwohl ist Sie vergöttert. M O N C A D O . Aber zu C A R T H A G O niemahls angebetet worden. T A R P E J A . W O wende ich mich aber denn hin? M O N C A D O . Z U der Gedult und Großmüthigkeit welche unter königlichen Tugenden oben anstehen. T A R P E J A . Diese können die Schande nicht wegnehmen / noch mein Verbrechen aussühnen. M O N C A D O . Wer nicht sundiget kann nicht gestrafft werden. T A R P E J A . Ich habe ja gesündiget. M O N C A D O . Wie dann? T A R P E J A . Weil mein Verbrechen aller Welt Augen wird offenbahret werden. M O N C A D O . Der Leib sundiget nicht / sondern der Geist / so darinnen wohnet / und wo dieser ohne Vorsatz handelt / bleibet die Seele unbeschuldiget. (17) T A R P E J A . Ο M O N C A D O ! mein Trost; Ihr habt mich fast gewonnen / daß ich nunmehr suche / alles mit Standhafftigkeit zu überwinden. Wolan ich erwehle euch zu meinen Leitstern / nach welchen ich in diesen Unglücks Meere sehen und Ihm folgen will. Aber sagt mir / auff was Art der Fall meinen Königlichen Herrn Vater ohne Beleidigung beyzubringen. M O N C A D O . Das achte ich nicht vor nothig / weil das Kind vielleicht schon umbkommen / Sie auch / wir freuen uns darüber / noch in guten Verstände sich befindet. T A R P E J A . Und eben das ist / was meine vorigen Schmertzen wieder zurücke ruffet / lieber wolte ich mit meinen Achseln geduldiger seyn / als A T L A S , und alle Schmach der Welt auff mich nehmen / als diß mein Fleisch / mein Blut zum Tode befordert wissen. OA. DU Flegel kanstu den Hut nicht abnehmen / wann du vor ein fürstlich Gemach kommest. (18) T A R P E J A . SO MONCADO.

T A R P E J A . W a s ist d i r O A .

OA. Seht Ihr nicht den Schaffbengel draussen vor der Thür stehen / mit dem groben Filse. T A R P E J A . Geh frage was er will. OA. Ich will Ihn immer heissen hereinkommen so darf ich nicht naus gehen, Du! pfeifft: komm rein.

18

Johannes

Riemer

4. Aufftritt. T A R P E J A , M O N C A D O , B E R E N I C E , O A , FAUSTULUS, A C C A .

O A . Was wiltu? Ich wolte gerne ein büßgen zur Frau Fürstin. Bezeigt euch Ehrerbietig / Sie ists selbst. FAUSTULUS. A C C A neige dich. Strenge Frau Ferstin da hat jemand ein Kindgen verlohren / das haben wir so zu uns genommen /wenn wir nur wisten wem es ware / wir woltens gerne wiedergeben. OA. Du Hundf. denckst du doch wohl es gehöret unserer Princessin. Zw der (19) Princessin. Ich will ihn mit samt dem Hurkinde hinaus schlagen. T A R P E J A . Verzieh O A . M O N C A D O . Jammer und Lachen streiten in meinen Antlitz. Dort / weil mich mein Kind zum erbarmen bewegt; Hier / weil auch die Thoren Liebhaber der Wahrheit seyn. Wo seyd Ihr zu diesen Kinde kommen / wer seyd Ihr / und wo seyd ihr her? A C C A . AUS ITALIEN, strenge Frau. FAUSTULUS. Halt doch das Maul / laß mich reden. Aus ITALIEN Hochgeehrte Frau. OA. DU Mistgebratnes das haben wir schon gehöret. T A R P E J A . Was habt Ihr aber hier zu schaffen. FAUSTULUS. Frau Fürstin wir wohnten dort an der T I B E R in Palatinischen Grunde; da hat uns der grosse Kühdieb / H E R C U L E S , unse bißgen Vieh weggetrieben. Daß wir nun umb alles kommen seyn. So wolten wir unsern Stab weiter setzen / und nach SALAMANCA ziehen. Alß wir dieser Gegend ans grosse Vorge-(20)bürge kamen / da fanden wir das liebe Kind liegend. ACCA bunds stracks in ihre Hucke / und woltens mit nach SALAMANCA nehmen / da hätten wir es erzogen / daß wir einst einen Schaffknecht gehabt hatten. Dieweil wir aber wegen der SARACEnischen Puschklepper nicht fortkommen kunten / musten wir wieder zurücke / uns / biß zu anderer Sicherheit / in nechsten Dorffe auffzuhalten. Wir haben nun zehen Tage stille gelegen / und komt uns das Spanische Brod ziemlich theuer an. Daher dachten wir / ich und meine Mutter / wir wolten das Kindgen der Frau Fürsten verehren. Denn ihr kant Ihm noch ehr ein Stück Fleisch zuwerffen als wir. T A R P E J A . Ihr thut gar recht einfaltiger Schaff er. Ich dancke Euch vor euer Geschencke. Ich nehme es an / und wünsche Euch Glück zu eurer Reise. A C C A . FÄUSTEL bekommen wir denn kein Trinckgeld. FAUSTULUS. Gnadige Fürstin / können wir nicht ein Trinckgeldgen haben. (21) T A R P E J A . Hier habt ihr etwas. FAUSTULUS.

BERENICE.

Glücklicher

Bastard,

1.

Handlung

19

OA. NU ich habe mein Tage gehöret: Ein Bauer ist ein grob Schelm. Und ihr bezahlt euer Unglück. TARPEJA.

MONCADO!

MONCADO. J a / wertheste Princessin! nun müssen wir unsere Sachen gantz anders anstellen. BERENICE. Ich hielte davor man liesse es bey vorigen Schlüsse: es konte aber wohl Seiner Majestat das PRÄSENT zur neuen Zeitung angekündiget werden. TARPEJA. Und solte den gantzen Handel verholen? MONCADO. I c h bin der

Meinung.

TARPEJA. Wie soll ich aber die mütterliche Liebe bergen. BERENICE. Die kann eine andere sonst gewohnliche Liebe schon zu decken. TARPEJA. Sölten wir aber nicht sicherer gehn / wann wir gleich unsern Zustand zu vaterlicher Wissenschaft gelangen liessen: Vielleicht würde Ihn das Bekantnis seiner Tochter mehr zum Erbarmen und Mitleiden bewegen. (22) OA. Mich deucht immer auch so. MONCADO. Einfältiger Mensch / wann wir den Thater wüsten. OA. Hort / Princessin! was wolt Ihr mir geben wann ich Euch einen so kostlichen Anschlag erofne / daß Ihr aus aller Noth und Gefahr kommen kont. Alleine es ist auch etwas wichtiges / daß ich davor zum RECOMPENS verlange. TARPEJA. Armer OA! Eine Erbprincessin konte ja wohl zu Rettung ihrer Ehre die helffte des Königreichs entbehren. OA. Das langet noch nicht zu. TARPEJA. U n d w a s

denn.

OA. Wann Ihr mir wolt ein recht schon roth Band (so COLEUR D'PUNS) in die Krause geben so will ichs sagen. TARPEJA. SO schon als es in gantzen Neapolis zu finden. OA. Daß diß Kind euer sey / last dem Konige immer entdecken: Fraget er nach dem Vater. Wohl. In Spanien bey dem Fluß TAGUS empfangen die Mutterpferde von Winde. So wollen wir herkommen / und wollen sagen es habe ein (23) durchreisender der Princessin ein solch Spanisch Pferd verehret / und in dem Sie demselben bey der Besichtigung zu nahe kommen; habe Ihr das Pferd einen Spanischen Wind unter die Flohrkappe streichen lassen / davon sey sie trachtig worden. TARPEJA. Vergeblicher Redner und leidiger Rathgeber. So soll es denn / Fürst MONCADO, verschwiegen bleiben. MONCADO. Ich meine ja.

TARPEJA. Ich folge euren Rath. Der Himmel fordere Ihn. MONCADO. Und beschütze eure Majestat vor Schande. Ich suche in des gnadigsten Urlaub. Weil die Zeit mich zu königlicher Aufwartung ruffet.

Johannes

20 TARPEJA.

Riemer

Fahret wohl M O N C A D O ! Lebet wohl Princessin.

MONCADO.

TARPEJA. MONCADO.

Schönste Princessin. Verschwiegen. M O N C A D O . Stummer als ein Stein. T A R P E J A . Lebt wohl. M O N C A D O . Sie zuvor Princessin. {24) MONCADO.

TARPEJA.

OA.

MONCADO.

MONCADO. W a s nun.

OA. Ein Schelm sagt ein Wort. Halt dein Maul. T A R P E J A . B E R E N I C E begleitet mich in Garten. Du aber / O A , trage dieses Lamb in mein Winter Gemach und warte sein / biß zu mehrer Verordnung. OA. Da wird es schlechten Raum haben und Blut übel ruchen /so bin ich nun ein Kinder Madgen. Holet eine Schaube / fast das Kind ein und singet. MONCADO.

5. Aufftritt. GARGORIS, NUNNIUS, LARA,

der Staat. So ist nunmehr unser Reich das Haupt der gantzen Welt. Nach dem die Feinde bezwungen / und abermahl zwo neue Cronen zu Eu. Majest. Füssen gelegt. G A R G O R I S . Furchtet man auch unsre macht in der Ferne? {25) LARA. Freylich / Gnadigster Konig / weil dero Ruhm schon in Indien erschollen. G A R G O R I S . So leben wir recht bey gesegneten unterthanen. N U N N I U S . Und wir unter einen glückseligen Konige. G A R G O R I S . Ja es ist war / N U N N I U S . Wir leben und herschen recht glückselig. Und ob wohl unsere Regierung dem Romischen A U G U S T O , an denen Jahren / gantz nahe kommen; So haben wir dennoch über einigen Fall / so denen Monarchen sonst meisten theils gemein / uns nicht zubeklagen. Unsere vollkommne Vergnügung gebietet uns also zu reden /außer der wir uns sonst von niemanden befehlen lassen. Schatze und Waffen geben einem Reiche den Unterhalt / wann Sie zu vor durch gelehrte Klugheit wohl regieret werden. Am beyden diesen hat es uns niemalß gemangelt. Wir erinnern uns / daß unsere tapfere Vorfahren auff dem TARtesischen Gebürge mit denen Gottern selbst gestritten / von welchen uns gleichGARGORIS. NUNNIUS.

Glücklicher Bastard, 1. Handlung

21

{26)massiger Muth im Geblüthe angeerbet. Der berühmte T E U C E R hat in unsern GALJECIEN viele Nachkommen hinterlassen. Sein erbauetes SALAMIN in Cypern ist mit so vieln Helden besetzet daß wir an der selbn vereinigten Schilden / wider alle feindliche Macht / eine bewehrte Vormauer haben konn. Zu deren Erhaltung uns I N D I E N über fliessige Mittel hergiebet / und A M E R I C A eine unerschöpfliche Schatzkammer ist. So entsetzet man sich freylich vor denen C U R E T E N und niemand last sich gelüsten / uns unsere Ruh zu müßgonnen; Nach dem VIRIATUS die sonst Sieghafften Romer mit Verwunderung aller Welt gantzen zehn Jahr zum triumph herum geführet. Das gantze Land ist daher ruhig / und kan ein ieder an seinen Weinstock die Trauben mit Friede reiffen sehen. Des Morgens treibt der muntere Schaffer seine Schafe aus / und in dem dieselbn die gesegnetn Trifften überziehen / erfüllet dieser mit seiner wolklingenden Schallmey die Felder / daß auch Fürsten und Konige in seiner Geselschafft zu leben (27) wüntschen mochten. Kombt Er des Abents wider nach Hause kan Er seinen abgematteten Leib mit nothdürftiger Nahrung wider erquicken / und alls denn nimbt der seine Sonnenbraune Baurin in die Arme und ruhet darinnen / biß Er durch das anbrechende Sonnenlicht / und von dem süssen Gethon der Vogell wider zu neuer Freude ermuntert wird. So wissen wir auch von innerlicher Unruhe nichts; Die weil wir selbst unsern Unterthanen zum Exempel friedliebend sein. Kurtz zu sagen / keine Sorgen drücken unsere Crone / worrüber andere gekrönte Haupter sich beklagen. Es mus dann ein solcher Thron bestehen / welchen die Gotter von oben her beschützen / und das jenige Scepter ewig dauern so zwischen Friede und Gerechtigkeit geführet wird. Wolan dann / Ihr Verwanden unsers Reichs besinnet euch auff eine Lust / wo mit ihr euren Konig bey so Glücklichen Tagen bedienen moget.

LARA. Wir gehorsamen Ew. Maj. W o ferne unsere Kopfe nur so fähig sein eine angenehme Belustigung zu erfinden. {28) N U N N I U S . Gnadigster Konig dort kombt eben Eur. Majest. Augapfel / Fürst M O N C A D O , welcher zu disen Vorhaben nicht ein Geringes bey tragen kan; Weil Er sehr sinnreich und königliche Ergotzlichkeiten aus zu dencken viel geschickter ist. LARA. Er gehet wider seine Gewohnheit in tieffen Gedancken / und scheinet mehr der Betrübdnüß als der Freude zu gethan.

22

Johannes

Riemer

6. Aufftritt. GARGORIS, MONCADO, LARA, NUNNIUS.

Und der Staat.

gantz tief in Gedancken. Was betrügt die Menschen mehr als ihre eigene Gedancken? N U N N I U S . Er redet mit sich selbst. K O N I G . N U N N I U S Ihr seyd wunderlich. Hattet Ihr dann keine Gedancken bey dem Ursprung euer Liebe. Er ist verliebt; Drum redet Er mit sich selbst. {29) M O N C A D O . Ich gedachte zwar / es hatte die Princessin T A R P E J A mir albereit den Weg zur Crone / oder doch nur zur Hoffnung derselben gebahnet. Alleine eben die so leere Geburth meines Gehürnes / ist mit ihrer Empfängnis zu gleich verschwunden. Unglückseliger M O N C A D O ! Wen liebstu? Ein zartes Fraulein. Wen hassestu ietzo? Eine unverhoffte Bastards Mutter. Wer hatte das gedacht Bey aller VENUS Macht / Das diß mein keusches Feuer Vor jenem Ungeheuer Betrogen solte seyn. Ach weh! der Schimpf ist mein Die Schande ist volbracht. Wer hatte das gedacht? KONIG. Je länger wir ihn zusehen iemehr die Bestürtzung bey ihm über hand nimt. Wir wollen Ihn ruffen: M O N C A D O . M O N C A D O . Wer ruffet mich. KÖNIG. Kennet ihr die Stimme eures Koniges nicht mehr? M O N C A D O . Allzuwohl Gnädigster Konig! {30) KONIG. Was treibet euch zu solchen einsamen Gesprächen. M O N C A D O . Ich weiß selbst nicht. KÖNIG. Wir aber wissen es sehr wohl / und bestehet in einem eintzigen Worte. M O N C A D O . Das mochte ich wissen. KÖNIG. Wisset ihr das nicht / so wisset ihr auch nicht was Liebe ist. M O N C A D O . Liebe! Ach! Ich liebte / und ietzo nicht mehr. K Ö N I G . Schertzet nicht / M O N C A D O , und gebt euch zufrieden. Euer wünschen ist erfüllet. Schopffet nur Muth: Weil Euer Anliegen uns auffs genaueste bekand ist. M O N C A D O . Wer ist freudiger als ich / dieweil mir dadurch die Last eines gefährlichen Eides benommen. MONCADO MONCADO.

Glücklicher Bastard, 1. Handlung

23

KONIG. Und was vor eines Eides? Den ich Fraulein T A R P E J A geleistet. K Ö N I G . Fraulein T A R P E J A unser Tochter. M O N C A D O . Fraulein T A R P E J A , Er. M A J . Tochter. (31) KONIG. Worinne dann? M O N C A D O . Mein Gewissen verbietet mir / solches zu sagen. K Ö N I G . A D . SPECTATORES: Wir müssen ihn auff die Probe setzen; Ich will nicht hoffen / daß ohne vaterlichen CONSENS unter euch ein Ehe Bündnis geschlossen. M O N C A D O . Ha! Das verlange ich nicht. K O N I G . Klopfjet M O N C A D O auff die Achsel. Nun nun M O N C A D O , unsere königliche Gnade halt euch dieses alles zu gute. Aber außer Schertz zureden / saget mir doch wann wolt ihr unser freude vollkommen machen / und unsere Tochter euch beylegen lassen? M O N C A D O . Ich sage Ew. M A J . unterthanigsten Danck und meine feste Meinung / daß ich dieses gar nicht verlange. KONIG. Redet ihr also von Hertzen? M O N C A D O . Von Hertzen. MONCADO.

KONIG. Ihr? MONCADO.

Ich.

KONIG. MONCADO? MONCADO.

(32)

MONCADO.

KÖNIG. Der ihr vielfaltig um unsere Tochter angehalten? M O N C A D O . E S ist wahr. KÖNIG. Und die gantze Ritterschafft zur Werbung eingeladen? M O N C A D O . Ich gestehe es. KÖNIG. Uns auch selbst mündlich darum ersuchet. M O N C A D O . Das leugne ich auch nicht. KÖNIG. Elender Fürst / schlecht von Geblüte / und arm von Unterthanen. Soltet ihr wohl Ursache haben / euch zu wegern / eines M O N A R C H E N einige Tochter in die Ehe auffzunehmen; Wollet ihr allein unsere Freuden zerstören / und unsere Crone mitten in ihren Glantze beschimpfen; Wir würdigen euch nicht ferner unseres Antlitzes. Und wofern ihr unsern Unmuth nicht durch euere Reue leschet / werden wir die fürstliche Würde zu euern eigenen Vnglück gantzlich aus denen Augen setzen. Gehet ab. (33) M O N C A D O . Gehet immer hin stoltzer Konig / wer weiß welche Stunde euch noch zeit gnung die schrockliche Post erofnen wird. Bleibet auch bey euren Vorsatz / denn ich bestehe auff der Meinung / daß Crone und Horner auff einen Kopfe sich nicht wohl zusammen schicken. Ein tugendhafft Gemüth bleibt immer unbestritten. Wann gleich die gantze Welt ihr Gold zur Prüfung bringt /

24

Johannes

Riemer

Acteon darff mich nicht zu seinen Schmause bitten. Weil auch kein Scepter mich zu diesen Joche zwingt. Lieber will ichs Glücke wagen. Als mit Vorsatz Horner tragen.

Anderer Handlung 1. Aufftritt. FLENS

und S C H I T zwene Bauern

Gefatter.

FLENS. Je das gehet hin. Gefatter SCHIT, wüstet ihr was ich wüste / ihr (34) würdet euch ehe es sechs schlüge todt wundern. SCHIT. Lieber Gefatter FLENS, und sagte ich euch / was ich weiß / ihr lachet euch auff der Städte so krum als ein Taschen Messer. FLENS. Das was ihr wist Gefatter SCHIT, kan nimmer mehr so arg sein / als das was ich weis. SCHIT. Was ich weis das ist seyn Tage nicht gehöret worden. FLENS. Uber das / was ich weiß wird sich die gantze Welt wundern. SCHIT. Ach was wolt ihr davon sagen? Vber das was ich weis / wird sich das gantze Dorff entsetzen. FLENS. Meins kostet hals abhacken. SCHIT. Ha ha ha. Ich wil ein Schelm seyn / wann meines der Konig erführe er Hesse einen gar an Pranger schliessen. FLENS. Fatter SCHIT, ich mercke schon wo ihr hinauß wolt. SCHIT. Gefatter ihr hat gewiß auch Wind davon. FLENS. J a ja / b i ß w e i l e n . J u n g f e r TARPEJCHEN.

(35)

SCHIT. Das erbare Dingelgen. FLENS. Das züchtige Nießgen. SCHIT. Gefatter gehts nicht an dem Hofe zu wie mus es denn so kommen seyn / weiß man denn nicht wer Vater ist? FLENS. Ja ja! Das werden wir erfahren? SCHIT. ES ist lauter Gielheit bey den Leuten. FLENS. Ja wie kan es anders seyn? Die Leuthe sauffen das klahre Bier / und essen immer warmes. Wann Sie fein arbeiteten wie wir daß ihnen der Schweiß über die Larve lieffe / Sie würden den Schultzen wohl zu frieden lassen. SCHIT. Sie scheren sich viel umb unsern Schweiß. Gestern war ich zu H o fe / ich trug meine Zinß Hane nauff / da ließ eine in einen schonen Taffendrocke etwas aus ihrer Stube herunter fallen / ich wust erst nicht / was

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

25

es war / dem Umfange nach dachte ich es war das große Ding / darinnen sie in der Apothecke das Baumol haben. Da ich aber nahe dazu kam / so sähe ich / daß es / mit REVERENTER ZU sagen der (36) Scherbel war: Dasselbe Ding muste ich nauff bringen (daß wir nicht eins ins andere reden) da sähe ich nun wie die grossen Moien daher zogen. Gefatter FLENS, hatten Sie nicht grosse Krengel auff den Kopffen / man hatte Pflugreder können draus machen. Sie kunten kaum zu denen Thüren mit ausgehen. Vnd was nun die Zopffe zu groß waren / das waren die Gacken desto kleiner; Sie giengen ihnen nur so weit. Das sähe aus / wie in Fleischbänkken / wo sie junge Ziegen feile haben. FLENS. Gefatter! schämen sich unsere armen Weiber nicht / wann sie einmahl ein weiß Brüstgen anziehen; Kriechen sie nicht hinter den Backofen oder in die Holle / daß wir ihnen ja nicht etwa auff die blose Haut sehen. SCHIT. Wann meine einmahl die Beine wascht / da schlüst sie sich allemahl in Garten: Vnd die reichen Leute schämen sich nicht; Halten sich auch nichts vor übel. (37) FLENS. Hernach gehets auch so fein erbar zu / daß man die Kinder in Weitzen=Stupfeln findet. SCHIT. Solte aber gleichwohl das Kind / so der Hirte aus Italien gefunden / unsers Koniges Tochter seyn? F L E N S . E S ist nichts gewisser. SCHIT. Wans unser einen so betraff wie schone würde einen der Edelman um ein baar neue Schock straffen. Der Gemeine müsten wir ein Faß Bier geben. Der Pfarre würde einen in Bau stecken / und wie hübsch würde er mit der kirchen Buße vorwischen. FLENS. Wie giengs denn Schweger Blasius? Der gute man hat wohl kein Kind erzürnet / und da seine Tochter Sich nur an des Knechts seinen Reuth Rock gestossen hatte. Da war der Hencker loß. Sie strafften ihn ja / daß ihme die Schwarte knackte: Sie strafften ihn in C U S T U R I U M , der Edelman straffte ihn / der Schosser straffte ihn / die Schoppen strafften ihn / biß er endlich kein Kalb in Stalle / und keine Entde auffn Müste behielte. (38) S C H I T . Was hatten die grossen P R E C E P T O R ZU Hofe sonst zu thun / wann sie die Bauren nicht braf plackten.

2. Aufftrit. SIVARINO, F L E N S , S C H I T .

Ich kann nicht ergründen / was doch unsern Hoff in so eine geschwinde Veränderung setzen müsse. M O N C A D O , der sonst des Koni-

SIVARINO.

26

Johannes

Riemer

ges Hertz war / hat den Hoff verlassen müssen / und Fraulein T A R P E J A hat sich in vielen Tagen nicht sehen lassen. FLENS. Gefatter wir werden nun wohl vonander müssen denn ich habe noch ein bißgen Mist zu laden. Wann kommen wir nu wieder einmahl zu sammen? SCHIT. Last sehen ich wills euch sagen. SIVARINO. Siehe da zwene Bauren / was DiscuRRiren diese guts. SCHIT. Auff unser Pfingst Bier können wir einander sprechen. Aber Fatter FLENS daß ihr ja das bey euch behalt / was ich euch von Hofe vertrauet habe. (39) FLENS. Ey ich sage nichts / sagt ihr nur auch nichts. SIVARINO. Ha ha! Diese beyden Schelme reden von Hofe: Hui daß ich von ihnen etwas erfahre. SCHIT. Steh euch nur gegen iederman als wüstet ihr nichts. FLENS. Ja ja von mir erfahrt kein Mensche was; Nein; wir Bauren müssen uns fein einfaltig stellen / wir dencken doch wohl unser Theil. SIVARINO. Das seind leichtfertige Vogel. Ich muß nur mit Sturm in sie hinnein fahren / und mich stellen / als wüste ich alles / was sie geredet / ob ich vielleicht durch Schrecken was von ihnen rausbringen kann. FLENS. Ihr seht wohl man darff niemanden trauen. SIVARINO . Ihr Schelme / was habt ihr von Hofe zureden was geht das euch an. SCHIT. Herr haben wir doch nichts geredet. (40) SIVARINO . Du Bose=Wicht wilstu leugnen / was ich mit meinen Ohren aus deinen leichtfertigen Maule höre. FLENS. Herr erzürnet euch nur nicht darüber ist doch ein Kind besser als ein Kalb. Was uns Bauren betrifft / es zulatschet uns den Haber nicht so. SIVARINO. A D SPECTATORES. In die Reden kan ich mich nicht schicken / hoffe aber von diesen einfaltigen Leuten was zu erfahren. Was meinet ihr denn vor ein Kind. S C H I T . Wincket mit der Hand. Er hat nichts gehöret. FLENS. Ach Herr wir Bauren haben nur solche Sprüchworter; Wir sind arme dumme Leute / wir haben nichts gehört. SIVARINO. Schelme / redet und bekennet was ihr itzo einander erzehlet. Nimbt bey de bey den Haaren / und stost sie mit den Köpfen zusammen. F L E N S . Weinende. Habe ich es doch nicht gesagt. Jener sagte es. SIVARINO. SO sage du dann an / was du weist. (41) SCHIT. Jener weiß es besser. Denn er hat mir es zuerst erzehlet. SIVARINO. Welcher wird es denn endlich erzehlen. FLENS. Herr der weiß es zum aller besten. SIVARINO . So sage es Schelm / wo du nicht wilt von meinen Händen sterben?

Glucklicher

Bastard, 2. Handlung

27

Halt Herr au weh! Ich will es euch erzehlen. Nu wohl. SCHIT. Dieser konte euch den rechten Grund sagen. SIVARINO. Erzehle: Halt ihm die Degen Spitze vor die Brust. F L E N S . Will ich doch. Will ich doch. SIVARINO. Was denn nu. SCHIT.

SIVARINO .

FLENS. TARPEJA.

Was denn T A R P E J A . Des Koniges Tochter Fatter SCHIT sagt ihrs doch immer. SIVARINO. Was halstu Hund mich auff fahre fort / oder dieser Stahl soll dein Hertz durch schneiden. (42) SCHIT. Des Koniges Tochter T A R P E J A . SIVARINO. Das hastu auch schon gesagt. SCHIT. Hat hustet. SIVARINO. Ich glaube du wilt an der Warheit ersticken. SCHIT. FLENS redet doch weiter. F L E N S . Ein huren Kind. SIVARINO. Z U sich nach Hofe genommen. Ihr einfaltigen Narren das weis ich wohl. F L E N S . Ja ja zu sich nach Hofe genommen. SIVARINO. Was deucht dir bedencklich in meiner Rede / daß du dieselbe wiederholest. F L E N S . Herr ich wolte es euch wohl sagen / wann ihr mich nicht verraten wolt. SIVARINO. A D SPECTATORES. Hierunter stecket was / ich muß ihne gute Wort geben / vielleicht / komme ich dahinter. Nein nein / mein guter Freund / es ist so bose nicht gemeint ich habe mich nur zur Kurtzweile gegen euch so (43) zornig erwiesen. Es hat gantz nichts zu bedeuten. Aber saget mir / in höchsten Vertrauen / was ihr auff dem Lande gutes neues / von unsern Hofe habet. F L E N S . Ihr Gestrengen / ich will es wohl sagen / aber ich gestehe nichts / ich sage ein Schelm redet mir was nach. SIVARINO. Redet nur ohne Furcht und Scheu ich sage niemanden was. F L E N S . Wist ihr denn nicht / daß der Konig Großvater worden. SIVARINO. Durch wen denn? F L E N S . Fragt ihr noch durch wen durch seine Tochter. SIVARINO. Wie? Durch seine Tochter. Durch die T A R P E J A . F L E N S . Wist ihr denn das nicht. SIVARINO. Das kan ich nicht glauben. F L E N S . Geht nur nach Hofe / ihr werdet es wohl selber sehen / und hören. SIVARINO. Darff man sich auff euer Wort verlassen; und wie wolt ihr es beweisen? SIVARINO. FLENS.

28

Johannes

Riemer

FLENS. Beweisen mag ich es zwar (44) nicht / aber ich will doch sagen / woher ichs weiß: Meine Schwieger Mutter heist und ist Kindfrau in unserm Dorffe / dieselbe habe ich bey mir. Es geschach daß in der Mitter Nacht eine Kutsche vor mein Haußgen / ans hinter Thor kam / dieselbe abzuholen. Dabey waren sechs bewehrte Schweitzer / grosse lange machtige Kerl. Da nun meine Schwieger=Mutter nicht ehe mit wolte / bevor sie sagten wohin sie solte gebracht werden / nahmen sie mir die arme alte Frau mit Gewalt weg / bunden ihr die Augen zu / und CURRIRten mit ihr davon als wann es auff der Frantzoischen Post gienge. Die Augen seynd ihr nicht ehr geöffnet worden / biß sie in das Gemach kommen ist / worinne eine Kindbetterin gelegen. Deß dritten Tages ritte ich nach DERTOSA auff den Viehmarckt. Da ich nun unten die Schloß=Gasse / nach dem Seethore zugieng / ruffte iemand so klaglich: FLENS, ach noch viel klaglicher. Sohn / FLENS, ich sähe so ein bißgen in die Hohe; Da kuckte meine Schwieger=Mutter aus einen hohen Kapfenster he(45)runter und fragte mich / wo sie ware. Ich ware nun gerne zu ihr gewesen und wolte nun in die RESISTENS ZU ihr neingehen. Da ich aber in die Wache kam / wolte niemand von meiner Schwieger=Mutter was wissen. Und da ich langer anhielte / ließ mir einer den Stiel von einen Spiesse auff den Hut fallen das mir Hören und sehen vergieng. Ich ritte wieder nach Hause / und bekümmerte mich nicht ferner um meine Schwieger— Mutter; Die folgende Nacht kam sie eben so mit verbundenen Augen und vielen Geschencke wieder nach Hause / wie sie war abgeholet worden. Sie erzehlte mir ihre Verrichtung / und ich sagte / in was vor einer Stadt sie gewesen ware. Da kam es raus. SIVARINO. Ich erstarre und weiß auf mein theures Leben nicht / was ich sagen soll. Habt ihr denn sonst nicht etwa ein Merckmahl / darauß man besser muthmassen konte. FLENS. Nein ich weiß nichts mehr; als ein klein Rotzlapgen brachte sie mit / so die Wöchnerin um dem Halsse gehabt / ich (46) werde es / halte ich davor / wohl bey mir haben. Recht /recht / hier ist es. Es stehen auch ein bißgen Buchstabgen drinne / weiß aber nicht wie es heist. SIVARINO. Last sehen. A D SPECTATORES. T . F . V . N . TARPEJA. F r e u l e i n v o n

NAVARRE.

Ich dancke euch / mein Freund / vor euren offenhertzigen Bericht / will euch auch hiermit etwas zu einen Trinckgelt verehret haben. Fahret wohl. FLENS. J e nun / grossen Danck / Juncker! Komt Gefatter / wir wollen es gleich alsobald anlegen / und uns einen halben Becher Wein davor kauffen; Sonst komt mir mein Semmilchen des Nachts über die Hosen / und giebt diesen Sechtzengroschen Stückgen ein Pallet auff ein ander Quartier in ihrer Lade.

Glücklicher SCHIT.

Bastard,

2.

Handlung

29

Gar recht! Der Sorge sol euch meine Gurgel bald über heben helf-

fen. Gehen ab.

Ach Ο weh. SIVARINO. SIVARINO! Deine Missethat ist klar und derselben unstreitig Zeugnis hat dir den (47) Weg zum Untergange schon gebahnet? Wo hat dich deine thorichte Begierde hin geführet? in die Fessel der Wollust / daß du Gotter und Konige geschändet. TARPEJA wolte auff mein vieles liebreiche Bezeigen mir keine gegen Liebe erweisen. Der Konig selbst trug grössere Neigung zu MONCADO, als eben zu mir: Ich brauchte List / aber ach! Mit Beleidigung der Gotter / und nam die Gestalt des Gottes M A R S an mich. TARPEJA kam in Tempel / zu opfern / wo ich mich ihrentwegen die gantze Nacht verborgen / ich mißbrauchte das Heil. Feuer / wo durch ich sie dermassen erschrecket / daß sie gantz sinnloß zu meinen Willen gar leicht [. . .] und unempfindlich kunte gebracht werden. Nun mehr aber will der Betrug verlauten / und mein Mißhandel der gantzen Welt in die Augen aus brechen. Derohalben / verberge dich SIVARINO, und gehe aus diesen Königreiche. Fliehe fliehe alsobald. Doch nein weil mein Gewissen mich in alle Winckel der Erden / als ein unpartheiischer Richter / verfolgen wird: Lieber (48) will ich mir ein Hertz fassen / und nach Hofe gehen / und sehen wie die Sachen ablauffen werden. Und dieses mit desto bessern Muthe dieweil diejenige / auff welcher die Helffte des Verbrechens ruhet / selbst nicht weiß / daß ich der Thater bin; Sondern alle Schuld der Empfängnis denen Gottern beymisset.

SIVARINO.

W^Ohlan ich bleibe hier und halte fest. Und suche nun nicht mehr was mich ergötzt / Ob das Gewissen gleich verletzt Bleibt doch die Heimligkeit mein Schild / Wann FAMA hat den gantzen Hoff erfüllt. Ich opffere Reu Und Schmertz dabey. So wird dann SIVARIN bestehn Dann dieses Unglück kan ihm noch zu Glücke gehn. 3. Aufftrit. MONCADO, O A .

Ists aber noch nicht gantz ruchtbar zu Hofe. (49) OA. Diesen Augenblick habe ich nur mit dem Stubenheitzer geredet / der wüste noch nichts davon.

MONCADO.

3

Riemer II

30

Johannes Riemer

MONCADO. DU Alberner Mensch / diesen lumpen Kerl wird man solche geheimbde Sachen nicht auf die Nase hefften. OA. Wen soll ich aber sonst fragen? MONCADO. Solche Dinge mus man bey den Vornehmsten am Hofe erforschen. OA. SO will ich hinlauffen und den Konig selber fragen / ob er nichts davon weiß. MONCADO. OA halt; Das mustu nicht thun / du darffst nichts reden / sondern nur hören. OA. SO erfahre ich aber nichts. Ich will das thun / und den Affen der vor dem Taffei Gemach lieget / fragen; Es ist sonst ein klug Rabenas / und kan alles hören / und sehen / was in und vor dem Taffei Gemach PASSIRET.

MONCADO. Ein Affe kan ja nicht reden und lebet ohne Vernunfft. {50) OA. SO giebt er mirs doch mit denen Zahnen zu verstehen. MONCADO. OA deine Meinung tauget nichts / höre: Ich habe TARPEJA versprochen Ihr in ihren Unglück / als ein Bruder beyzustehen. Gleichwol aber ist mir der Hoff verboten. Also muß ich an deine Princessin einen Brieff bestellen lassen / darinnen enthalten ein dienlicher Vorschlag zu ihren Dingen. OA. Ein Vorschlag zu ihren Dingen. Das ist eine sehr Kützliche Sache / ich sehe lieber ihr suchet einen andern Boten dazu. Uber dis werdet ihr denselben Vorschlag zur Princessin ihren gefahrlichen Dinge in Brieffe nicht wol anbringen können. MONCADO. Ο ja / gar wohl. Es bestehet das gantze Werck in vier Zeilen / und braucht nicht mehr als daß du es ihr in die Hände giebest. OA. Daß ichs in die Hände gebe. Das ist meine Schuldigkeit. Ldufft ab. MONCADO. W o n a u s ?

OA. Ich gedachte ich solte es ihr in die Hände geben. {51) MONCADO. DU hast ja den Brieff noch nicht. OA. J a nu so gebt mir denselben. So muß ich wohl bey Abend lauffen. MONCADO. ES mag seyn wann es will / woferne es nur niemand siehet. OA. Hort doch es wird sich nicht wohl schicken / daß ichs der Princessin selber in die Hände gebe. Ich bin in meinen EXPEDITIONIBUS etwas tolpisch: Die Princessin mochte erschrecken. Lieber will ich ihre Cammer Magd ins CABINET ruffen / daß es niemand siehet / und wils derselben in ihre eigene Hand wohl verwahret geben / und die mag es der Princessin in die Hände spielen. MONCADO. OA das ist auch nichts / es muß es kein Mensch wissen. Es ist eine unsichere Sache um einen Brieff. Die Magd machte wol den Brief auff / und schwatzte die gantze Sache auß.

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

31

OA. Ach nein / nein nimmermehr / da bin ich Bürge vor. Ach sie ist verschwiegen / und hat neben der Verschwiegenheit noch zwo Tugenden an sich / Beredsam-( 52 )keit / und haußhaltig. Bered ist sie / denn wenn ich ein Wort zu ihr sage so schüttet sie derselben tausend herauß / die Flüche und Schmahworte ungerechnet. Haußhaltig ist Sie / denn sie hat sich nunmehr auff die fünff Jahr mit einen Besen beholfen / und ist der Besen noch gantz neu. Vor allen aber und an meisten verschwiegen. Denn ob gleich kein CAVALLIER an gantzen Hofe ist / welcher nicht bey ihr hinter dem CAMIN gestanden und sich mit ihr abgelecket / so hatt sie doch ihr Lebtage keinen Menschen / auch ihrer eigenen Mutter nichts davon vertrauet. MONCADO. J a / das gehet sie selber an / weistu aber auch ob sie anderer Leute Sachen verschweiget. OA. Trefflich. Nur eins zusagen: Neulich hielte eine andere Magd um ihren Dienst an / diese aber unser Caplenichen merckte es und guckte in die SUPPLICATION, da sie des nun gewiß war / verschwiege sie es nicht allein / und sagte der PRINCESSIN kein Wort davon /sondern sie nam auch die SUPPLICATION, und machte lauter kleine (53) viereckige Handgranaten draus / davon sie auch noch taglich etzliche in die CITADELL, DE SECRETO des Morgens einwirfft. MONCADO. Ach OA du schertzest mit einem / dem nicht wohl zu muthe ist. O A . J a w a s : O M N E ANIMAL POST COITUM T R I S T E .

MONCADO. Wie oder was vor Latein redestu? weistu nicht / daß unter der Regierung ALFONSI des Sternkuckers / das Latein in Spanien gantz verboten worden? OA. Das weiß ich wohl: Aber es wurde nur denen jenigen verboden / so kein Latein kunten; Stundet ihr doch auch in denselbigen EDICT. MONCADO. Du redest ein Ding ins andere. OA. Und ihr thut ein Ding ins andere. Bald frest ihr mit dem Konige aus einer Schissel / bald müst ihr gar von Hofe. Bald redet ihr mündlich / mit meinen Fraulein / bald schicket ihr einen Brieff an sie. Ich kan mich in eure Handel nicht schicken. (54) MONCADO. OA, hör auff vergeblich zu reden / daß wir aus der Sache kommen. Hier hastu zwene Brieffe. Diesen solstu dem Konige durch einen seiner Diener überreichen lassen / diesen aber soltu Fraulein TARPEJA selber zu stellen. OA. Ich wolte lieber diesen der TARPEJA und hingegen den dem Konige geben. MONCADO. DU bist ein wiederwärtiger Mensch. Dieser ist ja nicht an Konig geschrieben / verrichte nur was ich dir befehle / und verwahre auff

32

Johannes

Riemer

dein Leben beyde Brieffe / daß keiner in fremde Hände gerathe. Indes ADIE. Auff der Süder Schantze will ich dein und der Antwort erwarten. Gebet ab. OA. Wohl wohl! Mein Herr MONCADO, ich verrichte alles nach empfangenen Befehl wo thue ich nun diese beyde Schnubtücher hin? Wann es zwene Pfan Kuchen waren / so wüste ich wohl wie ich sie ohne alle Gefahr fort bringen konte. Ich wolte sie fressen da ware ich ohne Sorgen. Aber was hilffts? OA, (55) du hast einmahl dieses Aemtgen über dich genommen / du must nun sehen wie du es hinnaus führest. Fanget grdßlich an zu schreyen / und winckt dem MONCADO nach.

4. Aufftrit. MONCADO,

OA.

MONCADO. Was ist dir denn?

OA. Ach ich habe wieder vergessen / welcher dem Konige und welcher dem Fraulein gehöret. MONCADO. Ο du untüchtiger Bote! was werde ich mit dir ausrichten? Siehestu nicht / dieser stehet dem Konige und dieser dem Fraulein zu. OA. Hort! Damit es kein Irrthum giebet so will ich den / vor den Konig / in rechten Schuch / und den / vor das Fraulein /in lincken Schuch stecken. MONCADO. So thue denn so / und nim dich in acht. ADIE. Ich warte dein an benimtem Orte. (OA) ziehet die Schuh aus / und leget die Brieffe ein. ( 5 6 ) O A . SO sey es dann. Ich werde diese Brieffe gut PERFUMIREN. Nun muß ich zu sehen das ich den rechten Weg finde. Gehet ab.

5. Aufftritt. König

GARGORIS, NUNNIUS, LARA,

und der Staat.

KONIG. Wieviel seynd Ritter zum Tornier beruffen. NUNNIUS. Ich habe gnadigster Konig funftzig PATENTE außschreiben lassen. KONIG. Werden sie auch erscheinen. NUNNIUS. Ich vermuthe kein Aussenbleiben. KONIG. Euer schneller Gehorsam / wie rühmlich er auch ist / fält uns ietzo nicht angenehm.

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

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NUNNIUS. Diese Rede betrübet mich / Gn. König. KONIG. Seyd zu frieden unser Ungefallen soll euch nicht schaden / weil ihr unverzüglich das Jenige verrichtet / so wir euch befohlen. Uns aber hat eine merckliche Veränderung des Gemüths überfallen. (57) LARA. Alleine Gn. Konig / einen treuen Diener stehet ja wohl frey / wann er seinen Konig betrübt siehet / nach der Uhrsache zu fragen. KONIG. Warumb nicht. LARA. SO begnadigen uns denn Ew. Maj. mit diesen Erkantnüs. KONIG. Das kont ihr haben. Wisset denn / daß uns die Unpaßlichkeit unserer einigen Tochter / mehr als vermuthlich erschrecket; Vnd ob wir wohl über die Besserung so uns gestern überbracht / uns desto mehr zu freuen Vrsache gehabt; So hat uns dennoch diese Nacht ein unergründlicher Traum dermassen bestürtzt gemachet / daß wir fast nicht wieder zu uns selbst kommen können. LARA. Gnadigster Konig! Niemand hat sich über einen Traum zu erfreuen oder zu betrüben. KONIG. Gleichwohl geschehen sie offt mit Bedeutung eines nachkommenden Vnfals. NUNNIUS. Die Phantasey / welche niemalß bey den Menschen ruhet / erreget (58) offte auß Haß / gegen die andern schlaffende Sinne / solche verdrießliche Bewegungen. KONIG. Sie ist aber so wohl einer von denen innerlichen Sinnen / als die andern. NUNNIUS. J a Gnadigster Konig / aber sie kann so wenig zukünfftige Dinge verkündigen als die andern. KONIG. Warum nicht? So es mit Hülffe der Gotter geschehe. LARA. Die Gotter können in ihren Verrichtungen keine Menschliche Gehülfen erdulden. KONIG. Aber doch brauchen sie dieselben als Werckzeuge / und vielleicht auch zu kommenden Dingen. NUNNIUS. Dieses hat man gar selten erfahren. KONIG. Wie so? CYRUS grieff in Traum dreymahl nach der Sonnen / erfolgte nicht sein dreissig jahriges Regiment / wie es von seinen Traumdeuter verkündiget. (59) LARA. Das geschähe ohne Gefehr. KONIG. Was hatte des PHALARIS Tyranney gewisser bedeuten können / als daß seine Mutter in Traum sähe / wie ihr Sohn mit einen Becher vol Blute das gantze Haus besprengete. NUNNIUS. Diß bildete sich das furchtsame Weib wachend ein! So muste sie auch im Schlaff mit diesen Gedancken erschrecket werden. KONIG. NUNNIUS Euer Muth verachtet alles. Aber sagt mir / wem schreibt ihr die Stime zu / welche dem HAMILCAR in dem Feld=Lager vor SYRA-

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Riemer

cus im Schlaff zugeruffen / daß er des Morgenden Tages in SYRACUS Abendmahlzeit halten solte. NUNNIUS. J a ! hatte dieser sonst preißliche Held des folgenden Tages als ein Vberwinder und nicht als ein Gefangener in SYRACUS gespeißet / so dürffte ich vielleicht nicht sagen / daß eben die betrügliche Stimme / ihn zum Schimpf / aus feindlichen Munde über den Wall heraus geflohen ware. (60) KONIG. Ihr habt zwar / NUNNIUS, auff alles wol geantwortet / alleine meiner schweren Gedancken mich noch nicht über hoben. NUNNIUS. Eur. Maj. plagen sich selbst ohne Vrsache. LARA. EW. Maj. überwunden die Traurigkeit ihrer Gedancken /und lassen einen nichts bedeutenden Traum sich nicht erschrecken. KONIG. LARA verrachtet Ihr auch die Traume! LARA. Gn. Konig. Ich verrachte sie nicht eben gleichwohl aber kan ich mich weder darüber freuen / noch davor entsetzen: Weil sie von groben Dünsten und Feuchtigkeit des Leibes entspringen / und mit einen Wort / aus der Maß so ein Mensch in Essen und Trincken halt ihr Wesen haben. KÖNIG. So solten die Gemüths Bewegungen nichts dazu verleyhen? LARA. Die will ich endlich nicht davon aus schlüssen.(61) KONIG. Wie aber die Mitwürckung der Sterne. LARA. Was solten die dabey thun. KONIG. Sagen waß künfftig ist. LARA. Der wird betrogen / welcher aus denen Sternen sein künfftig Glück erlernen will. KÖNIG. Wann diese aber einen Traum regieren solte man nicht daher urtheilen können / was kommen soll. LARA. Hunde und alle Bestien träumen / welche aber das zukünfftige von dem vergangenen nicht unterscheiden können. KONIG. LARA, ihr seyd gar wohl geübet / vernünfftig zu antworten; alleine die Furcht so mir mein Traum verursachet /mag mir niemand benemen. CALATRAFA. Wollen Ew. Maj. denselben uns wissen lassen / vielleicht findet sich bey dieser Versamlung ein Vernünftiger Außleger. KÖNIG. Dieses konte unsern Besorgten Hertzen wieder Ruhe schaffen. Aber wo ist iemand / dem der Geist der Gotter mitgetheilet / der meinen Traum deuten konte. (62) CALATRAFA. Ein berühmter Scythe Nahmens COBARES halt sich hier auff / welcher Ew. Maj. hierinnen wol vergnügen würde. KÖNIG. SO befehlen wir denn euch / alsobald denselben in unser Vorgemach zu stellen / unsern Traum zu vernehmen und lie Bedeutung desselben auffrichtig eroffnen zu lassen. Ihr aber begleitet uns auff den Lewen=Saal. CALATRAFA. Ich bin schuldig Ew. Maj. zu gehorsam. LARA. Und wir Ew. Maj. zufolgen.

Glücklicher

Bastard,

2.

Handlung

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6. Aufftrit. CALATRAFA,

COBARES.

CALATRAFA. Sieh da / eben der welchen ich suchen will / komt daher. Glück zu mein Freund! Glück zu! COBARES. Danck euch JUPITER, und wann ihr mein spottet / PLUTO. CALATRAFA. Ich spotte euch nicht / sondern heisse euch auff Befehl meines Königs / nach Hofe kommen / und einen Traum dem Konige auß deuten. (63) COBARES. Wisset ihr nicht was es vor ein Traum ist. CALATRAFA. Diesen hat der Konig noch niemand eröffnet. Sondern biß zu eurer Ankunfft sich vorbehalten. COBARES. Ich folge euch und des Koniges willen.

7. Aufftrit. K O N I G , N U N N I U S , L A R A , CALATRAFA,

und der Staat.

CALATRAFA. ZU rück der Konig komt. Hier ist der Scythe / welchen Ew. Maj. hie her zu bringen befohlen. COBARES. ES lebe GARGORIS der m a c h t i g e K o n i g der CURETEN. G l ü c k z u

euch tapfern Helden. KONIG. Von wannen bistu? COBARES. Aus Scythen / Gnadigster Konig. KONIG. Kanstu Traume deuten. COBARES. Das habe ich mich von Jugend auff beflüssen. KONIG. Wer ist dein Lehrmeister gewesen. (64) COBARES. Apollo hat mich unterrichtet. KÖNIG. Stehe auff / und höre genau auff das / was wir dir erzehlen wollen. CYNTHIA kehrte uns diese Nacht die Füsse zu / als wir auff unsern Lager ruheten; Da wurden wir gewar / wie eine Jungfrau auff einen hohen Berge lege / und das Gesichte gegen Morgen kehrte. Aus derselben Schose wuchs hervor ein hoher erhabener Wein Stock / dessen Gipffei fast in die Wolcken ragten / und sich so weit außbreiteten / daß gantz ASIEN dadurch über schattet wurde. COBARES. EW. Majestät vergönnen mir ein wenig nach zu schlagen / und lassen mich allein. KONIG. Das sey dir vergönnet. Doch halte uns nicht lange auff. Waß dünckt euch von meinen Vornehmen. LARA. Wir wünschen nur daß Ew. Maj. was angenehmes bedeutet werde.

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Riemer

Himmel setze diesem Sinne Bilde eine gute Uberschrifft. Und gebe dem gantzen Handel einen gütigen Ausgang. Gehen {65)

NUNNIUS.

CALATRAFA.

ab.

8. Aufftritt. Der

K O N I G , N U N N I U S , LARA,

der Staat!

OA,

CALATRAFA,

COBARES.

Gnadigster Konig / O A last sich auch in dieser Versamlung sehen wann er nur nicht den Warsager irremachet KONIG. Er siehet uns nicht / last ihn nur seinen Willen. C O B A R E S . Zaubert einen Geist aus der Erde durch allerhand verwunderliches Bezeigen mit folgenden Worden: Du Vater C Y B A L E und du grosse Mutter C I R C E sende deinen Geist der mich lehre daß ich höre noch bey Zeite was der Traum bedeute. Der Geist erscheinet und lehret ihn also. (GEIST.) Eines Koniges Tochter hat einen Sohn geboren der über gantz A S I E N herschen wird. Verschwindet. OA. Verwundernde. Wie dann so? Ich halte davor daß dieses der Geistlichkeit Affe / oder der Gotter ihr wachsamer {66) Ketten=Hund ist. Der hat wohl heute noch keine Mausedreckergen gefressen weil ihm der Kopf noch so schweimelt. Is is is. Seynd sie bald alle. Der Narre geust die schöne rothe Dinte auff die Erde / wann sie mancher M A G I S T E R hette / so konte er doch damit noch eine oder andere D I S T I N C T I O N in der M E T A PHYSICA unterstreichen oder wann sie der Büchsenschaffter / Meister Hasael hatte / würde sich der Mann nicht mit seinen andachtigen Morgen Mittags und Abendgebett / unter aller hand Schuverderbenden Scharrfüssen bedancken. Denn damit konte er in alle seine Calender die er Jahrlich herrauß giebet Son und Fest=Tage selber schreiben. NB. Entwendet dem Draumdeuter ein Zauber Wurtzelgen / darüber wird er bezaubert / daß ihm ein Horn zum Maule heraus wächst / und gantz lebloß stehet. C O B A R E S . E S haben Ew. Maj. im Traum gesehen eine Jungfrau auff einen hohen Berge aus deren Schose ein Weinstock gewachsen / welcher gantz A S I E N über schattet. {67) NUNNIUS.

KONIG. W i e ich dir gesaget.

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

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Kennen Ew. Maj. wohl die Person / von welcher der Traum geschehen. K O N I G . Ja wohl! Besser als dich. C O B A R E S . Ich befinde / daß es eines Koniges Tochter sey. K O N I G . Das ist getroffen. C O B A R E S . Welche einen Sohn gebahren wird. K O N I G . Das kan auch geschehen. C O B A R E S . Der über gantz A S I E N herschen wird. K Ö N I G . Gebe das der Himmel. Ihr aber / L A R A , diesen Traumdeuter eine Verehrung. C O B A R E S . Die denen Gottern dienen / sollen vor schuldiges Amt keine Verehrung noch Geschenck nehmen. Gehet ab. Und nimt OA das Horn wieder aus dem Manie. OA. SO gehe zu deinen Geist hin / du Ertzschelm / daß du heute noch mit diesen an Galgen hingest. Oder daß du in der Stunde mustest verbrand werden / ich wol-(6#)te gern das Holtz in Maule dazutragen / und das Stroh aus meiner Große Mutter Braut Bette zum anzünden hergeben. C A L A T R A F A . O A was ist dir? OA. Sich seyd ihr auch da? L A R A . Was ist dir daß du so unmuhts bist. OA. Wann euch so ein Horn wurde ins Maul gesteckt / ihr wurdet wol auch nicht viel reden. L A R A . Was vor ein Horn. OA. Da kam ich ins Vorgemach zu einen Zauberer / um den lieff eine grosse Schwartze Ziege herum / der stackte mir eins nein ich halte / es muste wohl das Horn der Verschwiegenheit seyn. Ich kunte kein Wort reden. N U N N I U S . D U alberner Mensch / wer weiß was dir zu Gesicht kommen. K O N I G . Was wiltu Schalck / daß du nicht bey deinen Fraulein bleibest / ihr die Zeit zu vertreiben? OA. Ich kan mich nicht in zwey Stücken reissen / das eines dem Fraulein und das andere M O N C A D O dienet. (69) K O N I G . Was hastu M O N C A D O , dem Greul unserer Augen / zu dienen? OA. N u nu zerreist euch nur nicht / ich habe einen Brieff von ihm an euch. K O N I G . H O ha! er wird sich alhand bekehren / zeige mir denselben. OA. Hort! sagt mir erst / welches ist mein rechter Fuß / und welches ist der lincke. L A R A . In ernsthafften Dingen soll man mit den Konigen nicht schertzen. OA. Bekümmert ihr euch doch um euer gewendet Kleid / wist ihr doch nicht warumb ich frage. K O N I G . So sage uns denn / was diese Frage zu bedeuten. OA. Ihr habts gehört / und höret es ietzo noch einmahl / daß ichs nicht eher sage biß ihr mir gesagt / welches mein rechtes Bein ist. COBARES.

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Riemer

K O N I G . SO komm dann her: Siehestu das ist mein rechter Fuß. OA. SO ist das der meinige. Weiset auff den Lincken.

KONIG. Allerecht.

OA. Nun will ich euch die Ursache sagen / warum ich darnach gefraget habe. (70) M O N C A D O hat mir zwey Brieffe zu gestellet / einen an mein Freulein / und einen an euch / hat mir aber dabey auff mein Leben verboten die Brieffe ja nicht zu verwechseln / damit ihr nicht etwa den zu sehen bekämet / welcher ans Fraulein geschrieben ware. Und daß dieses nicht geschehe / so habe ichs so gemacht / der an mein Fraulein gehört / den habe ich hier in meinen rechten Schuch gestecket: Den aber / an euch / habe ich hier in dem Lincken verborgen. Den will ich auch nun geschwinde heraus ziehen / und euch über antworten. KONIG. Du must uns auch den Brief / so an unsere Tochter geschrieben / heraus geben. OA. Last euch die Gedancken entfahren / darauß wird gar nichts. Da da ist dieser der euch gehöret. K O N I G . Lieset den Brieff. Schönstes Fraulein O B wir wohl den Verlaß genommen / ihr Kind so sie vor wenig Ta(71)gen geboren bey Hofe zuerziehen; So wil mir doch mein Hertz nicht darzu rathen. Indem allbereit ihre Geburt auff dem Lande verlauten will. Solte ihr das Glück ferner ungeneigt seyn / und diese Sache ihren Konigl. Herrn Vater bekand machen / so dürffte es um Sie / um ihren Jungen Printz / um die Hoffmeisterin und mich / als von welchen solcher Anschlag herkommen / sehr gefahrlich stehen. Darum rathe ich treulich das Kind mit seiner Amme alsbald auffs Land an einen sichern Ort in ein Bauer Hauß zu schicken / und solange alda zu verwahren / biß ich wieder zu voriger Konigl. Gnade erhaben bin. So dann werde ich ferner der Sache bey zu stehen nicht nachlassen. Eilichst gegeben aus dem Seehafen durch ihren OA. Ew. Durchl. Bestandigster Diener M O N C A D O Fürst v. CARDONA (72) Voller Grim. Auffruhr auffruhr Verratherey. Ach Ο weh! Zerreist die Kleider / mufft Sich (Haar) herauß.

KONIG.

NUNNIUS. W a s

da.

LARA. Was ist Gnadigster Konig. CALATRAFA. Sie schonen sich selbst.

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Glücklicher Bastard, 2. Handlung

LARA. Was ist verhanden.

Wir seind bereit zu helffen. KONIG. Unser Tochter ist geschändet. OA. Ihr habt nicht den rechten Brief bekommen / Herr Konig thut nicht so. NUNNIUS.

9. Aufftrit. SIVARINO, K O N I G , N U N N I U S , L A R A ,

der Staat

/ OA.

S I V A R I N O . Was vor ungewöhnlicher T U M U L T erreget die gantze Hofstad. OA. ES seynd nur ein bar Briefe verwechselt worden. K Ö N I G . SIVARINO, Treuster SIVARINO. Ihr seyd uns der Nächste / dem wir unser Vaterliches Hertzeleid klagen. (73) SIVARINO. Und was denn. KONIG. Ach unsere Tochter. SIVARINO. T A R P E J A . KONIG. OA.

TARPEJA.

TARPEJA.

Ist gestorben. KONIG. Ach wolten die Gotter den Hals gebrochen / oder im tieffen Meer erseuffet! Oder von der Erde verschlungen / als daß wir sagen müssen: Geschändet. SIVARINO. Das wolte der Himmel nicht. KONIG. Sie ist schon albereit eines Huren Kindes / mit unserer grosten Schande / genesen / auff auff / wer seinen Konig treu ist. Haubtman! SIVARINO.

10. Aufftritt. H A U B T M A N , K O N I G , N U N N I U S , L A R A , CALATRAFA, K-OENIG.

der Staat.

Stelle dich plötzlich vor uns mit deinen Soldaten. Das soll zur Stunde geschehen. Gehet ab. (74) Schande über Schande / Ο Elend G A R G O R I S ! Schmach voller

HAUPTMANN. KONIG. Ο

Konig! Hat man denn von dem Thater keine Nachricht. KÖNIG. Zur Zeit noch nicht / aber wir wollen ihn erforschen und selber Hencker über Ihn werden. SIVARINO. Erschreckt sehr.

SIVARINO.

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KONIG. SIVARINO warum erschrecken euch diese Worte. Seynd sie nicht gerecht? Warum erzittert ihr so? SIVARINO. Gnadigster Konig nicht diese Wort / sondern die Liebe zu meinen Konige / und das hertzliche Mitleiden bey diesen Unglück / bewegen mich zu Zittern. K O N I G . L i e b w e h r t e s t e r SIVARINO.

11. Aufftrit. HAUBTMAN mit

3 . SOLDATEN, K O N I G , SIVARINO, NUNNIUS,

LARA, CALATRAFA,

der Staat.

{75)

HAUBTMAN. Ich bin fertig mit denen meinigen Ew. Majestet Willen zuvolbringen. KONIG. Geschwind! Gehet und bemächtiget euch unserer Tochter und ihrer Hoffmeisterin BERENICE, bindet sie beyde und leget sie ins Gefängnis biß zu unsern fernem Befehl. Ihr SIVARINO solt das COMMANDO in dieser Sache führen. Vor allen Dingen aber verschaffet /daß nach vollbrachter Hafft das Huren Kind vor uns gebracht werde / damit wir es mit unsern eigenen Zahnen zerbeissen. SIVARINO. Gemach / Gnadigster Konig! KONIG. Gehet volbringet unsern Willen. SIVARINO. AD SPECTATORES. Ο Gerechter Himmel / kehre dich zur Barmherzigkeit. Denn ich soll mein eigen Blut zum Opfer tragen. KÖNIG. Ο daß der Junge Hund schon da ware. NUNNIUS. EW. Maj. schonen in Zorn ihres eigenen Lebens. ( 7 6 ) KONIG. Wer kan denselben mitten in der Beleidigung über winden? LARA. Ein hohes Gemüth muß das erlittene Unrecht im Gesichte verbergen / und keine Schmach mit Zorn rechen. KONIG. Wie soll aber eine Beleidigung auß geführet werden. LARA. Durch Gelegenheit und Tugendmassige Thaten. KÖNIG. Ach LARA LARA solt ihr an meine Stete treten / ihr würdet viel anders reden. LARA. Doch nicht das gantz Hertz denen zornigen Begierden einräumen. KÖNIG. Erbärmliche Kinder seyn die keinen Vater haben; Aber glückselige Vater die keine Kinder haben. Kleine Kinder treten uns armen Vätern auff die Kleider die großen auffs Hertz.

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

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12. Aufftrit. HAUBTMAN, SIVARINO, K O N I G ,

der Staat.

ist geschehen / was Euer Majestät befohlen. (77) Und hier ist der kleine Printz / welcher mit lauter lachen den

H A U B T M A N . ES SIVARINO.

W e g ρ ASSIRET.

KONIG. Komm her du iunger Wolf / der mir meine Ehre fressen hilfft / daß ich dich mit meinen Händen zerfleische. SIVARINO. Weigert sich das Kind herzugeben. Ey Gnadigster Konig / was hat diese Unschuld gethan? K O N I G . S O ! Ist das der Weinstock / welcher A S I E N uberschatten soll. Ich will ihn zerbrechen / ehe er Blatter bekomt. N U N N I U S . Ew. Majestät schonen um aller Gerechtigkeit Willen / und legen die Hand nicht an diese Kindheit / welche nicht gesundiget hat. K O N I G . So soll er doch nicht leben. SIVARINO nemet alsobald ohne Wiedersprechen bey Verlust eures Lebens / diese Schand Frucht und leget sie hinnauß in die Wildnis / damit sie von dem Wilde gefressen und von iederman vergessen werde. Wir wollen nicht barmhertziger als ASTYAGES seyn. SIVARINO. Ich folge Ew. Majestat. A D SPECTATORES. Aber mit trehnenden Augen. Gehet ab. (78) CALATRAFA. Warum aber diß Gn. Konig. KONIG. Weil er nicht aus keuschen Ehe=Bette gezeiget ist. CALATRAFA. SO hatte MARCUS B R U T U S auch nicht leben dürffen / ob er gleich des C A I J G C S A R I S unächtiger Sohn war. L A R A . Vielweniger T I B E R I U S der von dem großen Keyser A U G U S T O auch ausser dem Ehe=Bette gezeiget wurde. N U N N I U S . H E R C U L E S hat alle seine Kinder unehlich erzeiget / und ließ sich ein Haubt des bastard ordens nennen. OA. Je grosser Hurkind / ie besser Glück. KONIG. Bistu hollen Bothe auch noch hier. OA. Nein / nein ich bin nicht mehr da. Laufft ab. KONIG. Gleichwohl kann das Un-Glück die Unehre nicht vergeßlich machen. LARA. Hingegen auch die Ehre und den Ruhm nicht hindern. N U N N I U S . Sonst wären AURELIANUS und ALEXANDER nicht regierende Keyser worden. (79) LARA. Die grosten Konige lieben die vielfache Vermehrung am meisten. Nur daß Sie ihren Nahmen ausbreiten. Und auff allerley Art ihres gleichen an Großmüthigkeit / hinter lassen. KONIG. Aber wie seynd die Gotter damit zufrieden.

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wird nichts rächen / weil er selbst viel Weiber geschwachet. KÖNIG. Können die andern nicht straffen? L A R A . A P O L L O und D I A N A müssen auch schweigen / denn J U N O ist nicht ihre Mutter / sondern L A T O N A . K O N I G . SO wird es doch M E R C U R I U S in der gantzen Welt aus bringen L A R A . SO sagen wir / daß er der MAJ^E ATLANTIS Jungfer Kind sey. K O N I G . LARA L A R A , ihr lästert die Gottheit. LARA. Die Gottheit kann durch Wahrheit nicht gelästert werden. LARA. JUPITER

13. Aufftritt. SIVARINO, HAUBTMAN

(80)

ohne Soldaten

/ KONIG,

der Staat.

Ihr moget erzehlen was sich mit dem Kinde begeben / ich kan solches ohne lautes Wehklagen nicht verrichten. KONIG. Nun wie ist euer Begräbnis abgelauffen? HAUBTMANN. SO / Gn. Konig: Ob die Bauche der Wilden Thiere vor den kleinen Leichnam zu Grabern erwehlet waren! So waren dennoch diese Bestien noch Barmhertziger als wir. Wir legten das Kind / welches uns stets anlachte / an den grossen Beern Forst / wo die Wild Bahn Creützet; und giengen davon. Kaum hatten wir ihm den Rucken zugekehret / lag es mit allerhand Wilden Thiren umschlossen / welche es leckten und mit ihrer Milch saugeten. KONIG. Ha! Es seynd mehr Wege offen diesen Todt zu befordern. Stracks SIVARINO ! Nehmet zu euch etzliche Jagt -{81) bediente / und schaffet daß das Aß dem Wilde genommen / und in dem grossen Forberge / auff eine enge Thür Schwelle geleget / und das grosse Mast Vieh mit aller F U R I E darüber getrieben werde. SIVARINO. Soll ich dann. KÖNIG. Schweicht und sagt nichts. Ihr aber Haubtman / begebet euch alsobaldt zu Schiffe / und Creutzet vor unser Seehafen / allwo ihr den untreuen M O N C A D O antreffen werdet. Wir verbieten euch unser Angesicht zu schauen / ehe ihr denselben bey uns gefänglich eingebracht. HAUBTMANN. Was einen Soldaten müglich ist das haben Ew. M. sich von mir zuversehen. Gehen ab. KONIG. Wir indessen begeben uns in geheimden Rath / allda zu unsern Vorhaben ferner Nachricht einzuziehen. Folget unß. Gehen ab. SIVARINO.

Glucklicher Bastard, 2. Handlung

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14. Aufftrit. OA.

O A . Wann ich nur mein Trinckgelt hatte / ich wolte eben nicht lange (82) mehr warten. MONCADO machte mir ein Hauffen wesens her wie mir der Weg würde bezahlet werden / ich sehe noch nichts. Der Konig ist gantz narrisch. Bald laufft er in die Küche / bald in die Cantzeley. Es gehet mir wie den Müllern in Winter / wenn das Weer gerissen ist. Gernewolte ich mahlen / es fehlet mir aber an Wasser. Ich habe bey unser Caplenichen schon vier Patzen auff dis Trinckgeld geborget / wie will ich sie bezahlen? Ey ey ey. Ich dencke immer / sie wird mir den Griffel zu meiner Schreibe Taffei den ich gar ofte bey ihr eingesetzet / in ihren Schreibe Kastgen verarrestiren. Hernach muß ich mit der Zunge schreiben. Ich weiß nicht wie ichs anfange selber darff ich wohl nicht vor den Konig / er mochte mich auch etwa dem Quartiermeister mit denen Bein Schellen über geben / Ich meinte / ich solte etwa einen guten Nulbruder antreffen / der mir die COURTESIE thate und meine Sache vortrüge. Sieh sieh! Dort oben guckt einer von Schloß herunter. Ha ha! er speyet ein bißgen: Der hat Gestern mehr ein genommen als alle Patienten in der Stadt. (83) Pfeift und wincket ihm. Schier dich doch runder du Schufft / geh fort!

15. Aufftrit. OA,

CAMMERPAGE.

PAGE . Was Wiltu denn daß du so ein Geschrey verführest. Du machst dich wohl breit machen. Seine Majestät werden dich stecken lassen / daß du keine Sonne sehen wirst. OA. Ja Bruder ich will auch nicht warten wann ich nur mein Trinckgeld habe / so will ich wieder zu MONCADO, der will mich zu sich nehmen. PAGE. Heinte in der Nacht ist MONCADO gefangen gebracht / und auff das Pollwerck DURANNI gesetzet worden. OA. 0 * a Ο ho / das ist nicht gut. Bruder schaffe mir nur mein Trinckgeld. Nu ists aus mit mir. PAGE. Solte ichs beym Konig fordern? OA. Freylich! PAGE. Nimmermehr! Und wann du mir ein gantz Dorff schencken wollest. (84) OA. Wiltu das nicht thun? Nun so will ich sagen waß ich von dir weiß und von Sprintz=Ennichen hinter dem Thume / du weists wol mit der Mut-

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ternelcke. U n d will sagen daß du immer von M u n d Weine stiehlest / u n d verstichst denselben bey des Taffeldeckers Tochter. U n d will sagen / daß du drunten bey der Kessel Scheyrerin ein heimlich Loch weist / da du immer nein und rauß kreichest; D a ß du hernach wann du solst in der RESIDENS seyn / drunten in der Stadt dich mit den Stunden Ruffern herum schlagest. Da wird es denn heissen / runter mit euch / in die Küche MÖNS : Page / runter mit den Hosen / Meister Thomas her / eine Ruthe h e r / d e n PODEX h e r h u t / h u t h u i t .

PAGE. Ey du bist wunderlich / du wirst ja nicht so ein Cirx seyn und unsere Lustigkeit verrathen. OA. SO fordere mein Trinckgeld. PAGE. Will ichs doch gerne thun / sage nur wie ich dich vortragen soll. OA. BREVITER sprich: OA will sein Trinckgeld vor den Brieff haben. U n d damit Holla. (85) PAGE. OA! Trit aus dem Wege / der Konig komt dort über den Hoff und gehet nach seinen Zimmer; Ich will es schon gut vor dich machen. OA. Aber höre doch / ich schleiche dir auff dem Fuß nach und behorche dich vor dem Gemach. Wann du meine Sache nicht stracks vorträgst / so komme ich also balde nein / und will deine Sacheigen vortragen die ich itzo erzehlet habe. PAGE. N u n nu ich wils thun / und gehen. OA. NU nun ich will dir folgen.

16. Aufftritt. K O N I G , SIVARINO, N U N N I U S , LARA, [. . .] CALATRAFA,

der Staat.

KOENIG. Ich verwundere mich über euren erzehlen. SIVARINO. ES ist nicht anders Gnadigster Konig als ich sage / das Kind lag auff einer gantz engen Schwelle; Wir jagten auff einmal mit Gewalt zweyhun- (86) dert Mast Ochsen in mehr als Tausend Menschen Gesichte darüber: Alleine es war mit Verwunderung und Mittleiden anzusehen / wie diese / sonst tolpische Thiere / ihre Füsse gar klug und ohne Beschädigung des Kindes setzten / nicht anders / als wann diese viehische Knochen von einer vernünfftiegen Seele regieret würden.

Die Hunde

heulen.

KONIG. Was bedeutet dieses Geheule. LARA. Gnädigster Konig: Es seynd die hungrigen H u n d e im Graben / welche ihr fressen fordern / weil sie bey itziger Verwirrung unsers Hofes vergessen worden / und nunmehr in zehn Tagen kein Brodt noch Luder gesehen.

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

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Wohl wohl. Ich will sie bald sattigen. SIVARINO nehmet also bald das lebendige Luder pfui den Huren Sohn / und werfft ihn denen hungerigen Hunden vor / diese werden ja meinen Wunsch vollstrecken. SIVARINO. Ist denn keine Gnade. KONIG. Was Gnade. Ihr habt unsern Befehl. (87) SIVARINO. Ο unmenschlicher Befehl! KONIG.

Gebet ab.

17. Aufftritt. P A G E , K O N I G , N U N N I U S , LARA, O A ,

der Staat.

Ρ AGE. Ja doch ja doch. OA. Daß du mirs ja recht ausrichtest. PAGE. Stille nur stille! Gnadigster Konig / OA will sein Bothen Lohn haben. K O N I G . Komm her / ich will dirs geben. Giebetihm eine Maulschelle. Gieb ihm dieses und laß den Kerkermeister ihn alsobald an Ketten schlüssen. OA. Ich bedancke mich. Ich nehme für wahr nichts. Läufft ab. KÖNIG. Last uns wo anders hingehen. Verdruß und Ungedult haben uns diesen Ort auch schon veracht und überdrüssig gemacht. CALATRAFA. Wohin Ew. Maj. Beliebet / dahin folgen wier. Gn. Konig hier erscheinet SIVARINO. (88)

18. Aufftritt. Wie nun? SIVARINO, ist des koniges Zorn erfüllet. Gnadigster konig / ich weiß nicht ob ich in volbringung des Gnadigsten Befehlichs glücklich oder unglücklich zu nennen bin. KONIG. Und Warum diß? SIVARINO. Die Hunde welche sonst ein Sinnebild des Neides und Geitzes stellen müssen / schienen / als hatten Sie ihre Natur weggeleget und in menschliche Barmhertzigkeit sich verkleidet / das kind haben Sie belekket aber nicht verletzet. K O N I G . SIVARINO! Ich will nicht hoffen es werde euch euer Leben so wohlfeil seyn / daß ihr gegen unsern Befehl euch etwa hinterlistig erweisen sollet. SIVARINO. Das werden Ew. Maj. von einen PROBiRten Diener sich nicht besorgen. A D SPECTATORES. O b ichs wohl Ursache hatte. K-OENIG.

SIVARINO.

4

Riemer II

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Johannes Riemer

KÖNIG. Ich halte dafür / dieser Wurm soll unsterblich seyn. (89) Vielleicht will der Himmel dieses kind / zu grossen Ehren aus so vielerley Gefahr errettet und erhalten wissen. KONIG. Vielleicht wolt ihr ihm mit der Zeit bey rathig zu meiner Crone seyn. N U N N I U S . Ich bin kein H A R P A G U S , den sein konig des MeinEydes beschuldigen darf. KONIG. Wohl! Wir prüfen eure treu und befehlen euch unsern unachtigen Enckel denen Sauen vor zu werffen / als von welchen wir in unserer Jugend ein erwachsen kind mit diesen Augen fressen sehen. Versuchts / und macht sie begierig dazu; Diese Mahlzeit / wann sie nach Verlangen abgehet / soll euch mit königlicher Gnade theuer genung bezahlet werden. N U N N I U S . Ist Eurer Maj. Hertz nicht zur Barmhertzigkeit zu bewegen / so vollbringe ich dero gnadigsten Befehl ohne Einwurff. Gehet ab. K O N I G . Wir erwarten eurer Rückunfft in aller nahesten Gemach. SIVARINO folget unß. SIVARINO. In tieffter Schuldigkeit. (90)

NUNNIUS.

19. Aufftritt. RABBI ( K A M ) ,

OA.

Ey Ey die Christe seind bose Mensch. Bose Mensch seynd die Christ. Der konig nutzt nichts Abraham. Er hatter en klaines kindel in die Wald hinnaauß bring losse. Die Beer habns nit gfreße (OA. Gehet aus). Er hats dein Hund laße vorwerffen ey wie han sies beschnupert und belecket. Die Seu habenß ach nit wullen fresse. Ey ey ist das nit eine Grausamkeit / wir Jued thun das nit. Es ist ein Grausam Volck die Christ / hat kain Gewissen / und kain R E L I G I O N . O A . Was hatten wir nicht / hatten wir kein Gewissen / und keine R E L I ( R A B B I . ) E I S C H E M A I , EISCHEMAI,

GION?

RABBI. Ich bin ein J u e d .

OA. Und ich ein Christ: Und du ungehangener Dieb sprichst: Wir hatten kein Gewissen und keine R E L I G I O N . RABBI. Ey nei / ey nei behuts der Isack. Die Christe haben ihre Lehr / aber der Jued ist besser. (91) OA. Besser meinstu? RABBI. Ja besser: Wir kommen ins Paradeiß. O A . Ich dencke du wirst in Paradiß kommen da / ehe du BONUS DIES sagst / dir die Parique schon zu Asche worden. Ich frage dich solte eure Lehre besser seyn als die unsrige {trit ihm zu Leib.)

Glücklicher Bastard, 2. Handlung

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RABBI. Ich habs nit gesogt. OA. Der Schelm leugnet mir alles. RABBI. Ich habs nit gsogt / I hob gsogt / die Jued habe mehr heilige / heilige Vater in ihrer R E L I G I O N als die Christ. O A . Waß wollen wir Wetten / wir haben mehr Heilige in unsere R E L I G I O N . Was gilts! RABBI. Zehen Ducat. OA. Was. Mit deinen Huren Sohnischen Gelde / lieber wollen wirs so machen: So viel Heiligen du mir aus deiner R E L I G I O N nennest / so viel Haare soltu mir auß meinem Barte zupfen; und so viel heilige ich aus meiner R E L I G I O N nenne so viel Haar will ich dir auß deinen Barthe zwicken. Steht dir die Wette an. RABBI. J a ig!

(92)

OA. NU so fang du an? RABBI. Ey nei fang der Herr an! OA. Wie alt bistu Jud. RABBI. Zwey und dreissig Jahr. OA. Ich nur neun und zwantzig der älste fangt an. RABBI. So will ich anfangen: Es ist dir der Abraham. OA. Das ist eine Haar: Du: die heiligen drey konige. Zupft dem Juden drey Haar aus. RABBI. Ich will mehr sagen / es ist dir der heilige Isaack. OA. Das ist eine Haare. Jener frommen Mutter sieben Sohne. R A B B I . E S ist dir der heili Vater Jacob. OA. Das ist eine Haar. 12. Junger. R A B B I . Es ist dir R A B B I Joseph. O A . Das ist ein Haar. Die 1 1 0 0 0 . Jungfrauen bey Coin (reist ihm den gantzen Barth aus). R A B B I . A U weh au weh mein Zierrath. (93) OA. Höre du Jude / laß dir einen neuen Barth wachsen / so will ich dir auch mehr heilige sagen itzo muß ich fort gehen der konig kommt dort mit dem kercker Meister. 20. Aufftritt. NUNNIUS, KONIG

und der Staat.

KOENIG. Habt ihr einmahl den Jungen Drachen getodtet. N U N N I U S . Weder ich / noch die Saue. Ich verwunderte mich / und die Saue furchten sich / lieffen und schrien. SIVARINO. Ew. Maj. mochten doch den gefasten Grim wieder diese Unschuld niederlegen / und bedencken daß die Gotter vielleicht dieselbe erhalten wollen.

48

Johannes

Riemer

KONIG. Gewiß euch zur Hofnung und uns zu Sorgen. Feuer und Schwerd müste nicht vorhanden seyn / diese junge Otter zu dämpfen. Ist kein Strick da / ihn zu erwürgen / kein Felß oder Thurm ihn herunter zu stürtzen? Ist keiner am Hofe / oder in unserm gantzen konig=(94)Reiche / welcher aus Beliebung ewiger Freyheit / ihm bey denen Fussen fasse / und mit dem kopffe wieder die Wand schlage? Doch wartet: Das Meer ist groß genug / und die unzehliche Menge der Wall und andere Fische wird ja ein Morgen Brodt von nothen haben. LARA hierzu wollen wir euch brauchen. Eure Verrichtungen sollen verhoffentlich allen unsern Beysorgen ein gewuntschten Ausgang verschaffen. Nehmet das Schandpanckhart / gehet auff die See und last euch in einen kleinen Both tausend Schritte von Lande führen / bindet ihm hundert Pfund an Halß und versenckt es / komt als denn wieder / das gantze Closter O L G I S sol eurer Mühe Belohnung seyn. Gehet ab. LARA. Vor ein gantz Closter last sich noch wohl ein kind ersauffen= A D SPECTATORES: wann es ein Tyranne befiehlet. Gehet ab. SIVARINO. Ich aber wolte nicht vor das gantze konigreich eine unschuldige Seele ertodten. (95)

21. Aufftritt. O A , 2 . SOLDATEN

OA. Das sieht wunderlich aus: Ich meine der konig raset. Er würde ja sonst nicht mit dem Armen Panckart so übel üm gehen lassen. Wan man mit allen Leuten so ungewisse Vater haben / so umgehen wolte / LARA und NUNNIUS würden trefflich viel zu thun haben. Gerne mochte ich sehen / daß Sie eins PROMOVIREN müsten daran Sie alle beyde zu tragen hatten [. . .]. 1. SOLDAT. Stille das ist er. OA. Ich wolte nun gerne nach Hoffe wann nur der konig wieder klug ware. 2. (SOLDAT.) Halt hier guter Freund. OA. NU loß sehen Bengel mache dich fein lustig. 1. (SOLDAT.) Wir sollen dich auff Befehl des konigs gefangen nehmen. OA. Je du Berenheiter/ meinstu daß ich etwan auch ein Spurius bin / du komst unrecht an / mein Vater ist ja bekand genug der HoffBecker und der leib Schneider. (96) 2. (SOLDAT.) Er sey wer er will wir müssen dich nach Hofe bringen. OA. Das hatten wol die Hescher thun können; Der konig dorffte mich zufangen keine gantze COMPAGNIE halten. Geh back dich nauß / und schlage dich mit denen SARACENen herum / es ist dir eine bessere Ehre als (daß) du einen wehr losen kerl wegnimst? Und noch darneben das Land

Glucklicher Bastard, 2. Handlung

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auffrist. Ihr Lumpen Hunde alle beyde / wann ihr gleich da euer eiserne F L O R E S Glaser bey euch habt ich frage viel nach euch / hatte ich nur meinen Wulst bey mir ich wolte euch braff EXERCIREN. 1 . ( S O L D A T . ) Kom du nur kom ( g r e i f f e n ihn an). OA. NU Narre / schertze wann mirs gelegen ist! Deine kalberey stehet mir itzt nicht an. 2. (SOLDAT.) Es ist unser lauter Ernst. Kom du nur fort. OA. Last mich gehn. Ich schrey wann Ihr mich nicht gehn last. 1. (SOLDAT.) Bald bald wan dich der Stock=Meister erst empfangen hat. (97) OA. Schreit. Last mich gehn. Last mich gehn.

22. Aufftritt. K O N I G , LARA

und der Staat.

habt ihr das verhaste Blut über Port geschmissen? LARA. Ja Gnadigster Konig: Aber mit grossen wieder Willen der Schiff= Leute. K O N I G . Was hatten diese SCLAVEN drein zu sprechen! LARA. Und eben das war meine Frage. Sie entschuldigten sich aber durch ein allgemeines Erbarmen und Mitleiden. KONIG. Wie bezeigte sich dann die schandliche Brut im Todte? LARA. Die habe ich nicht sehen sterben. KONIG. Wir haben euch aber deren Untergang gantz aus zuwarten befohlen. LARA. Dieses ist auch geschehen. Alleine es gieng so zu: Ich warf das Kind (98) nach der Nordseite über Port / und vermeinte solches zum letzten male gesehen zu haben. Aber es war nicht als wann ich unter sinckend Fleisch / sondern ein leichtes Holtz auff das Meer geworffen / welches nicht anders als ein fahrend kahn nach Osten zuschwamm. Die Meer Wunder / welche sich hauffig um diesen frembden Gast einfunden / empfingen es gleichsam mit Freuden: Sie erwiesen ihre Dienste / eben als wenn es A R I O N oder A M P H I O N ware; Sie fasten das schwimmende Kind auff den Rücken / daß es außer wasser gantz trucken fort getragen wurde. Biß es mir endlich aus den Augen kam / und keiner der Schiffleute von der Mast es mehr sehen künde. KONIG. Ich gestehe es ist ohne Wunder nicht zugegangen. Aber doch kann es nicht mit dem Leben davon kommen? LARA. Das ist unmüglich. Erseufft es nicht oder wird es von Seethieren nicht verschlungen / so mus es nackend erfrieren. K O E N I G . SO

50

Johannes

Riemer

KONIG. SO seynd wir dann in unsern Zorn etwas befriediget /weil unsere (99) Crone der Sorgen befreyet! Nun soll die Gerechtigkeit auch den Schimpf daran ausleschen. Der Brand ist halb gelescht / der in der Seelen flammet. SLVARINO.

Ein königliches Hertz das nicht von Pobel stammet / Lescht alle Funcken aus / die sonst der Zorn an blast. KONIG.

J a wann die Räch es nur ihm dazu kommen last. Was hilffts!

LARA. NUNNIUS.

Eß ist geschehn. KONIG.

Der konig ist vergnüget

Komt folgt. LARA.

Das arme kind / SLVARINO.

das mir im Blute lieget CALATRAFA.

Umschleust ein schwimmend Grab SLVARINO.

Ο Himmel loß es ab.

Driter Handlung 1. Aufftritt. Der Schauplatz weiset vier Gefangnüsse darinne geschlossen liegen.

TARPEJA, BERENICE, MONCADO, O A TARPEJA.

A c h war ich nie gebohren Weil Ehr und Guth verlohren. Dazu muß ich hier liegen

(100)

Glücklicher Bastard, 3. Handlung

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Und mich in ketten schmügen Mit allzu bittrer Noth. Ich wünsche mir den Todt / Wann Ehr und Guth verlohren. Ach war ich nie gebohren. MONCADO.

Ach war ich nie gebohren Die Hofnung ist verlohren / Die offt mein spates Glücke Mit manchen liebes Blicke Vertraulich an gelacht. Ο harte Unglücks Macht! {101) All Hoffnung ist verlohren Ach war ich nie gebohren. BERENICE.

Ach war ich nie geboren! Die Gnade ist verlohren / Womit der konig liebte Mich / ley der itzt betrübte. Untraglich ist die Pein: Wer will zu Hofe seyn / Wann Gnade ist verlohren? Ach war ich nie gebohren. OA.

Ach war ich nie gebohren / Das Trinckgelt ist verlohren / S o v o r MONCADO S c h r e i b e n

Zurücke müssen bleiben. Wer in der weiten Welt Bezahlt mir dieses Geldt? Ich fürcht! Es ist verlohren Ach wir ich nie gebohren. TARPEJA.

Ich leügne nicht den Fall darein TARPEJA fiel Doch weiß der Himmel wohl mein Tugenthafftes Ziel (102) Dahin das Hertz noch schickt sein stündliches Verlangen. MONCADO.

Ich habe keine Schuld / und liege doch gefangen Der liebes Zweck ist hin. Die Bahn zur Ehre bricht.

Johannes

Riemer

Der Himmel hat mein Glück zum Untergang gericht. Den Leitstern meines Heils seh ich nun nimmer wieder. BERENICE.

Das Eisen drucket sehr die schwachen weibes Glieder. Es hat ja meine Zucht die Wollust nie beschmitzt. Und gleich wol ist auff mich des konigs Grim erhitzt. Es ist nur Grausamkeit nach der Tyrannen Weise. OA.

Und lieg ich langer hier / so wer ich blind voll Lause. Hier oben frist mich was; Es thut mir trefflich frembde. (103) Caplenchgen / komme doch und bring mir ein Weis Hembde. Halt: Stich: so stich daß dich der Hencker hol da fur. Hier sitzt ein gantzer klitsch / der beist sich ums quartier. Sie fressen Loch bey Loch / wer kann ihr minen wehren? Au sie verschantzen sich. TARPEJA.

Man sucht uns zu vermehren Nur Schmertz und Seelen Weh. Ach Himmel ich vergeh / Wo ich nicht werde frey Von dieser Tyranney / Wo soll ich Hülffe finden? MONCADO.

Die ungewolten Sünden Verknüpfen meinen Fuß Daß er hier hafften mus. Doch tröstet mich mein Sinn Weil ich unschuldig bin An allen diesen Tahten. BERENICE.

Ich kan mir selbst nicht rahten O b ich dem Hofe gleich / Und diesem Königreich Sonst M E D I C E A war. Ich mochte alles Haar Mir auß dem Haubte rauffen. OA.

Hatt' ich nur was zu sauffen Acht biß zwolff Kannen Bier /

(104)

Glücklicher Bastard, 3. Handlung

53

So mochte es allhier Ja noch ertraglich seyn / Wann ein gebraten Schwein Dazu geflogen käme. TARPEJA.

5

Ο Vater daß dein Grim mich dieser Hafft bename. MONCADO.

Au weh!

BERENICE.

Ο Jammer!

io TARPEJA.

Ach! OA.

Au weh; Ο Jammer ach! Hier komm ich in ein Fach / is Es riecht gar nicht wie Biesen. Ein Stulgang hat mich zwar mit Nothdurfft hin gewiesen Itzt fall ich gar hinein: Au weh! Ach helfft geschwind {105)

2. Aufftrit. TARPEJA.

20

Du dennoch liebes Kind. Du meiner Sünde Lohn. Mein aus erkohrner Sohn: Welch Unglück hat mich troffen? KONIG.

25

Er ist in Meer ersoffen. TARPEJA.

Was soll ich von dir hoffen? OA.

Mein Hosen stehn gar offen. 30 K O N I G . D U Schandbalg. Du Dieb unser königlicher Ehren. Ihr Verführerin unsers Kindes und du kuppel Schelm. Muß man euch hier suchen wo die Hencker und Schergen ihre Werckstat haben? Pfui ihr Pack und Huren Gesinde: Ihr solt alle des Todtes sterben.

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Johannes Riemer

TARPEJA. Meine Seele / welche in die Sünde nicht gewilliget / hat keine Schuld auff sich. (106) MONCADO. Ich bin in diesen Verdacht mit dem Himmel in gleicher U n schuld. BERENICE. Ich leide gerecht und werde unschuldig bestraft. OA. Ists nicht wahr G n . Freulein ich bin nicht Vater zum Kinde? KONIG. Ο ihr Schand Hunde! Wie mocht ihr so frech reden / da ihr deren keines beweisen kont. TARPEJA. D e r Himmel straffe mich / wannich mein Gewissen belüge. MONCADO. U n d setze mich zum grausamsten Exempel denen / so an ihren Konigen untreu handeln. BERENICE. D i e Erde verschlinge mich alsobald in diesen verachteten Loche. Oder JUPITER zerscheitere mich mit donner / wann ich an TARPEJA Schuld habe. OA. Ich wolte daß ich an der ersten Bratwurst erstickte / oder daß Mir die Nase im Gesichte verwelckte / wann ich etwas dabey gethan habe / als daß ich euch den elenden Brieff ubergeben habe. E y wo bleibt dann mein Trinckgeld. (107) KONIG. Das soll dir der Hencker bald geben. OA. ES braucht so viel weitlaufftigkeit nicht. Ihr kont mirs gar füglich selber hier zum Gatter herein stecken. KONIG. Das Gewehr durchs Hertz. O A . GRATIAS

GRATIAS.

KONIG. So zeiget denn ungerathene Tochter euren Verführer an. TARPEJA. D e n weiß ich nicht zu sagen und wann die Gotter selber diese Frage über mich ergehen Hessen. KONIG. D e r euch betrogen / und eure Ehre geraubet. TARPEJA. Die Diebe schreiben selber ihre Nahmen an die Wände wo sie gestohlen. KONIG. Wann man sie aber ergreifft / lassen sie sich gar wohl erkennen. Ist euch dieser Dieb nicht nahe genung gewesen? TARPEJA. Ich schwere noch mehr / daß Mir von diesen allen nichts wissend ist. (108) OA. Es ist doch in finstern geschehen / da kann man keinen Menschen erkennen. KONIG. Sieh so! Ihr werdets mit einander so abgeredet haben? MONCADO wird wohl euer geheimter Rath gewesen seyn. MONCADO. W o h l ein Beystand in der N o t h : Aber kein böser Ratgeber. KÖNIG. Ο Ihr Ottergezüchte: U n s schmertzt eure geschmidete List mehr / als die begangene Unthat selbst. Lieber ware uns / und euch zuträglicher der bekandte Grund der Warheit / die Ihr boßhafftiger weise wieder uns zu verholen suchet. Aber seyd versichert / die Scharfe der Marter / und

Glücklicher Bastard, 3.

Handlung

55

die erdenckliche Grausamkeit des Todes soll uns bald den gantzen Verlauff der Sache klahr genug an Tag legen. Gehet ab. M O N C A D O . Und wann du Unmensch mit mir den I X I O N in der Holle ablosen wollest / so wirstu dennoch von mir nichts als meine Unschuld erfahren können. T A R P E J A . Ihr Gotter schützet mich. (109) B E R E N I C E . Rettet mich aus dieser unverdienten Schmach / und helfft mir zur Rache. OA. Mir aber zu einen halben Pfund hollandischen Käse und vor neun pfennig frische Semmeln.

3. Aufftritt. SlVARINO.

. Bin ich grausam / oder besitzt mich die Großmüthigkeit / daß ich weder den Todt meines heimlichen Weibes / noch den Untergang meines eigenen Bluts achte: Mein junger Printz ist entseelet / und T A R P E JA, meine mir alleine bewuste Gemahlin wartet in Ketten auff ihr BlutUrtheil. Kann ich dieses wohl über mein Hertze bringen? Fürst S I V A R I N O ! Bistu noch ein Mensch? So gehe und zeige dem armseligen Fraulein deine Missethat an / so kanstu dein Gewissen / und vielleicht sie selbst von Tod erlosen. Endlich was ists mehr? wann du auch gleich alle Marter mit T A R P E J A außstehen soltest. Besser ists / als in dieser Hollen Pein der (110) Seelen langer arbeiten. Zu dem kann die Liebe / welcher aller Trübsaal ertraglich ist / dir treuen Beystand leisten. Wolan ich gehe hin dem Fräulein meinen Listigen liebes Raub zu entdecken / und vielleicht der gantzen Sache einen Außschlag zu machen. Aber / S I V A R I N O ! Nim dich in acht. Wann ich nur des Frauleins Gemüth kundig ware. Ich wils versuchen. Sie schläft. Ο hoch beleidigtes Weibes Bild.

SIVARINO

Dem / der mit heiigen Feur gelogen / Der dich im Tempel hat betrogen Und deine Ehre dir geraubt / Dich zu besuchen ist erlaubt. TARPEJA.

Auffwachende.

Dem / der mit Heilgen Feur gelogen / Der dich in Tempel hat betrogen Und deine Ehre dir geraubt / Dich zu besuchen ist erlaubt. Wer ist hier / der mich in Gefängnis also anredet? Wer seyd ihr?

56

Johannes

SIVARINO. E s i s t F ü r s t SIVARINO G n .

Riemer Fraulein.

TARPEJA. Habt ihr mich den(w) also (an)geredet? (111) SIVARINO. AD SPECTATORES. ES schlaffen nicht alle verschlossene Augen. Nein / G n . Fraulein / ich habe zu ihr nichts geredet! Aber soviel befunden / daß sie selbst in Traum mit sich geredet. TARPEJA.

Dem der mit heiigen Feur gelogen / D e r dich in Tempel hat betrogen Und deine Ehre dir geraubt / Dich zu besuchen ist erlaubt. N u n ists ein Traum / so sey es ein Traum. Ich will mich mit keiner PHANTAsey quälen. Aber / Fürst SIVARINO, was deucht euch von meinen Zustande. SIVARINO. Weinende. G n . Fraulein es gehet mir so zu Hertzen / als wann sie meine eigene Gemahlin ware. TARPEJA. W o ist denn mein Sohn? SIVARINO. Mein Sohn? TARPEJA. Nein mein Sohn. SIVARINO. Den hat der Konig über Port ins Meer werffen lassen. TARPEJA. Was haltet ihr davon? SIVARINO. ES krancket mich / als wann es mein eigen Kind wehre. (112) TARPEJA. Ο Sonne! Wie hastu zu diesen unschuldigen Mord leuchten können? OA. Was ist denn vor ein Flegel draussen der einen ehrlichen Gefangenen in seiner Ruhe MOLESTiret? SIVARINO. Was wolte sie wohl thun / Gnädigstes Fraulein / wann sich der Jenige bey ihr anmeldete / welcher sie damals / wie man muthmasset in des MARTIS Tempel / bey ihren Opffer betrogen / wolte sie ihn auch lieben? TARPEJA. Wie mein eigen Unglück. SIVARINO. Wann er sie aber ehlichte. TARPEJA. Ich wolte ihm das Verlobnüs blutig genug machen / und des TARQVINII Brautbette bestellen. SIVARINO. Wie dann / wans ein Fürst ware. TARPEJA. Und wans der große ALEXANDER ware. SIVARINO. So er aber gute Tugenden an sich hätte. TARPEJA. Last es den achten Griechischen Weisen seyn; Denn alle Kunst der Welt kan keinen Weibe ihre Ehre bezahlen. (113) SIVARINO. Wann er aber so künstlich wäre / daß er ihr ihre Ehre konte wiedergeben? TARPEJA. Das ist denen Gottern nicht müglich / geschehene Dinge ungeschehen zu machen.

Glucklicher Bastard, 3. Handlung

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SIVARINO. Es müste durch die Ehe geschehen. TARPEJA. SIVARINO. Wann ihr mit nichts angenehmers uns trösten könnet / so beurlauben wir euch gar gerne. Denn eher soll man sagen daß sich Himmel und Erden vermenget / ehe dieses geschehen soll. SIVARINO. AD SPECTATORES. Halt ein SIVARINO, damit deine eigene Zunge dich nicht zu Falle bringe. So muß ich auff dero Befehl sie in der Gedult alleine lassen / und mich hinwieder nach Hofe verfugen. Ich lieb und darffs nicht sagen. Ich will und darffs nicht wagen. Ich klage meinen Schmertz den Steinen in der Erden. Ach! Kont ich selber nur vor Leid zum Steine werden. (114)

4. Aufftritt. PRUDENTIO

Reichs-Cantzler

und L A R A .

LARA. Warum solte man ihr aber nicht ans Leben kommen können? PRUDENTIO. Weil dem Verbrechen keine lebens straffe in unsern GesetzBuche verordnet worden. LARA. Ein Konig ist aber an kein Gesetz gebunden; PRUDENTIO. Ja / mein Herr! Nach dem das Gesetz ist. Wans der Konig selber gemacht und solches nach Belieben auffzu heben sich bedungen. So ferne es aber ein allgemeines Gesetz ist / und seinen Ursprung aus den gottlichen Geboten erkennet / ist er allerdinges daran gebunden / wie weit er auch zu herschen habe. LARA. Das ist ein Elend Ding / Konig seyn / und sich dennoch von Satzungen vorschreiben lassen. PRUDENTIO. Die Gerechtigkeit muß durch gewisse Reguln erhalten werden. Und hingegen / ist der kein Konig der nicht Gerechtigkeit liebet. ( 1 1 » .

LARA. Dieselben Reguln seynd der Gelehrten überflussige Grillen / wodurch sie sich nur eine heimliche Gewalt über POTENTATEN vorbehalten. PRUDENTIO. Mein Herr! Wer den Grund einer Sache leugnet / mit dem ist übel zu DisPUTiren. Es scheinet als habe derselbe mehr Blatter in der K a r t e als in C O R P O R E J U R I S

umgewendet.

LARA. Ach eur CORPORE JURIS ich habe mein tage kein unnothiger Buch als dieses gesehen. PRUDENTIO. Das höre ich aus des Herrn seiner Wortverfügung wohl aus welcher ich auch unsern DISCURS unnothig achte.

58

Johannes

Riemer

LARA. WOZU ist auch diese Quakeley nütze. Wir CAVALLIERS führen unser CORPORE JURIS an der Seite / daraus w i r unsere PROCESSE in der halben

Stunden ausführen können. PRUDENTIO . Dieses ist verbotene Rache / welche die Gotter erzürnet und den Konig verunehret. LARA. Den Konig verunehret. Wie? Herr Cantzler / wie entfuhren einem gelehrten Manne diese worte? {116) PRUDENTIO. Weil solche ihm von einen ungelehrten abgenothiget wurden. LARA. Wodurch wird der ESTAT eines Koniges mehr erhalten / als durch den Degen? PRUDENTIO . Wann die Einbildung was zur Sache thate / so hatte der Herr war und wol geredet. LARA. Ists aber nicht wahr? P R U D E N T I O . E r f r a g e d e n R o m i s c h e n SYNDICUS d e n

CICERO.

LARA. J e der Blackscheisser / solte der einen CAVALLIER lernen den Degen führen. PRUDENTIO. Ich habe ihn als einen Redner und Gelehrten Mann / nicht aber als einen Feder=Fechter angegeben. Denn dazu ware er viel zu kostbar. LARA. Er muß aber doch sagen / daß die Waffen vor die Ruhe des Vaterlandes am meisten thun. PRUDENTIO. J a ! in Nothfall / und wann Sie zuvor durch reiffes über legen und wohlbedachtigen Rath der Gelehrten angewiesen seyn. (117) LARA. Ey ey ey der Griechische MONARCHE hat ohne Geheimbden Rath das streitbare INDIEN bezwungen. PRUDENTIO. J a wohl! Der war selbstgelehrt und hatte durch' Erfahrung so viel erlernet / daß er keines Raths bedurffte. Wie wohl er gleichfals bißweilen einen Hoffmeister über seine Begierden von nothen gehabt hatte. Vielleicht ware die Mord Faust nicht über seinen besten Freund CLITUS ihm zur ewigen Nachschande gerathen. LARA. Da taht er gar recht dran. PRUDENTIO. Nach eurer Verwegenen Vernunfft LARA. Das Gewehr will frey geführet / und nicht biß zu der Gelehrten Erkantnis in der Scheiden behalten oder entblosset werden. PRUDENTIO. Das beste Pferd wird in seiner Freyheit keine gute Schule machen / wann es nicht durch einen klugen Reuter regieret wird. LARA. Das ist ein unvernünfftig Thier. (118) PRUDENTIO. Ein Soldat weiß gleichwohl nicht allezeit / ob seine Waffen zu Schutz und Ruhe / oder aber zu muthwilliger Beleidigung angeführet und gebrauchet werden. LARA. Wann er nur seinen Feind über windet und den Widersacher trifft. PRUDENTIO. So ist er blind und nicht tapffer zunennen.

Glücklicher Bastard, 3. Handlung

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LARA. Wann Er nur seines Herren Feinde fürchtend macht. Diese Hoffnung hat der Feind auch. LARA. Ey was frag ich darnach. Wer sich nur mit Gelehrten einlast. Es bleibt doch dabey daß ein Soldat einen Herrn mehr nutzt als ein Gelehrter. P R U D E N T I O . Dazu der Estat des Koniges selbst nein saget. LARA. Gleich wohl ist der Krieg das erste Mittel zur Befreyung / wann ein Herr beleidiget wird. P R U D E N T I O . Nimmermehr. Denn welcher Konig wird so Vaterlose an seinen Vnterthanen handeln / daß er dessel-(/79)ben Wohlfahrt alsobald auff die Spitze des Degens setzen solte. Der Streit ist wohl gewiß / aber der Sieg zweiffelhafftig / solange das Glück zu Freund und Feind sich neigen kann. Die Waffen seynd das euserste Mittel voller Gefahr /mit welchen wann sie Vnglücklich / das gantze Reich zugleich unter gehen kann. Da hingegen tausenderley Vernünfftige Anschlage der Gelehrten / dienliche und der R E P U B L I C , ZU tragliche Mittel zu erfinden wissen / wie dem Vorfallenden Vnheil ab geholffen / und Land und Leute in ihrer Ruhe gehalten werden. Welches lange nicht so besorglich als der Gebrauch des Degens. Kein Patient / wird sich Hand oder Fuß ab losen lassen / so lange er heilsame Artzney zu hoffen / womit der eingefressene Schade kann ausgeheilet werden. Welcher Spieler wird alle sein Vermögen auff den Stich oder das letzte Auge bieten? Vnd welcher Konig wird die Erhaltung seines Reichs von hinden das ist mit Kriege anfangen? Waffen schützen das Reich {120) bey vorfallender höchster Noth / aber doch seynd Sie ein Werckzeig der Feder / als welche den ESTAT gründen und Tag und Nacht / auch mitten in Friede verwalten muß.

PRUDENTIO.

5. Aufftritt. PAGE.

Geschwind

ein.

Ihre Majest. befehlen seiner EXCELLENS durch mich / ohne Verzug in dem Geheimbden Rath zu erscheinen / ihre Maj estat werden der SESSION selbst beywohnen. P R U D E N T I O . Vermeldet ihrer Majestät meinen Unterthanigsten Gehorsam: Und was sie befohlen / soll zur Stunde beobachtet werden. P A G E . Ich vermelde es also. Gehet ab. P R U D E N T I O . Mein Herr / dieses mahl kan ich ihm nicht langer bey wohnen biß zu anderer Gelegenheit.

PAGE.

60

Johannes

Riemer

LARA. Wohl wohl! Mein Herr Cantzler. Er hat mir etwas {zu) hoch ge{121)redet. Auff dem nechsten Panquet / will ich ihn mit einen praffen grossen Glase antworten. P R U D E N T I O . Wohl wohl! LARA. Sein Diener. 6. Aufftrit.

Der innerne Vorhang eröffnet die Geheimde

Cantzeley.

KOENIG. Wir müssen erst unsern Reichs Cantzler darüber vornehmen. Waß mus ihn auffhalten / daß er nicht alsobald erscheinet. N U N N I U S . Gleich ietzo komt er. P R U D E N T I O . Lange Leben Ew. Majest. Glück meinen Gnadigen und hoch geehrten Herrn. KONIG. Wir dancken und heissen euch an unsere Seite setzen. P R U D E N T I O . Auff Befehl Ihr. M. geniesse ich diese Gnade. Doch mit gnadiger Genemhaltung Fürst SIVARINO, dem ich sonst ausser diesen Orthe die Oberstelle gar gerne einräume. {122) KONIG. Setzt euch / wir wollen es so haben und unsern Cantzler geehret wissen. Es wird euch unser vaterliches Hertzleid bekand seyn. Wie nemlich wir an unserer übelgerathenen Tochter eine weltschreyende Schande leyder den Himmel erbarme es / erleben müssen. Gleich wie wir nun allezeit unser Leben und Regierung so geführet / daß uns auch kein Feind eingerley Unrecht mit Warheit wird zeihen können; Also seynd wir schuldig und Vorhabens / diese zugefügte Schmach an denen beschuldigten auffs grausamste an Leben zu rachnen / unangesehen daß unsere eigene Tochter vornehmlich solch Urtheil über sich muß ergehen lassen. Was dünckt euch von der gantzen Sache? P R U D E N T I O . Gn. Konig Sie deßwegen am Leben zubestraffen / ist kein Gesetz / weder in denen allgemeinen / noch in unsern absonderlichen Reichs Gesetzen zufinden. KONIG. Aber hat ein Konig nicht Macht zu thun was er will? P R U D E N T I O . Bey solchen Fallen wohl Gnade zu erweisen / aber die Straffe über die Maß der Gesetze nicht zuscharffen. {123) KONIG. Seynd wir dieses nicht befugt / so komt uns doch als Vater das Recht zu über unsers Kindes Todt und Leben nach Gefallen zu handeln. P R U D E N T I O . Nein / Gnadigster Konig. Dieses Recht gilt nur noch bey denen Barbern / nicht mehr aber bey denen durch die Gotter erleuchtete Menschen. K Ö N I G . Wer gab denn dem A M U L I U S die Macht mit seines Brüdern Tochter R H E A SYLVIA so zu gebahren?

Glücklicher

Bastard,

3.

Handlung

61

Die nam er sich selbst als ein Tyranne und wurd darum von der gantzen Welt gehasset. KONIG. Unter des hat er gerecht gehandelt. P R U D E N T I O . Ja wann ers auß Liebe zur Gerechtigkeit und nicht aus Begierde / seines Brüdern Reich zu erwerben / gethan hatte. K O N I G . E S scheinet aber / als ware es auß Rache gegen den zugezogenen Schimpf geschehen! Die weil er sie schwanger ins Gefängnis legen lassen. PRUDENTIO.

AUS Furcht geschähe es: Denn er gedachte es mochte die Frucht / womit R H E A SYLVIA schwanger gieng / als ein rechtmassiger Erbe seines großvaterlichen Reichs / ihm sein Absehen zu nichte machen.

PRUDENTIO.

werden wir ja mit dem N I N N U S gleiche Gewalt haben? Hat doch dieser seine Tochter nicht einmal zur Rede darum gesetzt; Sondern nur den Enckel durch einen / seinen vertrauten Diener / weglegen lassen. Bloß / wegen der Sorge! Eß mochte das Kind / welches sehr holdselig anzusehen war / bey wachsenden Alter /der Unterthanen Liebe an sich ziehen und ihm / dem Vater die Crone entwenden.

K O N I G . SO

PRUDENTIO.

KONIG. Wer weiß was uns wieder fahren wäre / wann unser Hertzfressender Wurm / den T A R P E J A gebohren / nicht auff geraumet wäre. P R U D E N T I O . Ist Er denn gestorben. KONIG. Nach dem wir ihn ins Meer werffen lassen. P R U D E N T I O . Der Himmel wende von Ew. Majest. die verdiente Straffe! (125) KONIG. Habe ich denn daran gesundiget? P R U D E N T I O . Mehr als T A R P E J A selbst. KONIG. Und warum dieses? P R U D E N T I O . Denn diese hat nur wieder das Gebot der Keuschheit / Ew. Majest. aber wieder beyderley Recht / und über dieses wieder das Gewissen der Natur schwerlich gehandelt. KÖNIG. Diese Sünde stehet wol zu vergeben. P R U D E N T I O . Wann es die Priesterschafft gestehet / kann ich nicht wiedersprechen. K O N I G . E S bleibt darbey / sie mus sterben. P R U D E N T I O . E W . Maj. lassen sich den Zorn nicht über eilen /sondern bedencken wohl / was sie vorhaben. KÖNIG. Dieses haben wir von der Stunde ihrer Geburth an beschlossen / und diesen Vorsatz soll uns kein Mensch / kein Gott / kein Hencker nichts als der Todt andern. {126) Auff stehende. Ich bitte unterthanigst /Ew. Maj. wollen diesen Orth der Heiligen Gerechtigkeit mit dergleichen Lasterungen nicht entheiligen. Wollen Sie das Recht nicht annehmen / so lassen sie sich von

PRUDENTIO.

5

Riemer II

62

Johannes

Riemer

Barmhertzigkeit überwinden. Sie erwegen doch / daß TARPEJA ihr Kind / und aus Ew. Maj. Blute gezeiget ist. KONIG. Ha! Dieses ist viel zu schwach uns von unsern Vorhaben abzuhalten. Denn wir versichern euch / daß / woferne dieser Fuß / diese Hand / dieses Auge oder diese Zunge ohne Willen Unserer unbefleckten Seele sündigen würde / keines von diesen Gliedmassen / uns so lieb seyn solte / daß wir solches nicht ohne Empfindlichkeit von unsern eigenen Leibe wolten schneiden lassen. PRUDENTIO. SO lassen sich Ew. M. doch dieses zu Hertzen gehen / daß TARPEJA Ew. Maj. einiges Kind und Erb Princessin des gantzen Reichs ist. Wollen Sie denn lieber lachenden Erben / die ietzo vielleicht ihre Feinde seyn / als eigenem Fleisch {127) und Blute nach dem Todte ihren Thron verstatten. KONIG. Lieber wolte ich alleine meine PROvracien den Barbarischen AFFRicAnern zur Erbschafft setzen / als eine Hure /meinem gantzen Volck ein Aergernis zur Regentin hinterlassen. PRUDENTIO. So bitte ich Ew. Maj. um dero verstorbene Gemahlin Willen / Preißwürdigstes Andenckens / als Mutter der elenden TARPEJA, ihr das Leben zuschencken / in Betrachtung der Liebe / und Treue welche Sie / bey ihren rühmlichen Leben in der Empfängnis dieser ihrer hinterlassenen Tochter / Ew. Majestät erwiesen. KONIG. Und wann Sie selbst wieder auff erstünde / oder iehren Geist beorderte / entweder vor mir Tag und Nacht auf den Knien zu liegen und mich um Barmhertzigkeit zu bitten / oder mit tausend Hollischen Geistern mich aus einen Winckel in den andern zu ver folgen / so bleibe ich doch unüberwindlich und unveränderlich in meinen Vorhaben. (128) PRUDENTIO. Nun so will ich Ew. Majestat zu letzt noch auff den theuren Eyd führen / welchen Sie vor Ihrer Cronung in Gegenwarth so vieler Tausend Vnterthanen unter freyen Himmel auff die FUNDAMENTAL Gesetze geschworen / daß sie nichts / was wieder Gerechtigkeit lauffen würde / vornehmen wolten. KONIG. Dieses hoffen wir gegen Himmel und Erden zuverantworten. PRUDENTIO verschonet uns mit fernem Einwürffen. PRUDENTIO. Gar gerne Gn. Konig! Woferne Ew. Majestat mich nur dieses Vrthelspruches überheben. KONIG. NU nun / seyd ruhig. Das soll euch wieder fahren. PRUDENTIO. Auch itzo gnadigster Vrlaub. KONIG. Nein. Diesen kont ihr noch nicht haben die weil ihr bey uns zur Taffei bleiben sollet. Ehe wir aber dahin gelangen / müssen wir unsere Gelübte erfüllen; In dem wir keinen Bissen Brodt zu kosten gesonnen seyn / bevor wir den Ehren Dieb / der unser Tochter geschwachet (129)

Glucklicher Bastard, 3. Handlung

63

erfahren. SIVARINO wie so stille und so blaß? und zittert. Last doch eure große Vernunfft in dieser schweren Sache auch etwas mitwurcken. SIVARINO. Ich kann nicht leugnen daß ich zittere und erblasse / wann ich meines Kindes (Verspricht sich / weinende) meines Koniges Elend höre. K O N I G . Weinende. Ach treuster Fürst / helffte meines Hertzens / Auge meines Hofes / Troster in meinen Unglück. Eure Treue fordert meine heisse Threnen auff diese Wangen. P R U D E N T I O . Wie wollen es aber Ew. Majestät anfangen den Thater zu erfahren? K O N I G . Dieses ist euren Ambte gemäß P R U D E N T I O ! Wir wollen das Ungerath ene Kind vor uns bringen lassen. Die solt ihr in unserer Gegenwart mit Betrohung der Peinligkeit befragen / und sie anhalten den Gehülffen ihrer Boßheit zu nennen. P R U D E N T I O . Nach Ew. Maj. gnadigsten Befehl. {130)

7. Aufftrit. HAUBTMAN, K O N I G ,

der Staat.

Haubtman! Geschwind / führet unsere Gefangene T A R P E J A zwischen bewehrte hieher vor uns / und erwartet als denn ferners Befehls. H A U B T M A N . Dieses verrichte ich auffs schieinigste. Gehet ab. K O N I G . P R U D E N T I O , ihr werdet eures richterlichen Ambts wohl war nehmen / und Sie / nicht als ein königliches Fraulein sondern / wie man bey Gerichtsfalligen Leuten zu thun pfleget / sie mit du und harten T I T U L anreden. P R U D E N T I O . Gnadigster Konig! Ich bitte nur dieses mir zu verzeihen / wann ich meine gewohnliche Unterthanigste Ehrerbietung / gegen Fr. T A R P E J A , nicht so plötzlich ablegen / und Ew. Maj. so strengen Befehl in diesen Stücke nachleben kann. KONIG. Wann ichs aber so haben will. P R U D E N T I O . Ey Gnadigster Konig. {131) KONIG. Vollbringet was wir euch befehlen. P R U D E N T I O . Ich bitte gnadigster Konig. K O N I G . P R U D E N T I O , waren wir eurer Tugend und Geschickligkeit nicht so hoch benothiget. Ja hatte Eur Verdienst euch unsere Gnade und Liebe nicht so gar fest gemacht. Wir würden euch dieses Wiedersprechen nicht so zu gute gehalten haben. Pfu dich! Da ist der Anblick / redet wie ich befohlen. KOENIG.

64

Johannes

Riemer

8. Aufftritt. TARPEJA

mit Wache und dem HAUPTMAN, geschlossen. K O N I G , und der Staat.

TARPEJA. AD SPECTATORES. Zehlt den niemand mein Vnglück? Oder ist keine Feder in der Welt die meinen Jammer beschreiben / und der Nachwelt zur Verwunderung einverleiben konte: Denn wer hat wohl iemals gehöret / daß eine eintzige Tochter / eines so grossen MONARCHEN, {132) gebunden vor gerichte geführet / und ihren künfftigen D i e n e r / zur Gerichtlichen Frage vorgestellet worden. Es scheint als habe PANDORA ihre Büchse gantz voll auff einmahl über mich ausgeschüttet. 0 = LUCINA, deine Gnade ist Mir unangenehm. Du hatttest mich aus diesen Elende retten können / wann du mich nur in der Geburth hattest sterben / und um kommen lassen. Aber das Klagen ist zu spat / und die Reue findet keine Hülffe. Kniend. Konigl. Herr und Vater / vermögen dann diese kindliche Thranen euch nicht zur Verzeihung bewegen? KONIG. Nicht zur Linderung der Straffe / ich geschweige zur gantzlichen Verzeyhung. TARPEJA. SO ist mir dann alle Hülffe abgeschnitten. KONIG. J a / j a / ja.

TARPEJA. Vnd ich habe mich der allergeringsten Gnade nicht zu getrosten. KONIG. Nichts nichts / nichts. TARPEJA. SO wird der Himmel Mitleiden / und Trost mir in meine betrüb{133)te Seele güssen. Vnd so verlange ich auch nun ferner keine menschliche Gnade mehr. Derhalben vollziehet mein Vrtheil nur bald / die weil ich mich vor keinerley Art des Todes entsetze. KONIG. Dieses kanstu Corinthische LAIS nicht eher erlangen / bist du deinen leichtfertigen Mitbuhler angesaget / damit du dessen Gesellschafft auch in der verdienten Straffe geniessen mögest. TARPEJA. Den weiß der Himmel allein / und kein Mensch. KONIG. Ha! Den wollen wir schon erfahren wann du deine unleidliche Gliedmassen dem Hencker darstrecken must. TARPEJA. Vnd wann ihr den PLUTO selbst aus der Holle zum Peiniger beruffet / mich mit unaußdencklicher Marter zu quälen / so werdet ihr dennoch nichts erfahren können / dieweil dis / wornach ihr fraget / in meinen Gewissen nicht lieget / dieses aber kann ich nicht leugnen / daß mir über dem Opffer / in des MARTIS Tempel / eine gantz Sinn lose Ohnmacht / durch ein Blitz geschwindes Feuer zugestossen; Daß ich {134) halb vor Todt aus dem Tempel bin getragen worden. KONIG. So wilstu uns auch noch über die Schande vor deinen Todte belügen.

Glucklicher Bastard, 3. Handlung

65

Vnd wie belugen? Weil du leugnest. Da doch M O N C A D O kurtz zuvor an der Stelle gestanden und eurer beyderley Sünde nach allen Vmstanden gutwillig bekennet.

TARPEJA. KONIG.

TARPEJA. KONIG. J a

MONCADO? MONCADO.

Der hat aus Furcht / oder Vnsinnigkeit also geredet. K O N I G . So wilt du es nicht bekennen. T A R P E J A . Der gerechte Himmel thue ein Zeichen an mir / allen Meineydigen und verstockten zum Beyspiel / wo ich das geringste davon weiß. Man stelle mir denselben vor Augen und zur Antwort. K O N I G . Führet sie wieder hin in ihr Behältnis / und bindet Sie noch fester. Du aber verstockte S E M P R O N I A , bereite dich zu deinen Todte / denn du solst die Sonne nur noch einmahl sehen untergehen. {135) TARPEJA.

TARPEJA.

Soll ich diese Sonne sehen Nur noch einmahl untergehen Ey so hat es keine Noth Denn ich scheue nicht den Todt. Gehet ab. K O N I G . Was nun zu thun P R U D E N T I O ? P R U D E N T I O . Ich erstarre über ihrer Aussage. Es konte M A R S wohl selbst diese irrdische V E N U S bedienet haben. K O N I G . Vnsterbliche Gotter vermischen sich nicht mit sterblichen Menschen. P R U D E N T I O . Aber doch kam die Gottin TEGERIA alle Nacht an den C U R T I schen Brunnen / alda des N U M A Liebe zu gemessen. K O N I G . N U M A war ein Ehrsichtiger Kerl / der lieber selbst gottlich wolte angebetet seyn! drum erdichtete er diese Lügen / und gab vor als wann er alle seine Gesetze von dieser Gottin bekahme / da er doch selbst der Erfinder war. Nur daß Er den Pobel unter der Gotter Furcht zu bessern Gehorsam erhalten kunte. (136) P R U D E N T I O . Ich lasse diesse Geschichte in ihren werth / und wende mich zu vorigen Gedancken. K O N I G . Wie meinet ihr aber / mit was vor einen Todte soll ich sie belegen? P R U D E N T I O . Wie mit keinen. K O N I G . Sie muß sterben / und solte ich die gantze Welt darüber rege machen. Ich will ihr im Gefangniß das Haubt von denen Schuldern schneiden lassen. P R U D E N T I O . E S ist unrecht. N U N N I U S . Und der Todt zu schimpflich. K O N I G . SO will ich sie in ein Kloster lebendig vermauren lassen.

66

Johannes

CALATRAFA.

lung.

Riemer

Das ware viel zu grausam / und eine Ursache zur Verzweif-

will ich sie lassen auf ein Wildes Thier schmieden / und in die Wildnis jagen. P R U D E N T I O . Wer will Ew. Majestat in solchen Unmenschlichkeiten Beyfall geben. L A R A . SO ists dann blosser Dinge unmöglich / Gnadigster konig / daß T A R PE-(/37}JA das Leben zum Geschenck davon tragen kann! KONIG. Was fragt ihr darnach. LARA. Gnadigster Konig. Ich bitte Euer Majest. wolle mir diese kühnliche Frage verzeyhen / Ich wolte auch meine geringe Meinung dazu legen. KONIG. Welche war es dann / last uns dieselbe wissen. L A R A . Weil Ew. Majest. einmal feste beschlossen haben / T A R P E J A mit dem Leben nicht davon zulassen / auff seiten aber Ew. Maj. ohne Blutschuld es nicht ablauffen würde / wann sie dieselbige gewaltthatiger Weise hinrichten Hessen / zumal über dero Schuld und Vnschuld noch nichts ausgeführet worden. So würde nicht verwerfflich seyn / ein solches Mittel auszusinnen / wodurch T A R P E J A zwar entlich wohl ihr Leben beschlüssen müste / ihr Todt aber wire keines weges als denn Ew. Majestat / sondern ihren eigenen Glück und Vnglück zu zu schreiben welches sie nach Befindnis so dann wohl richten wird. KONIG. Das ware ein gutes Mittel / wann es nur auch werckrichtig ware. (138) L A R A . E S ist so leicht zu thun / als zu sagen. KONIG. Wir seynd begierig es zuhören. L A R A . E W . Maj. setzen die Gefangene auff ein klein fahrSchif und befehlen solches auff die Hohe der See zu bringen / und allda zu verlassen. Ist sie unschuldig / so wird sie der Himmel erhalten. Ist sie aber schuldig / so wird sie dieser ungestrafft nicht davon lassen. Denn er hasset unreine Seelen. K O N I G . LARA ihr habt die Tieffe eurer Vernunfft uns über Verhoffen eröffnet. Wir versichern euch davon aller Gnade so Eur Verlangen uns abfordern kann. Wes Sinnes seyd ihr dabey P R U D E N T I O . P R U D E N T I O . Gnadigster konig / es ist zwar auch zwischen dieser Straffe und dem Verbrechen kein Gleichnis / aber doch unter allen geschehenen Vorschlagen / komt dieser der Gelindigkeit am nächsten. K O N I G . Wolan dann / N U N N I U S , gebt also bald den Befehl / daß ihr kleines Schiff / das Roßgen genant / worauff sie sich sonst (139) belustiget / unverzüglich zugerichtet / doch aber ohne Seegel und Mast auff die See gebracht werde. N U N N I U S . E W . Maj. zu gehorsamster Folge / gehe ich eilend dieses zu verrichten. Gehet ab. K O N I G . SO

Glucklicher Bastard, 3. Handlung

67

wir bestätigen euch hiermit zum A D M I R A L über diese geheimbde Schiffs=Flotte. Befehlet indes unser grosses Schiff den AGAMEMNON Seegel fertig zu machen. Der Haubtman mit fünhundert außerlesene Mann soll euch begleiten. Nehmet als denn die gefangene / setzt sie in das Schiff so euch N U N N I U S zeigen wird und führet sie auf die Hohe des Meers / alwo Ihr sie als denn verlassen / und wieder zurücke kommen sollet. SIVARINO. Gnadigster konig! KONIG. Wieder sprecht uns in nichts / bey Verlust aller Gnade. SIVARINO. Nur etwas zu gedencken so zur Sache dienlich ist. KONIG. Was ists dann? SIVARINO. Meiner unvorgreiflichen Meinung scheinet nicht rathsam / einen so star-(140)cken C O M I T A T und dieses kostbare Schiff mit zu nemen / die weil die Mohren allernechst hirum ja heinte diese Nacht biß an unsern hafen gecreutzet. Lieber wolte ich zu Fusse hinaus gehen / und Sie mit anstandiger M A N I E R von Lande stossen lassen. KONIG. So thut dann wie es euch gefallet / wir erwarten mit Verlangen eurer Rückkunfft. SIVARINO. Vnd ich mit unaußsprechlicher Angst meine Verrichtung. Gehet ab. K O N I G . Was sollen wir aber nun mit M O N C A D O thun? P R U D E N T I O . Ihn loß lassen. KONIG. Warum loß lassen? P R U D E N T I O . Man hat ja nichts auff ihn bringen können. KONIG. Waß dann mit der Hoffmeisterin? P R U D E N T I O . Die hat gantz keine Schuld es sey auch zu gegangen wie es wolle. Darff doch kein Vater vor seinen Sohn / weniger B E R E N I C E , vor ihre untergebene stehen. (141) K Ö N I G . Was denn letztlichen mit O A der T A R P E J A Narren. Denn dieser hat Brieffe getragen? P R U D E N T I O . Den hat seine Einfalt schon loßgesprochen. K O N I G . Nun diesen will ich endlich loß geben / aber B E R E N I C E und M O N CADO sollen in ewigen Gefängnis bleiben. P R U D E N T I O . Wieder Ew. Maj. blosse Gewalt kann ich von Rechts wegen nichts mehr einwenden: Denn gleich wie die Gerechtigkeit in ansehen der Person blind und taub: Also ist Sie gegen die Tyranney stum. Ich indes suche Ew. Majest. unterthanigst um Urlaub an. KÖNIG. Ihr solt bey der Taffei bleiben. P R U D E N T I O . Ich bedaure / Gn. konig / daß ich vor dieses mahl der Gnade nicht kann fähig werden / in dem mich meine unumgängliche Verrichtung und ein unvermutheter Haubtschmertz nach Hause notigen. K Ö N I G . SO werdet ihr euch morgen doch bey Hoffe sehen lassen. (142) K O N I G . SIVARINO

68

Johannes

Riemer

Meiner Pflicht nach / und so viel das Verhängnis der Gotter zulassen wird. A D S P E C T A T O R E S . Es last sich mit Tyrannen nicht wohl Brot essen. Gehet ab. K O N I G . LARA und CALATRAFA folget uns zur Taffei ihr aber solt zuvor Befehl ertheilen / daß OA aus den Banden gelassen und fest eingebunden werde daß er also bald aus unsern Grantzen / und also seinen gedroheten Tode entgehe. CALATRAFA. Wir folgen Ew. Maj. in allen.

PRUDENTIO.

9. Aufftritt. Der Schauplatz

begreifft

eine lebende

SIVARINO und

See / und schwebendes

Schiff.

TARPEJA.

SIVARINO.

H i e r ist der Port.

TARPEJA.

Der gantz verhaste Ort Der mir den Weg zum Todte bahnet.

(143)

SIVARINO.

Der alle Grausamkeit von meiner Schuld entlehnet. Ach! war doch dieser Dienst mir nimmer auff getragen! Ach! Oder dorffte ich nur die Erofnung wagen. TARPEJA.

Nun was vorzieht ihr viel / Und hindert mich an meinen Ziel? Weinende.

SIVARINO.

Ich bin betrübt.

TARPEJA.

Wie auch in Unglücksfallen nicht geübt / Und dennoch Fürstlich von Geblüte. SIVARINO.

Bestürtz ist mein Gemüthe.

TARPEJA.

Was hindert euch mein Todt und Leben?

Glucklicher

Bastard,

3.

69

Handlung

SLVARINO.

AD SPECTATORES. D e m L e b e n

Hab ich den Rest gegeben Durch unbedachte List. (144) TARPEJA.

Wer nicht vor seine Sünde bust. Stürbt gern und ungekranckt. SLVARINO.

Wann aber mein Gewissen daran denckt So mochte sich der Leib in diesen Abgrund stürtzen / Nur sich das Leben selber zuverkürtzen. TARPEJA.

Ich folge gerne Auch diesen unglücks=Sterne Und leide was ich soll; O b ichs gleich nicht verdienet.

SlVARINO. Ach weh! Ach! Ach; mein Boßheit ist zu arg. TARPEJA.

Ist dis der Sarck? Der mich soll bringen In meines Sohnes Grab TARPEJA

steigt ins Schiff.

Wolan Stoß ab. Die Nymphen mögen mir mein Grab=Lied singen.

Bey der Abfarth wird ein LAMENTE PIANO gespielet / unter welchem SIVARINO ihr nach rufft: SlVARINO. S O fare dann in deiner Unschuld hin / Das Glück begleite dich in solcher Noth. Ich selber fühle deinen Todt. Ach weh! Ach weh TARPEJA! I c h vergeh.

Dein Unglück zwar ist baldt nun über standen / Meins aber hält mich noch in festen Banden. Die Straffe meiner List ist immerdar vorhanden. Du fahrest fort ich bleibe hier Mit selbst zur Qual / ach wehe mir!

(145)

Johannes

Zwey

Riemer

welche aus der See auff springen singen nachfolgendtes Lied.

SYRENEN

1. O b gleich unsre WasserFeste Weiter als die Erde ist; (146) Dennoch ist der Menschen List Auff der gantzen Welt das groste / Das mit bösen Gifft anzündet Und die starcksten über windet. 2. Zwar das Blut und die Begierde So von keuscher Hitze brennt / Offte ins Verderben rennt Wan ein ungefärbte Zierde / Ihren klebe fürnis zeiget Und die Strahlen abwerts neiget. 3. Doch elender seynd die Falle / Wann ein Hertz Zucht angezogen / Aber dennoch wird betrogen / Und gesturtzet in die Holle. Daß es wieder Willen handelt Und in schnöder Unzucht wandelt. 4. Ist ADONIS n i c h t g e s t o r b e n /

Durch des wilden Ebers Macht Da er geile List erdacht? Traun er ist darin verdorben / Daß er auch durch die Geberden nicht hat können gottlich werden. 5. N u n TARPEJA l a ß die T h r a n e n

Nicht so stromig flössen loß In den hochbekranckten Schos Wir / wir wollen dein Erwähnen B e y NEPTUN u n d dessen

Orden

Daß du bist betrogen worden.

(147)

Glucklicher Bastard, 4. Handlung

71

6.

iiioLUS hat seinen Winden Eine Stille aufferlegt / Biß das Meer dich nicht mehr tragt. D u wirst einen Hafen finden. Ja auch auff der PERSER Erden Konigin und Mutter werden. OA. Folget auch auff einen Schiffe seinen Fräulein nach: Mit großen Geschrey: TRARERE TRARRERE ! Der Konig hat befohlen / ich soll ihm aus dem Lande gehen. Da muste ich wol ein Schelm seyn / wan ich hinaus gienge / es stehet ja REPUTiRÜcher / wan ich fahre. Gute Nacht. O h o ! Halt / halt Steyrman! TARPEJA, ich ersauffe. A c h wer zu hause wäre.

(148)

Actus IV. 1. A u f f t r i t t .

Der Schauplatz verwandelt sich in einen Wald / TYGRAN Konig in Persien / LEUCOR des Koniges Bruder / SORIAN, der Jäger Meister auf der Jagt. TYGRAN . Dieser Streiff Herr Bruder / war zu scharff. LEUCOR. Und auff meiner Seiten sehr gefahrlich. TYGRAN. Traun / wir befinden uns gantz krafftloß / und die Müdigkeit der Glieder gebietet uns in dieses Graß nieder zu setzen. LEUCOR. Ihr Geliebten folgen ihren Vorhaben. Dieweil sich die Pursche ohne dem verschlagen / derer wir hier wohl in Genießung der Ruhe erwarten können. TYGRAN. So setzen wier uns denn; D u aber / SORIAN, stoß scharff in das Horn / alle die unsrigen fein bald zu versamlen. SORIAN. Ich thue so / gnadigster Konig. Jedoch will ich mich etwas besser (149) auff die Hohe machen / damit das Gebüsche in diesem Grunde / den Schal des Hornes nicht dampffen möge. Gehet ab. LEUCOR. Mein gantzes Leben hieng itzo an einen Augenblicke. TYGRAN. Ja Gn. Herr Bruder! Wann ihr euch nicht durch den herunter hangenden Eich=Strauch errettet und in die Hohe gezogen hattet. LEUCOR. Das Schwein war zu groß / und das Gewehr zu abscheulich. TYGRAN. SO weiß der Himmel die Seinigen zu beschützen.

72

Johannes

Riemer

2. Aufftrit. HABIDES, TARPEJA

Sohn gantz wild / T Y G R A N , mit Fangeisen.

LEUCOR, SORIAN, NICIAS

SORIAN. Hulffe! Hülffe! Denn ich bin gantz ermüdet. TYGRAN. Was bedeutet dieses Schreyen. (150) LEUCOR. Was Anblick? Ein Wilden Menschen im Streit mit SORIAN. SORIAN. Wil mich niemand retten? Ich bin mat und vermag keine Gegenwehr. LEUCOR. Meine Faust soll euch bald erlosung geben. TYGRAN. Herr Bruder nehmet euch in acht. LEUCOR. Er sol sterben und wann er ein FAUNUS wahre. TYGRAN. Nicht so hitzig! Nicht zu hitzig! HABIDES

entspringet.

LEUCOR. Was vor ein Ungeheuer muß dieses seyn. SORIAN. Vielleicht ein wilder AFRICANER.

TYGRAN. Man hat ihm keine Rede noch Sprache angemercket. NICIAS. Gleichwohl hat er die Gestalt eines Menschen. TYGRAN. Wir verwundern uns über diesen Handel. NICIAS. Und ich entsetze mich vor solchen Abscheu. (151) LEUCOR. J e daß wir nicht das MONSTRUM verfolget haben. SORIAN. Wan es aber von seines gleichen Beystand erlanget / waren wir alle verlohren gewesen. LEUCOR. SORIAN. Ihr seyd sehr furchtsam / wie stellet ihr euch denn / wann ihr sollet einen Beeren fangen. SORIAN. Ha! Den hab ich wohl eher gefangen mit schlechter Mühe / dieweil mir desselben Natur auffs genaueste bekand. Alleine sich an ein unbekandes MONSTRUM wagen / von dem man gantz keine Nachricht hat / achte ich vor einen unbedachtsamen Frevel. LEUCOR. Ich aber bin dieser Meinung gar nicht. Gefalts ihr Geliebten meinen Konigl. Herrn Bruder / so wollen wier dieser Bestien nachsetzen / dieselbe lebendig oder Todt zufallen / und uns auch in diesen Stücke der Welt rühmlich machen. TYGRAN. Konige seynd keine Feinde der Großmüthigkeit. Wir wagen selbst eine Lust / und gehen mit dran / doch mus z u - ( 1 5 2 ) vor gute Ordnung gemacht werden; Wie wir diesen Thiere beykommen. Nichts konte uns mehr erfreuen / als wan wir über dasselbe lebendig Meister werden konten. Wolan NICIAS und SORIAN versorget euch mit Jagtstrücken. Wir und unser Bruder in Fall wir es auffstossen wollen von forne den Anfall thun. Ihr aber mögt von hinden vorsuchen / ob ihr ihm die Jagtstricke an den Halß werffen könnet. Und so können wir als denn diesen halb=Menschen lebendig in Verwahrung führen lassen.

Glücklicher

Bastard,

4.

Handlung

73

SORIAN. Dieses ist wohl ausgedacht / Gnadigster Konig und wird verhoffendlich wohl angehen. NICIAS. Freylich müssen wir beysammen bleiben und uns bey unser Leben nicht trennen. L E U C O R . N I C I A S will auch zittern. N I C I A S . Wann ich nur so glückselig zittere wie GARSIAS. TYGRAN. Hier ist kein Honischer Streit von nothen ein ieder nehme das seine in acht. Wir wollen anfangen zusuchen. (153) SORIAN. Gnadigster Konig. Wie wann Ew. Maj. Befehl gegen daß oben in der Hohe die Trompeten Lermen bliesen / vielleicht würde dieses unbekande Wild / durch das Gethone / eher auff gescheichet. TYGRAN. Wohl befehlet solches in unsern Nahmen. SORIAN. Wincket von weiten mit dem Hute. Schreyend. Hehe! blast Lermen. Sie trennen sich in Suchen von einander / L E U C O R trift das Wilde Mensch alleine an / welches Ihm das Fangeisen aus der Hand reist / ihn zu boten wirft und vermeinendlich ersticht. Dazu komt N I C I A S und SORIAN, die über der That dem H A B I D E S die Jagtstrucke an den Hals werffen und fangen. N I C I A S . O . Weh! Weh! L E U C O R wird getodtet! SORIAN. Laß uns in acht nehmen / wir müssen Ihn fangen. NICIAS. W e r bistu? HABIDES.

(154)

Schäumet und

schnaubet.

NICIAS. Wie nun zuthun SORIAN. Wir haben uns von der Hofstadt ver-

schlagen und schweben bey diesen Wildpret / in grosser lebens Gefahr. SORIAN. Schimpfflich aber und noch weit gefahrlicher ists / wann wir diese Bestie wieder entlassen solten. NICIAS. Wann wir nur wüsten wie es mit dem Konige stünde ob er in der Irre und Einsamkeit oder bey der Bestallung ware. SORIAN. Das Hertz sagt mir nichts guts. NICIAS. Der Himmel verhüte / daß er nicht zu gleich mit seinen Bruder Ungücklich gejaget hat. SORIAN. Eben dis macht mich klein müthig. NICIAS. Wie wollen wirs aber mit dem Toden Leichnam anfangen? Lassen wir denselben liegen so wird er von dem Wilde und Raubvögeln gefressen. Welches dem Konige / im Fall er noch lebet / ein (155) hertznagendes Elend ware. Gleichwohl aber seynd wir aller Mittel beraubt / den selben mit uns zuführen. SORIAN. Was werden wir aber endlich beschliessen. NICIAS. Höret / SORIAN. Solte dieser Ratschlag nicht düchtig seyn; Wann wir das unsinnige Wild hier an einem Baum anbinden / und den Fürstl. Leichnam so lange in die Erde verscharreten /biß wir uns endlich mit

74

Johannes

Riemer

dem Unhold aus dem Walde und wieder zu denen unserigen gefunden. Da als dann die Leiche mit starcker CONFOYIE zum Begrabniß unbeschadiget konte abgeholet werden. H A B I D E S lernet ihnen viel Worte nach sagen. SORIAN. Dieses traun! Ist ein hilffliches Erfinden wir wollen so thun / denn ie langer wier verziehen / ie grosser die Gefahr / welche die hereinbrechende Nacht uns noch schwerer machen kann. NICIAS. SO bindet ihr dann dort an. Ich will hier das meine versuchen. SORIAN. Der dapffere Printz / der niemals weder Klugheit der Menschen / noch {156) die Grausamkeit der Tüger und Leuen gescheuet / muß so plötzlich und unverhofft seinen Edlen Geist auffgeben. NICIAS. Wolte Er doch wohlgemeinten Rath nicht folgen / sondern unsre Vorsichtigkeit lieber mit furcht honen. SORIAN. Ach stille NICIAS. Todte muß man nicht in unzeitiges Gerichte ziehen. Last uns nur nach einen Pfal umsehen / damit wir dem entseelten Fürsten ein zweytagiges Grab zubereiten können. NICIAS. W a s ist dieses?

SORIAN. Ein Eingang zu einer Hole. NICIAS. Da vielleicht Rauber und Morder drinnen wohnen. Doch nein. Es ist ein gegrabener Kasten / da nichts als etzliche Toden Kopfe drinnen liegen. SORIAN. Wie wann wir unsern ermordeten Printz darinnen verwahreten / dann es wird demselben die Gesellschafft der Toden=Knochen nicht entgegen seyn. NICIAS. SO wollen wir nur Hand anlegen und ihn in diese Grufft befordern. SORIAN. Das Gluck ist uns recht gütig zu diesen Begräbnis /und die Natur {157) hat gleichsam den Sarg selber dazu fertig gemachet. NICIAS. Der Himmel beut seine Hand auch in Unglücke. SORIAN. Der Leib des Printzen ist noch gantz warm. Wann er etwan noch zu sich käme. NICIAS. Vergebliche Sorge! Ein Leib ohne Blut kan nicht wieder auffleben. Viel weniger in so kurtzer Zeit erkalten. SORIAN. Wer muß wohl dieses Behältnis hieher gesetzet haben? NICIAS. Das ist dem Himmel bekand und diesem sprachlosen Orthe. SORIAN. Nun wollen wir die Küste wieder zudecken und unsern Weg suchen. NICIAS. Sonst haben wir nichts mehr übrig. SORIAN. Ruhe sanfft / wackerer Printz / der du armseeliger als ein Rauber bist beygesetzet wordenn. Begnadiget uns das Glück / daß wir freudig bey denen unsrigen wieder einkommen. So soll ein prachtiges Grabmal deinen herlichen Leichnam in der MINERVA Tempel verwahren. {158)

Glücklicher Bastard, 4. Handlung

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wollen wir denn eilen / und einen Weg suchen / damit wir die jammerliche Post bald nach Hofe bringen / und die Leiche zum Begräbnis abholen können. SORIAN. Das menschliche Wild aber wird uns Muhe genung machen. NICIAS. Wann wir es nur endlich an Stricken durch den Wald bringen. GeN I C I A S . SO

hen ab. 3. Aufftrit. STICH

und

SCHLAG

zwene Puschklopper steigen von einen Baume. LEUCOR.

SCHLAG. Bruder STICH, waß meinstu / hatten wir unsere perst Rohre bey uns gehabt / diese beyde hatten uns nicht entkommen sollen. S T I C H . Nein Bruder die C O M P A G N I E ist uns zu starck. Es war ja die gantze Hofstatt beysammen. Wo wir einen Schoß gethan hatten / so ware es um uns geschehen gewesen / es ist so besser. Nun komm / laß uns über den Todten Fürsten (159) machen; Er hat einen stadlichen Ring an Finger stecken. Wie werden wir uns darum vertragen. SCHLAG. Daß Glück muste sie eben uns zum Besten / über unsern Raubkasten führen / damit uns die Beute ja desto gewisser war. STICH. Wir wollen ihm nichts / als Kleider und was er bey sich hat nehmen / den nackenden Leib wollen wir ihnen immer liegen lassen. SCHLAG. Nu nu mache nur auff. STICH. Halt halt. Schlag tod er lebt noch. Steig geschwind nauff und lange die Axt. LEUCOR. Ihr Herren last mich leben. Ich will euch gerne alles geben / was icl? bey mir habe. SCHLAG. Nein nein du must sterben. LEUCOR. Ey schencket mir doch das Leben um des Himmels Willen. S T I C H . E S kann nicht seyn. LEUCOR. Ich will euch eine grosse Belohnung schicken / ich bin ein Fürst / und (160) der Konig von Persien ist mein Bruder. SCHLAG. Ey der ware uns recht. Ihr würdet uns eine Belohnung schicken / daß wir mit unsern Fleische dort jene Pasteten füllen müsten / welche Euer Bruder / vor die Rauber / an der Seekante hat setzen lassen. Ihr verstehet mich schon: Es seynd so ein hauffen Speichen drinne. LEUCOR. Ach nein / ich will euch einen leiblichen Eyd schweren / daß ich von euch nichts sagen sondern viel mehr eine Summe Geldes so viel ihr begehret / zu meiner Rantzion schicken will.

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STICH. Das wäre wohl gut; aber wir seynd nicht sicher dabey. SCHLAG. Das wollen wir endlich thun; Das Leben können wir euch lassen / wann ihr mit in unsere C O M P A G N I E treten und zugleich mit rauben und todtschlagen wollet. LEUCOR. Ihr lieben Herren / ich bedancke mich vor mein Leben. Und will gerne in eure Gesellschafft treten / aber keinen Menschen kann ich todten. (161) SCHLAG. Ha ha. Seyd ihr so verzagt! So haben wir uns destoweniger vor euch zufürchten. Komt nur komt! Es bleibe so / steigt mit uns auff unsern Baum / und gewohnet unsers Lebens. STICH. Nein nein! mein Bruder / nehmen wir ihn auf diesen Baum mit/ und käme heute oder Morgen die SVITE, welche den vormeinten Todten abolen solte so würde er gar nicht von der Fichte herunter schreyen und sie umb Hülffe anruffen. Und da würden wir beyde nach Kurtzer Zeit in denen raben Kröpfen artige PALLETE tantzen. Lieber gehe mit ihm hin in die Creuthole / und behüte ihn so gut du kanst. Um besserer Verwahrung willen kanstu ihm wohl die Beinschelle NUMER 14. anlegen. Ich aber will mich indessen wieder auff unsere Fichte begeben / und auffpassen ob was einzubringen ist. SCHLAG. E S ist war. Besser und sicherer ist dieses Vorgeben vor uns. So kommet denn ich will euch in unse Studier Stübgen bringen. STICH. Nim ihn wohl in acht. (162) LEUCOR.

Vor einen herben Augenblick Erwehl ich ewig Band und Strick.

4. Aufftritt. TYGRAN

in der Irre.

seynd wir gantz verlassen? und noch darzu in der Irre. Das ist ein schlechter Zustand vor Konige / und eine Elende Ergotzligkeit. Wann uns recht ist / so sehen wir hier der unsrigen Fußtapfen / wir hören auch das Wiehern der Rosse wohl. Wir müssen demselben nachgehen / und uns von der Gefahr befreyen. Ha / erschreckende was ist dis vor ein ungewöhnliches Geräusche. Wir hören reden / und sehen Niemand. Bey unsern Leben es ist S O R I A N , und N I C I A S mit samt dem wilden Ungeheuer.

Y G R A N . SO

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Glücklicher Bastard, 4. Handlung

5. Aufftritt. K O N I G , SORIAN

und

NICIAS

mit dem wilden

HABIDES.

{163)

Willkommen treuste Seelen! Wer ist froher als wir / in dem wir in der Irre und Einsamkeit herum gehen. Wir muthmasseten eure bekandte Tapfferkeit würde diesen rohen Menschen nicht aus denen Händen lassen. Aber er ist itzo gar zahm worden. N I C I A S . E W . Maj. können nicht glauben / wie augenblicklich und geschwinde dieser Mensche an der Vernunfft wachst. S O R I A N . Wir seynd erfreuet / daß Ew. Maj. wir unbeschädigt wieder antreffen. T Y G R A N . Wir haben bey dieser Jagt schlechte Vergnügung geschopffet. Aber wo ist L E U C O R unser Bruder? N I C I A S . Wolten die Gotter daß er bey uns wäre. T Y G R A N . Wir müssen ihn suchen. S O R I A N . Ach wir wissen ihn schon / Gnädigster Konig. T Y G R A N . W O ist er denn? Was ist ihm wieder fahren. N I C I A S . Ο wehe daß wir mitleidige Boten seyn müssen / unserm Konige seines Brüdern Todt zuverkündigen. (164) T Y G R A N . Ist er Todt? N I C I A S . Wie wir erzehlen und mit unsern Augen gesehen. T Y G R A N . Ο wehe! Ach Bruder! L E U C O R ! Mein Bruder mein eintziger Bruder. Hätte ich vor dich sterben sollen. Wie ist er dan umkommen? S O R I A N . Hier ist der Thäter / durch welches Faust er gefallen. Wir setzten auff Befehl Ew. Majestät diesen Wilde nach / in dem aber der entleibte Fürst dasselbe allzuhitzig verfolgete wurde unsere beyder Geselschafft auff einen Pfeilschuß zurücke gelassen / wir eileten so geschwinde wir kunten nach und funden den entselten Printz und dieses Vnthier über einander liegend. Dieser hatte jenen zur Erden geschlagen und mit dem Eisen albereit die Tugendvolle Brust eröffnet. Der Edle Geist war so geschwind von dannen geflohen / daß wir auch keines abschied Worts von dem theuren Fürsten uns getrosten kunten. Das rosenfarbene Blut indeß notigte uns / unser Leben feil zu bieten. Wir naheten zu diesen / damals grausa-( 765}men Menschen / und brachten durch eine geschwinde Geschickligkeit denselben endlich in unsere Strücke und liefern solchen Ew. Maj. hiermit zur Rache. T Y G R A N . Wo ist aber der Tode Leichnam? S O R I A N . Den haben wir an einen bequemen Orthe so lange verwahret / daß ihn weder Thier noch Raubvogel verletzen kann. T Y G R A N . Diese Jagt komt uns theur an. Dieweil alle Ergotzligkeit in einen allgemeinen Verlust gekehret worden. N I C I A S machet Anstalt / daß die KOENIG.

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Riemer II

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Riemer

Leiche heute noch abgeholet und biß zum Begräbnis beygesetzet werde. Du aber SORIAN laß den verzweiffeiten Menschen in Gefängnis solange / biß zu fernere Verordnung / in acht nehmen. SORIAN. Ich gehorsame Ew. Maj. Befehl. NICIAS. Vnd ich mache mich alsobald auff den Weg. T Y G R A N . Ihr Gotter heilet unser Betrübnis. Gehet ab. (166)

6. Aufftritt. Auff dem Schauplatze TARPEJA

stehet man eine Einöde / in der Wüsten.

Wo soll ich nun noch hingehen? Wüste ich die Holle zu finden; Ich wolte allda meinen Todt suchen. Ists dann müglich daß ein schwaches weibes Bild so viele Gefahr ausstehen kann. Ich bin verlassen. Erd und wasser ist mir zuwieder. Die See ist mein Feind / weil sie mir versagte / mich zuverschlingen. Die unbarmhertzigen wellen haben mich mit meinen Schiff aufs trockne Land geschoben. Ja diese Wildnis selber ist darum grausam gegen mich / weil sie mir diese Aepfel wachsen lassen / welche mich noch etzliche Tage in diesen Elend lebend machen / ein Sclav / der auff die Galee geschmiedet / hat ja noch die Hoffnung übrig / einst von seiner Pein / durch den Todt erloset zu werden. Aber ich muß dencken / daß ich in meinen grosten Jammer unsterblich bin. Indeß lebe ich hier allein. Doch (167) nein / ich bin nicht allein denn ich habe einen Geferten bey mir / nemlich mein Vnglück / welches mich bis ins Grab begleiten wird. Stille / T A R P E J A , rühme dich nicht der Verzweifflung. Ich sehe einen Menschen. Ich eile denselben anzureden. Ach mein Vater mein Freund / mein Schatz.

TARPEJA.

7. Aufftrit. Rox ein Bauer

/

TARPEJA.

R o x . Von Leibe oder ich will euch mit dem bißgen Eisen in die Fresse werffen daß ihr solt das Stehen vergessen. Es ist sonst gar richtig an dem Orte / ich weiß der Schelmstücke schon. T A R P E J A . Ach / ihr liebster Mann / seyd doch mitleidig gegen mich armes Weib. Rox. Wer seyd ihr dann / und wo komt ihr an diesen oden Orth.

Glücklicher Bastard, 4. Handlung

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Ich bin das elendeste weib auff Erden und das Vnglück hat mich in seinen Banden hieher gezogen. Ach sagt mir doch wo ich bin. (168) Rox. Ihr seyd in Persien / nicht weit von C A R W A N , da der Gräfe T I G R A N Hof halt. T A R P E J A . Hilff Himmel! Ist das möglich. Rox. Ha ist das müglich? wolt ihrs nicht glauben so last es bleiben. Ich will mit euch nicht lange sprachens machen. T A R P E J A . Ey verziehet doch mein Freund der Himmel wird euch segnen. Rox. Was wolt ihr aber nun haben / wer weiß wo es euch fehlet. Ich habe schon eine Frau. T A R P E J A . Ach mein Freund / nichts begehre ich von euch / als daß ihr mir den Weg nach der Stadt zeigen wollet / ich will euch die Muhe gern mit diesen Ringe bezahlen. Rox. Mit der Treckerey / gebt mir lieber eine Kanne Bier davor / das komt doch meinen Leibe zu gute. T A R P E J A . Alles was ich vermag solt ihr haben. Rox. Ich gehe zwar gleich ietzo nach CARWAN, aber wie wolt ihr so weit gehen (169) können. Ich führe einen langen Schritt. T A R P E J A . Das wird sich schon schicken / wann ihr mich nur wolt mit nehmen. Rox. Was wolt ihr denn in der Stadt machen da euch niemand kennet. Es ware besser vor euch wann ihr auff den Dorffe bliebet / da giebt es mehr Arbeit. Ich brauch selber auch eine Magd. Aber ihr sehet mir so glat um den Schnabel / es komt mir vor als wann ihr nicht gerne arbeitet. T A R P E J A . Ich suche nur / ob ich Dienste zu Hoffe finden mochte. Rox. Ja da komt ihr gleich recht an. T A R P E J A . Wieso? Rox. Erst haben sie solch Zeiges gnung zu Hofe / wie ihr seyd / zum andern so gehet es zu Hofe so neckisch zu / daß kein Mensch vor komt / wer was anzubringen hat. T A R P E J A . Aber warum? Rox. Dieser Woche ist der Konig herum auff der Jagt gewesen und hat ein groß Unglück gehabt. T A R P E J A . Was vor Unglück. (170) Rox. Sie haben unter dem Wild einen unbendigen Menschen mit angetroffen / an welchen sich Printz L E U C O R des Königs Bruder gemacht / ihn zu fangen / er ist aber jammerlich von ihm ertodtet worden. Nun haben sie das wüste Mensch gefangen / welches wie man sagt /gantz klug worden / und recht menschlich reden kann. Und wird davor gehalten er werde mit seinen Leben den Todtschlagk bezahlen müssen. T A R P E J A . Das ist wunderlich und nie erhört. (Sie krümmet und befindet sich Abel.) TARPEJA.

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Rox. Was ist euch. Mein Hertz angstet mich eben / als wann ich die groste Ubelthat begangen hette / wer weiß was vor ein neues Unglück mir da durch angedeutet wird. Aber hat man dann nicht Nachricht wie dieser Mensch /unter das Wild gerathen? Rox. Gantz keine: Deßhalben auff der gantzen Nachbarschafft hierum an Walde von Konige befohlen / so viel müglich die Wildnis zu durch suchen / ob man {171) von ihm etwas Nachricht finden konte. Man sagt / er soll so schone sehen / als wann er gar ein Fürsten Kind wehre. Wir haben nun das Unsrige gethan / und haben gesuchet / haben auch sein Lager gefunden wo es des Nachts über gelegen. Darinnen wir denn ein Lepgen angetroffen / da halt ich sein ehrlicher Nähme drauff stund. Das habe ich hier auch bey mir und will es nach Hofe tragen. T A R P E J A . Wie heist dann derselbige Nähme. Rox. Ja wann ich das wüste. Sehet Ihrs / unser einer hat nicht studiret / wo will man hernach solch ding verstehen. T A R P E J A . SO weist mirs / so will ichs euch lesen. Rox. Das will ich euch wohl thun. T A R P E J A siehts und fdlt in eine Ohnmacht. Rox. Nu nu was will ich mit dem weibe anfangen. Wann ich doch ein Würtzelgen bey mir hette. Wie ist euch denn wie wird euch denn? {172) T A R P E J A . Owehe! wirfft mich Freude oder Leid zu Boden? Diß ist die Windel / welche ich meinen Kinde mit auffs Meer gegeben. Bey meinen Leben wann es nicht mein Kind ist. Wie hoch schätzt man denselben an Jahren? Rox. Ich weiß nicht man hat von 16. biß 17. Jahren gesaget. T A R P E J A . Die Jahre treffen mit meinen Fall über ein. Rox. Er soll auch sonst noch ein gebrand Zeichen auff dem Rücken haben. T A R P E J A . Ich habe gnung / mein Freund eilet mit mier nach der Stadt vielleicht kann dieser Weg euer und mein Glück fordern. Rox. So klatscht nur einmahl aus / ich habe auch nicht lange Zeit. Ich will voran gehen folgt mir nur. T A R P E J A . So schnell ich kann. Ich wünsche daß ich Fliegel hatte. Gehen ab. TARPEJA.

8. Aufftritt. N I C I A S mit

SOLDATEN.

{173)

Nun kommen wier an den Ort an welchen der heilige Printz seinen Tugendhafften Geist auff geben muste. Diß ist die grosse Fichte / gegen welcher über der Leichnam verwahret liegt. Wolan /die Ritter-

NICIAS.

Glücklicher

Bastard,

4.

Handlung

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schafft soll unten halten bey dem Leichenwagen / und in der Abführe eine SALVE geben. Ihr aber erofnet das Grab / und befordert die Leiche auff euren Schultern über diese ungleiche Hohe in den güldnen Sarg. 1 . SOLDAT. SO komt dann ihr Pursche: Leget das Gewehr so lange nieder. Sie erofnen den Kasten. 2. SOLDAT. Hier sehe ich nichts als etzliche Todenkopffe / aber keinen gantzen Corper. NICIAS. So müst ihr blöde Gesichte haben. Hilff Himmel wo ist der Leib hin? Hier ist etwas anders zubedencken. Sa! folgt geschwind ihr Pursche. Gehen ab. 9. Aufftritt. TANAIS

das Persische

Fraulein.

bleibt zurücke / weil ich will alleine seyn. Meine jetzigen Ge-(774)dancken seynd mier eine angenehme Gesellschafft. Denn so offt ich nur an den gefangenen SCLAVEN gedencke / so will dieser süsse Gast den Trohn meiner Seele nicht verlassen. Aber warum nenne ich ihn einen SCLAVEN, da ihn seine vielleicht Edle Geburth auff die Feste Freyheit gegründet hat. Ich will ihm einen andern Nahmen beylegen / und H A B I D E S nennen. Denn den Jenigen muß ich dieses Nahmens würdigen / welcher in der Wüsten unter dem Wilde auffgewachsen / und dennoch mit dem Reichthum seiner so plötzlichen Vernunfft die klügsten unsers Hofes beschämen kann / daß ein ieder sich über der selben schieinigen Wachsthum billich verwundern muß. Seine wohl gefügte Gliedmassen / und der so zierlich gewachsene Leib / geben mier gnung zu verstehen / daß er keines niedrigen Herkommens sey. Was soll ich sagen / wann ich auff die zwo Sonnen komme / welche aus den Lilien und Rosen seines Antlitzes hervor strahlen. Besser wird seyn Schweigen / als ohne Vergnügung viel davon zureden. (175) Wünsche ich die Tugend seines Gemühts zu wissen / so mus aus andern abgelegten Proben dieses einige meine Begierden abfinden / in dem es keine geringe That ist / wann eine wehrlose Faust den A C H I L L E S dieses Persischen Reichs entwafnet und ohne Blut vergiessen erleget. Zwar schmertzt mich mein vaterlicher Herr Vetter Printz LEUCOR; Alleine die Liebe / welche keine Verwandschafft des Blutes achtet / hiilfft mir das innerliche trauren über wünden. So will ich dann in meinen Vorhaben fortfahren / und die Ungnade meines Koniges und Vaters nicht besorgen! Ob er ihn gleich schon zum Rachschwerde verdammet. Denn die Empfangene Liebe werde ich schwerlich entdecken; sondern unter dem Vorwand eines leibeigenen SCLAVENS ihn loß zu bitten suchen.

T A N A I S . TAMIRO

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Johannes Riemer

10. Aufftritt. ATHANARICUS

ein Heidnischer

TYGRAN, NICIAS, SORIAN.

Pfaff. (176)

ATHANARICUS. SO bezahle man endlich Blut mit Blute / und befriedige das beleidigte Vaterland / welches den T o d t des so tapffern Printzen LEUCOR, offte / vor diesen Geistlichen O h r e beklaget / Ja ihr Konig selbst rächet euren ermordeten Bruder / und befehlet nach unsern Geistlichen Gesetz den Morder zu opffern. TYGRAN. Euer erinnern / Priester ATHANARICUS, ist vergebens / wiewohl gnadig auffgenommen / denn unser Hertz / welches ohne dem in B e trübnis zur Rache flammet / wird nicht ehe ruhen /biß es den Tag erlebet / an welchen meines Bruders Schatten mit des Morders Blute beruhiget. ATHANARICUS. So wollen wir immer zu dem Opffer Anstalt machen; Denn der Verzug verkehret offt gute Gerichte. TYGRAN. So beniehme man uns dann einen Tag und O r t / damit wir der Rache selber beywohnen können. Was meinet ihr getreuer NICIAS. NICIAS. Ich führe meine Zunge im Hertzen / und nicht das Hertz auff der Zunge. (177) TYGRAN. NICIAS ihr redet uns zu dunckel; Was meinet ihr damit? NICIAS. Ich dencke mehr als ich sage. TYGRAN. Besser aber ware es / wann ihr uns euer Bedencken klahrer eröffnetet. NICIAS. SO würde ich mit diesen Pfaffen in Streit gerathen. ATHANARICUS. Der Hurte last sich nicht von Schaffe führen. NICIAS. Wann aber das Schaff fürsichtiger ist als der Hürte. ATHANARICUS. Diese Meinung ist falsch. NICIAS. Ihr brauchet auch bißweilen die Gottheit zum Deckmantel eurer Boßheit. ATHANARICUS. Ο daß ich Konig ware! NICIAS. Ο da mangelt noch etwas dran. ATHANARICUS. Ich wolte den Bluthund selber schlachten. NICIAS. Unbedachtsame Reden / Konige müssen nicht selbst würgen / sonst seynd sie Blutdürstig / wie Ihr. (178) ATHANARICUS. Schweigt / vermessener Fürst / oder ich will euch weisen / wie ihr euch vor dem Geistlichen Rechte beugen müsset. NICIAS. Das beste ist / daß diesen zornigen Thiere keine Horner gewachsen. TYGRAN. NICIAS ihr seyd uns lieb. A b e r darinnen müssen wir euch unser Müßfallen eroffnen / daß ihr unsern Priester honet.

Glücklicher Bastard, 4. Handlung

83

NICIAS. EV. Majest. halten mier es in Gnaden zu gute / was hat der Pfaffe in geheimbden und Krieges Rath zu thun? TYGRAN. Wir haben es ihm vergönnet. SORIAN. Aber wieder Ew. Majest. einmahl gemachte Ordnung / als welche das Geistliche Recht von dem Weltlichen gar genau will unter schieden wissen. TYGRAN. Es ist darum geschehen / weil ihm die Gotter ein oder ander Geheimnis entdecken. SORIAN. Wer zu dem Tempel geweyhet mus den Politischen Rathstul ohn erfodem unbetreten lassen. ATHANARICUS. Das sagt ein liederliches Welt kind das keine Gottheit achtet. (179) NICIAS. Ein Geistlicher / der sich um die Weltkappe zancket / verunehret die Gotter. TYGRAN. Und ihr den Mann der mit denen Gottern redet. NICIAS. Gnadigster Konig. Wer ist dabey gewesen / wan er mit denen Gottern geredet hat. ATHANARICUS. Du plutonisches Kind / fürchstu dich nicht der Sünde / meinstu nicht / daß die Gotter gereitzet werden / ihren gehoneten Priester zurachen. NICIAS. Die Gotter hassen allen falschen Schein; Nehmet ihr nur euren Kopff in acht. ATHANARICUS. Ich bin der Gotter Diener. SORIAN. So gehet dann hin / in den Tempel wo ihr zuschaffen habt. ATHANARICUS. Ich bin zu Geistlichen und Weltlichen Rechten bestellet; Denn dieses wachsame Auge mus alles besehen / damit nicht etwa iemand von denen Regenten einen Fehltrit begehe / dich selbsten mus ich zu deiner Wohlfarth führen. (180) SORIAN. Wann der Führer irret / so hat der Blind einen schlechten Wegweiser. ATHANARICUS. Ich bin ein heiliger Mann / und kan niemalß irren. SORIAN. Das müst ihr dem Pobel und Kindern weis machen. Die Jenige welche nur halb vernünfftig seynd / werden dieses schwerlich glauben. ATHANARICUS. Ach! ich zerreisse mein Kleid über der Schmach. Gerechter Himmel wie kanstu dem Lasterer zu hören. Ist denn kein Donnerschlag mehr Übrig. SORIAN. Ihr habt gut reissen in eure Kappe in dem ihr allezeit aus der Königlichen Cammer gekleidet werdet. Die Gotter aber werden auff euren Befehl schwerlich einen Menschen todten.

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Der 11. Aufftritt. TANAIS, TYGRAN, ATHANARICUS, N I C I A S , SORIAN.

Lange Leben EV. Majestät! (181) Und unsere TANAIS müsse ein geruhiges Alter sehen. Was fordert ihr von euren Vater. TANAIS. Nichts als daß ich Ev. Maj. das Kindliche Leyd klage / welches dieses Hertz zum Mitleiden angezündet. TYGRAN. Wir dancken euch / liebste TANAIS, vor eur überbrachtes Mitleid. Und ist an dem / daß uns der Himmel mit euch zugleich betrübet / da unser eintziger Bruder so unverhofft und fast unnatürlich durch einen Sclaven um sein Edles Leben gebracht worden. Doch haben wir uns unsern Glück und Unglück nicht zu wieder setzen / und fernem betrübnüs Raum zugeben. Vielmehr ist dis itzo unsere groste Sorge / wie wir den Fürstlichen Leichnam Königlich begraben / den Morder aber vor seine Unthat schieinigst opfern lassen. TANAIS. Königlicher Herr und Vater! Wann ich wüste / daß durch unschuldiges Blut Ev. Maj. auffgebrachte Seele konte befriediget / oder aber das allgemeine Betrübnis zurücke geleget werden / (182) so wolte ich mich nicht zu der Bitte notigen / die ich vor Ev. Maj. zu thun vorhabe. Zwar es geht mir der plötzliche Fall meines Herrn Vetters sehr nahe / und dürfen Ev. Maj. nicht dencken ob schmertzte mich dessen Todt nicht. Alleine in diesen allen doch werden wir durch ein neues Opfer keine Begütigung finden. Bitte derowegen Ev. Maj. wolle durch mein Flehen sich von der Rache bewegen lassen / und mir den Sclaven zu meinen Diensten loß geben. ATHANARICUS. Das sey dem Himmel geklaget. TANAIS ihr Hertz ist auch verstockt und will das Opffer hindern. TANAIS. Schweigt ehrsichtiger Mensch und ehret eure Fürstin / wann ihr nicht nechst der Gottheit auch mich beleidigen wollet. TYGRAN. Liebste Tochter! Ihr wist / wie feste wir euch mit Vaterlicher Liebe verbunden und daß unsern Hertzen eine rechte Qual ist euren Begehren etwas versagen. Wir wolten eure Bitte und seine Reue gerne ansehen / und ihm alle (183) Schuld verzeihen / wann er auch gleich unser eigen Leben verletzet hatte. Aber da er unsern einigen Bruder erwürget / ware es wider Bruder Liebe / ihm langer das Leben zu gönnen. Bittet derowegen liebste Tochter / was euch gelüstet / arch bey unserem Leben / das Scepter aus der Faust / wier wollen uns drüber erfreuen euch zu willfahren / mit dieser Bitte aber wollet ihr uns nicht mehr ermüden. TANAIS. Königlicher Herr und Vater! die Menschen suchen mit weit groserer Begirde was ihnen zu über kommen schwer wirdt / alß das jenige was TANAIS. TYGRAN.

Glücklicher Bastard, 4. Handlung

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sie mit leichter Müeh erlangen können. So wird mir der Sclav nun so viel angenehmer seyn / weil mir derselbe aus zu bringen so gar saur worden. ATHANARICUS. Der Konig wiederruffet sein Wort nicht / woferne das gantze Reich nicht soll in Gefahr gesetzet werden. TANAIS. Blut und Gelt dürstiger Pfaffe wer befiehlet euch so zu reden? ATHANARICUS. Die Gerechte Gottheit. {184) TANAIS. Vielleicht die Pfennige / so ihr von dem Opfer zu geniessen. ATHANARICUS. Ο Schmach über Schmach! Der Konig schütze mich. TYGRAN. ES ist unser Kind / welches zwar sündiget / aber aus weiblicher Schwachheit. ATHANARICUS. Das Verbrechen soll schon bey denen Göttern aus gesühnet werden! Wann der Konig nur nicht ihr Bitten erhöret. TYGRAN. Wann wir nur unsern Bruder da durch aus dem Grabe wider zurückruffen können. ATHANARICUS. Doch kan der Konig seinem unruhigen Geiste zur Stille helffen. TYGRAN. Haben wir doch von keiner Unruehe seines Geistes bißher etwas gehöret. ATHANARICUS. Sehet ihr nicht Konig den blassen Leichnam. Seht doch seht er zeigt euch die Wunde. Hort hört / wie er um Rache schreyet. Ach gehe hin du unsterblicher Geist lege dich zur Ruhe / wir {185) wollen deines Blutes gedencken / und dich also bald durch das Opfer versühnen. TYGRAN. Wir sehen ja nichts / ATHANARICUS das euch zu diesem Geschrey veranlasse. TANAIS. E r draumet.

NICIAS. Oder wird tolle. ATHANARICUS. Die Wunder der Gotter seynd denen grossen Sündern verborgen. NICIAS. S o ist ATHANARICUS alleine rein?

ATHANARICUS. König Konig flüehet / fliehet um eures Lebens Willen. TYGRAN. Wieso warum? ATHANARICUS. Der Geist setzet euch ein Grausames Messer an die Kehle. TYGRAN. Da behüten die Gotter vor. ATHANARICUS. ES ist nicht anders: Flüehet nur / oder gebt unverzüglichen Befehl den Morder zu todten. TYGRAN. E y so sey es dann / Hey liger Vater ATHANARICUS, last zur Stunde auff diesen Platze einen Altar auffbauen / und verrichtet mit gewohnlichen CEREMONIEN {186) das Opfer. Wir über geben euch hiermit den unbekandten Sclaven zu schlachten. NICIAS. Gnadigster Herr und Konig EV. Majest. Besinnen sich recht / ehe sie in schrecken Befehl über eines Menschen Seele geben. Der Himmel

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hat sie geschaffen / und derselbe sucht den heim / welcher Sie ohne gnugsames Verbrechen todtet. ATHANARICUS. Konig / ha! Konig der Geist kombt wieder. NICIAS. Ja Gn: Konig er raset wider. Zeige uns den Geist du Lugner / ich spotte deinen Betrug / ich versichere Ev: Majest. daß es eine Finte und betrüegliche List ist. Befiehl deinen Geiste / daß er das Messer an meine Kehle setze. Ja ich will ihm meinen gantzen Leib feil bieten. Der Allwissende Himmel aber wird deine Boßheit offenbahren. TANAIS. Er verstummet / dieweil ihm das Bose Gewissen seine Zunge gebunden. (187) T Y G R A N . ATHANARICUS, Gehet hin im Tempel und machet euch zur Weihe fertig. Wir wollen euch bald nach folgen / und uns heiligen lassen. ATHANARICUS. Ach / ja Konig ihr thut wol / damit die verunehrte Gottheit wider versöhnet werde. Ich gehe und verrichte was dem Konige das Leben / und dem Himmel seine Ehre erhalten wird. A D SPECTATORES. Die Sache scheinet schlim zu seyn ich mus auff bessere List dencken. Gehet ab. NICIAS. Ich versichere Eur Majestat daß dieses ein frecher Betrug war. TYGRAN. Hinter den soll uns unser Nachsinnen und der Ausgang der Sache am besten führen. Tochter begleitet uns biß vor unser Schlaff Zimmer / und ihr N I C I A S folget. TANAIS. Diesesmahl bitte ich von Eur Majest. Urlaub / weil ich mich selbst noch zu Ruhe schicken mus. T Y G R A N . SO überlassen wir euch dann euren Willen / und gehen mit N I C I A S allein zu frieden. (188) N I C I A S . Ich gehorsame unterthanigst meinen Konige. Gehen ab. TANAIS. Je hoher die Pfeile in die Lufft geschossen werden ie tieffer haben sie herunter Ihren Weg zu ermessen. Je mehr ich mich mit meinen Gedancken bemüehe den schonen H A B I D E S zu erretten / ie mehr mein Hertz zu dienst und Liebe angefeuert wird. Zwar hoffe ich / es wird meine Vorbitte und der flehende Fürst N I C I A S meinen Konigl. Vatter über wünden / daß er mir den Gefangenen loß giebet. Denn wer wolte die Schönheit des Gemüths so in H A B I D E S zu finden / ohne Threnen=Guß unter gehen hören: und die unvergleichliche Gestalt der Außbündigen Person / die vielleicht von Konigen oder wohl gar von Gottern her gewachsen / so schmertzlich einbüssen sehen. Ich bilde mir gantz und gar ein / die Gotter haben uns sterbliche durch diese ungemeine Arth Menschen beschämen und zugleich ihr Ebenbild hierunter kund thun wollen. Gestern hab ich ihm in Geheim ein Persianisch Kleid geschiecket / damit er nicht so (189) verächtlich / wie in der Wildnüs liegen möge. Nun wir wollen alles Gute hoffen / und mit befriedigten Gemüth dise Nacht angenehmer als Gestern der Ruehe gemessen.

Glucklicher

Bastard,

4.

Handlung

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E R e b e / laß deinen Sohn / Diese abgesorgte Glieder Durch den Schlaff erquicken wieder. Molpe leihe deinen Thon Ein kurtze Frist darzu So genieß ich sanffte Rueh So genieß ich sanffte Rueh Wan nur kurtze Frist darzu. Molpe leihet ihren Thon Bald zu erquicken wider / Diese abgesorgten Glieder Erebe das thu dein Sohn. Gehet ab.

12. Aufftrit. HABIDES.

Im Gefdngnus.

Ο Susses Gefangniß / dein Behaltnüß ist mier so angenehme / als der Himmel / die weil du mir die Thür zu demselben geöffnet hast. Diese Bande küsse ich viel (190) lieber / als die Freyheit selbst / in welcher ich unter meinen Brüdern und Schwestern / denen unvemunfftigen Thieren in der ungebanten Wildnis lebete. Denn diese haben meinen Fuß aus der Holle zurücke gezogen. Habt Danck ihr zwey tapfern Helden / die ihr euch gewaget / mich in meiner Unbandigkeit zu fangen. Ihr habt mich nicht zur Rache / sondern zur unsterblichen Freyheit hieher gebracht. Nun mehr hat sich meine Menschliche Vernunfft wieder eingestellet / welche bißher als eine vertriebene in der Betrübnis herumb gewallet. Jetzt hat mich die Güte des Himmels wiederum der menschlichen Gesellschafft gewürdiget / von welcher ich zu vor ausgeschlossen / als eine Bestie leben müssen. Und welches das groste / ja davor ich dem Himmel auff meinen Antlitz dancke / so habe ich die Gottheit / welche Persien ehret / erkennen lernen. So bin ich denn nun recht vergnüget / und halte meine Gefangenschafft in lauter Freuden. Ich zweifle ob ULYSSES sich über seiner P E N E L O P E also erfreuet /als ich mich über der (191) Ankunfft meiner vernünfftigen Seele. Zwar ich gestehe daß ich einen Menschen von schöner Gestalt in meinen viehischen Leben ermordet / von welchen man saget / daß er des grossen TYGRAN Bruder sey. Sein durchlauchtigstes Antlitz und Helden reiches Bezeigen macht mir diese Nachricht glaublich. Es ist mir leid und beweine / Ο Held / deinen Todt. Doch will ich damit vor die Missethat nicht genug thun / sondern erwarte mit Begierde meinen Todt / welcher mir itzt bereitet wird. Derowegen / Hen-

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Johannes

Riemer

cker / komm / und verzieh nur nicht verrichte deinen Streich / hier ist die Hand welche den Preißlichen Fürsten entseelet; Nim auch die Augen hin / welche zu solcher Mordthat geleuchtet / lose ab das Haubt von denen Schultern / dieweil in diesen das Blutbad kurtz zuvor abgesehen worden. Ists noch nicht genug / so nim von mier an die Macht über meinen gantzen Leib / und übergib ihm Feuer und Wasser zuverzehren. Mein Geist suchet die Versamlung der Gotter / und tröstet sich bey seinen Abschied mit nichts (192) mehr /als daß ihn des Persischen Koniges Tochter / nach ihrer Sprache / einen Namen gegeben und mich HABIDES genennet / weil ich aus so vielen Unglück bin wunderbar errettet worden. Daß also mein Gedächtnis nicht zugleich mit Knochen vermodre / sondern auch nach meinen Todte bey einen so guten Nahmen kann genennet werden. Diß einige wünschte ich nur noch vor meinen Todte diese Persianische OLYMPIA ZU sehen und vor den übergebenen Nahmen zu dancken. Doch ley der! ich rede vergeblich. Der Wuntsch des letzten Lebens entgehet mir.

Der 13. Aufftrit. TANAIS.

Der Wuntsch ist nicht vergebens / Sie steht schon hier. Und last sich eure Wort tieff zu Gemüthe gehen. Wolt ihr! so kann Sie Euch / und ihr sie näher sehen? (193) HABIDES. Aller durchleuchtigstes Fräulein. Schönstes Geschöpf / so iemalß der Himmel gebildet hat. Aller erste Gottin so ich auff Erden anbete. Ich erschreck vor dero Majestät / welche ihre Strahlen mir dermassen ins Hertz geschossen / daß ich mich gantz sprach und Sinnloß befinde. Denn ob Sie wohl die Sonne als ihren Gott anbetet / so kann Sie dennoch mit derselben um den Glantz wetten. Und wie solten meine niedergeschlagene Augen denselben Schein aus stehen können. Ich bitte durch alle Himmels Heer / mir mein Unvermögen zuverzeihen; Daß ich dero Werth nicht hoch genug erhebe / dieweil über meine ungeübte Zunge auch das Schrecken ihrer unvermutheten Gegenwarth / mir allen Vorsatz benemen. TANAIS. Erschrecket nicht schöner Gefangener / Ihr seyd auch wer ihr seyd. Denn diese Kleinmüthigkeit und euer hohes Ansehen schicken sich nicht zu sammen.

Glücklicher

Bastard,

4.

Handlung

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HABIDES. Kleinmütigkeit / Himlische VENUS, ist nicht bey mir; Denn ich habe (194) über Leuen geherschet / und ihnen die Jungen genommen; Tyger seynd mir begegnet / und die grausamsten Beeren / wann sie einander verletzten / habe ich auffs Blut gestrafft. TANAIS. SO seyd ihr zu fürchten als der ALCMEN/E Sohn / in dem eure Thaten Jenen nichts nachgeben. HABIDES. Gotterliches Bildnis. O b ich zwar weder des STYMPHALI Vogel noch die viel kopfige lerneische Schlange getötet; Dennoch fürchte ich mich vor Niemand. Ich achte keinen Konig / und demüthige mich unter dem gantzen Himmel vor nichts / als eurer Schönheit. TANAIS. Dapfferer HABIDES. Unvergleichlicher Held / Eur grosses Gemüth ist der Zeuge eurer hohen Geburt. Derowegen achte ich mich recht glückseelig daß ich itzo der Bote eurer Freyheit bin. HABIDES. Meiner Freyheit? Warum das? da mir die Vorbereitung Ζ meinen Todte schon angekündiget. TANAIS. ZU dieser habe ich meinen Herrn Vater flehendlich bewogen. (195)

HABIDES. So muß ich vor mein Blut viel Königreiche erwerben / welche einer so übermenschlichen Princessin / ich zum lose Gelde einbringen kann. TANAIS. S c h ö n s t e r

AMYNTAS!

HABIDES. H o l d s e l i g e

DIANA!

TANAIS. Ich fordere nichts vor Eure durch mich erhobene Befreyung / als das Jenige / was ich euch / wie wohl unwissend /noch vor eurer Befreyung geschencket habe. HABIDES. Ist es mier unwissend / so kan ich davon nichts wissen. TANAIS. Freylich nichts wissen. HABIDES. Doch aber darff ichs wissen. TANAIS. J a w o l

wissen.

HABIDES. E y w a s TANAIS. HABIDES.

aber?

Liebe. Liebe?

TANAIS. A c h ! j a L i e b e .

HABIDES. Hat sie mich dann / auserkohrne der Erden / noch vor meiner Freyheit geliebet? TANAIS. Mehr als mich selbst. (196) HABIDES. Crone aller Princessinnen mißbraucht sie vielleicht ihr Glück und schertzet mit einen Gefangenen. TANAIS. Die Sonne müste mir nicht scheinen und gantz Persien ein immerwehrende Nacht haben / wo ich mit Helden schertze. HABIDES. SO liebt Sie mich auch itzo. TANAIS. Fest und unbeweglich: Euere Tugend aber unauffhorlich.

Johannes

Riemer

HABIDES.

So darff ich unverzagt die Lieb an Liebe setzen. TANAIS.

Wan HABIDES mich will derselben würdig schätzen. HABIDES.

Was aber füget unser Band? TANAIS.

Nichts: alß das Hertze Mund und Hand. HABIDES.

Dis will ich euch zu eigen geben. TANAIS.

So lebt denn wol mein halbes Leben. HABIDES.

So fahret wol Ο meine Sonne / Hertzens aus erkohrne Wonne. TANAIS! Gedencke mein. TANAIS.

Daß ich will die deine seyn. HABIDES.

Eben dis ist meine Pflicht. TANAIS.

HAB ID ES! Vergiß mein nicht! HABIDES.

Nimmer mehr Ο Menschen Zier! TANAIS.

Nun ade! HABIDES.

Glück sey mit dir.

{197)

Glücklicher Bastard, 5. Handlung

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Fünffter Handlung 1. Aufftrit. Der Schau Platz zeiget ein Schlaff Zimmer und den K O N I G auffn Bett liegend mit 2 . W Ä C H T E R N bewacht. ATHANARICUS mit 2. Knechtn so er auff dem Schau Platz verkleidet. Den Einen in die Gestalt des G E I S T E S den andern in den Gott J U P I T E R . Weill meine Heiligkeit nicht durch dringen kan / so muß {198) die List das Beste thun. Der Gefängliche Sclav mus sterben / es komme auch wie es wolle: denn wan ich noch 2. Opffer verrichtet habe verhoffe ich Bischof zu werden. Und darum will ich noch wohl einen rohen Menschen die Gurgel in stücken schneiden. Nur her ihr Pursche! Und folget mir unerschrocken nach. Wir werden nun bald an das Königliche Gemach kommen / stellet euch nur so schrecklich als ihr könnet an. GEIST. Wans aber die Wächter mercken / daß wir angekleidete zwene Knechte seyn / und kommen über uns her / und prügeln uns Jammerlich ab / Herr PATER Wem geben wir die Schlage wider? ATHANARICUS. Das hat keine sorge. Antwortet ihr nur nichts mehr als was ich euch vorgeschrieben. Der Konig frage auch was er wolle so hats keine Noth. J U P I T E R . Ich armer J U P I T E R , würde mir gar wenig helffen können / Wann es an ein Rumschmeissen gieng. {199) ATHANARICUS. Seyd ihr nur zu frieden und stille / ich will euch gut für allen Schaden seyn. GEIST. Aber daß wir ja unser Trinckgelt / vollendt richtig bekommen. ATHANARICUS. Ja doch / ja doch: Gehet es wol ab / es soll ieglicher von euch noch hundert BURGALENSEN haben. J U P I T E R . Das mochte endlich gehen. ATHANARICUS. Nun wol an! so fast euch ein Hertz! und redet nichts mehr als was euch vor gemahlet. Die innere gardinen erofnet. W Ä C H T E R . Werda? ATHANARICUS. Ach fraget nicht werda. Es ist die Gottheit selbst / kniet und flehet / daß sie euch nicht mit fressenden Feuer verzehren. D E R SOLDAT. Fallt auff sein Antlitz und bettet. TYGRAN. Wer unter stehet sich uns in unserer Ruehe zu verhindern. ATHANARICUS. Ein Diener der Gottheit / der vor eure Wolfarth wachet. {200) [. . .] Geschwind! Auff Konig! Die Gottheit erscheinet selbst vor euch leibhafftig. T Y G R A N . Ο ich sterblicher mensch wer bin ich / daß mich die Gottheit selbst besuchet. ATHANARICUS.

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Johannes Riemer

Dises Geschieht nicht ohne Ursache / Konig wischt den Schlaff aus denen Augen / und werfft euch also bald andächtig zu ihren Füessen. T Y G R A N . Ach grosser J U P I T E R sey deinen Knechte gnadig. A T H A N A R I C U S . Ach der grosse Gott rede / denn des Koniges Hertz ist ungläubig. Wincket mit der Hand / redet doch. J U P I T E R . Ich habe es vergessen. Der Konig richtet sich ein wenig auff. A T H A N A R I C U S . Umm des Himmels Willen / Konig bleibet liegend / daß ihr die Gotter nicht erzürnet. Halt J U P I T E R den Zedel fur daraus er eine Rede lisset. Ungerechter T Y G R A N , den wir in dem Rath der Gotter mit dem gantzen Königreich Persien versehen; Und die Gerechtigkeit anbefohlen; Wir seynd erzürnet / daß du (201) die Rache wieder deinen Bruder Morder solange auffschiebest; Dieweil der Geist des ermordeten uns Tag und Nacht um Rache anruffet. Darum komme ich selbst / dir dieses Opffer anzubefehlen. Las deinen Priester solches bald verrichten / sonst will ich das Blut von deinen Haupte fordern. T Y G R A N . Ach! Ja! Ja grosser Vatter der Gotter / mein heiliger Vater soll Morgendes Tages den Morder schlachten und dir in deiner Wohnung auff opfern. G E I S T . Tyrannischer Bruder hastu denn meines Blutes schon vergessen / welches ich vor dein eigen Leben der unvernünfftigen Bestie hergegeben. Kanstu denn auch gegen die Toden grausam seyn? Ich mus dencken ja denn sonst würdestu ja meinen verstörten Geist / der nur auff Rache wartet / befriedigen / und meinen Morder mit verdienter Straffe belegen. Denn ich werde dier doch nicht ehr Ruhe gönnen sondern so lange Tag und Nacht verfolgen / biß du mich gestillet. (202) T Y G R A N . Ο Edler Geist meines leblosen Bruders / verzeihe mier / daß ich die Rache deines Blutes so lange auff geschoben; Gehe hin zu deiner Ruehe sobald uns A U R O R A mit Ihren Strahllen begnadigen wird /soll des Morders Blut vergossen / und dein Mußfallen versöhnet werden. A T H A N A R I C U S . Ey ich bitte selbst auff meinen Knien / die Gottheit wolle sich besanfftigen / und unser nur biß an den Morgen verschonen. Denn wir wollen das Opfer langer nicht auff schieben. Der Konig halte unverzieglich was er versprochen; Und wiederrufte solches ja nicht. Itzo aber bleibe er auf dem Antzlitz liegend / biß die Gottheit wider sich von dannen erhoben. T Y G R A N . Heyliger A T H A N A R I C U S bittet vor uns. A T H A N A R I C U S . Wer will es sonst thun / denckt ihr aber auch nur mit einer Gabe an mich. Die innere G A R D I E N E gehet zu. ATHANARICUS.

Glucklicher Bastard, 5. Handlung

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Nun es ist noch gut genug angangen warum bleibt ihr dan stecken. {203) J U P I T E R . Ich furchte mich so gar sehr / vor dem Konig / ich weiß wol / er ist sonst / nicht weit her. Da hatte ich den Quarck / drüber vergessen. ATHANARICUS. Bey meinen Leben hatte ich den Zedel nicht bey mier gehabt / ihr wäret gantz stecken blieben. GEIST. Ey wans wider so kombt / so mustu es besser aus wendig lernen. Herr PATER wann er etwa so wider Leuthe braucht den Konig from zu machen; Er gönne uns doch das Geld / wir wollen es schon gut machen. ATHANARICUS. Gar gerne / kombt itzo nur ich will euch vollem bezahlen / denn so bald der Morgen anbricht / habe ich mit diesen Opfer zu thun. ATHANARICUS.

Gehen ab. Der 2. Aufftritt. Rox,

TARPEJA.

R O x . Nun wie ists? seyd ihr bald müde. Und wan ich durch den brennenden Sand in Lybien wandeln (204) müste so solte mich dennoch der Weg nicht ermüden. Die weil das / waß ich suche / in seinen Auffgange mir weit grosere Schmertzen gemacht hat. Rox. Ich halte ihr habt euch wol einen Wolff gegangen. T A R P E J A . Und wan mir Beern begegnet warn / ich hatte mich nicht entsetzet. Rox. Ja last sehen: ihr moget nun hin gehen wo ihr wollet. Ich will in die Apothecke wandeln / und mir um einen dreyer Beecken dalck / oder wan sie nicht so hoch naus wolten vor sechs Pfennige Pummelade kauffen. T A R P E J A . Wo komme ich aber nun nach Hofe? Rox. Seht hier ist die Schloß Gasse / da gehet nur gleich hinunter / das Schlos Thor wird euch gerade entgegen stossen. T A R P E J A . So habt denn Danck mein Freund vor eure guthe Begleittung: Mit diesen Trinckgelt aber bitte ich verlieb zu nemen. Gerne wolt ich euch was mehres geben / wo nur meinen eigenen Vermögen noch waß übrig were. (205) Rox. Ihr liebes Weibigen es ist alle genug. Ihr werdet wol wider was verdienen. Nun so fahret fein wol / und nehmet euch fein in acht / es giebet losse Schelme bißweiln zu Hofe. Gehet ab. T A R P E J A . Fahret wol mein Freundt. Ich dancke euch vor eure Vermahnung. TARPEJA.

7

R i e m e r II

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3. Aufftritt. TARPEJA.

Ο daß der Tag an brach / damit das Feuer meines Verlangens nur in etwas gedampfet wurde. Oder daß doch nur in des mir iemand zu Gesichte käme / von welchen meine Hoffnung den geringsten Trost wegen meines Sohnß / den ich suche / schopffen konte. Ist mir recht da kombt iemand in dunckeln her / ich vermag ihn nicht recht zu erkennen ob es ein Knabe oder ein erwachsener Jüngling ist. Gleichviel Er sey wer er sey / wann er meine grosse Gedult nur mit einer kurtzen Nachricht abloset. Zu dieser komt P A L A M O R . (206) P A L A M O R . Was ist hier vor ein weibsstuck wider Gewohnheit so früh und in tunckeln. T A R P E J A . E S ist ein fremdes Weib / welches ietzo gleich in die Stadt an kommet. P A L A M O R . Was habt ihr aber hier vorm Schloß zu schaffen? T A R P E J A . Die weil ich eben dahin will / und alda Dienste suche. P A L A M O R . Die werdet ihr ietzo schwerlich also bald finden /zu mal heunte. T A R P E J A . Und warum heunte. P A L A M O R . Die weil heunte ein Missethater wird geopfert werden / welcher den L E U C O R des Koniges Bruder ermordet. T A R P E J A . Wer ist denn derselbe. (PALAMOR.) Das wissen die Gotter. Dann er ist auf der Jagt / unter dem Wilde mit gefangen / in welcher zaum lossen Vernunfft er auch des Koniges Bruder ermordet. Es ist hier nicht langer zu schwatzen ich habe mehr zu verrichten. Ich bin von der Princessin verschickt / sie wird gleich auch dieses Weges kommen / ihr moget euch bey seite thun / daß ihr sie nicht erschrecket. (207) T A R P E J A . Gehet hin unbekandter Freund! der Himmel gebe euch vor eure Nachricht besser Glück als diesen Menschen. Unbarmhertzige Gotter ist das die Ursache warum ihr mich an dem Meer und in der Wüsten erhalten habt /daß ich die Summe meines Unglücks / nemlich den Todt meines Kindes / selbst ansehen solle. Ο Elend / ο aller grostes Elend! das ein Mensch unter dem erzürneten Himmel iemals erleben kan. Aber waß achte ichs. Weil ich eine Mauer bin / wieder welche alle Pfeile des Unglücks abgehen / soll mir auch dieses nicht zu viel werden dem Opffer meines Kindes leiblich selber beyzuwohnen; Ich wills wagen und um den mütterlichen Schmertz mir diese Vergnügung kauffen / daß ich meinen Sohn / welchen ich von dem ersten Anblick an / bißhieher nicht gesehen / zum letzten mahl anschauen kan. Aber wer ist dieses? Ohne ZweifTARPEJA.

Glücklicher Bastard, 5. Handlung

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fei das Fraulein; U n d so gar alleine. Ich mus mich an diese Ecke verbergen / und ihr Vorhaben beobachten. (208)

4. Aufftritt. TANAIS, TARPEJA.

TANAIS. Keine Nacht ist mir iemalß schlafloser gewesen / als die vergangene / welche mir aber dennoch nicht langweilig vorkommen / dieweil mir mein schöner HABIDES niemals aus dem Sinne kommen. Wie voll Sorgen stecken doch die Verliebten. Ich zweifle ob VESUVIUS so viel Flammen in sich führe / als dieses Hertz Gedancken. Wo wolte ich doch hingehen? PALAMOR, PALAMOR. WO bistu denn? Der Bosewicht verlast meine Auffwartung. Doch nein nein / ich habe ihn verschickt / es falt mir gleich itzo ein. U n d nu besinne ich mich auch / w o ich hin gehen wolte. Ich kehre nach dem Tempel / und von dannen zu meinen HABIDES Ο HABIDES ! Strauchelt etwas. In der Warheit ich habe nur einen Schuch an / ich wüste nicht / worum mir das gehen wider Manier so schwer ankam / ich mus zu rücke eilen und solchen nach hohlen. Wer ist dieses? Wer ist hier? TARPEJA. EU. durchl. Unterthanigste Magd. (209) TANAIS. Wer bistu aber? Ich kenne dich ja nicht? TARPEJA. Ein arm Mensch / das Dienste suchet. TANAIS. U n d was denn vor Dienste? TARPEJA. Bey Hof aufwärtig zu seyn. TANAIS. AD SPECTATORES. In der Warheit das Gesichte dieses Menschen scheinet nicht aus dem Pobel herzu seyn. Wer seynd denn deine Eltern. TARPEJA. Die habe ich niemals gekennet. TANAIS. Weistu auch nicht wer sie gewesen? TARPEJA. Man sagt es warn Edelleute aus NAVARE vertriben gewesen? TANAIS. Woltestu dennoch wol treu und dienst willig sein. TARPEJA. Nach allen Krafften. TANAIS. SO splstu gegen allen Unterhalt und N o t h d u r f f t meine Bediente seyn. Wie heistu denn? TARPEJA. Das weiß ich auch nicht / Eu. Gnaden mögen mich nennen wie sie wollen. (210). TANAIS. W i e a b e r .

TARPEJA. Sie nenne mich meinen Unglück zu Trutz FORTUNA. TANAIS. Wie du wilst so nenne ich dich wollan denn FORTUNA. Begleite mich nach dem Tempel. Und hernach an einen O r t h davon du keiner Seele etwas offenbahrn darfst. TARPEJA. In Gehorsam und Verschwiegenheit suche ich meine Tugendt.

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5. Aufftritt. P A L A M O R . TANAIS. T A R P E J A .

PALAMOR. Gn. Princessin: Sie muß sich zu rücke ziehen; Denn der Tempel ist verschlossen. Und wird niemand hinein gelassen. Die Priesterschafft aber ist darinne / und bauet einen Altar / darauf vor Mittag der Gefangene HABIDES soll geopffert werden. TANAIS. Ο daß ich den verfluchten ATHANARICUS selbst opffern solte. FORTUNA warum weinestu? FORTUNA. Weil es ihr nicht nach ihren Willen gehet. (211) TANAIS. Geschwind folget mir. Der Konig mein Vater hat mir HABIDES Freyheit versprochen. Dieselbe will ich als ein königliches Fraulein gehalten wissen. FORTUNA. Gebe es der Himmel / und befreye einsten den Gefangenen.

6. Aufftritt. T Y G R A N . ATHANARICUS. N I C I A S .

SORIAN.

TYGRAN. Es war garzu schrecklich. ATHANARICUS. Habe ichs doch Eur Majest: alle zeit gesagt. Es würde sich die Gottheit noch selbst über den Verzug bewegen. TYGRAN. Wir schlieffen mit halb geschlossenen Augen / und die Gotter mit euch waren uns so geschwinde mit ihren Glantze auff dem Halße / daß uns vor Schrecken ein gantz kalter Schweiß überlieff. NICIAS. Diese Gotter kamen mir possierlich vor. Zumal einer einen Handschuch auff der Treppe verlohren. TYGRAN. Redet nicht so spottisch ihr vermessener. (212) ATHANARICUS. Recht recht gnadigster Konig: E y diß war gar wol geredet.

7. Aufftritt. TANAIS. F O R T U N A . T Y G R A N . N I C I A S . S O R I A N .

ATHANARICUS.

TANAIS. Eine Tochter / welche gestern die Befreyung des Gefangenen HABIDES versprochen worden / erinnert ihm Herrn Vatter und Konig dessen mit wiederholter Bitte. TYGRAN . Liebste Tochter wir erinnern uns des gar wol / nach dem uns aber die Gotter in vergangener Nacht / eben darum leiblich besuchet / uns

Glucklicher Bastard, 5. Handlung

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auch nicht eher verlassen wollen / biß wir ihnen die Rache unsers Bruders auff dem Angesicht versprochen. Alß müssen wir billich unser gegeben W o r t widerruffen / dieweil denen Gottern mehr zu gehorchen / als der blinden Liebe der Kinder. TANAIS. Gnadigster H e r r Vater / will denn Ev: Maj: H e r t z gegen mich gantz unbeweglich werden? (213) ATHANARICUS. Er thuts nicht / es kan auch nicht seyn. TANAIS. Verberge dich / du Blutgesichte. Wollen denn Ev: Majest: das Bitten so vieler brauen Helden vergebens in die Lufft schallen lassen. Mag denn des Gefangenen Edle und unvergleichliche Tugend Ev. Maj: gantz nicht zum Erbarmen lencken? TYGRAN. Tochter / es ist vergeblich. U n d wann alle Haare eures Hauptes Zungen waren / und fingen auff einmal an zu bitten; O d e r wann gleich des grossen DARIJ Heer vor uns auff denen Knien läge / und wehe klagte. So dorfften wir unß dennoch wie gerne wir auch wolten (nicht) zur Barmhertzigkeit lencken. NICIAS. EV. Maj. lassen zu königlichen Gnaden geredet seyn; ich kan nicht begreiffen / woher der Gotter ihr Zorn entstanden. ATHANARICUS. Das will ich euch sagen; Die Gotter wollen: Wer Blut vergeust / derselbe m u ß wider Blut hergeben. NICIAS. Ja wan es mit Willen und bösen Vorsatz geschiehet. (214) ATHANARICUS. Dises ist also geschehen. NICIAS. Wer kan mit Vorsatz handeln w o keine Vernunfft ist. ATHANARICUS. Ey das Gottliche Gesetz ist klar und die Gotter erlassen nichts darinnen wie die Konige offte auff Eur Einreden thun. NICIAS. Dieses aber gehet den Gefangenen nicht an. ATHANARICUS. Was solte ihn davon aus schliessen? NICIAS. Seine unsinnigkeit und beraubte Vernunfft / wider welche kein Gebott Macht hat. ATHANARICUS. Ist er itzt nicht vernünfftig genug. NICIAS. Ist ihm der Mord nicht leid genug. ATHANARICUS. ES hatte ihm zuvor sollen leid seyn. NICIAS. Hattert ihr ihm nur zuvor den Verstand ein geblasen. ATHANARICUS. Ich lasse es die Gottheit verantworten / welche die Rache dem Konig befohln. (215) TYGRAN. W o r z u dienet vergeblich Gezancke? HABIDES ist einmal den Gottern gelobet / aus deren H ä n d e n ihn niemand erretten wird. TANAIS. Auch nicht die Threnen. TYGRAN. Kein Glied vom Leibe / kein Blut aus dem Hertzen. TANAIS. SO wende sich der H i m m e l zu meinen Flehen. Gehen ab. HABIDES aber soll nicht ehe sterben / biß ich meinen Geist mit seiner Seele gen Himmel z u m Geferten ab geschicket.

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Gehet nun hin / und machet alles fertig; was ihr zum Opfer von nothen habet; wir wollen euch selbst beywohnen. A T H A N A R I C U S . E S ist alles richtig. Wir erwarten nur daß das Opffer abgeholet werde. TYGRAN. So gehet dann hin; hier mit erofnet euch unser königliches Wort das Gefangnüs / und übergiebet den Gefangenen unwiderruflich zur Rache Schlacht. Brauchet euern Eiffer vor die Gotter / und richtet ihn nach ihren Gesetze. {216) A T H A N A R I C U S . Alles nach meinen Priesterlichen Gewissen / und nach der Regul welche mir die Gottheit vorgeschrieben hat. Gehet ab. T Y G R A N . N I C I A S wir wollen in Tempel voran gehen. NICIAS. Ich folge: Aber helffe der Himmel / daß Ev. Maj. auff dem Wege einen andern Sinn fassen. Gehen ab. TYGRAN. ATHANARICUS!

8. Aufftritt. TANAIS. FORTUNA.

PALAMOR.

TANAIS. Wolan hier ist keine Hülfe mehr; ich mus mich zu dem Himmel kehren. Und von den Sternen Hulffe er warten. Ihr meine Bediente / seyd auch in diser Andacht meine Geferthen. Kniend. Ο Sonne die du alles regierest / und ohne deren Erhaltung nichts leben mag. Dein allgegenwärtiger Glantz durch strahle mein Gemüth / Worte zu erfinden / wo mit ich meinen unbarmhertzigen Vatter zur Sanfftmuth bewegen möge; Oder eine List erdencken / meinen Gefangenen Bräutigam loß zu machen. Ο du gros-(2/7)ses Licht und güldneß Auge der gantzen Welt; laß mich sehen ein Geheimnüß meinen H A B I D E S ZU erretten / oder sende mir einen getreuen Geferthen / der mir in disen wichtigen Wercke die Hand biete.

Das

ORACULUM

antwortet:

Seine Mutter soll es wagen / Und vor ihn die Bande tragen. TANAIS.

Seine Mutter soll es wagen Und vor ihn die Bande tragen. Ο Himmel ich bin verlassen. Wo soll ich seine Mutter finden? Und wie soll die seine Bande tragen? Da er diesen Augen Blick zur Schlacht Banck wird hin geführet werden. F O R T U N A . Gnadigste Princessin! sie lasse uns doch eilen; Ich will so lange der Mutter Stelle vertretten. Wir haben uns nicht auffzuhalten / denn es mochte sonst / ehe wir dazu kamen / das Opffer volbracht seyn.

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Glücklicher Bastard, 5. Handlung

TAN AIS. Waß wollen wir aber in diser Bestürtzung thun? FORTUNA. Unß gerade hin vor den Altar machen / und (ihn) mit Gewalt dem (218) Pfaffen aus den Händen reissen / und nicht ehe nachlassen / biß wir ihn entweder errettet /oder alle beyde mit ihm zu gleich auf dem Altar geschlachtet werden. TANAIS. FORTUNA, d u b i s t m i r e i n e r e c h t e FORTUNA w e i l d e r H i m m e l d i c h

und du mich mit Muth aus gerüstet. FORTUNA. Ach Princessin eilet wo ihr HABIDES nicht wolt im Blute finden. Gehen ab.

9. Aufftritt. Der Schau Platz zeiget einen Tempel und Altar mit TYGRAN. NICIAS tragt

eine

schüssel

mit Blumen

Götzen.

/ HABIDES in Ketten

gefüh-

ret. ATHANARICUS ein Schlacht Messer. Im Ausgehen wird kidglich MUSICIRET, und die Priesterschafft singet in drey Bässen diese zwey Sätze. (219) 1. N U n ist hier das Opffer Saltz / Komm lege dich du grosser Sunder / nieder / Und beuge den verdamten Hals! Wir singen dir hiermit die letzten Lieder. Komm / komm / bereite dich zur Schlacht / Die deine Mord Faust dir gemacht. 2. Zwar wir wollen deine Reu / Durch unser Flehn / den Gottern erst vortragen Es soll auch unser Priester Treu Dir hülfflich seyn / drum magstu nicht verzagen; Wir wollen dich gar bald entseelen Und deinen Geist der Lufft befehlen. TYGRAN. Hier ist der heilige Orth / an welchen wir euch diesen Missethater und Morder unsers Bruders zur Rache über antwortten so nemet ihn denn hin heiliget und schlachtet ihn nach euern Gesetze. ATHANARICUS. Du Verbrecher! tritt hieher und beuge dein Antlitz / vor der erzür-( 220)neten Gottheit / als denn lege dein Haubt auff diesen Altar / da mit es zum Streiche fertig / wan das Gebett verrichtet. HABIDES. Gar gerne / und unverzagt / will ich dir mein Haupt zur Losung her halten; Die weil ich den grausamsten Todt nimmermehr fürchten werde. Aber über diß einige beklagt sich meine Seele vor ihren Abschied

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daß Sie unbestritten gen Himmel flühen können wo sie sich nicht durch eine eitele Schönheit mit falschlichem Vorgeben der erworbenen Freyheit hatte bezwingen lassen. Wie wol ich dennoch unuber wunden sterben will. Dich Konig achte ich nichts. Weg mit der Freyheit! Sage deiner betruglichen Hellena / welche mir in Gefängnüs wie eine falsche SYRENE vorgesungen / daß ich ihre Erlösung nichts achte / sondern dieselbe mit meinen letzten Seuftzer verschmähet hatte. Hier nun / geweyheter Priester / hastu meinen Hals / welchen ich dir willig auff diese Heilige Städte lege / so bald ich mein Gebett verrichtet / will ich dir mit der Hand ein Zeichen geben / wo nach du deinen Streich zu richten hast. (221)

10. Aufftrit. SORIAN. HAUBTMAN.

Kommen

geschwinde

SOLDATEN.

mit grossen Geschrey dazu: halt / halt.

TYGRAN. W e r erhebt so ein Geschrey?

Was verwegene Menschen unterstehen sich den Dienst der Gotter zu entheiligen? H A B I D E S . Warum verbringet ihr nicht Furchtsamer Priester das Jenige / wo zu ihr mein unverzagtes Haupt so Blutdürstig ein geladen? SORIAN. G. Konig Euer Majest: haben mich mit disen bewehrten Leuthen aler gnadigst beordert / den Fürstlichen Leichnam ihres ertodteten Bruders zum Leich Begängnüs von bewusten Orthe / alwo er auff der Jagt von einen unbendigen Menschen ertodtet worden / abzu hollen. Und ob wir wol denselben damals wider alle Fälle der hungrigen Raubthier in die Tieffe Erde sorgfältig genug verwahret; So hab ich dennoch itzunder / (222) leider den kostbahren Leichnam unter vollen Suchen nicht angetroffen / sondern unverrichter Sache mit meiner Manschafft ohne Leiche wider zurücke kommen / und Eurer Majestät solche müßfällige Botschafft an dieser heiligen Stätte unversäumet verkündigen müssen. A T H A N A R I C U S . Hette denn dieses nicht außer dem Tempel und nach verrichteten Opfer geschehen können / so wäre die Gottheit unbeleidiget / und wir in unsern Ampt unverhindert blieben. SORIAN. Meine Pflicht erforderte seiner Maj: solches an zukündigen / ehe der Mißethäter noch abgethan würde / da mit der selbige könne um den Todten L E U C O R gefragt / und um Antwort wo er denselben hin gethan / angehalten werden.

ATHANARICUS.

TYGRAN. W a n n uns werthester SORIAN, die Vorsichtigkeit eurer Geschaffte

sonst nicht bekandt wäre / so müsten wir die selbige in dieser Verrichtung erkennen. Ihr habt klüglich gethan / daß ihr noch vor der Auffopfe-

Glücklicher Bastard, 5. Handlung

101

rung meines Brüdern Morders zu rucke kommen / und uns die ( 2 2 3 ) Sache unter thänigst erofnet. W i r haben auch heyliger Priester den endlichen Schluß nicht ohn Ursach bey unß gefasset / das Geweyhte Feuer / heunte nicht abzu speissen / sondern viel mehr das auffgestelte Schlacht Opfer lebendig wider ins Gefangnüs zufuhren und nach abgelegter U n sinnigkeit des Todtes um unsern Bruder zu befragen. Vielleicht fügt es der Himmel / eh daß wir in diesen Bekümmernus von ihm benachrichtiget werden. ATHANARICUS. Das können wir itzo alsbald thun / und dennoch das Opfer lassen fortgehn / höre du halb Toder Mensch / wo hastu den Leichnam deß Jenigen gelassen / den du im Walde ermordet? HABIDES. Das weiß ich nicht: Und da ichs gleich wüste / würde deine untröstliche Beredsamkeit mich schwerlich dahin bewegen / daß ichs dir offenbahrte. TYGRAN. Wie aber wan wir dir diesen Befehl geben? HABIDES. Dir zaghaffter Konig so wenig als deinen Priester.

11. Aufftritt. FORTUNA

und

TANAIS

(224)

kommen auch mit Geschrey dazu.

TANAIS. Haltet ein. Haltet ein. FORTUNA. Haltet ein. Haltet ein. ATHANARICUS. Und ihr wolt euch auch dieser hollischen Entheiligung theilhafftig machen. FORTUNA. J a wir seynd deß wegen kommen / dir in dein Opffer Messer eine Scharte zu Schlagen. TYGRAN. Was denckt ihr Tochter daß ihr gleich einer FURIE SO blind zu rennet / und als eine halb rassende weder unser Gegenwart noch die hiedurch gelästerte Gottheit scheuet. TANAIS. Konigl: Herr und Vater Euer M a j : werden ja der einigen Tochter auff ihr Bitten so viel Freyheit schencken / als der Pobel sich unersucht nimbt / und mir bey disem Opfer / daßelbe an zu sehen / eine Statte vergönnen. TYGRAN . H a t euch dieser Vorsatz hie her geführet / so ist euer Walfarth p r e i ß - ( 2 2 5 ) l i e h genug / und ihr seyd deßwegen der Gottheit nicht verhast worden. Wisset aber / daß das Vorhaben zwaar nicht nach bleiben wird / sondern nur biß Morgen zur gewohnlichen Opferzeit verschoben. Da wir euch alß denn auff euer Belieben selbst an der Hand hieher begleitten / und der Abhandlung desselben von Anfang biß zum Ende beywohnen sehen wollen.

Johannes

102

Riemer

Ich dancke euer Maj: unterthenigst vor die Nachricht / und Gnadig beschehene Einladung / und verhoffe als denn beyderley bestes zu geniessen. Eins aber bitte ich von euer Maj: und zwar / damit ich der Erhorung desto gewisser / auff meinen Knien / mit die vatterliche Gnade zu erweisen / und aller gnadigst zu verstatten / daß mir freystehed / so lange der unbekandte Gefangene noch in seinen Banden lieget / ihn auß Liebe gegen seine ungemeine Tugend so offte mirs gefallet im Gefangnüs zu besuchen / und mich an seiner übermenschlichen Beredsamkeit zu ersattigen. (226) A T H A N A R I C U S . Das verstatte der Konig um der Gotter Willen nicht / denn es konte mit starckerer Hand der Morder zu höchster Beschimpffung der Gottheit aus dem Gefangnüs loß gemacht werden. T Y G R A N . Diser Furcht wollen wir schon vor kommen. Und da mit Unser Tochter sich nicht über die Hartigkeit unsers Hertzens zu beklagen Anlaß finde / so wollen wir ihr solch sitzsames Suchen nicht abschlagen / sondern ihr hiemit erlauben / den wider in Hafft gebrachten SCLAVEN diese Nacht über in seinen Gefangnüs so offt es ihr beliebet zu besuchen. Doch also / Tochter / daß ihr niemand und keinen Menschen in eurer Gesellschafft finden lasset / als eine einige Person / von Euren weiblichen Bedienten. T A N A I S . Ich dancke eur Maj: unterthanig vor dise Gnade / ich achte mich nach allen / suche aber itzo Urlaub / die weil ich noch diesen Morgen mich zur Danckbarkeit gegen dieselbe zubereiten will. TANAIS.

A D SPECTATORES.

(227)

Nun will ich den Kummer stillen / Und mein Hoffen bald erfüllen Wen kein Bitten kan bewegen Dem geh ich mit List entgegen. Gehet ab. A T H A N A R I C U S . Euer Majestät erlauben mehr als die Gotter bewilligen. Wann nur diese Gnade nicht übel aus schlaget / und das / was der Gottheit schon gewitmet und eigen ist / boßhafftig gestohlen wird. T Y G R A N . Wir wollen das Gefangnüs mit starcker Wacht versehen / und hiedurch ihr die List wol verbiehten. A T H A N A R I C U S . Ha ha. M E R C U R I U S hat den hundert augigten A R G U S betrogen. T Y G R A N . Die waren leicht zu betriegen / weil sie alle in einen Menschen kunten schlaffrig gemacht werden. Eine gantze Wacht schlifft nicht leicht ein. A T H A N A R I C U S . Der Einige SINON betrug mit seiner List viel tausend Menschen / und verhörte da durch gantz T R O J A . T Y G R A N . Das war ein listiger Grieche: Was wolt ein schwaches Weib dagegen thun? (228)

103

Glucklicher Bastard, 5. Handlung

ATHANARICUS. Ey ey ey Weiber List / über alle List. Ich halte sie für gebrüstete und zwey füssige Schlangen. TYGRAN. Ihre List ist meist Einfalt. ATHANARICUS. SEMIRAMIS sagt nein darzu / als welche mit ihrer Arglist viel hundert Forsten / und gantz ASSYRIEN viel Jahr lang übermeistert. TYGRAN. SO mocht ihr die Wacht verduppeln lassen / so seynd wir als denn aller Sorge über hoben. ATHANARICUS. ES mus geschehen / und zwart augenblicklich. TYGRAN. Morgen aber ehe uns die Sonne grussen wird / mocht ihr im Tempel das Opfer ohn alles Widersprechen abschlachten / damit nicht ein Auflauff des Pobels zu befahren. Gehet ab. ATHANARICUS. Folgt mir als bald mit dem Gefangenen auff dem Fus nach / daß wir ihn wol verwahren. Führet ihn fest / dann wann er euch entspringe / so hettet ihr alle das Leben verlohren. Ihr Hauptman und Soldaten / solt eur Absehen auff den Rücken haben / ich aber gehe vorhin. ( 2 2 9 ) HAUPTMAN. So wollen die Pfaffen auch SERGANTEN seyn / und Soldaten COMMANDIRN.

Gehen zum Gefängnus und setzn den Gefangenen wider ein.

ATHANARICUS. Seht so: Und das sey euch hiemit nun auff eur Leib und Leben gesetzt / daß ihr ja scharf acht habt / und ja keinen Menschen als deß Koniges Tochter nur mit einer Magd begleitet / zu ihm lasset. Ich gehe nun von hinnen / ein wenig zu ruhen / weil ich die vergangene Nacht nichts geschlaffen. Habt wol acht ihr solt auch bey der Opfer Malzeit euch braffe Reusche trincken. HAUPTMAN. Heyliger Vatter / lebt nur ohne Sorgen / an unserer Wacht soll nichts getadelt werden. ATHANARICUS. Der Himmel gebe euch Kraffte darzu / Ade. Seydt wach-

sam. Gehet ab.

12. Aufftrit. TANAIS und

FORTUNA.

T A N A I S . FORTUNA d u siehest / w i e b e m ü h e t i c h b i n den

(230) allerschonsten

HABIDES ZU befreyen / sein Leben ist zwischen heunte und Morgen / was zu thun? Deine Treue zwar habe ich schon geprüfet / und mus gestehen / daß ich dieselbe vor ein unmittelbares Geschenck des Himmels achte. Alleine dieses Hertz hat noch ein Mittel aus gearbeitet / mit welchen ich den liebsten Gefangnen erlosen konte. Woltestu mier recht getreue seyn / so konte ich dir nicht nur das jenige / sondern auch die gantze Sache eroffnen.

104

Johannes

Riemer

FORTUNA. Ich versichere Eur Durchl. vor dem Angesichte des Himmels / und auff meinen Knien daß ich hierinnen getreu / und standhafftig handeln werde. TANAIS. Stehe auf FORTUNA. Woltestu denn auch wol in der Sache eine Gefahr über dich nemhen? FORTUNA. Keine Gefahr / keine Noth / keine Marter ja selbst der abscheiligst Tod / soll so schrecklich nicht seyn / daß er mich von der Erlösung HABIDES abhalten solte. TANAIS. SO wisse denn FORTUNA daß gegen diesen Gefangenen Sohn der Gotter ein keusches liebes Feuer unter dieser {231) Brust angeglummen welches schon so weit um sich gegriffen / daß es durch nichts als durch gegen Liebe / oder durch meinen eigenen Todt kan gedampfet werden. U m diesen seiner Gefangnschafft zu entledigen / hat sich mein Gemüth Tag und Nacht bekümmert / biß mir endlich dise List zu Sinnen kommen. Es hat mein grausamer Vatter meinen Flehen und Bitten endlich dieses noch überlassen / bevorstehende Nacht über / den in hafft ligenden HABIDES frey / und so offt ich will in Begleittung einer einigen Magd / zu besuchen. Woltestu nun dieser Gefährde seyn / und mit mier ins Gefangnüs gehen / so solte HABIDES deine weiblichen Kleider anziehen / und mit mir unter der Gestalt meiner Magd aus dem Gefangnüs gehen / du aber solt so lange an seiner Stadt die Hafft halten. Du darfst dich nicht fürchten / denn ich als denn und mein aus geführter HABIDES wollen nicht ehe ruhen / biß wir dich das Mittel seiner Erlösung gleichfals errettet haben. FORTUNA. Ich warte auff keine Erlösung wenn nur HABIDES auff freyen Fuß stehet / ich freue mich vor ihn zu sterben. Er ( 2 3 2 ) ligt aber in Eisen geschlossen / wie können wir denselben loß machen? TANAIS. Darzu soll uns dieser Schlüßl am füeglichsten dienen. Aber eines nur macht mich bey diser Sache verzagt / daß mich das ORACULUM gespottet / und auff seine Mutter vertröstet / von der ich biß zur Stunde noch nichts erfahre. FORTUNA. AD SPECTATORES. Lehre mich Himmel / waß ich thun soll / ob ich mich ihr offenbahren / oder dasselbe biß zum Austrag der Sache spare. Ich wils nicht thun / denn das Vorhaben verziehet sich nur länger / und der Verzug ladet uns noch mehr Gefahr auff den Hals. G n : Princessin Sie betrübe sich hierüber nicht / und lasse deßwegen den Heldrühmlichen Muth nicht sincken. Die Gotter pflegen niemahls zu betriegen / weil sie denen Menschen ihr Ernstes Gebott darwider gestellet. Die Mutter des HABIDES ist vielleicht nicht weit / und kan in der Erlösung wol das nechste seyn. Was wir thun wollen / muß als bald geschehen / denn {233) alle Augenblick führen uns naher zu dem Todt des Gefangnen.

Glücklicher Bastard, 5. Handlung

105

TAN AIS. So gehen wir denn im Namen deß Himmelß nach dem Gefangnüs zu. Ο ihr helleuchtende Sterne / erofnet uns den Weg / und beschützet uns vor Verratherey. 1. SOLDAT. W e r

da?

TANAIS. Deine Fürstin die dir zu gebieten hat. HAUPTMAN. Sa Pursche ins Gewehr die Princessin ist vorhandten. 2. SOLDAT. Ich mocht gern wissen / waß Sie in der Nacht bey dem Kerle in Gefangnüs machte. 3. SOLDAT. Kinderpossen seyndts mit deinen Fragen. Weistu denn nicht / daß solche Leuthe alles macht haben. TANAIS.

Sey gegrüsset werther Engel. HAUPTMAN.

Schuldere dein Gewehr du Bengel. HABIDES

Meine Seele sey gegrüsset / Die die Bande mir versüsset. {234) Wer hat in der fünstern Nacht Dich so sicher her gebracht / Und waß ist mit diesen Zehrn / Dein holdseeliges Begehrn? TANAIS.

Nichts als dich von schweren Ketten Nun durch meine Faust zu retten Fragstu was mich darzu treibt Lauter Liebe die dir bleibt So lang ich auff dieser Erde TANAIS genennet werde. HABIDES.

Wie kanstu aber Schatz mich aus so vielen Händen Der Wächter führen ab. TANAIS.

FORTUNA soll sie blenden Wan sich dein keuscher Leib in ihre Kleider steckt. HABIDES.

Sie werden den Betrug / aus den Personen mercken Wan zwey nur kommen an / und [. . .] drey gehen wieder aus.

106

Johannes

Riemer

TANAIS.

soll uns nicht mit dritte man verstarcken Sie bleibt an deiner Statt wir aber flühen hinaus.

FORTUNA

Ο kluge

HABIDES. TANAIS.

TANAIS.

Hertz liebster (1.)

HABIDES.

(235)

SOLDAT.

Ich schmeiß dich in die Freß Wan du mir den Taback wilt ins Gesichte blasen. HAUBTMAN.

Nun laß sehn kalbert braff / ihr ungebratnen Hassen. 2.

SOLDAT.

Herr Bruder trincke (Rilps). 3.

SOLDAT.

Saumagen! gib mier her. 2.

SOLDAT.

Der Krug ist ausgelehrt. 3.

SOLDAT.

Sa Pursche. HAUPTMAN.

Ins Gewehr. TANAIS. Entrothet euch nicht mein keuscher Engel / in dem ihr euch vor mir auskleiden sollet. Ich will mein Angesicht verbergen / eilet nur / und leget dieses Kleid an; Du F O R T U N A sey ihm behülfflich. Dann es hat wol eher ein Augenblicklicher Verzug das wichtigste Werck verfälschet. H A B I D E S . Sehr werthe TANAIS ich folge euern Befehl / und bitte daß der Himmel diesen zugelassenen Betrug segnen wolle. (236). T A N A I S . Warum weinestu F O R T U N A fürchte dich nicht / du solst Morgendes Tages loß gemacht werden. F O R T U N A . Gn. Princessin dis sind keine furchtsame sondern Freuden Threnen weil H A B I D E S loß kombt. H A B I D E S . Ich dancke euch ehrliches Madgen / vor eure Treu versichre euch darneben / daß H A B I D E S Leben Euer Schutz seyn soll. 1. SOLDAT. Sie halten sich trefflich lang auff? T A N A I S . SO kommet dann aus erlesene Seele / folgt mir als meine Magd nach. Die Gotter bedecken euch und verblenden die scharffsichtigen Wächter.

Glücklicher Bastard, 5. Handlung

107

halt im Außgehert ein Schnuptuch vor die Nasen / damit man ihn nicht leich erkenne. 2. SOLDAT. Dich freuert gewis an die Nasse du garstige Hure / daß du den Rotz Knochen so warm halst. 1. SOLDAT. D U Narre es reucht nicht allzeit gar wol um die Mußquetierer / (237) und die Hoftaschen seind nimmer deß guten Baisems gewohnet. HAUPTMAN. Das Gewehr vorn Fuß. TAN AIS. So helffen die Gotter denen die sie erhalten wollen. HABIDES. Und fordern die Liebe / welche rein und bestandig ist. Princessin womit kan ich eure Treue bezahlen? TANAIS. Mit auffrichtiger Liebe. HABIDES. So empfange Sie denn dazu das erste an Geld. Küsset Sie. TANAIS. So ist diß die erste Süssigkeit / so iemals auff meinen unberührten Lippen gewachsen / welche ich alle meinen HABIDES ZU dancken habe. Küsset ihn. TANAIS. HABIDES, mein Schatz HABIDES, um des Himmels Willen last uns eilen / dort kombt die Rotte der Pfaffen schon an / welche euch opfern wollen. Empfanget hiemit den Schlüssel zu meinen Schatz Gewölbe / gehet fraget als ein neue Bediente nach demselben / und verberget euch darinne so lange / biß ich selber zu euch komme. (238) HABIDES. Aber wo bleibt FORTUNA? TANAIS. Die wil ich in meinen Schutz nehmen. Ich verbleibe hier / und will in diser Cappelle so lange warten / biß ich Sie durch mein eusserstes widersetzen in vorige Freyheit gebracht hab. HABIDES. SO flieh ich denn / die Gotter seyn mit ihr. HABIDES

13. Aufftritt. ATHANARICUS.

Mit seinen

Gesellen.

Nun endlich wollen wir den fetten Braten anstecken / ihr Herrn CONFRATRES es werden uns brafe Pfennige abtriffen. Wie geths ihr Herrn / wacht ihr noch scharf? HAUPTMAN. Waß bey denen Soldaten Manier und uns vom Konige befohlen ist. 1. SOLDAT. Wie steht es um den Schmaus Herr PATER. ATHANARICUS. Nur stille stille so bald der Kopf herunter ist / soltu zu schmaussen ge-(239) nug haben macht eur Gewehr zum Schutz fertig / wie gehn hinein das schlacht Opfer heraus zu hohlen. Gehen ins Gefangnus fangen ein größlich Geschrey an: Ο weh weh Betrug / Verratherei! HABIDES ist weg / und liegt ein ander auff seiner Statte.

ATHANARICUS.

108

Johannes

Riemer

14. Aufftritt. T Y G R A N . N I C I A S . SORIAN. PFAFFEN und

FORTUNA.

TYGRAN. Waß vor ein jammerliches Geschrey /erreget die Priesterschafft? ATHANARICUS. Ο weh Konig wie wirds euch gehen? HABIDES ist fort / und sitzt ein ander in seinen Gefangnüs. TYGRAN. Ihr irret / vielleicht hat euch die Demmerung betrogen.

15. Aufftrit. TANAIS.

Geschwind aus.

TANAIS. Nein / Herr Vatter / ATHANARICUS hat gar recht gesehn / denn HA-(240)BIDES ist davon / an welche Statt ich meine Bediente FORTUNA geschlossen hab. ATHANARICUS. Ο des verstockten boßhafftigen Hertzens in einen Weibes Bild. Ihr seyd ein Kind der Holle und eine Feindin der Gottheit / eine Rauberin der Opfer / und eine Schande der heiligen Priesterschafft. NICIAS. Der Pfaffe kan keine Majest. schmähen. TYGRAN. Wir wundern uns Tochter über euern ausgedachten Betrug / und können euch unser zugezogene Beleidigung hier über nicht verhalten. ATHANARICUS. Q U I CEDIT IN L O C U M , CEDIT IN J U S . SO s o l l d e r

schand

Balg / welcher in den Betrug gewilliget / an deß HABIDES statt seinen Kopff her geben. NICIAS. Eure Heyligkeiten mochten die politischen Gesetze wol unangezogen lassen / wann sie dieselbigen nicht besser erklaren wollen /als die ietzt angeführte REGUL. Denn dieser Betrug / fals er zu Rache gezogen würde / eine gantz andere Straffe erfordert. ( 2 4 1 ) TYGRAN. Hauptman führet doch den falschen Gefangnen vor uns. HAUPTMAN. Also bald G n : Konig. Pursche einer halte die Wache / zwey schultern ihr Gewehr und folgen mir. ATHANARICUS. Ey / ey / ey / ich schäme mit mit den Gottern zu reden. TANAIS. SO kont ihr einen Gesanden brauchen. TYGRAN. Wie habt ihr ihn aber durch die Wacht bringen können? TANAIS. Ich zog ihm meiner FORTUNA Kleider an / da durch wurden sie verblendet.

Glucklicher

Bastard,

5.

109

Handlung

16. Aufftritt. TYGRAN. NICIAS. SORIAN. Die

PFAFFEN, HAUPTMAN mit

den

SOLDATEN.

FORTUNA.

TYGRAN. Bistu die Mithülffin des Betrugs? FORTUNA. D i e b i n i c h .

TYGRAN. Was hat dich dazu bewogen daß du Gotter und Priester gespottet? (242) FORTUNA. Mütterliche Liebe. ATHANARICUS. SO dorffen die Magdte auch von Lieben reden? FORTUNA. SO wol als die koniges Tochter. ATHANARICUS. D U verdamliches Mensch must sterben. FORTUNA. Darzu bin ich schon bereit. TYGRAN. Die Dirne ist nicht wol bey Sinne. FORTUNA. Itzo besser als bißher. TYGRAN. Bringet sie nur wider an den Orth wo sie sich selbst hin gesetzet. TANAIS. E V . Maj: werden mich ja meiner treuen Bedienten nicht langer beraubet seyn lassen. TYGRAN. Tochter duldet euch biß Morgen / itzo bleibt neben uns / und leistet unß Geselschafft in unsern Zimmer. TANAIS. Mein kindlicher Gehorsam kan in allen disen nichts versagen. ATHANARICUS. SO seynd TYGRAN und TANAIS schon wider Freunde / ob sich gleich das Heer aller Gotter wider ihn beweget. NICIAS. Der ist ein Thor welcher (243) sich unter Eltern und Kinder menget. Gehen ab. 17. Aufftritt. LEUCOR.

LEUCOR. Denen Puschkleppern / bey welchen ich nun eine geraume Zeit Gefängnis halten müssen / bin ich endlich / alß sie sich besoffen hatten / davon gelauffen; Itzo aber gehe ich in der Irre; Kein Weg will sich zeigen / welcher mich auß der Wüsten führte / und mus ich besorgen / ich konte widerum in voriges Unglück fallen. Hilff Himmel wer seind die Beyde / welche von jener Hole her kommen / sie scheinen bey meinen Leben nicht besser / als jene vorige Cammerathen. Zwar itzt mercke ich ihnen an / daß sie auch betrübt seyn / so wol als ich: Vielleicht findet mein Unglück ein par Geferthen. Ich will mich ein wenig hinter dieses Gestreich verbergen / ob ich von ihren Anliegen was vernehmen kann. (244) 8

Riemer II

110

Johannes

Riemer

18. Aufftritt. G A R G O R I S . SIVARINO und

LEUCOR.

SIVARINO. Wolten doch Eure M a j : sich gantz und gar nicht einrathen lassen. GARGORIS. Ach mein einig Kind / TARPEJA meine Tochter / höre auff mein Gewissen zu peinigen. Laß mir einmal Ruh / und verzeihe deinen Vatter sein Unrecht. SIVARINO. EV. M a j : gebe sich zu frieden / ist sie noch am Leben / vielleicht finden wir sie noch. Ich halte davor daß wir schon auff der Persischen Grantze seyn. GARGORIS. Wolte der Himmel daß meine Seele einen Trost einnemen konte mitten in disen Unglück / das Gewissen will uns ja keine Ruehe lassen / und das kleine unschuldige Kind / schwebet uns immer fur Augen. U b e r diß thut das unsern Hertzen weh / daß wir als ein Hirte unsere Schaffe verlassen / und das Reich nun so lange ohne Konig leben muß. Die Laster werden sich hauffen / und alle Sünde (245) ungestrafft bleiben: W o endlich nauß die Straffe henget über unsern Haupt / und die Gotter wissen uns an allen O r t h e n zu finden. Unsere grosse Beschwerung nemlich Cron und Scepter haben wir mit auff den Weg genommen / an welchen wir doch nichts mehr als ein leidiges Merckmal unsers begangenen U n rechts mit uns führen. Jedoch konten wir villeicht eine Linderung unsers Elendes fühlen / wann wir doch nur einen Menschen sehen / der uns auß diser ungebahnten Wüsteney führete. LEUCOR. Ihr Gotter / was seh ich / Cron und Scepter / was vor ein Elend muß disen Konig hieherzwingen? Ich mus mich ihrer Gesellschaft entdecken. SIVARINO. D e r Himmel behüte uns / daß wir nicht in die Begirden der Wilden Thire / oder der Rauber fallen. LEUCOR. Sie seynd kleinmüthig / die Gotter schützen euch ihr Herrn. SIVARINO . H a b t D a n c k mein Herr / eure Stimme zwar hat uns erschrekket / eure Person aber dermassen erfreuet / daß (246) wir die Helffte unsers Unglücks dabey vergessen. LEUCOR. Meine Herrn wir Leben in gleicher Furcht und wandeln in der unsichern Wüste. W o dencken sie denn aus? SIVARINO. In Persien / alwo wir eine entführte Widwe suchen wollen. LEUCOR. In Persien seynd sie schon / und ich bin ein gebohrner Persianer; Wie wir uns aber aus diesen LABYRint finden wollen / kan ich noch nicht ermessen. GARGORIS. Was kommen dort vor bewehrte Leuthe an. SIVARINO. Ihr Gotter erbarmet euch / es sind Rauber.

Glücklicher

Bastard,

5.

Handlung

111

LEUCOR. Nein / nein / ihr Herrn / nun seyd lustig / es ist der Hauptman von des Koniges Leibquard. Doch ach er ists nicht / es ist ein vornehmer Rauber; Last uns fliehen und stecke sich ein ieglicher unter einen Baum.

19. Aufftritt. HAUPTMAN

mit seinen

{247)

SOLDATEN.

Diß ist die Hole / in welcher sich immer Rauber auffhalten sollen. Wir müssen bißweilen einmal hierum streiffen / ob wir etwa einmal eine Beute machen können. 3. SOLDAT. Hier hier giebts was.

HAUPTMAN.

2 . SOLDAT. U n d da auch.

1. SOLDAT. Hier hab ich auch einen. Ihr Pursche haltet sie fest / und nehmet euch wol in acht. 1. SOLDAT. Waß hastu guts bey dir? Sucht um ihr Pursche. 3. SOLDAT. Mit disen ists nicht richtig / das mus ein ertz Dieb sein / der von Hoff entlauffen / er hat Cron und Scepter bey sich. H A U P T M A N . Dise Leute dorffen wir nicht verschweigen / sondern zu Hoffe kunt thun. G A R G O R I S . Ihr Herrn last mich leben. H A U P T M A N . Ich will dir das Leben nicht nehmen wenn du nur sonst richtig (248) bist / und dasselbe von Hoffe davon bringst. LEUCOR. Führet uns zum Konig. H A U P T M A N . Das soll dir widerfahren / gebt eur Gewehr von euch / und folget mier alle drey / in einen Gliede / Ihr Pursch aber / mocht sie von hinden zu mit auff gepasten Haan wol in acht nehmen. Sa! So marschiret. 2 . S O L D A T . D U lang Rock waß hastu dich umzusehen / kehre die Nase vorwerths / oder ich will dir mein FeuerRohr druff setzen. Gehen ab. HAUPTMAN.

20. Aufftritt. T Y G R A N . ATHANARICUS. N I C I A S . TANAIS. SORIAN. F O R T U N A .

HABIDES.

Wir haben ihr unser königlich Wort schon gegeben / daß H A B I DES und ihre Bediente leben sollen. ATHANARICUS. Waß den Gottern gewitmet / ist ja nicht mehr in unsern Händen. (249) T Y G R A N . Seyd zu frieden ATHANARICUS. Euer Stillschweigen soll euch mit königlicher Wolthat vergolten werden.

XYGRAN.

112

Johannes

Riemer

ATHANARICUS. NU nu! So mag es seyn. Kan ich den Brieff dazu nicht heunte unterschrieben haben. TANAIS. Ich dancke eur Majest: mit kindlichen Gehorsam vor die Freylassung HABIDES, und meiner Bedienten FORTUNA. TYGRAN. Die Liebe steiget mehr unter als auff warts! wir haben euch / ungeacht grosses Bedenckens / diese beyde / vor welche ihr gebetten / erhalten wollen. Was wolt ihr aber nun mit HABIDES machen. TANAIS. Solte seine Tugend und schönes Ansehen Ihn nicht würdig machen / daß er geliebet würde? TYGRAN. Wolt ihr ihn lieben? TANAIS. Dieses hab ich ja nur in eine Frage abgefast. TYGRAN. Das würde uns wol anstehen / wann unser Tochter einen Sclaven liebte / von dessen Herkommen man nichts wüste. {250) TANAIS. Der Pobel siehet in lieben auff daß Geblüte / und nicht auff die Tugend.

21. Aufftritt. T Y G R A N . ATHANARICUS. N I C I A S . TANAIS. S O R I A N . F O R T U N A . HAUPTMAN mit

den

HABIDES.

SOLDATEN.

HAUPTMAN. G n : Konig / auff euer Maj: Befehl durch streiche ich bißweillen die Schwänze Wüsten denen Raubern alda eine Furcht / und die Strasse sicher zu machen! Und in dem ich heunte eben diß verrichte / habe ich drey Personen an selbigen Orthe gefangen genommen / weiß aber nicht / wer oder waß sie seyn / schon seynd sie von Gesichte wolgewachsen an Leibe / und bey dem einen habe ich Cron und Scepter gefunden. TYGRAN. Ich wundere mich über euern Bericht / daß sie zur stunde vor uns gebracht werden. H A U P T M A N . S a i h r P u r s c h e MARCHIRET e i n .

Hierzu kommen

G A R G O R I S , SIVARINO,

(251)

LEUCOR.

GARGORIS. Gnadigster Konig hier ist die Cron und Scepter. TYGRAN. Welchen stehet sie zu? GARGORIS. Diser Hand und Haupte. TYGRAN. Wer bistu denn? GARGORIS. Ein Konig der seine Tochter suchet. TYGRAN. Ich erstarre über disen Worten bistu klug. GARGORIS. SO lange die Gotter wollen. TYGRAN. W o bistu Herr. GARGORIS. Ich bin ein Konig der CURETEN, welcher seine einige Tochter um eines Falles willen / auf einen segellosen Schiffe / mitten in die See

Glücklicher Bastard, ί. Handlung

113

setzen / und ihren Gluck und Unglück nach schwimmen lassen. Nach bewiesener straffe hat mich das Gewissen nicht auff meinen Throne wollen ruhig sitzen lassen / sondern so lange gepeiniget / bis ich mich endlich auffgemacht / und gantz Persien zu durch suchen Vorhabens bin. {252) TYGRAN. Seyd ihr der machtige und berühmte Konig der CURETEN? GARGORIS. J a . TYGRAN.

GARGORIS.

GARGORIS. Nicht anders. TYGRAN. Ey verzeihet uns Konig / daß wir eure Ankunfft nicht mit besserer Ehrerbiettung erkand haben. Wir heissen euch im Namen unserer Gotter wilkommen / und bitten euch Cron und Scepter zuempfangen / und an unsere rechte Seite zu tretten. GARGORIS. Ach ich elender Konig / kan keiner Ehre geniessen / so lange das bose Gewissen meiner verstossenen Tochter mich naget. FORTUNA. (AD SPECTATORES.) Das kindliche Hertz kan sich nicht langer bergen. Seht hie Herr Vatter! hier stellet sich eure Tochter TARPEJA, welche euch wider trösten wird. GARGORIS. Bey meinem Leben dis ist unsere Tochter. TARPEJA! Ach tausendmal geliebte T A R P E J A . Küsset sie. Ver-{253)zeihet mir doch / was der blinde und tolle Eiffer an euch verübet hat. TARPEJA. Gar gerne / wischet ab eure betrübte Vatter Threnen. GARGORIS. Nun bin ich zu frieden / und will mit Freuden meine Grufft erfüllen. Wie wol ich ohne Threnen nicht dencken kan / an eur damaliges liebes Kind. Ach wolten und aber wolten die Gotter / wir hatten es leben lassen / und bey uns erzogen. So dürfften wir doch disen gewissens Wurm unter unsern neuen Freuden nicht mit in die Erde nehmen. TARPEJA. Diese Wunde kan HABIDES zum besten heilen. GARGORIS. Ist er etwa eur liebster. TARPEJA. Nein / eur Tochter Sohn / den ihr ins Meer werffen lassen. GARGORIS. Mein Enckel. HABIDES. Seyd ihr mein groß Vatter? GARGORIS. Wie meine Tochter spricht. HABIDES. Und ihr meine Mutter. {254) TARPEJA. Wie das Brandmal auff euern Rücken bekennen wird /als welchen mein Name einverleibet. HABIDES. In die Arme voller Freuden. Durchleuchtigste Princessin Theur wertheste Fr: Mutter. TYGRAN. So liebet unsere Tochter sehr Glückseelig / weil sie so eines machtigen Koniges Enckel zum Liebsten hat. Aber wer ist dieser? GARGORIS. Es ist ein Fürst und mitGlid meines Reiches.

114

Johannes

Riemer

Der sich demüthig zu den Füssen seines Sohnes niderleget / und um Gnade bittet. T A R P E J A . Seyd ihr mein Mann? SIVARINO.

SIVARINO. J a .

Mein Eidam. Wie ich vor den Gottern nicht leugnen kan. T A R P E J A . Treff ich hier den Dieb meiner Ehre an; Bistu die Ursache meines so vielen Unglücks du must von meiner Faust sterben. (255) GARGORIS.

SIVARINO.

NB. Ziehet das Messer aus / und will ihn

erstechen.

Du Betruger du must sterben. H A B I D E S . Haltet ein. Und liebet ihn. Denn hiedurch werdet ihr erweisen / daß ihr meine Mutter / und ihr mein groß Vatter seyd. Ich dancke ihm / und ehre den von dem ich das Leben und ein dapfers Gemüth habe. Gnadige Frau Mutter. T A R P E J A . Was gefalt meinem liebsten Sohne. H A B I D E S . Daß sie mich liebt. T A R P E J A . Das thu ich auch. H A B I D E S . Aber meinen Herrn Vatter noch mehr als mich. T A R P E J A . Wie ich nun mehr gelehret werde. H A B I D E S . SO küsse sie ihn. T A R P E J A . Wol tausend mal; Und ihr eure T A N A I S . H A B I D E S . Ohne ermüden. (256) G A R G O R I S . Wie doch der Himmel allen höchst betrübten unverhofft einen Freuden Tag zu machen weis / sonderlich denen jenigen /welche unter denen Cronen mit schweren Sorgen sich Tag und Nacht plagen müssen. TYGRAN. Gewis diese höchst glückselige Freude ist nicht zuverschweigen / sondern mit immer wehrenden Gedachtnüs Seilen unvergeslich zumachen. Hatte uns ach! das betrübte Leidwesen unsers ertodteten Bruders nicht in ein allgemeines Reichs Trauren gesetzet / bey unsern königlichen Ansehen / wir wolten diesen vielfachen Glück einen solchen Jubel Tag anstellen / daß die gantze Welt sich drüber verwundern solte. LEUCOR. Ich lebe noch / und dieses darff meinet wegen nicht nach bleiben. T Y G R A N . Ach Bruder Bruder / unser Bruder. Umarmen alle einander. Wie seynd eur geliebten von Todte erstanden / und wo seynd sie so lange gewesen? LEUCOR. Ich war nicht gantz ertodtet / sondern in eine Ohnmacht gefallen; Daher mich SORIAN und N I C I A S in einen (257) Rauber Kasten verwahret hatten / zwene Rauber aber / waren willenns mich aus zu ziehen! Da sie nun den Kasten eröffneten / befand ich mich \vider im Leben und kunte kaum ein Wort in grosser Noth dasselbe behalten. Die Räuber / damit ich ihr Nest nicht entdecken mochte / wolten mich weil ich um mein Leben so sehr flehete / ewig bey sich behalten! bis sie endlich sich GARGORIS.

115

Glucklicher Bastard, 5. Handlung

besoffen / und ich da sie schlieffen aus der Hole davon flöhe / und aus der Irre mit diser Gesellschafft hiehergebracht worden. TYGRAN. Nun ist unser Jauchtzen vollkommen / und die Freude kan keine Zunge aus sprechen. Wer hat iemals zwo solche machtige Cronnen in der gleichen Vergnüegung beysammen / gefunden? NICIAS. Wer hat auch iemals zwo Cronnen in grossem Unglück verdunckelt gesehen? GARGORIS. SO ist nun das Glück nach aus gestanden Ungemach desto süsser. TYGRAN. Zumal wann wir zwey schone Paar wider alles Absehen darbey vermahlet finden. Wolan wir versprechen euch dapferer HABIDES unsere Tochter TANAIS und zum Brautschatze / nach unsern Tode / das gantze Königreich. (258) HABIDES. Wir dancken euer Maj: und wüntschen derselben langes Leben. GARGORIS. Fürst SIVARINO, empfanget hiemit gutwillig / was ihr euch zu vor / wider unsern Willen / genommen / zum Zeugnüs unserer Liebe und Threnen vollen Freude nehmet auch zu gleich Cron und Scepter / und unter denselben das gantze Reich / in eure Regirung. Lange Lebe SIVARINO K o n i g d e r

CURETEN!

SIVARINO. Die Gotter dancken eur Maj: und bekrönen ihr Alter mit frolichen Tagen. TYGRAN.

Nun ist der Sturm vorbey. LEUCOR. D e r Schreckliche

DOLPHIN

Hat nunmehr ausgeraset. OA.

Ich kan wol nicht um hin Ich mus der COMPAGNIE mich itzo offenbahren. GARGORIS.

Die Wetter seind zu gros / so über Cronen fahren. Glück zu ihr Herrn. NICIAS.

Hab Danck. SORIAN.

Was wiltu OA. OA.

Was wiltu du nasenweiser Kerl.

116

Johannes

Riemer

TYGRAN.

Wer störet unsere Rueh? [...]

(259)

SORIAN.

Ein halb verwirter Mensch. TYGRAN.

Wer hat ihn das befohlen. OA.

Fragt dieser grau Barth auch mein I'rinck Geld wil ich holen. TARPEJA.

Mein OA ist auch hier. OA.

Mein OA ist auch hier Ihr seyd die rechte. SLVARINO.

Schweig. OA.

Mein Herr verzeihet mir. Du außgemachter Schelm.

GARGORIS. OA. SA! C O N T R A ! TYGRAN.

Ich erstarre Wer ists? SLVARINO.

Ein Simpler Mensch. GARGORIS.

Und meiner Tochter Narre. TYGRAN.

Ha ha! so ist die Lust noch grösser alß zuvor. LEUCOR.

So öfnet uns das Glück auff einmal alle Thor.

Glücklicher Bastard, ί . Handlung TYGRAN.

Der Gott in Persien kan durch die Nebel streichen Und diese unter Welt mit seinen Stral erreichen Daß POLLUX sich nicht mehr und CASTOR lassen sehn. TANAIS.

J a wan der Himmel will / muß alles Leid vergehn. GARGORIS.

Doch müssen Konige die Gotter nicht erbittern Durch ungerechten Zorn sonst müs-( 260) sen sie erzittern Wann sich Gerechtigkeit in Tyrranney versteh. TARPEJA.

Wer sein Gewissen Von schnöder Hitz Und wann die Ehr Als wann er seinen

rein und unbefleckt und Brunst der kan gekranckt sich mehr Sinn durch Wollust

behalt in Unglücks Fallen zu friden stellen selbst bethort.

SLVARINO.

Ich leugne keine Schuld die List war unerhört. Doch weil ich den Betrug den Gottern abgebetten Seynd sie an meine Statt mit voller Gunst getretten Verzeihung folgt der Reu. N u n seynd sie ausgesöhnt. TANAIS.

Itzt ist mein HABIDES in Persien gekrönt. HABIDES.

Der unter Wilden Thiern Das Scepter müssen führn. TANAIS.

Ey waß der Himmel will zu seinen Ruhm erquicken. Kan auch die offne See mit Wellen nicht ersticken. GARGORIS.

Ein klein unschuldig Kind büst nicht der Eltern Schuld. HABIDES.

In solchen Unglück ist das beste die Gedult. TANAIS.

Wer ohne üppig Gifft nur reu und Treue liebet Bleibt im Gefängnüs froh in Banden unbetrüebet. Ο teuerß loße Geld!

HABIDES.

118

Jobannes

Riemer

T A N AIS.

Mein mehr als halbes Hertz! HABIDES.

Ich lieb dich. 5

T A N AIS.

Und ich dich. NICIAS.

Seht wie der liebes Schertz. Dem neu vermahlten Paar itzt aus den Augen lacht. 10

is

LEUCOR.

Man hatte meinen Leib schon in die Grufft gebracht. Die unverzagte Brust stund durch die Wunde offen. Man dacht / ich ware schon in meinen Blut ersoffen. Ich schiene gantz entseelt bey allen. Aber doch Mein Geist erholte sich.

{262)

OA.

20

25

Und OA lebt auch noch Den Gottern sey gedanckt. Zwar hielt es etwaß harte Da ich den Konig ließ mier gucken in die Charte. Ihr Kupier horcht hieher / es setzet schlechte Trümpfe Ihr Magde die ihr offt um ein Paar rothe Strümpfe Nemht liebes Brieffgen an / die an die Jungfern stehn Acht Groschn ist eur Lohn: Auch wol drey Ellgen Flohr So öffnet ihr des Nachts die Thür und hinter Thor. Legt dieses Handwerck ein / kranckt nicht die Armen Mütter Wo nicht so seht euch vor daß ihr nicht selbst den Splitter In eure eigne Haut euch unbedachtsam stecht / Geschichts / ich klag euch nicht. Es ist euch eben recht. GARGORIS.

so

So seindt wir alle samt vergnügt. SLVARINO.

Der Himmel hats also gefügt. Weicht Sorgen. 35

^ TYGRAN.

Traurige Geberden. GARGORIS.

Das heist ein glücklich Bastard werden.

{ENDE)

(263)

DER GLÜCKLICHE BA= START. ODER DER TYRANNISCHE GRAU= SAME

GROSS=VATER.

Nahmen der Personen. König der C U R E T E N , TARPEIEÜS Vater. Printzeßin der C U R E T E N , G A R G O R I S Tochter. SIVARINO, ein Printz, heimlicher Liebhaber der Printzeßin. M O N C A D O , ein Printz. B E R E N I C E , der Printzeßin T A R P E I A Hoffmeisterin. H A B I D E S , der Printzeßin T A R P E I A und Printz SIVARINO Sohn. ONA, der Printzeßin kurtzweiliger Diener. N U N I U S , G A R G O R I S Cantzler. C E C R O N , G A R G O R I S Geheimer Rath. C O B A R E S , ein Traumdeuter. GARGORIS,

TARPEIA,

FAUSTIL. Ι KLIM.

„ )

B A U E M

·

Bäurin. H E M P E L , ein Jude. ( 2 r ) T Y G R A N , König in Persien. TANAIS, deßen Tochter. L E U C O R , des TYGRANS Bruder. P R I T A S , ein verbannter Persischer Fürst. F R O T E S S E , deßen Gemahlin. N I C I A S , Persischer Feldherr. SORAN, Persischer G E N E R A L , untreu. ATHANARICUS, Persischer Hoher Priester. ACCA,

PARTHENOPE. LEUCOSIA.

| Zwo See Göttinnen.

PROTHEUS. 1 ~



GLAUCUS.

Soldaten. Staat. (2V)

C

> Zwene See Gotter.

I

Actus I. Seena 1. und O N A mit dem iungen H A B I D E S . (: Das T H E A T R U M ist ein Wald:)

BERENICE

BERENICE. D e n Göttern sey gedanckt, ONA! daß wir ungehindert hieher

kommen sein, hier wollen wir den iungen Prinzen laßen. ONA. Seydt ihr närrisch? wer wirdt dem Kinde hier was zu freßen geben, wer wirdt es säubern, im fall es die Windeln unsauber gemacht hat, wann wir weg gehen? B E R E N I C E . Die Götter werden schon iemandt schicken, der es zu sich nehmen wirdt, stehe du inzwischen auf der Schildwacht, daß uns hier niemandt überfalle, du weist, der König ist mit der ganzen Hoff= Stadt auff der Jagt, ich will inzwischen dem Kinde den Zolp einlegen, fein warm zudecken, und also verwahren, damit es keine Noth anstosse. ( 3 r ) ONA. SO gehts, wenn man Hurenkinder bekombt, so darf man sich nicht wohl mit ihnen an das Tageslicht wagen, Ich meine, Ich meine, wann es der König wüste, daß die Prinzeßin T A R P E J A ihre Ehre so hat verhundosen laßen, undt ein Jungfer Kindgen bekommen, sie müste 14. tage nacheinander Kirchenbuße thun, oder etliche Gro: straffe geben; Sie mag mich wohl zum freunde behalten, daß ich es nicht sage, oder es wirdt wunderlich heraus kommen. Ροζ Element! das Kindt zugedeckt, ich sehe was. Geschwindt, gehe ihnen entgegen, undt halte sie auff mit reden. ONA. ES wirdt nichts zu bedeuten haben, es sindt nur etliche Sperlinge gewesen. B E R E N I C E . Vor Sperlinge haben wir uns nichts zu befürchten, nun bin ich fertig mit allem, kom hilff mir, in diesen Korb wollen wir es an einen Ast hengen, damit ihm das Wildt keinen Schaden thue; Sey aber erstlich zu 1000 mahlen geküßet, ( : K ü ß e t das (3V) Kind:) du Herzens Schaz! der Prinzeßin Ehre zu erretten, mustu unschuldig dieses außstehen, die Götter verlaßen niemandt, bistu nun von ihnen entsproßen! so werden sie dich alß ihrem Saamen nicht verlaßen, bistu aber von Menschen gezeüget? so weiß ich, daß der Himmel dich auch nicht verwerffen wirdt. {-.sie hengen ihn auff:)

BERENICE.

9

Riemer II

126

Johannes

Riemer

ONA. N u n guten tag, B ü b g e n ! wer weiß, wann wir einander wieder sehen; Ist das nun nicht zu verwundern? hier haben wir ein Kindt, undt wißen keinen Vater darzu. E s geht dem iungen Prinzen fast wie mir, er hat eine Mutter undt weiß von keinem Vater, undt ich habe einen Vater, aber mein tage keine Mutter gehabt. BERENICE. Stille, ONA! trit du an diese, ich will an jene seite tretten, so baldt iemandt k ö m b t , undt das Kindt erblickt, wollen wir uns wieder fortmachen. ONA. Sch; Sch! ich höre was, huy, daß es wieder Sperlinge sein. (4r) BERENICE. Geschwindt an die seite, still, still, ich sehe iemandt k o m m e n .

Seena 2. FAUSTIL, (:.Das

ACCA.

T H E A T R U M bleibet

Waldt:)

FAUSTIL. N u r fort, ACCA! nur fort, du must für dießmahl in einen sauren Apffel beißen, dieser w e g wirdt uns nicht aufffreßen, die H i z e ist dieses Jahr so groß gewesen, daß nicht allein kein Futter worden, sondern auch alle K ü h e ümgefallen sein. ACCA. A c h die Fahle kränckt mich noch, wenn ich daran gedencke: Alle morgen wenn ich in Stall kahme, u m b sie zu melcken, so schrie sie mich so freundlich an, alß wolte sie sagen: Guten Morgen, Mutter ACCA! undt nun müßen wir sie dem Schinder zu rücke laßen, undt wir h a - ( ^ t ' } b e n so einen H a u f f e n in sie gesteckt, Ach, du arme Fahle, du arme Fahle, ('.weinet·.)

FAUSTIL. J e thu doch nicht so, alß woltestu dich gar auff hencken, wann einer sich stracks über eine K u h e wolte zu tode grämen, so were HERCULES schon längst von Würmern oder Raben verzehret, gedencke doch, dem wurden wohl auff die 20. stück Vieh gestohlen. ACCA. J a es hat sich was tolle, der hatte einen ganzen Stall voll vieh, da kan man noch wohl 2. oder 3. stücke darvon mißen, aber wenn man wenig hat, kan man auch wenig entrathen, undt zu dem, wer weiß, o b es einmahl wahr ist, daß sie ihm sindt gestohlen worden, du weist, er ist ein schlim Schelm, er schlägt wedlich zu, wenn man ihm was nehmen will, er kloppt wacker auff die Finger. FAUSTIL. D u bist auch nicht recht klug, kluppe du auch, wenn du schiäffst; du west CACUS ist ein abgeschaumeter Vogel, er wirdt sich an das Vieh nicht gemacht haben, solange FERCLES gewacht hat, undt zu dem ( 5 r ) hat er die K ü h e bey den Schwänzen, recht zu sagen, rückwerts in seine H o l e gezogen, daß man drauf geschworen hette, das Vieh were aus der

Der glückliche

Bastart, Actus

I.

127

Holen gekommen, denn die trappen gingen alle außwerts. Undt das ding were auch ganz verschwiegen blieben, wann nicht eine Kuh darbey gewesen were, die rindern wolte, undt nach dem Ochßen schrye, da F E R C LES das hörte, ging er in die Hole, undt gab dem Dieb so eine derbe Maulschelle, daß er zu boden fiel; Es war zwar nicht recht, daß er der lieben Obrigkeit ins Handwerck fiel, dann F E R C L E S war eben so ein Dieb, alß C A C U S , iener hatte sie eben auch dem G E R Y O N genommen, alß er ihm den Halß gebrochen hatte. ACCA. Je, behütte uns der Himmel! was sindt das vor Leute? höre doch F A U S T I L ! hat es denn der Strafherr EVANDER nicht erfahren? F A U S T I L . Ey freilich hat ers erfahren, aber du siehst ia wohl, wer da schmert, der fehrt; FERCLES steck-(5")te dem EVANDER ein paar Ochßen davon in die Ficke, so sähe EVANDER durch die finger. ACCA. Ey mein, gehts nicht wunderlich zu, wann kein König im Lande ist, die Ambtieute sindt zu Zeiten nicht drey Pfennige werth, ich weß, wie sie uns schüren. FAUSTIL. ES bleibt darbey ACCA! wir wollen fort, undt zwar in ARCADien, am großen Berg CYLLENE wollen wir uns ein Hüttgen bauen, und den Leüten ümbs Lohn das Vieh hütten, biß wir wiederumb uns eine Ziege oder Kuh kauffen können. ACCA. Laß uns immer im gründe hienauff gehen, auff dieser seite haben heute die Hunde so sehr gebellet, wer weiß, obs dar sicher ist — — Je F A U S T I L ! sieh doch, was hengt hier. F A U S T I L . W O denn? ACCA. Siehstu denn nicht, du Ochße! den Korb hie? ( 6 r ) F A U S T I L . Wanns ein Kober wäre, gedächte ich ein Kühhirtte hette ihn hergehenget, ich muß doch sehen was drinnen ist: Es ist ziemlich schwer.

(:nimbt es ab:)

ACCA. So wahr alß ich eine Frau bin, es ist ein Kindt. F A U S T I L . ΡΟΖ Stern! es läst doch, alß wann es ein Kindt were. ACCA. Mann! ich will es zu mir nehmen. F A U S T I L . ό nein, Acca! wer weiß, obs nicht ein Berg Kobolt, oder ein Alp Männgen, oder wohl gar ein Wechselbalck ist? ACCA. E y Narre! siehstu nicht, das Kindt ist sehr freundlich, siehe, siehe Faustil! wie es schmunzelt? F A U S T I L . Sieh, sieh, wie es grinßt, guten tag, Kleiner! A C C A . Wer weiß, obs nicht ein Mägdgen ist. ( : N B : befühlet ihm die NaaKom, kom O N A ! nun haben wir gewonnen spiel, diese Hirten werden es nicht verlaßen. (-.gehen beyde ab:) (6V) F A U S T I L . Je lerne du mich doch die Jungen kennen, ich sehe es ihm an der Naase an, es ist ein Junge, glück zu, Männichen, glück zu.

BERENICE.

128

Jobannes

Riemer

liebes Herzgen! ich muß dich eins küssen. (:küßet es:) Hör doch, kleiner! weßen Vater bistu, wie heist deine Mutter? ACCA. Sey doch nicht so albern, Mann! das kleine Würmgen wirdt dirs schon sagen können, wer sein Vater oder Mutter ist? ist es doch kaum trucken worden, wie will es denn reden können? F A U S T I L . Es wirdt wohl die Windeln unsauber gemacht haben, weil es so stille ist. ACCA. Laß seyn, das Waßer machet alles wider sauber, du wirst es auch wohl nicht beßer gemacht habenn. F A U S T I L . A C C A ! es geht wohl nicht recht zu mit dem Kinde, es hat so helle Äuglichen, undt so hübsche Windlichen, wer weiß, welcher Juncker Vater darzu ist, du ( 7 r ) weist, es gehet zu Zeiten, eben so toll unter ihnen her, alß unter uns. ACCA. Die Windlichen sindt recht klar, neulich hatte unser Juncker so ein Hembde an, gut! gut! da kan ich ein paar Schleyer davon haben. F A U S T I L . Wann du die Windeln meinst, wo wilstu denn das Kindt laßen? ACCA. Wir wollen es immer mit nehmen, nimbst man doch einen Hundt oder Kaze von der Straßen ins Hauß, warumb denn nicht ein so liebes Herzgen, wanns beym Leben bleibt, undt wirdt groß, kan es uns die Kühe hütten helffen. F A U S T I L . Ich wills auff den Bocke lernen laßen, es soll mit manche Freude undt Kurzweil machen. (:Die Jagt wird abgeblasen:) A C C A . Wanne, Wanne, F A U S T I L ! was gibts? F A U S T I L . Huy! daß eine Schelmerey darhinter ist, vielleicht haben sie das Kindt mit fleiß hieher g e - ( 7 v ) hengt, undt iezo pfeiffen sie ihm, es soll wieder kommen. ACCA. Es kan was dran sein, wollen wir es wieder aufhengen? F A U S T I L . Das versteht sich — — Ach halt, A C C A ! Halt, da kommen ein hauffen Leute her, sie haben schon gesehen, daß du es hast abgenommen. Ach, Ach! wie wird es uns gehen? ACCA. D U FAUSTIL.

Seena 3. G A R G O R I S , T A R P E I A , SIVARINO, M O N C A D O ,

[...]'

alle mit Fang Eisen, Bogen und pfeilen. (:Das T H E A T R U M bleibet Waldt:)

Wie günstig uns diesen Tag D I A N A gewesen, gibt die Menge des Wildes zu erkennen, welche gefället vor unsern Füßen liegen. Es soll auch ein reiches ( 8r) Opffer ihr zu Ehren, auff ihrem Altar geliefert wer-

GARGORIS.

Der glückliche Bastart, Actus I.

129

den, damit wir den Schein undt glänz ihrer Gunst hinführo mehr sehen mögen, Ihre Lichthörner mögen uns niemahls untergehen. SIVARINO. Daß unsere Hunde was zu treiben, und unsere Jäger was zu stellen gehabt, wie ich mir gänzlich einbilde, kömbt daher, weil die Prinzeßin TARPEIA ihre Gegenwart diesem Jagen gegönnet. Ich glaube nicht, daß DIANA, wann sie die Menschen ihrer gegenwart würdigen solte, muthiger das Wildt anfallen würde; Gnädigster Herr undt König! wir reden nicht unrecht, wann wir sie alß eine andere DIANA loben undt verehren. TARPEIA. Ich solte mir fast einbilden, Prinz SIVARINO! hat seinen Sinn dem schmeicheln gewidmet, wann ich sonsten seiner Auffrichtigkeit nicht versichert wäre, denn so wenig der Himmel mit der Erden, der Mensch ( 8 V ) mit dem Wilde kan verglichen werden, so wenig kan TARPEIA mit DiANen in gleicher Waagschale stehen. MONCADO. Durchläuchtiger Prinz! sie werden mir verzeihen, daß ich ihre Parthey annehme, undt unserer gnädigsten Prinzeßin, einen kleinen Obstat halte. Sie sagte der Himmel könne nicht mit der Erden, undt der Mensch mit dem Wilde nicht verglichen werden, ich behaubte beydes. Wer kan leugnen, daß dar der Himmel sey, wo sich die Götter sehen laßen, undt wer kan in Abrede sein? daß der Mensch gegen seinem Feinde, einem Wildt gleich geachtet werde, das erste nehme ich von der Buhlschafft des JUPITERS mit der SEMELen her; das andere beweist sich mit täglichen Exempeln, undt wenn sie den Sachen recht wohl nachdencket, wirdt sie befinden, daß ich in allem die Wahrheit gesagt, doch auch darbey ihrem Diener verzeihen, daß er so kühne gewesen, sie eines ( 9 r ) Irrthumbs zu beschuldigen. Dem sey nun wie ihm wolle, so halte ich dennoch Prinzens SIVARINO Parthey, undt sage: Daß TARPEIA eine DIANA unserer Felder undt Wälder ist. GARGORIS. Der Bogen ewrer gedancken wirdt vergebens so hoch gespannet, man verkleinere den RESPECT unserer Göttin DiANen nicht mit solchen unheyligen reden; Wir sindt GARGORIS, ein König der CURETEN zwar, aber dennoch von menschlichen Saamen entsproßen. Unsere Mutter hat kein JUPITER, APOLLO, oder MARS geliebet, undt unser Vater hat keine VENUS gekennet, alß wohl ANCHISES gethan, wie kan es denn möglich sein, daß TARPEIA eine andere DIANA sey. SIVARINO. ES werden Ihre Mayt: mit keiner Ungunst unsere Reden belegen, ist schon die Prinzeßin in allen der Göttin DiANen nicht zuvergleichen, weil diese sterblich, iene aber der unsterbligkeit ( 9 V ) halber ewig berühmt, so werden sie doch gezwungen bekennen müßen, daß unsere Gnädigste Prinzeßin zum theil Göttlich. Dann werden die Könige auff dieser Welt alß Götter geachtet, wer wirdt der Prinzeßin den Nahmen Göttin streitig machen, weil sie das Glück hat Ihrer Mayt: Tochter zu sein.

130

Johannes

Riemer

GARGORIS. Wir wollen dieses gespräche ändern, so es euch beliebt ihr Prinzen, denn ich fürchte, daß entweder eine Einbildung oder Verachtung auß diesem DISCURS herfür brechen mögte. MONCADO. Wir gehorsamen in allen, Ihrer Mayt: willen, welchen wir alß ein hohes geboth auffnehmen. Wie hat Ihrer Maiestät der große Behr gefallen? ging er nicht beherzt seinem Feindt entgegen? GARGORIS. Nicht alleine der Behr, sondern auch das wilde Schwein hat Uns über die maßen wohl gefallen, wieder diese beyde, muste die Tapfferkeit selbst ( 1 0 r ) das Eisen führen. Ihr muthiger Prinz SIVARINO! habt heute diesen tag zu erkennen gegeben, daß kein Verzagter euer herr Vater gewesen. Es bleibt bey dem alten Sprichwort: Kein Löwe wirdt von einem Schaaffe gezeüget. SIVARINO. Es beliebt Ihre Maiestät mit Dero unterthänigem Diener zu scherzen, ich solte den Zweck meines Wunzsches erlanget haben, wann ich nur meinem gnädigsten König undt Herrn einigen wohlgefälligen Dienst geleistet hätte. GARGORIS. Ihr, so wohl alß Prinz MONCADO habt unser Verlangen gestillet, die Tapfferkeit hat zwischen euch beyden einen Wett Kampff angestellet, beyde waren tapffer, beyde waren glücklich. MONCADO. W o mag aber unser ONA heüte gewesen sein, durch Ihn wer die Lust dieser Jagt nicht wenig vergrößert worden, wann er sich darbey hette finden laßen. (10°) GARGORIS. Es ist wahr: Wir haben ihn heute noch nicht gesehen, wo mag er sein Prinzeßin? TARPEIA. Gnädigster Herr undt Vater! er ist diesen ganzen Morgen nicht bey mir gewesen, kan also Ihrer Maiestät schlechten Bericht von seiner Abwesenheit ertheilen. FAUSTIL. Hörstu Frau! sie fragen nach dem ONA, was gilts, ob es nicht dieses kleine Söhngen ist? ACCA. Wir wollen es ihnen immer wieder geben, sie können uns nichts anhaben. MONCADO. Sieh da! was bringen diese Leüte? SIVARINO. ES scheinet daß es ein kleines Kindt sey; Ich wil nicht hoffen, daß Prinz MONCADO einen Liebes=Wechßel bekommen wirdt. MONCADO. Wofern nur Prinz SIVARINO mit seiner AFFECTION nicht zu wohlfeil gewesen, mit mir hat es nichts zu bedeuten. ( l l r ) GARGORIS. Mich soll selbst verlangen, was sie hier suchen werden, zum wenigsten einen Gevatter, wo nicht einem Vater. FAUSTIL. Gestrenger Juncker, habt es uns nicht vor urgute, daß wir euch in die rede fallen, ihr habt nach einem ONA gefraget, wie wir gehöret haben, ists nun dieser, so nembt ihn nur wieder hin, er ist uns nichts nuze, hie war er an den Baum gehenckt.

Der glückliche Bastart, Actus I.

131

GARGORIS. D a ß wir nach ONA gefragt, ist wahr, daß es aber dieses kleine Kindt sein soll, da irret ihr sehr, denn ONA ist unser H o f f Narr, undt ein Mensch von 30. Jahren, daß ihr aber dieses Kindt solt hier im Walde an einen Baum gehenckt gefunden haben, das können wir schwerlich glauben. W e r weiß von was vor einer unkeüschen Meze ihr dieses Kind empfangen habt? TARPEIA. Ο ihr Götter! steht mir bey, dieses ist mein Sohn, ich kenne die Windeln, ich kenne die Gestalt, wie ( l l v ) mögen es diese Leute bekommen haben? {-.heimlich·.) ACCA. Ihr thut uns gewiß unrecht, J u n c k e r ! wenn ihr meint, daß wir es von iemandt bekommen haben, ich undt mein Mann wolten wegreysen, undt alß wir her in Waldt kahmen, hing das Kindt hier an diesem Aste, glaubt es nur wir sagen euch keine Lügen. GARGORIS. Was vor ein Unmensch mag es in diesem Waldt gebracht haben? J a was vor eine verdamte Mutter mag es diesem Ast anvertrauet haben? G e b t her das Kindt. O , ihr G ö t t e r ! welch ein liebes Herzgen! die Augen sindt voller Freundligkeit, das Mündgen lacht vor Liebligkeit, auff den Wangen ist nichts als Anmuth zu finden, wenn ich rathen dürffte, so solte ich sagen: CUPIDO selbst habe die gestalt dieses Kindes an sich genommen, alß er die Himmels Göttinnen hat bekriegen wollen; Beseht es doch Prinzeßin! — Was meinet ihr? habt ihr iemahls etwas holdtseeligeres gesehen? { 1 2 r ) TARPEIA. Ich muß bekennen, daß ich mein tage wenig dergleichen gesehen: Sey geküßet angenehmer Liebes Schaz! was vor eine Grausamkeit hat dich in diesen Waldt verbannet. Meine Augen vergießen Zehren, und mein H e r z empfindet einige O h n m a c h t , ob deinem dir angethanen U n recht. Prinz SIVARINO! nembt es von mir, ich weiß nicht, was vor ein Schwindel meine Sinnen bekrieget? GARGORIS. Wie wirdt euch Prinzeßin? erhohlet euch. Hier sehe ich, daß die weiblichen AFFECten euch bemeistern, aber stellet euch zu frieden, ist schon dieses Kind von seinen Eltern verbannet, so ist es dennoch nicht von allen Herzen verstoßen, wir wollen sein Vater sein, erhohlet euch doch. TARPEIA. A c h

BERENICE!

GARGORIS. Geschwind, man führe sie nach ihrer Guzsche, einer nehme das Fang Eisen, wie auch die hunde von ihr; Einer suche BERENICE, man bediene sie wohl, sie ist die helffte unsers Lebens. (12v) MONCADO. Prinzeßin! sie vergönne mir die Gnade Sie zubegleiten. TARPEIA. Ihr seyd mir angenehm, werther Prinz! k o m b t dann mit mir. Ehe ich aber von hinnen gehe, werde ich eine bitte an meinem gnädigsten K ö nig undt herrn Vater haben, ich bitte, dieselbe mir nicht abzuschlagen.

132

Johannes

Riemer

In was vor einen Irrgarten des Zweiffels, führen euch eüere gedancken, habet ihr iemahls ichtwas begehret, undt (seid) deßen nicht gewehret worden, sagt was begehret ihr, ist es unser Königreich, ihr solt es habenn. T A R P E I A . Mit nichten, Königlicher herr Vater! Mein wunzsch undt Verlangen suchet dieses Kindt zu haben, es scheinet Eltern looß zu sein, wollen sie es mir verehren, so will ich seine Mutter sein. GARGORIS.

Diese euere Reden lehren mich, daß euer Mund keine Tyger Brust gesogen, das mitleiden beherrschet euer Herz, wie ich spühre, undt ihr handelt sehr wohl; Ihr solt auch das Kindt haben, wofern diese Leute darmit zu frieden sein. ( 1 3 r )

GARGORIS.

Ja, ia, ich achte es nicht groß, ihr könt es beßer versorgen, alß wir, wenn ihr uns wolt ein Trinckgeldt geben, so mögt ihr es immer hin nehmen. G A R G O R I S . Ihr solt etwas haben. Prinz M O N C A D O ! daß man den leuten 12. Ducaten gebe. M O N C A D O . Auff Ihrer Mayt: Befehl, hier habt ihr sie. FAUSTIL.

Wer die V E N U S iemahls hat spazieren sehen gehen, der wirdt gestehen müßen, daß sie von solchen Liebeskindern, wie dieses ist, sey begleitet worden. Alles ist anmuthig an diesem Liebgen, solte wohl BACCHUS sich also verwandelt haben, wie er wohl ehe getahn, ümb uns sterblichen eine Kurzweil zu machen; Dem sey nun wie ihm wolle, du magst den lebendigen oder toden zugehören, du magst von Göttern oder Menschen entsproßen sein, ich mus dich küßen. (\küßet es:)

SIVARINO.

Holla, sachte, Holla Prinz S I V A R I N O , liebkoset ihr doch das Kindt so sehr, alß ob es eiier eigen were, ( 1 3 v ) dieses lieben stehet mehr dem Frauenzimmer, als einem CAVALIER ZU. Wie ist euch? Blutet euch die Naase nicht? S I V A R I N O . Wie es scheinet; Holla Frau haltet inzwischen das Kindt, biß ich das Blut gestillet. Die unmäßige Liebe, so ich zu diesem Kindt trage, Gnädigster Herr! hat meine Begierden so starck getrieben, daß ich mit der Naasen darwieder gestoßen, der Schade ist gering, er kan baldt vergeßen werden. G A R G O R I S . E S ist beßer aus Liebe, als aus Haß sein Blut zuvergießen. Wolt ihr nicht mit Prinz M O N C A D O die Prinzeßin biß an ihre Guzsche begleiten? S I V A R I N O . Auch biß in ihr Zimmer, so ich solche Kühnheit wagen darff. GARGORIS.

Dieser Müh werdet ihr dieses mahl überhoben werden, ich hoffe wirdt schon meiner warten. Daß man das Kindt uns nachbringe! ( : ( T A R P E I A ) , A C C A , 2. Printzen ab:) Die Götter stehen indessen Ihrer Maiestät bey. ( 1 4 r )

TARPEIA.

BERENICE

Der glückliche Bastart, Actus I.

133

GARGORIS. Euch ingleichen Prinzeßin: holla, daß man die Jagt abblase, wann diß geschehen, so handle ein ieder nach seinem Befehl, auff daß das Wildt in unsere RESIDENZ geschaffet werde. ( : g e h t ab·.)

Seena 4. FAUSTIL

{•.Hier wirdt

alleine.

geblaßenn·.)

FAUSTIL. "WANNE, wanne, was waren das vor hübsche Leute, ich hette mein tage nicht gedacht, vor das Kindt einen Pfennig zu kriegen; 12. Ducaten ist kein geringes, nun kann ich mir wiederumb ein paar stücke Vieh kauffen, wo sie mir nur nicht ümbfallen, so kan ich wieder ein Mann werden. Ich hette auf mein Eydt baldt müßen mit weinen, alß das Mädgen so wirblicht wurde ümb die äugen, undt lachen muste ich, wie sich der eine an das Kindt stieß, daß ihm die Naase bludte. D e r Alte ( 1 4 v } mochte wohl der Schulze aus der Stadt sein, er hatte noch ziemliche Kleider an. D o c h was schieren mich die Leute, ich wolte daß meine ACCA da wäre, ich wolte mit meinem Bündel wieder heim gehen. Siehe da, ist das nicht KLIM, der daher kömbt? E r ist es, ia, ia, er ist es, ey wo führt diesen die K r a n c k h e i t h i e h e r : I ! KLIM, KLIM!

Seena 5 . KLIM,

FAUSTIL.

KLIM. J e , FAUSTIL, FAUSTIL! w a s m a c h s t u da, g l ü c k z u .

FAUSTIL. Glück zu wieder KLIM, ey wärestu doch nur ein wenig eher k o m men, du hättest dich halb närrisch gewundert undt gesehn. K L I M . W i e s o FAUSTIL?

FAUSTIL. Gedencke doch, ich wolte heute fort reysen, wie du wohl weist, alß ich undt meine ACCA mit unseren Bündeln hieher kamen, so fanden wir ein Kindt an d i e - ( 7 5 r ) s e m Baum hangen, ich wüste einen Hencker weßen es war, indem alß wir es herunter nahmen, da wurde ein groß gepfeiffe im Walde, ich wüste nicht, ob ich verrathen oder verkaufft war, biß lezlich ein alter Mann kam, der hatte ein groß geschleppe bey sich, dem gab ich das Kindt, undt er schenckte mir 12. Ducaten, nun giengen sie gleich wieder weg, sahestu sie nicht? KLIM. M e y n s t u die, so da bliesen, FAUSTIL!

Johannes

134 FAUSTIL. J a , N a c h b a h r

Riemer

KLIM.

KLIM. Je! das ist der König gewesen. FAUSTIL. Siehe da, du wilst mich auch was bereden, meinstu ich werde nicht wißen, was ein König ist, höre, wenn es der König gewesen, warumb hatte er denn keine Crone auff dem Haubt, undt einen geelen Brügel in der Handt. KLIM. Ey du einfältiger Schöps! meinstu der König wird auff das Landt die Crone mit nehmen, laß dir doch solche albere Sachen nicht träumen. { 1 5 * ) FAUSTIL. Ey nun, was schirt es mich, ist es der König gewesen, so wirdt er das kleine Kindt auch wohl versorgen können. Wann ich nur wüste, wer der Vater darzu wäre, oder die Mutter, du glaubst nicht, was es vor ein liebes Kindgen war. KLIM. ES geht iezt wunderlich zu, diese tage habe ich auch einen sonderlichen streich erfahren, ich weiß nicht was ich darvon gedencken soll. FAUSTIL. Was war es denn, kan man es nicht auch wißen? KLIM. Nachbahr! ich wolte nicht einen Thaler nehmen, und es dir sagen, ich weiß wanns der König erführe, er ließ mir den Rücken abkehren. FAUSTIL. Huy! daß es das ding ist, das ich die tage von unserm Nachbahr Lepsch gehöret hab, wanns wahr ist, so hat sie es ziemlich grob gemacht. KLIM. ES ist wahr, Lepsch! weiß auch was darvon, ists nicht wegen der — FAUSTIL. T A R P E i c h e n ,

(16r)

KLIM. SO wahr alß ich KLIM heiße, du hasts errathen, aber sage ia kein Wort, solte es der König erfahren, ich fürchte KLIM solte in die Klemme kommen. FAUSTIL. Narre! ich werde nichts sagen, halte du nur reinen Mündt, ich solte mir fast einbilden, daß das ding wahr were, wo das der König gewesen, der mir das geldt gegeben, so ist das Mädgen, das bey ihm war, gewiß TARPEichen gewesen, höre nur; Alß der König das Kindt genommen undt geküst hatte, gab ers dem Mädgen, da hettestu sollen sehen, wie sie sich gehube, sie wurde ganz Käse weiß, sie be . . . ich kan dir nicht alles sagen, wie sie sich anstellte, ich bilde mir ein, die Milch muß sie gedrückt haben. KLIM. ES kan wohl sein, solche Leute haben eben so wohl ihr Beschweren, alß arme Bauersweiber haben mögen. FAUSTIL. Aber was meinestu wohl von den Sachen, solte sich nicht einer zum Taschen Meßer verwundern, wenn man solche Sachen hört, du weist, unsers Nachbahrn (16v) Löpsch sein Mädgen, das hatte sich neülich nur ein wenig an deines Knechts Rock gestoßen, wurde Löpsch undt dein Knecht nicht gestrafft, daß ihnen die Schwartte hette mögen krachen.

Der glückliche Bastart, Actus I.

135

KLIM. ES ist wahr, das Mädgen ist sonsten so scheü, alß mein Weib immer sein mag. Neülich wahr ich bey ihr in der Stube, alß sie sich anzog, undt ihre Zinßhenne wolte nach H o f f e bringen, da wolte sie ein weißes Hembdgen anziehn, alß sie mich sähe, liefe sie hinter den Offen, alß wann sie raasend würde, sie vermeinte immer, ich würde was von ihren Sachen zu sehn kriegen. FAUSTIL. Sie hats gemacht, auff mein Eydt, eben alß wie meine Frau: Wann meine ACCA ihre Strümpffe anzieht, so nimbt sie sich so sehr in acht, daß man nicht einmahl ihre kleine Zehe kan zu sehen kriegen, ich glaube sie stürbe vor Schaamhafftigkeit, wann ihr einer ein wenig zu hoch an das Bein sehen solte. ( 1 7 T ) KLIM. J a mein lieber Nachbahr! Unsere Weiber halten sich wohl fein erbahr, das macht es, sie verstehen es nicht beßer, aber zu Hoffe, da geht es viel toller zu, hastu denn nicht gesehen, wie des Königs Mädgen ging, ich gedachte immer, sie würde gar erfrieren, wie ich sie zum ersten mahl sähe, so gar bloß ging sie forne. FAUSTIL. Wo wilß hin, mein lieber Freund! die Leute essen alle Tage warmes, undt trincken das beste Bier, sie müßen lauffisch werden. Aber sage mir doch, wo hastu das, wegen TARPEichen erfahren? Es soll sehr wunderlich an den Tag gekommen sein. KLIM. Wahr ist es, ich hab es von meiner Schwiegermutter erfahren, die kan einem eine ganze HISTORI davon erzehlen. FAUSTIL. Wie lang ist es'denn, daß es geschehen ist? KLIM. Halt! da muß ich mich ein wenig drauff besinnen { 1 7 " )

Seena 6. SIVARINO, F A U S T I L ,

KLIM.

SIVARINO. Z u allem Glücke treffe ich den Bauer noch alhier an, der muß mir sagen, wo er das Kindt bekommen: Mein Gewissen ist mir schwer, undt ich fürchte das jenige wirdt wahr sein, was ich mir einbilde. KLIM. Es wirdt wohl vierzehen tage sein, daß meine Schwieger Mutter wider heim kommen, unndt Fünff tage ist sie wohl weg gewesen, das wirdt auff 3. Wochen hienaus lauffen. Aber Nachbahr stille, wir alle beyde kähmen in des Henckers Garküche, wenn es ein Mensch von H o f f e erführe. FAUSTIL. Sey doch so albern nicht, du weist ia wie die Bauern sein, sie stellen sich fein einfältig an, aber sie gedencken ihren Theil dabey. SIVARINO. Worvon mögen doch die Schelmen reden? {I8r) FAUSTIL. Von mir soll wohl nicht ein Hundt, geschweige dann ein Mensch ein Wort erfahren, halte du nur reinen Mündt.

136

Johannes

Riemer

Ich will ihren gehabten D I S C O U R S mit gewalt aus ihnen erpreßen. SA! ihr Schelmen! was habt ihr von Hoffe zu reden? KLIM. Herr! verzeiht mir, ich habe nichts gesagt. SIVARINO. Was? wilstu mich Lügen straffen, vermeinestu, daß ich deine reden nicht gehöret? Ich sage: Schelm, bekenne, was du gesaget, oder siehe hier das Post Pferd, auff welchen du nach der Höllen reiten solst. KLIM. Je, Herre! seidt doch nicht närrisch, ich habe io nichts gesagt, hat mein Nachbahr was geplaudert, das mag er verantwortten, ich weiß von nichts. SIVARINO. SO bekenne denn du, was hastu geredt, nur fein geschwind, oder dieses Eisen soll dich aus der Lebens Gränze verstoßen. F A U S T I L . Lieber Herr! bedenckt doch mein armes Weib, warumb ( 1 8 V ) soll ich denn sterben? ich habe i.a nichts gesagt, mein Nachbahr K L I M war es, der vom Hoffe redte. SIVARINO. Ich sehe wohl, keine Trauworte wollen helffen, wohlan so will ich Ernst gebrauchen, ich will auch beyden die Köpffe einschlagen undt einstoßen. (: ergreif ft sie mit beyden Händen, und stößt sie zusammen·.) Ihr solt vor eure Boßheit gnungsam leiden. KLIM. Juncker! sachte, sachte, Juncker! Ach Gnade. F A U S T I L . Last es doch immer sein, Juncker! ich will es herzlich gerne sagen. SIVARINO. Wohlan! so bekenne denn, oder ich will es tausendt mahl schlimmer mit euch Schelmen machen. SIVARINO.

FAUSTIL. Hier Nachbar KLIM, hat mir was von Jungfer TARPEichen gesagt,

werdet aber nicht böse, ich kan nicht darfür. Undt was? F A U S T I L . Sie soll ihn haben laßen in Gartten steigen. ( 1 9 r ) SIVARINO. In was für einen Garten? F A U S T I L . K L I M weiß es: Nachbahr sage es doch immer, es wirdt nicht viel zu bedeuten haben. Ich weis von nichts, {-.weinet:) KLIM. Hastu es angefangen, so magstu es auch außführen, ich menge mich nicht drein. Sage du es. (-.weinet:) SIVARINO. Ihr Schelme! treibt meinen Zorn nicht höher, das rathe ich euch, werdet ihr beyde nicht bekennen, so solt ihr euers Elendes kein Ende sehen können; Ich sage, bekennet wolt ihr nicht? so will ich zusehen, was ich vermag, (-.stößt wieder zu:) K L I M und F A U S T I L . Ach Gnade, Juncker Gnade, wir wollen bekennen. SIVARINO. SO seydt denn kurz in reden. Was weistu von der Prinzeßin? KLIM. Von der Prinzeßin weiß ich nichts, aber TARPEichen soll ein Kindgen bekommen haben. ( 1 9 v ) SIVARINO. Wie ist das zu verstehen? KLIM. Werdet nur nicht böse, Herr! ich bin ein armer Bauer, ich kan euch den Quarck so deütlich nicht vorlegen, daß ihr ihn recht begreiffen könt;

SIVARINO.

Der glückliche Bastart, Actus 1.

137

SIVARINO. Vermeinestu vielleicht das Kindt, welches sie von diesem Bauer zu sich genommen. KLIM. Ach nein, ich will es euch nur sagen, wie ichs verstehe, wenn es bey uns einen Mädgen so gehet, wie es Jungfer TARPEichen gegangen, so sagen wir, das Mädgen ist zur Hure worden, ihr mögt es nun verstehen, wie ihr wollet. SIVARINO. W i e : i s t TARPEIA z u F a l l

kommen?

KLIM. Das weiß ich nicht, ob sie gefallen ist, aber ein Kindt hat sie bekommen. SIVARINO. Aber woher weistu das? KLIM. Das will ich euch wohl sagen; Meine Schwieger Mutter, so ihres Handwercks eine Pöppelmutter. N u n kahmen vor 3. Wochen, des Nachts 2 Frauen mit e i - ( 2 0 r ) n e m großen Wagen, undt nahmen sie mit sich, ich war eben domahls nicht derheime, den dritten tag drauff ging ich nach der Stadt DERTOSA, auff den Vieh Marckt, in meinung, mir ein Schweinichen, oder ein paar zu kauffen; Alß ich nun da herumb schlenderte, da ruffte mir meine Schwieger Mutter, auß dem einen großen Hauße, KLIM, KLIM! Ich sähe mich ümb, undt alß ich sie erblickte, winckte sie mir, daß ich solte hienauff kommen; Ich ging an das T h o r , undt fragte einen Kerl, der hatte einen langen Prügel in der Handt, da war oben ein krummes Eisen dran, den fragte ich, wo ich sie finden solte: D e r Kerl gab mir nicht allein hönische Wortte, sondern, wie er sähe, daß ich mit gewalt hienein wolte, wandte er den Prügel ümb, undt ließ ihn auff mein Wammes undt Hut fallen, daß mir hören undt sehen verginge, entlich nam ich meinen Weg wieder heraus, ( 2 0 v ) undt ging heim. Den andern Tag drauff, da brachten sie meine Schwieger Mutter wieder nach Hause. Die brachte ein hauffen schöne Sachen mit undt erzehlete: D a ß sie dar in ihrem Handtwercke hette was zu thun gehabt, es were ihr sehr wohl gegangen, aber man hätte sie nirgendts hinkommen laßen, sie wüste nicht, wo sie gewesen war, wenn ich es ihr nicht erzehlet hätte. SIVARINO. Was hat sie denn gutes mitgebracht, kan ich nicht etwas darvon zu sehen bekommen? KLIM. J a ! wenn ihr mit mir wolt heim gehen, ich habe nichts bey mir, alß hier ein Rozhädrichen, das hat die ienige, ümb den Halß gehabt, die Kindes Mutter worden ist. SIVARINO. Laß es sehen. Ο Himmel! der Bauer hat recht, hier ist der Prinzeßin ihr Nähme, wie auch ihr Zeichen, welches sie in alle Sachen machen läßt, die sie an ihrem Leibe trägt. TARPEIA, P r i n z e s - { 2 Γ ) s i n der CuRETen. Wie auch die Sonne, alß ihr Sinnbildt. Was Rath! soll ich schweigen, oder die Sache entdecken? Ich will erstlich die Bauern abfertigen, darnach mit meinem Gewißen berathschlagen. Nun sehe ich, daß ihr ehrliche Leute seydt, warumb habt ihr mir dieses nicht eher gesagt?

138

Johannes

Riemer

So wäre ich so stürmisch mit euch nicht ümbgegangen. Seht hier, vor euren Schmerzen nembt dieses, trinckt meine Gesundheit. K L I M . Großen Danck, gnädiger Herr Juncker, vors Trinckgeldt, verzeiht mir, daß ichs nicht eher gesagt, ich gedachte immer, ihr würdet böse werden. Es mag immer ümb die Schläge sein, es ist bey uns nichts neües. Wolt ihr das Rozhädrichen behalten, das steht euch auch frey, aber last es niemandt sehen. SIVARINO. Sey ohne Sorgen, Bauer! Aber du, sage mir, ist es wahr, daß du das Kind hier im Walde gefunden? ( 2 1 v ) FAUSTIL. Glaubt es immer, ich bin, so wahr ich hier steh, nicht Vater darzu, zu dehme, so habe ichs auch nicht gestohlen, ich wolte daß A C C A mein Weib da wäre, die solte schweren, daß es nicht unser were. K L I M . Sieh da FAUSTIL! da kömbt A C C A ; wie so lustig A C C A ! was gilts? Es hat wieder ein Trinckgeldt gesezet. Seena 7. A C C A , SIVARINO, FAUSTIL, K L I M .

A c h lieber Mann! ich glaube nicht, daß ich mein tage wieder so gute Leute werde antreffen, alß ich heute gefunden hab. Die Jungfer, die das Kind bekommen, hat mir noch 6. gelbe Pfennige gegeben. FAUSTIL. Was du sagt. Laß sehen, sie sein eben alß wie die so mir der König gegeben. ( 2 2 r ) A C C A . Was vor ein König? FAUSTIL. Je höre A C C A , der alte Mann, der das Kind von mir nahm, der ist der König gewesen. A C C A . Je nimmermehr! so wirdt das Mägdgen, das darbey wahr, gewiß seine Tochter gewesen sein, die sich so wunderlich gehube, wie sie das Kind bekam. FAUSTIL. Freilich A C C A ! das kanstu sachte gedencken. SIVARINO. Was habt ihr hier in Händen, Weib!. A C C A . O ! es ist ein Hädrichen, es lag beym Kinde im Korbe, wie wir es vom Baum nahmen. SIVARINO. Last mich es sehen. 0 , ihr Götter! noch mehr Zeügnüß. Frau! überlast es mir, ich wil euch diesen Ducaten darfür geben. A C C A . Meinthalben, wann ihrs haben wolt. FAUSTIL. Mit urlaub Juncker!, wir wolten gerne heim gehen, habt ihr noch was zu fragen, so macht fort. SIVARINO. Vor dieses mahl brauche ich euer nicht mehr, ( 2 2 v ) geht hin, wohin ihr wolt. ACCA.

Der glückliche

Bastart,

Actus I.

139

A C C A . Nun guten Tag Juncker! großen danck, vors Trinckgeldt, und vor die Schläge. ( : a b : )

K L I M , FAUSTIL und

Seena 8. SIVARINO

alleine.

H i e r bin ich nun allein, undt kan frey mein Gemüthe außschütten. Ach könte ich zugleich auch mein Gewißen reinigen, so were ich glückseelig. Ich bin der ehrvergeßene Mensch, ich bin der meineydige Betrüger, der nicht allein die Prinzeßin entehret, sondern auch die Götter beleidiget hat; Ach verzeihe mir TARPEIA! ich hab dich geliebet, aber durch meine unbesonnene vermaledeyte Liebe, hab ich dich vielmehr gehaßet, alß geliebet. Wie kan es anders sein, deinen Leib habe ich zu meiner Geilheit, in der gestalt ( 2 3 r ) des Krieges Gottes gebraucht, aber darbey deine unersezliche Ehre geraubet. Ο Himmel! stehe mir bey! Es scheint, alß ob das heylige Feüer welches ich in MARTIS Tempel durch meine schnöde Lust undt List entheyliget, mein Herz, Seele und Gemüth senge. Verschone ό Gottheit meiner, die ich unbedachtsam vorgestellet; Drey weiße Widder sollen dir zu ehren, morgen auff deinem Altar brennen; Gesetzt M A R S begnadigte meine Thorheit, wie aber, Ach! wie sag ich, wirdt deine Jungfräuliche Ehre ersezet werden? Ο allzu keusche TARPEIA! Keusch mag ich dich mit recht nennen, weil dein Herz in meine thörichte Blindheit eingewilliget; Dein Leib ist zwar entehret, aber deine Seele ist reiner alß die Sonne. Was soll ich nun anfangen? Soll ich gehen, undt meine Unbesonnenheit der Prinzeßin offenbahren? Wer weiß ob sie es glauben wirdt. Doch ia, Sie muß ihre ( 2 3 v ) Sinnen gefangen geben, so baldt ich ihr das Kleinod zeigen werde welches ich Ihr damahls im Tempel, nebst ihrer Ehre geraubet, undt was hab ich nach solcher Offenbahrung zu hoffen? Von der Prinzeßin einen unversöhnlichen Haß, vom König, einen schmälichen Todt. Siehe SIVARINO! in dieses Unglück hat dich die Geilheit geführet, die du alß ein Ritter an andern straffen soltest. Doch mein Klagen wirdt dem Könige seine Ehre, der Prinzeßin aber das enzogene Blut nicht wiederbringen. Ich will inzwischen diese beyden Tücher, wie auch das geraubte Kleinod bey mir behalten, und so lange schweigen, biß ich gelegenheit haben werde, meinen Fehler zu entdecken und öffentlich zu bereüen:

SIVARINO.

Mein Herz das wil vor Angst in tausendt Stücke brechen, Es scheint, der Himmel will des Königs Ehre rächen, ( 2 4 r ) Ο Schmach! ö bittre Qual! wie plagt mich diese Lust, Die nebst den Göttern mir, sonst niemandt ist bewust. {•.geht

ab:)

140

Johannes

Riemer

Actus II. Seena 1. ONA

undt B E R E N I C E begegnen einander. {•.Das T H E A T R U M ist Zimmer:)

BERENICE. S i e h da, ONA! was machstu hier, w a r u m b bleibstu nicht bey der Prinzeßin? du weist, daß sie so MELANCHOLisch ist, daß man sie fast nicht einen Augenblick alleine laßen darff.

ONA. Was macht ihr hier, könt ihr nicht so wohl auff sie paßen, alß ich, micht deucht, es steht euch viel beßer alß mir an. B E R E N I C E . Sieh da, Flegel! du hast ein ziemlich großes Maul, werde ichs dem König sagen, so darffstu vor einen ( 2 4 v ) Küchen Schilling keine Sorge tragen. O N A . Gedencke doch ein Mensch, wie das alte D I C T I O N A R I U M so voller hönischen Wörtter ist. Laß michs dem Könige nur auch sagen, daß ihr die Prinzeßin zur Hure gemacht, mich dünckt der Staub Beesem wirdt euch auch so glat anliegen, alß euer unterhembde. B E R E N I C E . Was sagstu Schelm! habe ich die Prinzeßin zur Hure gemacht, das solstu mir beweysen, oder es soll deinen Halß kosten. ONA. Wer anders, alß ihr, ihr seydt tag undt Nacht bey ihr, ihr eßt mit ihr, ihr trinckt mit ihr, ihr schlaft mit ihr, wo wilß anders herkommen. B E R E N I C E . Deine Einfalt hält meinen sonst gerechten Zorn in Zaum, hettestu anders geredt, ich wolte dir bewiesen haben, daß Frauen auch ein Herz haben, ihre gekränckte Ehre zu rächen. — Sag, wo ist die Prinzeßin. ONA. Wo wirdt sie sein, im Nebenzimmer ist sie, wo der Nachtstuhl steht. < 25Γ > Hilff Himmel welch ein unachtsahmer Mensch! warumb bistu nicht bey ihr geblieben? ONA. Warumb bistu nicht bey ihr geblieben; Verzieht ich will euch weysen, wie sie mich abgeferttiget hat. (:stößet sie fort:) B E R E N I C E . Was thustu Schelm! hör auff du Galgen Vogel. ONA. Ihr müst nicht böse werden, ich zeige euch nur, wie mich die Prinzeßin abgeferttiget hat. B E R E N I C E . Hat sie dich also abgewiesen, so ist ihr Herze undt Gehirn nicht richtig. Stille, Stille, micht dünckt ich höre sie. ONA. Still, still, ich höre sie auch. B E R E N I C E . Ich sehe sie: geschwindt verstecke dich, wir wollen zuhören undt zu sehen, was sie vorhaben wirdt. BERENICE.

Der glückliche Bastart, Actus

141

II.

Seena 2. TARPEIA

trägt das Kind auff den Armen,

BERENICE

und

ONA.

(25v)

Betrübte, verlaßene, unglückselige T A R P E I A ! Entehrtes Königs Kind! Ist dieß der Wechßel deiner Liebe? ist dieses die Emde deines Glückes? Ist dieses der Soldt deiner Ehren? Niemahls hat weder meine Handt, weder mein gemüthe, der Göttin VENUS geopffert, niemahls hat meine Seele, des kleinen Schüzen Pfeile verehret, undt deßen Bogen angebetet, undt gleichwohl muß ich hier einen lebendigen Zeugen der Liebe, Ach doch nein! Vielmehr einen Schandflecken der Unzucht sehen. Wie offt hab ich mich geweigert, von Königlichen Lippen einen Handkuß zu empfangen, wie offt hab ich die ienigen Prinzen Spöttisch von mir abgewiesen, welche sich unterstanden einen griff in mein Herz zu thun. SIVARINO weiß, wie offt er vergebens seine Noth geklaget. M O N C A D O wirdt gefragt bekennen, daß nie ein freundlicher Blick von meinen Augen auff ihm abgegangen. Ich bin nicht, wie T H A L A S T R E aus geyler (26r) Brunst, von M E M P H I S ab, biß in i N D i e n einem Mann nachgezogen, undt {habe) denselben unverschämbter Weyse ümb das ehliche Verbündnis angesprochen. Ich habe niemahls, wie die freche SEMPRONIA gethan, aus meinem Königlichen Frauenzimmer mich nach üppigen Mannsfleisch ümbgesehen. Ich habe niemahls mich so leicht alß C L E O P A T R A verliebet. Ich bin niemahls mit der mannsüchtigen SEMIRAMIS verglichen worden. Man hat mich die keusche LAVINIA genennet. Ich muste eine zweyte V I R GINIA sein, die V E S T A hatte mein Wort hinweg, ich wolte rein verbleiben. Mein Nähme war auch albereit in das Buch der Keuschheit eingetragen. Aber, Ach! Ach! Ach! was bin ich, ein geschändtes, beflecktes, entehrtes Weibesbildt, eine Sonne, aber verfinstert, ein Altar, aber entheyliget, eine Perl, aber ach! welche in den Koth der Sünden gerathen, ihren Preyß verlohren hat. Wohlan dann, ich will nicht verziehen, meine reine Seele (26v) aus diesem befleckten Kercker zu erlösen, undt nach dem Rauber meiner Ehre in der Hellen zu fragen. Inzwischen sey zu guter lezt von mir geküßet, du verdrießliches, doch angenehmes Pfandt einer unbekandten Liebe; Ich scheide, der Himmel gebe daß ich dich in iener Welt baldt möge ümbfangen. (:wil sich erstechen:)

TARPEIA.

BERENICE.

Dolch:)

Ach gnädigste Prinzeßin! was will sie thun? {-.ergreifft ihr den

Last mich B E R E N I C E . (:ringen mit einander·.) In Ewigkeit nicht. O N A ! hilff, hilff, es ist hohe Zeit. ONA. Laß sie nur das Stecheisen weg thun, bind ihr die Hände, werfft sie ins Bette, undt sezt euch auf Sie, so will ich euch hernach gerne helffen. T A R P E I A . Ich sage noch einmahl B E R E N I C E last mich loß.

TARPEIA.

BERENICE.

10

Riemer II

142

Johannes

Riemer

Ich darff nicht, Gnädigste Prinzeßin. Wer verbitt es euch? ( 2 7 R ) B E R E N I C E . Meine Pflicht. T A R P E I A . Ich entlaße euch derselben. (:ringen:) B E R E N I C E . Mein gewißen aber nicht, O N A ! hilff doch. ONA. Ο helfft! Mordt, Brand, Tyranney, Galgen, Raad, Krieg undt Pestilenz, ist niemandt da, der da hilfft. (:schreyet:) BERENICE. TARPEIA.

Seena 3. SIVARINO, T A R P E I A , B E R E N I C E ,

ONA.

W a s ist hier vor ein ungewöhnliches Geschrey? Wie ists, gnädigste Prinzeßin! will Sie ihre getreue Hoffmeisterin, will Sie ihren Diener ermorden? was haben sie begangen? Ich bitte, Sie laße doch das Eisen los. (\nimbt ihr den Dolch weg:) T A R P E I A . Ach wie zu ungelegener Zeit, kombt ihr herein, Prinz SIVARINO! Nicht B E R E N I C E , nicht O N A , sondern ich, ich die unglückseeligste T A R (27v)PEIA solte, undt wolte sterben. Gebt mir meinen Dolch wieder, ich will vollziehen, was ich großmütig beschloßen habe. (:greift nach dem Dolch:) SIVARINO. Hilff Himmel! wo sindt ihre Gedancken, was vor eine Wolcke der Raaserey, hat den Himmel ihres Göttlichen Verstandes überzogen? woher kombt solche unruh des Gemüthes? ONA. Prinz! wollet ihr wißen, was ihr mangelt, so höret zu, ich will es euch sagen; Ich bin ein guter PHYSICUS undt CHYROMANTHA, ich habe ihr die Hand, undt in derselben LINEAM CEREBRALEM, oder die Haubt LINI besehen, undt befunden, daß sie einen sonderbahren Einfluß gehabt hat, der gut und böse ist gewesen, recht IN MEDIO, undt derselbige macht, SIVARINO.

d a ß s i e s o MELANCHOÜSCII i s t .

Undt was verstehestu hiermit, erklähre dich. ONA. Ich weiß schon was ich verstehe, fragt nur die Prinzeßin, die wirdt euch meine Reden schon erklähren. (28r) T A R P E I A . Kehrt euch doch an keinen Sinnlosen, Prinz SIVARINO! Nicht er, sondern ich, ich kan die uhrsache meiner Schmerzen melden; Ich weiß, was vor einen Streiff, das Unglück durch das Feldt der Ehren mit seiner Leichtfertigkeit gethan hat, alß der Herr deßelben nicht zu hause war. SIVARINO. Ist dann der Schaden so groß, daß er nicht wieder kan ersezet werden. T A R P E I A . Ach glaubet mir doch, er ist unersezlich. SIVARINO.

Der glückliche

Bastart,

Actus

II.

143

Wer darff sich unterstehen, Sie, gnädigste Prinzeßin! zu beleidigen, wer darff sich unterfangen, ihr einen Blick zuzusenden, der ihr unangenehm ist, ich weiß, im fall auch Könige dergleichen Schwachheiten wieder sie begehen wolten, daß König GARGORIS diesen augenblick vom JUPITER tausendt Donner Keule entlehnen kan, solche Mißethaten in den Abgrundt der Hellen hin zuschlagen, undt darumb kan ich mich genungsam verwundern über die Beleidigung, welche (28v) Ihro Durchl: 1 mit thränenden Augen hier bekennen. Warumb redet sie von solcher Ihr angethanen Mißhandlung mit ihrem gnädigsten Herrn Vater nicht? TARPEIA. Solte ich wohl reden können, ich die ich stum werde, wann ich an das begangene Laster gedencke. Ach was vor eine Angst ümbringet mei-

SIVARINO.

n e S i n n e n ? (-.fället

in

Ohnmacht·.)

SIVARINO. BERENICE! ( : n i m b t sie in die BERENICE. SIVARINO.

Arme·.)

Ach Prinz! helfft ümbs Himmels willen. Habt ihr nichts, sie zubestreichen? habt ihr kein Schlagwaßer

nicht? Last die Prinzeßin nur den Schlüßel hergeben, in ihren CABINET steht eine ganze Flasche voll. SIVARINO. Ich fürchte, daß sie uns unter den Händen vergehen wirdt. BERENICE. Das will ich in Ewigkeit nicht hoffen, mich dünckt, sie erholt sich wider, ach die Angst hat mich so blind gemacht, daß ich das Kindt nicht einmahl bey ihr (29r) wahr genommen habe; ONA! nim doch das Kindt zu dir. ONA. Was geht mich der iunge Butterlecker an, wer Vater darzu ist, der mag es wartten; doch auff eine Viertelstunde darff ich es entlich nehmen. TARPEIA. Ö ihr Götter! wo bin ich? SIVARINO. In meinen Armen gnädigste Prinzeßin! TARPEIA. Was, in euern Armen? wolt ihr mich vielleicht noch einst entehren? SA! das soll euern Todt bedeuten. ONA.

(•.greifft

ihm

nach dem

Deegen:)

SIVARINO. Wie ists, TARPEIA. Du must SIVARINO.

gnädigste Prinzeßin! sie bezähme sich doch. sterben, du Verräther! Ich bitte, Sie stelle sich zu frieden, hier ist ia niemand, der Sie

entehren will. (-.fällt ihr in die Arme:)

seyd ihr es? Ja gnädigste Prinzeßin! ich bin es, wie sind Euer Durchl: 1 so wunderlich? (29v) TARPEIA. Wie, bin ich wunderlich? BERENICE. Freilich, wißen Sie denn nicht, daß Sie Prinz SIVARINO nach seinem Gewehr gegriffen, undt daß Sie ihn haben ermorden wollen? TARPEIA. Wer? Ich? TARPEIA. BERENICE!

BERENICE.

10»

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Johannes

Riemer

SIVARINO. Zweiffeit sie an den Wortten ihrer Hoffmeisterin? Ach Sie hat deßen keine uhrsache, hat sie vielleicht darumb einen Haß auff mich geworffen, daß ich unangemeldet herein getreten, alß ich das große geschrey gehöret, undt mich deßwegen töden will; wohlan ich bin es zu frieden, hier opffere ich ihr nicht allein mein Gewehr, sondern auch mein Leben, ich verlange nicht mehr, alß auff dem Altar, ihrer Durchl: 1 Willens, mein, Ihr verbundenes, undt verpflichtetes Blut zuvergießen. TARPEIA. Habe ich euch beleidiget, so bitte ich, verzeihet es mir, das grausame Unglück bestürmet meine Ehre und Sinnen so hart, daß ich fast in Raaserey, oder zum wenigsten in Ohnmacht gerathe, wann ich daran gedencke. (30") SIVARINO. DU bist auch wohl ein unverständiger Schelm, ONA! daß du nicht hingehest, undt der Prinzeßin einen Seßel bringst, daß sie sich niedersezen kan. Lauffe doch, undt hohle einen. ONA. Dieses Ambt kombt der Frauen BERENICE zu, mit Urlaub Juncker! sie ist schon lange bey ihr gewesen, ich wolte auch wohl sizen, undt dennoch bringet mir niemandt nichts. E y hört doch, ich soll Seßel holen, wer nimbt denn unterdeßen das Huhrenkindt zu sich? TARPEIA. Gibt mir es, ONA! ich will es zu mir nehmen. ONA. Hier habt ihr es dann; Nun solt ihr auch baldt einen Seßel haben, ich will in dem wieder hier sein. TARPEIA. Bleibe nur hier, wir brauchen keine Seßel, wilstu mir aber einen Sarck bringen, so eyle lieber ONA! undt komme baldt wieder. ONA. Worzu einen Sarck, Jungfer TARPEIA? ( 3 0 v ) SIVARINO. Das wolte ich auch fragen, gnädigste Prinzeßin! sie ist iung von Jahren, sie ist schön, sie ist eines Königes Tochter, undt warumb verlangt sie einen Sarck zu haben? TARPEIA. Alß die Ehre ermordet, was nuzet das Leben? SIVARINO. Das ist wahr, aber sie ist ia eine keusche DIANA. TARPEIA. Ach wäre ich dieselbige, so were ich glückseelig. SIVARINO. Wieso, ist Sie vielleicht geschändet, alß VIRGINIA? TARPEIA. Ich kan es nicht leugnen. SIVARINO. Wer ist aber der Thäter? TARPEIA. Ach! der ist den Göttern, mir aber unbewust. SIVARINO. Diese reden verwirren mich, ich kan mir solches fast nicht einbilden. Scherzet sie vielleicht mit mir? TARPEIA. Wie sagt ihr, Scherzen? welches Herz hat iemahls dergleichen gethan, alß deßen Seele mit bitterer Wehmuth überschüttet gewesen. SIVARINO. Ich bekenne, daß es sich bey solchen fällen nicht thun läßt, aber dennoch kan ich solches nicht recht begreiffen. (31r) TARPEIA. Ich selber nicht, dann wie sorgfältig ich das herrlichste Kleinod meiner Ehren, undt angebohrne Zucht von Jugend auff verwahret, ist den Göttern undt meiner keuschen Seele zur gnüge bekand.

Der glückliche Bastart, Actus II.

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SIVARINO. Aber auff wehm gedencken Ihre Durchl: 1 wer solte es wohl gethan haben? TARPEIA. Dieses ist eine schwere Frage, auff welche nicht ich, sondern die Götter antwortten können, vergnüget euch mit der Erzehlung, wie es zugangen. Ihr wißt, daß verfloßenes Jahr mein Königlicher H : Vater, einen großen Sieg wider die SCYTHEN erhalten; Baldt darauff ging ich in den MARTIS Tempel, daselbsten mein Opffer, eben demselben Gott vor den erlangten Sieg abzustatten, aber, ach! Kaum hatte ich die Helffte des Opffers vollnbracht, Siehe! so ümbleuchtete mich ein ungemeines Feuer, welches mich dermaßen erschreckte, daß ich krafft undt athem loß, zur erden nieder sanck, erhohlte mich auch nach langer Zeit allererst wiederumb, aber, weil ich mich ganz allein befandt, begab ich mich zurück in den Vorhoff des Tempels, da ich ( 3 1 v ) dann meine getreüe BERENICE antraff, welche mit Verlangen meiner gewarttet, undt nachdem sie entseeltes Gesicht, nebst Zittern und Beben bey mir angetroffen, hat sie mich mit höchster Müh nach Hauß begleitet, allwo ich nach außgang Drey Viertel Jahre, die Würckung deßelben Erschreckens handtgreifflich erfahren, nachdem ich eine Mutter dieses iungen Prinzen worden bin. ONA. Was sagt ihr Jungfer! ist denn euer Hurenkind auch ein Prinz; das will ich nicht hoffen. TARPEIA. Wann der Schmerz nicht allzusehr in meinem Herzen wüttete, so müste ich deiner lachen, uhrsach! weil auch die Narren die Wahrheit reden. SIVARINO. Halt du dein Maul, du Esel! oder es soll dir gestopft werden, soltu so verächtlich von Prinzen reden? ONA. Sieh da! wieder was neues, nun muß ich gar ein Esel sein, undt wer weiß, wer von uns beyden die längsten Ohren hat, weil ihr denn die Sache so wohl versteht, so gebt Antwortt auff meine Frage. SIVARINO. N u n laß h ö r e n , was ist es. ( 3 2 r )

ONA. Was außerhalb des Ehe Bettes gezeüget wird, ist das nicht ein Hurenkindt, ists nicht wahr? SIVARINO. Lieber ONA! ich mercke schon, wo du hienaus wilst, das geht aber hier nicht an. ONA. E y IN FORMA? Dieses Kindt nun ist außerhalb der Ehe gezeüget, ERGO! gebt mir einen Reichsthaler. BERENICE. Einen Strick an deinen Halß, du Flegel. ONA. Sieh da, nun wirdt mein TITUL wieder mit einem Flegel vermehret. Wolt ihr nicht, daß ich die Wahrheit sagen soll, undt das Kindt der Schrifft gemeß DEFiNiRen, so will ich auch nicht sagen, wer der Vater zum kleinen Kinde ist. SIVARINO. Ο ihr Götter! ich erschrecke, Solte wohl dieser Narr Kundtschafft davon haben, daß ich es bin. (-.heimlich:)

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Riemer

TARPEIA. Kanstu mir vor dieses mahl auß dem Traume helffen, Siehe ONA! so wahr alß meine Seele keusch, der Leib aber geschändet ist, so soll keine Sach so gros sein, die du von mir begehren wirst, die dir nicht augenblicklich soll gewehret werden. ( 3 2 v ) ONA. PAROL a b e r .

TARPEIA. Ich hab dir ia bey meiner Ehre undt Schande geschworen, warumb zweiffelstu sage mir, wer ist der Ehrendieb, wer hat mich geschändet? ONA. Das hat der Küster gethan. SIVARINO. Mein Herz bekombt Lufft, der Narr macht einen Poßen daraus. {•.heimlich·.)

TARPEIA. Was sagstu? der Küster, undt woher weistu das? ONA. Daher, merckt nur auff; Ihr habt dem Prinzen erzehlt, daß ihr im MARCUS Tempel habt geopffert. TARPEIA. D a s ist die W a h r h e i t .

ONA. Undt daß ein ungemeines Feuer euch umbleüchtet hat. TARPEIA. Also ist es geschehen. ONA. Undt daß ihr ganz allein im Tempel gewesen seydt. TARPEIA. Ich kan es auch nicht leugnen. ONA. Wer hat euch aber den Tempel auffgemacht und hinein geführet? TARPEIA. Das hat der Küster gethan. ONA. ERGO FUNTUS ist der Küster der Vater, denn alß ihr ( 3 3 r ) habt angefangen zu opffern; ist dem Küster die Zeit lang worden, undt hat eine Pfeiffe Toback geschmocht, von welchen schmochen ist euch erstlich der Dampff in Kopff gestiegen, undt weil ihr niemahls Toback geschmaucht, euch tum gemacht, nachmahls alß er die Pfeiffe außgeklopfft, hat euch das ungemeine Feuer ümbleüchtet, weil ihr euer tage keine Tabacksfuncken gesehen, undt das hat euch ohnmächtig gemacht, entlich alß der Küster gesehen, daß ihr alle viere von euch gestrecket, hat er die gelegenheit bey den Haaren erwischt, undt hiermit bey euch ein lebendiges Kenn=Zeichen hinterlaßen, besehet nur das Kindt rechtschaffen, ihr werdet befinden, daß ich die Wahrheit gesaget, es sieht dem Küster ganz gleich, es hat die Naase recht mitten im Gesichte, wie der Vater. TARPEIA. Hastu keinen beßern grund, mich deßen zuversichern, undt ihn zu überweisen, so wirstu schlecht bestehn. SIVARINO. Mit uhrlaub, gnädigste Prinzeßin! wo ist aber das Kindt, deßen sie eine unglückseelige und betrübte Mutter ist? ( 3 3 v ) TARPEIA. Hier liegt es auff meinen Armen. SIVARINO. Dieses ist ia das Kindt, welches Ihre Durchl: 1 gestern auff der Jagt bekommen haben. TARPEIA. Undt dieses ist eben das Kindt, welches ich erstlich durch BERENICE undt ONA hab laßen in den Waldt legen.

Der glückliche Bastart, Actus II.

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Ihre Durchl: 1 haben nicht wohl gethan, daß sie ein solches unschuldiges Herze einer so wüsten Behausung, undt so grausamen Einwohnern anvertrauet haben, wie leicht hätte dieses arme Kindt in gefahr des Lebens gerathen können. T A R P E I A . Wann mir die Sorgfältigkeit meiner getreüen B E R E N I C E nicht bekandt wäre, solte ich auch dergleichen gedencken, wie ihr gethan. B E R E N I C E . Die Wehmuth undt Barmherzigkeit, ist den Frauen näher befreundet, alß den Männern, ich bekenne, daß ich mit ONA das Kindt in den Waldt getragen, aber daselbst haben wir beyde so lange gewarttet, biß leüte darzu gekommen, die es zu sich genommen, undt weil dieß Kindt so wunder-(34 r )lieh wieder zu der Prinzeßin kommen, unvermerckt, daß sie die Mutter darzu ist, schöpffe ich großen Trost, daß die Götter diesem Kindt stattlich gewogen sein. T A R P E I A . Hätte ich meine Natur nicht in etwas gezähmet, mein Gnädigster H : undt Vater solte leicht mein Mütterliches Herz aus meiner Wehmuth erkand haben. SIVARINO. {-.heimlich·.) Undt hette ich nicht geschwind eine Entschuldigung können vorwenden, der König solte meinen Sohn an meiner Blutstürzung erkant haben. Mich wundert aber gnädigste Prinzeßin! daß sie diesen Narren, dieses so große Geheimnüß mit anvertrauet hat, er ist einfältig undt geschwäzig, wie leicht kan die Sache durch ihm entdecket werden. T A R P E I A . Das will ich nicht hoffen, er ist ia sonst getreu, auch habe ich es ihm bey Leib undt Lebensstraffe verbothen. Aber, was Rath, Prinz! wie fangen wir es an, daß es der König mein Herr Vater erfahre, doch ohne wiederwillen. (34v) S I V A R I N O . Das kan wohl leichtlich nicht geschehen, denn ich kenne des Königes großen Eyfer. T A R P E I A . Ach ihr Götter! zürnet er über mich, so werde ich mein Leben in Verzweiffelung schließen, undt mich ermorden. S I V A R I N O . Nicht also, nicht also, Gnädigste Prinzeßin! sie mus ihren erworbenen Ruhm des heroischen Gemüths nicht zugleich mit ihrem Blut vergießen. T A R P E I A . Durch diese That wirdt mein Ruhm, welcher durch die Schande begraben worden, wieder aufferstehen. S I V A R I N O . Vermeint sie aber, daß Sie hiermit ihren Wunzsch erreichen wirdt? T A R P E I A . Das hoffe ich. Ach! Ach! wäre doch mein Leib nicht geschändet. ONA. Last es doch nur immer gehen, gnädigste Prinzeßin! wie man fiedelt, so klingt es. Wenn ein M U S I C A N T E vor alle Unrechte griffe solte straffe geben, man würde erschrecklich viel Aufseher undt Einnehmer von nöthen haben. SIVARINO.

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Riemer

BERENICE. Ich bitte, Gnädigste Prinzeßin! sie überwinde doch die Verzweiffelung, ehe die Verzweiffelung sie überwindet. ( J 5 r ) TARPEIA. Keine Verzweifflung, sondern ein wohlbedachter Rath treibet mich hierzu an. SIVARINO . Ein wohlbedachter Rath hat noch nie beschloßen, einen unzeitigen todt zu suchen. TARPEIA Doch ist ein tugendthaffter Todt beßer, alß ein beschimpfftes Leben. SIVARINO. Will sie die Verzweifflung vor Tugendt achten? Wer sich selbst ermordet, wirdt nie gerühmet, aber wohl ewig verachtet. TARPEIA. Warumb rühmet man denn die LUCRETIA? SIVARINO. Darumb, dieweil sie große Treü ihrem COLLATINO bewiesen. TARPEIA. So ist doch TAMICLEA hoch zu preysen. SIVARINO. Diese ist wegen ihrer Tollheit ewig verschmähet. TARPEIA. W a s haltet ihr denn v o n EUPHRASIA?

SIVARINO. Diese ist nicht in ihr eigen Schwerdt, sondern in die Hand des Nothzüchtigers gefallen. TARPEIA. Ey, so ist doch ELISA hierinnen mein Trost. (35v) SIVARINO. Wie, ELISA! das stolze undt ehrsüchtige Weib? TARPEIA. Wie? ist sie nicht vergöttert? SIVARINO. Man hat sie noch niemahls angebetet. TARPEIA. Was Rath dann, daß ich auß diesem LABIRYNTH gerathe. ONA. Den will ich euch geben, wofern ihr nur was SPENDiRen wolt. TARPEIA. DU wirst trefflich rathen können, laß hören, was ist es, kanstu meine Ehre retten, meine Freygebigkeit soll deine Hoffnung übertreffen. ONA. Ich will nicht mehr alß ein Band von COLEUR DE PUNS haben. TARPEIA. Es ist dir versprochen, rede nur. ONA. Hört, last dem Könige immer wißen, daß das Kind euer ist, fragt er nun nach dem Vater, so sagt: daß die Mutter Pferde in Spanien am Fluß TAGUS vom Winde empfangen, undt daß vorm Jahre ein Spanier eben ein dergleichen Pferdt euch verehret, welches, alß ihr es beschauet, undt ihm zu nahe kommen, habe es euch (36r) einen Spanischen Windt in die Flohr Kappe geblasen, undt von demselben Rauch seyd ihr trächtig worden. TARPEIA. Dein Rath ist fruchtlos, lieber ONA! Ich wende mich wieder zu euch Prinz SIVARINO. Meint ihr denn, daß ich es dem König sagen soll? SIVARINO. Man kan noch ein wenig warten, undt der gelegenheit wahr nehmen. TARPEIA. Ich verlaße mich in allen auff euern hohea Verstand. SIVARINO. Ich werde, so baldt ich ihre Durchl:* verlaße, Ihrer Maiestät auff wartten, finde ich gelegenheit, die ihr zum besten dienet, so werde ich mich derselben gebrauchen. Sie lebe inzwischen wohl, Gnädigste Prinzeßin.

Der glückliche Bastart, Actus II.

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TARPEIA. E r ingleichen Prinz! aber verschwiegen. SIVARINO. Verschwiegen, alß ein Stein. ONA. Holla Prinz! SIVARINO. W a s ists?

ONA. Ein Schelm, der ein W o r t saget. SIVARINO. Halte du nur dein Maul. ADIEU Gnädigstes Fräulein. {-.geht

ab:)

(36v)

TARPEIA. BERENICE! begleitet mich in den Garten, du aber warte meinem Königlichen herrn Vater auff, und höre ob etwas von mir undt meinem Kindt geredet wird. ONA. Sehr wohl, ich will meine ohren schon auff die Schildwache stellen. Guten tag inzwischen, {'.alle ab:) Seena 4. MONCADO

allein.

MONCADO. N i c h t unrecht, hat der ienige geredet, welcher den Königlichen H o f f dem Himmel, den König aber der Sonnen verglichen hat; Dann so wenig alß die Sonne {einen) einzigen flecken der Finsternis, undt der Himmel einige Wolcken der traurigkeit haben kan, daß man sie nicht alsobaldt erkenne, so wenig, sage ich, ist es möglich, wann ein H o f f mit unruh, oder ein König mit Schwermuth beladen, daß man es nicht alsobaldt bemercke. Was den Himmel unsers Hoffs belanget, so gehen unterschiedliche Wolcken ( 3 7 r ) verdrießlicher reden an demselben, von Osten biß nach Westen, von Süden biß Norden aus, mit einen W o r t : von einem Zimmer in das andere, alß soke die LUNA dieses Himmels eine Finsternis der Ehren erlitten haben: Ist diesem also, so zweiffle ich nicht, daß die Sonne dieses Reichs eben in dergleichen PASSION gerathen wirdt, auß welcher nichts alß unglück diesem H o f f und Königreich kan PROGNOSTicmet werden. Undt wiewohl ich bißhero dem Gerüchte kein gehör hab zugeben wollen, so solte mich dennoch der Argwohn fast bereden, das ienige zu glauben, welches nicht wieder die mögligkeit streitet. Denn warumb ist unlengst TARPEIA SO lang in ihrem Zimmer verblieben, warumb hat man niemandt zu ihr hienein gelaßen? warumb hat sich ihre gestalt so sehr verändert. Gewißlich dieses sein lauter Gründe, die ienigen reden zu PROBen, welche das gerüchte zu Hoffe außgestreüet. Könte ich doch nur BERENICE ihre H o f f m e i - ( 3 7 v ) S t e r i n , oder ONA ihren Zeitvertreiber antreffen, ich wolte mich bemühen, die Wahrheit oder Lügen dieser Sachen zuerfahren. Sieh da, (:ONA kömbt ein:) es scheint, alß ob mir das glück die Handt reiche, indem es mir den ONA herschicket. — Wohinaus

ONA?

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Johannes

Riemer

Seena 5. ONA

undt MONCADO.

ONA. I c h komme Ihrer Pestilenz auffzuwarten. Mit uhrlaub, haben Sie nicht ihre Maiestät gesehen? wißen Sie nicht, wo sie sein mögen? MONCADO. Nein, ONA! das weiß ich nicht, denn ich komme iezt allererst nach Hoffe. Aber, sage mir, hastu die Prinzeßin gesehen? ONA. Ο ia! Ehrenvester Herr. MONCADO. W O i s t S i e ?

ONA. Das weiß ich nicht. MONCADO. Du sagst, du hettest Sie gesehen, undt weist ( 3 8 r } nicht wo sie sey, wie reimet sich das zusammen? ONA. ES reimet sich sehr wohl, dann ob ich euch schon heute oder diesem Augenblick sehe, so kan ich doch nicht wißen, wo ihr morgen, oder nach einer Viertelstunde sein werdet, folget also nicht, weil ich die Prinzeßin gesehen , daß ich auch müße wißen, wo sie sey; Denn es hat bald 50. Minuten geschlagen, daß ich nicht bin bey ihr gewesen, rutschher. MONCADO. Wofern sich die Sache also verhelt, so hastu noch grosses recht zum besten; Aber sage mir, lebt das Kindgen noch, welches neulich die Prinzeßin auff der Jagt bekommen, hastu es nicht gesehen? ONA. Was? nicht gesehen? ich wolte daß es wahr were, so hette ich diese tage etliche groschen mehr im Beutel behalten. MONCADO. W i e s o , O n a ! w i e s o , w a s h a t es d i r g e t h a n ?

ONA. Das kleine Hurenkindt hat mich von oben biß unten bestuelgängelt. MONCADO. W a s h e i s t d a s , b e s t u e l g ä n g e l n , O N A ?

(38v)

ONA. Seyd ihr ein Prinz, versteht euch auff die MATERI nicht, ich sehr wohl, ihr seyd euer tage keine Amme gewesen, ich muß euch das ding nur deutlicher vor die Naase legen; Das Kindt hat PA, PA, gemacht, undt weil ich es eben auff meinen Armen getragen, hat es mich über undt über ein BALSAMiRet. Habt ihr es nun begriffen und gefast? MONCADO. Du coMMENTirst ziemlich plump über deine Reden, wann ich aber recht frey mit dir reden solte, so wolte ich sagen, daß du diesen Schimpf gar leicht vergeßen köntest, aus uhrsachen, weil dir das Kindt ziemlich ähnlich ist, ich bilde mir ein, du bist wohl selbst Vater darzu. ONA. PATROL nicht, sih da fein hönisch, dergleichen worte nicht viel mehr, meint ihr, daß ich so ein Hurenhängst bin, wie ihr, ich rathe euch, redt das Ding nicht mehr, wofern ihr wolt, daß ich keinen Staupbesem bekommen soll. MONCADO. Ey Poßen, ONA, ich habe mich nur vexieret, ich Weiß doch wohl, wehm das Kind gleichet. (39r) ONA. Undt wehm? — last hören. MONCADO. J u n g f e r — — —

Der glückliche

Bastart, Actus

II.

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ONA. TARPEichen. MONCADO. Alle recht,

TARPEichen.

ONA. D e r Prinzeßin aber. MONCADO. Frey lieh, meinstu denn anders? ONA. Durchaus nicht, aber behalt es bey euch, daß es der König nicht erfährt. MONCADO. Sey doch deßwegen ohne Sorgen. ONA. Man hat mir scharff verbothen, daß ich es niemand sagen soll, undt darumb verbiethe ich es euch auch, es soll es auch ins künfftige, kein Mensch von mir erfahren. MONCADO. D u hast den rühm, ONA! daß du in allen deinen Sachen sehr vorsichtig bist. ONA. Nicht mehr alß billich; Undt ich will ein Schelm sein, wann ich euch das geringste darvon hette melden wollen, so ihr es nicht selbst errathen hettet. MONCADO. Lieber und getreuer ONA! das ding habe ich schon lengst gewust, aber wie lange mag es sein, daß die Prinzeßin des Kindes genesen ist? ONA. ES ist ohngefehr 8. wochen, besinnet euch nur, wie lange es ist, daß sie nicht aus ihrem Zimmer gewesen, da ist eben der Betteltanz angegangen. MONCADO. A b e r wer stillet das Kindt? ONA. Bißweilen Jungfer TARPEIA, bißweilen BERENICE, bißweilen H . ONA, oder ich. MONCADO. Was? stillestu das Kindt, das will ich nicht hoffen, ist es aber wahr, so fürchte ich, daß man dich mit ehisten verbrennen werde. ONA. Was, mich verbrennen, aus was uhrsachen? MONCADO. Darumb, dieweil du sagst, daß du das Kindt stillest. ONA. Was versteht ihr dann durch das stillen? MONCADO. Ich verstehe daß du ihn die Brust giebest. ( 4 0 " ) ONA. Poßen, da hab ich mein tage nicht dran gedacht, versteht mich doch nur recht, ich kan das Kindt mit singen stillen, undt nicht mit der Brust. MONCADO. N u n hab ich dich recht verstanden, mein lieber ONA. Ich weiß, daß du sehr erschrocken bist, alß ich von Verbrennen gesagt habe. ONA. O h n e Zweiffei; Fühlet doch nur, wie mir der Pulß schlägt. MONCADO. Weil ich deßen eine uhrsache bin, will ich auch deßen ein MEDICUS sein, siehe da, nim diesen Ducaten, trinck einen guten trunck Wein dafür. ONA. Sehr wohl gerathen, ich bedancke mich auch zum schönsten gegen eure Freygebigkeit. Dieser DUCATen ist mir lieber alß zehn Ohrfeigen. N u n ADIEU Prinz, noch einmahl GRATIAS. Auffgesezt, auffgesezt. Ich will den König suchenn. ( : g e h t ab·.) (40v)

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Johannes

Riemer

Seena 6. MONCADO

allein.

Entlich hat mein Fürwiz seinen Zweck erreichet, aber die Pfeile dieses Unglücks haben zugleich mein Herz biß auff den Todt verwundet, undt wer kan leben, nachdem das Schwerd des Hohns einem mit so grausamer Gewalt zu boden schläget. Ich vermeinte, daß ich ein Besizer einer so RARen Schönheit sein solte, ich gedachte, daß ich ein Herr eines unschäzbahren Kleinodes werden solte, ich ließ mir träumen, daß niemand als M O N C A D O mit einem so herrlichen Liebesgewinst solte nach Hauße gehn; Aber, ach! diese Schönheit ist verwelcket, dieses Kleinod beflecket, undt dieser Gewinst einem Verräther zu theile worden. Wer mag er wohl sein? Hette ich doch ONA deßwegen gefraget, doch ich zweiffeie, ob er von diesem Ge-(4/ r )heimnüß wahre Kundtschafft habe. Verflucht mögen meine Gedancken sein, so sie sich iemahls wieder von der Liebe verführen laßen, ich mag undt kan nicht lenger alhier bleiben, blind will ich werden, so baldt ich diesen Hoff wieder sehe; Tollheit undt Raserey mag meine Sinnen beherrschen, so ich an einige Rückkunfft gedencke, undt der Himmel gebe, daß ich eher sterbe, ehe ich einige gedancken auff T A R P E I A seze. Ich eile von hier, ümb einen Brieff zu machen, welcher dem König meine Abreyse melden soll. (:geht ab:)

MONCADO.

Seena 7. GARGORIS, NUNIUS,

SIVARINO.

H a t man den Egyptier beruffen laßen, N U N I U S ? (41v) N U N I U S . Ja gnädigster Herr! C E C R O N ist gegangen, E: Mayt: Befehl zuverrichten, ich hoffe, daß sie in dem hier sein werden. G A R G O R I S . Uns verlanget mit Schmerzen nach ihm, wir werden nicht eher ruhen können, es sey denn daß wir mit ihm geredet haben, unser gemüthe ist allzusehr betrübet. S I V A R I N O . Mit uhrlaub Gnädigster Herr! ich hoffe, Sie werden mir alß dero unterthänigsten diener zu gute halten, so ich nach der uhrsach solcher Betrübnis undt Unruhe frage, einem getreuen diener ist solches nie verarget worden, wenn er seinem König betrübt gesehen. G A R G O R I S . Ihr solt die uhrsach erfahren. Wißet dann, daß die neuliche unpäßligkeit der Prinzeßin T A R P E I A uns sehr erschrecket hatte, noch vielmehr aber haben wir uns entsezet über einen Traum, welcher ( 4 2 r ) diese GARGORIS.

Der glückliche Bastart, Actus

II.

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vergangene Nacht uns vorkommen, und diesen tag über alle maßen sehr betrübet. NUNIUS. Ist die uhrsach Dero Betrübnis, ein Traum, so bitte ich, Sie laßen solche fahren, denn über Träume, hat noch zur Zeit niemandt uhrsach gehabt, sich weder zu freuen noch zubetrüben. GARGORIS. Gleichwohl seindt sie offt die bedeütung eines großen Unfalls gewesen. NUNIUS. Die Phantasey, welche niemahls ruhet, erreget offt aus Haß, gegen die andern schlaffenden Sinnen, eine solche verdrießliche Bewegung bey den Menschen. GARGORIS. Ist denn die Phantasey nicht mit den Sinnen vermenget? NUNIUS. Ohne allem Zweiffei, Gnädigster Herr! aber so wenig die Sinnen etwas Zukünfftiges vorstellen können, so wenig kan es auch die Phantasey verkündigen. ( 4 2 v ) GARGORIS. Ich glaube ia, absonderlich, so es mit hülffe der Götter geschiehet. NUNIUS. Die Götter erdulden keine menschliche Hülffe bey ihren Verrichtungen. GARGORIS. Sie gebrauchen aber dieselbe alß Werckzeuge. NUNIUS. Dieses hat man selten, oder fast niemahls erfahren. GARGORIS. Niemahls erfahren, sagt ihr? Ist dem CYRO nicht im Traum vorkommen, alß habe er dreymahl nach der Sonnen gegriffen, undt hat ihm dieses nicht sein dreyßigiähriges Regiment bedeutet? NUNIUS. Dieses hat ohngefehr eingetroffen. GARGORIS. Was hätte des PHALARIS Tyranney beßer undt gewißer bedeüten können, alß daß seine Mutter im Traum sähe, wie ihr Sohn mit einem Becher voll Blutte das ganze Hauß besprengete. NUNIUS. Dieses bildete sich das furchtsame Weib wachend ein. Also muste sie auch im Schlaff mit die-(43 r )sen gedancken erschrecket werden. GARGORIS. NUNIUS, ihr verachtet alles. Aber saget mir, wem schreibt ihr die s t i m m e z u , welche d e m HAMILCAR im Feldlager vor SYRACUS im

Schlaff zugeruffen, daß er des morgenden tages in SYRACUS Abendtmahlzeit halten solte? NUNIUS. Hätte dieser sonst preißwürdige Heidt des folgenden tages nicht alß ein gefangener, sondern alß ein Uberwinder darinnen gespeiset, so dorfte ich nicht sagen, daß diese Stimme seiner nur gespottet hätte. GARGORIS. Ihr habt zwar mit euern grundtmäßigen reden unsere Einwürffe bezwungen, aber die im Herzen wohnende betrübte unruh mit nichten gestillet. NUNIUS. Ihre Mayt: plagen sich ohne ursach; aber ich bitte, Sie laßen sich einen nichts bedeutenden Traum doch nicht erschrecken.

Johannes

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Riemer

Prinz SIVARINO! ihr habt bißhero geschwiegen, (43v) Sagt, was haltet ihr von den Träumen? SIVARINO. Gnädigster H e r r und König! ich verachte sie zwar nicht, gleichwohl kan ich mich weder darüber erfreüen, noch davor entsezen, weil sie von groben dünsten undt Feüchtigkeiten des Leibes entspringen, ia mit einem Wort, aus der Maaß, so ein Mensch in Eßen undt trincken hält, ihren Uhrsprung nehmen. G A R G O R I S . SO thun dann die Gemüthsbewegungen nichts dabey? SIVARINO. Dieselben will ich entlich nicht gänzlichen ausschließen. G A R G O R I S . U n d t was haltet ihr von der Mitwürckung der Sterne? SIVARINO. Gnädigster Herr! was solten doch wohl diese darbey thun? G A R G O R I S . Das ienige andeuten, was künfftig geschehen soll. SIVARINO. Ihre Mayt: gläuben mir, daß der ienige a l l z u - ( 4 4 r ) s e h r betrogen wirdt, der aus den Sternen sein künfftiges glück oder unglück ersehen will. G A R G O R I S . Aber gesezt, daß die Sterne einen Traum regiereten, solte man alßdann das künfftige nicht P R O G N O S T i c i R e n können? SIVARINO. Im fall sie es thun, Gnädigster Herr! so kan ich ihnen nicht wiedersprechen, aber daß sie wenige Würckung darbey haben, erhellet hieraus, weil alle BESTien träumen, welche doch das Zukünfftige von dem vergangenen nicht zu unterscheiden wißen. GARGORIS.

Seena 8. MONCADO

und

ONA

kommen zu ihnen.

Ich neige mich in tieffster unterthänigkeit vor Ihro Maiestät. Wir laßen uns euere Demuth Wohlgefallen, Prinz! Wie ists, wolt ihr nicht Beylager bald halten? (44v) M O N C A D O . Mit wehm? Gnädigster Herr! G A R G O R I S . Sie heist T A R P E I A . M O N C A D O . Wer, Ihro Maiestät Tochter? G A R G O R I S . Ja, undt ümb welche in euern Nahmen die ganze Ritterschafft, eine Werbung bey uns abgeleget. M O N C A D O . Ich besinne mich, Gnädigster Herr! daß ich es gethan, allein ich besinne mich auch, daß ich ein allzu hochmüthiges Werck begunnen, undt wiewohl ich deßwegen straffbahr wäre, so hoffe ich dennoch, daß Ihro Maiestät mir solchen Fehler verzeihen werden. G A R G O R I S . Wie? ist euch denn die Prinzeßin zu geringe? M O N C A D O . Das sage ich nicht, wollen aber Ihro Mayt: recht reden, so bitte ich, Sie kehren die rede ümb, so werde Sie befinden, daß M O N C A D O mit MONCADO. GARGORIS.

Der glückliche Bastart, Actus II.

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den wächsernen Flügeln seiner Liebe, sich dieser Durchlauchtigsten Sonne nicht nähern darff, aus sorge, in das Meer aller Verachtung zu fallen. (4V) GARGORIS. {-.heimlich:) Dieses ist eine stolze Demuth, wie? wil MONCADO die ienige iezundt fliehen, die er vor diesem mit seinen Liebesflehen und schmeicheln verfolget, Will er die ienige verachten, die er vor diesem Himmel hoch erhaben? Zieht er seine Worte zurücke, die er vielmahls mit Zähren undt Seuffzern in unserer gegenwart beschworen? Es sey drumb. Unsere Prinzeßin soll desweßen nicht verlaßen sein. Was mag aber wohl die uhrsache dieser seiner Veränderung sein, hat er vieleicht seine Keuschheit der Göttin DIANA gewiedmet, oder ist er anderwerts von Liebe gefeßelt, diese Verachtung hat was hinter sich, wir müßen die uhrsache genauer betrachten. MONCADO. {'.heimlich·.) Der König ist sehr vertiefft in seinen gedancken, meine reden haben ein großes nachsinnen bey ihm erwecket, aber schwerlich wirdt Er errathen, daß seine Tochter ein solches Laster begangen, welches {45υ) mich zwinget, ihrer Liebe Abschiedt zu geben. Der König mag mir wegen dieser Verachtung gehäßig sein oder nicht, das hat nichts zubedeuten, wird er aber erfahren, was deßen uhrsache ist, ich weiß, er wirdt meine billiche Verlaßung rühmen. Ich will nicht lange mehr an diesem H o f f verbleiben, diese beyden Brieffe will ich nur bestellen, undt alßdenn meinem Abschied in der stille nehmen. GARGORIS. {'.heimlich:) Wie künstlich wir auch der Sachen nachgrübeln, können wir doch das geringste nicht erfahren. Wir müßen unsern Canzler zu Rathe ziehen. Holla NUNIUS! NUNIUS. Was gebiethen Ihre Maiestät? GARGORIS. Ein Wort in geheim. MONCADO. Es wirdt Zeit werden, daß ich mich von hinnen mache, {-.heimlich zu ONA:) Höre ONA! so lieb alß dir dein Leben ist, so bestelle diese Briefe ( 4 6 r ) wohl, die ich dir hier übergebe, dieser gehöret an die Prinzeßin, undt dieser kombt dem König zu. ONA. Ich weiß nicht, ob ich oder ihr ein Narr seydt, da ist ia der König, warumb übergebt ihr den Brieff nicht selber? MONCADO. Das kan nicht sein, er muß den Brieff eher nicht alß morgen bekommen, aber der Prinzeßin ihren, magstu überliefern, wenn du willst, wann es auch heute geschähe. ONA. Gut, gut, aber die Brieffe sindt nicht FRANCIRT, da muß geldt sein, die Brieffe kommen ohne Zweiffei von ATHEN, undt da ist Postlohn ein Reichs Thllr: undt ümb zutragen 4 SCUDI. Das macht zusammen 2 Thllr: und 14 Dreyer. Herr! geld her. MONCADO. Ich sehe wohl, daß ich nach deiner Pfeiffe tanzen muß, hier hastu Geldt.

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Johannes

Riemer

NUNIUS. Ich bilde mir gänzlich ein, daß dieses alles nur (46v) eine höffliche Kurzweil von ihme ist. GARGORIS. Wie ists, Prinz! bleibt ihr noch auff eurer vorigen RESOLUTION? MONCADO. Ja, Gnädigster Herr! und eher wird das FUNDAMENT der Erden beweget, alß meine Gedancken geendert werden. GARGORIS. Red' ihr dieses von Herzen? MONCADO. Von grund meines Herzens. GARGORIS. SO bleibt denn standhafft in euerem Vorsaze, aber seyd versichert, daß ins künfftige keine Reüe, die vielleicht eüer Herz wieder rühren kan, uns bewegen soll, derselben gehör zu geben. NUNIUS. Gnädigster Herr! ich sehe CECRON nebst dem AEGYPTier ankommen. GARGORIS. Er kombt zu gewünzschter Zeit. ( 4 7 r ) Seena 9. G A R G O R I S , SIVARINO, M O N C A D O , N U N I U S , C E C R O N ,

COBARES.

COBARES. D e r große JUPITER beschütte Ihre Maiestät mit seinem Seegen, und PLUTO straffe die, so deroselben zu wieder leben. GARGORIS. Dem sey also. Sage mir, kanstu Träume deuten? COBARES. Ja, Gnädigster Herr! deßen hab ich mich von Jugendt auff befließen. GARGORIS. Wer ist dein Lehrmeister? COBARES. APOLLO

selbsten.

GARGORIS. Dieser Lehrmeister ist nicht zu verwerffen, wofern der DISCIPEL nur düchtig gewesen, etwas zu begreiffen. COBARES. Die Zeit soll offenbahren, ob ich geschickt gewesen etwas zu lernen, und ob ich so viel begrif-(4/ t ')fen, Ihrer Maiestät hierinnen gnung zuthun. Wollen Ihro Maiestät unbeschwert den Traum erzehlen? GARGORIS. Du solst ihn alsobaldt wißen. NUNIUS. Sollen wir unsern Abschied nehmen, und wollen Sie allein sein? GARGORIS. Nein, bleibet hier, du aber höre: Diese Nacht, alß CYNTHIA über die Helffte des Himmels nach Westen zu war, sahen wir eine schöne Jungfrau auff einem hohen Berge, mit ihrem Angesicht Ostwerts liegen, auß deren Schooß sich ein schöner Weinstock erhub, deßen Gipffei in kurzer Zeit die Wolcken erreichte undt sich so weit außbreitete, daß ganz ASIEN davon beschattet wurde. Sage mir nun deßen Bedeutung. COBARES. Ich bitte ümb eine kleine gedult, der Traum ist wichtig, undt darinn muß ich mich nicht übereilen. ( 4 8 r ) GARGORIS. Thue nach deinem Wohlgefallen, allein dieß befehlen wir dir, ungeschmeichelt, den rechten Grund der Deutung zuerklären.

Der glückliche Bastart, Actus II.

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C O B A R E S . Dieß schwere ich Ihrer Maiestät bey den Göttern. ONA. Was ist denn das vor ein Kerle? Ists ein Calendermacher oder ein Planetenleser, ich muß doch zusehen, ob ich auch etwas von ihme lernen kan. Ροζ Elemente! was hat der Kerl vor ein großes Buch, und noch einen viel größeren Sack, da werden gewiß die übrigen Wißenschafften drinnen stecken, die er in seinem Kopff nicht hat beherbergen können; Ich muß ein wenig zufühlen. (:nimbt eine Wurtzel herauß:) N U N I U S . D U O N A ! Laß den Mann zu frieden, hindere ihn nicht. ONA. Es hat nicht zu bedeuten, ich thu ihm nichts. ( 4 8 v ) G A R G O R I S . Wirstu nicht auff die seite gehen, so wirstu nach der Küche müßen tanzen. ONA. Großen danck, ich bin noch nicht hungrig. G A R G O R I S . Was düncket euch von diesem Traum? (:AD C A E T E R O S : ) SIVARINO . Er ist sehr wunderlich, die Götter geben, daß er Ihrer Maiestät was gutes bedeute. NUNIUS. Ich vor meine Person wünzsche, daß der Himmel diesem Sinnbildt eine gute Uberschrifft sezen wolle. O N A . Ο h e l f f t , h e l f f t ! (-.macht wunderliche POSiTURe«:) G A R G O R I S . Was widerfährt dem Schelm? C O B A R E S . Was gilt es, dieser Mensch hat mir etwas entwendet; Meine Geister plagen ihn. Holla! ihr Bürger der Hellen! die ihr mich alß euern Herrn erkennet, geschwind von diesem Menschen ab. (:rühret ihn mit seinem Stab·.) ONA. Daß dir die Nase verfaule, du Schelm! was mag in der Wurzel stekken? (49r) C O B A R E S . Gib her was du mir gestohlen hast. ONA. Da hastu es, geh am Galgen damit du Teufels=Kind! C O B A R E S . Sieh da, eine meiner vornehmbsten Wurzeln, hettestu sie noch eine Viertelstunde länger behalten, meine Geister hätten dich zu tode gemartert. ONA. Gleichwohl, unnötig Herr! nein, ich habe mit diesen Geistern nichts mehr zu thun, sie haben mich gezwickt, gekrazt, gebißen, gestoßen, ich hette verzweiffein mögen. C O B A R E S . Gnädigster Herr! ich habe es, die Sache ist richtig. G A R G O R I S . Laß hören. C O B A R E S . E S haben Eure Maiestät im Traum eine Jungfrau auff einem hohen Berge gesehen, aus deren Schooß ein Weinstock gewachßen, welcher ganz A S I A M überschattet. G A R G O R I S . Du sagst recht. C O B A R E S . Kennen Ihre Majestät die jenige Persohn, ( 4 9 v ) von welcher der Traum geschehen. G A R G O R I S . Beßer als dich. 11

R i e m e r II

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Johannes

Riemer

Ich befinde daß sie eines Königs Tochter ist. hast es errathen. C O B A R E S . Undt diese Königs Tochter, hat einen Sohn gebohren, welcher über ganz Asien herrschen wirdt. G A R G O R I S . Was? einen Sohn gebohren? das wollen wir nicht hoffen. C O B A R E S . Gnädigster Herr! wie ich berichte. A P O L L O teuschet mich nicht. G A R G O R I S . Undt wir sagen, daß es erlogen ist, uns ist die Tugend unserer Tochter allzuwohl bekandt; stost den Schelm zur Thür hienauß. NUNIUS. Geht fort. Geschwind, der König ist erzürnet. O N A . Nun bekomme ich REVANGE ( : s c h l ä g t auff ihn zu:) fort Schelm. COBARES.

GARGORIS. D U

( : C O B A R E S geht

ab:)

Nun glauben wir euern Reden, verständiger N U N I U S ! daß den Träumen nichts zu trauen sey. ( 5 0 r ) ONA. Undt ich glaube dem alten Sprichwortte: Wer zu Hoffe die Wahrheit geigt, dem schlägt man die Fiedel auf dem Kopff in stücken. Hätt mich der König nur umb die Sache gefragt, ich wolte ihm so guten Bericht alß der Schwarz Künstler gegeben haben. M O N C A D O . Gnädigster Herr! ich nehme in unterthänigkeit meinen Abschiedt. {'.geht ab:) Nun ist nicht länger Zeit hier zu bleiben, ich fürchte ein großes Ungewitter des Zorns bey Ihro Maiestät. G A R G O R I S . Nach euerm Belieben. Wo ist die Prinzeßin? SIVARINO. Ohne Zweiffei in ihrem Zimmer. Man frage den O N A . G A R G O R I S . Höre du, was machstu hier? warumb bleibstu nicht bey der Prinzeßin? ONA. Ich kan mich nicht in zwey Stücke zerreißen, und halb bey Euch, undt halb bey der Prinzeßin sein, sie hat mir gebothen, daß ich Ihro Majestät auffwartten undt hören solte, ob auch etwas von ihr geredet würde. ( 5 0 v ) G A R G O R I S . Warumb von ihr gered? hat sie vielleicht ein böses Gewißen, oder was mag diese ihre abfertigung bedeüten? ONA. Fragt ihr mich, so kombt ihr unrecht an, ich darff nichts sagen. ( : A D SPECTATORES:) Ich wolte, daß nur der Prinz von der Monath G A G E hier wäre, ich fürchte, die Brieffe werden mich noch ins Henckers Garküche bringen. G A R G O R I S . Was murmelstu? was trampelstu? was bedeutet dein Umsehen? sage geschwind. ONA. Das ding gehet euch ja nicht an. Ich rede vom Prinzen der Monath GARGORIS.

GAGE.

Was Monath GAGE? den Prinzen DE M O N C A D O wirstu meinen, was hastu mit diesem untreuen zu thun? O N A . Nun, Nun, henckt euch nur nicht auff, wann ich nicht VOCABEL were, großen Herren zu dienen, so hätte mir der Prinz auch keine CONFESSION auffgetragen. GARGORIS.

Der glückliche Bastart, Actus II.

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er dir auffgetragen? ONA. Heute könt ihr das Ding nicht erfahren, denn der Prinz hat mirs verbothen. GARGORIS. SO wollen Wir zusehen; ob wir das Verboth brechen können: Entweder sage, waß er dir auffgetragen, oder du must diese Viertelstunde in GOLIATH kriechen. ONA. Was hab ich mit dem unnüzen Gefängnüß zu thun? GARGORIS. Das werden Wir schon wißen. ONA. Nun ist guter Rath theuer, ich soll ihm den Brieff nicht eher alß morgen geben, und er will ihn heute haben, ist was böses darinnen, so kan ONA heute noch in Unglück kommen. Doch ich will es nicht hoffen, sondern den Brief übergeben; J a ! welcher ist nun der rechte, ohne Zweiffei, der so oben liegt, nach dem alten Sprichwortt: das Fette schwimbt oben. Dieser Brieff wirdt wohl an Euch sein. ( 5 1 v )

GARGORIS. COMMISSION

wirstu sagen wollen, und was hat {51r)

GARGORIS. G i b i h n h e r .

(ilieset:) An TARPEIA die Prinzeßin der CuRETen. &. Dieser ist nicht der rechte, wo ist der andere Brieff? O N A . E C C E , VIDETE. (:gibt den Brieff:) GARGORIS. (:Liest:) Allergnädigster Herr und König! wiewohl ich gewünzschet die Zeit meines Lebens in Ihro Majestät diensten zu schließen, so hat sich dennoch ein Unglück zugetragen, welches mich auf ewige tage, von dero Hoff verbannet, die Zeit wirdt es Ihrer Maiestät verkündigen, mich aber allezeit zwingen, deroselben in meinem Elend vor meinem König zu halten, der ich bin Ihro Maiestät unterthänigster CoRALDO, Prinz von MONCADO. Nun wollen wir den andern Brieff auch durchleesen. ONA. Last euch die Gedancken vergehen, Herr König! da wirdt nichts drauß. ( : g r e i f f t ihn nach dem Brieffe:) GARGORIS. Was, BESTIE! wilstu einen König gebiethen? (52 R ) Wir wollen den Brieff leesen: Gnädigste Prinzeßin! Daß das unglück Ihro Durchlaucht: so übel gewolt, und daß sie hat müßen Kindes Mutter werden, schmerzet mich über alle maßen sehr, mich wundert aber, daß Ihro Durchl: 1 mir solches nicht eher entdecket, damit wir die Geburth vertuschet, undt Ihro Durchl: 1 also bey ehren erhalten hetten. Weil man aber in geschehenen Sachen das beste reden soll, alß bitte ich, sie wolle sich nicht allzusehr betrüben, sondern nur dahin trachten, damit es der König nicht erfahre. Also wünzschet Euer Durchl: 1 schuldigster Diener, CORALDO Prinz von MONCADO.

ό ihr Götter! was haben wir gelesen? Ach ihr Augen, weret ihr blindt gewesen, ehe ihr diese Buchstaben gelesen. 11*

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Jobannes

Riemer

ONA. Meinethalben, ich were es schon zu frieden. GARGORIS. Sollen wir diesen Buchstaben auch wohl glauben zustellen? warumb nicht, die Sache ist klahr, (52v) undt wie dieses weiße Pappier mit schwarzen Buchstaben besezet, also ist das sonst keusche Gemüth unserer Tochter, mit verdammten Flecken der Unkeuschheit beschmüzet. Geschwind CECRON! bringt uns den iungen BASTARD her, welchen die Prinzeßin bey sich hat, will sie ihn mit guten nicht geben, so reist ihn mit gewalt von ihr. CECRON. Nach Ihro Maiestät befehl. Ο Ihr Götter! was will dieses bedeuten. {'.geht ab:) GARGORIS. Prinz SIVARINO! sezt alsobaldt dem Prinzen nach, undt bey unserer Königlichen Ungnade kehret nicht eher zu rücke, es sey dann, daß ihr ihn mit bringet. SIVARINO. Diesem augenblick will ich mich zu Pferde sezen, undt ihm nacheilen; {-.gehet ab:) Was mag doch wohl die uhrsach sein, daß der König so sehr entrüstet wirdt. GARGORIS. Ihr NUNIUS! verARRESTiRet alsobaldt die Prinzes-(53 r )sin, wie auch ihre Hoffmeisterin in Ihren Zimmer. NUNIUS. Ich werde nicht saumseelig in dieser Verrichtung sein. (:AD SPECTATORES:) Ich spühre, daß der Zorn Ihro Maiestät gänzlich eingenommen, meine Vorbitte muß ich biß auff beßere gelegenheit verspahren. GARGORIS. Ach NUNIUS! des großen Unglücks, wir sind verrathen, gehönet und geschändet, unsere Majestät ist beleidiget worden. NUNIUS. Wie so? Gnädigster Herr! oder auff was weyse? GARGORIS. Ein geyler, nichtswürdiger Mensch, ein verdamter Bösewicht hat unsere Tochter geschändet. NUNIUS. Woher wüßen Ihro Maiestät solches? GARGORIS. Dieser Brieff hat es mir berichtet. NUNIUS. Wer ist aber der Thäter? Gnädigster Herr! GARGORIS. Denselben muß MONCADO offenbahren. Geschwind verARRESTiRet die Prinzeßin und Hoff-(33 v )meisterin in ihren Zimmer. NUNIUS. Alsobaldt soll es verrichtet werden, {'.geht ab:) GARGORIS. Bistu Teuffels Bothe auch noch hier, aus meinem Gesicht, du Schelm! den Halß wollen wir dir brechen. ONA. WO bleibt aber mein Trinckgeldt? Gedencke doch ein Mensch wie die Leute fluchen können. Es ist Zeit daß ich mich verstecke, ehe der Bliz seiner Hände, in die Förder Stube meines Angesichtes schlägt. {:geht ab:) GARGORIS. Nun sindt wir allein, und ihr, ihr FURIEN! habt iezt die beste gelegenheit, dieses von Zorn rasende Königs Gemüthe mit euern Fackeln anzustecken, mit euern Schlangen zuverwunden; Wer gibt uns deinen

Der glückliche Bastart, Actus II.

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Speichel, C E R B E R U S ? der unsere Sinnen zu unsinniger Boßheit anreize. Hat J U N O jemahls ihre Ehre, an der J o , oder S E M E L E gerochen, G A R G O RIS soll es auch thun, an dem ienigen, der seine Ehre gestohlen. (54r) Mit Lufft undt Gluth, mit Erde und Gluth, wollen wir unsere Rache suchen, Stricke, Schwerde undt Folder sollen zu wenig sein, unsern Zorn zustillen. Wir wollen, alß A T H A M A S unser eigen Kindt ermorden, undt mit seinem befleckten Blut die Schande von unserm geschimpfften Herzen abwaschen. Der B A S T A R D muß sterben, die Mutter vergehen, und der Schänder in seinem Blut ersticken; auf diese, undt keine andere art kan G A R G O R I S befriediget werden. Diese drey Opffer vermögen einzig undt allein die gehöhnte Maiestät zuversöhnen. Seena 10. C E C R O N und

GARGORIS.

CECRON. Gnädigster Herr! hier ist das Kind. G A R G O R I S . Werfft den B A S T A R D auff die Erde, daß (54v) ich ihn mit füßen trette, dieser iunge Drache muß vertilget sein, so unsre Cron vergifftet hat. (:wil es ihm auß den bänden

reißen:)

CECRON. Ich bitte Ihro Maiestät besänfftigen sich doch, Sie schonen ihrer, wie auch des Kindes, was hat ein solch unschuldiges Lam gesündiget, oder womit hat es Ihro Maiestät beleidiget? G A R G O R I S . Mit seiner Geburth hat es mich beleidiget, dieses ist der Dorn, welcher meine Ehre verwundet, dieses ist der Pfeil, welcher meine Seele durchschoßen, dieses ist der Hammer, welcher das schönste Kleinod aus meiner Königlichen Crohne geschlagen, fort mit ihm, daß er unsern Hunden vorgeworffen werde, schonen diese seiner, so werfft ihn unter die Schweine, wollen diese sich nicht an ihn wagen, So last ihn von unsern Pferden zertretten werden, alßdenn werfft ihn in das Waßer, ich hoffe, daß dieser vier Straffen eine, gnung sein wirdt, diesen B A S T A R D die Seele auß zujagen. ( 5 V ) CECRON. Gnädigster Herr! ich bitte ümb der Götter willen, sie besinnen sich, was sie befohlen, was kan dieses Kindt dafür, daß Ihro Maiestät beleidiget sein. G A R G O R I S . Nicht ein Wort mehr, so lieb euch euer Leben, fort mit dem Hurenkindt. CECRON. Ich thue dann gezwungen, was mir ein König, oder beßer zusagen, ein Tyrann befohlen. Die Götter werden mir diese grausame That nicht zuschreiben, (-.gehet ab:) G A R G O R I S . Nur fort mit ihm, das Gespenst muß verbannet sein, welches die Ruhe unsers Gemüthes verstöret hat.

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Johannes

Riemer

Seena 11. N U N I U S und

GARGORIS.

NUNIUS. E S ist vollbracht, was Ihro Maiestät befohlen haben, die Prinzeßin nebst Ihrer Hoffmeisterin ist verARRESTiRet. { 5 5 v ) GARGORIS. Ihr habt wohl gethan, weil die Ehre todt ist, mus keine Freyheit leben, diesen ARREST soll nichts alß ihr Todt auffheben, sie mag mit ihrem BASTARD in der Hellen leben, er ist schon voraus, sie soll baldt follgen. NUNIUS. Wie? Gnädigster Herr! ist der Prinz ermordet? GARGORIS. NUNIUS! Sein Blut muß unsere Rache kühlen; Kein Prinz, sondern ein Hurenkind ist fort. NUNIUS. Hilff Himmel! welch eine grausame That. GARGORIS. Schweigt, undt folget uns. Der Anfang ist gemacht, das Laster zubestraffen, Troz der es wehren will. Wir fürchten keine Waffen, Kein Flehen hören wir. Wir bleiben bey dem Schluß, Daß ehist ihrem Kindt, die Mutter folgen muß. ( 5 6 r )

Seena 12. PARTHENOPE

singen nachfolgendes, {•.Das

undt L E U C O S I A mit dem iungen Printzen, unter wehrenden schwimmen, auff dem Meere. T H E A T R U M ist Meer und Klippen:)

LEUCOSIA.

Fort, Schwester! PARTHENOPE.

Schwester! fort, BEYDE.

Laß uns mit diesem Kindt. Wie uns die THETIS hat befohlen, nur geschwind, der Hole schwimmen zu. PARTHENOPE. Wo

Lebt.

PRITAS m i t

FROTESSEN

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Der glückliche Bastart, Actus II. LEUCOSIA.

Beyde sind zu Hoff in hoher Pracht geseßen, E h ' sie der Perser Fürst unschuldig hat verbant, BEYDE.

Nun leben sie vergnügt an diesem frembden Strandt. PARTHENOPE.

Undt diese werden dich, ό liebes Kindt erziehen LEUCOSIA.

Biß dein geseztes Glück anfangen wirdt zu blühen,

{56v)

BEYDE.

Was das Verhängnüß hat beschloßen, muß geschehn, Undt solte gleich die Welt alß wie ein Rauch vergehn. Kein Pferd,

LEUCOSIA. PARTHENOPE.

Kein Schwein, LEUCOSIA.

Kein Hund, der wolte dich verlezen, PARTHENOPE.

Man muste dich zulezt auf THETIS rücken sezen, Doch dieses auch ümsonst die Göttin ist dir hold, D u bist der TANAIS erwünzschter Liebes Sold. LEUCOSIA.

Sieh' wie das Mündlein lacht, PARTHENOPE.

Sieh' wie die Äuglein blizen, Die mir, ό große Krafft! die Lieb' ins Herze rizen, Liebreicher Seelen Schaz! LEUCOSIA.

Mein Lieb ich küße dich, ( 5 7 r ) PARTHENOPE.

Ich küße dich mein Trost BEYDE.

Ach wie erfreustu mich. LEUCOSIA.

N o c h nicht genug mein Kind! ich muß dich noch einst küßen,

164

Johannes Riemer PARTHENOPE.

Ich muß durch einem K u ß mir meinen Mündt versüßen, BEYDE.

Ο große Liebes Macht! wie dringstu bey mir ein Ich wolte, daß ich dein, mein Liebgen könte sein. PARTHENOPE.

F o r t , Schwester! fort, BEYDE.

Laß uns der THETIS ihren Willen, Wie sie gebothen hat, mit diesem Kind erfüllen. ( 5 7 v )

Actus III. Seena 1. PRITAS

(•.Das

kombt ein, in einer Beerenhaut. ist Waldt und Felßen:)

THEATRUM

PRITAS. W e r da zweiffeit, ob die großen dem Unglück so wohl unterworffen sein, alß die kleinen, undt ob Fürsten so wohl fallen können, alß die unterthanen, der sehe mich unglückseeligen PRITAS an. Wer war ich vor diesem? Hat nicht ganz PERSIEN sich vor mir gebeüget? D e r König ehrte mich alß seinen Freund, die unterthanen liebten mich alß einen Fürsten von Königlichem Geblüte, mein Wincken war ihnen ein Befehl, undt mein W o r t ein theueres Geseze. D e r H o f f war mir günstig, die Bürger gehorsam, der Landmann unterthänig, mit einem W o r t , ich sas dem Glück ( 5 8 r ) recht mitten in dem Schooß. Aber, ach der Neid, welcher zu H o f f am meisten wachet, hat mich dennoch so sehr verfolget, daß ich iezt in diesem Waldt in einer Höhle an der See kümmerlich mein Leben muß suchen zu erhalten. Verfluchte Lästerzunge! V o n welchem Molch oder Drachen, hastu dein Gifft geborgt, mit welchem du zu H o f f e viel tausendt Menschen tödest. Die ienigen, die ich fast von Bettelstandt erhaben, undt Fürsten an die seite gesezt, die jenigen sindt es gewesen, die mich hernach verfolget. SORAN, du bist es, der du mich durch höllische Verleumdung angegeben: Alß hette ich gesucht, den König von seinem T h r o n zu stürzen und mich darauff zu sezen. Aber dir, gerechte NEMESIS! überlaße ich die Rache, du hast noch nie den Stolzen geschonet, ich hoffe, du wirst meine Unschuld mit der Zeit an den Tag geben.

Der glückliche Bastart, Actus III.

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{-.Inwendig:) H o ! ho! P R I T A S ! ho! ho, was ists? F R O T I S S E ! hier bin ich. ( 5 8 v ) F R O T I S S E . Ich komme, Ich komme. PRITAS. Was mag meine Liebste wollen? ich will nicht hoffen, daß ein Löwe oder Beer, oder sonsten ein Räuber sich sehen laßen, welche nach meiner Hole wollen. Sie laßen es sich nicht gelüsten, ich schwere bey dieser Axt führenden Handt, es soll sie gereuen. FROTISSE.

PRITAS. H O ,

Seena 2. F R O T I S S E und (:FROTISSE

bringt

PRITAS.

das Kindt

bedeckt:)

A c h liebstes Ehgemahl! welch ein Glück ist mir diesen Morgen begegnet; Alß ich aus unsrer Hole, der See zuging, hab ich unverhofft einen Schaz auff der See schwimmend gefunden. PRITAS. Undt was vor einen Schaz? ( 5 9 r ) F R O T I S S E . Diesen mein Lieb! Urtheilet doch, ob dieses Kind nicht billich ein Liebes Schaz mag genennet werden? Die Freundligkeit siehet ihm zu den Augen heraus, es ist nichts, als lauter Holdtseeligkeit an ihm zuspüren. PRITAS. Gerechter Himmel! welch BARBARischer Mensch? Welch Tyger Herz? hat dieses unschuldige Lam den wilden Wellen auffgeopffert? Ohne Zweiffei muß diese grausame Sinnloß gewesen sein. F R O T I S S E . Liebster! wir wollen ihn behalten undt aufferziehen, vielleicht kan er uns in unserm Alter noch einst erfreülich sein. PRITAS . Ich bin es zu frieden, undt wer wolte doch ein solches liebes Lam verwerffen? Dieses Kind muß entweder im Sturm von der Mutter gerißen sein worden, oder eine Gewißenlose undt geschändete, hat es (59v) von sich geworffen, ihre verlohrne Ehre zu retten. F R O T I S S E . Es sey drumb, mir ist es so lieb, alß ob ich leibliche Mutter dazu were. Seht doch, wie es so freundlich mit den äugen spielt, ich solte fast wetten, daß dieses Kindes Eltern keine geringen Leute sein. PRITAS. Eltern muß es haben, oder zum wenigsten gehabt haben, wer sie aber sein, mögen die Götter wißen. Geht nur wieder nach der Höhlen, ich will inzwischen was Holz fällen. F R O T I S S E . Ich gehe, Liebster! hüttet euch, ich bitt, daß euch kein unglück wiederfahre. (:geht ab:) P R I T A S . Seyd ohne Sorgen, ich will bald wieder bey euch sein. (-.gebt ab:) FROTISSE.

Johannes

166

Riemer

Seena 3. ONA. (:Das

(60t)

THEATRUM ist

Stadt:)

ONA. I c h sehe wohl, daß ein Mensch nicht eher, alß von seinen Anschlägen kan betrogen werden; Ich gedachte ein gutes Botenlohn vor die Brieffe zu bekommen, ja hinter sich, der König wolte mir zum RECOMPENS den Halß brechen; Aber ich frage iederman, ob das recht sey, einen ehrlichen Kerl also anzufahren. Wie werde ich nun bestehen, ich habe auff das Trinckgeldt, schon geborgt, von unsrer kleinen Madraze, undt nun hab ich kein Geldt, auch nicht einmahl die Hoffnung etwas zu bekommen. Ich dencke immer wann ich wieder zu ihr komme, sie wirdt mir den silbernen Griffel von meiner Schreibetaffel, den ich vielmahls schon bey ihr versezt, dermahleins verARRESTiRen, undt in ihr Schreibekästgen einsperren. Was fang ich nur an? ( 6 0 v ) mit dem König darff ich kein Wort des Trinckgeldts halber reden, aus furcht, er mögte mich dem Quartiermeister übergeben, der die eisernen Bein Schellen außtheilet. Wann ich nur einen, von meinen Cammerraden anträfe, der meine Sachen bey der Regierung einbrächte, ich weiß sie könten mich nicht laßen, sie müsten mir das Trinckgeldt außzahlen. — Sieh da! wer rufft dorten zum Fenster heraus? Was ists? Nein., das bin ich nicht, ich heiße ONA, undt er rufft ULRICH. GEMINI! wie stellt sich der Kerl an; O, ho! nun mercke ich seine ACTION, der gute Kerl hat eine APELLATION nach Speyer vor. Ich will wetten, daß der Kerl mehr eingenommen hat, alß alle PATiENTen, so in dieser Stadt wohnen. Sieh (61r) dar, hier kombt unser HEBRAISMUS Herr RABBI Hempel, den will ich ansprechen, daß er mir auff das künfftige Trinckgeldt einen DucATen vorstrecket.

Seena 4. O N A , RABBI

HEMPEL.

RABBI. E y , E y ! was sindt die Heyden vor böse Leüte? hab ich mein tage auch so große grausamkeit gesehen, daß ein König einen unterthan, ein Herr, einen Diener, oder ein Groß Vater seinen Enckel so TRACTiRen könne, alß der König GARGORIS mit dem kleinen Prinzen gethan hat. EISCHENEMAJ! das ding ist unrecht, er kans nicht verantwortten. Er muß {61v) ganz kein gewißen haben, oder muß nicht recht klug sein. ONA. Was sagstu Schelm? hat der König kein Gewißen, ist der König nicht klug? wartte, du solst mir zu meinem Trinckgeldt helffen.

Der glückliche Bastart, Actus III.

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RABBI. E y wohin, ONA! bleib doch, ich hab nichts gesagt, Verzieh doch. ONA. Nein, Nein, ich will den König fragen, ob er kein Gewißen hat. RABBI. E y freylich, hat er ein Gewißen, aber wenn er unsers glaubens were, so hette er das kleine Kindt nicht so sehr peinigen laßen, wie er gethan hat. ONA. O h o ! wiltu da hienaus, vermeinstu, daß er darumb nicht klug sey, weil er deines glaubens nicht ist, nun will ich dir PROBiRen, daß du nicht klug bist, und daß du kein Gewißen hast. ( 6 2 r ) RABBI. Ich kein Gewißen, ey laß hören, wie so? ONA. Hastu nicht gesagt, weil der König deines glaubens nicht ist, so ist er auch nicht recht klug, nun ist aber der König mehr alß du, undt du hast seinen Glauben nicht, ERGO bistu ein Narr, undt hast kein Gewißen. RABBI. Das macht es gar nicht aus, er mag ein Bauer oder ein König sein, hat er den rechten Glauben, so komt er ins Paradieß. ONA. SO gedenckestu auch in das Paradieß zu kommen? RABBI. F r e y l i c h .

ONA. Ach Jude! laß dir die Gedancken vergehn, ich fürchte, Ich fürchte, du wirst ins PARADIES kommen, da dir haut undt haare verbrandt sein werden, ehe du wirst einen BONUS DIES gewünzscht haben. ( 6 2 v ) R A B B I . D a b e w a h r e m i c h A B R A H A M , ISAAC u n d J A C O B

für.

ONA. Was fluchstu Galgen Vogel! RABBI. Ich fluche nicht, das sein heylige Leute, die ich genennet habe. ONA. Habt ihr denn auch heylige Leute, HEMPEL RABBI? RABBI. Mehr alß ihr. ONA. Das ist erlogen, wir haben mehr heylige. RABBI. Nein, wir haben ihrer mehr, ich wette ümb einen DucATen. ONA. Nein, ümb geldt wette ich nicht, denn ich hab keines, aber also will ichs mit dir wagen, so viel heylige, als ich dir auß unserm Glauben erzehlen werde, so viele haare will ich dir aus deinem Bart ziehen, und so viel du mir, deiner Heyligen wirst nennen können, so viel haare solstu mir außzupffen. ( 6 3 r ) RABBI. Meinethalben ich bins zu frieden, Nun will ich den MAMSER braf zausen. Fang an, ONA. O N A . W i e alt b i s t u

HEMPEL!

RABBI. Drey undt Funffzig Jahr. ONA. Undt ich nicht mehr alß Sieben und Dreyßig Jahr, das Alter hat den Vorzug. Du must anfangen. R A B B I . D a s i s t g l e i c h v i e l . L a ß s e h e n . A B R A H A M , ISAAC, u n d t J A C O B .

Das

sindt 3 Haare. ONA. Die 7. PLANETen. Dafür 7. Haare. RABBI. Wartte ich hab ihrer auch 7. aus dem Buch der MACHABEER, die Mutter mit ihren 7. Söhnen, 7 haare aus deinem Bart.

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Johannes

Riemer

ONA. DU Galgen Vogel! zieh recht, oder laß es bleiben. Nun hab ich 3 G RATI EN. 3 . FURIEN, 3 . PARCEN. ITEM 9 . MUSEN. Das gibt 18. Haare. < 6 3 v ) RABBI. A U weh! du schimpffst mir meinen Bart. Des frommen JACOBS seine 12. Söhne, 12. Haare. O N A . Die Göttin DIANA mit ihren Jagt NYMPHEN. RABBI. Wie viel, O N A ! wie viel? ONA. Nicht mehr alß 50. RABBI. Das ist zu viel, AU, mein Bart, sachte O N A , sachte — Das hab ich überstanden. Nun will ich unsere Könige aus dem Hauß JUDA undt ISRAEL erzehlen. O N A . Höre du H E M P E L ! alle Könige sindt nicht seelig worden, du must nur die frommen nehmen. RABBI. Wie anders O N A . ONA. Nun wie viel sindt derselben? RABBI. Ohngefehr 1 5 . Die Propheten will ich auch darzu nehmen, derselben sindt 12. 12. undt 15. macht 27. so viel haare. (64r) O N A . Nun hab ich die Hauß Götter der Stadt T R O J A . RABBI. Sindt ihrer viel? ONA. Nicht mehr alß 80000. RABBI. A U ! mein Bart, mein Bart! ( ü a u f f t weg:) ONA. Den Halluncken hab ich bezahlt. Ich wolte daß er mehr haare im Bart gehabt hätte, ich wolte ihm noch mehr Heylige erzehlet haben, {'.geht ab·.)

Seena 5. GARGORIS, N U N I U S , CECRON.

E u r e RELATION, die ihr des Kindes halber bey uns abgeleget, sezt uns in große Verwunderung, wolten unsere Pferde es nicht mit ihrem Huff zertretten? NUNIUS. Wie ich gesagt hab, gnädigster Herr! die Pferde ( 6 4 v ) waren viel barmherziger alß wir. Denn nachdem wir das Kindt an die Schwelle des Stalles geleget, iagten wir alle Pferde heraus, derer 123. waren, alleine es war mit Verwunderung, undt nicht geringen mitleyden anzusehen, wie diese Thiere ihre Füße so klug sezten, daß dem Kinde nicht der geringste Schaden wiederfuhr. Es hatte das Ansehen, alß ob diese Viehischen Knochen von einer vernünftigen Seele REGiRet würden. GARGORIS. Daß die Pferde des Kindes geschonet, kombt daher, dieweil diese Thiere täglich mit Menschen ümbgehen, undt von ihnen gespeißet GARGORIS.

Der glückliche Bastart, Actus III.

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werden, daß aber die Sauen vor dem Kinde geflohen, befrembdet uns nicht wenig, denn in unserer Jugend haben wir selbst mit diesen unseren Augen gesehen, daß etliche Sauen ein ( 6 5 r ) Kind zerrißen haben. CECRON. Man hat dergleichen Unglücke zum öfftern erfahren, allein daß vor diesem Kindt alle Schweine geflohen, so in dem großen Königlichen Fuhrwerck sein, können mehr denn 1000 Menschen bekräfftigen, welche mit thränenden Augen des Kindes Untergang bedauerten. GARGORIS. Dem sey, wie ihm wolle, daß aber die Hunde dem Kinde kein leid angethan, dafür sollen sie alle des Hungers sterben. CECRON. Gnädigster Herr! was haben die unvernünftigen Hunde gesündiget, daß sie sterben sollen, oder was hat das unschuldige Kindt mißhandelt, daß es von diesen Thieren solte zerrißen undt gefreßen werden? GARGORIS. Wir müßen entlich gestehen, daß des Kindes Verbrechen nicht so groß sey, alß der Mutter ihres, (65v) dennoch muß das ienige, welches unsere Ehre kräncket, gänzlich außgerottet sein, und darumb haben wir eben befohlen, daß es auf die See möchte gesezet werden, haben seiner die Pferde, die Schweine undt die Hunde geschonet, ich weiß die See wirdt ihm nicht barmherzig sein, ihr Schlund ist groß genung diesen klein e n SCORPION

zuverschlingen.

NUNIUS. ES ist wahr, alles auff dieser Welt ist viel barmherziger alß die See, diese hat nicht allein Holz, Steine, Eisen, Goldt, Silber und Edellsteine in sich geschlucket, sondern auch Menschen, edler undt unedler art, hohen undt niedrigen Standes, in ihren Schlund gerissen. Doch weis ich nicht, ob es die Macht gehabt, dieses unschuldige Kindt zu verschlingen. (66r) GARGORIS. Wie so? Seyd ihr denn nachläßig in Vollziehung Unsers Befehls gewesen, und {habt) nicht gethan, was wir euch geheißen? NUNIUS. Da bewahre mich der Himmel vor, daß ich einen Buchstaben, geschweige eine SYLBE oder Wort, alß Befehl meines gnädigsten Herrn nicht solte werckstellig machen. Es ist alles geschehen, was sie gebothen haben, aber so baldt wie das Kind auff die See gesezet, kamen unterschiedliche Seehunde, welche das Kindt zu sich nahmen, undt so weit fort trugen, daß wir es nicht ferner sehen konten. GARGORIS. Was die hunde auff dem Lande, vielleicht durch Zauberey geblendet, nicht haben thun können, das haben die Hunde auff der See vollbracht. Der große Weinstock, von welchem der Traumdeuter gemeldet, ist nun durch meine Henckersknechte ( 6 6 ° ) die Seehunde zerrißen, zerfleischet, und zernichtet. Die Frucht ist vertilget, nun soll es den Baum gelten. NUNIUS. Was vor verzweiffeite Gedancken beschweren Ihro Maiestät Gehirn? Wie Gnädigster Herr! wollen Sie sich selbst vor der Zeit der LIBITHiNen auffopffern.

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Johannes Riemer

GARGORIS. Undt was vor törichte gedancken haben euern Sinn eingenommen, versteht ihr nicht, wen ich zu töden suche? Die Mutter des Kindes soll sterben, TARPEIA muß fort. NUNIUS. Wer TARPEIA? Ihro Maiestät einzige Tochter. GARGORIS. Nicht unsere Tochter, sondern eine THAIS. Welche alß eine Priesterin der Ehren, den Altar der Keuschheit hat entweihen laßen. NUNIUS. Bedencken aber Ihro Maiestät nicht, daß TAR-(67r)pEiENS Tod, den Fall des ganzen Königlichen Geschlechts nach sich ziehet. GARGORIS. Wir bedencken es, wir haben es auch schon längst bedacht, weil aber einem Könige die Ehre mehr, alß ein Kindt gefallen muß, alß werden wir die Sache künfftig in kein Bedencken mehr ziehen. NUNIUS. Aber aus was uhrsachen, wollen Ihro Maiestät sie des Lebens berauben? GARGORIS. Darumb, dieweil sie ihre Ehre, welche sie höher, alß ihr Leben hette achten sollen, einem geylen Bößwicht auffgeopffert hat. NUNIUS. Ein König aber, wie groß er auch ist, darf nicht wieder die Geseze handeln. GARGORIS. Verbitten denn die Geseze, das Unrecht zu straffen? NUNIUS. Nein, Gnädigster Herr! aber iedes Gesez die-(67v)ser Welt, muß mit den Göttlichen übereinkommen, wofern man jemand am Leben straffen wil. GARGORIS. Hierinnen wolten wir euch baldt das Wiederspiel beweisen, wenn es nichte genung were, daß wir alß König macht haben, selber Geseze außzuschreiben. NUNIUS. Geseze, die ein König schreibt, die kan ein König auch wieder außlöschen, aber die Göttlichen bleiben ewig, Befinden Ihro Maiestät, daß die Prinzeßin ihres Falls halber am Leben zu bestraffen sey, denen Göttlichen Rechten nach, so will ich Deroselben nicht allein, nicht wiedersprechen, sondern alle ersinnliche Gelegenheit an die Handt geben, die Prinzeßin aus den Gränzen des Lebens zu verstoßen. CECRON. Aber warumb solte sie an dem Leben nicht können gestraffet werden? (68r) NUNIUS. Weil diesem Verbrechen keine Lebens Straffe in unserm Gesezbuch verordnet. CECRON. Ein König aber ist an kein Gesez verbunden. NUNIUS. Mein Herr! nachdem das Gesez ist, Geseze, die ein König selbst gesezt, mag er auffheben, aber keine Göttliche. Nun hab ich die Zeit meines Lebens nicht gelesen, daß einer Person, welche durch Schwachheit zu fall kommen, einige Lebensstraffe sey auffgeleget worden. CECRON. Auff solche weyse ist ein König auch den Gesezen unterworffen, weil er sich durch Geseze muß binden laßen.

Der glückliche Bastart, Actus III.

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NUNIUS. Dieses ist recht, denn die rechte Gerechtigkeit muß durch gewiße Regeln erhalten werden, undt dieser ist kein König, der nicht die Gerechtigkeit liebet. CECRON. Dieses, was ihr Regeln nennet, sein überfliis-(65 I ')sige gedankken der Gelehrten. NUNIUS. Mein Herr! wer den grundt einer Sache leugnet, mit dem ist übel zu reden. Das Recht wirdt Recht sein, so lange die Sterne am Himmel schimmern werden. Weil aber der Herr meinen wohlgegründeten Reden wiederspricht, hat es das ansehen, alß habe er mehr Blätter in der Karte, alß in den gemeinen Rechten gesehen. GARGORIS. Worzu dienet diese Spizfündigkeit, NUNIUS, CECRON hat recht, wir sein König, wir können Geseze geben, und Wir, wir König GARGORIS wollen, daß TARPEIA sterben soll.

Seena 6. SIVARINO, G A R G O R I S , N U N I U S , C E C R O N .

(69R)

SIVARINO. Allergnädigster Herr undt König! was Ihro Maiestät zu verrichten, mir auffgetragen, ist in unterthänigkeit vollbracht, Prinz MONCADO habe ich in dero RESIDENZ geliefert. GARGORIS. Unsere Gnade, soll eure treue Müh belohnen, geschwind CEC R O N , last T A R P E i e n , B E R E N I C E , M O N C A D O , w i e a u c h d e n O N A v o r u n s

kommen, wir wollen die Sache aus dem Grund durchsuchen, undt nachmahls einem jeden seinen verdienten Lohn ertheilen. CECRON. Ich eile Ihro Maiestät Befehl zuverrichten. GARGORIS. NUNIUS! eure Reden erwecken bey uns großes Nachdencken, warumb vertheidiget ihr eine Ehrloose? NUNIUS. Darumb, dieweil dieses Verbrechen, keine solche Straffe verdienet hat.

l i t i f c i j e n ?euten tefto be&ero Sefojtujuns SnS&eatvalifcfce £)ifcurfc unb b u ^ mit iiuQwriligev V P a r f t f i t »betfaff« 23oo dement/ PKOF. inGtMNASio JU'Beigenfi^ fceipjtg t*yO;&riftiafitllicl?aem/ uno.ui SOBofdbjt eöaucfjacbrucft M n«SudjbC, S o l j a niC6x« n i&fcjfa' U. Auguft. 15»

Dem Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / H r n . J o h a n n A d o l p h Hertzogen zu Sachsen / Jülich / Cleve / und Berg / Landgraffen in Thüringen / Marggraffen zu Meisen / auch Oberund Nieder-Lausitz / Graffen zu der Marek / Ravensberg und Barby / Herrn zum Ravenstein / 2C. 5 Meinem Gnadigsten Fürsten und Herrn ( 2 r )

Durchlauchtigster Fürst / Gnadigster Herr! E S scheinet / als habe der über Himmel und Erden herschende G O T T / bey diesen / ob gleich betrübten Zeiten / ein sonderlich wachendes Auge / vor E r . H o c h = F ü r s t l . D u r c h l . Wohlstand / indem ja dieses Jahr / woferne ich die weit erschollene Trauer aussetze / so sich aus verborgenen Rath Gottl. Regierung / über das hohe S a c h s e n H a u ß / innerhalb drey Monaten angesponnen / mir und allen treuen (2V) Knechten E r . H o c h = F u r s t l . D u r c h l . so viel Ursachen / Glück zu wünschen / mit gebracht / daß ich davon wol sagen mochte / was OVIDIUS aus dem PONTO, nach R o m / a n d e n SEXTUM P O M P E J U M s c h r i e b e . L I B . I V . DE P O N T . E L E G . I V .

Es zogen E r . H o c h = F ü r s t l . D u r c h l . den 18. AUG. zwar in schmertzlicher Betrübnis / über dem Falle / dero Hochseeligen Herren Vaters / deßen Leichnam Sie den 22. JULII, mit gebührenden Leichgeprange / in dero Erb=Begrabnis / hieher nach Weißenfels / voransendeten / von Halle aus; iedoch mit der innerlichen Vergnügung / daß die Einwohner der Nahrungs=reichen Stadt mit naßen Augen E r . D u r c h l . nachsahen / in geheim wünschende / daß / woferne es der Gottlichen PROVIDENZ also beliebet / Sie (3r) mit der gantzen Stadt eines so großen und durch alle Regierungs= Tugend wohl=probierten Printzen / des unsterblichen Hauses Sachsen / Unterthane hatten bleiben mögen. Darauff gelangeten Sie den 18. AUGUSTI auff hiesigen Grentzen an / mit solchen Freuden der Einwohner / so gar / daß ich dafür halte / es können die Persianer / über dem Auffgange ihres Abgotts / der Sonnen /sich nicht mit solchen Lobgeschrey erheben. Das stille Gefülde prasentirte sich mit seiner Volckreichen Mannschafft / alsbald an dem Orte / wo E r . H o c h = F l . D u r c h l . den Boden ihrer Herrschafft betreten kunte / und betaurete nichts mehr / als daß es mit Erlösung seines fertigen Gewehres / zu Ehren des neuen Regentens / nicht die Lufft mit einen ungemeinen Freuden=Knall erfüllen solte. Zumal da der Himmel (3 V ) selbst Sonnenschein und Lust=reitzendes Wetter / zu solchen Anzüge darbot. Alle hohe und niedrige COLLEGIA Dero Hoca»Furstl. neuen Residentz=Stadt legeten ihren Gehorsam durch Entgegengehen und andere Zeugnüße der schuldigen Demuth ab. Alle Gaßen lebten von bewehrten Bürgern. Die gesambte Priesterschafft opfferte ihre Seuffzer auff offentli-

Der Regenten Bester

Hoff'Meister

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chen Marckte / vor der Kirche. Alle Fenster der allda erwachsenen Wohnhauser / waren mit Frembden erfüllet / welche etzliche Tage allhier verwartet / den großen J o h a n n A d o l p h / seinem empfangenen Ruhme nach / zu sehen / und über deßen Herrligkeit sich zu verwundern. Selbst leblose Dinge wolten gleichsam ihre VOTA dem ankommenden Regenten vortragen; unter welchen sonderlich das unvergleichliche Uhrwerck / auff dero Residentz die ( 4 r ) erste Probe seines Zeit=Maßes / nach dero Ankunfft / mit einen dreyfachen Glockenschlage ablegte. Musten die Clarinen und Paucken gleich ihr Echo verschmertzen / so klungen dennoch so viel Himmelsteigende Wündsche / welche nicht nur die Lufft / sondern auch die H o c h - F ü r s t l . H e r t z e n / und die weiten Wolcken selbst mit süßen Gethone erfülleten. Hierauff nahete sich den 18. OCTOBRIS die Huldigung in dem Fürstenthum Querfurth / mit nicht geringem Beyklange allgemeiner Freuden: Und nun heute / den 2. NOVEMBR. erscheinet der hochstverlangte Geburts-Tag Er. H o c h - F ü r s t l . D u r c h l . zum ersten mal / nach ererbeter Regierung; zum zwey und dreysigsten male aber / von H o c h - F l . G e b u r t an: Welche Freuden alle / ich / als ein unterthaner Knecht in Schrifftli-(^)cher Erkantligkeit empfangen sollte. Nachdem aber die große solcher hochglücklichen Dinge / ich mit meinem niedrigen Verstände zu begreiffen / mich nicht erkühnen mögen; als habe ich nur die neuesten Freuden / durch meine verpflichtete Sinne gehen heisen. Wiewol zwar zu denenselbigen ich nichts mehr bringe / als gegenwartigen / so genanten H o f f - P a r n a s s u m / welchen zu Er. H o c h - F l . D u r c h l . Füßen ich in Unterthanigkeit / auff den heutigen Freuden=Tag zu bißweiligen Zeitvertreib / und massiger Belustigung hinlege. Mit unterthanigster Bitte / es wollen Er. H o c h - F ü r s t l . D u r c h l . solche meine Gedancken / welche ich von Jahren zu Jahren gesamlet / und allemal auff Er. H o c h = F l . D u r c h l . G e b u r t s - T a g e in Schauspielen ( Y ) auff öffentlichen Schauplatze vorgestellet; ob ich gleich das Glück nur einmal erlanget/ daß solches in Er. H o c h = F ü r s t l . D u r c h l . Gegenwart geschehen / in Gnaden annehmen / und in Dero Schutze verwahren. Inmaßen ich denn diese meine niedrige Einfalle sonst keinem andern Menschen / als allein Er. H o c h = F ü r s t l . D u r c h l . geschrieben. Du aber Wächter über Zion / Allmachtiger GOtt / siehe an deinen Gesalbten / unsem liebreichen Beherscher des Landes. Krone Ihn mit deiner Gnade / und greiff selbst mit in die Zügel seiner Regierung. Lencke der Unterthanen Hertz zu Gehorsam / Liebe und Treue. Gieb Redliche und erfahrne Diener. Befordere die Gerechtigkeit. Gieb ewige Friedens-Küsse. Vermaure seine Grentzen wider den herumschleichenden Gifft der all(5V)gemeinen Welt-Seiche / und laß unsern liebsten Landes-Vater / mit seiner J o h a n n e n M a g d a l i s / und allen hohen Angehörigen / diesen sei-

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Riemer

nen Geburts=Tag noch unzehliche mal / mit immer neuen Freuden / und Frolocken des Landes sehen. Wie ohne Ermüden bittet Er. D u r c h l . Weißenfels den 2. 5 November. Unterthanigst-gehorsamster Johann Riemer. ( 6 r )

Geneigter Leser. D u wirst dich vielleicht wundern / wenn dir mein Hoff=Parnassus wird zu Gesichte kommen / und du darinnen lauter solche Discurse lesen wirst / welche theils auf dem Theatro geredet / und abgehandelt worden. Alleine du must wissen / daß von denen allhier vor Augen schwebenden 4. Capituln / ich Anfangs zu reden mir vorgenommen hatte / welche ich endlich wohl in einerley Context dahin schreiben und zu lesen vorstellen können. Nachdem ich aber vermercket / daß diese Art denen Lesern meistentheils belieblicher vorkommet; als entschloß ich bey mir / diese vier Argumenta eines bißweilen glücklichen und unglücklichen Hofes / in solche Gespräche zu vertheilen. Inmassen denn es weit angenehmer falt / wann durch die Reden hin und wieder die Personen gleichsam vor Augen stehend / ihr JUDICIUM über der und jener Sache mittheilen. Die LOCA seynd bes-(6®)ser auff solche Art zu finden und zu mercken / und last sich die Anmuth allenthalben leichtlicher blicken. Offt sagt ein Bauer / ein Kind / oder ein Narre die Warheit / welche umb die Helffte nicht so schmertzet / als wenn dieselbe von einen klugen Gelehrten geredet wird. Manchmahl eröffnet ein Grosser Herr die Gedancken seines Hertzens / welche in der Person desselbigen weit nachdrücklicher klingen / als wann sie unter andern mittelmassigen / oder niedrigen Reden mit erzehlet werden. Zu geschweigen / daß man den STYLUM in der Sprache richtiger unterscheiden / und iedwede Sache in ihrer Art / von sich geben kan. Die Affecten welche das Leben der Rede seyn müssen / lassen sich in Personen schöner geben / als wenn man in einer Schnure / nach einander / wegredet / oder schreibet: ich mag nicht sagen / daß dergleichen Manir zu schreiben / über die Erlesung / andere verborgene Nutzungen mehr habe / davon die nechste Erfahrung vielleicht Meisterin werden mochte. Was anlanget die darinen enthaltene Materien; so kan ich leicht gestehen / daß ( 7 r ) solche theils warhafftige Historien / theils aber beygefallene Erfindungen seyn. Welche aber gleichwohl zu ihren gewissen Moral=Zwekke bedienlich seyn. Ich habe sonderlich in dem gantzen Wercke darauff gesehen / daß ich der Jugend so wohl / als dem ankommenden Alter die jenigen Regulen / welche von dem SENECA allbereit / der zeitigen und unzeitigen Liebe / dem Reichthum und Armuth / der Ehrsucht JC. vorgeschrieben / verblühmet wiederholet / und hin und wieder einer ertichteten Person beygeleget. Wird nun der hochgeneigte Leser abmercken / wie in einer

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Riemer

iedweden Action der Außgang also falt / wie etwa in denen Reden mehrmahls beygebrachte Gesetze / zu Schutz der Tugend / und Verdamnis der Laster / haben wollen; so bin ich umb so viel desto mehr erfreuet / daß mein Absehen und der Werth loblicher Schrifften / ob solche gleich von Heyden hervorgebracht / dennoch ihren Nutzen gefunden. Fragt man nun nach dem Zwecke / warum ich so wohl die Materie / als auch diese Art zu schreiben erkohren: so weiß ich traun keine andere Antwort zu geben; als {7v)Aa& ich suche / erstlich alle meine Lehr=Sachen in Übung zu bringen; oder daß ich lateinisch rede / die nützliche PRAXIN aller meiner Worte alsobald zu beweisen: oder doch zum wenigsten / einen würcklichen Redner das Leben durch Verwechselung der Reden von ferne abzumahlen. Ich mag nicht anfangen zu preisen / was bey der Jugend ich bißher vor unglaublichen Nutzen in der ORATORIA befunden. Die kostlichsten Prediger kommen von THEATRO, indem kein Mensch besser die AFFECTen zu EXPRiMiRen weiß; als wer auff öffentlichen Schau=Platz dieselbigen in einer scheinbaren Wahrheit von sich zu geben weiß. Wer wird unter allen ADVOCAten mehr gehöret / als welcher seiner Sache eine Farbe von des DELINQVENTen Gemuth und Natur anzustreichen weiß. Ich scheue mich nicht zu sagen / daß bey manchen MEDICO offters die hertzhaffte Beredsamkeit den Patienten mehr curiret / als die kostbarste Perlen=Milch / oder Edel=Stein=Tinctur. Daß ich also von solchen lebhafften Theatralischen Wort=(# r ) Wechsel mehr rühmen muß / als SALUSTIUS v o n d e r w e s e n d l i c h e n O R A T O R I A , i n d e r V o r r e d e AD B E L L U M

CATIL.

Nur bitte ich / der reinaffectionirte Leser wolle diese meine entworffene Gedancken also erklaren / daß mein Zweck darinnen / mit allen wiedrigen Ansinnen unbeschuldiget bleibe. Lebe wohl! G O t t erhalte dich gesund: und behüte dich vor der Seuche. ( 8 V )

Vom geqvälten Liebes=Siege

Vorbereitung. E s ist kein Gifft so starck / als die Liebe / welche mit besonderer Süssigkeit nechst dem Blute / auch die Seele durchdringet / daß diese durch eine unerleschliche Sehnsucht das Hertze bey gesunden Tagen verzehret / wie die Schwindsucht den gantzen Leib. LIPSIUS C E N T . II. E P . 8 6 . sagt gar klug 5 hievon: A M O R DESIDERIO SEMPER TORQVET AMANTES. Und ist gar wohl gethan / daß der Venus Sohn / Cupido / mit verbundenen Antlitz seine Pfeile abzuschüssen pfleget / ohne ein vorgesetztes Ziel / er treffe wen er wolle. Die Liebe ist blind / darumb setzet Paris Weißheit und Reichthum hindan / und theilet seinen güldenen Apffel der schonen Venus zu. Ich meine also 10 blind / daß ein Verliebter zugleich auch die Gemüths=Augen sich zubinden lasset / wodurch er manchmal weder Tugend noch Laster erkennet. Und ist zu verwundern / daß / wer in dieser Blindheit stecket / vermeinet / es sehe ihn niemand; Gleich wie die Katzen dencken / wenn sie den Kopff verborgen haben. Ebendas ist die Ursache / warum die Liebe Glück und Unglück 15 zugleich unterworffen; Wiewohl sie zwar ( l ) die Gefahr mehr zum Geferthen hat. Dessentwegen VERULAMIUS X. SERM. nachsinnlich spricht: A M O R SEMPER COMCEDI^E PROBET ARGUMENTUM, QVANDOQVE ETIAM

&

TRAGCEDLE.

Zwar hat diese Beherrscherin über alle Menschen nicht gleiche Macht / indem die Angelegenheit der Sorgen solchen Gebiete vielmahl wiederstehet. Dennoch aber ist kein Hertz vor dergleichen Wunden sicher / wie groß es auch sein möge. Die Natur selbst achtet den jenigen vor ein lebloses Holtz / welcher von diesen Empfindligkeiten nicht gerühret wird. Also haben Fürsten und Konige mit dem Pobel hierinnen gleiches Recht / nachdem die Natur allen Menschen / so unter der Sonnen leben / ohne Respect der Vorwürde einerley Gesetz gegeben. Doch ist ein Unterscheid darinnen zu behaubten: Denn gleich wie die Tapfrigkeit und andere Gütigkeiten des Gemüths / bey hohen Haubtern sich weit herrlicher erweisen / als an einem Niedrigen / dabey aber doch Tugendhafften Unterthanen: Also stehet auch die Liebe bey denenselben / in weit grosserer Hitze / nachdem die Hohe ihres Standes ihnen die Hand beut / alle das jenige auszuführen / welches ihren Belieben entgegen gehet. Alsdenn seyn auch die Gefahrligkeiten um so viel gros-(2) ser / welche um grosser Herren Liebe herum stehen / zumahl wann selbige die Begierde auff einen Irrweg führet / daß alsdenn das Land selbst die Reue unzeitiger Liebe fühlen muß. Troja hat traun der mit

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Gewalt entführten Schönheit von seiner Verstorung viel zu dancken. Und die schimpffliche Flucht der Assyrer erkennet keine andere Ursache / als des Holofernus Unzucht / so er mit Hindansetzung seines gantzen Heeres an der Judith zu vollziehen suchte. Der Schaden / welcher das Romische Volck eine lange Zeit schmertzte / kam von keinem andern / als von dem wollüstigen Marco Antonio / her. Es ist bekant / wie Rudolph / Konig in Burgund / sich und seinem gantzen Lande / durch unnütze Liebe / geschadet. Denn dieser nach Königs Berengars Tode / so von Flamberten jammerlich ermordet worden / sich des Reichs anmaste / es auch allbereit so weit gebracht / daß er den Sieg / und durch denselben die Besitzung des Reichs in der Hoffnung führte. Sein Feind war eine schone Marck=Grafin / Namens Ermengarde / Welche sich wieder Ihn / Paviens / der vornehmsten Stadt in Lombardie bemächtiget. O b nun gleich Ermengarde keinen Weg vor sich sähe / dem Sieghafften Rudolph weiter zu wiederstehen / so brauchte Sie ihre Schönheit zu Waffen / und schrieb einen ( 3 ) Brieff an ihren Feind / worinnen Sie die Liebe mit untermengeten Bedrohungen mercken ließ. Dadurch Rudolph dermassen überwunden wurde / daß er des Nachts seine Armee verließ / die Flucht nahm / und auff Pavien zu seiner schonen Feindin übergieng. Welche Ihn als einen Bräutigam empfieng / und noch diese Nacht sich selbst mit Ihm vermahlte. Wodurch Sie aber beyde nichts mehr / als die leere Hoffnung erworben / daß Sie regieren wollen. Der Hochgelehrte GRAMONDUS HISTOR. GALL. P. 9. weiß seines klugen Koniges Ludovigs des X I I I . Tugenden nichts mehr entgegen zu setzen / als: UNUS ILLI Ä VENERE N^VUS : W i e w o h l er diesen Satz m e r c k l i c h d a m i t l i n d e r t : EO REGIBUS NOXA LEVIORI, QVOD POPULUS RARO OPPRIMI-

TUR EA LABE. V i x S^EVIRE POTEST QVI AM AT. E s ist also: D i e L i e b e n ü t z e t

und schadet / wie der Wein / nachdem er massig und mit Bedacht / oder in überfluß genossen wird. Albertus von Oesterreich hat sein Beylager mit des Kaysers Sigismundi Tochter niemahls bereuet. Ingleichen hat Kayser Maximilianus der I. von der Liebe gegen Mariam Carols / Hertzogs von Burgund / Tochter; wie auch sein Sohn Philippus von seiner Verlobniß mit J o hannen / Ferdinandi Koniges in Spanien Tochter / und andere mehr keinen Scha-(4)den gehabt / daß also Glück und Unglück der Liebe Flügel seyn / womit sie die gantze Welt durchziehet. Hierzu ist das Exempel bey der Hand / welches ich hiebevor als ein Schau=Spiel auff den Gebuths=Tag des Durchlauchtigsten Fürstens und Herrens / Herrn Johann Adolphs / Hertzogs zu Sachsen / Jülich / Cleve und Berg 2C. meines gnadigsten Herrens / in Gegenwarth Seiner Hoch= Fürstl. Durchl. in G O t t ruhenden Herren Vaters / Preiß=mildesten Andenckens / auff öffentlichen Schau=Platze auffgeführet / worinnen das Glück,und Unglück der Liebe bey Grossen Herren / und wie eines dem andern die Hand zu bieten pflege / Augenscheinlich vorgestellet.

Vom geqvdlten

Liebes-Siege

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Inhalt des Theatralischen Discurses. F ü r s t HARRANT auß Thessalien / als er zur andern Ehe schreitet / muß MIRMINDEN sein Kind erster Ehe / um der Stieff=Mutter willen / in die Wüsten bey Telly bringen / und von Bastani einen Cameltreiber erziehen lassen. Als nun bey diesem die verlassene MIRMINDE erwachsen und wie Magd dienen muß / fügt sichs daß SELIMOR, ein reisender Printz auß Mysien / durch Hülffe der DIANA in diese Wüsten gebracht / und in die schone Baurin {5) verliebt gemacht wird. Dieweil aber sein Hoffmeister / TRUTART ihm zu solcher Liebe im wege stehet: so dann auch MIRMINDE selbst wegen ungleiches Standes (denn sie weiß nicht anders / als daß sie BASTANI Tochter sey) nicht zur Gegen=Liebe zu bewegen / so wird er gezwungen sich seines Hoffmeisters durch List zu entschlagen / und mit CAPYS seines Dieners Beystand / in Β auer= Kleidern bey BASTANI, Knechte=Dienste anzunehmen. Wodurch er denn mit MiRMiNden bekandt und ingeheim verlobet wird. Unter diesen nun hat BASTANI mit dem armen Magdgen zuweilen geschertzet / und LECTO sein Eheweib dadurch mit Verdacht also entzündet / daß sie im Zorn nach Hofe zu dem grossen MOGOR laufft / das Geheimnüß mit MiRMiNden entdecket und ihren Mann BASTANI, als einen Ehebrecher anklaget. Darauff wird MIRMINDE alsobald nach Hofe geholet / und also dem verliebten SELIMOR wieder entzogen. Dieser suchet seinen FürstenStand wieder hervor / eilet nach und giebt sich bey Hoffe zur AUDIENZ an / nur daß er mit MiRMiNden neuen Verlaß treffen kan. Es hat aber der alte Konig MOGOR sich überaus in MIRMINDEN verliebet / daß er Ihr biß zum volligen Beylager kaum noch drey Stunden verstatten wil. Weßwegen SELIMOR genothiget wird durch CAPYS Mitwirckung / nechst MIRMINDEN die Flucht zu nehmen. Alleine Sie werden hierinn ergriffen / (6) und auff Befehl des Koniges / welcher vor Hitze raset / nach Gewohnheit des Gesetzes / beyde an einem Creutze erwirget. Die Gottin DIANA aber / welche diese Heyrath gestifftet / fahret alsobald gen Himmel und erreget ein solch Donnerwetter / daß alle auff dem Richt=Platze zu boden fallen. Hierauff kommt IRIS, auff geheiß der Gotter durch die Lufft / loset die halb tode Unschuld wieder auff und bringet Sie davon. Indeß kommt auß wunderlichen Geschick / HARRANT und ITACUS, der vermeinentlich Entleibeten Eltern / bey MOGOR, mit jammerlichen Klagen an / und reitzen denselben in die Verzweifflung: biß endlich SELIMOR und MIRMINDE durch seltzames Glücke wieder gefunden und auff Erkantnüß beyderley Fürsten Standes / mit grossen Jauchzen und Frolocken vermahlet werden.

Personen. reisender Fürst auß Mysien. dessen Hoffmeister. CAPYS, Selimors Cammerdiener. B A S T A N I , ein Cameltreiber der Lustige. M I R M I N D E , dessen Magd / sonst ein Fraulein auß Thessalien. LECTO, Bastani Weib.

SELIMOR,

TRUTART, 5

DIANA.

MOGOR, Konig zu Cambaja. 10 BAGOAS, dessen Staats=Rath. LAVAR, ein andrer Staats=Diener. ABAFTI, ein Heidnischer Priester. IRIS, der Gotter Dienerin. H A R R A N T , Fürst auß Thessalien der Mirminde Vater, IS ITACUS, Fürst auß Mysien Selimors Vater. GANIMI, der Schloß=Haubtmann.

Hierzu etzliche Soldaten. ( 7 )

Erstes Discurses Erste Unterredung. BASTANI

der Cameltreiber / und sein alt Weib

LECTO.

LECTO. S O gehets / wenn ein dummer Mann wil klüger seyn / als eine alte erfahrne Frau. BASTANI. Je / wie denn so / Mutter Lecto. LECTO. Darum / daß ihr euch nunmehr vor vierzehen Jahren von dem Thessalischen Fürsten das Seil umb die Horner werffen / und sein Kind zu uns in Kost verdingen liesset. Wie fein müssen wir nun die grosse Schindpetze ernehren / und wer wird uns unser Kase und Kofent bezahlen. BASTANI. O ! ihr Vater war ein ehrlicher Mann; er wird sie schon wieder abholen. LECTO. Ja J a ; der ist wohl lange todt. Er hat ja mit keinen Worte nach ihr fragen lassen. BASTANI. Mütterchen! laß es immer seyn. Gönnet ihr doch immer das Bißgen Brodt. Das lose Sackgen ist so fein in die Hohe gewachsen. Wie müsset ihr thun / wenn es unser eigen Kind / oder eine gemüthete Magd ware. LECTO. Ware es unsere Tochter oder eine feine starcke Magd / so konte sie arbeiten / und damit ihren Kumps verdienen. So aber / was kan der Splitterling außrichten? Es hat ja Pfotgen / wie die Steckgen. Wann eine Magd hinten nicht {8} fein dicke / und forne untersetzt ist / so kan sie weder arbeiten noch tragen. Darum bin ich ihr auch so feind / daß ich sie peitsche / so offt ich sie ansehe. BASTANI. Ich bin ihr aber nicht gram. LECTO. Das weiß ich gar wohl / du alter unzüchtiger Bock / daß du denen jungen Zehren nachzottest. Aber laß dich nur das geringste mercken: wie fein wil ich nach Delly hinein wischen / und da entdecken / daß Mirminde nicht unser Kind ist. Ich wil auff mein Stern Brieff und Kette / die ihr Vater uns damahls / Sie zu erkennen / zurücke ließ / mit nehmen. D a sehen sie fein / wer sie ist; Und du alter Ehebrecher solst ins Henckers Küche kommen. 16

Riemer II

238

Johannes

Riemer

BASTANI. Nein mein Mütterchen / es ist so bose nicht gemeint. Ich habe dich ja so lieb / daß ich dich lieber in einen feinen schwartzen reinlichen Drey-Ellichen Kastgen / Klaffter=tief in den sichern Schoß der Erden wündschte / als daß du hier oben auff der Welt dir manchen sauren Wind solst in dein betagtes Naßgen gehen lassen. LECTO. Wenn ihrs nur so gut meynet / als ihr sagt. BASTANI. Von Hertzen. Lieber wolte ich / daß es heute geschehe / als morgen. LECTO. SO kommt denn und erweiset / daß ihr mich liebet / und mein Mann seyd. BASTANI . Mit allen Willen / und so geschwinde / wie ein Bauer auff die Jagt.

Gehen ab. (9)

Andere Unterredung. M I R M I N D E . Das vermeinte Bauer Mägdgen in ihren Bauer~Kleidern.

MIRMINDE. SO hat nun der Himmel die armselige Mirminde zu ewigen U n glück alleine übrig behalten / damit sie nunmehro ins vierzehende Jahr über dessen Ungnade sich zu beklagen. Warum habe ich dann von einen dienstbaren Cameltreiber müssen gezeuget werden / und nicht einem solchen Vater erlanget / dessen Haupt und Faust mit Regierungs» Golde gezieret ist / dieweil mein Gemüthe der Freyheit alleine unterthan seyn will. Mein geangstetes Hertz vermag keine Gedult mehr / diese Bande der Dienstbarkeit zu ertragen. Meine Eltern kan ich nicht lieben / weil sie auch gegen mich keine eintzige Funcke der Kindes» Liebe leuchten lassen. Sie geben mir nicht so viel Brodt den Hunger zustillen / und denen Hunden gönnen sie vor mir ein Vorrecht. Hunger und Schlage seynd die Belohnungen meiner Arbeit / und eine harte Grausamkeit regieret meinen Zustand. J a so werde ich auch vielleicht als eine Leibeigene mein Leben elendiglich beschlüssen müssen. Zu dem so führet mich der Himmel in die höchste Versuchung / weil mein eigener Vater blutschandlich nach meiner Ehre trachtet. Entlauffen kan ich nicht / dieweil diese Insel mit der See umschlossen / und niemand ohne Paß über die (10) Brücke gelassen wird. Gerne wolte ich meinen Tod durch die Saure der Dienstbarkeit befordern / woferne nur die Natur mir hierzu Kraffte und Starcke verliehen. Ein Sclav / welcher auff die Galee geschmiedet / hat bessere Hoffnung als ich zu seiner Erlösung. Denn so ja im Fall sein Leben mit denen Banden zugleich eisenfeste / so bleibet ihn dennoch die Zuflucht

Vom geqvalten

Liebes-Siege,

1. Discurs

239

zu einem glucklichen Unglück / daß ihm alle Stunden die erzürnete See den Rest seines Jammers durch das verkürtzete Leben abnehmen kan. Alleine / weinende / Ich / ach! ich elende / wer weiß zu was vor Unglück ich noch übrig behalten werde. Hertzleid ist mein Brodt / herber Schmertz ist mein Tranck / Kummer ist mein Schlaff Küssen / und mit Verzweiffelung muß ich mich zudecken. Aber ich wil mich dennoch nicht deßwegen der Gottheit wiedersetzen. Himmel hastu beschlossen mich ewig in dieser Gefangenschafft zu behalten / wohlan / so bleibe ich gedultig / und wil durch Ungedult dich nicht zu grossem Zorn bewegen. Was uns dein Eiffer aufferlegt / Bleibt dennoch fest und unbewegt / Wann wir mit Ungedult / Nur hauffen unsere Schuld. Ich liebe die Beständigkeit / Im Creutz bey Unglücks=voller Zeit / Gedult in Noth ist mein Belieben / Sonst ist mir nichts zu Tröste blieben. Ο Himmel! was blendet mich? Mirminde fdlt auff die Knie und Antlitz / ich sehe einen Glantz wie Gotter. {11)

Dritte Unterredung. DIANA

erscheinet ihr vom

Himmel.

DIANA. Halt ein Mirminde / dein keusches Hertz ferner zu angsten. Denn dein Klagen hat den Himmel bewogen / und deine unverdiente Bedrangniß hat dir der Gotter Beystand erwecket. Siehe eine Gottin hat den Himmel verlassen / und dir zum Trost diese Einode auff eine kurtze Zeit zur Wohnung erkohren. Ein verirreter Printz auß Mysien soll dich retten / und Selimor soll dein Erloser seyn. Dem soltu dich vertrauen / welcher dir einen Pfeil übergeben wird / worauff dein Name und Vaterland geschrieben stehet. Ich wil die Hertzen fesseln / und euer Ehe=Bandt dem Himmel zur Vollziehung überbringen. Bey eurem Verlobniß wil ich das Wildpret selbst jagen / und nach meiner unsichtbaren Gottheit mit zur Taffei sitzen. Bleibe nur gedultig in deiner Pein. Flühe die Verzweiffelung / und laß deine unbetrübte Ehre ein Opffer der Gotter bleiben / womit du dieselbe vor deiner Heimführung am Tage der Hochzeit beehren mögest. Wo Zucht und Keuscheit blüth / Da grünet auch der Gotter Segen /

240

Johannes

Riemer

Wo reine Liebe glüht / Da seynd wir allezeit zugegen / Wir schützen dich / wir stehn dir bey. Mach nur das Hertze nicht durch Sorgen scheu. Ob nun das Unglück gleich auff dich erbost / So bleibt doch Selimor dein Trost.

(12)

Fahret wieder auff. MIRMINDE.

Bleibt Selimor mein Trost / So hat das Glücke wohl mit mir gelost / Zwar kenn ich dich nicht Selimor / Je doch eröffnet dir mein Hertze Thür und Thor. Ich bleibe hier und halte fest: Weil mich die Gottheit selbst auff dich vertrösten last. Ich liege hier / Ο Gottin / dir zu Fusse / Verschmähe nicht die Busse. Die deine Magd auff ihren Knien thut. Ich leb in deiner Hut / Und warte auff Befehl diß lassen zu geschehen / Daß mir vergönnet sey / hier leiblich dich zu sehen.

Vierdte Unterredung.

Zu dieser

BASTANI.

Das kan ich dir ja endlich wohl vergönnen. Es stehet aber sehr garstig / wann sich die Magde an die Erde legen. M I R M I N D E . Ο Himmel wie geschieht mir! Ach meine Freude ist umsonst / denn ich träume wachend. BASTANI. Ich halte dafür / du must meynen / es sey hier in CAMPAJA nichts mehr zu thun / als daß man dahin knieet /und Narrenpossen macht. Ihr leichtfertigen Rabenstücker scheret euch wenig drum / wir Eltern mögen reicher oder armer werden. Ο Laur! ( K o v e n t ) und Kasse kostet mich ein Jahr lang durch / alle viel / damit ich dich ernehren muß. Und du woltest hier stehen und denen Gottern Maulaffen bringen. Geh in Vieh-Stall oder (13) M I R M I N D E . Ey nun mein Vater / befriediget euch / ich wil diese Versaumniß mit fleissiger Arbeit wieder einbringen. BASTANI. Höre doch Mirminde / du mochtest immer noch ein Wortgen zubeissen / und Herr Vater sagen. BASTANI.

Vom geqvälten

Liebes-Siege,

1. Discurs

241

Ich gehorsame euch als Vater / und ehre euch vor meinem Herrn / und diese Schuldigkeit / weinende / soll mit mir sterben. Ziehet ihren Strumpf f auff. BASTANI. Nun nun / es ist gar recht weine nur nicht. Wird verliebt / du Rabenaß / hastu nicht schone weisse Beine / hastu doch grossere Waden als ich. Laß sehen / seynd sie fein derp / ehre deinen Herrn Vater und P R ^ S E N T I R E ihm einen Kuß. M I R M I N D E . Wie moget ihr eure Gotter verunehren / und meine Unschuld argern. BASTANI. Recke den Dunschel immer her / die Gotter werden es nicht stracks sehen. Mit der übrigen Freundschafft wird sichs doch wohl schicken. M I R M I N D E . Seynd die eurigen blind / so haben die meinigen mehr Augen als ARGUS, und meine Gelübde / mich von aller Wollust unbefleckt zu behalten / bleibt so feste / daß keine Gewalt ja keine todtliche Bedrohung mich davon abwenden soll. BASTANI. D U / kenstu meinen Peitzschen=Stiel wohl / weiset ihr die Peitsche / wegere dich nur nicht deinen Herrn Vater zu heitzen. M I R M I N D E . Und wenn ihr mir einen glüenden Ofen zeigetet / so würde doch meine Seele diesen (14) Leib durch solche Einwilligung nimmermehr davon erlosen. BASTANI. He He! Wenn ich dir nur solte den Degen an Leib setzen / du würdest bald ja sagen. M I R M I N D E . Lieber wolte ich mit meinen Hertzen selbst in dessen Spitze dringen / als euer Gewissen und meine Ehre dardurch verletzen. BASTANI. Ey das schadet mir nichts: und wil es auch niemanden sagen. Komm du nur / und vollbringe meinen Wohlgefallen. Nahet auff Sie. M I R M I N D E . Ey schonet und schämet euch. Ihr habet ja euer Eheweib / welchen ihr Treue und Liebe geschworen. BASTANI. Je die alte Kunckel. Ein solcher Patiente wie ich bin / sehnet sich immer nach einen frischen Truncke. Wer trincket denn gerne von der Neige. Mir schmeckt es zum besten / wenn ich auß habe. Drum halte mich nur nicht auff / und gieb mir ein Schmatzgen. Dringet auff Sie. M I R M I N D E . Lieber das Leben selbst. Schonet Schonet! Nimmermehr. Gehen ab. MIRMINDE.

Funffte Unterredung. SELIMOR. TRUTART.

CAPYS.

Warum solten wir nicht des grossen Mogors Welt-berühmten Hoff erst besehen / weil wir demselben so nahe seyn.

SELIMOR.

242

Johannes

Riemer

Durchl. erinnern sich aber wohl / wie Seine Durchl. Dero Geliebter Herr Vater mich {15) mit den letzten Worten des Abschiedes zu diesen dreyen Stucken verbunden. E. Durchl. auff dieser Reise / vor allen Dingen in der Furcht der Gotter zu behalten / vor Weiber=Liebe zu beschützen / und ja auff den Tag / welcher uns zur Rückkunfft beniemet / gewiß in Mysien zu seyn. Da nun die ersten beyden Stucke vaterliches Befehls glücklich erfüllet / warum wollen dann E. Durchl. das dritte Stück Hoch=Fürst=Vaterliches inbrünstigen Gebotes vorsetzlich verkürtzen? Zu dem wissen wir gar nicht wo wir seyn / und wie wir nach Delly gelangen sollen. Was haben wir vor Ursache / uns tieffer in diese Wildnüß zusezten / in welcher wir nun fast in dritten Monat ohne alle Bekandtschafft herum gewallet. Uber diß so haben wir auch nunmehr in Jahr und Tag von unserm Zustande keine Brieffe auß diesen entferneten Landen in Mysien bringen können. E. Durchl. ermessen nun den Kummer Vaterliches Hertzens / als welches zwischen Furcht und Hoffnung in des gefangen lieget / und die Botschafft so wohl unsers Todes / als von unserm Leben erwarten muß. Ists denn nun nicht besser unsern versprochenen Abschied halten / als die Liebe der Eltern mit Sorgen qvalen / und bey unserer Zurückkunfft mit Freuden und Vergnügung / als mit Ungnade und verdienten Zorn empfangen werden.

TRUTART. E .

ist wol wahr / alleine wer wil uns darum verdencken / wann wir zu Vergnügung unserer bemüheten Reise / eines so machtigen Ko(M)niges Regierung besehen können / welches an unserer Rück=Reise / uns dann über zweene Tage nicht wird verhindern können.

SELIMOR. ES

CAPYS. E. Durchl. vergönnen mir / Dero Meynung beyzufallen / zumahl ich ohne dem in unsern Reyse=Calender (ziehet solchen auß der Ficken) N O T I R E T , daß der bestirnte Tag so nahe vor der Thür / daß es unmüglich / auff demselbigen wieder zu Hause seyn. S E L I M O R . SO ist unser Vorsatz um so viel fester gesetzet. Ich kan E. Durchl. wieder Dero Einwilligung zu nichts zwingen; alleine ich bitte nur dieses / mir auff den Tag meiner Rechenschaft mit einem Vorspruch bey zustehen.

TRUTART.

Ich bleibe euch in Gnade und Ungnade meines Herrn Vaters beystandig. CAPYS. Verhoff entlich wollen wir deswegen wohl gnädigst empfangen werden. T R U T A R T . So bitte ich doch nur E . Durchl. wollen siel· gefallen lassen / ehe wir uns auffmachen / an diesen Schattichten Orth : ein wenig der Ruhe zu gemessen / in dem ich diese gantze Nacht schlaffloß zugebracht / dieweil ich auff E. Durchl. Befehlich / die Rechnung über die fast vollbrachte Reise habe verfertigen müssen. SELIMOR.

Vom geqvälten Liebes-Siege, 1. Discurs

243

Was die Natur erfordert / das gehöret nicht zu der sterblichen Verwilligung. Nehmet Ruhe / wo ihr wollet / Ich und Capys wollen euch Geferten geben. T R U T A R T . So wollen wir uns denn allhier se-(7/)tzen / und so lange dem mannigfaltigen Gesänge der Vogel zu hören / biß die ermüdeten Geister in einen süssen Schlaffe dahin ziehen / und durch kurtze Ruhe die verzehrten Kraffte wieder erwerben. S E L I M O R . Ich gestehe / der Ort ist hierzu nicht unangenehm. Sie setzen sich nieder / die Vogel singen. Unter sanffter Musick. SELIMOR.

Sechste Unterredung. Zu diesen

DIANA.

DIANA. Schlaff nur wohl neuer Brautigam / ich und meine Hunde wollen dich bewachen / Venus und Morpheus stehen dir zum Haubten /und der Erebe Sohn halt dich umarmet / damit Sie über deiner Heyrath mit mir zu Rathe gehen. Es ist beschlossen / du solst von Liebe überwunden / und ein Erloser der Mirminde werden. Siehe hier wil ich dir meiner Schwester Waffen zur Erinnerung überlassen / und der darauff geschriebene Nähme soll dich bald verwunden. Giebt ihm im Schlaff einen Pfeil in die Hand. Wer mit solchen Pfeilen spielet / Und nach keuschen Hertzen zielet / Stets mit unverdroßnen Hoffen / Der hat endlich wohl getroffen. Wann sich die Gelegenheit / Auch bey Wiederwartigkeit / Nach dem Wundsch und Willen zeigt / Daß der Zweck zum Ziel sich neigt.

(18)

Wer mit solchen Pfeilen spielet / Und nach keuschen Hertzen zielet / Stets mit unverdroßnen Hoffen / Der hat endlich wohl getroffen. Gehet ab. Erwachende. Ο Sterbligkeit / die uns Sterblichen auch in der versüsseten Ruhe anklebet. Der Schlaff ist ein unbilliger Zollner / welchen wir unser kurtzes Leben mit der Helffte verzollen müssen. Traun dieses Vorbild des Todes setzet uns in manchen Verlust der edlen Zeit / die wir

SELIMOR.

Johannes

244

Riemer

sonst zu Begier himmlischer Tugend anwenden konten. Zwar will ich mit dir / Palinurus / über diese Wohlthat der Gotter mich nicht beschweren / sondern wie Agamemnon meine Wachsamkeit / womit mich der Noctis Kind so gütig beschencket / rühmlich hervor heben. Siebet sich etwas um. Meine Geferten schlaffen ohne Sorgen: und ich muß mich mit Vergebligkeiten schlagen. Meine Seele spielete im Schlaff mit einer Gottin / und da ich erwache / siehe so habe ich mit Schatten gekampffet. Schlaff Selimor / und schone deiner Kraffte. SchlAfft wieder ein. T R U T A R T . Erwachet auch. Ha Ha. Der Printz hohnete mein Verlangen nach Ruhe / und nun weiß er selbst nicht zu erwachen. Himmel was sehe ich. Versuchen uns die Gotter: oder hat eine Napoeja mit Selimor gespielet? Einen Pfeil / der Pfeil führet ein Zeichen der Gottinnen bey sich. Gleichwohl aber ist nicht müglich / daß Venus ihren Sohn durch diese ungebahnte Wü-(79)ste führen solte. Und was seynd das vor Worter: Mirminde Fürstin auß Thessalien. Ο Ho. Nun verstehe ich erst / wohin dieser Pfeil ziehlet. Er ist spitzig von Wollust / und vielleicht von einem listigen Weibesbilde dieser Orten zubereitet / meines Printzens Hertz dardurch zu verwunden. Alleine ich wil mich wieder diese Sorge verwahren / und demselben als ein Zeugnüß der Gefahr mit nach Hause nehmen. Er verbürget den Pfeil.

Siebende Unterredung. Zu diesen

BASTANI

mit

MIRMINDEN.

Narrichen thu es doch immer / ich wil dir mein Creutz / den besten Esel auß dem Stalle geben. M I R M I N D E . Fürchtet doch der Gotter Gebot / und lasset ab mir Sünde zu zumuthen. BASTANI. D U alberne Schachtel / weil du dich wegerst / so hastu es gethan. M I R M I N D E . Schämet euch ihr wollüstiger Mensch / und erweiset daß ihr eine vernünfftige Seele habt. Eure unvernünfftigen Bestien lassen sich durch eure Peitzsche regieren / und ihr wollet als ein Mensch euren Viehischen Begierden keinen Zügel gestatten. B A S T A N I . Ey was? Zügel hin Zügel her / du must mich lieben / und wann du Stieffein und Sporn an hattest. Er leget Hand an / Sie zu bezwingen. (20) M I R M I N D E . Ach ihr Gotter helfft! Rettet mich von der unkeuschen Gewalt / erhaltet meine Ehre / welche mir mein Vater rauben wil. S E L I M O R . Erwachend / geschwind auff mit entblosten Gewehr. Was hast du Unmensch vor Theil an dieser armen Dürne? BASTANI. D U

Vom geqvälten Liebes-Siege, 1. Discurs

245

Was schiert denn euch meine Magd. Ist es deine Magd / so hast du noch grossere Straffe verdienet / dein Beginnen ein böses Zumuthen mir an die Hand giebet. W e r hat denn euch zum Richter über mich bestellet? Das Gesetz der Natur / als welches niemanden beleidigen lasset. M I R M I N D E . Auff denen Knien / vermeynet es sey Apollo. Habe D a n c k grosser Fürst der Gotter / daß du mich auß dieser Gewalt errettet. Sey doch ferner mein Schutz / weinende / damit ich in dieser klaglichen Dienstbarkeit nur diese einige Freude zu hoffen / daß ich meine unbetrübte Ehre mit mir ins Grab nehmen kan. BASTANI. SELIMOR. dieweil BASTANI. SELIMOR.

SELIMOR. Stehet auff bekümmertes Weib. Dieweil ich als ein sterblicher Mensch der gottlichen Ehre mich nicht anmasse. D a ß ich aber das Mittel eurer beschützten Keuschheit gewesen / das habt ihr vielmehr denen Gottern zu dancken / als welchen es also gefallen hat. MIRMINDE. SO erkenne ich dennoch diese Rettung mit gebogenen Knien: ob gleich meine Gefahr dardurch nicht auffgehoben / sondern in dem Stücke gewachsen / daß bey diesen G e w a l t t h a t i - ( 2 1 ) g e n Manne nechst böser Brunst auch Zorn entbrandt. SELIMOR. Wie seyd ihr denn dem groben Manne verwandt / in dem euer Verstand demselben gar nicht zu vergleichen. BASTANI. Lachende. Mirminde weise Ihm doch deinen Geburts=Brieff. Nimmt Sie bey dem' Arme. K o m m / da werden wir gewiß iedweden Lufftstreicher Rechenschafft davon geben. CAPYS. Grobes H o l t z / weist du nicht wie du Fürsten auß Mysien ehren solst. BASTANI. Was hat mir denn der Fürst auß Mysien zu befehlen. MIRMINDE. Ihr Gotter ist dises ein Fürst? BASTANI. Ihr habt hier weder Land noch Leute / und also nichts zu gebieten. Ich habe mehr Unterthanen als ihr. Drinnen stehn in meinem Stalle ein Dutzent Esel oder viere / wollet ihr alle drey meine Vasallen werden / so wil ich stracks diesen das Fell über die O h r e n ziehen / daß ich eine Esels=Haut bekomme / eure Lehn=Brieffe drauff zuschreiben. Was wolt ihr mehr? Ihr habt euch um meine Tochter nichts zu bekümmern. TRUTART. Ist diß deine Tochter / so hastu Viehischer Sclave nach unserm Gesetze das Feuer verdienet. BASTANI. U n d du solst nach meinen Gesetz das Maul halten / oder ich wil meine Camel=Flegel herauß pfeiffen / die dir braun und blaue Schnüre auffs Wams genug geben sollen. SELIMOR. Führt ihn auff die Seiten ins G e - ( 2 2 ) b ü s c h e / damit wir durch dieses beleidigte Mensch seine Missethaten erfahren mögen. BASTANI. Wie klug habt ihr das außgedacht / in dem ihr unter dem Schein der INQVISITION mir und meiner Tochter ein lebendig Gesetz machen

246

Johannes

Riemer

wollet. Und das können meine Cameel-Knechte gleichwohl auch. Von Leibe. Wil sich mit der Peitzsche wehren. CAPYS. Wo du einen Ruff thust / so sollen dir beyde Degen durch das Hertz dringen. TRUTART. Rege dich nicht / oder — — — BASTANI. Ich wil so stille seyn / wie ein Marck*Schreyer. Stecht mich nur nicht. Und ihr Mirminden auch nicht. Sie führen Ihn ab. SELIMOR. Sagt mir doch schone Bauerin: ob dieses euer Vater; ob ihr hier erzogen / oder wie ihr in dieses Joch der Dienstbarkeit kommen seyd? MIRMINDE. Grosser Fürst / den meine Niedrigkeit zu nennen weit zu unwürdig ist / wie mag dessen hoher Fürsten= Geist sich von denen Gipfeln Welt=gebietender Hoheit herunter lassen / und nach seiner armen Magd Herkommen fragen. SELIMOR. Dieweil eine sonderbahre Gewogenheit zu eurer ungemeinen Schönheit mich verursachet. M I R M I N D E . Ach gnadigster Herr! wie mögen E. Durchl. mein Elend höhnen? SELIMOR. Die Liebe verbietet mir euch mit Hohne zu krancken. (23) M I R M I N D E . Und diese Worte machen mich gar schweigend. SELIMOR. Ich verlange dessen Ursache. M I R M I N D E . Die Er. Durchl. besser bekandt ist. SELIMOR. Verwirret mich nicht durch dunckle Reden; sondern bekennet klar was ich euch gefraget. M I R M I N D E . Gnadigster Herr. Ich bin in dieser Wüsten / so lange ich gedencken kan / erzogen. Und diesen / welcher ietzo meinem Jungfraul. Kleinod nachgestellet / kan ich nicht leugnen / daß er mein Vater sey. SELIMOR. Wie mag er aber Liebe von Euch fordern / so ihr sein Kind seyd? M I R M I N D E . Diese Ursach ist mir verborgen. SELIMOR. Fühlet ihr dann kindliche Zuneigung gegen Ihn? M I R M I N D E . Nicht die geringste / wiewohl Sie mit Tyranney und Unbarmhertzigkeit genug Ursache dazu geben. SELIMOR. Auch nicht gegen die Mutter? M I R M I N D E . Viel weniger. SELIMOR. Was bewegt Euch aber zu dieser Unart. Und der Natur also wiederstreben? M I R M I N D E . Das mögen die Gotter beantworten. SELIMOR. Wie haben Euch denn eure unmenschlichen Eltern benahmet? M I R M I N D E . Mein Nähme ist iederzeit Mirminde gewesen. (24) SELIMOR. Allwissende Gotter! Wo soll ich meine Gedancken hinwenden? Wie habt ihr dergleichen Schönheit und Verstand in eine Baurin legen können. Ach ich bin gefangen / und die hervorstrahlende Vernunfft in Reden / legt mir immer neue Fessel an. Wolt ihr mich lieben / Mirminde!

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

1. Discurs

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Wie sagen seine Durchl? Ob ihr mich lieben wolt? M I R M I N D E . Fdlt Ihm zu Fusse. Ach Durchlauchtigster Printz / kan denn Dero Durchlauchtiger Geist mein Klagen auch spotten. S E L I M O R . Der Himmel mache mich elender als Euch / wann mein Sinn an Spott gedencket. Ich liebe Euch / Mirminde / und sehne mich nach eurer Gunst. M I R M I N D E . Er. Durchl. hören auff mich zu krancken. S E L I M O R . Und Mirminde fange an mich zu trösten. M I R M I N D E . Mit meinem Elende? S E L I M O R . Mit eurem Lieben. M I R M I N D E . Wer hohe Dinge suchet / der nahet sich zu desto grosserer Gefahr. S E L I M O R . Wer unbarmhertzig ist / und einen andern in Verzweifflung stürtzet / der verwundet sein eigen Gewissen. M I R M I N D E . Es muß aber die Verzweifflung nicht auff unmügliche Dinge gesetzet werden. S E L I M O R . So zehlet ihr eure Liebe unter unmügliche Dinge? (25) M I R M I N D E . Ich darff nicht mehr davon hören. Gehet ab. S E L I M O R . Mirminde / nur ein Wort! M I R M I N D E . Meine Noth verbietet mir diesen Gehorsam. S E L I M O R . Unglückseliger Selimor. Stehet etwas in Gedancken. Ich bin entzündet / und das helle Liebes=Feuer beginnet eine Cammer des Hertzens nach der andern anzustecken. Meinem Hoffmeister darff ich solche Noth nicht klagen / sonst würde er durch allzu strenge Auffsicht alle mein Vorhaben verhindern. Und gleichwohl ist mir unmöglich die schone Mirminde zu verlassen. Liebe und Barmhertzigkeit haben mein Hertz erfüllet / und solche zu behaubten wil ich lieber Blut und Leben vermissen. Geschwind Capys. MIRMINDE. SELIMOR.

Achte Unterredung.

Zu diesem

CAPYS. TRUTART

mit

BASTANI.

CAPYS. Was haben Er. Durchl zu befehlen. Ist etwa Gefahr vorhanden. S E L I M O R . Den Kopff in der Hand. Ach nein. T R U T A R T . Warum stehen Er. Durchl. so in Gedancken. S E L I M O R . Dieser Baurin Schönheit und übermenschliche Reden haben mich darein gesetzet. T R U T A R T . Wie können doch Er. Durchl. Ihre Fürstl. Hoheit an einer Sclavin unrein machen / und dieselbe verwunden. (26) TRUTART.

248

Johannes Riemer

BASTANI. Sie mag seyn wie Sie wil: Es soll sich keiner von euch in sie stechen. SELIMOR. Es ist umb so viel mehr zu verwundern / wann dergleichen Schatze des Himmels bey niedrigen Leuten wohnen. TRUTART. Gleichwol rühmen Sie ihre Schönheit / welches die allererste Würckung der Liebe ist: Derer aber Ihr. Durchl. Krafft vaterliches G e botes sich vor allen Dingen zu enthalten / woferne nicht auff gewaltsame Mittel dawieder soll gedacht werden. SELIMOR. AD SPECTATORES. SO muß List mir meinen Liebes=Handel helffen außführen. Trutart / Ihr habt euch hierinnen die wenigsten Sorgen zu machen / indem Ihr wohl wisset / daß ich der Liebe niemahls nachgehanget / und man eine Person ohne Empfindligkeit wohl rühmen kan. Meine groste Bemühung ist ietzo / wie ich allhier auff dieser Statte eine Andacht gegen den Himmel ablegen mochte. Darum verlast mich / damit solches kurtzlich geschehe. TRUTART. Hierinnen haben Eure Durchl. die höchste Freyheit und den allergrosten Nutzen. U n d wollen wir derselben biß auff ein vermercktes Zeichen im Gesträuch gar gerne erwarten. Gehen ab. SELIMOR. Den Sclaven last nur frey / denn ich wil noch vor meinen Gebet mich bey Ihm der Landes-Art etwas erkundigen. TRUTART. Er. Durchl. sehen nur zu / damit Sie nicht von Ihm beleidiget werden. ( 2 7 ) SELIMOR. Die Gotter / so ich furchte / haben mich allezeit vor Gefahr beschützet. Verzeyhet mir mein Freund / daß ich euch vorhin so hart angelassen / und zu zwingen befohlen / dieweil mich eine gewohnliche Furcht dazu verleitet / deren man sich in unbekandten Orten sonst nicht zu entschlagen. J e t z o aber berichtet mich doch / wie alt eure T o c h t e r ist / und wo ihr dieselbe erziehen lassen. BASTANI. Was soll euch das nutzen? SELIMOR. Ich trage Verlangen solches zu wissen / und vor die gründliche Warheit wil ich euch eine Belohnung schencken. BASTANI. V o r eine DISCRETION kan ich mich schon so viel bemühen / und euch solches außrechnen. Er zehlet lange. Sie ist gleich so alt als ihre / ihre / ihre Nase. SELIMOR. Schertzhafftiger Mensch! Wie alt ist denn ihre Nase. BASTANI. Gleich so alt als meine T o c h t e r : U n d die wird etwa ein Stück oder vierzehen J a h r alt seyn. SELIMOR. WO habt ihr Sie aber so wohl erziehen lassen? BASTANI. Wann wir gleich hie in der Wüsten wohnen / Sie ist niemahls alleine gewest. Bald hat Sie die Cameele helffen beschicken: bald hat Sie

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 1. Discurs

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müssen das grosse Vieh hüten. Sie hat auch einmahl Mehl in die Stadt getragen / meinet ihr / daß man da nichts begreiffen kan? SELIMOR. Hort mein Freund! Ich liebe Sie. BASTANI. Ich auch. (28) SELIMOR. A l s Vater?

BASTANI. Auch sonst. SELIMOR. Wie dann? BASTANI. W i e i h r .

SELIMOR. Das ist unmuglich.

BASTANI. Was Euch müglich ist / wird mir nicht unmuglich. SELIMOR. Ach mein ehrlicher Freund / haltet mich nicht auff / denn der Brandt frist um sich / und dessen Kohlen mochten endlich die Seele verzehren. BASTANI. Brennt ihr dann? Ich sehe ja nichts. SELIMOR. Wer mein Feuer sehen wil / der liebet mein Verderben. BASTANI. Ich! ich kan euch nicht helffen. SELIMOR. Wann ihr mir eure Tochter versaget. BASTANI. Die bekommt ihr nicht / und wann die Elle Zeig zu eurem Kleide gleich dreyssig Groschen kostete; Ja wann ihr unsers gleichen wlret / so stünde endlich wohl eine Frage frey. Aber so stallet man die Ganse nicht zun Füchsen. SELIMOR. Denn hiedurch solt ihr des dienens befreyet seyn / und euer Außkommen zu Hoffe haben. BASTANI. Davor sage ich dem Herrn Sohne grossen Danck. Ich habe es hier so gut / als zu Hofe. Mein Steiffmatz und Molcken geben mir so viel Krafft als Euch der beste Braten. Mich setzt kein Mensche ab / so lange ich lebe: Hingegen zu Hoffe / wer da nur einen Feind hat / der (29) falt ab wie ein wurmstichiger Apffel. Oder da ja einer in solchen Diensten alt wird: so kommt er mir doch zuletzt vor / wie ein Mahler-Pünsel / wann man so lange damit gemahlet / biß er stumpff worden / so gerath er endlich noch ins Außkehrig. Ich lobe mein Land-Leben / und lasse euch eure fette Suppen. Meine Tochter aber darff sich keiner einbilden / welcher nicht mit mir gleiches Herkommens ist. Ich weiß noch wohl / was Inuus vor ein Schelm war: da er des Magdgens ihr Jungfer-Krantzgen beym Kopffe hatte / satzte er sein Hütgen auff / und ritte davon. Der Himmel schütze Euch / eure Eidamschafft aber stehet mir nicht an. Gehet ab. SELIMOR. Endert euren Sinn / und verziehet. BASTANI. Es kan nicht seyn. SELIMOR. Nur zwey Worte. BASTANI. Nicht eins. Gehet ab. SELIMOR. Ihr zornigen Gotter / habt ihr beschlossen mich also mit Schimpff zu krancken? Und die Erstlinge meiner Liebe mit ungnadigen

250

Johannes

Riemer

Augen anzusehen. Allmogende Mutter Venus / du weist / daß ich meine blühende Jugend niemahls an verbotener Liebe geärgert; Und nun da ich dir das erste und ungekostete Opffer bringen wil / siehe so kan ich keine Bäurin zur Geferthin haben. Mir ist Angst und die Blodigkeit / welche eine Feindin der Liebe ist / überfält mich. Was soll ich mich nun vom Golde getrosten / und was vor Hoffnung wird mir zum Purpur übrig bleiben? Wann eine Sclavin gegen (30) mich unbeweglich ist. Soll ich mich an des Romuli Gewalt argern / und einen Zwang begehen; Ach nein / ich mochte Sabinische Flüche auff mich laden. Betrug stehet mir nicht an / dieweil er denen Gottern zuwider ist: sonst ware mir des Tarqvinii Kunst unverborgen. Einen Raub anzustellen ist unmüglich. Dieweil diejenige welche vor allen Dingen einwilligen soll / mir feind ist. Wohlan / die Gedult wird das beste thun. Denn Schmertzen seynd des Lebens Gifft: und die Beständigkeit ist ein Bezoar der Liebe. Ich bin verhast wie Turnus / und schwebe in der Irre wie Aeneas / darum soll auch Cambaja mein Latium seyn / und diese Lavinia werde ich nimmermehr auß denen Händen lassen. Komm her Capys.

Neundte Unterredung. Zu

Ihm

CAPYS.

CAPYS. Ich bin bereit Er. Durchl. zu dienen. SELIMOR. Auch zu helffen. CAPYS. So weit das Vermögen eines Knechtes gehet. SELIMOR. A c h CAPYS. A c h

Capys.

Printz.

SELIMOR. Treuster Capys. CAPYS. Gnädigster Printz. SELIMOR. M i c h hat / CAPYS. U n d w a s

denn?

SELIMOR. Die Liebe ergriffen. CAPYS. Auß der Noth ist wohl zu kommen.

(31)

SELIMOR.

Ist auß der Noth wohl zu kommen / Wann uns Liebe eingenommen. Wann selbst diese / die wir lieben / Uns mit Wiedersinn betrüben. Dieses / Ach! das Hertze bricht / Die ich liebe / liebt mich nicht.

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 1. Discurs

251

CAPYS. W e m haben aber Eur. Durchl. solche Liebes=Pein zu dancken / oder wohin neigen sich diese Flammen? SELIMOR. Auff eine Schönheit / welche mit dem Gemüthe in gleicher Herrligkeit strahlet. CAPYS. Ist sie Er. Durchl. würdig / so statte ich hiemit den ersten G l ü c k s Wundsch ab. SELIMOR. Meine Seele wird die ihrige an Tugend nimmermehr überwinden. Jedoch wird Sie in meines Vaters Angesicht viel zu dunckel seyn. Mir aber bleibet Sie die einige Sonne meines Lebens. CAPYS. Ists Mirminde? SELIMOR. Getroffen. Capys. Getroffen. CAPYS. Sie ist liebens werth. Und wer Sie nicht liebt / ist kranck oder hart vom Gemüth. SELIMOR. J a Capys / was zu thun? Sie will mich nicht lieben / und ihr Vater hat mir die Eydmanschafft ins Gesichte versaget / ob ich ihn gleich entdecket / daß ich von Geburt ein Fürst sey. CAPYS. Hierinnen haben Er. Durchl. sich in der Liebe geschadet. SELIMOR. Warum das? CAPYS. Denn die Einfalt des Pobels u r t h e i - ( 3 2 ) l e t alle Liebe auß der liebhabenden Gleichheit. U n d nechst diesem habe ich auch Sorge / es werde der Hoffmeister E r . Durchl. in diesen Gedancken / Krafft seiner Pflicht gantz und gar zuwieder seyn. SELIMOR. Darum habe ich auch auff eine List gedacht. Wilstu mir getreu seyn Capys / und den Außgang meiner Liebe bestandig bey mir erwarten: So solstu nach außgeführter Sache der nechste von mir / an meinem Hoffe seyn. CAPYS. Ich erkenne die angebotene Gnade / und bleibe so lange bey meiner Verheissung / biß Er. Durchl. Ihren Liebes=Betrug mir entdecken werden. SELIMOR. Ich wil meine Kleider mit Bauren Kleidern verwechseln / und bey dem Cameeltreiber Dienste suchen / zumahl weil er ohne dem anietzo Knechte verlanget. Vielleicht fügt sichs / daß ich Mirminden gewinne / und ihren Vater bewege. CAPYS. Wie wollen aber E r . Durchl. dieses vor dem Hoffmeister verbergen. SELIMOR. Den wil ich zurücke schicken / mit Vorwand / ich hatte zu Ema im Gast-Hoffe den Wechsel-Brieff auff dem Tische liegen lassen / den er nothwendig wiederholen muß. CAPYS. E r . Durchl. Gehorsamster Knecht / pflichtet diesen allen bey / und beut zu Außführung desselben sein Leben dar. SELIMOR. Getreuster Diener: So geh dann hin / und was zu meinen Zweck dienet / das suche durch deinen Verstand zu befordern. (33)

252

Johannes

Riemer

Die Gotter verleyhen nur einen gnadigen Ausgang. Gehet ab. In Abgehen begegnet Ihm Trutart / mit welchen er wieder zurück kommt. Zehende Unterredung.

CAPYS.

Was schadet dem Printzen / daß er die Einsamkeit so erwehlet? CAPYS. Ach mein Herr Hoffmeister! Die Ursache ist wichtig genug dazu. T R U T A R T . Und was denn? ich erschrecke. CAPYS. Der Printz hat den Wechsel=Brieff zu Erna im Gast=Hofe auff dem Tische vergessen. T R U T A R T . Das wolten die Gotter nicht! S E L I M O R . Freylich / freylich / leyder! ist es allzuwar. Und eben diß qvalet mein Gemüthe / wann wir mit Kummer und Armuth durch die Frembde wieder nach Hause kommen sollen. T R U T A R T . Das erbarme die Gottheit. Unglücks gnug. Aber was Rath in dieser Noth. S E L I M O R . Einer unter euch muß zurück reuten. In vier Stunden haben wir Glück oder Unglück erfahren. T R U T A R T . Capys! So mocht ihr denn alsobald auffsitzen. CAPYS. Diese wichtige Sache unterstehe ich mich nicht / dieweil der Herr Hoffmeister / der das Recht verstehet / bey vorfallender Verneinung (34) des Wechsel=Brieffes / die Sache am besten ausführen kan. S E L I M O R . Dieser Grund muß etwas gelten. So säumet euch dann nicht / mich aus dem Bekümmerniß bald zu erlosen. T R U T A R T . Hier ist nicht lange Wegerns vonnothen. Wann ich nur weiß / wo ich Eur. Durchl. wieder finden soll? S E L I M O R . W O ihr hin rathet / hier oder in Delly. T R U T A R T . SO wil ich Sie alsdenn in Delly finden. A D J E U . Gehet ab. S E L I M O R . Gehe hin / betrogner Hoffmeister. Denn es bleibt dabey / daß durch deine Eilfertigkeit sich das Ende meiner Pein nähert. Nun Capys / nun ist Treue und Hertze von nothen. Siehe / hier ist Geld /vor welches du mir und dir ein Bauer-Kleid zu kauffen / darinnen ich entweder meine Vergnügung finden / oder mein Leben beschlüssen wil. CAPYS. Das erste gebe der Himmel / das andere verhüten die Gotter. Mir aber verleyhen Sie Glück / was mir befohlen / nach Wundsch auszurichten. Dort in der Hole / wo unsere Pferde innen stehn / hoffe Er. Durchl. ich wieder anzutreffen. S E L I M O R . Gehe lieber Getreuer. Der Himmel bahne deine Wege / und lasse mich mit Freuden dich wieder sehen. (35) TRUTART.

1. Ich in dessen wil hier hoffen / Biß die beste Zeit getroffen.

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 1. Discurs

Und erscheine solcher Tag / Da ich die umfangen mag / Welch ich ietzt im Hertzen führe / Und mit Worten nur berühre. 2. Fürsten Hoheit leg dich nieder / Deine Pracht ist nur zuwieder / W o die Liebe ihren Schein / Mir wil lassen gülden seyn. Weil so wohl auff Gold / als Erden / Sie wil angebetet werden. 3.

Die durch Liebe überwunden / Hat Cupido blind gefunden. Dieser acht nicht hohen Stand / Sondern nur das Hertz und Hand / So von treuer Seele stammt / O b Sie gleich nicht Fürstlich flammt. 4.

Redligkeit / Zucht / gute Tugend / Zarte Schönheit / Blüth und Jugend. Herrschen über allen Stand. Und wem diese zugewand / Der hat auch in Bauren-Hütten / Standes=Blumen abgeschnitten. 5.

Darum bleib ich unbetrübet / O b mein Hertz gleich eine liebet. Die da weder hoch noch reich / Noch mir sonst am Stande gleich. Liebe last sich nicht fest gründen / W o man sich an Staat wil binden. 6.

Nun so wil ich feste bleiben / Und mir diesen Wundsch verschreiben / Daß kein andre Liebes-Wahl / Mir soll dampffen meine Qvaal. Ich wil niemand als Mirminden / Sonst an meiner Seite finden.

254

Johannes

Riemer

Andern Discurses Erste Unterredung. L E C T O und

BASTANI.

LECTO. H A b ichs nicht stets gesagt / daß ihr mir nicht recht treu wäret. Liebe Frau / ich gestehe es ja selber / daß wir zwey nicht drey seyn. Meinstu / daß ich nicht zehlen kan. LECTO. Nu nu / ich wil das junge Petzgen auß dem Hause schaffen / die Gotter wolten es denn nicht haben. BASTANI. Alte / das mustu wohl bleiben lassen. LECTO. Ich schlage Sie vorn hundert Hencker gar zum Hause hinauß. BASTANI. Müttergen / so schmeisse ich dich nach. LECTO. Was habt ihr aber davon / daß ihr eure geschworne Treue gegen mich brechet / und meineydig werdet. Ich bin ja so treue gegen Euch / und so keusch / daß ich mich von keinem andern nicht einmahl anrühren lasse. BASTANI. D U hast gut keusch seyn. Ach du altes Hertze / rühme dich nicht deiner Keuschheit. { 3 7 ) Denn welcher Mensch würde sich den Verdruß machen / und mit deinen Haut und Knochen eine fleischliche Sünde begehen. Du bist zwar mein Schlaff-Geselle / aber du magst sterben wann du wilt / so werde ich dich nicht im Bette vermissen / wann ich nur einem langen Sack voll Küh-Horner und Schinder* Knochen an deine Statte lege / daran ich eben so viel Lust habe als an Dir. Wer wolte doch mit Vorsatz so unglücklich seyn / und sich in ein solch Fege=Feyer seines Fleisches bey deinen Beinen ohne Fleisch einlassen. Wann die Seelen von denen Leibern / darinnen sie wohnen / eine Empfindligkeit haben; so muß sich die deine über ihr hartes Lager billich beklagen. LECTO. Ist es doch besser fein schlanck und subtile / als eine dicke Mast= Kuh sich selbst beschwerlich seyn. BASTANI. E S ist wahr. Ich habe mich wegen überflüssiger Fettigkeit bey dir nicht zu beschweren / indem dein Fleisch solche Erhöhungen hat / wie eine subtile Linie / welche auch die Künstler / so die Flohe an Ketten legen / nicht nachmachen können. Ich halte davor / deine Mutter hat sich doch an einem Lade»Stecken versehen / oder an einer Laterne. Denn du bist so fleischig / daß die Sonne durch dich scheinet. Die Hifften und Schultern starren an deinem Leibe heraus / man mochte Kober und Rom=Ketten dran hangen. Die Igel und Stachel-Schweine seynd glatter als deine Haut / und dein Gesichte ist wegen des spitzigen Kinnes und Nase mir eine Dornen-Hecke. Wie (38) offt habe ich mich drein gestochen / daß ich darüber zum Baibier gehen müssen. BASTANI.

Vom geqvälten

Liebes-Siege,

2. Discurs

255

LECTO. Das leugstu wie ein Schelm. Ich bin eine Frau noch von meinen besten Jahren. Siehe hieher / du findest kein ledig Mieder bey mir. BASTANI. DU garstiges altes Nüßgen / lege erst die beyden Zwarck=Säcke weg / womit du den Busen ausgestopffet hast. Hernach wollen wir deine A b c Taffei wohl zu sehen kriegen. Wann du dich bewegest /so klappern ja deine alte dürren Glieder wie ein Bortenwürcker Gestelle. In Summa / du mochtest brennen du altes krummes Mandelbret. LECTO. DU alter Herman / du alter Pferde=Bock: So wil ich dich auch nicht mehr lieben. BASTANI. Ach thue es: ich bitte darum. Denn du kanst mich mit nichts mehr erfreuen / ob ich gleich leiden muß / daß alle Elemente dich liebhaben. Wiewohl sie endlich schlechten Vorthel an dir haben werden. Das Feuer zwar und die Lufft haben es zum besten. Denn die Sonne wird dich noch anbrennen / aber hüte dich nur / daß du nicht im Mittag ans Zeug=Hauß gehest. Die Lufft wirfft dich wie einen bretern Tobacks=Kasten hin / wo sie hin wil. Das Wasser aber wird wenig von dir bekommen / denn du bist so leichte / daß du nicht untersinckest. Und die Erde hat deiner gar keinem Nutzen. Denn Fleisch hastu nicht. Die Haut wird verschwinden / ehe wir uns umsehen. Und so bald du die Augen zuthust / so werde ich das (39) Hauß voll Kamm=macher / Drechßler / Messer=Schmiede und solche Leute haben / die sich um deine Knochen zancken werden / damit sie Messer=Stiele / Nadel=Büchsen und Falß=Beine darauß machen können. LECTO. J e du grober Eseltreiber! Hattest du mich so schimpffiren wollen / so hättest du mich wol können in meinem Witben=Stande lassen / ich kunte mich ohne dich gar wohl nehren. BASTANI. Mein Lexgen / es war mir um die Pfennige zu thun. LECTO. Schand dich der Hencker dafür. U m die Pfennige soll man nicht freyen. BASTANI. Aber doch um die alten Thaler. LECTO. Auch nicht. Es ist unrecht. BASTANI. Aber warum denn? Zumahl bey Witben? LECTO. Auß ehelicher Liebe. BASTANI. Auß ehelicher Liebe. Du garstiges Rabenstücke. Mein! sage mir / wo solte ich anfangen dich zu lieben. LECTO. DU Ochsen* Vi eh? Fragstu ietzund erst darnach. Hastu das in denen zwantzig Jahren / so lange wir einander gehabt haben / noch nicht erfahren können. Zumahl da du meine Jugend besser RESPECTiRtest / als ietzo meine besten Jahre. BASTANI. Lecto! sage mir doch / welches nennestu denn deine besten Jahre? Du must nothwendig zwey hundert Jahr alt werden / wann dieses deine besten Jahre seyn sollen. (40) 17*

256

Johannes

Riemer

Ey wiltu nicht alt werden / so magst du dich jung hencken lassen: Wiewohl du zwar ohne dem kein besser Ende nehmen wirst. Zu vorauß wann der Konig hinter deine Stückgen kommen wird. BASTANI. Halt das Maul {Böse) weil es zeit ist. Du gebackene Mumie. L E C T O . Du Weiber Schinder. BASTANI. Lecto / Lecto. L E C T O . Leck dich der Hencker! BASTANI. D U alter treckichter Besen. L E C T O . D U Ehebrecher. BASTANI. D U beschmutzter Schüssel-Korb. L E C T O . D U garstiger stinckigter Leithammel. LECTO.

BASTANI. D U h u t ! h u t !

hut!

Pfeiff du mir — BASTANI. Raff-Zahn! halts Maul. L E C T O . D U deins dahin / worauff ich sitze. BASTANI. D U zerbrochenes Blanckscheid. L E C T O . D U Ehren=Dieb. BASTANI. D U alter eingerosteter Schiebekarn. Du stinckichtes Schmier— Faß / du eingeschrumpfeite Speck-Seite / du Ober-Meisterin aller Hexen / du Wettermacherin / du abscheuliches Nacht-Gefasse. Du abgenutztes Hackebret / darauff man die stinckenden Rinds-Caltaunen hakket. Du durchlöcherter Küchen-Schranck / darinnen man nicht das Kasegeschabte / ich geschweige ein Stückgen gut Fleisch auffheben solte. Du gefaltener Boten-Rantzen / du Abscheu aller alten Weiber. Du Gespenste und Spott der (41) Leute. Du mein Unglück / du Roß-Mühle meiner freudigen Tage / und du Joch unauffhorlicher Qvaal. L E C T O . D U Schelm und du Hunß - — BASTANI. Das Wort ist eine Ohrfeige werth. L E C T O . Und die Ohrfeige eine Harhusche. Sie schlagen sich. L E C T O . Nun so wil ich auch nicht langer schweigen / sondern dein BubenStück an Tag bringen. Ich wil alsobald hingehen / und dem Konige anzeigen / daß du wieder dessen scharffes Verbot dir dennoch eine Hure auff der Streue halst. BASTANI. Gehe du altes Stencker-Mart / an die nechste Brandt-Seule. Und sage was du wilt. L E C T O . Morgen um diese Zeit soll dir der Kopff schon vor den Füssen liegen. Gehet ab. BASTANI. Es ist sich zu verwundern / daß keine alte Frau ein jung MIgdgen im Hause dulden kan / wann sie einen hurtigen Mann hat. LECTO.

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

2. Discurs

257

Andere Unterredung. Zu diesem

SELIMOR

und

CAPYS.

CAPYS. Der Anfang ist geneigt zu unsern Vorhaben. Denn hier ist der Mann zugegen / welchen wir suchen. B A S T A N I . Ich stehe bald in Gedancken: Der (42) alte Narre wird mich ja nicht bey dem Konige verrathen. S E L I M O R . Wir wollen Ihn nur anreden. B A S T A N I . E S komme auch wie es wolle / ich frage nichts darnach. Mein Gewissen ist noch gut. Ich bin mein Traun dem Magdgen nicht recht zu nahe kommen. Lächerlich. Ich hatte zwar was im Sinn / aber das Rabenaßgen wolte nicht. S E L I M O R . Die Gotter seyn mit Euch. B A S T A N I . Hab Danck. Von wannen bistu? S E L I M O R . Aus der Stadt Bettan. B A S T A N I . N U . Du bist ein brafer junger grosser starcker Limmel. Wo denckstu dann naus? S E L I M O R . Ich und mein Gefehrte suchen Dienste. B A S T A N I . Was sucht ihr dann vor Dienste? Und wer bistu denn. CAPYS. Ich bin auch aus Bettan / und suche einen Herrn. B A S T A N I . Wie kommt ihr aber hieher / und warum seyd ihr nicht in der Stadt blieben? CAPYS. Beyderseits unsere Eltern seynd verstorben / und derselben Verlassenschafft ist so geringe / daß wir uns nun ins künfftige von Hand*Arbeit werden behelffen müssen. Daß wir aber hieher kommen. Darzu hat uns Fama verursachet / als welche verkündiget / es solte sich ein Printz aus Mysien hier auffhalten / in dessen Dienste wir zu gelangen / versuchen wolten. B A S T A N I . Was wolt ihr bey denen Kerln machen? Sie seynd vor der Stunde etwa auch bey (43) mir gewesen. Der Printz mag gar ein richtiger seyn. Denckt doch / er gab Freyen bey meiner Tochter vor /aber hätten sie sich nicht beyde heimlich davon gestohlen / ich hatte ihnen ein Verlobniß außrichten wollen / daß ihnen die Kopffe hatten sollen davon wehe thun. Ich kan Euch traun zu denen Leuten nicht rathen / wolt ihr aber bey Pferden und Eseln mir auffwarten / so kan ich Euch wohl annehmen. Wie heistu? S E L I M O R . Erschreckt / und hat sich auff keinen Namen geschickt. C A P Y S . Fält Ihm ins Wort! Spado. B A S T A N I . Bistu so thum daß du deinen Namen nicht weist zu nennen. Und meine Esel haben alle Namen / wie wiltu die denn nennen können.

258

Johannes

Riemer

CAPYS. Ο mein Freund / kehret Euch daran nicht / eure Sprache ist ihm noch nicht bekandt. Aber warum wolt ihr eure Tochter keinem Fürsten geben? BASTANI. Darum / Ihr Gluck hatte etwa mögen so bestandig seyn / wie eines Soldaten / der wegen seines Geldes im Vater=Lande zum Officirer gemacht wird / kommt er aber ins Feld / so geben Sie ihm doch wohl eine Piqve in die Hand. SPADO. Bey einem Fürsten ist diese Untreue nicht zu vermuthen. BASTANI. Man sieht wie es geht. Gleich und gleich gesellt sich gerne / das ist mein altes Sprichwort. Ein Bauer=Magdgen und ein Fürst im Ehestande / kommen mir vor / wie wann ein Lowe (44) und eine Katze vor einen Wagen gespannet werden. Wie heistu denn? CAPYS. Ich heisse Solvio. Und verstehe mich sonderlich wohl auff die Pferde. BASTANI. Auch dieselben zu curiren. CAPYS. Diese Kunst habe ich auß dem Grunde gelernet. BASTANI. Ha! Das ist ein Glück vor mich. Nun wil ich mit Pferden handeln. Kan dieser nicht auch eine Kunst dabey. CAPYS. Er ist ein getreuer und arbeitsamer Mensch. BASTANI. Dieß Lob müst ihr beyderseits bey mir haben. Sonst bleiben wir nicht lange Freunde. Vor allen Dingen aber müst ihr treu seyn. Denn daß ihr etwa gedachtet durchzugehen / und mir ein baar Esel davon zureuten. Ach da würdet ihr Euch schröcklich betrügen. Ihr kamt nirgends wohinauß / das gantze Land ist mit Wasser umflossen. Und ich numehr als euer Herr würde lange Hände haben / euch zu angeln. Wie schone soltet ihr mir an diesem Baume paumeln. S E L I M O R . Ach mein Freund! Die Treue soll unser grostes Lob seyn. BASTANI. Hör du / du must dich auch lernen in meinen Respect schicken / und nicht mehr guter Freund sagen / sondern / Herr: Ja Herr: Was soll ich thun Herr? Es ist numehr zwischen Dir und Mir ein grosser Unterscheid. Du bist eine Kase=Mülbe gegen mich. (45) S E L I M O R . Ja Herr / ich gestehe alles: Herre. BASTANI. Nun so kommt dann beyde / und gelobet mir an /Treue / Fleiß und Gehorsam. S E L I M O R . Wir wollen alles thun / was uns befohlen: Geben ihm die Hände. BASTANI. D U bist ein fauler Schlingel / das mercke ich schon. Denn ein Knecht darff solche weiche Hände gar nicht haben. Indeß aber kommt nur / daß ich Euch an eure Arbeit anweise.

Gehen ab.

harter Schluß. umgekehrtes Recht. CAPYS. Ein Sclav wird Herr. S E L I M O R . Der Fürst ein Knecht. CAPYS. Ο

SELIMOR. Ο

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

2. Discurs

259

Dritte Unterredung. L E C T O und

MIRMINDE.

LECTO. Ich lasse mich von meinem Vorsatze durchaus nicht abwendig machen. M I R M I N D E . Die Liebe zwischen Mann und Weibe soll alles dulden. LECTO. Wann aber die arme Frau Tag und Nacht geangstet wird. M I R M I N D E . SO soll Sie der Beleidigung vergessen / und nach Versohnligkeit streben. LECTO. Wann aber Schlage dazu kommen. M I R M I N D E . Die muß man mit guten Worten abwenden. LECTO. Ο / du loses Stücke / hast gut sagen / warestu (46) nur in meiner Statte / du würdest viel änderst reden. M I R M I N D E . Davor behüte mich der Himmel. Euch aber / Mutter / gebe Er den Vorsatz / meines Vaters zugefügte Schmach ohne Rache zu verdauen. LECTO. Die Straussen verdauen Eisen / und der Adler Steine: Aber eine Ehrliche Frau (weinende) keine Scheidworte! M I R M I N D E . Ein Mann der sein Eheweib schindet / schändet sich selbst. LECTO. Absonderlich wann er untreu ist. M I R M I N D E . Ist er denn auch untreu. L E C T O . Weinende. Ach du leichtfertiges Stücke / wie du dich so fremde stellen kanst. Nun merck ichs / daß ihr lose Ehrvergessen Back zusammen seyd. So wil ich auch keine Stunde verziehen / so wohl von dir / als meinem unbendigen Huren=Hangste alles zu entdecken. Gehet ab. M I R M I N D E . Gehe hin / unnatürliche Mutter / die du dein Kind mit ihrem Vater in blutschuldigen Verdacht setzest: Da doch meine unschuldige Jugend dergleichen Laster nicht verstehet / vielweniger Gefallen daran hat. Mich tröstet mein unbeflecktes Gewissen / und mein züchtiger Vorsatz last mich auch mitten in der Verfolgung nicht betrüben. Ich habe mich unter die Flügel der Gotter Barmhertzigkeit begeben / darunter will ich verharren / und bey denenselben Hülffe in meiner Noth finden. (47) Wer sich im gantzen Leben Dem Himmel hat ergeben / Der bleibt im Hertzen froh und an der Seele rein. Und wer sich so befliessen / Zu halten rein Gewissen / Der kan in aller Noth getrost zu frieden seyn.

260

Johannes

Riemer

Vierdte Unterredung. Zu dieser

BASTANI.

BASTANI.

Wer in der Welt Sich so verhalt / Daß er nur immer fort vor einer Thür wil kleiben / Der mag (mit Gunst) In seiner Brunst / Ein rechter Kühschwantz bleiben. Ein Magdgen muß ja nicht so eigensinnig seyn / Wann sie der Manner Gunst / bestandig wil erhalten. Was nutzt ein holtzern Licht. Es stehet gar nicht fein. Pfui! schäme dich / durch Lung= und Leber*Falten / Daß du so blöde bist. Hastu nicht trefflich Noth. Der größte Hauffen Heu / druckt ja kein Maußgen todt. So wirstu auch nicht stracks von wenig Liebe sterben. Du wirst dadurch bey Mir so grosse Gunst erwerben / Als du dein Tage nie von Mir genossen hast. Ein loser Sack! Der mich nicht in die Arme fast. MIRMINDE. SO meynet ihr mich vielleicht durch eure Reimen zu bewegen? Ach nein / Apollo selbst vermag nicht so viel. Die geschworne Geliebte meiner Jungfrauschafft bleibet fest biß in Todt. Und diesen Vorsatz soll mir kein Mensch / kein Gott andern / welcher mir nicht den guldnen (48) Pfeil der Dianen uberreichen wird. Daß ich aber meinen kindlichen Gehorsam gegen Euch in der That erklare / so kan ich euch wohl nach Gebier einer Tochter / wiewohl ohne Empfindligkeit / in Arm nehmen.

Fünffte Unterredung. LECTO.

Kucket von

ferne.

BASTANI. Ach nur noch ein einig mahl. MIRMINDE. Und zum allerletzten mahl. LECTO. Das erbarme die Gottheit! Numehr habe ich genug. Ich gedachte wohl / es müste meine Verachtung auß einer solchen Ursache herrühren. Du unzüchtiger Actajon / daß dich nicht der Jupiter alsobald in einen Brunfft=Hirsch verwandele / damit du auff der Wild=Ban von Hunden zerrissen werden mögest.

Vom geqvälten Liebes-Siege,

2. Discurs

261

Und wann ich ein Hirsch ware / wie wolte ich dich auff die Horner fassen / und durch das Arcadische Gebüsche mit dir durch curiren. Ich meine es solte dir der alte P O D E X zerkratzet werden. LECTO. Und du Junge Schand=Hure bist auß der Harpiyen Geschlechte / die du mir mein Bißgen Manns=Fleisch vorm Maule wegnimmst / wie deine Vorfahren dem hungrigen Phineus gethan. BASTANI. Mutter Cirzgen / listert dich nach Manns=Fleische? warte warte / ich wil dich bald satt machen. Dulde dich nur / biß der Schinder unsern alten Hengst abgezogen. Da solstu dich (49) in Manns=Fleisch recht satt essen. Kanstu aber nicht biß dahin warten / wohlan so beweise deine Kunst / und verwandele dich so lange in eine Sau / so kanstu in Wald unter die Keuler lauffen / und mit denenselben Eckern fressen. LECTO. Nun nun Schelm. Schmiere nur deinen Ehebrecherischen Kopff. Er soll bald vom Halse Abschied nehmen. BASTANI. Schmiere du nur den deinen / du dirre Heppe; Damit du dem C E R B E R U S nicht / wie eine Nehnadel / in der Kehle stecken bleibest. L E C T O . Warte nur warte. Du solst es bald erfahren. Gehet ab. BASTANI. Geh nur fort. Ich will indeß noch ein baar Klafftern Küffern Holtz schlagen / damit dir die Henckers= Knechte auff deinen Ehren=Tag recht warm einheitzen können. Mirminde es ist mir doch ein bißgen banBASTANI.

ge·

. M I R M I N D E . Ein gut Gewissen fürchtet keine Bedrohungen. BASTANI. Wann man aber etwas im Willen gehabt / muß man denn auch dasselbe dem Richter gestehen / und Antwort davor geben? M I R M I N D E . Die Gedancken dürffen kein Geleite geben. Doch bleiben Sie bey denen Gottern nicht ohne Rechenschafft. BASTANI. Ich frage nichts darnach. Sie mag thun was sie wil. Macht sie mir die geringste Ungelegenheit / so bin ich wohl ein Schelm /ich wil sagen / daß Sie Mäuse machen / und das Wetter verkehren kan. (50) M I R M I N D E . Ο gerechter Himmel straffe mich nicht um meiner Eltern Boßheit. BASTANI. Ich wil mir alles auß dem Sinn schlagen. Mirminde komm nur / wir wollen Holtz machen. Ich muß morgen eine Fuhre in die Stadt thun. M I R M I N D E . Ich folge. BASTANI. Auch gerne? M I R M I N D E . Lieber zu ewiger Arbeit / als zu kurtzer Wollust. Gehet ab.

262

Johannes

Riemer

Sechste Unterredung. TRUTART

alleine.

TRUTART. Ach! Wie elend ist doch derjenigen Zustand / welchen eine Auffsicht über Fürstliche Gemüther in der Frembde anvertrauet. Der Tag ist ihnen voller Sorgen / und des Nachts haben Sie Ruhe mit Unruhe. Denn gleich wie die Großmüthigkeit nicht durch Kunst erworben / sondern durchs Geblüthe denen Nachkommen beygebracht wird: Also kan auch dieselbe / im Fall sie sich erhitzet / durch keinerley freye DISCIPLIN umschrencket werden. Der Himmel weiß es / mit was vor Kummer ich die langwierige Reise / als Hoffmeister des Thessalischen Printzen hingebracht / und wie genau ich mich iedweden Schein der Gefahr wiedersetzet. Allein (weinende) wer hatte gedacht / daß mein gewissenhafftes Bemuhen so ein trübseliges Ende schopffen solte. Der Wechsel=Brieff ist verlohren / und der { 5 1 ) Printz sammt seinen Getreuen ist nicht zu sehen. Keine Spur noch Fustapffe wil sich zeigen. Mein Hertz ist mit Furcht erfüllet / und meine Seele empfindet schon einen Vorschmack des vaterlichen Seuffzens. Stehet sich etwas um. Ist mir recht / so ist dieses der Ort / an welchen ich den Printzen verlassen. In Delly ist nichts von Ihm zu hören. So muß er denn vielleicht noch hier verborgen seyn. Selimor! Selimor! Printz Selimor! Au weh! Hier ist niemand zu hören / vielweniger zu sehen Unglückseliger Hoffmeister! Solte der Printz von wilden Thieren zerrissen / oder von der See verschlungen / oder von Raubern getodtet seyn / so ist mein Leben zugleich mit verlohren. Muß ich dann meinen Untergang so weit suchen / den ich doch wohl mit verminderter Grausamkeit in dem Schoß meiner Mutter finden können. Zwar muß ich mich in das Unglück schicken. Und nach dem letzten Vermögen meiner Kraffte den Printz suchen. Ο Himmel zeuge mir den Weg / welchen Selimor gezogen / und offne mir die Strassen; wo ich ihn mit Freudigkeit seines Vaters Händen wieder überantworten könne. Gehet ab.

Siebende Unterredung. mit einem worinnen eine Axt / CAPYS.

BASTANI. SELIMOR. MIRMINDE

Trage=Korbe/

BASTANI. Hoi. Hoi. So mustu sagen / wann die ( 5 2 ) Esel fort gehen sollen. Gehen sie zu weit auff die rechte Hand: so schreyestu / Ο he! Ο he. Alles mit fliegender Peitsche und klingenden Sporn. Spatziren sie etwa zu weit auff die lincke Hand: so hastu ein Wort das heist / wiste wiste. So

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

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bald sie das hören / so seynd sie Gehorsam. Im übrigen hastu taglich dahin zu sorgen / daß du dem Treibe-Vieh sein ordentlich Futter giebest. Alle Abend mustu ihm frische Streu bereiten; und des Morgens reine wieder außmisten. Fein reindlich striegeln / auffschwantzen / und die Haar auß denen Ohren putzen. In Summa dich so bezeigen / daß ich reine Vieh / und an dir einen getreuen Knecht habe. Du must auch im Stalle schlaffen. Denn du siehest / wir wohnen ohne Maur und Thor / es konte mir bald einer an dem Vieh einen Possen beweisen. Was mein Herr gesagt / bemühe ich mich zu verrichten. In meinen Respect findest du dich doch noch alle fein. Aber trauestu dich dann auf solche Weise mit deinen Untergebenen außzukommen. Versuche etwas: Wie wilstu Sie anreden. CAPYS. Wann er nur das Vieh erst vor sich hat: Er wird schon recht treiben. BASTANI. Lasset schauen. Bilde dir ein / als waren wir alle drey Esel. Wir seynd aber keine. Wie mustu nun sagen / wann wir auff die Rechte oder Lincke Hand gehen sollen? nu. (53) S E L I M O R . In tieffen Gedancken: Wie? Stehet stets auff Mirminden. BASTANI. D U taugest zu meiner Kunst nimmermehr. S E L I M O R . Was? BASTANI. D U hörest und siehest ja nicht. Wie schickst du dich denn dazu. Hier hast du die Peitsche. C A P Y S . Capys nimmt die Peitsche / und hauet Bastani über den Rump / und schreyet: Hoi / Hoi. Hoi wiste wiste. Ο he / Ο he! BASTANI. D U bist ein brafer Kerl. Ich sehe es schon / wie die Sache einzurichten. Diesen albern Kerl / siehe siehe / wie er in Gedancken stehet / muß ich nur zur Hand=Arbeit brauchen. Dich aber wil ich / SALVA REVERENTIA, zum SuBSTiTUTen in meiner Kunst hiemit erklaret haben. Laß sehn. Mirminde du solt den dummen Kerl mit dir ins Holtz nehmen. Hier nimm die Axt / und laß ihn die Fichten vor der Bettanischen Hole fallen. Und wann er nicht fleissig ist / so prügle Ihn auff Persianisch. Und du sey selbst auch fleissig / oder ich wil dich mit diesem Wulste auffschürtzen. M I R M I N D E . Geh fort Sclav. Und ich wünschte / daß mein letzter Feyer= Abend schon vor der Thür ware. S E L I M O R . Wegert sich / und Mirminde muß vorangehen. Ich folge Mirminden. M I R M I N D E . SO last sichs in der Dienstbarkeit auch an Hoffligkeit dencken. Gehen ab. (54) BASTANI. Solvio heiß ich dich? C A P Y S . SO haben mich meine Eltern stets genennet. BASTANI. Höre du scheinest ein guter Kerl zu seyn. Nimm dich doch meiner Sachen fein an. Du solst die Auffsicht über alles haben. Wann meine SELIMOR.

BASTANI.

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Johannes

Riemer

Leibeigenen nicht recht arbeiten / so peitsche nur zu. Ich gebe dir hiemit die Macht. Wann du dich recht verhalten wirst / du kanst noch wohl gar mit der Zeit mein Schwieger Sohn werden. CAPYS. Ich erkenne meines Herren angebotene Gnade / und spaare keine Muhe dieselbe zu verdienen. BASTANI. Solvio / du must mir tapffer beystehen. Denn ich habe eine lose Sache. CAPYS. Und was ist denn dieselbe? BASTANI. Ich wil dir sie wohl sagen: aber du must reinen Mund halten. CAPYS. Meine Treue ist beschworen / und meine Verschwiegenheit soll darunter begriffen seyn. BASTANI. Das Madgen / das ich bey mir habe / ist nicht meine Tochter. Sondern ich habe sie nur erzogen. CAPYS. Wem steht sie denn sonst zu? BASTANI. Ach sie ist gar weit her; auß Griechen=Land. CAPYS. Wer seynd dann ihre Eltern? BASTANI. Ihr Vater war gar ein stattlicher Mann. Und wie seine Diener gegen meine Magde gekuset hatten / so war es ein Graff auß (55) Thessalien. Derselbe brachte mir das Magdgen hieher: gab mir auch ein Stück Geld zu ihrer Erziehung. CAPYS. Ο Selimor / daß du Ohren hattest / welche biß hieher langeten. BASTANI. Und noch was mehr: aber daß du ja verschwiegen bist: So ließ er mir auch eine güldene Kette zurücke, damit ich sie desto besser in achtnehmen solte. Aber es ist numehr lange / es seynd über vierzehen Jahr. Der Mann ist lange todt. Und was soll ich mit dem Menschen sonst anfangen. So brauche ich Sie so zu meiner Magd: Daß du ihr aber ja nichts davon sagest. Da hat mich nun mein alter Wetter=Hahn in einem bösen Verdacht mit ihr. Kein Wunder ware es zwar. Ich bin ein Mann von meinen besten Krafften. Die Dirne sieht um den Schnabel gar glat. Einen alten Trajoner habe ich am Halse. Mein Fleisch und mein Blut ist auch kein Narre. So ist die Rechnung leicht zu machen. CAPYS. Hiermit wird meines Herren Weib nicht zu frieden seyn. BASTANI. Solvio / du redest mir so erbar: Ingleichen auch dein Compan. Eure Eltern müssen gewiß keine Bauren seyn. CAPYS. Ich kan es nicht leugnen / daß unsre beyden Eltern Kauff=Leute zu Bettan gewesen / dieweil Sie uns aber in Armuth verlassen / haben wir nothwendig Leibeigene werden müssen. BASTANI. Gieb dich nur zu frieden / ich wil dich (56) gar nicht hart halten. Du solst auch allezeit auff meinem Geburts=Tag ein Stückgen Gebratens zu geniessen haben. CAPYS. Ich sage davor Danck. Worinnen soll ich aber meinem Herrn beystehn?

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Liebes-Siege,

2.

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Disatrs

BASTANI. Ja: daß ichs nicht vergesse. Da hat meine alte umgekehrte Ciebet-Katze sich vorgenommen / das / was ich dir ietzo von Mirminden erzehlet / zu entdecken und mich gar Ehebruchs mit Ihr zu bezüchtigen. N u n konte es leicht kommen / daß ich etwa so mit Ambts=Fuhre konte abgehohlet werden. Aber da müssen wir uns als Manner wehren. Wer wil uns was thun? Gehets ja scharff zu / so können wir uns doch im Walde retten. Da wird uns kein Mensch was anhaben. CAPYS. AD SPECTATORES. Ο daß doch Selimor diese neue Zeitung wüste. BASTANI. W e r ?

CAPYS. Ich wundre mich / sage ich / über den haßlichen Verdacht; und werde meinen Beystand in vorfallender N o t h krafftiglich sehen lassen. BASTANI. Gar recht. D u solt die Belohnung deiner Treue nicht missen. Jetzo komm / wir wollen uns einen O r t außsehen / w o wir auff allen Fall sicher seyn / und uns verbergen können. CAPYS. Mich bedinckt / es sey solches noch zur Zeit nicht von nothen: Dieweil kein Weib leichtlich ihren Mann in dergleichen Unglück bringet. BASTANI. Trau wohl / reute das Pferd weg. Besser ist in der Zeit bewahret / als zu spate geklagt. Folge du mir. Es ist sicherer / ietzo einen Weg zur Flucht wissen / als in der N o t h suchen. CAPYS. Mein Herr hat zu befehlen / und Ich zu gehorsamen. BASTANI. Das war recht geredet. CAPYS. Ο daß ich Selimor doch sehen und sprechen solte. Gehet ab.

Achte Unterredung. M I R M I N D E gehet

mit

SELIMOR zur

Arbeit.

MIRMINDE. Schwere Arbeit / Schlage und Peitschen gehören vor wollüstige Sclaven. SELIMOR. M i r m i n d e .

MIRMINDE. Schweig und verbringe deine Arbeit: oder du solt deiner Plage kein Ende wissen. SELIMOR. M i r m i n d e .

MIRMINDE. Sage nichts. SELIMOR. Als diesen Namen. MIRMINDE. U n d w a s v o r einen?

SELIMOR. M i r m i n d e .

MIRMINDE. Was suchstu Leibeigener in meinem Namen. SELIMOR. Einen Trost. MIRMINDE. WOZU

dann?

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Johannes

Riemer

SELIMOR. ZU meiner Pein. (58) MIRMINDE. ZU deiner Pein. SELIMOR. ZU meiner Pein. MIRMINDE. Ο E l e n d ! SELIMOR. Ο U n g l ü c k !

MIRMINDE. DU findest einen schwachen Arzt. SELIMOR. Und sie einen gefahrlichen Patienten. MIRMINDE. DU bist ja gesund und roth. SELIMOR. Meine Kranckheit ist nicht zu sehen. MIRMINDE. Dir fehlt ja nichts. SELIMOR. Wann der sehnsüchtigen Seele geholffen ist. MIRMINDE. Wohin zielet denn dein Verlangen? SELIMOR. WO Cupido seine Pfeile hinschiesset. MIRMINDE. Elender Mensch. Darffst du in deiner Dienstbarkeit von Liebe reden? Die Liebe ist keinem Knechte unterthan / sondern sie liebt die Freyheit / und suchet ungebundene Seelen. SELIMOR. Gleichwohl hilfft sie denen / welche um Ihrentwillen die Gliedmassen zu dienstbaren Banden hergeben. MIRMINDE. Woran hanget denn dein Hertz? SELIMOR. An einer Gottin. MIRMINDE. SO bistu glückselig. Denn diese kan dir helffen. SELIMOR. Und eben dieses ist die Ursach zu meiner Hoffnung / daß Mirminde noch zur Barmhertzigkeit werde bewogen werden. (59) MIRMINDE. Meine Barmhertzigkeit ist eine Wirckung deines Unglücks. SELIMOR. Und eine Ursach meiner Freuden. MIRMINDE. Warum das? SELIMOR. Denn diese wird mir noch den Weg zu ihrer Liebe eroffnen. MIRMINDE. Spado du kampffest wieder meine Sinnen mit ungemeinen Reden. SELIMOR. Venus waffne mich nur dieselben zubesiegen. MIRMINDE.

Stehet ihn lange an.

SELIMOR. Ich werde mehr und mehr entzündet. MIRMINDE. Durch was vor Schuld. SELIMOR. Dieweil die zwey Sonnen ihres Antlitzes mich mehr und mehr brennen. MIRMINDE. Spado du zwingest mich. SELIMOR. W o h l ! MIRMINDE. W a r u m ?

SELIMOR. SO ist der Anfang zu meinem Glücke fertig. MIRMINDE. SO meinestu ich solte dich lieben? SELIMOR. W i e ich h o f f e .

MIRMINDE. Ach so bist du auffs neue unglückselig.

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Liebes-Siege,

2. Discurs

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Wie dann so? Dieweil deine eigene Hoffnung dich betrügt. S E L I M O R . Mein Hertz versichert mich ein anders. (60) M I R M I N D E . Woher nimmstu den Grund dieses Glaubens? S E L I M O R . Auß der erworbenen Zuneigung. M I R M I N D E . Es ist wahr Spado. So offt ich dein Angesicht betrachte / so offt muß ich dir die Vergünstigung mit neuer Gunst / Mir aber die Bemühung mit neuen Zorn bezahlen. S E L I M O R . Schönste Mirminde. Erkläret mir diese schweren Reden. M I R M I N D E . Darum bin ich dir geneigt. Dieweil dein Angesicht mich meines Unglücks erinnert. SELIMOR. Hiedurch werde ich noch mehr verwirret. M I R M I N D E . Ein Mensch hat Schuld an seinem Glück und Unglück. Und die jenigen sündigen / welche die Gotter wegen eines harten Rathschlusses anklagen. S E L I M O R . Ich selbst kan solches mit meinem Exempel bestetigen. Aber warum erinnert Sie mein Angesicht ihres Unglücks. M I R M I N D E . Ach Spado. Ich wurde geliebet / und wolte nicht. Ich liebete hernach und konte nicht. S E L I M O R . Ich liebte und durffte nicht. Ich blieb bestandig / und erhielte nichts. M I R M I N D E . SO hastu du doch glückseliger geliebt als Ich: Dieweil du die verlohrne Liebe nicht dir / sondern dem Willen des Glücks beyzumessen. S E L I M O R . Ach nein. Der ist Glückselig im (61) Lieben / welcher nach seinem eigenen Willen lieben und nicht lieben kan. M I R M I N D E . Ach nein Spado! Der Gotter Wille ist ein Trost in unsern N o then. Denn was diese über uns beschliessen / gereichet zu unserer Wohlfarth. Alleine was wir durch menschliche Blindheit verschertzen / das qvalet uns mit einer spaten Reue / und schmertzet die Seele. SELIMOR. Ein Hertz voller Anliegen leget dergleichen Worte auff die Zunge· M I R M I N D E . E S ist wahr Spado. Ein schweres Anliegen naget an meinem Gemüthe: und dein hoher Verstand nothiget mich dir solches zu offenbahren. Zumahl die Aehnligkeit deines Angesichtes gegen die Person / so ich nicht lieben wolte / und dennoch liebete / so genaue getroffen / daß ich dich selbst darum lieben müste / wofern du kein Knecht wärest. S E L I M O R . SO wird Sie mir ja derselben Person Nahmen in Geheim vertrauen. M I R M I N D E . Ja wohl in Geheim vertrauen. Gedencke Spado / daß ich dir dieses alleine sage. Ein schöner Printz auß Mysien reisete durch diese Wüsten / und strebte biß zur Verzweifflung nach meiner Liebe. Ich SELIMOR.

MIRMINDE.

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Johannes

Riemer

aber / die ich so wohl durch die bäurische Unart meiner Eltern / als auch durch meinem selbst=eigenen verachteten Zustand zu solcher Liebe blöde gemacht wurde / verschlug dessen Seuffzer / und verbarg mich denen Sternen seines Antlitzes. Nach diesem aber handelten die Gotter mit mir in Traum / und belehrten (62) Mich / wie dieser Printz durch Liebe mich in Freyheit setzen / und wie ich denselben durch einem güldenen Pfeil der Dianen erkennen solte. Aber nun ist er davon / und das Hertz ist ein schmertzlicher Prophet meiner Augen / daß Sie denselben nimmermehr wieder sehen werden. Siehe so / Spado / ist das Gluck mein Feind: und das Unglück mein verderblicher Rathgeber gewesen. SELIMOR.

Sie betrübe sich nicht Schönste / sondern lasse sich trösten.

MIRMINDE.

Dieweil ich den Trost meiner Augen verlohren.

Wie? wann sie aber denselben wieder sehen konte. Ach Spado! Die Sonne gehet wieder auff: und die Sterne kommen nach ihren Untergang wieder. Alleine ich darff weder von Süden noch Westen her meinen Printz erwarten. Edler Printz / ich opffre dir hiemit ( w i r f f t mit der Hand einem Kuß in die Lufft) die ersten Früchte meiner Lippen; Du seyst auch wo du wilst / geniesse derselben / und gedencke an Mirminden die verlassene. Ich wil zur Danckbarkeit dein Gedachtnüß mit Thranen ehren / und dein Andencken soll der Geferthe in meiner Einsamkeit ewig bleiben. S E L I M O R . A D SPECTATORES. Halt an dich Selimor / und ergetze dich über der Mirminde verliebten Bezeugen. Will Sie dann zu dieser Botschafft die blosse Lufft brauchen. Gilt mein Wündschen etwas / so bitte ich / mir zu vergönnen / ein (63) Bote zu seyn / und diese so liebreiche Gesandschafft zu verwalten. SELIMOR.

MIRMINDE.

MIRMINDE.

Kennest du denn denjenigen nach welchen meine Flammen

steigen? wohl als mich selbst. Spado du schertzest. S E L I M O R . Straff mich der Himmel / wann es anders ist. M I R M I N D E . Wie heist er dann? S E L I M O R . Selimor. M I R M I N D E . Selimor? Ο Seelen Nähme! Wer ist sein Vater? S E L I M O R . Fürst über Mysien. M I R M I N D E . Ist er auch Tugendhafft? S E L I M O R . Die Tugend ist sein Leitstern / und seinen Wandel richtet er nach dem Willen des Himmels. M I R M I N D E . W O hastu ihn denn so genau kennen lernen. S E L I M O R . In Mysien. M I R M I N D E . Ich meyne du wärest auß Bettan. S E L I M O R . SO MIRMINDE.

Vom geqvälten Liebes'Siege,

2. Discurs

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Bettan habe ich nie gesehen. Aber in Mysien bin ich mit Selimor gebohren / mit Selimor erzogen / mit Selimor in die Wüsten gegangen / und mit Selimor hier gegenwartig. M I R M I N D E . D U Phantaste! höhne mich nicht mit Schatten. Denn die Gotter lassen die nicht ungestrafft / welche die Verliebten spotten. Wann Selimor zu gegen ware / so hätte mein Unstern seinen Untergang gar nahe vor sich. (64) S E L I M O R . Die Zunge müsse verdorren / und derjenige Rachen ewig offen bleiben / welcher Mirminden spottet. M I R M I N D E . Gleichwohl aber sehe ich nichts von Selimor. Oder ist er etwa auß dem Geschlecht der Gotter unsichtbar? S E L I M O R . Nein er ist nicht unsichtbar. M I R M I N D E . Wo soll ich ihn aber sehen. S E L I M O R . Verschlüsset eure Augen / so wil ich Euch denselben in eure Arme geben. M I R M I N D E . Spado / Ich traue dir noch einmahl. Sie verschleust die Augen / und er last sich in ihre Arme schlüssen. SELIMOR.

Neundte Unterredung. BASTANI ZU

diesen.

Mit der Peitsche: jagt sie voneinander / daß eins hier das andere dort nauß laufft. Und hat Selimors Kleid auf dem Arme /und verlieret im Ausgange den Pfeil. Ihr leichtfertiges Gesinde / und Hurenpack. Muß ich itzo hinter eure heimlichen Bubenstuckgen kommen. M I R M I N D E . Ach Vater! ich habe keine Schuld auf mir; sondern Spado hat durch einen Schertz mir solchen Verdacht gemacht. BASTANI. Bistu nicht schuldig? M I R M I N D E . Der allsichtige Himmel sey Zeuge. BASTANI. So komm denn nur her! aber den Vogel will ich schon zur Straffe ziehen. M I R M I N D E . Er hat nichts Straffwürdiges be-(65)gangen: Indem er in der sauren Arbeit mit einem hoflichen Schertz mich zubelustigen gesuchet. BASTANI. Was hat aber der schlimme Hund so nahe bey dir zuthun. Mindgen / Mindgen / ich sage dirs / laß du dir ja nicht naher kommen. Du weist wie es mit der Sylvia ablief. Wie gieng es der Fulvia? Wie gieng es der Tarpeja? wie gieng es Sempronia? wie gieng es der zu Corintho? Waren diese Huren nicht alle Vogel frey? M I R M I N D E . Meine Seele hat einen Abscheu an dieser Rotte. Und ihre Sünden müssen nimmermehr in meine Gedancken kommen.

BASTANI.

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Riemer II

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BASTANI. Das ist recht. Aber hastu nicht etwa die Mutter gemercket? MIRMINDE. Nein. Aber Vater / w o habt ihr dieses schone Kleid bekommen? BASTANI. Lachend und froh. Ich habe es dort unten beym Sackholtzgen in einer Hole gefunden. Kenstu es nicht? Es ist der Rock / den der Kerl an hatte / der dich so gerne in die C u r gehabt hatte. Weistu nicht / der sich vor einen Fürsten ausgab. Stehet daß er den Pfeil verlohren. Daß dich / es war auch ein gantz güldner Pfeil dabey / den habe ich verlohren. Warte hier ein bißgen: Ich muß stracks zurücke gehen / und solchen wieder suchen. Es stund auch ein Nähme drauff. Gehet ab. MIRMINDE. N u n bin ich vollends in die Tieffe tausendfacher Qvaal gefallen: Dieweil das gefundene Kleid des Printzen nichts mehr / als deßen Todt zuverkündigen / weiß. Kniet auff die Erde. A c h ! ihr Gotter / die ihr den Sohn Anchi-{66)ses / von der Juno Zorn / und aus den tobenden Meeres* Wellen errettet; Ja die ihr denselben aus der Irre nach Carthago gebracht / und in Latien mit der Lavinia vermahlet habt. Erbarmet euch des verirreten Printzen aus Mysien. Und w o dieses verlohrne Schaff noch am Leben / so bringet es zu rechte / und lasset es Weyde in meinem betrübten Schöße finden.

Zehende Unterredung. SELIMOR.

SELIMOR. Findet im Außgehen den Pfeil / und vermeynet / daß solcher vom Himmel kommen: Stehet deswegen bestandig gen Himmel / falt auff die Knie / und dancket. In Warheit! Das ist das Zeichen / worauff Mirminde in Liebe vertröstet. Und nun sehe ich / daß der Gotter Rathschluß in meine Liebe williget. Habe Danck Dyctinna / die du mir diese Liebes=Waffen zuwege gebracht. Bringen mich die Gotter frolich in mein Vat e r l a n d / siehe so wil ich dir einen Tempel bauen / und deinen Namen ehren mein lebelang. Stehet wieder auf. So wil ich mich denn auch nun nicht länger bergen / sondern Mirminden meinen Zustand anzeigen. MIRMINDE. Wer ist hier? der meinen Namen nennet? Stehet sich um. Sieh da / Spado / komm her und vollbringe dein voriges Gesprach. Spado / horstu nicht? (67) SELIMOR. Hier ist kein Spado / sondern derjenige / welchen sie mit vielen Seufftzen verlanget. MIRMINDE. DU irrest nicht in deiner Rede; Denn dich meyne ich eben. SELIMOR.

Meint sie mich / so meyn ich Sie Und umschlüsse ihre Hände /

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

2. Discurs

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Weil die bittre Liebes=Müh / Numehr kommen ist zu Ende. Uns gesegne Cypripor / Siehe hier steht Selimor. MIRMINDE. Halt inne Spado / mich mit deinen Reden verliebter zu machen. SELIMOR. Und sie höre auff an dem / was die Gottheit ordnet / zu zweiffein. Und empfange hiemit zu Sicherheit ihres Glaubens das jenige Liebes=Zeichen / worauff Sie sich selbst vertröstet. MIRMINDE.

Sehr

erschreckende.

Ach Gotter helfft! ist dieses Selimor / So öffnet Ihm mein Hertze Thür und Thor. Ach Selimor mein Schatz SELIMOR.

Mirminde meine Wonne. MIRMINDE.

Du meiner Augen Stern / SELIMOR.

Du meiner Seelen Sonne. MIRMINDE.

Ο Helffte meines Hertzens / SELIMOR.

Du Brunqvell meines Schmertzens Der nun gestillet ist. MIRMINDE.

Mein Hertz dein Hertze küst / SELIMOR.

Warum nicht auch der Mund?

{68)

MIRMINDE.

Mein Kind ietzt ist Der Mond ist noch Es fehlet kaum ein Gedulde dich doch

dirs nicht gesund. zu voll / Zoll. nur biß morgen.

SELIMOR.

Die Liebe last sich zwar nicht biß an Morgen borgen. Doch ehr ich dein Gebot.

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Johannes

Riemer

MIRMINDE.

Nicht mich / vielmehr den Liebes*Gott / SELIMOR.

Der dich und mich verbunden hat / MIRMINDE.

Wir dancken Ihm vor diesem Rath. SELIMOR.

Wir wollen seine Macht in unsrer- Freyheit singen / MIRMINDE.

U n d Ihm den ersten K u ß so dann zum O p f f e r bringen.

Dritten Discurses Erste Unterredung. Der Schauplatz ist das Schloß zu Delly. König M O G O R und B A G O A S .

So weit haben wirs gleichwohl gebracht / daß das Mitternachtige Indien Uns vor seinem Konig ehren muß. Nichts mochten wir mehr wündschen / als daß das feste Land zwischen dem Ponto und Cilicien biß an (69) den Hellespont sich vor unsern Scepter beigen müste. BAGOAS. Gnadigster Konig. Er. Majestat setzen dem Glucke ihrer Waffen nach. Die Konige streiten / und der Sieg k o m m t vom Himmel: Wer weiß w o noch Er. Majestat Ihres Landes*Grentzen finden. MOGOR. Es ist wohl wahr Bagoas. Aber niemand kan seinen Nachbar unverschuldet beleidigen / daß er nicht zugleich auch die Gotter damit erzürnen solte. BAGOAS. Es stehet ja einem Regenten wohl frey / sein Land und Leute zuvermehren. MOGOR. Auch dem Gegentheil / sich wieder unrechtmassige Gewalt zu beschützen. BAGOAS. Ein kluger Rath / Dapffrigkeit und Waffen müssen alles erlangen können. MOGOR. Wann diese drey Beystande zu rechter Zeit / oder im Falle der N o t h gebrauchet werden. B A G O A S . SO offt ein Konig will / so offt ist rechte Zeit durch verliehene Mittel seinen Staat zu erheben. MOGOR.

Vom geqvälten Liebes^Siege, 3. Discurs

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Andere Unterredung. Zu diesen

LECTO.

BAGOAS. Weib was fehlet Euch / daß ihr ohne Anmeldung und Beystand vor Seine Majestät tretet. LECTO. Strenger Herr! Ich habe iederzeit von (70) unsern Pfarr gehöret / daß gerade zu gute Renner mache. Und hoffe ich armes unglückseligstes Weib auff Erden / es werde der liebe Herr Konig nicht deswegen bose auff mich werden. Ich habe das groste Unglück in meinem Hause / so nur unter dem weiten Himmel zu erdencken. MOGOR. Sagt an altes Müttergen / was ist Euch / und was drücket Euch vor ein Unglück! LECTO. Ich habe einen untreuen Mann / welcher seiner leibeigenen Magd nachlaufft wie ein unbendiger Hengst; In einer solchen Hitze / daß ihm keine guten Wort / noch Bedrohungen mit klagen bey dem Konige noch Schlage / und andere dergleichen Zwanck=Mittel genug gewesen seyn / ihn von dem gesuchten Frevel abzuhalten. BAGOAS. Habt ihr ihn dann über einer That verbotener Liebe ergriffen. LECTO. SO haubtsachlich eben nicht. Alleine in Armen hat er die Magd gehabt / Sie auch in Stalle um ein Poßmäulgen gebeten / wie auch einsten in Walde um eine solche Freundschafft angesprochen / in die ich nimmermehr willigen werde / so lange mir meine Augen offen stehen. BAGOAS. Ihr wunderliches Weib. Die Eiffer=Sucht steht dem Alter nicht wohl an. Und euer Klagen ist lange nicht so wichtig / daß ihr des Koniges Reichs-nothige Gedancken damit verhindert. Euch stünde besser an / ihr thatet euren alten Leibe was zu gute / und vertrüget euch mit euren Manne. Sorgetet auch inzwischen da-(7./)bey / wie ihr auff der Gotter Gnade fein bald von der Welt Abschied nehmen mochtet. LECTO. Ach mein lieber Herr! man hat wohl eher eine Kalber-Fall / als eine Rinds=Haut zu Marckte getragen. AD SPECTATORES. Ach es ist ein elend Thun / wann der Richter selbst ein Sünder / und mit dem klagbaren Laster beflecket ist. Wer weiß ob dieses Hoff=Schrantzen sein Weib nicht mit mir gleiche Klagen führet. Ο mein Ehrenvester Herre. Es ist gantz eine andere Sache dahinter / und etwas wichtigers zubedencken. MOGOR. Erzehlet / was ist es? LECTO. Hochgeehrter Herr Konig: Es gehet gar nicht richtig mit der Magd zu. Das ist wahr: Es ist ein recht / glat / schmuck Rabenas / aber / aber / aber. BAGOAS. Was denn aber? LECTO. Sie ist nicht auff unsern Müste gemacht; ob sie gleich darauff erzogen.

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Johannes

Riemer

MOGOR. Wem stehet Sie aber zu? LECTO. Sie heist mich zwar Mutter und meinen Mann Vater. Denn Sie weiß es nicht besser: Alleine Sie ist nicht unser Kind. MOGOR. Wem stehet Sie denn sonst zu? LECTO. Gleich denselben Tag / da unser bester Esel das rechte Forder=Bein brach / kam ein stattlicher Mann / in einem gantz Silbern Kleide zu uns / und brachte das Kind / welches etwa damahls sechs Wochen alt war / zu Uns in die Kost; Er ließ uns auch eine gantze Hand voll Ducaten ( 7 2 ) zur Verpflegung zurücke / dieweil aber dieselben nicht zulangeten / und dieser ihr Vater gantzer vierzehn Jahr über nicht wieder zu Uns kommen / so muß Sie arbeiten / und ihr Brodt selber mit verdienen. Nechst diesen überließ er uns auch eine zerrissene Kette / und einen Brieff. O b es etwa ihr Geburts=Brieff seyn mag: welchen ich auch hier bey mir habe. MOGOR. Bagoas / diese Erzehlung braucht ein Nachsinnen. Alsobald weise uns Kette und Brieff. BAGOAS. Die Person mag wohl keines niedrigen Herkommens seyn. M O G O R . Lieset den Brieff laut: welcher also lautet: M i r m i n d e / F ü r s t H a r r a n t s T o c h t e r auß T h e s s a l i e n / muste der s c h o n e n S t i e f f » M u t t e r w e i c h e n / und v o n i h r e n V a t e r v e r l e u g n e t w e r d e n . Hierunter liegt was wichtiges verborgen. Bagoas was ist zu thun? BAGOAS. Wann eure Majestat die Person selbst vor sich bringen Hessen / ob man vielleicht andere Kenn-Zeichen ihres verborgenen Herkommens an derselben finden mochte. MOGOR. Geschwind! Ganimi! Folge mit deinen Soldaten diesem Weibe / und diejenige Person / die sie dir zeigen wird / solstu ungesaumet vor uns bringen. GANIMI. Ein Knecht der zu Er. Majestat (73) Diensten lebet / vollbringet alles / was Ihm befohlen. Gehet ab. L E C T O . Beuget die Knie: Die Gotter seyn mit unsern Konige. Und ihr folgt mir nur / Ich wil euch schon anführen. MOGOR. Uns verlanget auß der Sache zukommen. BAGOAS. Wer ist nicht begierig ein solches Geheimnüß zu erfahren. MOGOR. Bagoas / begleitet Uns. Wir wollen der Sache Außgang erwarten. BAGOAS. Ich folge Er. Majestat. Gehen ab.

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

3. Discurs

275

Dritte Unterredung. Die innere Gardine erofnet ein Stucke Wald / darinnen Selimor und Mirminde Holtz sammlen und binden. MIRMINDE.

SELIMOR.

MIRMINDE.

5

1. Mein Schatz / mein Selimor / Der neulich sich verlohr / Ist numehr wiederkommen Und hat mich eingenommen. Mir dringt durch Hertz und Ohr / Mein Printz mein Selimor. 2. Mein Lieb mein Selimor / Kommt mir zwar weit zuvor / An Stande und Geblüte. Jedoch brennt Lieb und Güte In diesem Cypripor / Mein Printz mein Selimor. 3.

Mein Printz mein Selimor! Die Hoffnung steigt empor: Und das verzagte Glücke / Last uns gar andre Blicke / Nun scheinen wieder vor / Mein Printz mein Selimor. 4. Mein Hertz mein Selimor. Der gantze Musen=Chor / Verstimmet seine Seiten / Den Brautgam zubegleiten. Es klingt schon ihr Pandor / Mein Schatz mein Selimor! 5. Mein Fürst mein Selimor / Den Fama durch das Thor Der Venus hat getragen Auff ihren güldnen Wagen.

io

is

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Riemer

Numehro steht in Flohr / Mein Fürst mein Selimor. SELIMOR.

1. Mirminde Zu dir als einer Hinde / Bin ich auß Fürsten Orden / Hieher gejaget worden / In diese Wüsten Gründe / Mirminde. 2.

Mirminde / Die Balsam=Zimmet=Rinde / Kan mich nicht so vergnügen / Als nur dein Hände Fügen / Des Ich mich unterwinde. Mirminde! 3.

Mirminde! Verzeyh dem Venus=Kinde / Das deine Lieb erwogen / Und dich an sich gezogen / So schnelle und geschwinde. Mirminde. 4.

Mirminde / Der Himmel spielt gelinde / Wir fügen Hertz mit Hertzen / Nach außgestandnen Schmertzen / Die ich nicht mehr empfinde / Mirminde. 5.

Mirminde / Laß / daß ich dich so finde: Damit die keuschen Flammen / Vergnüget gehn zusammen; Da ich mich dir verbinde: Mirminde.

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 3. Discurs

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Vierdte Unterredung. Bastani ZU diesen. Bastani. 1.

Mirminde / Je Zieter übers Gsinde / Daß immer mussig stehet / Und nach den Schatten gehet. Je daß ich Euch nicht schinde / Mirminde.

10

2. Mirminde / Es geht daß's Schand und Sunde. Ihr frest nur Speck und Butter / Das Vieh steht ohne Futter. Mich kneipen starcke Winde / Mirminde. 3. Mirminde! Wo ist mein alte Blinde? Was wird mir doch geschehen? Hastu sie nicht gesehen? Die alte Lauß in Grinde / Mirminde!

(76)

4.

Mirminde / Ja wann ich was gestünde. Der alte Hund will klagen Und ist doch außgeschlagen Wie eine Bürckne Rinde / Mirminde. Aber hört doch / daß wir nicht eins in das andere reden / und damit ich nicht über diesen Zorne den vorigen vergesse. So sagt mir doch ihr leichtfertiges Pack und Lumpen Gesinde: Solst du Schind=Vieh deines Vaters Gebot / und du grosser Treibe=Schlingel deines Herren Befehl so ver- 35 nichten / daß ihr die Arbeit liegen lasset / und müssig gehet? Und du neuer Vogel absonderlich (wil Selimor peitschen.)

278

Johannes

Riemer

Fdlt Ihm in die Arme. Ach Schatz liebster Vater / kehret euren Zorn wieder mich / und lasset diesen ungestrafft. Denn ich bin die Ursache aller Verseumniß. BASTANI. Nun bin ich noch böser. Was hastu vor den gekaufften Knecht zu bitten? MIRMINDE. Ich liebe die Gerechtigkeit / und helffe denjenigen von der Straffe erlosen / welcher sie nicht verdienet. BASTANI. SO wil ich dich davor peitschen. MIRMINDE. Wann ich sündige / und die Straffe ist nicht abzubitten / so leide ich gerne. Vielmehr aber vor die Unschuldigen. SELIMOR. Ach nein! mein Herr! ich bin schul-(77)dig an der Verseumnis / indem ich eurer Tochter meine Landes-Art erzehlet. BASTANI. Ο ihr Lumpen»Volck? Ich mercke es schon. Man muß euch von einander thun. Und schwerere Arbeit geben. Ihr solt Holtz sammlen / und binden. Ihr kontet mir ein Bindel Holtz machen / das selbst zu Marckte gehen konte. MIRMINDE. Schonet mein Vater. SELIMOR. Die geplagten mit Wollust zuverdencken. BASTANI. Ha ha ha! Die gebratnen Vogel schmecken gar gut auff die Arbeit. Nein nein! So bald ihr hier fertig seyd / thue ich euch von einander. Seyd nur dran / daß ihr bald fertig und ja nicht wieder so angetroffen werdet. Ich will indeß hingehen / und gleich alsobald andere Anstalt machen. Gehet ab. MIRMINDE. Ach meine Hände schmertzen mich / wie heisses Feyer. SELIMOR. Ach mein Kind! ich führte dergleichen Klage / wofern ihre Gegenwart nicht meine Linderung ware. MIRMINDE. Mein Printz! Seine Gegenwart ist mein Leben. Aber ein iedweder Hand=Griff seiner Arbeit sticht mich wie Dornen. SELIMOR. Nicht so mein Schatz. Die Liebe ist Eisen / welches alles dulden kan. MIRMINDE. Die Barmhertzigkeit ist der Liebe Schwester. Und wer hat iemahls diese ohne jene gesehen. (78) SELIMOR. Seele meiner Seele! Sie feyre / ich wil alle Arbeit thun. MIRMINDE. Hertze meines Hertzens! Mein letzter Bluts=Tropffen ist Selimors Geferthe durch Unglück und Arbeit. SELIMOR. Ich bleibe zu allen biß in mein Grab verbunden. MIRMINDE. Wie muß meinen Printz dieses verachtete Leben schmertzen / und die knechtischen Bemühungen wehe thun. Ich kan diese Gedancken nicht ohne Thranen vorbeylassen. SELIMOR. Warum das? mein Engel! MIRMINDE. Dieweil ich dadurch auff die höchsten Gipffei der Gefahr steigen muß. MIRMINDE.

Vom geqvälten

Liebes-Siege,

3. Discurs

279

SELIMOR. Ich wiederhole meine Frage. MIRMINDE. Gnädigster Herr. SELIMOR. Nennet mich nicht so: weil ich Euch nichts zugebieten habe. MIRMINDE. Er. Durchl. Magd. SELIMOR. H a t M i r z u

befehlen.

MIRMINDE. Ich bin Dero Unterthane. SELIMOR. U n d ich E u r

Leibeigener.

MIRMINDE. Mein Printz. SELIMOR. Brunstig genug zu lieben! aber kein Printz zu gebieten. MIRMINDE. Aber doch. SELIMOR. Diejenige / welche mich beherrschet / lebt nicht unter meinen Gebiete. MIRMINDE. Und dennoch zu Gehorsam. SELIMOR. Mehr zu Liebe. MIRMINDE. Mehr zu Treue. (79) SELIMOR. Beständigkeit ist ein Grund der Liebe. MIRMINDE. Dieses Wort schneidet mir durchs Hertz / und setzt die Seele in vorige Unruh. SELIMOR. Und mich bekümmern eure Reden. MIRMINDE. Er. Durchl. erwegen doch nur. SELIMOR. E y was

aber?

MIRMINDE. Fürst und Sclavin. Herr und Magd. SELIMOR. Die Liebe hat keinen Unterscheid bey ihren Vasallen. MIRMINDE. J a ! so lange Sie feurig ist / und im Gluck schwebet. SELIMOR. SO ist unsre Liebe um so viel bestandiger zu hoffen / weil sie in Unglück angefangen. MIRMINDE. Hiedurch tröstet mich mein Printz / und versichert mich seiner Beständigkeit. SELIMOR. Die Erde müste Selimor zu tragen überdrüssig werden / und die Sterne sollen sich von Himmel scheiden: ehe ich Mirminden verlasse. MIRMINDE. So soll auch kein Unglück mich von meinen Printzen trennen. Aber mein Hertz / wie lange wollen wir noch dieses Elend bauen? SELIMOR. Ich achte nichts; und wann ich auch in dieser Dienstbarkeit sterben solte. Woferne nur Mirminde meine Gefertin ist. MIRMINDE. Ich bin bereit Glück und Unglück mit Beständigkeit des Gemüths über mich zunehmen / so lange ich in Selimors Gesellschafft bin. Aber es muß einen Fürsten sauer ankom-(#0)men bäurisches Leben zu gewohnen / in der Wüsten zu seyn / und mit seinem zarten Leibe arbeiten. SELIMOR.

Liebe spielt mit saurer Mühe / Liebe trotzt des Unglücks Macht /

Johannes

Riemer

Liebe Liebe Liebe Liebe

liebet spat und frühe / leugnet Ehr und Pracht. weiß von keinem Stande / duldet Leid und Bande.

Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe

laßt sich nicht vergällen / acht't nicht Eigen=Nutz / kan sich nicht verstellen / bleibt der keuschen Schutz. pfleget sich zu binden / muß Genade finden.

Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe

traget alle Noth / duldet gerne Schmertzen. scheuet nicht den Tod. tröstet blöde Hertzen. opffert güldne Blicke / wuchert stets mit Glücke.

MIRMINDE.

SELIMOR.

MIRMINDE.

Liebe richtet auff und stürtzet / Liebe leitet bey der Hand. Liebe selten sich verkürtzet / Lieb ist süß wie Vater=Land. Liebe wohnt an allen Enden / Liebe kan die Hoffart schinden. SELIMOR.

Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe

leuchtet in den Gründen / halt mit allen Kauff. lebet ohne Sünden / setzt kein Madgen auff. gilt auch in der Ferne / spielt biß an die Sterne.

Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe

kerckert auch die Printzen / kennt nicht die Person. zahlt mit reinen Müntzen. scheinet auff den Thron. falt auch auff die Erden / muß getrieben werden.

MIRMINDE.

Vom geqvilten

Liebes-Siege,

3. Discurs

281

Fünffte Unterredung. T R U T A R T ZU

diesen.

ist nun Rath zu finden? Da ich meinen mir anvertrauten Printzen auff allen Wegen dieser Gegend gesuchet / und von demselben keine Nachricht erlangen kan. S E L I M O R . Mirminde! Um des Himmels willen verberge mich. Dieses ist mein Hoffmeister. M I R M I N D E . Fürchtet Euch nicht mein Schatz: Er wird Euch in diesen Kleidern nicht kennen. T R U T A R T . Ich höre Menschen reden: Wo müssen dieselben seyn. Hier sehe ich Arbeitende. Der Himmel sey eure Hülffe. M I R M I N D E . Und eur Beschützer. T R U T A R T . Hort Leutgen! Habt ihr nicht einen reisenden Fürsten um diese Gegend gemercket. M I R M I N D E . Nein mein Herr! Ich habe niemand gesehen. T R U T A R T . Magdgen / seyd ihr nicht des Cameltreibers Tochter / mit welcher dieser Tage mein verlohrner Printz geschertzet. (82) M I R M I N D E . Ja! Die bin ich. Ist denn derselbe Printz verlohren? T R U T A R T . Ach! Himmel erbarme dich / ja freylich. M I R M I N D E . Das ist immer Schade. T R U T A R T . Ach! ich mochte vor Hertzeleid in die See lauffen / oder in die Erde kriechen. Kan man denn gantz keine Spur hier von Ihm finden? M I R M I N D E . Ich zweiffle sehr: Was solte er in der Wüsten suchen? Vielleicht hat er sich nach seinem Vater=Lande gekehret. T R U T A R T . Dahin muß ich zwar nun dencken. Alleine was habe ich vor Geferthen auff der gefahrlichen Reise / als Gefahr und Kummer? Ich bin entweder gantz verlohren / oder muß doch zum wenigsten mein VaterLand von aussen ansehen. Belehret mich doch inzwischen / wo der Weg sich hinschlaget / daß ich mich nicht in dem Walde ferner vertieffe. M I R M I N D E . Wann mein Herr nur stets die Sonne zur lincken Hand behalt / so kan er unmüglich irren. T R U T A R T . Wann ich nur erst durch diese Tieffe ware. Ruf ft den verkleideten Selimor. Ihr! hört ihr / guter Freund. M I R M I N D E . Was soll er? T R U T A R T . Mir um eine Verehrung nur eine kurtze Gegend den Weg zeigen. TRUTART. W O

SELIMOR.

Schüttelt den Kopff: weil er nicht reden darff.

Er ist sein eigen nicht: und darff (83) nichts ohne Geheiß seines Herrn verrichten. T R U T A R T . Wie bald ist solches geschehen? M I R M I N D E . Nein nein / hierinnen stehet meinem Herrn unmüglich zu willfahren. MIRMINDE.

282

Johannes

Riemer

Ey so sey der jenige mein Gleitsmann / welcher alle Irrende beschattet / und die Verzweiffeiten in seinem Geleite führet. Ihr aber guthertzige Bauerin / woferne ihr etwa meines Printzen ansichtig werdet / wollet Ihm doch meinetwegen Nachricht gegen / daß ich den Weg wieder nacher Mysien gesuchet. M I R M I N D E . Ich sorge / sein Begehren nach Mügligkeit zu erfüllen. Der Schutz des Himmels sey über Ihn. T R U T A R T . So ergieb dich nun unglücklicher Hoffmeister der Gedult. Hieher bistu auß Mysien als ein Hoffmeister mit Ehren kommen: und nun mustu am Bettel-Stabe wieder nach Hause gehen / und den Lohn dieser schimpfflichen Wallfarth vielleicht in deinem eigenen Blute suchen. Was hilfft es? Ergieb dich nur; Das Glück ist Kugel rund / Was heute oben steht / muß morgen unten liegen. Was ietzt am Boden klebt / pflegt Morgen auffzuflügen / So hat das Unglück auch noch keinen festen Grund. TRUTART.

Gehet ab.

In Wahrheit: es dauret mich des Menschen klagliches Bezeigen. Und wann Mirminde nicht schon mein gantzes Hertz innen hatte / so müste ich mei-(W)nes Hoffmeisters klagen einen Ort in demselben einräumen. M I R M I N D E . Ist ihm denn gar nicht zu helffen? S E L I M O R . Würde Ihm geholffen / so ware meine Liebe zerstöret / und ich betrübet. MIRMINDE. SELIMOR.

MIRMINDE.

Was Selimor beschleust das bleibt mein fester Wille / Darum ich solchen auch durch stille seyn erfülle. Aber mein Engel / wollen wir dann immerfort so unterthan seyn / und in der Dienstbarkeit sterben? S E L I M O R . Nein / Schatz. Der Tag unserer Freyheit wird sich bald nahen / wenn Selimor mit seiner Mirminden flühen / und in Mysien seine Herrschafft betreten wird. M I R M I N D E . Gebe dieß der Himmel / und sey meinem Wündschen gnadig.

Sechste Unterredung.

Zu diesen LECTO.

LECTO, GANIMI

und Soldaten.

Seht ihr Sie? Jene ists die dort beym Knechte sitzet. Laufft ge-

schwinde ab.

Vom geqvälten

Liebes-Siege,

3. Discurs

283

das artige Kind / soll ich es betrüben und gefangen nehmen. Lieber wolte ich einem Eisenfresser zur Hafft bringen. M I R M I N D E . Selimor! S E L I M O R . Was ist vorhanden? M I R M I N D E . Bewehrte Leute. (85) GANIMI. Nahet Euch nicht zu Ihr: und erweiset Euch bescheiden. S E L I M O R . Erschreckt nicht. Was haben Sie mit uns zuschaffen. G A N I M I . E S ist mir leid / liebes Magdgen / daß ihr vor Mir erschrecket / da ich euch doch etwas zuthun keinen Befehl habe. M I R M I N D E . Gewaffnete Leute seynd keine gute Vorboten. GANIMI. Bey denen / welche etwas verbrochen haben. M I R M I N D E . Mein Gewissen ist rein. GANIMI. Darum wird Euch auch nichts wiederfahren. Jedoch aber solt ihr mit mir nach Hoffe kommen. M I R M I N D E . Nach Hoffe zum Konige? GANIMI. Ο

GANIMI. J a . So ist mir befohlen.

Was hat Sie denn begangen? GANIMI. Da hat kein solcher CameUBube nachzufragen. M I R M I N D E . Was hat denn der Himmel vor Unglück über mich verhanget / daß ich auch in der wilden Einsamkeit keine Ruhe habe? S E L I M O R . Vielleicht ists ein Betrug. Mirminde soll nicht folgen. GANIMI. Rege dich nicht / du Knecht: Oder mein Gewehr soll dir den Leib auffschneiden. S E L I M O R . Ich bin ohne Gewehr; und verlassen. M I R M I N D E . Spado / bleib geduldig / und erwarte den Außgang. Mein Gewissen versichert mich keines ungnadigen Verhangnüsses. (86) S E L I M O R . Soll ich aber? M I R M I N D E . Schweige nur. Ich bin getrost / und hier wil ich dich wiederfinden. GANIMI. Eilet fort Magdgen. Denn man erwartet eurer zu Hoffe mit grossem Verlangen. M I R M I N D E . Weiß man denn die Ursache nicht? GANIMI. Davon habe ich traun keine Nachricht. M I R M I N D E . SO verlange ich dieselbe / wiewol mit unerschrockenem Hertzen / zu hören. SELIMOR.

Gehen ab.

Siebende Unterredung. CAPYS ZU S E L I M O R . SELIMOR.

be.

Voller Angst: ringet die Hände. Ach das ist ein Sturm meiner Lie-

284

Johannes

Riemer

CAPYS. Was beweget Er. Durchl. zu solchen Geberden? SELIMOR. Ach Capys / Capys. Ein neues Unglück. CAPYS. W a s v o r eins?

SELIMOR. Mirminde ist nach Hoffe gefuhret. CAPYS. ZU w a s

Ende?

SELIMOR. Das wissen die Gotter. CAPYS. Hier ist guter Rath theuer. SELIMOR. Ach Capys was zu thun Capys. Mirminde ist weg. CAPYS. Gnadigster Herr! Sie entziehen sich nur übermassigen Jammer. Wir müssen ein Hertz fassen. (87) SELIMOR. Was aber zu thun? CAPYS. ZU Hofe werden wir in knechtischer Verkleidung wenig außrichten. SELIMOR. Hier falt mir eine andere Noth ein. Mein Kleid ist nicht mehr vorhanden: Der Cameltreiber hat solches in der Hole gefunden / und in seiner Verwahrung. CAPYS. Das müssen wir wieder zu uns nehmen / und in Geheim davon machen. Er. Durchl. säumen sich nicht in die Hole zu gehen / und meiner zu warten. Ich wil Dero Kleid heimlich entwenden / und dahin bringen. Damit wir Uns alsobald wieder außkleiden / und nach der Stadt gehen. SELIMOR. Auch nach Hofe? CAPYS. In alle Wege. SELIMOR. Wollen wir Uns aber zuerkennen geben? CAPYS. WO wir etwas nützliches außrichten wollen. Denn der Stand muß Uns zu einer List helffen. Jedoch soll niemand wissen / daß wir zusammen gehören. Damit wann ja einer solte verdachtig werden / dennoch der andere noch Hoffnung behalte. Er. Durchl. müssen als ein Fürst bei dem Konige Audientz suchen. Ich aber wil als ein Fremder umb Dienste anhalten. SELIMOR. Ach ja! aber zu Glück.

Geben ab.

(88)

Vierdten Discurses Erste Unterredung. MOGOR

und

BAGOAS.

Der Schau=Platz ist der Pallast zu Delly.

MOGOR. W A n n uns das Alter nur nicht zu nahe trete. Krieges Gefahr achten wir nicht. Und solte auch gleich der Nachbarn Frevel ein Glück er-

Vom geqvilten

Liebes-Siege,

4. Discurs

285

langen / so ist Arachan unsere unüberwindliche Vestung erwahrt genug / wieder alle Feinde uns zu beschützen. BAGOAS. ES ist wahr. Und wer wil sich an Polimbothea vergreiffen / dessen eiserne Thore schon manche Macht zerbrochen haben. Wir seyn sicher genug.

Andere Unterredung. GANIMI

mit Soldaten.

MIRMINDE.

GANIMI. Ich habe vollbracht / was Er. Majestat mir befohlen. Und hier ist die verlangte Person. MIRMINDE. Er. Majest. unterthanigste Magd wündschet langes Leben. MOGOR. Wir dancken dir mit Gnaden. Von wannen / und wer bistu? (89) MIRMINDE. Eine Tochter Bastani des Cameltreibers in der Dellyschen Wüsten. MOGOR. Weistu sonst nichts mehr von deinem Herkommen? MIRMINDE. Was ich weiß / das habe ich gesaget. MOGOR. So ist Bastani dein Vater? MIRMINDE. Wie Er. Majestat schon von mir gehöret haben. MOGOR. ES wil aber zwischen Dir und deinen Vater eine solche Freundschafft verlauten / welche ausser dem Laster der verfluchten Blutschande nicht mag gemeinet werden. MIRMINDE. Unschuld lachet über Beschuldigungen. MOGOR. DU darffst die Nachfrage nicht so geringe achten. MIRMINDE. Hier stehe ich vor dem Angesicht der Gotter / und vor dem Gesalbten derselben / bin ich schuldig / so erwarte ich verzehrend Feuer zur Straffe / und von Er. Majestat Gehorsam gegen die Gerechtigkeit. MOGOR. Ha ha. Alle Verbrecher behelffen sich mit Schweren. Gestehe nur die Schande in der Güte / so soll dir das Bekantniß die Straffe lindern. W o aber nicht / so werden scharffere Mittel dir dein Gestantnüß abnothigen müssen. MIRMINDE. Hier ist der Leib / welcher unbeflecket; und dennoch der T y ranney zu einer Mahlzeit dienen wil. Die Seele aber wird in ihrer U n schuld bey denen Gottern triumphiren. (90) MOGOR. AD SPECTATORES. J e mehr ich mit diesem überauß schonen Mägdgen rede / ie mehr ich entzündet werde. BAGOAS / nehmet mit der Manschafft einen Abtritt / ob ich eher hinter die Warheit kommen kan. BAGOAS. Ich verrichte Er. Majestat befehlich.

Gehen

19

Riemer II

ab.

286

Johannes

Riemer

Nimmt Mirminden bey der Hand: Welche sich aber sehr weigert. Ach verzeihet Mir schone Mirminde / daß ich Euch zum Schein meiner Gerechtigkeit vorhin so scharff angelassen habe. M I R M I N D E . Konige müssen gerecht seyn / auch im Schein der Laster sich eyfrig erweisen. M O G O R . Wil Sie in Arm nehmen. Ich bin alt und schwach. Und mochte gerne von eurer anmuthigen Hitze gewärmet werden. M I R M I N D E . Er. Majestät haben Mittel genug zur Warme / und dorffen sich nicht deswegen an einer Sclavin beflecken. MOGOR. Schönstes Kind! Ihr habt mich brennend gemacht / und wo ich nicht bald eure Liebe schmecke / so muß ich vergehen. M I R M I N D E . Er. Majestät bedencken / daß Sie ein Konig seyn. MOGOR. Konige müssen gleichwohl lieben / nachdem Ihnen Jupiter der Gotter Konig mit guten Exempeln vorgegangen. M I R M I N D E . Er. Majestät schonen / und brechen dieses Vornehmen ab. (91) MOGOR. Nimmermehr! entweder ich muß sterben / oder in euren Armen schlaffen. M I R M I N D E . Ey gnädigster Konig. M O G O R . Zornig. Schweigt! Wolt ihr mich nicht lieben? M I R M I N D E . Nach der Zeit und Gelegenheit. Aber dieses jammert mich / daß der Thron / durch Magde=Liebe soll entheiliget werden. MOGOR. Diese Antwort lassen wir uns gefallen. Und nunmehr wollen wir euch etwas eroffnen / wodurch unsere Liebe kan gerecht gemacht / und Ihr zum Thron über gantz Indien erhoben werden. M I R M I N D E . Der Konig rede. Seine Magd höret. M O G O R . SO empfanget denn von Uns eine solche Post / dergleichen ihr auff Erden noch nie gehöret / und solt hiermit wissen / daß ihr eine Fürstin auß Thessalien seyd / ob ihr gleich bißher als Leibeigene gedienet. M I R M I N D E . Wie mögen Er. Majestät mein elendes Leben spotten. MOGOR. Schönstes Ebenbild der Gotter! Mir ist nicht in Sinn kommen / mit derjenigen zu schertzen / welche meinen Alter die Braut Fackeln ihrer Jugend anzünden / und die letzten beschwerlichen Tage versüssen soll. Ich bin selbst erfreut / daß Euch der Himmel mir zum Trost hat lassen eine Fürstin werden / damit meine Crone auß der Niedrigkeit ihrer Konigin nicht möge verdunckelt werden. (92) M I R M I N D E . Ich muß zwar gestehen / daß bey mir gegen meine mir bewuste Eltern wenig kindliche Zuneigung. Alleine dieses krönet mich noch nicht zur Fürstin. Denn woher kan ich ein ander Herkommen beweisen? MOGOR. Das wil ich Euch ietzt lehren. Ein Fürst auß Thessalien hat Euch in eurer zartesten Kindheit bey dem Cameltreiber auffzuheben gegeben / und nach Hinfluß eines Jahres wiederum abholen zu lassen versprochen. Hiernechst hat er zum Kenn=Zeichen überlassen einen Brieff / in welMOGOR.

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

4. Discurs

287

chen Eur Geschlechte und Name beschrieben: Wie auch eine Kette / daran etzliche Gelencke mangeln. Dabey er denn befohlen / Euch sein Kind / keinen andern folgen zulassen / welcher nicht ein Abschrifft von diesen euren Geburts=Brieffe auffweisen / und die Kette mit ihren zustehenden Gelencken wieder ergäntzen würde. Hier ist die Kette zu sehen / welche mir eure vermeinte Mutter Lecto / mit angehörter Nachricht zugestellet; Wie auch der Brieff / welcher lautet: Mirminde Fürst Harrants Tochter auß Thessalien / muste der schonen Stieff= Mutter weichen / und von ihren eigenen Vater verleugnet werden. MIRMINDE. Ist dieses also? Gnadigster Konig. Oder wollen Er. Majestat mich etwa durch eine Erfindung in Fürsten=Stand erheben. MOGOR. So wahr mich die Gotter lieben. Alle meine Worte haben die Warheit zum Grunde. MIRMINDE. SO dancke ich zwar des Himmels Gütigkeit / welche mich auß Fürstl. Geblüte hat (93) erwecken wollen. Aber Ο grausamer V a t e r / welcher alle Bestien an Unbarmhertzigkeit übertrifft. Wie hastu deines Fleisches so vergessen / und dasselbe in unmenschlichen Händen erziehen lassen können. So! ist das die Ursache / warum die Barbaren / meine vermeineten Eltern mich nicht haben lieben können? MOGOR. SO hat Sie nun Ursache / sich um so vielmehr zu freuen. MIRMINDE. Tausendmahl mehr zu betrüben. MOGOR. Achtet Sie denn keinen hohen Stand? MIRMINDE. Was ist Stand ohne Geld? Was ist Ehre bey Armuth? ein Feuer ohne Flamme / eine Sonne ohne Licht / ein Leben ohne Seele. Viel lieber wolte ich wündschen / meinen Stand nicht wissen / als eine gebohrne Fürstin seyn / und in schmahlicher Dürfftigkeit leben. MOGOR. Holdselige Schönheit: Dergleichen Sorgen lasse Sie fahren. An Geld und Ehre soll es Ihr niemahls fehlen. Die helffte meiner Krone ist Ihr eigen. Und davor hat Sie nichts abzustatten / als mich zulieben. Geschwind Bagoas.

Dritte Unterredung. Zu diesen

BAGOAS

mit

GANIMI.

MOGOR. Alsobald führet diese verkleidete Princessin in das Frauenzimmer / und last Ihr das beste Kleid anlegen. BAGOAS. Er. Majestat Befehl soll in allen (94) Stücken erfüllet werden. Sie aber Durchlauchtigste Princessin / wird mir in Gnaden vergeben / daß Sie in diesen Kleidern nicht nach Gebühr unterthanig von mir beehret worden. 19»

Johannes

288

Riemer

MIRMINDE.

Ich dacht' / ich ware nun der Sorgen loß / So aber wird mein Elend erst recht groß. Das giebet Noth: Das bringet bittre Pein. Wann Glucke selber muß ein Unglück seyn. Gehen ab. MOGOR. Ganimi! Was deucht dich von dieser schonen Bäurin. GANIMI. Solche Schönheit und Verstand habe ich niemahl beysammen gesehen. MOGOR. Darum soll Sie auch bald als deine Konigin angebetet werden. Ganimi / wir freuen uns auff den Tag der Vermählung mit dieser irrdischen Venus. Bewegt sich etwas auff denen Füssen. Siehe doch /wir werden wieder gantz Jung / und bekommen neue Kräffte durch die frische Liebe. GANIMI. Gnadigster Konig! Ich sehe einen Fremden vor dem Gemach. MOGOR. In ietzigen Liebes=Freuden / soll ein iedweder Unser Antlitz sehen. GANIMI. Er nahet sich schon an die Stuffen des Gemachs.

Vierdte Unterredung. CAPYS ZU

diesen. Fält auff die Knie.

CAPYS. Lange lebe der grosse Mogor / Konig ü-(95)ber Indien. Er. Majestät werden Dero Knechte vergeben / wann er unwissend und ohne Bekandschafft an denjenigen Ort kommt / wo Seine Majestät zugegen. M O G O R . D U bist glückselig / du seyst auch wer du seyst / daß du eben die Zeit getroffen / wo wir unser Antlitz wollen leuchten lassen / allen die es suchen. Von wannen bistu? CAPYS. A u ß Mysien.

MOGOR. Wo vor diesen die Mannhafften Dardanier gewohnet. CAPYS. Ja Gnädigster Konig. MOGOR. Wo denckstu aber hin? CAPYS. Nach Hofe: allda Dienste zuerlangen. M O G O R . W O / oder wem hastu denn sonst gedienet? CAPYS. Niemand. Dieß ist meine erste Außflucht. MOGOR. Wie bistu aber hieherkommen? CAPYS. Die Liebe / und das außgebreitete Gericht dieses Landes haben mich nach sich gezogen. MOGOR. Deine Vorfahren seynd vor diesen berühmt gewesen. Und sie verdienen / daß ihre Kinder außgebreitet werden. Wir wollen dich hiemit (giebt Ihm die Hand) zu unsern Burg-Voigte bestätiget haben.

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 4. Discurs

289

CAPYS. Ich dancke Er. Majestät Gehorsamst / und verspreche mein empfangenes Ambt nach aller Mügligkeit zuverwalten. MOGOR. Wie heist dann dein Name. (96) CAPYS. Man hat mich Capys genennet. MOGOR. Wohl. So magstu dann deines Gehorsams wahrnehmen. Jetzo aber Uns folgen. Gehen ab.

Fünffte Unterredung. BASTANI.

Nun mochte ich wissen / wo die Schelme mit dem Kinde waren hinkommen. Weinende. Ach es wird zugehen / daß es Sünde und Schande ist / wann so eine arme Schülbe unter die stossigen Ochsen kommt. Zu Hoffe ist so ein Madgen allen ein Anstoß; und wer Sie ansieht / wil das Maul an sie wischen. Pfui! daurt mich die Mehre nicht. Je wann ich doch nur ware zu Hause gewesen: nimmermehr hatte ich sie lassen wegnehmen. Ich habe meine einige Lust an dem Rabenase gehabt / und mir gantz und gar vorgesetzt / wann mein alter Grauschimmel die Lecto caput ware / Sie zu heyrathen. Wann mir noch so übel war / so kunte ich mich an ihr durch das blosse Ansehen wieder erholen. Itzo fieng es erst an ein recht Mensch zu werden. Ich hatte Sie nun auff vierzehen Jahr bey mir gehabt / und außgestopfft wie ein Gantzgen. Aber ich dencke sie werden ihr die Mast=Federn wol außziehen / daß ihr das Fleisch wegfallen und verschwinden wird / wie das erworbene Krieges=Gut. (97)

BASTANI.

Sechste Unterredung. BAGOAS ZU

diesen.

Sieh sieh. Hier kommt gleich so ein Saumagen. Es scheinet ja einer vom Hoffe zu seyn. Hort doch / Juncker. Glück zu! habt ihr nicht meine Magd gesehen? BAGOAS. Du Sclav / was habe ich mit deiner Sclavin zuschaffen. BASTANI. Nein nein: in rechten Ernst. Es seynd keine Narrenpossen. Sie ist auß meinem Hause weggenommen worden / mit Vorgeben: Sie solte nach Hoffe gebracht werden. BAGOAS. Seyd ihr etwa der Mann / welcher die Mirminde erzogen. BASTANI.

290

Johannes

Riemer

Ich würde ja. BAGOAS. Ists denn Eure Tochter? BASTANI. Wer sagt denn anders? BAGOAS. Ihr alter Lügner / Sie ist ja eine Fürstin / zu dem sey Sie auch wer Sie wolle / so werdet ihr Sie doch nimmermehr wieder zu sehen bekommen / dieweil der Konig sich in Sie verliebet und vielleicht noch heute mit Ihr Beylager halten wird. BASTANI. Das ware recht / wann der Konig einen armen Schwieger Vater stracks vorn Kopff stossen wolte. Ich muß auch dabey seyn. BAGOAS. So habt ihr hohe Zeit dem Konige zu Fusse zu fallen / und die Dirne wegzunehmen. (98) BASTANI. Wann ich nur wüste / wo der Konig anzutreffen. BAGOAS. Ich gehe ietzo gleich zur Auffwartung: So kont Ihr mir dann von ferne nachfolgen. BASTANI. Wohl wol! So spatzire er nur sachte vor an. Gehen ab. BASTANI.

Siebende Unterredung. SELIMOR.

Wunderlicher Wechsel der Liebe! Bald muß der Fürsten Stand / bald muß das geringste Bauer Leben / mir darinnen forthelffen. Ich weiß nicht wie mich das Glück noch führen und wie mein Lieben ablauffen wird. Gerne wil ich in geduldiger Beständigkeit verharren / und alles außstehen / woferne nur Mirminde die Belohnung meines Leidens bleibet.

SELIMOR.

Achte Unterredung. Zu diesen

CAPYS.

CAPYS. Sieh da! es ist mir lieb / Gnadigster Herr / daß Eur. Durchl. ich hier nach meinem Wundsch antreffe. S E L I M O R . Nun wie gehen unser Sachen? CAPYS. Gar wohl. Ich habe Dienste zu Hofe erhalten / und zwar solche / die Er. Durchl. zu ihren Vorhaben überauß dienen können. S E L I M O R . Was seynds dann vor welche? (99) CAPYS. Ich bin zum Burg=Voigt angenommen / und kan im Schloß ein und auß kommen / so offt ich wil. Er. Durchl. vernehmen doch etwas neues / welches überauß wichtig.

Vom geqvälten

Liebes-Siege,

4. Discurs

291

SELIMOR. Ists was guts? CAPYS. J a .

SELIMOR. SO rede geschwinde. CAPYS. Mirminde ist nicht Bastani Tochter / sondern eine Fürstin auß Thessalien / und der Konig strebet nach ihrer Liebe. S E L I M O R . Falt ihm ins Wort. Halt ein Capys / du schneidest mir mit deiner Zeitung durch die Seele. Ach ich bin verlohren: und sehe mich allbereit von Mirminden verlassen. CAPYS. Nicht so gnadiger Herr. Nimmermehr werden Er. Durchl. solches erleben. SELIMOR. Ist Mirminde eine Fürstin: und liebt Sie der Konig / so wird Sie Selimor vergessen.

Neundte Unterredung. Zu diesen

MIRMINDE.

MIRMINDE.

Werd ich Selimor vergessen / So soll mich die Erde fressen / Pluto selbst soll mich bewahren / Schatz laß die Gedancken fahren. SELIMOR.

Auff denen Knien. Schönste Gottin. Greifft ihn an. Stehet auff mein Selimor. (100)

MIRMINDE.

SELIMOR. Vergönnet mir mein Kind diesen Dienst. MIRMINDE. Pracht und Liebe schicken sich nicht zusammen. SELIMOR. N u r dieses mahl. MIRMINDE. Nicht einen Augenblick. SELIMOR. E y

laß.

MIRMINDE. E y

laß.

SELIMOR. M i r m i n d e . MIRMINDE. Selimor.

SELIMOR. Mein Hertz. MIRMINDE. Mein Schatz. SELIMOR. Meine Seele. MIRMINDE. Meine Freude. SELIMOR. Mein Lieb. MIRMINDE. Meine Lust. SELIMOR. Mein Leben. MIRMINDE. Meine Wonne. SELIMOR. Liebe mich.

292

Jobannes

Riemer

MIRMINDE. Wenn er auffsteht. SELIMOR. Laß mich liegen. MIRMINDE. Wann ich ihn nicht lieben soll. SELIMOR. SO handle ich wieder dein Gebot. MIRMINDE. SO gehe ich davon. (Will weg gehen.) SELIMOR. Stehet a u f f . Ich bin schon auffgestanden. MIRMINDE. Pracht und Liebe schicken sich nicht zusammen. SELIMOR. Jedoch Liebe und Demuth. {101) MIRMINDE. Wann sie in gleicher Wagschalen hangen. SELIMOR. Gleichwol liebet sie der Konig: Und diese Ehre macht

mich

kleinmüthig. MIRMINDE.

Wann mir sonst nichts uberbliebe / Als die blosse Konigs=Liebe / Traun / so führt ich alte Wahren. Schatz laß die Gedancken fahren. SELIMOR. Gleichwohl ist MIRMINDE. Wie eine Kett

Sie eine Fürstin. und ein schrifftlich Zeugnüß meiner Geburt be-

weisen. Daher Sie dann leicht durch ander Glück auff andere Gedancken konte gebracht werden.

SELIMOR.

MIRMINDE.

Selimor soll in mir Wohnen / Und dieß keusche Hertz betrohnen. Sonst mag ich mich nicht verpaaren / Schatz! laß die Gedancken fahren. SELIMOR.

Nun so weichet ihr Gedancken / Denn ich bin der Sorgen loß: Weil Mirminde nicht will wancken / Ihre Treue bleibet groß. Da Sie Fürsten Stand gefunden / Ey! Sie bleibet mir verbunden. CAPYS.

Gnadigster Herr.

SELIMOR. Was nun? CAPYS. Geschwind! Er verberge sich SELIMOR. Mirminde! gedencke mein. MIRMINDE. An keinen andern.

der Konig konmt.

Gehet ab.

(102)

Vom geqvälten Liebes-Siege,

4. Discurs

293

Zehende Unterredung. M O G O R , BAGOAS

dazu.

MOGOR. Ist Sie da / mein Schatz / so werde ich wieder lebendig. Ich habe sie durch alle Gemacher gesuchet. CAPYS. Ich habe gethan was Er. Majestat mir befohlen / und Fräulein Mirminden auffgewartet. MOGOR. Knechte müssen nicht eher reden / biß Sie gefraget werden. Wir reden ietzo nicht mit dir / sondern zu Mirminden / ach! unserer andern Seelen / gelten alle sehnlichen Worte. CAPYS.

Gehet ab. Stehet stille / und antwortet

MIRMINDE.

nicht.

MOGOR. Was betrübet die eintzige Ursache unserer Freuden. Oder was verfinstert unsere Sonne? MIRMINDE. U n g l ü c k .

MOGOR. Unser Hertz und Crone liegt zu ihren Füssen. W o vor hat Sie zu sorgen? MIRMINDE. Meine beschwerlichsten Gedancken seynd / wie ich vor meinen Ende mein Vaterland sehen / und erfahren mochte / ob iemand von meinen Fürstlichen Vorfahren noch am Leben sey. (103) MOGOR. WO denckt Sie hinauß / allerliebstes Kind / meynet Sie / daß von hier in G r i e c h e n l a n d so bald zu kommen ist. Und wo wolte ihre Zartligkeit eine solche Reise überwinden können. Nimmermehr gebe ich das zu. Und meine Liebe kan auch dazu nicht ja sagen.

Eilffte Unterredung. CAPYS

kommt

wieder.

CAPYS. Darff Er. Majestat ich unterthanigst etwas vortragen. MOGOR. Rede / was ist es. CAPYS. Ein fremder Fürst auß Mysien hat sich angegeben / und bittet von Er. Majestat Audientz. MOGOR. Ist er schon nahe / so laß Ihn ankommen. CAPYS.

Gehet

ab.

MOGOR. Ihr aber Mirmindgen verberget Euch so lange in einem andern Gemach: Weil bey uns nicht gebrauchlich ist / daß das Weibes Volck von Fremden gesehen werde. Nach der Audienz wollen wir zu Euch kommen / und unser Vorhaben auff festen Fuß stellen. MIRMINDE. Gar gerne. Denn ich liebe die Einsamkeit mehr als prachtige Gesellschafft.

294

Johannes

Riemer

Zwolffte Unterredung. Zu diesen

SELIMOR

und

CAPYS.

Langes Leben und stetes Gluck sey (104) über den grossen Mogor / Konig in Indien. MOGOR. Wir dancken Euch gnadig / unbekanter Fürst / und heissen Euch willkommen. Beut Ihn die Hand. Von wannen seyd Ihr. S E L I M O R . Auß Mysien / Gnadiger Konig. MOGOR. Das ist weit / und Uns unbekandt. Was habt ihr in diesen Landen zuschaffen. S E L I M O R . Nichts / Gnadiger Konig / als diejenigen Begierden zu sattigen / welche bey mir brennen / fremde Lande zu sehen. Absonderlich aber mir den Ruhm zuerlangen / daß ich denjenigen Konige auffgewartet / von dessen Macht ich schon in der Ferne gehöret. MOGOR. Ihr habt wohlgethan / dapffrer Fürst / daß ihr unserm Hoffe Eur Angesicht nicht entziehen wollen. Wir laden Euch ein / hier zu verbleiben / so lange es Euch gefallet. Was zum Fürstlichen Tractament von nothen / das soll Euch ohne allen Mangel geleistet werden. S E L I M O R . Ich dancke Er. Majestät vor die Gnade. MOGOR. Capys du solst bey dem fremden Fürsten die Auffwartung haben. Begleite Ihn in ein bestelltes Gemach. Und er mag uns verzeihen / Edler Fürst / daß wir Ihn verlassen müssen. Denn wir schweben ietzo in einem hochwichtigen Anliegen. Gehet ab. S E L I M O R . Was ist nun zu thun / Capys. CAPYS. Gnadigster Fürst / lange haben wir Uns an dem Hoffe nicht auffzuhalten. Es mochte Er. Durchl. Liebes=Zweck vielleicht gar zu weit (105) außgesetzet werden. Der Konig nothiget Mirminden ohne unterlaß / Ihm das Eheliche Ja=Wort zugeben. Und ich sorge / Er werde es mit Zwange noch dahin bringen / daß Sie sich nicht langer wegern kan. S E L I M O R . Das wolle die Gottheit nicht zugeben. Capys bleib getreu in dieser Noth. Denn meine Gedancken können vor Liebe und Sorgen auff keinen Rath kommen. CAPYS. Wir wollen es in Namen der Gotter versuchen / und ehester Tage mit Mirminden die Flucht zur Hand nehmen. S E L I M O R . Dein Rath ist mein Wille. Aber Capys überlege alle Sachen wohl / damit wir nicht Ursache zu Unglück geben mögen. CAPYS. Der Himmel helffe Uns / und fordere das heilige Liebes=Werck. SELIMOR.

Vom geqvälten Liebes-Siege, 4. Discurs

295

Dreyzehende Unterredung. Zu diesen

MIRMINDE.

Ist er zugegen liebster Printz / so erleichtert sich meine Noth. Der alte geile Konig / verfolget mich wie ein brennender Hirsch auß einem Gemach ins andere. Und was zu thun / wann er Gewalt an mir brauchet. Ich bin voller Unruh / und die Angst meines Hertzens verbietet Mir fast ferneres Reden. SELIMOR. Besänfftige dein Hertz du keusche Unschuld. CAPYS. Und begütige nur die betrübte Seele. (106) Denn wir wollen Morgen zu Nacht flöhen / und der unzuchtigen Feuers Brunst des Koniges entgehen. M I R M I N D E . Ach hilff Selimor. Dort kommt er wieder. Verlaß mich nicht mein Schatz. Gehet durch diese Thür / und bleibt draussen zu meiner Hülffe. Hier solt ihr mich wieder alleine finden. Gehen ab. MIRMINDE.

Vierzehende Unterredung. M O G O R ZU MIRMINDEN.

MOGOR. Mein Kind / Sie liebt dieses Zimmer absonderlich: Dieweil Wir Sie allezeit hier antreffen. M I R M I N D E . Ja Gnadigster Konig. Ich lieb alle Oerter / wo die Einsamkeit wohnet. MOGOR. Und alle Gemacher scheinen mir grosse Wüsteneyen zu seyn / wo Mirminde nicht ist. Aber mein Seelgen / welchen Tag wollen wir nun zu unsern Beylager ansetzen? Wir sehen lieber daß es wegen unsers hohen Alters ohne weitläufftige Pracht geschehen kante. M I R M I N D E . Er. Majestät scheuen selbst bey dieser spaten Liebe ihr hohes Alter. Er. Majestät würden mehr Ruhm nach sich lassen / wann Sie sich meiner noch unmanbaren Jugend entschlügen. MOGOR. Lieber wolten wir sterben / als Euch zu lieben auffhoren. M I R M I N D E . Er. Majestät bedencken aber / daß (107) ich der Ehelichen Gesellschafft noch gantz unfähig; und also mir unmüglich ist / ietziger Zeit in Er. Majestät Liebe ein (zu) willigen. MOGOR.

Mirminde.

Er. Majestät lassen ab. MOGOR. Bedenckt Euch wohl. M I R M I N D E . Die Unmügligkeit macht meinen letzten Schluß. MIRMINDE.

296

Jobannes

Riemer

MOGOR. Wir bitten liebt Uns. M I R M I N D E . Ich bitte Er. Majestät verschonen mich. MOGOR. Wir befehlen Euch / ihr solt Uns lieben. M I R M I N D E . Ich entschuldige mich. MOGOR. Wir fordern von Euch Gehorsam. M I R M I N D E . Und ich von Er. Maj. Gnade. MOGOR. So soll Euch eine scharffe Gewalt dazu bringen. M I R M I N D E . Ey gnadigster — — — MOGOR. Schweigt / wunderlicher Kopff. Uns habt ihr zu dancken / daß Ihr eine Fürstin seyd / die ihr bißher als eine Sclavin das Vieh hüten müssen / und wolt Euch dennoch wegern einen solchen Monarchen zu lieben / dessen Liebe die gantze Welt offenstehet. M I R M I N D E . Allergnädigster Konig. Meine gantze Natur / ja Sinn und Hertz wiederstehet mir einzuwilligen. M O G O R . Du Bettel=Dürne / sehr zornig. Wohlan / so soltu anstatt der Gnade und Ehre Straffe und Schmach genug zugewarten haben. (108) Siehe du solst dennoch durch Zwanck unsere Begierden loschen. Und wann wir unsere Lust genug gesattiget haben / wollen wir dich denen grausamsten Sclaven zu ihren Willen übergeben. Geschwinde Bagoas. Ganimi! Funffzehende Unterredung. BAGOAS. GANIMI

mit Soldaten.

Auff den Knien. Ich bitte Er. Majestät. MOGOR. Nichts / nichts: keine Gnade! M I R M I N D E . Nur noch ein Wort.

MIRMINDE.

MOGOR. Was ist dasselbe.

Mit Er. Majestät allein zu sprechen. MOGOR. So gehet Ihr dann wieder hinnauß. B A G O A S . G A N I M I mit Soldaten. Gehen ab. M I R M I N D E . Weil ja Er. Majestät Liebe ohne die meinige nicht mag gedampffet werden; so wil Derselben Ich hiemit meine Einwilligung geben. Jedoch mit der Bitte / daß Er. Majestät mir noch auff etzliche Monat Gedult geben. MOGOR. Stehet auff / wertheste Seele. Eure Einwilligung erfreuet Uns. Aber euren Bitten kan unsere Liebes=Hitze diesmahl nicht willfahren. Sondern wir wollen alsobald gehen / und den Venus-Thron besteigen. M I R M I N D E . SO werden Er. Majestät mir ja nur biß auff den Abend frist geben / damit ich die-(109) ses hohe Werck mit Anruffung der Gotter anfangen möge. Ich bitte Er. Majestät lassen sich bewegen. MIRMINDE.

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

4. Discurs

29 7

MOGOR. Das müssen wir Euch endlich verstatten / wiewohl mit grossen Schmertzen. MIRMINDE. SO wolten denn auch Er. Majest. Mir dieses Gemach so lange alleine überlassen / daß ich mich noch an denen letzten Stunden meines ledigen Lebens ergötzen möge. MOGOR. Auch dieses soll Euch nicht versaget seyn. Die Gotter seyn mit Euch. Komm spater Abend komm / laß die in meinen Armen / Die meine Seele liebt / mit tausend Lust erwarmen.

Gehet ab.

Sechzehende Unterredung. Zu

M I R M I N D E N S E L I M O R und

CAPYS:

Bringen Mäntel mit sich / worinnen Sie sich verkleiden. MIRMINDE. Ach! Engel und Retter meiner Keuschheit. Numehr ist nicht Zeit eine Stunde zu verziehen. SELIMOR. Wir haben alles gehöret. Getreuester Schatz. CAPYS. Last uns eilen. MIRMINDE. Denn der Abend bricht schon an. SELIMOR. Wann uns nur niemand siehet. CAPYS. Wir müssen hinten zur Burg auß durch den Thier=Garten unsern Weg nehmen. S E L I M O R . SO g e h e n u r v o r a n .

{110)

MIRMINDE. Wir wollen schieinigst folgen. SELIMOR. D e r H i m m e l sey mit U n s .

Gehen ab. Siebenzehende Unterredung. BASTANI.

BASTANI. D a sehe ich keine Mirminde. Das arme Lamm. Ich dencke immer sie haben es zu Hofe an Spieß gestackt / und eine Viertheistunde gebraten. Es ist gar der Hencker: wann ein Magdgen vierzehen Jahr alt ist / daß es immer mehr AFFECTION bey den Purschen hat / als eine die etwa so mit der Jahrzahle gehet. Ich gedachte zwar meinen alten Tagen auch noch etwa ein gut Bißgen zumachen: Und wann meine alte Schnittebanck das dürre dinne Hälßgen vollends gebrochen hatte / Mirminden

298

Johannes

Riemer

des Nachts neben mich zu legen. Aber! einen Dreck werde ich davon bekommen. Und da ist nun niemand schuld an meinen Verdruß / als mein altes Donner=Vieh. Ha! warte: Ziehet das Messer auß der Ficken / und wetzet es. Es ist schon scharff genug. Kein Erbarmen soll bey mir gelten. Ich wil sie schinden / backen / und in die Schoten zum Sperlings^ Hütter setzen.

Achtzehende Unterredung. LECTO

von

ferne.

(BASTANI.} Ha Ha! eben recht. Gute Wort müs-(//7)sen das beste thun. Lexgen Mutter Lexgen. Ha ha ha du Junges Narrichen komm doch her. LECTO. Hindenrum; Daß du mir etwa ein Trinckgeld zustellest wegen Mirminden Gefangenschafft. BASTANI. Ach nein! nein! Lexgen. Gehet sachte auff Sie zu. LECTO. Zurücke / von Leibe. Ich trau dir nicht. BASTANI. Ich wolte stracks / daß ich AD SPECTATORES. Hinden / blind würde / wann ich dir etwas thun wolte. LECTO. Bastani! Ein Schelm der mir was thut. BASTANI. Ey! alles treulich sonder Geferde. A C T U M UT SUPRA. LECTO. N U

nu!

Harre! Du altes / verfluchtes / Stern / Wetter / Galle / Schwerenoths=Aß. Nun wil ich dir das FACIT machen. LECTO. Ein Schelm der mir was thut. Krimstu mir eine Haar / so solstu / wie du geschworen hast / blind werden. BASTANI. Ey was / ich sehe hinten ohne dem schon nicht mehr. Komm du nur / ich wil dir deinen Lohn schon außzahlen. Gehen ah. BASTANI.

Neunzehende Unterredung. MOGOR.

Gehet langsam auß / und stehet in alle Winckel.

(112)

MOGOR. Sie hat den Ort wieder verlassen. Ha ha! Sie wird gewiß ruhen. Ruhe nur sanfft vermähltes Liebes=Kind: Damit du desto besser und freudiger bey uns gewohnen mögest. Bagoas.

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 4. Discurs

299

Zwantzigste Unterredung. Zu diesen

BAGOAS.

BAGOAS. Gnadigster Konig. MOGOR. Wir befehlen Euch den fremden Fürsten auß Mysien zur Taffei zuruffen / und alsbald wieder hieher zu Uns zukommen. BAGOAS. Ich nehme beyderley unterthanigst in acht.

Gehet ab.

MOGOR. Wir stehen bey Uns an / ob wir Mirminden ietzo zur Taffei ziehen wollen? Man siehet wie es geht. Wir stehen schon in einen ziemlichen Alter. Und Junge Leute können einander bald die Seelen gefangen nehmen. Der Fremde ist ein artiger schöner Printz / und konte Mirminden bald verführen. Nein / wir wollen Mirminden alleine in ihren Gemach bedienen lassen.

Ein und zwantzigste Unterredung. BAGOAS. MOGOR. Was

Geschwind ein / fast entathemet.

da?

BAGOAS. Gnadigster Konig. Der fremde Fürst / Mirminde und der Burg= Voigt / senyd davon / und in keinem Gemach anzutreffen. {113) MOGOR. AU weh / Himmel! Schande und Verdruß / und vielleicht dadurch mein Todt. Sie müssen gewiß eine Bekandtschafft mit einander haben. Das muß gewiß lose Gesinde seyn / welches uns geschimpffet und betrogen. Wo seynd Sie dann hinaußgegangen. BAGOAS. Das wissen die Gotter. MOGOR. Ist ihnen nicht nach zusetzen? BAGOAS. Wenn es Er. Majestät befehlen. MOGOR. Herbey Ganimi.

Zwey und zwantzigste Unterredung. GANIMI.

MOGOR. Alsobald vertheile deine Manschafft auff alle Wege und Strassen / die Meineydigen zu suchen / damit Wir sie abstraffen. GANIMI. Welche seynd es gnadigster Konig? MOGOR. Der fremde Fürst / und der Burg=Voigt / welche unsere neue Gemahlin entführet.

300

Johannes

Riemer

GANIMI. Wie lange ist es / daß sie geflohen seyn? BAGOAS. Ich halte davor keine Stunde. GANIMI. Diese wollen wir leicht zurücke holen.

Gehen eilend ab.

MOGOR. W o dir dein Leben lieb ist. Der Zorn ist bey Uns entbrand / und die Rache kan nichts dampffen als der Verbrecher Blut. Ο daß wir die Hunde schon hatten. Kein Mensch unterstehe sich vor Sie zu bitten. U n ser Gesetz soll Sie richten / und ohne aller Menschen Gutachten am Holtz erwürgen.

Gehen ab.

{114}

Fünfften Discurses Erste Unterredung. Der Schau=Platz ist wieder Wüsten und Wald. SELIMOR. MIRMINDE.

CAPYS.

SELIMOR.

S o weit hat uns das Glück noch immer beygestanden / In diesen wüsten Landen / MIRMINDE.

Das mich auch von den Banden / Der Nothzucht hat gebracht. CAPYS.

Dem Himmel sey gedanckt vor seine Macht. MIRMINDE.

Den wollen wir mit Hertz und Munde ehren. SELIMOR.

SO bald er uns wird Sicherheit bescheren. CAPYS.

Die Gotter lassen uns indessen nur belehren / W o ein verborgner Weg zu unsern Schutz gebant. MIRMINDE.

Pandora ist versöhnt / Der Himmel wird nunmehr mit unsrer Liebe seyn.

Vom geqvälten Liebes-Siege, 5. Discurs

301

CAPYS.

Nach außgestandnen Sturm lacht wieder Sonnenschein. SELIMOR.

Zumahl wann man das Hertz dem Himmel hat ergeben. MIRMINDE.

A c h ! wann doch nur mein Printz auß diesem Jammer=Leben {115) Fein bald errettet war / Ich wolte gerne mehr A n Geist und Leibe dulden. SELIMOR.

A c h liebstes Hertz! ihr hauffet meine Schulden Durch Eure Hoffligkeit. Sie weiß ich bin mit Ihr zu N o t h und Tod bereit. Ihr Hertze ist mein Hertz: Die Seele ist mein Sinn / Mir deuchtet alles schon wann ich nur bey Ihr bin. Selbst diese Wüsteney ist mir Adonis Garten. MIRMINDE.

Wil er / so wollen wir allhier ein wenig warten. Die gantz erschopffte Krafft in etwas zu erqvicken. CAPYS.

Biß etwa Phoebe sich mit ihren Glantz last blicken. SELIMOR.

Ihr Wort ist mein Gesetze; Darum ich mich dann auch an diesem O r t ergötze. Wer weiß ob sich der Gotter Sohn / Endymion / In der Dianen Wald also vergnüget. Wie mir durch dich / mein Schatz / vor meinen Augen lieget. MIRMINDE.

A c h Tugendhafftes Hertz / du soltest Jason heissen: SELIMOR. Weil du Medea bist. MIRMINDE.

Weil du mich müssen reissen A u ß Brunst und geiler List. II

(116)

Jobannes

Riemer

CAPYS. Der Nothzwanck war ihr nah: SELIMOR.

Gleich wie Andromeda. MIRMINDE.

Wann du wilst Perseus seyn? SELIMOR.

Weil ich dich auß den Ketten Der Sclaven müssen retten. MIRMINDE.

Zum Lohne bleib ich dein. CAPYS.

Die Liebe ist voll Wunder / MIRMINDE.

N u n aber glimt der Zunder Des neuen Unglücks an. Wir sind auff keiner Strassen / V o n iederman verlassen / Das ist ein Schmertzens Trieb. SELIMOR.

Und dennoch lieb. Zwar kan ich nicht verschieben / Mein eigenes Betrüben / Das an die Seele reicht. Mirminde siehet Gottlich / Ich aber stehe spottlich. Ja flüchtig wie ein Dieb / MIRMINDE.

Und dennoch lieb. Alleine was mich schmertzet / Und in der Flucht enthertzet / Ist unsre Dürfftigkeit. Wir haben nichts an Kleide / A n Brodt / Geld und Geschmeide; Das ist ein Hertzens Hieb / SELIMOR.

U n d dennoch lieb. Wir wolln uns zu den Händen /

Vom geqvälten Liebes-Siege,

5. Discurs

303

Der reichen Gotter wenden. Die Sorge todtet nicht / Wann sonst nur ferner Gramen / Auß andern Kummer=Stromen / Von uns zurücke blieb / MIRMINDE.

Und dennoch lieb. Mich tröstet nur die Stunde / Da ich mich dir verbünde. Und du wirst mir nicht gram. O b ich gleich mit der Zungen / Wiewohl durch Noth gezwungen / Dem Mogor mich verschrieb.

{H7)

SELIMOR.

Und dennoch lieb. Doch steckt ein heimlich Leiden / In diesen zarten Freuden / Ich weiß nicht wie mir ist. Das Blut begint zu wallen / Das Hertze wil zerfallen. Wie Wasser durch ein Sieb / MIRMINDE.

Und dennoch lieb.

Andere Unterredung. Zu diesen GANIMI mit Wacht. GANIMI. Hier seynd Sie. Sa Pursche / nahet Euch. SELIMOR. Wen sucht ihr? GANIMI. Euch die ihr den Konig betrogen / und die Majestät beschimpffet habt. SELIMOR. Ich gebe mich nicht. Und ehe ihr meine Braut gefangen nehmet / muß alle mein Blut vergossen seyn. MIRMINDE. Ach Himmel / das groste Elend ist uns nahe. GANIMI. Fürst / gebt Euch in der Gute. Denn der Befehl ist zu scharff: Euch todt oder lebendig zu bringen. CAPYS. Schonet / und bedenckt / daß er ein Fürst ist. (118) SELIMOR. Bleibt zurück / oder ich brauche meine Faust. MIRMINDE. Ach mein Engel. Last uns in der Güte ergeben. 20''

304

Johannes

Riemer

Nicht so / mein Schatz: ihre Güte kostet uns Leib und Leben. Greifft zu Pursche. S E L I M O R . Mirminde / rette dich hinter mir. G A N I M I . Drauff! Drauff! C A P Y S . Wir wehren uns so lange wir können. S E L I M O R . Capys erweise deinen Muth. C A P Y S . Biß auff den letzten Bluts Tropffen. M I R M I N D E . Ach Himmel schütze Selimor. C A P Y S . Wolt ihr noch nicht ruhen. G A N I M I . Ehe nicht / biß wir Euch an Stricken haben. S E L I M O R . Ihr Abgottischen Hunde. G A N I M I . D U Majestät Lasterer wirst kein Hercules seyn. S E L I M O R . Und du kein Simson. M I R M I N D E . Ach schonet / mein Schatz schonet. S E L I M O R . Ich fechte vor unsere Freyheit. G A N I M I . Aber wie lange? SELIMOR. GANIMI.

SELIMOR. B i ß in T o d .

Dem Capys wird der Degen auß der Hand gerungen / und laufft davon. C A P Y S . Ich bin entwaffnet. S E L I M O R . SO brauche die Faust. Selimor wird umringet / und auch nechst Mirminden gefangen genommen. (119) S E L I M O R . Mirminde / mein Arm ist gegen so viele zu schwach. M I R M I N D E . Ο kurtzer Augenblick unsrer Freyheit. Weinende. S E L I M O R . Siehe so / liebes Kind: Das ist die Deutung meines schwermüthigen Hertzens. Wie wird uns das Glücke nun mitspielen. G A N I M I . Nach eurem Verdienst / und wie man Spotter der heil. Majestat pflegt abzustraffen. M I R M I N D E . Weinende. Ich bin die Ursach Eures Unglücks. S E L I M O R . Welches ich doch mit Freuden um deinet willen leide. M I R M I N D E . Und ich gehe mit Selimor in Tod. S E L I M O R . Und diese Treue wird mir alle Bitterkeit des Todes versüssen. Gehen ab. Dritte Unterredung. MOGOR.

BAGOAS.

Soll Ich Er. Majest. nicht zur Taffei führen? Nein: Der Unmuth hat uns allen Appetit verderbet. Ist noch keine Nachricht eingekommen / ob man Hoffnung habe / die Entlauffenen zuergreiffen?

BAGOAS. MOGOR.

Vom geqvalten

Liebes-Siege,

5. Discurs

305

BAGOAS. Wir versehen uns alle Augenblick. MOGOR. Zornig. Es kostet alle ihr Leben / w o Sie die Verbrecher nicht mitbringen. (120)

Vierdte Unterredung. Zu

diesen

BASTANI.

BAGOAS. Hier kommt ein Bote an / welcher vielleicht Zeitung bringen wird. BASTANI. Mit Gunst / daß ich so mag gleich eingehen. BAGOAS. Erzehle / was du vor Post bringest. BASTANI. Hochgelahrter Herr König. Es hat mich mein Knecht bestohlen. BAGOAS. Dolpischer Mensch! hastu nicht deine angewiesene Obrigkeit. Was darffstu eine nichtswürdige Klage hier suchen. BASTANI. Je nu. Unser Schultze war gleich auff dem Felde / und dingete sein Kraut=Land / so konte ich nicht bald vor Ihn kommen. Und noch eins: Er schiert uns so schrecklich mit den Gebieren. Hier darff ich kein Forder-Geld geben. MOGOR. Was hat dir dann dein Knecht entwendet. BASTANI. Ein schonen silbern Rock. MOGOR. U n d w o hastu solchen bekommen. BASTANI. Ich habe denselben in einer Hole gefunden / welchen zuvor ein durchreisender Fürste an hatte. Darnach habe ich noch eine Klage / Wohlweiser Herr Konig: Es kamen heut Soldaten hinauß / und haben mir meine Magd weggefuhret; Sie sagten: Sie solten das Madgen nach Hofe bringen. So mochte (121) ich wohl wissen / ob sichs so verhielte. Und ob ich Sie nicht konte wieder mit nach Hause nehmen. MOGOR. Bistu der berichtigte Vogel / den sein Weib Ehebruchs halben angeklaget? BASTANI. Herr Konig / Ich bin wohl derselbige ehrliche Mann. Aber habe ich etwas in solchen Sachen gethan / so wolte ich / daß ich stracks vor euren Augen zum Kuhplader würde.

Fünffte Unterredung. GANIMI geschwind / allein / erhitzt. GANIMI. Gnadigster Konig. Die Entlauffenen seynd in meiner G e w a l t / und hiernechst vor dem Gemach. MOGOR. Grimmig. Seynd sie da?

306

Johannes

Riemer

GANIMI. Nicht anders. MOGOR. Wir wollen Sie selbst sehn / und verurtheilen. Bring Sie herein. G A N I M I . Gehet ab / und bringt die Gefangenen. MOGOR. Mirminden bedauren Wir / daß Sie verführet. Wiewohl Wir ihr das Leben gerne schencken wolten / woferne Sie beweisen konte /. daß Sie noch rein und unerkandt. Sechste Unterredung. GANIMI

mit Wacht.

MIRMINDE

und

SELIMOR.

Zornig! Du! wilstu den Rock auß-( 122)ziehen. Herr Konig das ist der Dieb. Das ist mein Knecht gewesen / der mir den Rock gestohlen.

BASTANI.

MOGOR. Was sagstu?

Mein Knecht ist er gewesen / und hat mir den Rock gestohlen. S E L I M O R . Das ist beydes wahr. M O G O R . SO bistu ein Sclav gewesen. S E L I M O R . Das leugne ich nicht. MOGOR. Und hast dich an unsern Hoff vor einen Fürsten außgegeben. S E L I M O R . Das muß ich auch gestehen. M O G O R . Voller Zorn. Ο verfluchter Mensch! So bistu ein Spitz=Bube / und einer von denen / welche die gantze Welt betrügen. Auff auff! wer seinem Konige getreu ist. Geschwind zur Rache! Unsere Crone ist verletzet / Wir seynd betrogen / und unser Unterthaner bestohlen. Einen Dieb / einen Betrüger / einen Jungfer=Rauber können unsere Augen durchauß nicht dulden. S E L I M O R . Gnadigster Konig. MOGOR. Rede nichts / du Verzweiffelter! Wann Wir nicht selbst sollen Hand an dich legen. BAGOAS. Es ist nicht anders / Gnadigster Konig. Der Bosewicht muß ein Verrather und Betrüger seyn. Denn Fürsten und hohe Haupter können nicht so lügen und betrügen. MOGOR. Nehmet Ihn hin / und richtet Ihn diesen Augenblick nach unserm Gesetze. Denn er hat den Todt dreyfach verdienet. Wer bey Uns gestohlen / der wird erwürget: Wer eine (123) Jungfrau entführet / der muß am Holtze erstücken. Und wer die Majestät lästert / der wird mit Feuer verbrandt. Damit aber du Sclav so wol unsere Gerechtigkeit als Gnade / in deinem Tode sehen mögest / Siehe / so wollen Wir dich von Feuer befreuen. Du solst aber doch diese Stunde erwürbet werden. Und von dieser Straffe soll dich kein Mensch / kein Gott / noch Wir selbst erlosen. Und wer vor Ihm bitten wird / dem soll mein Schwerdt das erste Wort in der Gurgel zerschneiden. BASTANI.

Vom geqvdlten

Liebes-Siege,

5. Discurs

307

Ey so bin ich die erste / welche vor Selimor bittet. Voller Freuden. Mirminde bistu es denn oder bistu es nicht? M O G O R . D U entlauffene Metze / bedarffst selber einen Vorsprecher / und wilt vor andere bitten. Und wo Wir unserer Liebe zu deiner Jugend nicht schoneten / so soltestu gleiche Straffe / mit deinem Verführer zu gewarten haben. M I R M I N D E . Soll dann Selimor nicht leben? M O G O R . Nimmermehr; Und wann die gantze Welt vor Uns zu Fusse fiel. M I R M I N D E . Ey ja Gnadigster Konig. M O G O R . Schweig / schweig. Dein Bitten macht Ihn bey Uns immer verhaster. M I R M I N D E . Gleichwohl habe Ich Ihn zur Flucht veranleitet. M O G O R . So bistu auch des Todes. M I R M I N D E . Lieber ietzt als Morgen. (124) M O G O R . Ihr Schand=Back. Ihr habt Euch durch Buhlschafft verbunden. M I R M I N D E . Die Rechenschafft hievor seynd Wir dem Himmel und keinem Tyrannen zu geben schuldig. M O G O R . Du hast die Majestät gelästert. M I R M I N D E . Davor sterbe ich mit Selimor. M O G O R . Hort / wie der Verbrecher Hertzen an einander kleben. M I R M I N D E . Die soll auch der Tod nicht von einander scheiden. M O G O R . Ha! Ich wil Sie wohl trennen. M I R M I N D E . Das wollen wir sehen. M O G O R . Er soll sterben / und du solst dennoch zu Unserer Liebe leben. M I R M I N D E . SO bald du Tyrann an meine Seite rucken wirst / so soll mein verborgenes Messer dein Eingeweide zerschneiden. M O G O R . Das wollen Wir dir durch anderer Leute Bey=Hülffe gar wohl verbieten lassen. M I R M I N D E . So dann führe ich Gifft bey mir / womit ich dich wie ein Basilisk anhauchen und todten wil. M O G O R . Was? Meinstu das klug und mit Vorsatz? M I R M I N D E . Wohlbedachtig und in Ernst. M O G O R . Tolle voll Zorn. Wir mochten Uns vor Zorn entleiben. Von Stund an last alsobald ein Würge=Holtz auffrichten / und sie beyde daran hencken / Wir mögen keine Hure lieben. S E L I M O R . Unsere Keuschheit kennet der Himmel. (125) B A G O A S . Gnadigster Konig / man pfleget denen Ubelthatern sonst die Morgenstunden zur Straffe anzusetzen. M O G O R . Entblost das Gewehr. Bagoas muß entspringen. Dein Kopff sey zum Unterpfand / daß diese beyden Betrüger und Reichs=Lügner alsobald hengen. G A N I M I . SO schnell es immer seyn wil. Wil abgehen. MIRMINDE. BASTANI.

308

Johannes Riemer

Mirminde besinnet Euch recht: Ihr kont leben / wo ihr Uns lieben

MOGOR.

wollet. Lieber wil ich mit Selimor den schmahlichsten Tod leiden / als mit dir in Ewigkeit wollustig herrschen. M O G O R . So gehe du Schand=Balck Augenblicklich zum Tode. Diß ist der letzte Blick meiner Gnade. M I R M I N D E . Ja ja! lebt Selimor nicht / so verlange ich auch keine mehr. S E L I M O R . Und ich sterbe mit Mirminden / dir zum Trutz. Gehen ab. M O G O R . Springt in die Hohe. Geht geht / ihr Hunde in die Holle. Bagoas. MIRMINDE.

Siebende Unterredung. BAGOAS

zum Konige.

Die Ubelthater seynd nunmehr verdammet; und das Urtheil haben wir selbst nach unsem Reichs=Gesetzen außgesprochen. Alleine wann Mirminde sich bekehren und Uns lieben (126) wolte / so solte Sie doch leben. Versuche doch / ob Sie von dem Verfuhrer abzulencken / und in unsere Liebe zubewegen. B A G O A S . Ich gehorsame Er. Majestat. Wann Sie aber bestandig in ihrem Sinne. M O G O R . Ey so soll Sie sterben / und wann Sie die Helena selber ware. Vollbringe nur / was Wir dir befehlen. Gehet ab. MOGOR.

Achte Unterredung. Strafft seine Lecto um die begangene Verrdtherey ab: Er bindet sie öffentlich an einen Baum / bemahlet sie im Gesichte mit allerhand Farben / angstet sie mit Hohn und Schlagen / mahlet ihr einen Bart / und schmauchet Sie mit grünen Holtze.

BASTANI.

Neundte Unterredung. GANIMI

mit Soldaten.

und S E L I M O R mit Flor gebunden. Heydnischer Priester.

MIRMINDE

ABAFTI

Wann ihr nicht eure erdichteten Gotter verlassen wollet: So bin ich Euch nichts nutze.

ABAFTI.

Vom geqvälten Liebes-Siege,

5. Discurs

309

Wir sterben auff unsere erkandte Gottheit / und uberlassen Euch eure todte Götzen. ABAFTI. Ihr Mensch voller Boßheit. Ihr sterbt in euren Sünden. {127) M I R M I N D E . Qvale uns nicht mit deinem Greuel / du Gotzen= Knecht. ABAFTI. Wolt ihr Euch nicht bekehren lassen / so muß ich doch dem Opffer-Dienst genüge thun / und Euch an das Holtz hengen. M I R M I N D E . Dazu können wir dich wohl dulden. S E L I M O R . Aber irre uns nicht in unserer Andacht. ABAFTI. Wie der Baum falt: so mag er liegen. S E L I M O R . So komm denn her du Geferthin meines Absterbens. Du bleibst auch die Freude in meinem Tode. M I R M I N D E . Und durch meinen Tod fange Ich erst an mit Selimor recht zu leben. S E L I M O R . Wir wollen unsere unschuldigen Geister dem Himmel befehlen / knien beyde nieder / und uns willig zum Opffer dargeben. M I R M I N D E . Ich sehne mich mit Selimor nach dem Himmel / und verachte alle Freuden der Welt. SELIMOR.

Zehende Unterredung.

Zu diesen

BAGOAS.

BAGOAS. Mirminde! Der Konig last Euch abermahl und zwar zum letzten die Gnade entbieten / daß Er Euch eure Mißhandlungen vergeben / und das Leben erhalten will. Woferne ihr Ihn mit Vergnügung lieben wollet. Vor euren Verführer aber ist kein Staublein der Gnade mehr übrig. (128) M I R M I N D E . Die Gnade / welche meinen Selimor außschleust / trete ich mit Füssen. Nimm sie nur wieder mit dir zurück /und sage deinem wollüstigen Tyrannen / daß ich lieber mit Selimor alle erdenckliche Marter außstehen wolte / als mit Ihm von der gantzen Welt angebetet werden. Ich geschweige / daß ich Ihm lieben solte. B A G O A S . SO mocht ihr die Ursache eures Todes bleiben. Gehet ab.

Fallen auff die Knie.

Gerechte Gotter! M I R M I N D E . Wächter über alle Sterbliche. S E L I M O R . Ihr allein seyd Zeugen. M I R M I N D E . Unsers unschuldigen Todes. S E L I M O R . Wir müssen sterben. M I R M I N D E . Unter Barbaren / welche Euch nicht kennen. S E L I M O R . Ihr aber kennet unser Hertz. M I R M I N D E . Daß wir an keinem Verbrechen theil haben. SELIMOR.

310

Johannes

Riemer

Darum begnadet uns in der Stunde des Todes. Und lasset Uns nur bald durch eure Botschafft in die Eliseische Gegend abfordern. S E L I M O R . Hierauff! laß uns gesegnen / mein Schatz / und unsere Liebes=Wahlfahrt auff diesem vergänglichen Boden beschlüssen. Hier ist die Hand. SELIMOR.

MIRMINDE.

MIRMINDE.

Hier ist das Hertz. SELIMOR.

Ich fühle keinen Todes=Schmertz. MIRMINDE.

Wo Selimor nur ist / da ist mein bestes Leben. SELIMOR.

Demnach so sey hiemit dir gute Nacht gegeben. MIRMINDE.

Nun gute Nacht mein Fürst! Wann du mich sehen wirst / An diesem Holtze hangen: So laß die Thranen nicht / Auff deinem Angesicht / Wie milde Perlen prangen. Laß deine Fürsten Güte / Zuletzt auch im Gemüthe / Durch feste Liebe sehn. So wil ich mir erwerben / Ein freudenreiches Sterben. SELIMOR.

Mein Schatz das soll geschehn. Jedoch gehn Thranen=Worte / Auß deiner Purpur=Pforte / Und ich soll Felsen seyn. Mein Hertz stirbt mir in Armen / Es mochte sich erbarmen / Ein tieffer Erden=Stein. MIRMINDE.

Es hilfft kein spates Klagen / Kein Hertze muß verzagen / In einer Fürsten=Brust.

{129)

Vom geqvälten Liebes-Siege,

5. Discurs

311

Wer von der Welt abscheidet / Und mit der Liebsten leidet / Der hat am Tode Lust. SELIMOR.

So sterb ich ohne Zahren / Wiltu noch eins gewehren / Mein Kind so thu es bald. MIRMINDE.

Ey laß es mich nur wissen / SELIMOR.

Nur einmahl mich zu küssen / Bevor mein Hertz erkalt / Durch einen harten Schluß. MIRMINDE.

So nimm den ersten Kuß / Von meinen Lippen hin. Die niemand noch berühret / Und stille den betrübten Sinn / Der dich und mich regieret.

{130)

SELIMOR.

So steige denn heran / MIRMINDE.

Die Hochzeit gehet an / SELIMOR.

Ob gleich nur im Gemüthe / MIRMINDE.

Es flammet das Geblüthe / So in uns beyden schwebt. SELIMOR.

So lange noch ein Geist in meinem Hertzen lebt: So lange soltu auch denselben Thron bewohnen / MIRMINDE.

Der Himmel wird dir auch vor solche Treue lohnen. GANIMI.

Nun was verzieht ihr viel? Der Abschied ist gemacht.

Johannes Riemer

312

MIRMINDE.

Ach fahre wohl mein Schatz. SELIMOR.

Mirminde! MIRMINDE.

Gute Nacht. Nun hangen Sie beyde am

Creutz.

Eilffte Unterredung. Zu diesen BAGOAS. GANIMI. BAGOAS. GANIMI. BAGOAS.

BAGOAS.

Ist das Würge-Opffer vollzogen? Jetzt fangen Sie an zu sterben. E S ist Schade um die schone Blüte. Hat man denn den Konig nicht bewegen können. Er war vor Liebe toll und unerbittlich.

Zwölffte Unterredung. (131) Zu diesen

DIANA,

mit Feuer. Sie fallen alle zu boden.

Ohnmachtige Menschen. Ihr seyd der Staub unserer Fusse / und wolt dennoch unsern Willen hintertreiben. Auff! auff! ihr Gotter zur Rache. Ich habe dir / Venus / zu Ehren diese Liebe gestifftet. Darum sende mir deinen Wagen / daß ich hinauff komme / damit wir zusammen / den allmogenden Jupiter bewegen / daß er den Tyrannen durch ein Wetter fressen lasse. Die Wolcke steiget herunter. Eilet / eilet / ehe die keuschen Hertzen ersticken. Ο unschuldige Liebe. Ο unergründliche Boßheit der Menschen / welche keiner Unschuld schonet. Verziehet ihr himmlischen Seelen / fahret noch nicht auß euren schonen Wohnhausern; ihr solt bald meine Hülffe fühlen. Iris / Iris / mache dich fertig / alsobald hinunter zufahren / und die halbtodten von denen unverdienten Banden zulosen. Das Donner=Wetter erhebet sich mit Blitz und Ungestüm. Darauf/fahret Iris auff dem Regenbogen vom Himmel/ und singet folgende zwene Verse.

DIANA.

Vom geqvälten

Liebes-Siege,

5. Discurs

313

1. Was Gotter pflegen zubeschlüssen Das muß wie Felß und Ertz bestehn. Und Menschen so es wil verdrössen / Die müssen drüber untergehn / Wo ihre Sünd und Missethat / Sie nicht zuvor versöhnet hat.

(132)

2.

Mirminde liebt und wurd geliebet / Und Selimor hat den Bestand / In seiner Hoheit außgeübet. Die Seele bleibt sein Unter=Pfand. Sie führten beyde Lieb und Treu / Drum mach ich Sie der Straffe frey. Löset Sie beyde ab / und fähret wieder durch die Lufft. Die an der Erden liegenden Wächter verkriechen sich in ihrer Furcht. Selimor und Mirminde kommen wieder zu sich. S E L I M O R . Mirminde! Die Gotter seynd mit Uns. M I R M I N D E . Mein Schatz / ist er noch am Leben? S E L I M O R . W O ich nicht träume. Hier ist der grausame Ort unserer Erwürgung. M I R M I N D E . Und hier das Holtz / woran wir sterben solten. S E L I M O R . Ich mercke der Gotter Augenscheinliche Hülffe. M I R M I N D E . Gelobet sey der Himmel! S E L I M O R . Der wolle uns ferner retten. M I R M I N D E . Laß uns flühen / mein Engel / daß wir nicht wieder in die Hände der Grausamen fallen. S E L I M O R . Heilige Gottin breite deine Hände über Uns. M I R M I N D E . Und verblende alle die uns suchen. Gehen ab. (133)

Dreyzehende Unterredung. TRUTART

und Fürst

ITACUS

beyde weinend welche

SELIMOR

suchen.

Ihr hattet aber nicht von Ihm weichen sollen. Gnadigster Fürst. Es hatte der Printz den Wechsel-Brieff zu Erna vergessen / so solte ich denselben zurücke holen. ITACUS. Ihr hattet aber dencken können / daß unser liebstes Kind / unser Erb-Printz / unser einiger Sohn uns viel werther sey als alle WechselBrieffe. ITACUS.

TRUTART.

314

Johannes

Riemer

hatten wir Uns durch Betteln nach Hause bringen müssen. ITACUS. Besser ware es gewesen / Euch in Armuth empfangen / als den einigen Stifft unsers Fürstlichen Stammes gantz und gar verlohren haben. T R U T A R T . Ach gnadigster Herr: Wann wir sterbliche mit unsern Rathschlagen allezeit ins zukünfftige sehen konten / so wolte ich meinen vertraueten Printz nicht verlohren haben. ITACUS. Was bedeutet doch dieses Creutz? T R U T A R T . Mich bedünckt / es wird ein Zeichen nach Landes*Art der abgottischen Dellyten seyn. Es thut mir noch dazu wehe / daß Er. Durchl. in Ihrem hohen Alter einen solchen weiten Weg ziehen müssen. (134) ITACUS. Ach! die Liebe der Kinder lasset einen Vater selten eine Nacht ruhig schlaffen. T R U T A R T . SO

Vierzehende Unterredung. 2»

diesen

BASTANI

und

HARRANT,

der Mirminden Vater.

Hattet ihr mir nur ein Wort geschrieben / ich hatte Euch eure Tochter gar nicht wollen vorhalten. ITACUS. Das werden gewiß auch Fremde seyn. H A R R A N T . Mein Freund! Unser Verlaß war einmahl gemacht / Ihr soltet meine Tochter Mirminden keinem folgen lassen / welcher nicht eine Abschrift ihres Geschlechts-Brieffes und die Außgenommenen Gelencke zu der Ketten / so ich Euch zur Belohnung eurer Mühe überlassen / mit sich brachte. BASTANI. Da werde ich gewiß ein vierzehen oder funffzehen Jahr auff Euch warten. Warum seyd ihr nicht eher gekommen? ITACUS. Wir wollen ihnen begegnen / und in ihre Gesellschafft treten. H A R R A N T . W O ist Sie aber hinkommen / hat man dann keine Nachricht von Ihr. BASTANI. Wie gesagt: Der Konig hat Sie lassen nach Hofe holen / und wolte Sie freyen. Aber Sie ist mit einem andern durchgegangen / das hat Sie ihr Leben gekostet. {135) H A R R A N T . Ach gnadige Gotter / helfft mir Elenden. Ο ich armseliger Vater / den sein Vaterloses Gewissen von einem Orte zum andern treibet. Mein Kind habe ich um einer andern Gemahlin willen in zarter Kindheit Verstössen / und nun ist es gar in diesen abgottischen Landen umb sein edles Leben kommen. Weinende. Ach was hastu gedacht / du Vater ohne Liebe? BASTANI. Warum habt ihr so Schelmisch gehandelt? Verzeiht mir / wer seyd ihr dann? BASTANI.

Vom geqvdlten Liebes-Siege,

5. Discurs

315

Habe Danck daß du mich straffest. Denn ich habe es verdienet. Ich bin ein bekanter Fürst auß Thessalien / Namens Harrant. BASTANI. SO seyd ihr ein Fürst. Stehet Ihn hinten und fornen an. Wo seynd dann eure Diener. ITACUS. Glück sey mit Euch / ihr Herren. H A R R A N T . Derjenige müsse sich freuen / welcher Uns Glück gönnet. BASTANI. Und derjenige / welcher mich einen Herrn nennet / müsse grossen Danck haben. ITACUS. Ach was seynd Freuden bey dem / welcher sie verfluchet. H A R R A N T . Und was hilfft dem das Glück / welcher des Unglücks ewiger Pachtmann ist. BASTANI. Und wie kan dem der Herren Titul anstehn / welcher / mit Lobe zu reden / langohrichte Camele treibet. ITACUS. Mein Herr scheinet einer von meiner Gesellschafft zu seyn. H A R R A N T . Und warum so? {136) ITACUS. Denn er ist betrübt. H A R R A N T . Weinende. Ein Vater / welcher seine einige Tochter verlohren / muß voll Jammer leben. ITACUS. Und ein Vater / welcher seinen einigen Sohn fast am Ende der Erden suchet / muß in seinem Alter denen Verzweiffeiten Gesellschafft leisten. H A R R A N T . A U wehe! so schicken wir uns leider zusammen / woferne ein Betrübter auß eines andern gleichmassigen Unglück / Trost schopffen kan. BASTANI. Hattet ihr Eure Tochter / und ihr euren Sohn bey Euch behalten / so dorfftet ihr beyde eure Kinder nicht suchen. H A R R A N T . Meine Tochter / ein einigs Zweig meines Fürstlichen Hauses / must ich um meiner andern Heyrath willen Verstössen / und zu diesen Manne zur Erziehung verdingen. Und nun da ich dieselbe wiederum abfordern will. Siehe so ist Sie nicht zu finden: Weil Sie / ach der Himmel erbarme es! um ihrer Sünde willen gestorben. ITACUS. Ach so suchen die zornigen Gotter diejenigen zugleich heim / deren Haubter mit dem Lorber der Regierung bekräntzet seyn. Ich habe auch über gantz Mysien zu gebieten / und da ich meinem einigen Printzen verstattet / fremde Lander zu besehen / muß ich dessen biß ins zehende Jahr ohne alle Post und Nachricht beraubet leben. Nun muß ich in meinem hohen Alter den-(137)selben in diesem ungesunden Lande/ und wer weiß / wohl gar vergebens suchen. BASTANI. Seyd ihr auß Mysien. O. O. O . Verziehet hier ein klein bißgen / so kont ihr eurem Lands=Manne die letzte Ehre erweisen / und mit ihm am Galgen gehen. Denn er soll gehencket werden. ITACUS. Was hat er dann gesündiget? HARRANT.

316

Johannes

Riemer

Siehe / da / da / das ist sein EPIVACUUM. soll dieses? Sehen das Creutz. BASTANI. Das ist also bey uns Gesetzmassig / wer eine Weibes=Person entführet / der wird an einem solchen Holtze zwischen Himmel und Erden verarrestiret. H A R R A N T . Wie heist dann der Ubelthater? BASTANI. Es ist ein langer kurtzer / dicker schmaler Kerl. H A R R A N T . Seinen Namen. BASTANI. Er ist auß Mysien / und heisset Selimor. ITACUS. Helfft Gotter helfft! Ach das ist mein Sohn / um des Himmels willen. Man wird ja nicht Fürsten wieder aller Volcker Recht öffentlich erwürgen. BASTANI. Ich wil dem Herrn sagen: Es ist alles bey Uns die Art so. H A R R A N T . Warum erwürget man denn hier wieder Gewohnheit Weibes Volck? BASTANI. Ich wil dem Herrn die Ursache sagen: Es steckt alles so in der Natur. (138) ITACUS. Ach mein Freund: Bringet mich doch umb eine Vergeltung alsobald vor den Konig. BASTANI. Das kan wohl geschehen. Folget nur. ITACUS. Ach ihr Berge fallet über mich. Gehen ab. H A R R A N T . Wer ein Hertz hat / erbarme sich mit Mir. BASTANI.

ITACUS. WOZU

Funffzehende Unterredung. König mit

BAGOAS.

Gehen gegen über ein.

Ach Bagoas! Wir haben Uns gar gewiß an denen Gottern durch dieses Urtheil vergriffen. B A G O A S . Ich kan Er. Majestat nicht gnugsam beschreiben / wie höchst verwunderlich es zu gieng: Donner und Blitzen erfüllete den gantzen Boden / und ein Glantz der Gotter schlug uns auff die Erden. M O G O R . Das ist der Ort / wo das Opffer vorgegangen. Sie hengen ja nicht mehr am Holtze. B A G O A S . Freylich! Wir lagen alle mit Zittern auff Unserm Angesicht. Und es schiene nicht anders / als waren Sie mit denen Gottern durch die Lufft gefahren. M O G O R . Ach! Ach! es seynd wohl gar Kinder der Gotter. Ο daß wir sie doch hatten leben / und einander lieben lassen. Das ist die groste Thorheit des Alters sich in die Liebe der Jugend mengen; (139) Zorn machet MOGOR.

Vom geqvälten Liebes'Siege,

317

3. Discurs

tolle / und Liebe verkehret alle guten Rathschlage. Ο Bagoas; unser Untergang ist nahe / und der Gotter Verdammnüß henget Uns über dem Haubte. BAGOAS. Hatten Eure Majestät nur auff mein treuestes Einrathen das Opffer biß an den Morgen verschoben. Sechzehende Unterredung. Zu diesen kommt

CAPYS

mit entblosten

Gewehr

vorgesprungen.

wil ich auch nicht langer in dieser Zeitligkeit warten. Derjenige ist todt / auff welchem ich mein ewiges Glück gesetzet hatte. Er ist mit sammt seiner Braut erwürget. Ο Schande / Ο Schade! Lohnet die Liebe ihren Kindern also? Wohlan mein vergötterter Fürst / mich verlanget dir in der Gegend bey Hades zu dienen. Ich muß bey dir seyn: und wil zuletzt meine Treue auch im Tode erweisen. Will sich ermorden. MOGOR. Halt ein! wer bistu? B A G O A S . E S ist der entlauffene Burg=Voigt. C A P Y S . Will auff allen Ecken davon lauffen / kan aber nicht. Fdlt endlich dem Konige zu Fusse. Gnädigster Konig / mein Leben stehet in Er. Majestät Händen. MOGOR. Du hast auch dasselbe verbieret / allein Unser Betrübniß kan dir noch keine Straffe ansetzen. (140) BAGOAS. Warum woltestu dich denn selbst ermorden? CAPYS. Weil mein Fürst auch nicht mehr lebet. MOGOR. Diese Treue hat dir dein Leben wieder erkaufft. Stehe auff. Dein Fehler ist dir vergeben. CAPYS. Die Gnade Er. Majestät sey ewig gepreiset. CAPYS. Ο SO

Siebenzehende Unterredung. Zu diesen

T R U T A R T , ITACUS, H A R R A N T . S E L I M O R und

Die

Vater

MIRMINDEN.

ITACUS. Er. Majestät verzeyhen in Königlichen Gnaden / unsern unbloden Eintritt. Die zerbrochenen Vater-Hertzen nothigen uns zu dieser Kühnheit. Weinende / Ach! ich klage meinen Sohn. H A R R A N T . Und ich meine Tochter. MOGOR. Was vor Sohn? Was vor Tochter? ITACUS. Welche Er. Majest. wieder der Volcker Recht heute öffentlich todten lassen. 21

Riemer II

Johannes

318

Riemer

Dann es geziemet sich nicht der Gotter Gesalbten zukräncken / und durch einem schmalichen Tod zu beschämen. MOGOR. Seyd ihr Fürsten? HARRANT.

ITACUS. J a . HARRANT. J a .

(141)

MOGOR. Die Eltern Selimors und Mirminden? HARRANT. J a . ITACUS. J a .

Heilend. Ο wo soll ich mich verbergen / daß ich auß Eurem Angesicht komme. Ach vergebet Fürsten. Fält ihn zu Fasse / vergebet die Beleidigung eures Blutes / und bedencket / daß Liebe und Zorn die Weisen bethoren. Ach! ich bin unwerth / eurer Gerechten Augen. Die Gotter hassen mich. Der Himmel wil auff mich fallen. Ach! Fält Itacus in die Arme. Helfft. Helfft / erhaltet mich. Die Erde will unter mir brechen. H A R R A N T . Wann Eur Majestät Demuth und Schmertz Uns nur unsere Kinder wieder geben konten. ITACUS. Aber wo seynd dann die Leichnam? BAGOAS. Die haben sich in der Stunde des Todes vom Holtze verlohren; Und kein Mensch weiß wo sie hin seyn. ITACUS. Ο allergrostes Elend / die seynd von Barbaren gefressen worden. H A R R A N T . Nun lasse ich mich nimmermehr trösten: Dieweil der Himmel mich auch der Knochen meines Kindes unwürdig schätzet. MOGOR. Ach allsichtiger Phoebus / mache [. . .] der Pein ein Ende: Vertilge nur vollends das verzweiffeite Gewissen. Denn ich leide Hollen* Angst .(142) MOGOR.

Achzehende Unterredung. Zu diesen

GANIMI,

geschwind.

GANIMI. Gnädigster Konig! MOGOR. Was denn? Ach! ach! ach! was denn. GANIMI. Was seltzames neues. MOGOR. Erzehle.

GANIMI. Die beyden Ubelthäter / welche Er. Majestät Gerechtigkeit heute entlauffen / habe ich in der Flucht wiederum auffs neue gefangen.

MOGOR. U n d daß Sie leben?

GANIMI. Draussen im Hoffe habe ich Sie beyderseits in frischen Banden.

ITACUS. Selimor? HARRANT.

Und Mirminden?

GANIMI. J a J a .

Vom geqvdlten Liebes-Siege, 5. Discurs

319

MOGOR. Selimor und Mirminden. G A N I M I . Ja Ja. Gehet ab. MOGOR. Ich mocht vor Freuden Rasend werden. H A R R A N T . Ach meine Tochter / meine Tochter. ITACUS. Ach mein Sohn / mein Sohn. MOGOR. Ach Selimor. Ach Mirminde. CAPYS. Ach mein Fürst / mein Herr.

Neunzehende Unterredung. GANIMI ZU

diesen / mit

SELIMOR

und

MIRMINDEN.

Gantz

verdutzt.

In Arm seines Vaters. Ich kenne Euch mein Vater. (143) Ist das meine Tochter? M I R M I N D E . Ist das mein Vater. ITACUS. In die Arme voller Freuden! H A R R A N T . Ich weine vor Freuden. ITACUS. Mein Sohn / mein Hertz / wie so lange? S E L I M O R . Liebe und Unglück haben mich in ihren Banden auffgehalten. H A R R A N T . Ach Tochter ihr werdet mit mir zürnen. M I R M I N D E . Kinderliebe / und Freude können solches nicht zulassen. Aber wie hat mein geliebter Herr und Vater über sein Hertz bringen können / daß er mich von meiner Geburt an verleugnet / und nun in die vierzehen Jahr in der Wildniß unter rohen Leuten vergessen können. H A R R A N T . Geliebteste Tochter / ich schäme mich zwar meiner Tieger= Unart: Alleine die Ursache meines unvaterlichen Bezeugens war der Tod Eurer Mutter. Denn als wir nach diesen zum andern Beylager schreiten wolten / gefiel Uns eine Princessin / welche verschworen hatte / zu heyrathen / einen / der auß erster Ehe Kinder hatte. Wir Hessen uns ihre Schönheit entzünden / und damit Wir Dero Geliebte nicht schwächten / verdingten Wir Euch zu dem Cameltreiber in dieser fernen Wüsten. Damit ja nichts von meiner Unbarmhertzigkeit in Thessalien erschallen m6chte. Inzwischen wurd unsere andere Ehe vollzogen / welche auch numehr durch den Tod wieder getrennet. Und nun kunten Wir nicht ruhen / biß Wir Euch wiederum abgeholet / oder des (144) kümmerlichen Lebens auff der Reise loß worden waren. SELIMOR.

HARRANT.

Auch diese Vater=Treue machet den vorigen Fehler wieder gut. MOGOR. Ach liebsten Seelen / wie erfreuet ihr mich / Ich Jauchze mehr über Euch / als Ulysses über seine P E N E L O P E . M I R M I N D E . Mein Vater! H A R R A N T . Meine Tochter! MIRMINDE.

21"

320

Johannes Riemer

ITACUS. Mein Sohn! S E L I M O R . Mein Vater! CAPYS. Mein Fürst. S E L I M O R . Mein Getreuer. M I R M I N D E . Mein Printz! S E L I M O R . Mein Fraulein! ITACUS. Wir segnen Euch. H A R R A N T . Nechst meinen Wündschen. S E L I M O R . Wir dancken kindlich. M I R M I N D E . Mit Liebe und Gehorsam. MOGOR. Gantz Cambaja soll erschallen / und Delly mit Freuden biß an Himmel erfüllet werden. Durchlauchtige Fürsten / gönnet eurem Beleidiger die Freude / Selimors und Mirminden Liebe zu vollziehen. Mirminde soll einen kostbarn Braut-Schatz auß unserer Kammer heben / und das Beylager von unsern Renten nach aller Kostbarkeit außgerichtet werden. Wollen Sie / so können wir zu Lahor das Panqvet anstellen. Alles was das Land vermag / soll zu Fürstl. Ehren aufgewendet werden. Und die streitbaren Weiber von Moltan sollen alle Auffwartungen bestellen. (145) (Zwanzigste) Zu diesen

BASTANI

Unterredung.

in einen Mantel und grossen breiten L E C T O und

Uberschlage.

ABAFTI.

Ich sehe wohl. Sie dorfften den armen Schwieger-Vater doch wohl vom Beylager weg lassen / wann er sich nicht selbst dazu angebe. Nun wie ists / Herr Schwieger-Sohn / seyd ihr bald richtig. Harre du Struntzgen / nun geht dirs ja recht / wie du es haben wilst. BAGOAS. Redet nicht so grob vor Konig und Fürsten. BASTANI. Du / Nase-Weisser Berenheuter hast viel drein zu reden. Wir seynd Eltern und Kinder zusammen / Wir werden die Worte nicht gegen einander auff die Gold-Wage legen. MOGOR. Was habt ihr dann alle drey bey dem Beylager zuschaffen? BASTANI. Fragt ihr nicht narrisch Ding / Ich würde ja müssen den Brautgam in die Kirche führen. ABAFTI. Ich bin ein bestalter Diener zum Gebet. LECTO. Und ich Herr Brautgam wil euch viel Glück und Heil zum neuen Schlaff-Gesellen gewündschet haben. Und wil euch auch da ein Geschenckgen verehren. (Uberreicht Ihm eine Henne.) Mei Siele / es hat so ein fett Steißgen. Und legt euch alle Tage Eyer. Es ist Schade davor / daß ihr Sie schlachtet. (146) BASTANI.

Vom geqvalten

Liebes-Siege,

5.

Discurs

Beschluß M o g o r .

Das ist Allmacht das ist Glucke / Selimor.

Wen der Himmel ietzt betrübt / Und auffs neue wieder liebt. Bastani.

Das schiert / wenn man schon die Stricke An den armen Halßgen hat. Capys.

Gleichwohl wird der Sache Rath. Abafti.

Wann die Gottheit wil erfreuen / Diana.

Alles muß zu Heyl gedeyhen / Wo ich selber Hand anlege. Iris.

Und wann ich die Wolcken rege / Glantzt der Gotter Gnaden Schein. Mirminde.

Wann wir nur gedultig seyn. Gleich in Liebe / gleich in Leid: H a r r a n t .

Alles mit Beständigkeit. Lavar.

Hoffnung thut auch was dabey. Itacus.

Liebe / Hoffnung Muth und Treu / Seynd die Schwestern reiner Ehe. Lecto.

Aber das thut schmertzlich wehe / Wann der Mann läufft Tag und Nacht / Und die Frau zum Hanrey macht.

Johannes

Riemer

BASTANI.

Aber wann ein alter Bar / Stündlich übern Mann ist her / Und nur hadert beist und brumt; Ο ein solches altes Kumt / Steckt man nicht so offt am Halß. LECTO.

Alte Ziegen lecken Saltz / Auch so offt es man Ihn' giebet. GANIMI.

Etwas zartes mehr beliebet / BASTANI.

Es sey Vormund oder Vater / LECTO.

Aber doch kein Huren Kater. TRUTART.

So viel Diener: so viel Augen / Die ein Fürste bey sich hat. CAPYS.

Aber wann Sie gar nichts taugen / Und den Herren nur außsaugen / Wird der Staat gantz blind und matt. TRUTART.

Wer es mit dem Fürsten meint / Richtig gegen Freund und Feind / Der führt eine treue Hand / BAGOAS.

Gegen Reich und Vaterland. SELIMOR.

Aber Unschuld reine Liebe / MIRMINDE.

Die kein Creutz noch Noth vertri jbe / SELIMOR.

Triumphiren über Tugend /

Vom geqvälten Liebes-Siege,

J. Discurs

MOGOR.

VIVAT dieser Glantz der Jugend! MIRMINDE.

Selimor bleibt nun gepriesen: SELIMOR.

Und Mirminde hat bewiesen / Fast mit Blut durch Noth und Krieg / D e n geqvalten L i e b e s = Sieg.

Seiner Durchlauchtigkeit Dem Herrn ADMINISTRATOR ZU Magdeburg /

Herrn AUGUSTO / Hertzogen zu Sachsen / Jülich / Cleve und Berg 2C. Wurde vor Hochfürstl. Gegenwart in unverhoffter Eyl kürtzlich also gedancket. (148) G r o s s e r F ü r s t v o n S a c h s e n / PRIMAS in GERMANien / und Vater unsers GYMNASII.

^ W O hat nunmehro unser AUGUSTEUM eine solche Probe Landes-Vaterlicher Gnade / auff den heutigen Tag eingenommen / dergleichen noch kein Auffgang der Sonnen iemahls mitgebracht / so lange die Kauffmannschafft freyer Künste auff diesen gesegneten Augustus=Felsen / allhier ist getrieben worden. CRETA mag sich nicht rühmen / noch DELPHIS seinem Abgott durch alle Fabeln loben; Dieweil Jupiter selbst eine leere Erfindung und APOLLO nur ein Gedichte stoltzes Gehirnes ist. Zwar schämen wir uns nicht unbillich / vor der hohen Gegenwart: Denn was kan ein armes unbekleidetes THEATRUM in Hoch=Fürstl. Augen gelten? Was soll unmündige Jugend vor Grauhauptiger Klugheit außführen? Was vor Geberden sollen wir Knechte vor unserm Fürsten und Herrn machen? Ach! die schamhafftige Rothe auff meinen Wangen verrath unser Aller Blodigkeit / und das furchtsame Hertz kan sich vor dem Majestätischen Antlitz unsers Grossen Fürstens nicht bergen. Wiewohl zwar das angemachte Licht / welches ohne dem ein Lügner der warhafftigen Farben ist / wil unsere Verfärbung etwas unerkantlich machen / daß wir uns dennoch eines Danckes vor die nie erhohrte Gnade anmassen: Wir opffern unserm Vater Augusto alles was wir können. Die Fremdlinge { 1 4 9 ) so allhier studieren mögen die schon in der fernen Welt bekante Augustus Güte auffs neue rühmen / und in alle Winckel der Erden vollends außbreiten. Wir aber / seine Landes=Kinder / wolln heute noch diesen Gnaden=Schein unsern Jahr=Büchern einverleiben / und außdrücklich schreiben / daß unser Landes=Vater / Sonnen=Art an sich habe / und so wohl das vollkommene / als unvollkommene / wann es demüthig und gut gemeint / mit gleichmässigen Strahlen zu bescheinen pflege; Darum lebe und scheine uns lange du warme Sonne des Vater=Landes! Wolcken der Unruhe müssen dich nimmermehr verdunckeln / vielweniger

Vom geqvälten

Liebes-Siege

325

ein ander Ungewitter deinen Umkreis schwächen. Deine Durchlauchtigste Phoebe glantze mit dem vollen Mond um die Wette / und deine Hoch= Fürstliche Planeten / als Helden-Kinder dieser Zeit / mögen in Ewigkeit scheinen. Fdlt mit einem Knie zur Erden. Himmel höre das Gebet deiner Knechte / und laß unserm Fürsten lange und unbetrübet leben. (150) 5

Von der erlösten

Germania

Das 2. Capitul.

Von Friede und Bündnüssen. Vorbereitung. D i e Beständigkeit einer wohlgegründeten Republiqve rühret nicht nur von guten Gesetzen / und anderer klugen Anstalt her / wodurch der Regente mit denen Unterthanen / und diese wiederum mit Ihm / in Gehorsam und Liebe / wie Eltern und Kinder sich begehen / und alles das / nach einer gewissenhaften Schuldigkeit / unter sich in acht nehmen / wodurch Sie innerlich in dem Bezirc des Landes / ruhig und ordentlich leben können: sondern es muß auch ein Regiments»Wesen von aussen / und bey denen benachbarten Potentaten die Lineen seines Grundes suchen / damit es dasjenige / was die Natur von benothigten Mitteln zu seinem beqvemen Unterhalt versaget / durch anderer Hülffe sich erwerben / auch in Fall einer entstehenden Feindschaft und Anfall eines Machtigern / durch des Nachbars Beystand sich beschützen kan. Dergleichen Mittel nun werden {151) Bündnüsse genennet / da sich nemlich ein Regent mit dem andern / oder ein Volck mit dem andern / ewig oder auff eine gewisse Zeit verbindet / dem allgemeinen Handel und Wandel zu helffen / und sich beydes theils wieder unrechtmassige Gewalt zu vertheidigen. N u n wird zwar eben nicht erfordert / daß diejenigen / welche Bündnüsse richten / einander an Macht gleich seyn müssen; sondern es mag wohl der Schwächere mit einem Machtigern Freundschafft versuchen; iedoch also / daß er sein Vermögen / und dessen Gemüths-Art / mit welchem er zu tractiren gesonnen / wohl und vernünfftig überlege. Zu dessen Erkentnüß denn der Hochgelehrte BoxHORNIUS IN INSTITUT. POLIT. LIB. I. CAP. 11. ü b e r a u ß herrliche R e g u l e n an

die Hand giebt / und so wohl auß der Natur / als auch auß denen Sitten und Gebrauchen der Volcker / weiset / wie man sich in Bündnüssen klüglich zu verhalten habe. Welche Regulen alle auch in PRAXI der vereinigten NiederLande zu befinden / welche der domahls hochberühmte gelehrte Mann LEO AB AITZEMA, von ANNO 1621. biß 1654. in einem vortrefflichen Tractat zusammen getragen und zu Leiden in Holland mit Vergnügung vieler curieusen Gemüther zu unbeschreiblichen Nutzen Politischer Leute herauß gege-

330

Johannes

Riemer

ben. Das Buch i s t ( 1 5 2 ) würdig / daß es von iederman gelesen / und in allen Bibliothecen gelehrter Leute stehen solle. So seynd auch neulich mit dem so genandten MINISTERIO RICHELI & MAZARINI, welches sonst in Frantzoischer Sprache vorhanden / nunmehr aber vor acht Jahren / zu Würtzburg / auch in Lateinischer Sprache gesehen worden / Franckreichs hochvorsichtige Bundnüsse mit außwartigen Konigen / Fürsten und Republiqven hervorkommen / darinnen eben diese Regulen gar genaue in acht genommen seyn. Zugeschweigen der hohen TRIPELALLIANCE, welche nicht weniger mit allerhand Nothigkeiten / zu Wohlstand und Ruhe / der dreyen in der Welt grosten und höchsten Reichen beliebet und geschlossen worden. Dannenhero muste bey denen alten Volckern allbereit der Glaube solcher Bündnüsse heilig und heer gehalten werden / wovon FLORUS LIB. II. CAP. 2 1 . s a g e t : SUMMA FCEDERUM ROMANIS RELIGIO FUIT. D e n n d e r Z w e c k u n d

Absehen derselben muß zu allgemeinem Heil des gantzen Reiches und Landes hinaus schlagen / damit LIVIUS nicht klagen darff: LEONINA EST SOCIETAS, IN QVA UNUS LUCRUM, ALIUS DAMNUM SENTIT. MAXIMUM AUTEM SOCIETATIS VINCULUM, EST UTILITATUM COMMUNIO. LLB. V I . CAP. 2 2 . I c h l a S -

se hier an seinem Ort (153) gestellet seyn der Politicorum ihr Urtheil / welches sie über einem solchen fallen / der mit heidnischen unchristlichen Volckern sich in Bündnüsse / wieder seine G l a u b e n s g e n o s s e n einlast. Denn sonst müste ich den HEINRICUM II. Konig in Franckreich des FRANCISCI I. hinterlassenen Sohn / allzu sehr straffen / als welcher / da er mit Chur-Fürst Moritzen sich wieder den Kayser vereinigte / und unter dem Titul eines Beschützers von Teutschland / die drey herrlichen Bisthümer in Lothringen / Metz / Tull / und Verdun einnahm / und dem Romischen Reiche entzöge / der Kayser aber auff Ihm loß gieng / ANNO 1553. mit dem Türcken ein schandliches Bündnüß schlosse. Der ihm dann gegen Erlegung einer gewissen Summa Geldes / sechzig Krieges=Schiffe / und fünff und zwantzig Raub=Schiffe zur Hülffe versprach. Doch weiß ich nicht / ob Jacob darum zur Rede gesetzet werden könne / weil er mit Laban coNTRAHiret / GENES. X X I X . oder Abimelech / gesetzt / daß er ein Abgötter gewesen. GENES. X X X I . Am meisten aber die Israeliten mit denen Egyptiem. GROTIUS DE J . B . & P. LIB. II. CAP. X V . §. I X . 1. & 2. schlüst hiervon auß / SEPTEM POPULOS,

SENTENTIA DIVINA DAMNATOS, CUJUS SENTENTLE

EXECUTORES

ERANT DELEGATI ISRAELITE. W e r w e i ß o b es m i t d e m K a y s er- (154)

thum

in Orient so schlimm angelauffen / wann sich CONSTANTINUS für denen Bündnüssen mit den PAL^OLOGIS gehütet hatte. Und wer weiß ob JUDAS MACCABEUS nicht besser Glück gehabt hatte / wann er die heydnischen Romer nicht in seine Freundschafft gezogen. Es ist wahr / Bündnüsse schaden und helffen. Ein wenig Wasser ins Feuer schadet nicht; Dieweil dadurch dasselbe länger erhalten / und zu neuen Krafften angefrischet wird: Alleine zuviel loscht die Asche gar auß. In Bündnissen muß das Band nicht

Von der erlosten

Germania

331

zu lang seyn / denn man sonst solches zu langern / und viel damit zu fassen / grosse Knoden machen muß / welche hernach in dem Gebrauch leichtlich zerreissen / und die Entferneten nicht halten / noch herzuziehen können. Es gehen offt die Bund=Riemen in der Nahte entzwey: die am allerstarcksten halten sollen. So haben auch offt ihrer viel mit an einem Bündnüß zu halten / welche alle zu coNSiDERiRen / Sie mögen die Grosten / oder die Niedrigsten seyn / gleichwie auff einer Lauten auch die kleinsten und subtilsten Saiten müssen erhalten ( w e r d e n ) / woferne der Zusammen=Stimmung nichts ermangeln soll G O t t aber behüte für solchen Bündn i s s e n w i e NAHAS d e r AMONITEN K o n i g m i t d e n e n z u JABES g e m a c h t .

(Iii)

Also habe ich auch nun in diesem andern Capitul der Regenten Glück und Unglück / so Sie bey getroffenen Bündnüssen zu besorgen / vorstellen wollen. Den Anlaß habe ich auß dem allgemeinen Frieden genommen / welchem G O t t in gantz EUROPA, nach vorhergehenden blutigen Kriege / in dem verflossenen 1679sten Jahre / wieder scheinen ließ. Denselbigen zu empfangen / gab mir Gelegenheit / nachfolgenden Theatralischen Discurs abzufassen / die N e u e A u g u s t u s = B u r g an d e r S a a l e / welche in eben dem Friedens=Jahre / der Weyland H o c h w ü r d i g s t e D u r c h l a u c h t i g ste F ü r s t und H e r r / H e r r A u g u s t u s / P o s t u l i r t e r A d m i n i s t r a t o r z u M a g d e b u r g / 2C. Der Hohe nach / mit Auffsetzung eines güldenen Sonnenzeige=Knopffes beschlüssen / und in einer prachtigen Friedens= Solennitat / zu Weissenfelß / sich gegenwartig sehen ließ. Welcher Theatralischer Discurs auch vor hochstgedachter Hochseligster Sr. Durchl. mit guten Vergnügen abgeleget / der Kern aber darauß / biß zu diesen Blattern versparet worden. Der hochgeneigte Leser wolle sich nicht bewegen lassen / wann er etwa lesen wird / daß ich so zu sagen / eine Fabel zum Fundament des Discurses genommen / dennoch aber auß derselben / den wahren Zustand / und wie Vortheilhafftig das arme {156) Teutschland so wohl in Kriege als Frieden bißher mitgenommen worden / gleichsam Spielweise mit dunckeln Farben vorgestellet.

Inhalt des Theatralischen Discurses. EUROPA, Konigin von COSMO, lieget gefahrlich kranck darnieder: Und nachdem ihre beyde Leib=MEDici, DOCT. CONSCIENTIA und Herr. D . RATIO STATUS über der C u r uneinig seyn / nimmt die Pest am Halse / Stechen der Brust / und der kalte Brandt dermassen zu / daß Sie sich gar den lincken Arm soll ablosen lassen. Wiewohl Sie endlich durch die Gotter selbst CURIret / und von ihrem Siech=Bette gen Himmel geführet wird. Weil nun ihre schone Tochter GERMANIA, des PERSEUS Gemahlin / wegen ansteckender Kranckheit bey diesen Abschied nicht gegenwartig / sondern in einer gantz andern Gegend auff der Philippiner Burg sich auffhalten muß / als wird Sie von ihrer Mutter / beyden Leib=MEDicis anbefohlen. Es fügt sich aber / daß GAILE ein großmüthiger und schon vermählter Ritter / sich in GERMANien verliebet / und RATIO STATUS auff seine Seite bringet / welcher verspricht die GERMANIA dem PERSEUS ZU entführen und zu seiner / des GAIlen andern Gemahlin zu machen. E r bringet es auch durch Vermitlung einer alten Hexen / Namens MEDEA, dahin / daß / ob PERSEUS (157) gleich noch so vorsichtig seyn wil / sie dennoch blind gemacht / und mit einer besondern List davon gebracht wird. Alldieweil aber PERSEUS mit drey andern Rittern / ACHILLES, LEO, LOTHARIUS, ihm den Β aß verhauen / wird GERMANIA, endlich auf Raht der MEDEA an einen Felß geschlossen / und von v i e r U n g e h e u r e n / A M B I T I O , AVARITIA, LUXURIA, u n d NEGLIGENTIA, w i -

der PERSEUS Hülffe verwahret. O b nun gleich PERSEUS mit Beystand des LEO, ACHILLES und LOTHARIUS einen tapffern Anfall auf die Ungeheyer thut / sie auch fast erleget / und GERMANIEN errettet / so muß er aber dennoch sehen / wie sein eigner Bunds-Genosse LEO mitten im Kampff seine Faust wieder ihn auffhebet; Nachdem er zuvor durch RATIO STATUS mit Gelde bestochen. Durch welche DIVERSION dann die Ungeheuer sich wieder erholen. D e r Streit wird verneuret / und das Blut vergiessen nicht gestillet / biß endlich PAX vom Himmel fahret / G E R M A N E erloset / und die streitenden Partheyen durch ein allgemeines Bündnüß wieder zu frieden stellet.

Personen. EUROPA, K o n i g i n v o n

COSMO.

GERMANIA, derselben Tochter. R A T I O STATUS. ) CONSCIENTIA. J

£ w e y 1

Leib=MEDici und zugleich Geheimde Rathe. B

5

NEUTRAL, der GERMANIA lustiger D i e n e r .

MEDEA, eine kunstliche Hexe.

(158)

NEGLIGENTIA. AVARITIA. LUXURIA.

Vier Ungeheyer / Tochter der MEDEA. 10

AMBITIO.

GAILE, ein großmüthiger Ritter. P E R S E U S , F ü r s t v o n SALESA. ACHILLES, ein Ritter v o n

CAMRA.

TRECHTUT, ein H o l l a n d e r .

LOTHARIUS, von AusTRAsien ein Ritter. LEO, Graff von Dornen. PAROL. M A N I RR. . }

22

Riemer II

Zwene Bauren.

Vereinigte wieder GAILEN.

15

Vorredner. PAX. JUSTITIA. FIDES.

In Wolcken singend.

CHOR.

5

10

N^as machen wir bey Erden=Spottern! Es wohnet gleich bey gleich / In Welt und Himmelreich. Viel besser ist Uns bey den Gottern. Wo wir vertrieben seyn / Da kehren wir nicht ein. Wer Uns nicht acht / Dem geben wir stracks gute Nacht. FIDES.

is

20

25

Wer mich zerbricht / Dem scheint Fortuna nicht / Weil Lugen Und gifftiges Betrügen Ein Sünden-Brunqvell ist. Die Tugend weichet zwar der List / Wo etwa sonst Bellonens Grim / Mit Ungestüm / Die andern Lander drückt. Da wil ich unverrückt Gepriesen seyn. Wo du Ο Schwester wohnst; Und du die Unter-Welt bethronst: Denn da schiigt nichts / als Götter Segen ein. CHOR.

30

Drum hat das gepriesne Sachsen / Bißher immer können wachsen Mit Vergnügung in dem Lande / Und an seinem Helden=Stande. Unsre Wohlthat soll bekleiben Und in Sachsen ewig bleiben.

(759)

Von der erlösten

Germania

335

JuSTITIA. Ich steh der Unschuld bey / Und rette Herr und Fürst und Unterthan und Knecht / Durch dies mein Wage=Recht / Von Tyranney. Ich kenne keinem Freund / So lange dieses Schwerdt auch selbst den Bruder meint. Ich räche nach Gesetzen Und lasse mich nicht ein Wo Hände gülden seyn. Ich pflege zu ergötzen / Das Land / wo meine Füsse stehen. Wer mich beehrt / Dem wird beschert Ein ewig Wohlergehen. CHOR.

Drum hat das gepriesne Sachsen / Bißher immer können wachsen / Mit Vergnügung in dem Lande / Und an seinem Helden-Stande. Unsre Wohlthat soll bekleiben / Und in Sachsen ewig bleiben. PAX.

Was sonsten Mars verzehrt / Und gantz verheert. Das bring ich wieder. Drum lasse ich mich nieder Germanien zuschauen / Und wieder anzubauen. Der Rhein ist außgeleert / Und gantz in Blut verwand. Die Elsaß schreit nach Mir (160) Austrasien der Europaer Zier / Wird fast nicht mehr gekand. Kein einig Vaterland / Ist unverderbet blieben. Man hat mich überall vertrieben. N u r daß ich noch in Slchß» und Meissen-Gründen / Und an Thüringer Forst / Die Ruhe können finden.

Johannes

Riemer

CHOR.

Drumb hat das gepriesne Sachsen / Bißher immer können wachsen / Mit Vergnügung in dem Lande / Und an seinem Helden=Stande. Unsre Wohlthat soll bekleiben / Und in Sachsen ferner bleiben. FIDES. JUSTITIA.

Wohlan. Wir singen Schwester / dich Von Hertzen kümmerlich / Mit neuen Seuffzern an / Germanien zu retten. PAX.

Ich breche heute noch Gradivens Ketten / Sie soll erlöset seyn. JUSTITIA.

Ich selber wil Sie rächen. FIDES.

Es soll sich Gaile nicht mehr in Sie stechen. CHOR.

So soll das gepriesne Sachsen / Ferner immer hoher wachsen / Mit Vergnügen in dem Lande / Und an seinem Helden-Stande. Unser Seegen soll bekleiben / Und in Sachsen fruchtbar bleiben.

Erstes Discurses Erste Unterredung. EUROPA

kranck auff dem Bett mit R A T I O STATUS und zwey M E D I C I S .

CONSCIENTIA

als

D E r edelste Schatz unter allen Gutern / welche die Sterblichen von denen Unsterblichen empfangen / ist gesunder Leib. Denn was ist Gold und Silber in Kranckheit? Nichts als Beschwerung / welche das Gemüth selbst in einem empfindlichem Schmertz setzt / nachdem wir zu bereuen pflegen / Reichthum besitzen / und nicht gebrauchen können. Die Ehre wird Uns zum Eckel / alldieweil alle Herrligkeit durch die siechen Tage verzehret wird. Diese Crone selbst / welche wir nur zur Erinnerung unserer Majestat auff dem Siech=Bette führen / beschweret Uns darum umb so vielmehr / weil wir dieselbe niemals recht gesund und ohne Schmertzen getragen. Zu dem hauffet sich unsre Kranckheit von Tage zu Tage / daß wir endlich nicht wissen / was die Gotter über uns beschlossen; ob Sie vielleicht unsers Lebens gar überdrussig / und dannenhero verhengen wollen / diesen zerbrechlichen Leib durch ein geheimbdes Absterben allmählich auffzulosen. Denn wir empfinden an allen Gliedmassen Schmertzen / und das Blut wil auß allen Adern (162) hervorbrechen. Darum rathet geliebten Freunde / was zu thun. Ist denn kein Kraut noch Pflaster mehr vorhanden / welches uns zum wenigsten doch den Schmertzen stillen konte. Ist denn des vergötterten / E S C U L A P I I Kunst gantz und gar gestorben / und des Podalirs heilsame Artzney=Erfindung mit Ihm zugleich vergangen?

EUROPA.

Nein / gnadigste Königin / es haben diese beyde Künstler ihres gleichen gar wol hinterlassen. Alleine Er. Maj. Kranckheit ist nach Deroselben Regulen gar nicht außzutreiben. So ist auch nicht allezeit in des Artztes Krafften gestellet / einem iedweden Patienten zu erlosen. Dahingegen offt einen anderen / welcher der Artzney=Kunst weniger ergeben / eine solche Erleuchtung mitgetheilet / daß er mit einem eintzigen Kraute mehr außrichten kan / als ein gelehrter Doctor mit aller seiner Kunst. E U R O P A . E S ist wohl wahr. Aber wer verordnet Uns ein solches Kraut / welches Uns zur Genesung die entfallene Hoffnung wiederbringen kan.

R A T I O STATUS.

338

Johannes

Riemer

hat der sonst haubtsachliche Staats*Gelehrte MACHIAeinen Balsam erfunden / welcher den Schmertzen der Glieder vergnüglich stillet. C O N S C I E N T I A . MACHIAVELLUS hat noch wenig Wunden verbunden. Das weiß ich aber wohl daß er viel Blutstürtzungen erreget / und Konige und Fürsten in Gefahr des Lebens gesetzet. Wie soll nun derjenige gerühmet werden / welcher nach {163) Art der Qvacksalber eine einfache Salbe erfunden / womit er alle Wunden zu heilen / sich unbedachtsamer Weise vornimmt. R A T I O STATUS. Ein allgemeines Mittel gehet doch demjenigen vor / welches nur zu einem Nothfall dienlich. C O N S C I E N T I A . Ja! wann es bewerth / und nach denen Gesetzen erfahrner Manner zubereitet. R A T I O STATUS. Die Panaceen seynd von denen Göttern selbst erfunden / und denen begierigen Menschen zum Vortheil ihrer Gesundheit mitgetheilet. C O N S C I E N T I A . Ach! Die herben Billen überziehet man offte mit angenehmen Farben / und die sauresten Pulver vermischet man mit Golde / nur dem Patienten einen Appetit zu machen / und zum Gebrauch vorgeschlagener Mittel zubeschwatzen. Solte nicht dieser betrügliche Medicus gleich wie Medea seinen Balsam mit gelinden Gifft angelassen haben / welcher den ohn dem abgematteten Leib unserer Konigin nach und nach vollends verzehren konte. E U R O P A . Ach! Die Brust fühlet Schmertz / und ein stetswahrendes Stechen vermehret die Zufalle. Das Haubt empfindet Hitze: und das Hertz ein nie erhörtes Klopffen. R A T I O STATUS. W O die Zufalle sich mehren / so müssen wir auff geschwinde Mittel bedacht seyn. R A T I O STATUS. E S VELLUS

Andere Unterredung. Zu diesen

NEUTRAL,

nieset und taumelt.

(164)

Herr Neutral. Und das bedeutet einen Rausch. Sieh da Herr Doctor Fegefeuer: und Herr LiCENT. Schelmisch: oder daß ich recht sage: Gewissenhafftig. Was macht ihr denn hier guts? Ich halte ihr wolt der Konigin ein Zapffgen stecken? R A T I O STATUS. Verunruhige die Konigin nicht mit deinen Geplerre / du unsittsamer Mensch. N E U T R A L . Je du Wasser Inspector. Ich bin der Konigin naher als du. Ihr Leib=Kutscher holt alle seine Wagenschmiere bey meinem Vater. Und meines Vaters Bruder hat in die neunzehen Jahr auff ihrem Forberge geN E U T R A L . P R O S I T M Ö N S . N E U T R A L . SALUS SALUS

Von der erlösten Germania,

1. Discurs

339

droschen. Und zudem / so habe ich auch mehr bey ihr zuschaffen / als ihr Kerl allebeyde. Ich bringe ihr Post von ihrer Tochter Germania. Herr Doctor es seynd ein hauffen Bauren mit Stroh-Glasern draussen. EUROPA. Germania: unser liebstes Kind Germania: Wer ist hier / wer redet von Ihr. NEUTRAL. Herr Neutral hat so seine Beliebung von ihr zu sprechen. EUROPA. Bistu zugegen / Neutral. NEUTRAL. J a f r e y l i c h .

EUROPA. Unserer Tochter Diener. NEUTRAL. Diener und lieber Getreuer. EUROPA. Wann ist dann deine Ankunfft. NEUTRAL. Gleich ietzo. Denn diesen Augenblick bin ich abgesessen / und habe mein Pferd zum Schlosser geschickt / daß er mir eine neue Stachel dran machen soll. ( / 6 5 ) EUROPA. Nun wie lebet unsere Tochter? NEUTRAL. Schlecht und in Einsamkeit. EUROPA. Ach die Gotter seyn ihr gnadig! Ist Sie denn annoch auff der Philippiner Burg / wohin wir Sie um Sicherheit willen senden müssen. NEUTRAL. O . J a ! alleine wir haben Uns in ein ander Gemach /nach dem Wasser zu gezogen. Allwo es einem sehr lustigen Hain giebet: in welchem die einsame Germania ihre Zeit mit dem lieblichen Geräusch der Wasser und süssen Gethone der Vogel zubringet. Wir musten nothwendig in etwas entweichen. Denn dort hatte Sie gar zu eine grausame grosse (Herr Doctor wenn ich mit der Konigin rede / so müst ihr fein erbar thun) Anfechtung / des Nachts von der Gasse außzustehen. Es war nicht anders / als wann etwa ein Parißgen im Schlosse ware / welchen Philax / Budel / Hector / Schütze und solche Kerl zu gefallen lieffen / und mit Auffhebung des Rechten Hinter=Fusses um den Eckstein herum strichen. Die gantze Nacht war ein Gefiedle / ein Gesinge vor der Thür / eben als wann man Bauer=Hochzeiten halten wolle. Man kunte weder Schlaff noch Ruhe haben. Darum seynd wir auch in ein Hinter=Gemach gezogen. W o man Uns in unserer Nacht=Ruhe nicht mehr verstoren kan. Es war einer unter der Compagnie / welcher einen Hut mit weissen Federn und ein Silber=weiß Kleid an hatte. Der war Hahn im Korbe. Er schlug allen andern die Laternen in Stücken / stüß Ihnen die Tische um / und jagte Sie vor hundert (166) Hencker gar weg. Damit sein Stanckgen alleine mochte gerochen werden. EUROPA. Himmel! Wie mögen die vernünfftigen Menschen ihren rasenden Begierden die Zügel allzuschnell schüssen / und sich dadurch vor der Gerechten Welt augenscheinlich anklagen lassen. Hat nicht dieser edle Ritter seine eigene Gemahlin Franca / des Glorwürdigen Clodovici Tochter. NEUTRAL. Ich dencke wohl.

340

Johannes

Riemer

EUROPA. Wie kan er denn das geschworne Bündnüß der Ehe / welches numehr fast vor dreyssig Jahren / dort nechst der Weser auffgerichtet / und in denen Augen unserer Welt bestätiget / so leichtsinnig brechen. N E U T R A L . Je mochte einer sagen. R A T I O STATUS . Das ist die Art grosser Gemüther / welche sich nimmer gerne von Gesetzen umschrencken / oder durch Verheissung gefangen halten lassen. Es last sich im Fall der Noth" und'eigennützigen Vorfallenden Gebrauch / eine / gleich auch beschworne Zusage / gar wohl wiederruffen. N E U T R A L . Das habt ihr gewiß von dem Mathematico gelernet / wo der Ixion seine Geometri begriffen hat. C O N S C I E N T I A . Herr Doctor / die Pille war zu scharff / und vor das zarte Temperament unsrer Konigin gantz unbeqvem. R A T I O STATUS. Grossen Herren steht alles frey. N E U T R A L . Euch auch ein halb Dutzent solche zu geben. Klatscht in die Hand. (167) C O N S C I E N T I A . Aber doch nicht Treu und Glauben brechen. EUROPA. Denn hierdurch werden gesalbete Haubter verunreiniget. Ich habe ein Königlich Pulver zubereitet / welches alle Unreinigkeit / der Tyranney in denen Augen der Unterthanen abführet. Und pflege es zu nennen: Q V O D L I B E T , L I C E T . C O N S C I E N T I A . Ich schätze meine gottliche Tinctur vor weit krafftiger / welche ich nenne: Q V O D T I B I NON VIS F I E R I , ALTERI NE FACIAS. R A T I O STATUS.

Und hier habe ich ein Recept / welches auff der Insul Phebol / in den Weltberühmten Dioscoridis Krauter=Büchern gefunden worden: ein vortrefflich Mittel wieder die Politische Colicke / daß wann einem das INTERESSE noch so sehr im Leibe reist / kein besser REMEDIUM kan ersonnen werden. Als nemlich: Ehren=Preiß / Fuchßschwantz / Nabelflacks / Pfaffenblat / Natterwurtz / Narren=Kolben / Repuntia / Wiederstoß / und Huckauffdiemagd. Jedes eine Hand voll: in einem Leinwand= Strumpff zusammen DisTiLLiRet: und in dem warmen Athen eines perfecten Lügners getreiget: und so dann ein baar Messer= Spitzen in dem O X I S M O eingenommen: PROBATUM von Stund an. Gnadige Frau / will Sie etwa ein D O S I U M davon haben?

NEUTRAL.

EUROPA. Ach wir stossen allen Gebrauch der Artzney von uns: Dieweil wir lieber unsere Erlösung erwarten wollen. Denn was hilfft Uns auch die allerbeste Cur / wann wir durch Zorn und (168) Schrecken immerfort wieder in vorigen Ubelstand fallen. Gaile hat uns aermassen wieder erschrecket / daß es Uns in alle Glieder geschlagen. Gnadige Frau / lasts nur gehen wie es geht. Denn Sie wird sehen; es hat keinen Bestand.

NEUTRAL.

Von der erlösten Germania,

1. Discurs

341

Das Glück ist Kugelrund / und wer sich demselben vertrauet / muß am Ende einen Trost in der Verzweifflung suchen. R A T I O STATUS. Ey was / trübe Wasser geben am ehesten Fische: und wer die Gelegenheit auß denen Händen last / ist derselben nicht werth. N E U T R A L . Ich dachte die Herren waren M E D I C I : Wie kommt es dann / daß Sie so verblühmte Staats=Reden führen? R A T I O STATUS. Ein ieder Standes=Mann muß den Mantel nach dem Winde hangen: Und das ist ein armer einfaltiger Tropff / der etwas redet und meinet es von Hertzen. N E U T R A L . Hort doch Herr Doctor / wann Lügen Latein / und Betrügen eine Kunst ist / so will ich alle Stunden Doctor werden. Auff solche Weise müssen die Schelme gar wohlfeil seyn. C O N S C I E N T I A . Der Himmel hasset Falschheit / und die gerechte Welt allen Betrug. N E U T R A L . Ihr Herrn Docteurs! Mein Rath ware / ihr gienget nach Hause / und machet der Konigin etwas von Sterck=Maulschellen. Denn es kommt mir vor / wie die Mattigkeit immer zunahm. (169) EUROPA. Das Stechen der Brust will gar nicht nachlassen. N E U T R A L . Ach gnadige Konigin / Brust und Seitenstechen gienge wohl hin / wenn ihr der Halß nur nicht so auffgeschwollen ware. R A T I O STATUS. Von Salpeter / Schweffei und Kohlen ein Pulver gemacht / kan das Bruststechen gar geschwind wegnehmen. N E U T R A L . Das glaube ich gar wol / wann man so etwa einen halben Centner Mixtur von Schwefel und Salpeter macht / und den Patienten damit in die Lufft purgiret / daß Bruststechen / Zahnweh / Nieren=Stein und alle Schmertzen vergehen. R A T I O STATUS. Diese Kranckheiten kan ich alle mit Verstände heilen. N E U T R A L . Wann Sie nur von Frantzosen curiret ware. C O N S C I E N T I A . E S ist eine eingefressene Kranckheit / welche zur Zeit noch nicht zu heben / wie lange ich auch der geplagten Konigin mit Schweiß= Badern eingeheizt / und warm gemacht. R A T I O STATUS. Sie muß etwas verbeissen. Und in Fall der Noth sich den lincken Arm ablossen lassen. N E U T R A L . Das ist wahr / es ist ein grosser Zierrath / wann man nur einem Arm hat. EUROPA. Wie? Unserm lincken Arm verlieren; Lieber wollen wir zu denen Gottern reysen / und um Artzney bey Ihnen bitten. Sie reist sieb auß dem Bette auff: Beystehende fahren zu / Sie (170) zu halten. Last mich: Last mich. Niemand kan mich retten und meine Schmertzen stillen. R A T I O STATUS. Ich / Ich wil helffen. E U R O P A . Stost Ihn zu Boden. Weg mit verbotnen Mitteln. Conscientia folget Uns. Gehet mit Zwange ab. CONSCIENTIA.

342

Johannes

Riemer

Er. Majestät lassen sich halten / biß der Zufall vorbey. Nein! nein. Zwinget Conscientia mit fort. N E U T R A L . Legt sich auffs Bette. Herr R A T I O STATUS, was werdet ihr nun vor eine Latwerge einnehmen müssen / daß ihr wieder auffstehen könnet. R A T I O STATUS. Ach! wer von der Konige Händen fallet / der falt gar hart. N E U T R A L . Ich liege weich genug: Bleibt immer liegen / biß ich auffstehe. CONSCIENTIA. EUROPA.

Dritte Unterredung. Kommt wieder. Ist Sie wieder zu Euch kommen. Ach Gnadigste Konigin! wie hat Sie mich erschrecket. N E U T R A L . Ach freylich ja. Hort doch / Herr C O N S C I E N T I A , must ihr nicht trefflich die Wasser besehen können / weil ihr Herr Neutralen vor die Konigin ansehet. C O N S C I E N T I A . Ach! ich bin voll Angst. Wo ist Sie dann anzutreffen? (171) R A T I O STATUS. Wer wil ihr nachlauffen? Wir wollen in andere Dienste gehen. C O N S C I E N T I A . Wer wolte so bald die Treue brechen / und seine Konigin verlassen? Wenn wir Sie nur wieder finden konten. R A T I O STATUS. Wo habt ihr Sie aber verlassen. C O N S C I E N T I A . Ich folgte Ihr auff dem Fusse nach: alleine es verblendete mich ein Glantz der Gotter / daß ich nicht wüste / wo Sie ihrem Weg hingenommen. Es schiene nicht anders / als wann Sie ein schönes Kind der Gotter bey der Hand hatte / und mit Ihr durch die Lufft flöhe. Ach! wo wende ich mich hin / daß ich meine Konigin wieder finde? N E U T R A L . Stehet auß dem Bette auff. Gebt Euch doch nur zu frieden / Ich wil Euch schon ein Mittel sagen / wie ihr Sie wieder finden könnet. C O N S C I E N T I A . SO sage denn bald: Der Verzug bringt Gefahr. N E U T R A L . Ja Ja ich wils Euch alsobald sagen. Sehet nur zu /daß ihr kont ihr rechtes Ohr finden: und wann ihr das habt / so fahrt nur sachte über die lincke Achsel herunter / so kont ihr sie gleich bey der rechte Hand nehmen. C O N S C I E N T I A . Ο du leidiger Troster. Was zu thun R A T I O STATUS? R A T I O STATUS. Wir müssen in andere Dienste gehen. N E U T R A L . Ach ihr Herren / nehmt das nicht vor. Herr R A T I O STATUS vertragt sich nimmermehr (172) mit Herr C O N S C I E N T I A . A D SPECTATORES. Wann dieser Pillen verordnet /-«so steckt der Zapffgen. Herr CONSCIENTIA macht einem bißweilen trefflich heiß / er jagt einem einen Schweiß auß / als wann man sich be — — als wann man gebadet hatte. Ich wil Herr R A T I O STATUS viel lieber brauchen. Er kann einen so CONSCIENTIA.

Won der erlösten Germania, 1. Discurs

343

gelinde zudecken / Seine Tranckgen seynd so süsse so süsse / wie des Frauen*Zimmers gute Worte. Seine Brust=Küchelein seynd so schone vergüldet; Ja zu jüngst in seinen Magen=Wasser schwimmet glantzendes Gold herum. C O N S C I E N T I A . Neutral! aber warum wiltu meine Artzney verachten. N E U T R A L . Eure Artzney / mein Herr C O N S C I E N T I A , ist nur vor etzliche wenige Geistliche / welche zu Zeiten der Peste die Patienten besuchen müssen / daß die gifftige Seiche nicht an Ihnen hafften kan. R A T I O STATUS. Bey mir heist es recht: Arzt hilff dir selber: Ich befinde mich traun selbst nicht wohl. N E U T R A L . Herr D. R A T I O STATUS Ich wil Euch was sagen: Die Frantzoischen Pistolen haben sich bey Euch zwischen Fell und Fleisch gesetzt / und dazu wird eine starcke Purgantz von nothen seyn. R A T I O STATUS. Es hat keine Noth: An dieser vornehmen Kranckheit will ich mich selbst curiren. (173)

Vierdte Unterredung. Zu diesen NEUTRAL. W e r

GAILE.

da?

GAILE. Ein Edler Ritter / welcher zuletzt noch mit der Verzweifflung kampffen muß. R A T I O STATUS. Wie? Mit Verzweifflung kampffen? Ritter seynd wie Granat=Aepffel / welche allen Augen belieblich seyn. Und wie soll denn nun derjenige schwermüthig werden / welcher von aller Welt wie das gute Wetter angebetet wird. N E U T R A L . Bereucht Ihn. Das riecht / weder wie Pomerantze noch Granate. Oder es müsse seyn / daß ich auch ein Ritter ware. Denn vergangen an der Knoblochs-Mittewoche rochen bald alle Leute so. C O N S C I E N T I A . Vielleicht rührt diese Schwermüthigkeit auß einem andern Brunnen her. R A T I O STATUS. Edler Ritter / sagt Uns eure Beschwerung an. Denn hier ist ein Meister zu helffen. GAILE. Ach! hier ist aller Aertzte Kunst verlohren / wo du nicht wilst / du einige Sättigung meines begierigen Hertzens. N E U T R A L . Ich höre schon / wo es Ihm fehlet. An einen Früh=Stücke mangelt es Ihm. Er wil gerne fressen. R A T I O STATUS. Tapffrer Held! Ich mercke viel-(174)leicht schon / wo die Kranckheit seines Gemüths herrühret. Vielleicht auß einer Sehnsucht? GAILE. Ach! er ist meiner Beschwerung ziemlich nahe kommen.

344

Johannes

Riemer

RATIO STATUS. Etwa zu einer Person / welche Sie lieben? GAILE. Ihr könnet mir ins Hertz sehn: Und eure Kunst / halte ich nicht vor naturlich. RATIO STATUS. Verstand macht klug: und ein wohlbedach tig Urtheil kan alle geheimde Sachen ergrunden. GAILE. Die Herrn verzeihen mir / daß ich nach ihrem Zustande und Namen fragen mag. NEUTRAL. Ich kan dem Herrn zwar wohl meinem Namen vertrauen; alleine: ich bitte nur u m

RESPECT.

RATIO STATUS. I c h heisse RATIO STATUS, und diene b e y denen K o n i g e n so

wohl mit Artzney / als auch zu dem gemeinen Besten mit Rathschlagen. GAILE. Diese Charge ist zwiefach zu preisen. Alleine wozu ist dieser bedienet. CONSCIENTIA. Ich habe bißher zwar gleichwol als MEDICUS und Hoffrath bey Hoffe gedienet / Jedoch aber habe ich bey denen Curen vor nichts als DI^ET, ZU Hoffe aber vor genaues Recht und Billigkeit gesorget. GAILE. An diese beyde zwar kan man sich nicht allezeit binden. RATIO STATUS. Und eben dieses ist meine Lehre. CONSCIENTIA. Der Ich ins Angesicht wiederspreche. (175) RATIO STATUS. Mir gebieret zu lehren / und Euch Doctor ohne Grund ZÜsch weigen. CONSCIENTIA. Diesen Satz kehre ich um. RATIO STATUS. O h n e V e r s t a n d .

CONSCIENTIA. Dessen mit dem ich rede. RATIO STATUS. I h r seyd einfaltig.

CONSCIENTIA. Und ihr nicht klug. R A T I O STATUS. I h r r a s e t .

CONSCIENTIA. Und ihr seyd toll. NEUTRAL. I c h bin N e u t r a l .

CONSCIENTIA. Ihr verderblicher Rath. RATIO STATUS. I h r u n n ü t z e r L e i b = M e d i c u s .

CONSCIENTIA. Ihr curiret den Leib / und verderbet die Seele. RATIO STATUS. Und ihr lasset den Leib abmatten / und kranckt die Gemüther. CONSCIENTIA. Wer gerecht lebet / bedarf meiner Cur nicht. RATIO STATUS. Ich diene keinem / welcher selbst klug ist / und sein INTERESSE v e r s t e h t .

CONSCIENTIA. I h r b e t r ü g e t . RATIO STATUS. S c h w e i g t o d e r .

NEUTRAL. Ich heisse Neutral. GAILE. Ihr Herren; wozu dienet Zanck. Denn eure Uneinigkeit kan mich nicht retten.

Von der erlösten Germania, 1. Discurs

345

nimmt Ihn bey der Hand / worinnen eure Kranckheit bestehet / oder was etwa eurem Stande schadet.

RATIO STATUS. Sagt mir nur braver Held /

GAILE. Nichts krancket meinen Zustand / und der gesunde Leib verbietet mir über etwas zu kla-(/76)gen. Denn diese tapffre Faust ist bißher so glücklich gewesen / daß Konige und grosse Fürsten ihre Macht preisen müssen. Niemand bin ich unterthan: alleine die Liebe wil sich bey mir einer Herrschafft über das Gemüth anmassen. Und dadurch bin ich unglückselig. RATIO STATUS. SO ist er ein Glückseliger Unglückseliger: alldieweil dasjenige / wessen Abwesenheit ihn unglücklich macht / gar bald zuerlangen. GAILE. Alleine darff die Gemahlin auch wiedersprechen? RATIO STATUS. Haben Sie denn eine Gemahlin? GAILE. Freylich! Denn sonst ware meiner Sehnsucht gar leicht gerathen. RATIO STATUS. Endlich kan eines Ritters Gemahlin einer andern Liebe nicht im Wege stehen. CONSCIENTIA. Dieses ist des Rhadamantus Gesetz / dessen Rechenschafft man in der Holle suchet. NEUTRAL. Grossen Danck; ich thu ihm nichts. RATIO STATUS. Ha ha! Dessentwegen wird Cerberus den Rachen nicht weiter auffsperren / wenn gleich ein Fürst und Konig nebenst seiner Gemahlin eine andere / welche seinen Augen gefallet / sich an die lincke Hand vermählen last. CONSCIENTIA. Dieses streitet wieder die Gebot der Gotter / und mit der geschwornen Treue der Ehe. GAILE. Ich bin auß Königlichen Geblüte / und (177) gebrauche die Freyheit meiner Vorfahren. RATIO STATUS. Darum ist er auch nicht schuldig / iemanden etwas zu geloben: oder da ja etwas gelobet / nimmermehr zu halten. NEUTRAL. Das ist gut vor die Kauffleute / so dorffen sie sich nicht um die Wechsel-Brieffe kümmern. CONSCIENTIA. Die Pflicht erkennet keine Person / sintemahl die Gottheit sich selbst mit denen Sterblichen dadurch verlobet. GAILE. Wie! Conscientia ihr müst wissen / daß ich eine Crone in verborgnen führe. CONSCIENTIA. Und eben von denen Cronen wird Treu und Glaube destomehr erfordert. RATIO STATUS. Ein Potentat muß nach blossen Gefallen und ohne Vorschrifft herrschen. CONSCIENTIA. Aber doch zugleich den Glauben halten. RATIO STATUS. Die Liebe richtet sich nach der Natur. NEUTRAL. Viel Feur / viel Hitze.

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Johannes

Riemer

GAILE. Wer kan die Begierden dampffen / welche der Himmel unserm Blute nach besondrer Güte mitgetheilet. RATIO STATUS. Ein Fürste hat keine Gesetze / und darinnen bestehet seine Hoheit / daß er thun mag was er wil. CONSCIENTIA. Ach! Ratio Status / Ihr seyd verblendet / und eure Rathschlage schaden dem Lande. RATIO STATUS. Und ihr seyd viel zu furchtsam / {178) wodurch ein Reich in Niedrigkeit und steter Armuth bleiben muß. GAILE. Die Freyheit ist ein Kenn=Zeichen der Konige. CONSCIENTIA. Ja! aber doch nicht zu Lastern. GAILE. Conscientia! eur Rathen stehet mir nicht an. CONSCIENTIA. Freylich! weil ihr eines andern Eheweib begehret. NEUTRAL. Ich dencke ihr werdet einmahl nach Hause kommen / wie unsers Edelmannes Hund. GAILE. Germania ist schon. RATIO STATUS. Und Perseus ihr Eheman machtig. NEUTRAL. Zwene Hunde an einem Knochen können sich selten vertragen. CONSCIENTIA. Ist nicht Germania Perseus Gemahlin / und ihr der Franca vermählter Eheman? Warum soll dann Geitz und Geilheit zwey Bündniß auff einmahl brechen / und zwey Ehebruche zugleich stifften. RATIO STATUS. Die Gebietenden dieser Welt können nicht Ehebrechen / weil ihnen alles zugelassen ist. CONSCIENTIA. Auch Eyde zu brechen. RATIO STATUS. Was Sie verlangen / ist ihren Lüsten wohlfeil. CONSCIENTIA. Ach so helffe der Himmel selbst sein heiliges Recht beschützen und die armen Unterthanen vor Ergerniß behüten. GAILE. Das wird ohne eure Vorsorge gesche-(279)hen. Ihr aber Herr Ratio Status seyd hiermit bey Uns zu Diensten eingeladen. Gefallet Euch unsern Vorhaben beyzustehen und dasselbe mit Rath und Anschlagen zu fordern / so wollen wir eurer Treue Lebenslang mit Gutthat und Güte verbunden bleiben. RATIO STATUS. Ich sage Er. Gnaden Danck / daß Sie mich in dero Dienste nehmen wollen; und gehorsame gantz willig. Erbiete mich auch nicht nur allenthalben meine Treue zu Wohlfarth meines Herren leuchten zu lassen / sondern auch absonderlich bey Vorhabender neuen Vermahlung mich also zu erweissen / daß Er. Gnaden die Früchte ihres itzigen Verlangens bald schmecken: Das ist / die schone Germaniam in ihren Armen fühlen sollen. GAILE. Treuester Rath! ihr seyd die Stütze unserer Hoffnung / auff welche wir unser Heil und Wohlfahrt gründen. RATIO STATUS. Folgen Er. Gn. meinem Rath / so sehe ich Sie schon genesen.

Von der erlösten Germania,

1. Discurs

347

GAILE. A c h ! n u r geschwinde Mittel z u r H a n d / I h r solt meinen G e h o r s a m preisen. RATIO STATUS. U n d z w a r m u ß ich alleine rathen. D e n n viel Koche versaltzen allezeit den Brey. GAILE. N i e m a n d soll in unsre Geheimnüsse sehen / denn eure kluge A u gen. Folget indeß n u r U n s an der H a n d / damit wir Euch unser Vorhaben in Vertrauen recht eroffnen mögen. {180) RATIO STATUS. Mit allen Willen. Adieu / gewesener H e r r College! W i r k ö n n e n ins künfftige nicht ferner nechst einander dienen / u n d einer H e r r s c h a f f t beyrathen. CONSCIENTIA. G e h e t hin; ich w ü n d s c h e Euch von dem gütigen H i m m e l eine Erleuchtung; E u r e r Amts=Brüderschafft aber werde ich n i m m e r m e h r mich r ü h m e n . Gnadiger H e r r . GAILE. W a s ist z u e r i n n e r n ?

CONSCIENTIA. SO haben Sie keine Bestallung v o r mich übrig. GAILE. SO lange wir diesen unsern neuen Rath u m U n s haben / so lange haben wir eurer Dienste schwerlich v o n n o t h e n . NEUTRAL. A b e r MÖNS. N e u t r a l wird doch SACOMMoriret werden. GAILE. V o n dir traun! w ü r d e n wir schlechte E h r e haben. RATIO STATUS. Gar recht / G n . H e r r . D e n n diejenigen / welchen N e u t r a l dienet / habens eben so gut wie die / welche in m i t t l e m Stock des Hauses w o h n e n . W a n n die obern Hauß=Leute einen C a m m e r - T o p f f umstossen / so w e r d e n Sie begossen; und v o n dem U n t e r s t e n angemachten Feuer beist Sie der Rauch in die Augen. N e i n / wir haben Eurer beyden nicht von n o t h e n . Adieu.

Gehen ab. NEUTRAL. G e h e t i m m e r hin ihr Auffschneider / I h r Mückensauger u n d C a melverschlucker. H r . N e u t r a l u n d Conscientia bleiben deßwegen doch w o h l redliche Kerl. Ists nicht w a h r H e r r D o c t o r . (181)

Fünffte Unterredung. Zu diesen

EUROPA

mit Glantz und Feuer. Vergöttert.

NEUTRAL. NU! last sehn / was kan d e n n das? w e r trinckt den T o b a c k . CONSCIENTIA. A c h ! Gnadigste Konigin. NEUTRAL. A c h Gnadigste Frau! EUROPA. R ü h r e t mich nicht an: sonst verzehret Euch mein Glantz. Ich habe A r t der G o t t e r an mich g e n o m m e n / welche sich mit Sterblichen nicht vermengen. Phoenicien kenne ich nicht mehr / u n d meine B r ü d e r Thasus u n d C a d m u s müssen mich selbst n u m e h r als ihre G o t t i n mit O p f f e r be-

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Johannes

Riemer

ehren. Der grosse Jupiter hat sich in meine Gestalt verliebt / nach dem er seine Majestät der Gottheit um meinet willen in einem schneeweissen Taur verborgen; nur damit er mich desto eher in dem Garn der Liebe verwickeln mochte. Numehr bin ich genesen / und keine Kranckheit darff mir mehr zusetzen. Apollo hat mich selbst curiret / und bedarff ietzo keine andere Auffsicht. Ich gesegne Euch / und verlasse die Welt. Denn hinführo wohne ich bey denen Unsterblichen Gottern. C O N S C I E N T I A . So sollen wir Er. Majest. nimmer wieder sehen? E U R O P A . Wer nicht Gottlich ist / kan Uns nicht sehen. N E U T R A L . Wann wir aber Brillen auffsetzen / solten wir Euch denn nicht erkennen können. (182) C O N S C I E N T I A . Eur. Majestät bitten die Gotter vor Uns verlassene. N E U T R A L . Daß wir wieder Dienste bekommen / und zum wenigsten nur Schosser oder Ambt= Leute werden. E U R O P A . Eure Gefahr ist mir schon bekandt / und was der untreue Ratio Status an Euch begangen ist mir nicht verborgen. Ich wil den Frevel heimsuchen / und Euch in Verfolgung beystehen. Gehet nur hin und dienet meiner Tochter Germania mit treuen Beystand. Sagt ihr auch / daß Ich Sie in dieser Sterbligkeit nicht mehr sehen werde. Sie soll ihrem Perseus getreue bleiben / und der Gotter Hulffe erwarten / denn ihre Erlösung ist nahe. Gehet schnell davon. N E U T R A L . Heulet überlaut: N u n ist Sie fort. Wo wil ich nun meine Besoldung hernehmen? C O N S C I E N T I A . N u r zu frieden! Neutral / denen die ehrlich handeln / steht die gantze Welt zum Unterhalt offen. N E U T R A L . Wer wird Uns aber eine Wurst umsonst braten? C O N S C I E N T I A . Ey was Wurst? Brodt und Wasser haben manchen Heiligen erhalten. N E U T R A L . E S ist aber ein grosser Unterscheid zwischen Wasser und 6 gl. Weine. C O N S C I E N T I A . Neutral. Gedencke an deinen Nahmen / und laß im Nothfall den Unterscheid zwischen Wein und Wasser fahren. N E U T R A L . Ja! Ich habe zwey Nahmen / und heisse Bonifacius Neutral. Neutral zu Arbeit (.753}und Schlägen. Aber Bonifacius zu essen und zu trincken. C O N S C I E N T I A . Ach Neutral / wir seynd zwey unglückselige. Du weist daß man meine Bedienung an diesem Hoffe schlecht geachtet. N E U T R A L . Ja ich weiß gar wol / daß ihr ein armer Schelm iederzeit gewesen. C O N S C I E N T I A . Und dannenhero habe ich nicht so viel erworben / daß ich ietzo bey dieser Bedrengniß in einander Land zehren kan. Denn was soll ich hier machen / wo ich allen Leuten verhast / und in aller Augen eine

Von der erlösten Germania,

1. Discurs

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Spinne bin. Und gleichwohl habe ich keinen Pfennig mit auff den Weg zu nehmen. N E U T R A L . Und ich habe auch nichts. Wann wir nur biß zu meiner Princessin Germanien Zehrung hatten. Aber so ist mein Geld=Sack außgedrocknet / wie eine Pfitze in Hunds=Monat. Ach wir zwey armen Patienten / haben alle beyde die Schwindsucht: So gar daß Uns die Beutel verwelckt / wie die gebackne Huzeln. Artzt hilff dir selber. Herr Doctor helfft mir auch. Ja! die Keule ist Euch an Morsel gefroren. Und das Wetter der Ungnade hat in euren Brennzeig geschlagen / wie Jupiter in des Salmoneus Brücke. Jedoch konten Eure Excellentz auch wohl mit Simplicibus curiren. Wann wir nur das Tausend Gülden=Kraut hatten.

Sechste Unterredung. Zu diesen der Bauer MANIR. MANIR. W O

(184)

werde ich denn nun stracks einen so grossen Wagen herneh-

men. Dieß scheint ein Land=Mann zu seyn: Vielleicht ist er guthertzig / wir wollen Ihn um Verlag unserer Reise anreden. N E U T R A L . Der beste Bauer ist ein Sch—leicher. Der wird Uns wenig zur Reise vorstrecken. M A N I R . Es muß ein fein bißgen Geld seyn / welches mit 6. Pferden soll gezogen werden. C O N S C I E N T I A . Glück zu mein Freund. M A N I R . Das müst ihr Danck haben. CONSCIENTIA. W O denckt ihr nauß? M A N I R . Wen sucht ihr dann? N E U T R A L . Hort doch mein lieber Alter: Habt ihr etwa die güldne Ader: Ich und der wollen Euch braff daran curiren. M A N I R . Hat sich wohl gegülden ädert / wann uns die Soldaten bey dem ietzigen Kriege / das Blut nur darinnen Hessen; Das Gold mochten Sie immer hinnehmen. C O N S C I E N T I A . Last Euch nichts irren / ihr ehrlicher Land-Mann: Dieser Mensch pflegt auch in Noth zu schertzen. Sagt mir nur von wannen seyd ihr? Und was habt ihr hier in diesen verwüsteten Schlosse zu suchen. M A N I R . Mit kurtzen: Verzeiht mir so weit. Ich komme von nechsten Dorffe allhier von Treutodt her: und habe auch 6. Pferde bey mir: Hier aber in diesen wüsten Hoffe soll ein Last-Wagen zufinden seyn / den soll ich an spannen / und dar-(7i5)auff drey grosse Kasten mit Gelde nacher Franconien führen. CONSCIENTIA.

23

Riemer II

350

Johannes

Riemer

CONSCIENTIA. Wem stehet denn solche grausame Menge Geldes zu? MANIR. Einen Doctor / welcher der Konigin Europa ihr grosser Praecepter gewesen. Er heist Herr Ratius und Herr Statius. CONSCIENTIA. Ο verfluchter Mensch! Deine Konigin hastu außgesogen: Daß Sie ihre Tochter in Armuth verlassen muß. Ich habe neben dir in einerley Ambte und fleissiger als du gedienet / und doch nicht so viel erlanget / daß ich ietzo fast den Hunger stillen kan: Der Ungetreue aber führet bahres Geld / wie Stein-Lasten davon. Also haben Treu= und Gewissenhafte Dienste Armuth zum Lohne / wann geheimde Dieberey ungetreuer Staats=Manner den Brunnen des Reichs Einkommens allmahlig außleeren. Wie verhofft ihr aber bey ietziger grosser Unsicherheit solche Schatze fortzubringen? MANIR. Da lasse ich die Compagnie Reuter davor sorgen / welche den Wagen begleiten soll. CONSCIENTIA. Wollen wir Ihn um 20. Cronen ansprechen? N E U T R A L . Je nun! (Es steht) zu versuchen. CONSCIENTIA. Mein Freund! ihr scheinet guthertzig / und ein ehrlicher Mann zu seyn. Wir haben beyde eine Bitte an Euch zu thun angesonnen / welche NEUTRAL. Ohne Complemente: ihr solt Uns Geld zur Reise leyhen. (186) MANIR. Ach! ihr lieben Herren / da ist niemand bey mir zu Hause. Wer wil fremden Leuten so man nicht kennet / so stracks Geld hinleihen. NEUTRAL. Alter! eine Handschrifft. Wir geben Brieff und Siegel darüber. MANIR. Haha. Brieff und Siegel haben vor hundert Jahren schon ihre Krafft verlohren. NEUTRAL. Ihr wunderlicher Mann helfft Uns doch immer: ich wil euch auch ein Herren heissen. Ey ja / Herr Bauer / thut es doch / hört ihrs Herr Bauer. MANIR. Es steht mir nicht an. CONSCIENTIA. Seyd gütig. NEUTRAL. Kans nicht seyn? Herr Bauer! MANIR. Nein nein. NEUTRAL. Herr Bauer / Herr Bauer / Herr Bruder! M A N I R . Ich thu es nicht. Gehet ab. NEUTRAL. Harre du Schelm / ietzo wil ich ein Soldate werden: Komme ich ins Qvartier zu dir / ich wil dir die alten Fincken schon dafür außnehmen. CONSCIENTIA. Und was nun zu thun? Neutral. NEUTRAL. Ja ich weiß nicht. Wist ihr was wir thun wollen. Hier werden wir auch nicht verderben; Wir wollen uns als ein bar Vaganten mit Singen durch die Welt bringen.

Von der erlösten Germania,

1. Discurs

351

CONSCIENTIA. Hunger hat keine Gesetze der (187) Schamhafftigkeit. Besser ist Brodt bitten / als stehlen. NEUTRAL. Ihr moget Ziegelstein und Mehl unter einander mischen / und es vor Ratten*Pulver verkauffen. Ich wil denen Leuten Planeten lesen / Nativitat stellen / Windschel=Ruten verkauffen / und dergleichen. CONSCIENTIA. Woferne dieses alles nur nicht wieder unser Gewissen stritte. NEUTRAL. Bettler haben gar kein Gewissen / denn Sie seyn blind / wann Sie gleich die Dreyer von den Zweyern gar wohl unterscheiden können. Und stumm / da sie doch den mit Blitz und Hagel verfluchen / welcher Sie unbegabet vorbey gehet. CONSCIENTIA. Ach! wolte die Güte des Himmels / daß das arme Land mit dem gesegneten Frieden erfreuet würde: so hatten wir alsdenn keines Betruges von no then. NEUTRAL. J e hört Herr Conscientia. Weil die Bauren so nach dem Frieden verlangen: So wil ich mich vor den Frieden außgeben: Und alsdann werden Sie Uns Thor und Thür eroffnen / und als angenehme Gaste einlassen. CONSCIENTIA. Ach nein! Die List ist allezeit voll Gefahr. Und wer diese sucht / kan leicht darinnen umkommen: Zu dem seynd die Gotter denen Lugen feind. NEUTRAL. Wie wollen wir aber durchkommen? Bleibt nur zum wenigsten bey mir / und folget von ferne nach. Ich wil mich dennoch vor den ( 1 8 8 ) Frieden außgeben / und dadurch so viel erwerben / daß ich Euch dabey ernehren kan / biß wir zu unserer Princessin Germania gelangen. CONSCIENTIA. In dieses kan ich eher willigen / wiewohl auch ungerne. Jedoch hat die Noth offters einen Schein der Tugend. NEUTRAL. Nun gut! so folget nur: Wir wollen bey dem ersten Hause den Anfang machen. CONSCIENTIA. SO gehe dann fort / ich wil in der Ferne nachfolgen. NEUTRAL. Potz tausend: Dort sehe ich einen Krams=Vogel sitzen / und einen Hasen das Fell über die Ohren dehnen. Herr Conscientia! freuet euch: leckt das Maul / zu Mittage werden wir unsern leeren Magen mit gebratenen Hasen verschameriren. CONSCIENTIA. W a s

meinestu?

NEUTRAL. Sehet ihr nicht dort den Bauer sitzen / und einen Hasen abstreiffein. Ha! Wie wollen wir den Schnabel in der braune Butter schwemmen. Gebt nur Achtung. So bald ich sagen werde / ich bin der Friede / mit was vor Hoffligkeit Uns der Bauer hinein nothigen wird. Und wann er fragt / wer ihr seyd. So wil ich sagen / ihr seyd die Gerechtigkeit. Hort sagt mir doch / wird der Friede als eine Jungfer oder als ein Mann abgebildet? CONSCIENTIA. Allezeit als eine Jungfer. 23"

352

Johannes Riemer

Mit gantz klarer Stimme. Glück zu mein Freund! Gluck zu. Versteckt sich zugleich in Conscientia Mantel. (189)

NEUTRAL.

Siebende Unterredung. Zu diesen

PAROL

der andere

Bauer.

PAROL. Was sucht ihr dann? Und wer seyd ihr? N E U T R A L . Freuet Euch. Denn ich bin dasjenige / wornach ihr so lange geseuffzet. C O N S C I E N T I A . Das was dieser in Munde führet / ist kostlicher als Gold. N E U T R A L . Speyet auß. Herr Doctor hebet das Gold auff. P A R O L . SO sagt mir denn wer ihr seyd. N E U T R A L . Ich bin der Friede. C O N S C I E N T I A . Und begehren auff eine Nacht Herberge bey Euch. PAROL. Dieser / der Friede? NEUTRAL. Ja.

C O N S C I E N T I A . Friede bauet das Land / und segnet die Einwohner. PAROL. Nein guter Freund! Mir nicht so. C O N S C I E N T I A . Wunderlicher Mensch! Friede ist ja besser als Krieg. PAROL. Weit gefehlt. Oho! ihr taugt nicht vor mich. Ich werde es ja bey Kriege besser haben / als in Frieden. N E U T R A L . Horstu nicht? Ich bin der Friede. PAROL. Und ich wündsche / daß ihr hundert Meilen von hier wäret. C O N S C I E N T I A . Aber warum das. PAROL. Darum. Denn der Krieg hat mir auff (190) die Beine geholffen. Es ist nun sieben Jahr / da die Unruhe sich zugleich mit über unsre Dorffer zöge: Und diese Zeit her über habe ich gelebet wie ein Fürste. Ach! was sage ich wie ein Fürste. Ich habe gar gelebet wie ein halber Edelmann. Wie es Friede war / da durfften wir armen Bauren uns nicht an einen Finger stossen: so war der Edelmann und der Pfarr hinter Uns her / wie die Hunde hintern Hasen. Der Edelmann / wann wir uns etwa einmahl schlugen; Da rieß er ieglichen ein Neu-Schock vom Leibe. Ihm musten wir in Frieden weit mehr fr6hnen / als wir ietzo denen Soldaten vorspannen. Je schür uns der Schufft nicht mit der Jagt: wir hatten mögen tolle werden. Wir musten alle Tage Hunde führen: und wann sich gleich einer kranck machte / so ließ er Ihn so lange priegeln / biß er wieder gesund wurd. Ins Ambt musten wir geben / wir hätten mßgen schwartz werden. Wann ich den Tag Lucy mein Hufen-Geld nicht stracks nein brachte / auff den Morgen hatte ich den Land-Knecht gleich über dem Halse. Und der Pfarr / das war ein rechter: Wenn wir dem nicht stracks den Dezen in

Von der erlösten Germania,

1. Discurs

353

Sack schütten / wie geschwinde ließ er uns außpfanden. Da musten wir dem Hascher 5 gl. geben / und musten Pfände-Geld geben: und dennoch hernach auch geben was wir schuldig waren. Es durffte kein Nachbar den Durst recht loschen / so muste er von der Cantzel. Wann etwa der Mann nur ein Kannichen oder sechzen oder Achtzehn außtrunck / so muste er sich gleich {191) vor einem Sauffer / und vor einem Bier=Bruder außruffen lassen. Keine Magd dorffte einer ansehen / so ware man ein Huren=Schelm / ein Ehebrecher: und wolte einen flugs in Bann stekken. Aber nun gehets ein bißgen auß einem andern Fasse. Es gehet doch so brave bund über / wann Krieg ist. Mein Creutz! ich lebe ietzo wie ein Herre. Jetzt da es Krieg ist / fische ich dem Edelmanne seinen Bach vor der Nase. Alle Tage fresse ich die grosten Krebse. Kommt mir ein Hirsch vor den Laufft / hufft! da liegt er. Das Fell giebt mir ein bar Hosen. Das Fleisch fresse ich mit meinen Jungen. Habt ihr eur Tage in Friedens=Zeit einen armen Bauer sehen einen Hasen abstreifflen / als wie ihr ietzo in Kriege bey mir sehet. Nein! traun: Da hieß es: Bauer / Lauer / Molcken / Steiffmatz / und solche Gerichtgen: Jetzt hingegen heist es: zu Tische Herr Bauer! Salatgen / Schweinen^Bratgen / gebraten Ganßgen / Kälber* Schwantzgen: ein schon groß Glaßgen / ein gespickt Haßgen. Ha! so leben wir Bauren im Kriege. Derowegen ihr guten Leute findet ihr gar kein Qvartier bey mir. Gehet hin wo es furchtsame Leute giebet. NEUTRAL. I c h bin ja der F r i e d e .

PAROL. Ey was! ihr mögt seyn wer ihr seid. Der Krieg gefalt mir besser: sucht euren Weg / oder ich wil Euch denselben weisen. CONSCIENTIA. Fürchtet ihr euch aber nicht der Straffe? PAROL. Wer wil uns denn was thun. Der (192) Edelmann ist vor vierzehn Tagen draussen im Kriege todgeschossen worden. Den Schosser habe ich gestern zwischen Fünff und Sechsen draussen in Mühl=Thale selber von der Mehre runter gelaust. Der Pfarr ist an der rothe Ruhr gestorben: Und ein anderer ist nicht so bald bey der Hand. Und wir mögen auch keinen wieder annehmen. Da leben wir nun vor Uns wie die alten Francken / keinem Menschen unterthan. Fehlets uns am Gelde / so liegen wir mit unsern Schieß=Pregeln in Busche: ein kleiner Schoß Pulver kan Uns zu einen grossen Beutel voll alten Thalern helffen. CONSCIENTIA. Ο unerhörte Boßheit der Menschen. PAROL. Geht eurer Wege: ich sage es nochmahls / und last Euch nicht wieder finden; sonst - - Gehet ab. CONSCIENTIA. Ο WO nun hin in dieser Lebens-Gefahr? NEUTRAL. Von dem Hasen bekommen wir nichts zu fressen. Ja wir müssen ferner unser Heil versuchen. CONSCIENTIA. Nein Neutral! wir wollen gerade unsern Weg nach der Princessin nehmen.

354

Johannes

Riemer

NEUTRAL. Wann wir nur sicher waren / und essen und Trincken hatten / so hatte es nichts zu bedeuten. CONSCIENTIA. Wir wandeln in unserm Beruff / und lassen geschehen / daß Furcht und H o f f - { 793) nung unsre Geferthen seyn. Der Himmel wolle uns nur beschützen. NEUTRAL. Ich bins gar wohl zu frieden.

Andern Discurses Erste Unterredung. Der Schau=Platz wird Wald. GAILE.

GAILE. A C h ! getreuer Rath! mein Hertz stehet in vollen Flammen: Und gleichwohl bin ich zu solcher Liebe allzu blöde. RATIO STATUS. U n d w a r u m b l ö d e ?

GAILE. Ach! ich liebe. Aber gedenckt doch / eine Princessin / welche schon verheyrathet / und derer Ehe-Herr an Tugend nicht geringer ist als ich. RATIO STATUS. Gnadiger Herr. Die Liebe achtet ja keine Gesetze / und wer wil einem Herrscher wehren / daß er nicht thun konte was er wil. GAILE. Auch eines andern Gemahlin mit Gewalt nehmen? RATIO STATUS. Was Gewalt erlangen kan / das ist denen Gebietenden dieser Welt zu eigen gegeben. GAILE. Aber wo bleibet das Gewissen? RATIO STATUS. H a ! das Gewissen ist nur eine (194) Einbildung melancholischer Leute / welche von schwartzen dicken Geblüte entstehet / so das kleine Gelder / nach dem Hertzen zu verstopffet / daher dann ein kurtzer Athen entstehet; Welche Engebrüstigkeit denn / von etzlichen Leuten das Gewissen genennet wird. GAILE. Ich bin am Leibe gesund: Gleichwohl aber / so offt ich unrecht begehe; fühle ich Schmertzen in Gemüthe. RATIO STATUS. Gnadiger Herr. Dieses alles rührt von einer natürlichen Schwachheit her. GAILE. So wil ich dann meinen entzündeten Begierden freyen Brandt verstatten. Aber ungemein ist / zwey Weiber zugleich haben. RATIO STATUS. Die Natur wird ihre Güte nicht unter die Banck stecken. Und daher thut derjenige gute Wercke / welcher die Welt nach dem Vermögen mehret / so ihm die Natur dargereichet.

Von der erlösten Germania,

2. Discurs

355

GAILE. SO können wir Uns Germanien wohl an die lincke Hand vermählen lassen; ob gleich unsere Gemahlin Francka vorigen Platz in unsern Ehe= Bette innen behalt. RATIO STATUS. Mit allem Fug und ohne Beleidigung der himmlischen Ordnung. GAILE. Aber wie nun anzufangen? Perseus ist klug und dapffer / welcher seine Gemahlin sich nicht mit Gewalt wird entwenden lassen. RATIO STATUS. List ist starcker als Macht. GAILE. Alleine wie ist dieselbe außzuführen? und was rathet ihr dazu? (195) RATIO STATUS. Gnadiger Herr / Er. Gnaden müssen (1) sich an das gottliche Gesetz so genau nicht binden. (2) Alle Eyde / so Sie geschworen / müssen Sie wiederumb auffheben. (3) Viel müssen Sie zusagen / aber nichts halten / (4) und endlichen Geld genug dran setzen. GAILE. Dieses kan uns nicht schwer werden: Wann wir nur was angenehmes außrichten. RATIO STATUS. Alles wird mit Wucher wiederkommen / wann ich die schone Germanien in Eur. Gnaden Schosse sehen werde. GAILE. Alleine! W o suchen wir nun dieselbige? RATIO STATUS. So viel ich Nachricht habe erhalten /da ich noch der Konigin Europa dienete / so soll Sie hier an dem Rhein auff der Philippiner Burg anzutreffen seyn. GAILE. Ach / ich verzage auffs neue. Denn diese Burg zubestürmen / wird viel Volck erfordern. Nun aber wist ihr gar wohl / daß wir ietzo wenig Mannschafft auff den Beinen haben. RATIO STATUS. Gewalt ist das letzte: wann uns die List fehl geschlagen. GAILE. Was aber vor eine List kan Uns dienen. RATIO STATUS. Wir wollen Uns vor dem Schloß / als Freunde angeben: So wird Uns der Konig vermöge des Gastrechts / als Fremden ein Tractement erweisen müssen. Alsdann so habe ich ein Schlaf=Pulver mit verwunderlicher Kunst erfunden / welches ich in das Getranck mischen {196) wil / wovon alle die davon trincken / gehling einschlaffen werden. Und alsdenn können wir die entschlaffene Germania auff einen Wagen / welcher dazu muß bestellet werden / ohne alle Verweigerung in Schlaff davon führen. GAILE. Ο Hochgelehrter Rath. Ich preise den Ort / auff welchen ihr mir zu erst ins Gesichte kommen. Ich versichre dabey / daß /woferne mein Wundsch erlanget / ihr der nechste nach mir seyn sollet. Solte wohl ein schöner Mittel außzudencken seyn / meine Liebe zu befordern. RATIO STATUS. Hilfft dieses nicht / so bin ich auff etwas anders bedacht. Wir wollen nur fort und nach dem Schlosse zueilen. Der Schau'Platz verändert sich in eine Burg.

356

Johannes

Riemer

Andere Unterredung. Die inner Gardine eröffnet sich. Und darinnen PERSEUS mit im grünen Grase sitzend.

GERMANIA

Liebster Engel! Wir bleiben der Güte des Himmels ein grosses Danck=Opffer schuldig / welches wir schwerlich mit tausend Geliebten bezahlen können. G E R M A N I A . Absonderlich darum / weil unsere Ehe mit unermüdeter Liebe gesegnet wird. P E R S E U S . Der Himmel hat Uns zusammen gefüget. (197) G E R M A N I A . Und mit keinem Unfall noch betrübet. P E R S E U S . Wir dancken seiner Macht. G E R M A N I A . Und bitten / daß er das Band der Einigkeit an unsern Gemüthern ewig wolle dauren lassen. PERSEUS. Der Ehestand ist doch eine Erleuchterung menschliches Elendes. G E R M A N I A . Ja! wo die Eintracht der Hertzen ihre Wohnhauser umarmet. P E R S E U S . Liebt Uns dann unsre Germania? G E R M A N I A . Mehr als mich selbst. P E R S E U S . Und ich wolte lieber sterben / als Germanien nicht lieben. G E R M A N I A . Ich sterbe vor Perseus. P E R S E U S . Und ich bezahle mit meinem Blute Germanien Wohlergehen. G E R M A N I A . All eine liebster Schatz! wie lange müssen wir noch dieses einsame Schloß bewohnen: Und wann werden wir erfahren / daß die grausame Peste in unserer vesten Stadt Nevi nachgelassen / damit wir unserm Thron hinwiederum besteigen / und das Volck in Friede regieren mögen. P E R S E U S . Wertheste Seele! eben das ist ietzo meine eintzige Sorge. Wir müssen hier (in) Gefahr unserer Gesundheit / in massiger Kost / ohne Leib=Artzt und ohne alle Bedienung leben. Und gleichwol müssen wir Uns dennoch gefallen lassen / was der Himmel über Uns Sterbliche verhänget. Wir bitten dessen Allmacht / der wolle Uns nur (198) vor Kranckheit und gefahrlichen Zufallen bewahren. Jetzo aber wil ich nur hundert Schritte dorthin an die Strasse passiren / ob ich vielleicht einen Menschen auß Nevi / erblicken mochte / von welchen ich in den Zustand unserer Kranckverlassenen Stadt erfahren kan. Verziehet hier / mein Kind / oder begebet Euch wiederum in euer Zimmer auff das Wald= Schloß. G E R M A N I A . Ich folge dem letzten: Alldieweil ein Weibsbild in verschlossenen Mauren weit sicherer verwahret ist. Aber mein Schatz / gehe nicht weit / damit ich nicht nechst der Einsamkeit auch in Sorgen gerathe. Gehet ab zur Lincken. P E R S E U S . Nicht über einen Steinwurff: Gehet ab zur Rechten. PERSEUS.

Von der erlösten Germania,

2. Discurs

357

Dritte Unterredung. GAILE.

GAILE. Ich kan nicht ergründen / warumb der Himmel einem Manne / nur ein einig Weib zur Ehe / beylegen wollen: Da er doch wohl gewust / daß die Natur ihre Gaben ungleich außgetheilet: und daß zu einen grossen Feuer mehr Wasser gehöre / als zu einer Funcke. Das Silber gehet siebenmahl durchs Feuer: Und der von Hitze blau angelauffene Stahl wird neunmahl gekühlet. Und hingegen das Feuer der Liebe soll mit einerley Wasser gedampffet werden. Mir ist unmüglich mit einer Gemahlin mich zu behelffen. Darum irre ich auch durch diesen Thier=(/i?9)Garten / eine zu suchen / welche halben Raum in meinen Ehebette nechst meiner Gemahlin haben soll. Ich sehe niemand / gleichwohl aber Fußstapffen. Solte ich schweren? bey meinen Leben / dieses seynd Weibes=Füsse gewesen. Vierdte Unterredung. PERSEUS ZU

diesem.

Kein Mensch wil mir zu Gesichte kommen: als ein Ritter / welcher mit grosser Begier der Spur nachgehet. GAILE. Ich höre Jemanden reden. PERSEUS. Der Schutz des Himmels sey mit dem / welcher mir begegnet. GAILE. Und der müsse gesegnet seyn / welcher mich also grüsset. P E R S E U S . Diejenigen welche sich also bewillkommen / dorffen gar wohl ihren Stand und Namen eroffnen. GAILE. Ach! Gaile ein bekandter Ritter / welchen die Tapffrigkeit großmüthig / und die Liebe zum Tyrannen machet / ist hier zugegen. P E R S E U S . Bezaumet Euch / Edler Ritter / und säubert Eure Zunge von Worten der Verzweifflung. GAILE. Tieffe Brunnen qvellen kalte Wasser. P E R S E U S . Aber wer ist die Ursache seiner Liebe / und zu was vor einer Seele neiget sich die Seine. {200) GAILE. Die ich suche kenne ich nicht / und nach welcher mein Hertz brennet / die habe ich nie gesehen. P E R S E U S . Doch steht Sie zu nennen. GAILE. Gar wohl: Alldieweil ich auß dero Namen lauter Süssigkeit schmecke. PERSEUS. Wie heist Sie dann! GAILE. — Ziehet die Achseln. PERSEUS.

358 PERSEUS.

Johannes

Riemer

Mit ihren Namen.

GAILE. —

Germania.

Erschreckende. A D SPECTATORES. Halt an dich Perseus / und erkundige dich besser dieser bösen Liebe. Wo ist Sie dann zu finden / welche er ohne alle Erkantnüß liebet? G A I L E . SO viel ich auff der Reise Nachricht erhalten / soll Sie auff der Philippiner Burg / unferne von diesen Geholtze sich auffhalten. PERSEUS. A D SPECTATORES. Verstelle dich Perseus / und prüffe Ihn noch besser. Sie ist aber verheyrathet / und wie soll dannenhero seine Liebe wohl anschlagen können. GAILE. Sie muß genothiget und durch Zwanck entführet werden. So wird Sie dann hernachmahls der ersten Liebe wohl vergessen. Aber sage er mir doch / ob Sie ihrem Gemahl bey sich hat / von welchem ich viel gehöret habe / daß er streitbar sey. PERSEUS. Ja es ist bey des wahr. Denn er ficht mit diesen Degen. EntblSst das Gewehr halb. (201) GAILE. Ich werde Ihn auch nicht mit öffentlicher Gewalt / sondern mit List / unter dem Schein der Freundschafft angreiffen. PERSEUS. A D SPECTATORES. Mercke dieses Perseus. GAILE. Aber wer ist dieser. PERSEUS.

Fünffte Unterredung. Zu diesen PERSEUS.

TRECHTUT.

Er ist mir nicht bekant.

GAILE. W e r bistu?

Was wolt ihr Kerls davon haben? GAILE. Grober Schelm! ich höre wohl / daß du ein Hollander bist: Sage was du hier zu schaffen: oder ich wil dir weisen / wie du einem Ritter ehren solst. T R E C H T U T . Wanne! Ihr seyd jo wol der Amman von Amsterdam nicht? PERSEUS. Sagt mir doch mein Freund! Wer und woher ihr seyd. T R E C H T U T . N U / Euch wil ichs wol sagen: eher als diesen Schnautzhan. Ich bin ein Schiffer von der Compagnie / und habe hier ein Säckgen voll Pfeffer / und ein Paqvet Chineeser=Seide / welche ich der Princessin Germanien mit gebracht / und verehren wil. Wie ich gehöret / soll Sie hier anzutreffen seyn. GAILE. Lege ab die Gewürtze / und was du sonst bey dir hast. Solchen dolpischen Kerln gehört das Ruder in die Hand / und nicht Present an eine Konigin. (202) TRECHTUT.

Von der erlisten Germania, 2. Discurs TRECHTUT.

359

Habt ihr besser Recht dazu als ich / so nehmet es hin. Wirfft

den Pfeffer^Sack und Seiden*Pack an die Erde.

GAILE. Hebe beydes auff und gieb es her. Woll min Herr / wo syn eure Dieners? ich wil wohl meine Wahren wieder auffheben / aber bey mir behalten.

TRECHTUT. GAILE.

Fdlt ihn an / und zerret sich mit Ihn um die Wahren.

Schonet / Ritter / denn der Schiffer ist gerecht. Last es gehn: oder ich schlage Euch hinter ein Ohr. G A I L E . Ziehet das Gewehr. Mit Degen und Priegel muß man deine Sitten bessern. P E R S E U S . Ritter / ich bitte nochmahls zu verschonen. GAILE. Keines weges. P E R S E U S . So muß ich der Gerechtigkeit bey stehen / und meine eigene Hand wieder Euch auffheben. GAILE. Ich bin unerschrocken / wieder beyde mich auffzulehnen: und meine Tapffrigkeit zuerweisen. PERSEUS. Und ich behertzt genug Euch entgegen zu gehen. GAILE. Sagt mir aber / Fürst / oder wer ihr seyd / was euch beweget einem Sclaven wieder einem Ritter beyzustehen. P E R S E U S . Darum bin ich auff seiner Seite / weil diese Wahren auch mir mit zustehen. Denn (203) ihr müst wissen / daß ich Perseus bin / welcher das Unrecht / so ihr an Germanien unserer Gemahlin / außzuführen denckt / an Leib und Blut rächen wird. Aber seyd versichert / lebe ich gleich mit ihr an diesen Ort ohne Volck und Waffen / daß ich dennoch eine Hülffe suchen werde / welche eurer Macht und List genugsam gewachsen. Gehet ab. T R E C H T U T . Welle welle / du solt den Teuffei auf den Kopff haben. PERSEUS.

TRECHTUT.

Gehet ab.

weh! Der schönste Anschlag meines Hochklugen Ratio Status ist durch mich verdorben: indem ich dem Perseus selbst mein Abziel unwissend eröffnet. Wo wil sich nun das Ende meiner Liebes=Pein nahen?

GAILE. AU!

Sechste Unterredung. R A T I O STATUS

kommt wieder.

GAILE. Hochgepriesener Rath! Eure Gegenwart tröstet mich / wie Penelope ihren Ulysses. Unser Anschlag und eur bewehrtes Kunst=Stück seynd zerronnen wie Wachs am Feuer. Denn hier an diesem Orte begegnete mir ein unbekandter Ritter / welchem ich von meiner Liebe gegen Germanien nur etwas mercken ließ / um desto eher Nachricht zu erhal-

Johannes

360

Riemer

ten / wo Sie sich etwa auffhielte. U n d da ich ohne Gefehr über einen Hollandischen Schiffer / welcher der Germanien Gewürtze auß Ostindien bringen wolte / mit Ihm in Zwietracht gerieth / must ich erst von Ihm selbst (204) erfahren / daß er der Germanien Vermählter sey. N u n ist er mit Treu=Worten im Zorn davon gegangen / sich nach Hulffs» Macht umzusehen / und wir hingegen / werden weder mit Klugheit noch Gewalt etwas erfreuliches außrichten können. RATIO STATUS. Ein Fürst muß seine Anschlage niemandem / auch seinen geheimden Dienern selbst nicht entdecken / sondern gleichsam die Art einer Schlangen an sich haben / an deren Leibe die Gelencke in der Bewegung selbst nicht wissen / wo der empor schwebende Kopff Sie hinaus führen wird. Bezeigte sich dann jener Held alsobald feindselig? GAILE. Nachdem ihm erst meine Tapffrigkeit ihre Spitze geboten / als er sich auff des Schiffers Seite erklarete. RATIO STATUS. E r . G n a d e n h a t t e n siMULiren s o l l e n . G A I L E . J a w a s ist s i M U L i r e n ?

RATIO STATUS. Im Munde Honig / und im Hertzen Wermuth führen. GAILE. Auch dieses scheinet mir noch tunckel. RATIO STATUS. Sich als Freund anstellen / Feindschafft und H a ß aber biß auff gelegene Zeit verbergen.

Siebende Unterredung. Zu diesen beyden

M A N I R der

Bauer.

RATIO STATUS. Ist dieses nicht mein Gevollmachtigter? ( 2 0 5 ) MANIR. Freylich Herr Prazcepter bin ichs. N u habe ich eure Geld=Fuhre stadtlich hergebracht: es stehen beyde Kasten in meinem Hause. Des Herren seine Compagnie Reuter aber die ihr dazu mit gäbet / haben die Bauren weidlich gekrauet. Es ist aber wohl die Helffte davon todtgeschlagen worden. RATIO STATUS. Was ists mehr: last so viel Tausend umkommen als Mann gefallen; Haben wir doch unser Geld davon gebracht / vor welches wir viel andere werben können. Inzwischen Bauer / weistu nicht /wo der Paß nach der Philippiner Burg gehet. MANIR. Nach der Philippiner Burg? J e da seynd wir allernächst dabey. Es wundert mich / was ihr hier an dem unrichtigen O r t e macht. Es giebet unter denen Eichen immer Gespenster und Ungeheuer zusehen. Sonderlich preselirt sich immer ein altes Mütterchen / das kan ein hauffen Possen machen / man mochte sich flugs einen Buckel lachen / so groß wie ein Kloppel=Küssen.

Von der erlSsten Germania, 2. Discurs

361

Kenstu sie denn? MANIR. Ο ja! ich rede immer mit ihr. RATIO STATUS. Was redestu aber mit Ihr. MANIR. Ich wils euch sagen. Ich habe immer so ein bißgen zu thun bey ihr: Wann ich etwa seen / pflantzen / erndten / wegfahren und dergleichen wil / so bestelle ich mir denn das Wetter / wie ichs gerne haben wil. GAILE. Kann Sie denn das. RATIO STATUS.

MANIR. Perfex.

(206)

Kan Sie dann noch etwas mehr? MANIR. Sie macht euch was ihr wolt. RATIO STATUS. Hat nicht Peleus / als er die Thetys nicht alsobald haben kunte / durch Hülffe der Proserpina [. . .] die Philomele geheyrathet. Was kan Er. Gnaden schaden / wann wir die Germania zuerlangen / etwa ein Mittel von diesen Weibe erhalten konten? GAILE. Nichts achte ich: nichts soll mir zu gefahrlich seyn / an diese Ternsche Helena zu setzen: alldieweil ich auch mein Leben selbst / sie zu erwerben / in die Schantze geschlagen. RATIO STATUS. Derohalben / wo ist Sie denn anzutreffen? M A N I R . Die wil ich Euch zur Stund hieher bringen. Der Bauer pfeifft und schmatzt mit dem Maule. Mutterchen / Frau Meistern des Wetters. RATIO STATUS.

Achte Unterredung. MEDEA

kommt dazu / hat einen Handkorb mit Krautern an.

MEDEA. Ist dir das Wetter nicht gut genung: oder soll ich etwa deinem Nachbar den Rock voll Lause machen. MANIR. Nein! meine liebe Mutter / hier seynd ein baar vornehme Herren / welche eures guten Raths brauchen. MEDEA. Worinne denn? RATIO STATUS. In Liebes=Sachen. ( 2 0 7 ) M E D E A . Ο Liebes=Sachen seynd leicht zu machen: Die kan ich alle mit blossen Krautern zurechte bringen. Wie heist Sie denn / die Euch lieben soll? RATIO STATUS. Nicht ich / sondern mein Gnadiger Herr ist in Liebe angebrandt. Und diejenige / welche er liebt / heist Germania. MEDEA. Ha ha! Diese kenne ich: Sie ist ietzo nicht weit von hier. GAILE. Gar recht: Darum habe ich auch meine Zuversicht zu Euch heiliger Frauen genommen. MEDEA. Will Sie Euch denn nicht lieben. GAILE. Sie wil nicht; Und da Sie gleich wolte / so wil doch ihr Gemahl nicht ja dazu sagen.

362

Johannes Riemer

MEDEA. Geduldet Euch. Ich wil Germania einen Mangel zufügen / dadurch Sie ihrem Perseus gantz soll verhast werden. RATIO STATUS. Das ware gut / so dürfften wir Uns in keinen Kampff einlassen. MEDEA. Ich wil Sie stockblind machen / und so dann wird Perseus ihr gram werden. GAILE. SO konten wir dieselbe mit seinen Willen erhalten? RATIO STATUS. Alleine kont ihr auch hernach ihr das Gesichte wiedergeben? MEDEA. Meine Kunst soll in nichts ermangeln. GAILE. Wohl dann heiliges Mütterchen! So wollen wir Euch verlassen / damit ihr desto eher zur Sache schreiten moget. Die Vergeltung (208) soll Euch an diesem Orte nach euren Gefallen zugestellet werden. MEDEA. Habe ich Euch zur Germania geholffen / so ist auch zugleich der gantze Schwartz-Wald in euren Händen: Alsdenn so begehre ich nichts zur Belohnung / als nur dieses Stückgen Holtz / mir zur Wohnung / damit ich meine Kunst besser darinnen außüben kan. GAILE. Führe ich Germanien an meiner Hand / so soll nicht nur dieses Holtz / sondern das gantze Gefülde von Alesa eur Lohn seyn. MEDEA. NU nu nu. Grossen Danck: ich wil mein bestes Kunst-Stück vorsuchen. Gehet ab. RATIO STATUS. Ich zweiffle nicht / es werde dieser Fund einen Vortheil gewinnen. Aber wo wollen wir Uns so lange auffhalten. GAILE. Wir haben einmahl diesen Wald-Zug gewaget / so wil unserer Tugend zustehen / nichts unaußgeführet zu lassen. Wir wollen bey dem Bauer Obdach suchen. So viel etwa an Speiß und Tranck die Nothdurfft erfordert / werdet ihr ja in euren Hause haben. MANIR. Herr; im Kriege mangelts keinem Bauer an einem Stück Fleische. Denn man frist das Vieh lieber selbst / ehe man es die Musqvetirer schlachten last. Kommt mit mir / ich wil Euch noch wohl ein Stück wild Sau=Fleisch vorsetzen. Gehet ab. RATIO STATUS. Das ist wohl gut. Aber Essen (209) und Schlaffen müssen wir Uns nicht gar zu sehr anmassen. GAILE. J a freylich: Unverdrossen und wachsam seyn / ist halber Gewinst schwerer Sachen. Gehen ab.

Neundte Unterredung. N E U T R A L und

CONSCIENTIA.

NEUTRAL. Herr Doct. Conscientia. Ich bin sehr müde: und möchte gerne einen Milch-Asch voll fettes Sauerkraut / und eine feine dSlpische Wurst darum sehen.

363

Von der erlösten Germania, 2. Discurs

Essen und Trincken erhalt zwar den Leib; All eine der Mit* Jammer über unsere Princessin Germania treibet Hunger und Durst von mir auß. N E U T R A L . SO habe ich gantz einen andern Magen. Mein Appetit ist ein solcher courager Kerl / daß er sich durch kein Unglück überwinden last. Wann ich recht hungrig bin / und sehe ich die Princessin gleich an einem Spieß stecken und braten; ich wolte wohl von einem ihrer hinter Viertheil mit essen. C O N S C I E N T I A . Neutral du bist grausam auch in deiner eigenen Noth. N E U T R A L . Derjenige ist gar nicht grausam / welcher sich satt isset wann Ihm hungert. CONSCIENTIA.

Zehende Unterredung. Zu diesen

PAROL

mit einem Rohr.

(210)

PAROL. W e r seyd ihr!

Hör du Bauer-Flegel! wer wir seyn / der seyn wir. Ists nicht genug daß du siehest / daß wir nicht Hasen oder Schweine seyn / die du mit deiner rostigen Tobacks-Pfeiffe umbblasen kanst! Du Wildprets Dieb. Halt! Laß nur Friede werden / du solst an Galgen denen Leuten die Schoten hüten. P A R O L . Antwortet wer ihr seyd / oder ich will Euch schüssen / legt das Rohr an / der Dampff soll Euch hinten und forne rauß fahren. N E U T R A L . Erschreckente. Ein Schelm scheist: Hertzer Herr Bauer hört ihr es: Ein Schelm scheist. C O N S C I E N T I A . Mein Freund / wir seyn Diener der verlassenen Germania / welche wegen vergiffteter Lufft auß ihrer Wohnstatt vertrieben / und um derer willen grausame Feindschafft entstanden / daß noch ein grosses Blut-Bad zu besorgen seyn wird. PAROL. Ey! es geschieht Ihr gar recht: Wüste Sie doch nicht / wie Sie uns genug um die Pfennige zausen wolte / da Sie noch in Ruhe war. Jetzo nun / da ihr Krieg und ander Unglück zustost / ist ihr so enge ums Mundstücke worden / daß Sie nicht einmahl an uns Bauren denckt. C O N S C I E N T I A . Aber habt ihr die arme Princessin nicht gesehen? PAROL. Ich! was soll ich nach ihr sehen. Ich frage nicht eine Haar nach ihr. Sie muß mir itzo gute Wort geben. Und packt Euch auß dem {211) Walde nauß: oder wo ich Euch wieder antreffe / so solt ihr der Raben Frühstücke / und der Wolffe Nacht-Brodt werden. Ich rathe es Euch / macht euch fort. Gehet ab. N E U T R A L . So gehe du Galgen-Vogel / daß dir hinten ein Brandt oder forne ein Dreck nein fahre. Wer wolte mit einem Bauer zu rechte kommen / NEUTRAL.

364

Johannes

Riemer

wann er Freyheit hatte. Der beste Kappzaum vor einem Bauer / ist die Frohne. Denn wann man ihm nur zwey Tage ruhe last / so juchzet er / und das Pferd wiehert. Aber harre Piffel / last Uns nur zum Frieden gelangen / wir wollen dich schon wieder kerre machen. C O N S C I E N T I A . Freyheit ist demjenigen nicht nütze / welcher Sie nicht zu gebrauchen weiß. N E U T R A L . Dem Esel Sporn / und dem Bauer Arbeit / giebt die beste Zucht. C O N S C I E N T I A . Dort sehe ich ein Weibesbild: ich wil nimmermehr glauben / daß es unsere Princessin ist. N E U T R A L . Wo wo? Freylich ist Sie es? Gnadigste Frau! hifft! hieher sagt der Hascher.

Eilffte Unterredung.

Zu diesen

GERMANIA.

Ach! seyd ihrs liebste Freunde. Die Augen thun mir wehe / so sehnlich habe ich mich nach Euch umgesehen. Aber wo ist mein Schatz / mein Gemahl / mein Perseus? (212) N E U T R A L . Den haben Wir nicht gesehen. Wir dancken denen Gottern / daß wir selbst mit gantzen Kopffen hieher kommen seyn. G E R M A N I A . Ach! geschwind! meine schnellen Freuden seynd verschwunden: Denn der Trost meiner Augen ist von Mir gewichen. Eilet und gehet auß / die Helffte meines Hertzens zu suchen. Denn was ist ein Weib ohne Mann? Ein Leib ohne Seele: ein Liecht ohne Schein. Ach mein Hertz krancket sich / und meine Seele wil selbst von mir weichen. N E U T R A L . Kein Pferd wird eine Reise ohne Futter verrichten: Wie soll ich denn mit leeren Magen euren Mann außsuchen. G E R M A N I A . Geh alsobald und vergnüge dich mit Brodt in die Hand: Und suche den / ohne welchen ich nicht leben kan. C O N S C I E N T I A . Gnadigste Frau / sie angste sich nur nicht ohne Noth / denn ich bin der Wiederkunfft ihres Eheherrens versichert. G E R M A N I A . Ach lange harren vergrossert den Schmertz / und todtet offt gar die Hoffnung: eilet nur. N E U T R A L . Ich wil gerne suchen / wann ich nur etwas in Maule habe / daß ich recht scharff sehen kan. Gehet ab. G E R M A N I A . Laufft geschwind hier und dort nauß / suchet allenthalben. Ich fühle Noth / und bin verlohren: wo Perseus sich nicht findet. GERMANIA.

Gehet ab. (213)

CONSCIENTIA.

Gedult.

Himmel tröste die geqvalte Princessin / und verleyhe ihr

Von der erlösten Germania, 3. Discurs

365

Kommt wieder. Ist er da? Gnadigste Princessin nur Gedult! Der Himmel hat Ihn schon bey der Hand. G E R M A N I A . Etwas irrig. Wer seyd ihr / habt ihr meinem Perseus gefressen? C O N S C I E N T I A . Ich bin Er. Gnaden Fr. Mutter alter Diener / und von ihr in Er. Durchl. Dienste zu gehen geheissen worden. G E R M A N I A . Seyd ihr Conscientia? Wilkommen werthester Rath. GERMANIA.

CONSCIENTIA.

Zwölffte Unterredung. NEUTRAL

mit einen gantzen Brodte in der Hand / davon

beissende.

Das Maul voll. Ist er noch nicht da? Ach was Rath. Zu meinem Gemahl. C O N S C I E N T I A . Er. Durchl. begeben sich nur mit mir in das Schloß / zu weniger Ruhe; und leben der Hoffnung / daß ehe die Sonne untergehet / Sie ihren Printz in Armen haben wird. Gehen ab. N E U T R A L . Das gebe der Himmel / und mir zu diesem eitel Brodte ein Werck« Stücke schwer Hollandischen Kese. Gehet ab. (214) NEUTRAL.

GERMANIA.

Dritten Discurses Erste Unterredung. PERSEUS,

Graff L E O , A C H I L L E S , L O T H A R I U S hinckend, alle mit Schilden und blossen Gewehr.

TRECHTUT,

SEhet geliebte Helden / also last sich der Friede bey einem unfriedfertigen Nachbar nimmermehr halten. A C H I L L E S . Wann Land=Geitz und Ehrsucht die Gemüther verbittern. P E R S E U S . Wie soll man Ruhe finden / wenn Mißgunst alle Grantzen bewachet. LEO. Die Feindschafft entspringet auß Neid und dieser wird vom Glück gebohren. L O T H A R I U S . Gailens Großmuth / stehret die Ruhe des Landes. T R E C H T U T . Und macht daß Pfeffer / Ingwer und alles theur wird. P E R S E U S . Ists verantwortlich / wieder das gottliche Gesetz zwey Weiber nehmen / warumb trachtet er eben mit meiner Gemahlin seine Sünden PERSEUS.

24

Riemer II

366

Johannes

Riemer

außzuführen. Gewiß ist er in dieser Gegend / und vertröstet sich dem unschuldigen Weibe etwas abzujagen. Traun! ich werde gezwungen / iedoch mit euren Beystande / mich an Ihm zuvergreiffen. Im fall er nicht zurücke kehret. LEO. Unsre vereinigte Macht wird allen Hoch-(275)muth zäumen / und seinen Grimm / gleichwie die Lapithen den Himmel stürmen. A C H I L L E S . Ich bin verbunden Eur. Durchl. mit meinem Degen zu dienen / als von welcher ich denselben empfangen. L O T H A R I U S . Was habe ich dem stoltzen Ritter zu leide gethan / daß er seine Heerden auff meine Wiesen treiben last. Alle seine Rosse und Maul=Esel stehen in meinen fetten Gründen / und verwüsten dieselbigen. Und da ich mich dieser unrechtmässigen Gewalt wiedersetzte / hat er vortheilhafftig mit mir gerungen / und mich um meine Gesundheit gebracht / daß ich nun meinen Degen nicht recht mehr führen kan / sondern muß / wie Mephiboseth mit einer lamen Hüffte / andern zum Spott / dahin hincken. Dennoch aber wil ich auff diesem Lamen Fusse vor das meine / und vor Euer Durchl. Freyheit biß in Tod fechten. T R E C H T U T . Wann ich Ihn nur in einer Herings Tonne hatte: ich wolte Ihn zuschütteln / und in die See tauchen / biß er angelobte frömmer und friedsamer zu seyn.

Andere Unterredung. Zu diesen

NEUTRAL.

Was müssen das vor Leute seyn? alle mit gemahlten Schachtel* Decken und blossen Degen. A C H I L L E S . Er setzt Uns samtlich in Schaden. (216) L O T H A R I U S . Allen Tribut hat er mir entzogen. LEO. Meinen See=Zoll soll er nimmermehr hemmen. P E R S E U S . Muß ich zum Kriege greiffen / so werden unsere Unterthanen erschopffet / daß Sie weder Schoß / oder Steuer geben können. N E U T R A L . Das seynd gewiß Geleits-Manner oder Fürsten. Denn Sie reden von nichts / als von Schoß / Steuer und Tribut. Ich muß Sie anreden. B O - - N U S - - D I - - E S ihr Herren. Und / zu Trechtut: Guten Tag du gemeiner Kerl. T R E C H T U T . Du Racker Tiefels / was sagstu / Ich bin ein Diener der Staaden von Holland. N E U T R A L . Und ich der Princessin Germania Leibs Kammer-Diener. T R E C H T U T . Wanne du Schnackers: Du feige Hund / du hast zarte Dienste. Ich diene mit Gefahr zu Wasser. NEUTRAL.

Von der erlosten Germania, 3. Discurs

367

Kerl / ich diene gleichwohl auch zu Wasser / wann ich meiner Princessin ihren Nacht>Pocal außgiesse. P E R S E U S . Ihr Herren seyd wachsam und vorsichtig. Wer ist hier? N E U T R A L . Ach steckt ein ihr Herren / ich thu euch nichts? Ich bin Neutral. A C H I L L E S . Eben das seyn die Rechten / welche nur bey Endschafft der Kriege Bündnüsse machen / und es mit denen Uberwindern halten. P E R S E U S . SO sage dann / von wannen du bist. {217) N E U T R A L . Sehet doch! Kennet ihr mich nicht? bin ich nicht eures Weibes ihres Mannes Frauen Diener? P E R S E U S . Ha ha! Der neue Diener / welchen Sie von ihrer Königlichen Frau Mutter emfpangen. N E U T R A L . Mich deuchts. P E R S E U S . Aber wo ist deine Princessin. N E U T R A L . Dort sitzt Sie / und siehet bald Locher durch die Winde über euren Außbleiben. Und es scheinet / als wolte Sie gar etwas irre über Euch werden. Ihr müst trefflich delicat Fleisch an Euch haben. Denn Sie fragte Uns / ob wir Euch gefressen hatten. P E R S E U S . Ist denn sonst niemand bey Ihr. N E U T R A L . Rath Conscientia hat genug zuthun / Sie auff Eure Ankunfft zu trösten. P E R S E U S . So wollen Wir Sie dann nicht langer mit Abwesenheit qvälen; Sondern mit Er. Geliebten Helden Ankunfft ungesaumet erfreuen. NEUTRAL. D U

Gebet ab.

LEO. Ich schlüsse mich nicht auß. Gehet ab. A C H I L L E S . Wir gehorsamen Er. Durchl. Gehet ab. L O T H A R I U S . Gaile soll Uns nichts anhaben. Gehet ab. N E U T R A L . Spottet den Lothanus mit Nachhincken. Ja! Ihr werdet ihm nichts thun. (218) T R E C H T U T . Er soll bald anders pfeiffen. N E U T R A L . Er soll bald anders pfeiffen. Du armer Wasser Frosch wirst Sie außnehmen.

Gehen ab.

Dritte Unterredung. MEDEA

singend.

MEDEA.

Nun fang ich meine Kunst / Jedoch mit aller Hollen Gotter Gunst / In Pluto Nahmen an. Hier seynd ja Weg und Strassen / 24"

Johannes Riemer D a muß ich mich ein wenig niederlassen. Recht recht! das ist die Bahn / Die sich Germania zur Lust erkohren / Es hat schon mancher hier den K o p f f verlohren. Durch mein und meiner Tochter Fleiß. Wohlan ich wil es wagen / U n d Sie von Stunden an mit Blindheit schlagen. Hier ist ein Reiß / D e r soll Sie wie ein N e t z verzaumen /

Macht mit der Ruthe einen Strich. Mein Pulver soll ihr Augen=Licht nur meinen.

Streuet das Pulver. Also stehts / Also gehts; Wer nicht in der Güte will Dill Dill Dill / Den wasch ich mit meiner Seiffe / Biß er tantzet wie ich pfeiffe / Denn ich bin der Gotter Bote / Also geht die Kunst nach Brodte.

Vierdte Unterredung. GERMANIA A R I A mit

singend.

RITORNELL.

1. I C h armes Kind / wie einsam muß ich leben / Ich muß in Furcht und zwischen Hoffnung schweben. Mein Schatz ist nicht bey mir / ich bin verzagt. Ihr Sterne Euch sey meine N o t h geklagt. 2. Elendes W e i b so iemahls auff der Erden / Elende hat genennet können werden / D u liebest wohl / und weist nicht wer dich liebt / A c h ! lieben ohne Liebe macht betrübt. 3. A c h ! ach! ich bin auch ausser Eh Mein Perseus ist gleich wie Adon Ist niemand hier / der etwa nach Damit mir nicht unkeusches Leid

gebunden / verschwunden. Ihm seh; gescheh.

Von der erlösten Germania, 3. Discurs

369

4.

Hier ist kein Mensch. Wo soll ich mich hinwenden? Wem soll ich nun mein treues Hertz verpfänden. Ihr Walder sagt / ob etwa Laub und Blat / Mein Augen=Licht bey sich verborgen hat. 5.

Ο Himmels Schutz! man stellt mach meinen Ehren / Du selber must indeß dem Frevel wehren. Laß die Gedult beherschen meinen Sinn / So lang ich noch von meinem Liebsten bin. 6.

Die Ehe muß von Diamant und Eisen / Ein festes Band auch in dem Unglück weisen / Drum komm mein Schatz und mach mich Sorgen frey / Ich bleibe dir auch in dem Tode treu. {220) Gnädiger Himmel! Was geschieht mir / Meine Augen verbrennen. Mein Gesichte wird tunckel. Ich kan nicht sehen. Ach ihr Götter wie geschieht mir. M E D E A . Gebt Euch zu frieden Princessin. A D SPECTATORES. Ich muß Sie trösten. Ihr seyd an einem heiligen Ort kommen / wo die Gotter ihr Feuer haben / das verblendet Euch / daß ihr Ihn in drey Tagen nicht wieder sehen könnet. G E R M A N I A . Ach wie tröstet ihr mich! weil dieses Unglück nur soll drey Tage wehren. Wer seyd ihr dann? M E D E A . Ich bin eine Dienerin der Gotter / und wohne in diesen Hayn / Deroselben Dienst abzuwarten. G E R M A N I A . Habt ihr nicht einen Fürsten gesehen in Gestalt eines Ritters verkleidet? M E D E A . Ach! ja dieser hat etzliche Tage meinen Göttern gedienet / und bey Ihnen um Schutz angehalten / wieder seinem Feind Gailen. Denn sonst wäre er längst zu Euch kommen. G E R M A N I A . Aber wird er nicht bald zu mir kommen. M E D E A . Den kan ich alsobald zu Euch bringen. G E R M A N I A . Auff die Knie. Ach heilige Priesterin der Gotter / numehr verstehe ich / daß ihr mir zum Heil gesand. Ihr seyd eine Trösterin meines Jammers. Und darum kan ich nicht sehen / weil mich euer Glantz verblendet. Verzeihe mir Gottin / daß ich dich mit meinen sterblichen Bli(22/)cken verunehret habe. Ich und mein Perseus wollen dir an diesem GERMANIA.

370

Jobannes

Riemer

Ort zu Ehren einen Stein setzen / und deinen Namen ehren / so offt wir diesen Hayn betreten. MEDEA. Ich bin keine Gottin / sondern nur eine Dienerin derselben. Indeß aber wil ich dennoch eurem Liebsten zu euch bringen. Wincket mit der

Hand.

GERMANIA. Gelobet sey die Majestät der Gotter.

Fünffte Unterredung. GAILE

in Person des

PERSEUS.

MEDEA. Ritter / ihr mögt nichts reden / damit Sie euch nicht an der Rede kennet. Hier ist derjenige / auff welchen ihr so lange gehoffet. GERMANIA. Willkommen allerwerthester. M E D E A . Fdlt ihr ins Wort. Stille Stille um eures Lebens willen. Die Gotter wollen haben / daß ihr die drey Tage eurer Blindheit über / mit ihm / und Er mit Euch kein Wort sprechen solt. GERMANIA. I c h g e h o r s a m e v o n - -

MEDEA. Stille Stille. U m der Gotter willen stille. Ein einig Wort konte die Gotter erzürnen / daß ihr euer lebtage blind bleiben müsset. Küssen und lieben moget ihr Ihn / aber ja nichts mit Ihm reden. GERMANIA.

Nahet sich begierig zu Ihm / und küsset ihn.

MEDEA. N u n ! Hiemit habe ich Euch beyder-(222)seits gedienet. Die Gotter seyn nun mit Euch und segnen eure Ehe. PERSEUS. Rafft inner der Gardinen. Germania. Germania. GERMANIA. Das ist die Stimme meines Perseus. PERSEUS. Ach Sie ist gewiß entführet. GERMANIA. Perseus mein Schatz Perseus. Ach! Verratherey. Es ist Betrug.

Sechste Unterredung. Zu diesen

NEUTRAL

mit

CONSCIENTIA.

NEUTRAL. Serviteur Monseur. So so: GAILE. Schweige! Hier hastu hundert Kronen. N E U T R A L . N U ja gebt her! Ich will schweigen. Nimrit und steckt Sie ein. Ich bin Neutral. Herbey ihr Brüder: Hier habe ich Hahn und Henne angetroffen. Der Hahn hat die Henne auff dem Schosse / gehet fort: oder er wird ihr den Eyerstock gar in zwey drucken.

Von der erlösten Germania, 3. Discurs

371

Siebende Unterredung. Hierzu

PERSEUS, L E O , ACHILLES, LOTHARIUS, TRECHTUT,

CONSCIENTIA.

PERSEUS. Helfft mir die freventliche Gewalt dampffen. GAILE. Nicht zu hitzig / gebrauchet Manir. (223) GERMANIA. Liebster Schatz! Ich bin bezaubert und betrogen. ACHILLES. Man räche den Schimpff und Straffe den Verbrecher. LOTHARIUS. Drauff drauff / ietzo will ich mich auch rächen. GAILE. Monseurs / nur mit Raison. ACHILLES. W a s R a i s o n ?

GAILE. Nach denen Rechten der Ritter. LOTHARIUS. Ey wir wissen von keinen Wett=Streit. GAILE. Einer auff einmahl. PERSEUS. Betrug tilget man mit gesammter Hand. GAILE.

Stost noch etzliche mahl von sich / und entspringt.

TRECHTUT. Es dauret mich / daß ich ihm den Hut nicht in die Augen geworffen. PERSEUS. Aber Herr Graff! Wie kam es / daß er Uns nicht beystund / und fechten halff. LEO. Ich stund hier bey Neutralen / und sähe zu: Weil Gailens Gegentheil ohne dem starck genug war. ACHILLES. Daß wir Ihm nicht umrungen / und gefangen nahmen. TRECHTUT. Er war zu klug / er ließ sich nicht in Rücken kommen. CONSCIENTIA. ES ist so besser / als daß er durch schnellen Tod in Gefahr der Seele gesetzet / welche wir zugleich auch an unserer Seele fühlen müssen. (224) PERSEUS. Aber / wertheste Seele / was vor Unfall hat Sie an ihrem Gesichte troffen / daß Sie nicht sehen kan? GERMANIA. Ach einiger Trost meiner Seele! ich suchte dich /wie Creusa ihren Julium / im Walde. Und siehe / ohngefehr stund ein schnelles Feuer vor meinen Füssen auff / welches mich in einem Augenblick verblendete / daß ich noch nicht sehen kan. Hierauff nahete sich ein altes Weib zu mir / welche sich vor eine Dienerin der Wald=Gotter außgab / die sagte / daß solches auß Verhangniß der Wald=Gotter geschehen. PERSEUS. Au weh / es ist lauter Betrug. ACHILLES. Und öffentliche Zauberey. TRECHTUT. WO wollen die Gotter im Walde herkommen. LOTHARIUS. Wenn wir den alten Balck in unsern Händen hatten. ACHILLES. Wir wollen Sie im Walde auffsuchen. Denn sonst dürffte es in Warheit um der Princessin Gesichte gar mißlich stehen.

372

Johannes

Riemer

PERSEUS. Wir haben Gailens List zu fürchten / darum müssen wir beysammen bleiben. Neutral / du solst diese Sorge über dich nehmen. Gehe hin und lasse nicht nach / biß du die alte Hecate gefunden hast. NEUTRAL. Was soll ich aber alsdenn mit ihr machen? ACHILLES. Sie gefangen nehmen. NEUTRAL. Und denn hernach alsobald wieder loß lassen. ( 2 2 5 ) PERSEUS. Nein / sondern hieher zur Straffe bringen. NEUTRAL. Kriege ich sie: so wil ich ihr das alte Rück=Positiv braff mit Nesseln behauen / und denn an einem Strick binden / und gleich wie eine alte Sau zu Marckte führen. Gehet ab.

Mitlere Gardine bedeckt die Ritter. Achte Unterredung. M E D E A . G A I L E . RATIO STATUS.

MEDEA. Vor frisch Geld mache ich eine neue Kunst. GAILE. Daran soll es nicht mangeln. Bleibt nur fleissig und bemühet / so lange das Eisen annoch im Feuer lieget. RATIO STATUS. Heilige Mutter / können wir es nicht dahin bringen / daß wir unserer Feinde Rathschlage wissen können. MEDEA. Gar wohl / hier habe ich Hemerocallis. GAILE. Und was ist das? MEDEA. Gülden Wurtzel / so lange ihr solche unter den Armen habt / so lange kan euch kein Mensche sehen: Und so könnt ihr alsdenn ohne Sorge mitten in eurer Feinde Gesellschafft treten / und ohne Gefahr selbst hören / was Sie über Euch vor Anschlage machen. RATIO STATUS. Das halte ich unter euren Künsten vor die beste. {226) MEDEA. So empfanget denn hiemit die Gülden Wurtzel: So lange ihr dieselbe unter dem Arme habet / wird Euch kein Mensche sehen können. GAILE. Wohl wohl. Die Vergeltung vor all eure Wohlthaten soll in einer Summa folgen. So wollen wir ihnen denn nachgehen / und vernehmen / was Sinnes Sie seyn / und was vor Anschlage Sie über Uns machen.

Gehen ab.

MEDEA. Gehet hin: Ich indes wil hier mehr Krauter sammlen / damit icht euren Vorhaben kan ferner hülffliche Hand bieten.

Von der erlösten Germania, 3. Discurs

373

Neundte Unterredung. M A N I R und

PAROL.

PAROL. Was gehets Euch an; Ich mag wohl den gantzen Tag in Walde herumb schientern. Ich jage euch deßwegen keine Fliege vom Tische. M A N I R . E S gebieret sich aber nicht / daß man denen Reisenden auff der Strasse auffbast. Denn ich habe gehöret / es soll numehr wieder sicher werden. PAROL. Mein lieber Schwager Manir / was wolt ihr von Auffpassen viel reden? Wer hat denn dieses Krieges* Wesen über / die meisten erschlagen / ich oder ihr. MANIR. Ey ich habe Soldaten erschlagen / ihr habt reisende Leute angegriffen / und Strassen geraubet. (227) PAROL. Mit sitten Thuenden schweit ihr nunt stille / ich wil euchs wohl sagen / daß ihr euer eigen Weib in Brunnen gestossen / und nun zwey lose Zehren auff Strew haltet. MANIR. Η die Frau war alt und mir nichts mehr nütze / was kunte ich mit dem alten lamen Hunde machen. Aber sagt ihr ein Wortgen / mein Creutz und Stern / ich wils dem Edelmanne auch nicht verschweigen / daß ihr seinen Reut= Knecht erschossen / und drieben beyn Krengels=Loche die Porzen Glaser abgelanget hat. PAROL. Was? Das redet mir ein Schelm nach. MANIR. Da höre ich einen. PAROL. D e r du bist. MANIR. D u Strassen=Rauber. PAROL. D u Weiber=Morder.

MANIR. Halts Maul / oder PAROL. Hie steh ich dir. Hastu Carrasche so schlag. MANIR. Schlag du auß.

PAROL. Ein Schelm schlaget nicht.

Beyde

außholend.

Zehende Unterredung.

Zu diesen

Welche Sie bezaubert / daß Sie müssen in der zancksüchtigen Positur stehen bleiben / biß Sie abgehet. (228)

MEDEA.

MEDEA. Alle freche Buben / welche mein Gesträuche verunruhigen pflege ich also zu straffen.

374

Jobannes

Riemer

Eilffte Unterredung. Dazu kommt

NEUTRAL.

Ich sehe wohl / es ist ein ARMISTITIUM getroffen worden. Ha ha! sieh dort / da ist das alte Wildpret / welches billig an einen Eichnen Pfale mit vier biß fünff Clafftern Holtz solte gebraten werden. Laß sehn / rauß Strick. Wir wollen den Bar anbinden. MEDEA. Was hast du hier zu suchen / du böser Mensch. N E U T R A L . Eine alte Saue / mit grauen Porsten. MEDEA. An dem Orte wo ich zu opffern pflege. N E U T R A L . An dem Orte / wo du altes Sturm=Wetter=Aß zu hexen pflegest. MEDEA. Daß dich meine Kunst rühre. N E U T R A L . Und daß dich meine / nemlich die Lateinische mit allerhand Sturm=Winden eine gantze halbe Nacht in dem Meere deiner rotzigten Nase / und auff dem Gebürge deines gefaltenen Antlitzes herum angste. MEDEA. Komm mir nicht zu nahe / oder es soll dich mein Feuer fressen. N E U T R A L . Auß die Wege / ihr Hachen / daß ich des Hollen=Hundes seine Grosse=Muter fangen kan. Stöst einen zu Boden. Und dieser läufft weg. Wilstu auch nicht gehen? Stost (229) den andern andern auch um / daß er durchgehet. Alte / nun gieb dich in der Gute: oder ich wil dich so breit qvetschen wie des Bachi seinen Schaff=Kese. M E D E A . Wegert sich. Vom Leibe. N E U T R A L . Du must: Du alter Mertzen=Hamster. Will sie anbinden. M E D E A . Blast Ihm ein Pulver ins Gesichte / daß er davon blind wird. Siehe da / so straffe ich den Hochmuth. Gehet ab. N E U T R A L . So kan ich ja nicht sehen: Wie will ich dich dann anbinden. Horstu! alte Kuppel=Stute. Horstu nicht. Ist Sie weg? Gehet vor nach den SPECTATORIBUS. Sagt mir es doch / ist Sie weg? Fanget an graßlich zu heulen / wie wil ich nun sehen / wann ich zum Biere gehe und der Wirth schreibt mir zu viel an. Und das wird mich erst vexiren / wann ich nicht mehr kan auff der Charte spielen. Pfui! daurt mich der Scherwentzel nicht. Ists nicht ewig Schade um den Blaumantel. Ja und noch eins: wie kan ich nun mercken / ob ich etwa an meinem Range verletztet werde / wann wir zur Taffei sitzen / denn ich kan ja nicht sehen / welches oben an ist. H a — heulet. Sie werden ja nicht thoricht seyn / und werden mir nun gar das Platz=Inspector=Ambt nehmen. Denn ich wil mir einen Jungen zulegen / der fein scharff sehen kan. Warhafftig ich wolte lieber an der Nasen einen Uberfluß haben / als den Haubt=Mangel an Augen. H a — wann (230) ich nun meine Besoldung kriege: Da werden Sie mir fein bose Groschen mit geben / und Zweyer vor Dreyer zehlen. H a — Was hilfft michs nun / wenn ich gleich den

NEUTRAL.

Von der erlösten Germania, 3. Discurs

375

gantzen Tag zum Fenster nauß / auff den Marek sehe / wann ich nicht erkennen kan / was Kerschen oder Schoten seyn. H a — Und welches mein groster Jammer ist / so kan ich mit dem Blase=Rohre keine Sperlinge mehr schüssen. Je die schonen Augen / welche über ihre Wangen hervor leuchteten / wie zwo Lampen auff einem Bauer» Pfingst=Biere. Daß dich! Kunte ich nicht sehen / wie ein Lux / in die allerverborgensten Winckel. Kein Mensche kunte einem Finger in die Asche stecken / so sähe ichs / und kunte meine Avisen nach Gutsal schreiben. Alle Leute waren bey mir verrathen und verkaufft / denn ich war so scharffsichtig / daß ich auf fünff Meile Weges sehen kunte. Ist iemand hier? Wer ist da? Wann ich doch nur zum wenigsten mit einem Auge sehen konte / wie der blinde Valthen. Aber so gar wie ein Maulwurff in Fünstern dappen: Ist das nicht Schande und Sünde? Da ziehe ich nun herumb / wie eine Blindschleiche. Zornig. Wann ich mich doch nur an dem alten Zauber=Teuffel rächen solte.

Zwolffte Unterredung. CONSCIENTIA.

So gehets: Wer ehrlich handelt / muß unten liegen. (231) Stille / Still! Da ist der alte Hund. C O N S C I E N T I A . Ich bejammere nichts mehr / als daß die Unschuldigen dadurch geärgert werden. N E U T R A L . Erdappe ich dich / du solst auch auß einen engen Loche pfeiffen. C O N S C I E N T I A . Was hilffts? Der Himmel führet seinem verborgenen Rath also / daß denen Frommen und Redlichen das Unglück immer naher / als denen Sündern und Falschen. N E U T R A L . Nahet sich indeß zu Ihm / und ergreifft ihn. Harre du alte Cybele: Habe ich dich nun: Nun mache dich bereit / du must dran: auff der Statte solstu sterben. C O N S C I E N T I A . Neutral! Ich erschrecke vor dir und deinen Drau=Worten. Wo hastu denn dein Gesichte verlohren. N E U T R A L . Seyd ihr denn nicht die alte Teuffels=Meisterin / welche ietzo mit mir geredet hat. C O N S C I E N T I A . D U wirst ja deines Reise-Geferthens Stimme annoch kennen / welcher dich mit Hunger und Kummer biß nacher Alesa begleitet. N E U T R A L . Die Stimme ist es wohl: Aber ich kann es dennoch nicht recht glauben: last mich an Bart fühlen. C O N S C I E N T I A . Hier erkundige dich. Last sich anfühlen. N E U T R A L . ES ist wahr. Aber nun entbrennet mein Zorn auffs neue.

CONSCIENTIA. NEUTRAL.

376

Johannes Riemer

Was kanstu thun. Ohne der Gottheit willen kan uns Sterblichen nichts wie-(2J2)derfahren. Fasse dich mit Gedult / und erwarte gottlicher Rache. Ich wil dich indessen bey der Hand leiten. N E U T R A L . Ha Das ist ein schlechter Trost / vor einem Blinden. Jedoch muß ich folgen. Reichet mir so lange euren Stab / daß ich daran gehen kan. C O N S C I E N T I A . Ach! brauch denselben hiemit zu deinem Schutz. N E U T R A L . Theilt einem armen blinden Manne auch was mit. Der Stock ist blind. Gehen ab. CONSCIENTIA.

Dreyzehende Unterredung. PERSEUS. GERMANIA

bey der Hand.

ACHILLES, L E O ,

LOTHARIUS,

TRECHTUT.

Nun wird sich der Feind unsers Unglücks freuen. G E R M A N I A . Ach allergrostes Elend / das einem sterblichen Menschen begegnen kan / wann er kein Liecht siehet. A C H I L L E S . Getrost Princessin! Wann die Noth am grosten ist / so ist die Hülffe am allernächsten. L O T H A R I U S . Gaile wird uns nochmehr Unheil zufügen. LEO. Weil er in seiner List nicht außzugründen. T R E C H T U T . Können wir denn alle zusammen nicht einem Kerls gewachsen seyn? (233) PERSEUS.

Vierzehende Unterredung. Zu Ihnen

alle beyde unsichtbar / und einander durch Minen zuverstehen gebende.

R A T I O STATUS, G A I L E ,

Gedancken

ihre

Ο daß ich ihn mit meinem Athem wie ein Basilisk hätte todten können / da er mich mit Betrug umarmete. LEO. Lachende. Diese List ist nicht genug zu belachen. P E R S E U S . Mir aber nicht satt zu beklagen. A C H I L L E S . Und was zu thun / wann er Uns mit starckerer Hand angreifft? L O T H A R I U S . SO werden wir verjagt. Und die verderbete Germania muß dennoch zu seinem Willen dienen. P E R S E U S . Wir müssen Ihn suchen und mit Gewalt angreiffen. LEO . Ich bin versichert / daß wir Ihm zwar sehen / aber schwerlich zu Stande bringen werden. GERMANIA.

Won der erlösten Germania, 3. Discurs

377

Er ist ein schlauer Fuchß / welcher mehr als ein Loch weiß. LEO. Aber warum sollen wir Ihm nachgehen / und einen Schein der Beleidigung auff Uns laden? Man erwarte lieber seines Feindes. Denn dadurch wird das Gemüth zu einer gerechten Rache desto behertzter gemacht. (234) P E R S E U S . Der Kampff ist auff unsrer Seiten sehr gefahrlich. Denn / müssen wir Uns vor seiner Hand bicken; so ist Germania schon verlohren / und ich muß bey meiner Gemahlin Leben ein bekümmerter Wittber seyn? L O T H A R I U S . Wie dann / wenn wir entweichen / und Ihm das Wildpret auß denen Zanen rückten? P E R S E U S . Aber auff was weise. T R E C H T U T . Well mine Herren / ich will Sie mit nach Mastreck nehmen. A C H I L L E S . Nein nein! An der Donau ist sie weit sicherer. LEO. Man sage mir doch eine Ursache / warum wir Gailen fürchten? Ich alleine hoffe durch meine Mannschafft ihm zu Wasser wohl genug zu wieder stehen. P E R S E U S . Es ist wohl wahr / dapffrer Graff: Und ich sage Danck vor euren angebotenen Beystand / verhoffe auch dieselbe zu meiner Hülffe nicht ohne Ruhm zu gebrauchen. Alleine es ist auch damit mein Sorgen noch nicht auffgehoben: Alldieweil meines Gegentheils Klugheit so tieff / daß Sie nicht zu ergrunden. Wir wissen nicht mit wessen Beystand er Uns anfallen mochte. Und da Uns gleich das Glück zu überwindern machte; so würde es Ihm dennoch an keinem Anschlage mangeln / Uns dasjenige zu entführen / warumb wir ietzo mit Blut und Leben kampffen. A C H I L L E S . Aber wie ist einem so wachsamen Feinde vorzukommen? {235) P E R S E U S . Germania muß bey Nacht davon gebracht / und nacher Norden geschicket werden. LEO. SO kan Sie zum Theil unter meiner Herrschafft ihre Sicherheit finden. P E R S E U S . Ach geliebter Held. Wir vertrauen Sie eurem Schutze / und Ihr Achilles / werthester Beystand / werdet nechst Lothario vor unsern Wohlstand wachen helffen.

TRECHTUT.

Funffzehende Unterredung. Zw diesen

CONSCIENTIA

und

NEUTRAL.

Glück und Unglück muß man stille halten / und sich dennoch nicht mit Boßheit rächen. N E U T R A L . Ach ein blinder Mann / ein armer Mann. Sonst wann ich durch ein Dorff reisete / so konte ich an denen heraußgesteckten Wischen so genau erkennen / wo sie gut Bier auffhatten: Jetzt kan ich gar die SehenCONSCIENTIA.

378

Johannes

Riemer

cke nicht einmahl finden. Greifft an einem Baum. Halt hier ist das Bauer Rath=Hauß in diesem Dorffe. Denn ich fühle die Linde / da der Pranger dran ist. Die Schencke kan nun auch nicht weit seyn. G E R M A N I A . Ist dieses nicht die Stimme meines Getreuen Neutrais. N E U T R A L . Das werdet ihr ja verhoffentlich an meiner Kleidung sehen. G E R M A N I A . Hastu denn meines Elendes schon vergessen / und weistu nicht mehr / daß ich mit Blindheit geschlagen bin. Weinend. {236) N E U T R A L . Ach! blind bin ich nicht / wann ich nur sehen konte. G E R M A N I A . Wie vermagstu aber die Strasse zu finden. N E U T R A L . SO lange ich Doctor Conscientia seinem Stab in Händen gehabt / bin ich noch nicht gefallen. C O N S C I E N T I A . Wer mich zum Begleiter hat / soll seinen Fuß so leicht an keinen Stein stossen. A C H I L L E S . Aber wo und durch wem hastu das Licht deiner Augen verlohren? N E U T R A L . Wisset ihr nicht / daß ihr mir befohlen / den alten Beißkorb / die Medea zu fangen / und in eure Hände zu bringen. LEO. Und warum hastu diesem Gebot nicht nachgelebet? N E U T R A L . Zornig. Nicht nachgelebet; fanget ihr auch wann ihr keine Augen habet. Der alte gebratne Apffel war schon in meiner Gewalt; Und ietzo gleich langete ich den Strick herauß / ihn anzuknipffen; Alleine der alte zerstochne Weiden=Schwam spiehe mir ein Maul voll Buttermilch ins Gesichte / davon sich der Staub mir in die Augen geleget / daß ich die Stunde noch kein Stich sehen kan. L O T H A R I U S . Müssen wir denn also mit unsern Bedienten der Zauberey unterthan seyn? P E R S E U S . Unser eigen Unglück dringet Uns solch Joch an den Halß. Darum müssen wir Germanien fliehen / und in des Arcturus Sicherheit verwahren lassen. (237) LEO. Unter wessen Geleite. P E R S E U S . Ich halte nicht daß Sie eines bewehrten Geleits von nothen habe. Denn der Feind stehet Uns zur Rechten; und Sie hingegen muß zur Lincken ihre Strasse ziehen. Auff dieser Seite schützt Sie der Rhein / auff der andern die Donau. Und also kan Gaile / wie klug er auch ist / nicht an Sie kommen / woferne wir nur zusammen diesen Weg bewachen / und Ihm den Hingang verwehren. A C H I L L E S . Der Vorschlag scheinet nicht ungeraumt zu seyn. L O T H A R I U S . Aber doch konte nicht schaden / wann der Ostindien Fahrer mit zur Reise Gesellschafft gezogen würde. P E R S E U S . Wohl! So werdet ihr uns ja verhoffentlich in gegenwartiger Noth die Hülffe erweisen / und unserer Gemahlin auff der Reise einen bedienten Beystand gewehren.

Von der erlosten Germania, TRECHTUT.

J. Discurs

379

Wol mein Herr: gar gerne: iedoch aber nur auff eine Tage*

Reise. Ey: innerhalb sechs Stunden kan Sie den Boden ihrer Sicherheit betreten. GERMANIA. Aber wie lange soll ich meinen Schatz / den Vorrath aller meiner Freuden / und den einigen Wundsch meines Lebens verlassen? PERSEUS. Das weiß die Gottheit. Vielleicht fugt Uns das Gluck eher / als wir hoffen. Conscientia. Ihr solt Sie bey der Hand biß auff das Schiff begleiten. {238) CONSCIENTIA. Meine Dienste bleiben getreu / so lange mich der Erdboden traget. T R E C H T U T . So wil ich Sie bey der andern Hand führen. N E U T R A L . Nein / nein / Pfeffer Thoms! So werden Sie verlesen. Erstlich Doctor Conscientia / hernach Frau Germania / welche Möns. Neutralen bey der Hand hat. Und alsdenn kommstu erst. Denn Herr Doctor Conscientia muß vorangehen und sehen / wo etwa was im Wege lieget / daß wir nicht darüber fallen. Du aber solst die Auffwartung von hinten haben / wann uns etwas entfallet oder entfahret / daß du es auffangest / damit nichts verlohren werde. T R E C H T U T . Das kan ich wohl thun. GERMANIA. Adieu mein Engel! lebet wohl! Der Himmel sey eur Arm wieder unrechtmassige Gewalt. PERSEUS. Der wolle schaffen / daß wir Uns bald wiederum umarmen können: Adieu mein Kind. GERMANIA. Lebet wohl mein Schatz! Lebet wohl ihr übrigen Helden. LEO. Daß es Germanien immerdar wohl ergehe. N E U T R A L . Gute Nacht meiner Mutter Rothkehlichen. A C H I L L E S . Sie fahre wohl Princessin. N E U T R A L . Adieu Lenichen / du Kernbeisser meiner untersten Affection. L O T H A R I U S . Sie fahre wohl. {239) N E U T R A L . Und der Herr reute wohl / wann er zu Pferde sitzt. PERSEUS.

Gehen ab.

Nun ihr Herren! so last Uns in die Gegend vertheilen / damit wir des listigen Feindes Angesicht nicht vorbey lassen. Jedoch müssen wir Uns nicht all zuweit von einander stellen / damit wir auff vorhergehenden Nothfall / durch seinen lauten Zuruff / Uns bald wieder versammlen können. Ich will selbst voran gehen und auff einen Canon=Schuß von einander die Stellungen anordnen. Gehet ab. LOTHARIUS. Was der Printz vermeynet / dem hangen wir an.

PERSEUS.

Gehen ab. Ratio Status und Gaile als unsichtbare bleiben.

GAILE. Nun mehr kluger Rath / haben wir fast verspielet. Denn zur Gegen-Wehr / wieder Sie alle / bin ich viel zu schwach. Und zu dem muß

380

Johannes

Riemer

auch die Klugheit numehr ihre Hoffnung fallen lassen. Denn auff solche Weise / wie ihr gehöret / wird Germania von unsern Lüsten allzuweit entfernet. Ο daß ich nicht mit eusserster Gewalt mich ihrer bemächtiget / und in solcher Beständigkeit umb ihretwillen gestorben / so ware ich der Reue und Schmertzen auff einmahl überhoben gewesen. R A T I O STATUS. Wollen denn Er. Gnaden auff einmahl den Muth fallen lassen? So lange die Seele bey einem Patienten noch das geringste Kennzeichen von sich giebet: So lange muß man Besserung hoffen / und am Leben keines weges verzweiffein. (240) G A I L E . Ich wil ihnen dennoch nachgehen / und sie alleine anfallen. Stellet sich geschwind davon zu gehen. R A T I O STATUS. Nein! Er. Gn. müssen durch Ungedult sich nicht allen Vortheil auß der Hand spielen. Sie verziehen / vielleicht hat Medea noch eine Kunst bey der Hand.

Sechzehende Unterredung. Zu diesen

MEDEA.

MEDEA. Wer meinen Nahmen nennet / dem bin ich zugegen. R A T I O STATUS. Hier ist Sie schon. Er. Gnaden kehren um. G A I L E . Kommt wieder. Ach! Mutter voller Künste! Ist denn kein Rath mehr übrig? MEDEA. Ehe soll es dem Hunde an Flehen mangeln / als mir an einer Kunst. Wozu verlanget ihr denn meinen Rath? GAILE. Germania ist fort: und alle Hoffnung dazu ist verschwunden. M E D E A . W O ist Sie dann hin / und welchen Weg seynd Sie mit ihr gezogen? Ich wil Sie ihnen gar künstlich wieder abnehmen. GAILE. Ach! was abnehmen: Ihr Bey stand ist gar zu groß: Und die dapffersten Ritter fechten vor Ihre Freyheit. Deßhalben ich versichert bin / ob ihr gleich Germanien mit geheimter List an Euch bringen kontet; so würde doch ihre vereinigte Macht Euch dieselbe mit Gewalt wieder abnehmen. (241) MEDEA. Da last mich und meine Kunst davor sorgen. Habe ich Sie einmahl in meinen Händen / so soll Sie keine Macht retten / und wenn Ulysseß mit Hector und Agamemnon wieder mich anzogen. Denn so bald ich Sie in meine Hand / in diese meine Hand bekomme. Sehet so will ich Sie auff meiner Tochter Gebürge anschlussen / und die Fessel derselben in der Lufft verwahren / wohin kein sterblicher Mensch ohne meine Hülffe kommen kan. GAILE. Habt ihr denn auch Tochter?

Von der erlisten Germania, 3. Dtscurs

381

MEDEA. Vier schone Nymphen / starck vom Leibe / und schnell von Füssen / welche mir in meiner Kunst nichts zuvor geben. R A T I O STATUS. Haben Sie dann ihre gewissen Nahmen. MEDEA. Freylich: Denn wie konte ich Sie sonst von einander unterscheiden. Die erste heist Ambitzgen / die andre Avaritzgen. Die dritte Negligentzgen / die vierdte Luxurgen. GAILE. Was haben diese eure vier Tochter vor Qvalitaten und Tugend an sich. MEDEA. Ambitzgen nimmt ihren Respect wohl in acht / Avaritzgen halt das ihrige genau zu Rathe / Negligentzgen ist in ihren Sachen wolbedachtig / und ubereilet sich nicht. Luxurchen aber / das kleine Hürchen / halt etwas auff sich / und thut ihrem Leibe was zu gute. Diese meine vier Tochter nun wohnen auff dem hohen Welt=Gebürge / wo sonst kein Mensche als ich / und von denen Gottern Pluto hinkommen kan. Und dahin wil (242) ich die Germania durch meine Kunst zwingen / und zu euren Vortheil anschmieden / und auff den Felsen / durch meine Tochter wieder eure Feinde bewahren lassen. G A I L E . SO meinet ihr dann Germanien wieder zu erlangen / und durch Beystand Eurer Tochter / mir vorzubehalten? M E D E A . Ja Ja! haltet mich nur nicht auff. Gehet ab. GAILE. Gehet hin! Eur Verstand sey wacker / und eure Kunst machtig. Wir wollen mit Gedult warten. Gehet ab. R A T I O STATUS. Und fernerer List einen Raum geben. Gehet ab. Siebenzehende Unterredung. CONSCIENTIA

mit beyden Blinden

/ GERMANIA

und

NEUTRAL,

hintennach

TRECHTUT.

Müde genug. Und wie weit haben wir noch biß an Seestrand zum Schiffe. T R E C H T U T . Eine gute halbe Stunde. N E U T R A L . Mit einem Auge blind seyn / das mag endlich hingehen; Aber mit allen beyden nicht ein Dreckgen sehen / das ist ein Elend. So seynd die zwey Augen im Kopffe / und das darauff ich sitze / alle drey in PRJEDICAMENTO QVALITATIS. Denn ich sehe mit einem so viel als mit dem andern. Argus konte mir von seinem Hundert wohl ein baar (243) schencken. Daß dich potz Poliphemus=Element! Wenn ich doch ein kleines Aeuglein hätte / es mochte auch gleich unter an der Fuß=Solen stehen. So konte ich doch / wann ich das Bein aufhiebe / nur sehen. Aber so wandle ich herum / wie des Hertzogs von Perlepump sein blindes Pferd. Ha! CONSCIENTIA. GERMANIA.

25

Riemer II

382

Johannes

Riemer

Und ietzt spüren die Füsse auch eine Müdigkeit / und werden mir bald versagen ferner ihr Ambt zu thun. C O N S C I E N T I A . Er. Gnaden haben das Recht sich zu setzen / und ein wenig außzuruhen. G E R M A N I A . Ich werde genothiget Euren Vorschlage zu folgen. Setzet sich. N E U T R A L . Schreyet überlaut. Ha! G E R M A N I A . Wozu dienet denn solch Geschrey: Neutral! N E U T R A L . Warum solte ich nicht schreyen: ich dachte ihr woltet fallen. Und da hatte ich nothwendig müssen Gesellschafft leisten. C O N S C I E N T I A . Nein nein / Neutral. Wir wollen Uns nur ein wenig zur Ruhe setzen. Sie setzen sich. Die Augen wollen mir immer vor Müdigkeit zufallen. N E U T R A L . Schlafft ihr nur schlafft: Ich will schon acht haben / wenn von weiten iemand auff uns zu kommt. T R E C H T U T . Schlafft nur und ruhet / ich wil wachsam genug seyn. N E U T R A L . Daß dich / daß dich: Du Bruder Wasser-Hund! Hast du nicht einen Schieß-(244 )Priegel bey dir / wann mir etwa ein Hase ins Gesichte käme. T R E C H T U T . Du wunderlicher Mensch kanst ja nicht sehen. N E U T R A L . D U Narre! ich werde es ja fühlen / wann er mir ins Gesichte springet. Alsdenn muß ich stracks Zuschüssen. GERMANIA.

Achtzehende Unterredung. Zu diesen kommt M E D E A , mit etwas Feuer. T R E C H T U T gehet durch wie ein Holländer. MEDEA. Wann Conscientia schlaft / so ist Germania leicht zu entführen. G E R M A N I A . Germania wacht mit verschlossenen Augen. Schlafft endlich mit Neutralen auch ein. MEDEA. Schlafft nur! schlafft zu euren eigenen Verderben. Faule schlaffrige Leute seynd leicht zu betrügen. Sie gehet hin und ergreifft Germania bey der Hand / und führt Sie fort. Neutral halt sich und stehet mit auff N E U T R A L . Herr Doctor! wollen wir fort? MEDEA. J a .

Habt ihr Euch doch gar heischer geschlaffen. Wir wollen auf dem Wege den Himmel um gnadige Erlösung anruffen. N E U T R A L . Ich kan mich vor Zorn zu keiner Andacht eher schicken / biß ich des alten Phlegelthons {245) Qvarrkachel / die Medea in der Zause gehabt / und mich an Ihr gerochen. NEUTRAL.

GERMANIA.

Von der erlisten Germania, 3. Discurs MEDEA.

383

Giebt Ihm einen Stoß an Kopffe.

NEUTRAL. Nun! last sehen blinde Fürstin / macht euch fein lustig. Ihr denckt / weil ihr meine Nase nicht finden kont / so wolt ihr sonst in Tag hinein schlagen. Oder Du Dreckhut bistu es etwa gewesen?

Geben ab.

Erwacht: voller Schrecken. Nun! alle drey Geferthen auff einmahl mich zu verlassen. Das ist eine Untreu. Sie seynd gewiß etwa hinter das Gebüsche gegangen / durch Trechtuts Begleitung. Aber was können blinde Leut im grünen Gesträuche vor Freuden haben. Das Hertz wil mir doch etwas schwer werden. Gnadigste Frau! Germania / Neutral / Princessin / Trechtut. Ach! ich vergehe. Die Sache ist nicht ohne Betrug. Ach Gailens unumschrenckte List hat gantz gewiß eine neue Probe bewiesen. Ach verdammlicher Schlaff / wo das Gewissen mit schiäfft. So ist Germania verschlaffen: Verfaulentzet? Verdroßner Rath. Fauler Wegweiser. Ο schnöde Wollust eines kurtzen Schlaffes! Ich schnaubete annehmlicher als der Noctis Sohn / ich draumete aber unglückseliger als Astyages. Ο bittre Ruhe. Ach schädliche Süssigkeit / welche mir in meiner Müdigkeit zugezogen. Andre schlaffen zur Ruhe: Ich habe das Leben selber verschlaffen. Ach! wehe dir Conscientia! Perseus wird von dir Rechenschafft fordern / und die An-{246)zahl aller Helden werden dich zur Rache ziehen. Ach wie schwer ist / zur Zeit der Noth denen Bedrangeten mit Rath beystehen. Schwache Menschen! Die ihr am meisten fehlet / wann ihr am klügsten seyn wollet. Germanien zu bewachen / und in einen vorsetzlichen Schlaffe zu verlieren. Ich mochte verzweiffein / wann ich an mein künfftig Elend gedencke. Man wird mir numehr die Erde verbieten / und die Lufft mißgonnen. Wo werde ich nun leben können? komm komm / Neptunus / und verwandle mich in einen Fisch. Denn ich will in der See wohnen / und vor aller Menschen Gesellschafft mich verbergen: oder mache mich zu einem Frosche; so kan ich in der Lufft und im Wasser wohnen. Doch nein ich will meinem Tode entgegen gehen / und das Ende meines Lebens beständig erwarten.

CONSCIENTIA.

384

Johannes

Riemer

Vierdten Discurses Erste Unterredung. GERMANIA TRAL.

Beyde

auff dem Felsen angeschlossen / zun Füssen sitzt der blinde N E U werden von denen vier Ungeheuren A M B I T I O , L U X U R I A , N E GLIGENTIA und AVARITIA bewachet. C H O R der Ungeheuer Uns Nymphen allen vieren / Will iederzeit gebieren / Daß wir der Mutter Wort / Und halb entdeckten Willen / Bald in der That erfüllen / Sonst jaget Sie uns fort.

singend. (247)

GERMANIA.

Ach! Himmel / Ach! Die Angst vermehret sich fast mehr als Tausendfach. Ich leide Noth. Vielleicht ist Perseus schon mit andern Helden todt. Sonst würden Sie mich retten / Von diesen unverdienten Ketten. CHOR.

Wer sonst nicht zu bekriegen / Den können wir besiegen / Durch Sehn- und Liebes»Sucht. Wer unsre Hülff empfindet / Derselbe überwindet / Und schmeckt des Sieges Frucht. GERMANIA.

Germania / Ist nun dem Untergang mit Leib und Seele nah. Sie lebt nicht mehr / Ach! wann ich nur auch todt bey meinem Perseus war. So würde sich dann fügen / In mir ein anderes Vergnügen. CHOR.

Wir seyn Stal=Eisen-feste / Und darum liebe Gaste / Wo wir nur kehren ein.

Von der erlösten Germania,

4. Discurs

385

Wir können ohne Waffen / Fast alle Dinge schaffen / So uns belieblich seyn. GERMANIA.

Verdammte List / Die wie Harpyien das Hertz im Leibe frist. Ich leide Pein / Muß aber doch dabey zugleich unsterblich seyn. Au weh! Wer wil mich retten / Von diesen unverdienten Ketten.

Andere Unterredung. Zu diesen

MEDEA,

singend.

MEDEA.

Seht so / wers Handwerck recht versteht / Dem geht Die Kunst nach allen Wündschen an. Hat nicht ein blosses Kraut durch meine Hand gethan Was sonst Achilles nicht vermocht. Weil Gaile nun auff meine Kunst gepocht / So soll Germania zu seinen Diensten stehn. Also stehts / Also gehts; Wer nicht in der Güte will / Dill Dill Dill / Den wasch ich mit meiner Seiffe / Biß er tantzet wie ich pfeiffe / Denn ich bin der Gotter Bote. Also geht die Kunst nach Brodte. NEUTRAL.

Geht so die Kunst nach Brodte / Du alte Donner Hagels Schote / So hole dich der Hencker / Der Fried und Bündniß=Kräncker. Du altes Wetter Vieh / daß dich der Blitz erschliege / Wann ich dich nur an einem Orte kriege / Wo deine Teuffei nicht zu gegen seyn. Da soltu wie ein Schwein Von mir geschlachtet werden.

5

(248)



386

Jobannes

Riemer

MEDEA.

Halts Maul / du Vogel du / sonst mach ich dich auch stumm / NEUTRAL.

Ο werde lahm und krumm / Gleich wei ein Fidel=Bogen. (249) MEDEA.

Das ist der Lohn / wann solche Motten / Die Gotter wollen spotten. NEUTRAL.

Das ist erstuncken und erlogen / Ach! ich erzürne mich auch über diese Schosen. Ich mochte nur vor Zorn in meine eigne Hosen / Zwey grosse Locher reissen.

Dritte Unterredung. Zu diesen

GAILE

mit

RATIO

STATUS.

GAILE. Seyd ihr zu gegen vermögende Mutter; so bin ich erfreuet. Denn mich verlanget zu wissen / wie weit ihr meine Sache gebracht habt. MEDEA. Germania ist in meiner Gewalt / und so ihr dieses nicht glauben könnet / so sehet Euch umb. RATIO STATUS. Bey meinem Leben / dort ist Sie angeschlossen. GAILE. Ich erschrecke vor dem Anblicke. Was seyn das vor Ungeheuer? MEDEA. ES seyn meine Kinder. GAILE. Eure Kinder. MEDEA. Meine Tochter. GAILE. Ich entsetze mich vor ihrer Gestalt. RATIO STATUS. Verstand gehet aller Schönheit vor. GAILE. Sie sehen ja keinen Menschen ahnlich. RATIO STATUS. Der Nutz eines Dinges last die Gestalt desselben gar wenig betrachten. GAILE. ES ist wahr. Was haben wir Uns endlich an die Wächter zu kehren: Wann Sie Uns (250) nur den lieben Gefangnen nicht auß der Hut lassen. RATIO STATUS. Der kostbare Vogel ist numehr in unserer Hand. NEUTRAL. DU magst wohl selbst ein Vogel seyn. Ich DIN kein Vogel nicht. GAILE. Ey! Aber mich dauret die Germania / und die schweren Bande steigen mir zu Hertzen. Germania wolt ihr uns lieben? GERMANIA. L i e b e n ?

Von der erlösten Germania,

4. Discurs

387

GAILE. J a ! lieben. GERMANIA.

Hassen.

GAILE. Hassen?

Ja hassen. R A T I O STATUS. SO bleibt ihr in euren Banden. G E R M A N I A . Ich wil lieber in Banden / vor Perseus / mit unverletzter Treue sterben / als mit einen andern in stoltzer Herrschafft leben / und Glauben brechen. R A T I O STATUS. Besinnet Euch wol / Germania / was ihr thut / das Verhangniß der Gotter ist über Perseus ergangen / und er wird sich noch dieses Jahr vor Gailens Scepter beigen müssen: lieber wolte ich einen Ritter lieben / dessen Herrschafft auff Stuffen nach dem Regierungs Lorber steiget / als einem Konig / welches Macht von Tage zu Tage geschwachet wird. G E R M A N I A . Der Mond steiget nach seinen Abnehmen wieder nach den vollen Liechte. MEDEA. Wann das Glaß zubrochen / so gehen die Scherben verlohren. (251) G E R M A N I A . Der Himmel zerbricht nicht gantz: sondern / wann er getodtet / macht er wieder lebendig. R A T I O STATUS. Wer einmahl liegt / stehet selten wieder auff. G E R M A N I A . Die Hohe des Standes kan niemand von Falle erretten. G A I L E . E S ist wahr: Denn sonst ware Icarus über die Sonne geflogen. R A T I O STATUS. Wer aber seine Feinde gedampffet / der sitzt in stoltzer Ruhe / und schlifft mit Sicherheit. N E U T R A L . Und wer nicht blind ist / der kan Schelme und Diebe erkennen: Ach! daß ich doch Euch nur sehen solte! MEDEA. Schweige / oder ich wil dich noch mehr demüthigen. N E U T R A L . Bistu da du altes Gezerre. Will auffstehen. Fdlt aber immer wieder nieder. GAILE. Nun was ist der Schluß / schone Germania / wolt ihr mich lieben / oder eine ewige Gefangene seyn? G E R M A N I A . Zertrennete Ehen seynd gespaltene Hertzen / ohne Leben. GAILE. Was ihr an Perseus verlieret / das habt ihr an mir wieder zu erlangen. N E U T R A L . Das thut ein Schelm / der einen Eheweibe etwas zumuthet / und einen ehrlichen Mann zum Hahnrey macht. G E R M A N I A . Treue ist zwischen Ehe=Leuten das beste Pfand. Perseus habe ich einmah Lie-(252)be geschworen: Und diese soll durch meinen Tod erst recht bestetiget werden. R A T I O STATUS. So ist nichts zu erlangen? G E R M A N I A . Nimmermehr. GERMANIA.

388

Johannes

Riemer

MEDEA. SO mögt ihr diesen beschwerlichen Arrest halten / und ewig gefangene seyn. Wohlan! meine lieben Tochter / erweiset Euch gehorsam: und seyd wachsamer / als Gallus / zur selben Nacht / da Mars den Vulcanum mit Hornern kronete. Sie treten vorwerts. NEUTRAL. Ich wolte daß dir drey Horner im Leibe gesteckt / und Lunge und Leber durchboret hatten. Innere

Gardine bedeckt die

Gefangenen.

GAILE. Aber was zu thun / wann Germania von ihren Vorsatz nicht zubringen? MEDEA. Man muß der Zeit erwarten: Sie wird der Gefangenschafft schon müde werden. RATIO STATUS. Sie bleibet Uns fest genug: zudem wird Sie auch lieber das Leben mit Herrschafft und Herrligkeit suchen / als in so viel Schmertzen den Tod erwarten. GAILE. Wann aber Perseus mit Gewehr und Mannschafft die Gefangene erlosete. RATIO STATUS. So starck ist er noch nicht / daß er solches außrichten konte. MEDEA. O ! meine Kinder sind vorsichtig. GAILE. Ich sorge aber / ich sorge. RATIO STATUS. U n d was denn sorgen?

GAILE. Ich besorge des Ritters / welcher den Löwen im Schilde führete Großmüthigen Bey-(253)stand. Traun! es scheinet / als ware sein Gemuth durch das Zeichen in Wapen edel genug abgemahlet. RATIO STATUS. Ist dessen Starcke zu besorgen / so muß man Uns denselben zum Freunde / dem Perseus aber zum Feinde machen. GAILE. Dieses ist ja unmüglich zu erlangen. RATIO STATUS. Gnädiger Herr! Der Vertrag muß mit güldener Dinte geschrieben / und mit silbern Streu=Sande getreiget werden. GAILE. Aber wo ist flüssend Gold? RATIO STATUS. Er. Gnaden verstehen mich nicht. 50. 60. 70. hundert / ja tausend Kronen seyn gar wichtig genug / den Ritter von Leuen / auff unsere Seiten zu drücken. GAILE. Das Geld ist wohl vorhanden: Aber wer kan ohne seine eigene Gefahr / des Ritters Beystand damit erkauffen? Und daß wir nicht eine solche Summe vergeblich anlegen. RATIO STATUS. Gn. Herr / hierzu wil ich mich selbst gebrauchen lassen. Und gleichwie Er. Gnaden Sorge erheblich genug: Also soll meine Vorsieh tsamkeit nichts desto geringer seyn. GAILE. Hier habt ihr den Schlüssel / zu unsern Vorrath / kont ihr mit zwey tausend Cronen etwas außrichten / so habt ihr macht dieselben mit Euch zu nehmen. Alleine was habt ihr vor einen Anschlag dazu?

Von der erlösten Germania, 4. Discurs

389

Ich will die gantze Versammlung der Ritter suchen / und unter dem Vorwand / als sey von Er. Gnaden / ich an Sie ingesammt / (254) Fried und Bündniß zu suchen / abgeschicket / will ich Gelegenheit absehen / den Ritter Leo mit den zwey tausend Cronen auff unsere Seite zu kauffen. MEDEA. Das Absehn ist schon / das Glück wolle nur dieser Klugheit seine allmachtige Hand bieten. GAILE. Das wündschen Wir von Hertzen. Der Himmel sey mit Euch. R A T I O STATUS. Dieser wolle Er. Gnaden in seinem Schutz erhalten / und zu derselben mich wiederum mit Freuden bringen. Gehet ab. GAILE. Das verleyhe die Gottheit. Ihr aber / kluge Mutter / weichet nicht von Uns / biß unser Rath / Ratio Status / mit verlangten Glücke wieder zu Uns kommet. Gehet ab. MEDEA. Mein Trinckgeld recht zuverdienen / werde ich eure stete Geferthin seyn. Gehet ab. R A T I O STATUS.

Vierdte Unterredung. PERSEUS, T R E C H T U T , L E O , A C H I L L E S ,

LOTHARIUS.

Hattet ihr dann nicht ein kleines Schrecken außhalten können; Da ihr doch wol gewust / wie feste wir unsre Gemahlin euren Schutz anbefohlen. T R E C H T U T . Wer kan sich das lebendige Feuer {255) lassen in die Nase gehen. Hatte ich noch zehen Augenblicke gewartet / so war ich mit sammt der Germania verbrand / und ihr wüstet nun gar nicht /wo Sie ware hinkommen. PERSEUS. Ist Sie denn umkommen. T R E C H T U T . Ausser allen Zweiffei ist Sie verbrandt. A C H I L L E S . Je! da sey die Gottheit vor! T R E C H T U T . Oder zum wenigsten doch von Feuer so beschädigt /daß es Noth wird haben / Sie beym Leben zu erhalten. L O T H A R I U S . Aber von wannen war denn das Feuer? T R E C H T U T . Das weiß ich nicht: Aber das sähe ich wol / daß ein altes Weib / mitten in Feuer / auff Uns zugerennet kam. A C H I L L E S . Das ist wunderlich. LEO. Und unerhoret. P E R S E U S . Ach! es seynd Gailens Rancke / als welche weder Land noch Blut schonen. Weinende: Sollen wir denn von unserer Gemahlin nun nichts mehr / als einen verbrandten und todten Leichnam zu gewarten haben. A C H I L L E S . Ich muß bekennen / die Begierden in diesen Ritter seynd hochgestiegen. PERSEUS.

390

Johannes

Riemer

Funffte Unterredung. Dazu kommt

RATIO STATUS.

RATIO STATUS. Gehorsam und Schuldigkeit grüsset die streitbaren Ritter. (256) PERSEUS. Und unser Betrübniß vermag Euch kaum zu dancken. Aber ihr seyd ein Rath unsers Feindes: Was bedeutet denn eure Ankunfft? RATIO STATUS. Nichts / als daß ich Freundschafft und Gunst an gesamte Helden von meinem Herren abzulegen und um Freundschafft und Bündniß anzusuchen habe. PERSEUS. Ja nun / da Germania verderbt / und wie man muthmasset / durch verzehrendes Feuer fast gar ums Leben gebracht. Warum hat er unsere Gemahlin nicht ungekrancket / und Uns erst in Ruhe gelassen. RATIO STATUS. AD SPECTATORES. Germania lebt: Aber ich wil ihn dennoch in Sorgen lassen. Seiner Gnaden / meinem Herren ist niemahls in Sinn kommen / Germanien zu schaden / und eure Gnaden zu betrüben. Der blosse Mißverstand hat zwischen Ihnen beyden eine Feindschafft angeblasen. ACHILLES. So! so wil man unser aller Beunruhigung auff einen blossen Mißverstand hinauß spielen? RATIO STATUS. Die Hertzen der Menschen seynd leichtgläubiger zu Feind= als Freundschafft. LOTHARIUS. Aeuserliche Bezeugungen müssen Uns des Gegentheils Gemüth versichern. RATIO STATUS. Will man aber meinen Antrag mit keiner Antwort versehen? PERSEUS. Ach! was Antwort / wann Germanien zernichtet und umkommen? Wir bleiben ewig Feinde. ( 2 5 7 ) RATIO STATUS. Wie aber / wann Germania noch am Leben und unverletzt wäre? PERSEUS. SO waren wir nicht ungeneigt / mit Ihm in Friede zu leben. RATIO STATUS. Wohl! So bitte ich Er. Gnaden wollen solches mit beystehenden Helden in Geheim überlegen / und mich alsdenn mit gewisser Entschlüssung von sich lassen. PERSEUS. SO verziehet dann von ferne. Sie treten zusammen. RATIO STATUS. Ich gehorsame nach meiner Schuldigkeit. Ihm aber / dapfferer Ritter Leo / habe ich von einem Frauenzimmer unseres Hofes einen angenehmen Gruß in Geheim zu überbringen. LEO. Nun! so ist die Venus auch denen günstig / welche nicht verliebet seyn. Tritt zu Ratio Status. RATIO STATUS. Einen Gruß habe ich an Er. Gnaden / nicht aber von einem Frauen=Zimmer / sondern von meinem gnadigen Herren / welcher Er.

Von der erlösten Germania,

4. Discurs

391

Gnaden Welt=Helden=rühmliche Thaten verwundert / und mit denen seinigen zu vereinbaren wündschet: Der Hoffnung mit eurer Gnaden Beystand keinen Arm der gantzen Welt zu scheuen. Bittet derowegen / Perseus Bündnüß zuverlassen / und mit Ihm in Freundschafft zutreten: Er in Gegentheil verspricht / nichts an Gut und Blut zu sparen / sondern auch das Leben selbst wieder Er. Gnaden Feinde auffzusetzen. LEO. Ich erkenne Er. Herrn Zuneigung mit {258) besonderer Danckbarkeit: Und solte mir dessen Freundschafft gantz werth und Lieb seyn: Alleine / nachdem ich Perseus schon mit Glauben verbunden / so kan meine Ehre in euer angetragenes Bündniß nicht einwilligen. R A T I O STATUS. SO konten dennoch Er. Gnaden ohne alle Verletzung ihrer Parol / meinem Herren so weit gütig erscheinen / daß Sie zum wenigsten keinem seiner Feinde beystünden. A C H I L L E S . Streitbarer Ritter! wollet ihr unsern Rathschlagen nicht auch bey wohnen? LEO. Alles was Sie beschlössen ist mein Wille. P E R S E U S . Wir wollen nur fortfahren. Denn es scheinet / als käme der Gruß von einer angenehmen Person. A C H I L L E S . Wann er nur nicht von der Delila ist. LEO. SO verlanget ihr an mir / Neutral zu seyn? das wird schwerlich geschehen. R A T I O STATUS. U n d w i e

so?

LEO. Wer unter streitenden Partheyen es mit keinem halt / der hat letzlich / wann Sie verglichen / beyde zu Feinden. R A T I O STATUS. Ey! Das ist nicht zu besorgen. Ich versichre meines Herren bestandige Freundschafft und Liebe. LEO. ES ist unmüglich / denn mein Gewissen streitet darwieder. R A T I O STATUS. Ziehet einem Sack mit Gelde {259) auß derFicken. Und ich habe hier allbereit ein Angeld zur Danckbarkeit. LEO. Verziehet hier / ich wil schnell wieder zurücke kommen / und Euch mit angenehmer Antwort versehen. Das Geld nehme ich so lange zu mir. R A T I O STATUS. Gar wohl gar wohl! es soll noch mehr folgen. LEO. Und damit niemand unser Geheimnüß mercke / so wollen wir unsern Discurs von vorigen Liebes-Grusse fortsetzen. Gehet von Ratio Status weg. Nein / mein Freund / ihr Lieben stehet mir nicht an: Habe ich Sie gleich in meiner Jugend geliebet / so ists auß unzeitiger Hitze geschehen. Jetzo bin ich gantz anders Sinnes. A C H I L L E S . Wie / Herr Graff! Last die Liebste ihn einer alten Schuldigkeit erinnern? LEO. So! Ja wie es bey Rittern zu geschehen pfleget. R A T I O STATUS. Ist mein Abschied fertig / so eile ich denselben zurücke zu bringen.

392

Johannes Riemer

Seyd ihr dann versichert / daß Germania noch am Leben und unbeschädigt. R A T I O STATUS. Das kan ich so genau nicht wissen. P E R S E U S . Zornig. Bistu des nicht gewiß; so entweich auß unsern Augen / du Brunnen schädlicher Anschlage: Und sage deinem Tyrannen / daß ich dem Himmel eure Unbarmhertzigkeit klagen werde. Gehet ab. (260) LEO. Und den verliebten Gruß / so ihr Mir vorhin gebracht / könnet ihr mit einem Gegen-Gruß bedancken / der Person aber versichern / daß Sie viel eher zu Novazembla Feuer / als eine Funcke der Liebe / in meinem Hertzen finden wird. Gehet ab. A C H I L L E S . SO werden wir Germanien nicht finden. L O T H A R I U S . Vielweniger retten. Gehet ab. T R E C H T U T . Wer fragt darnach. Gehet ah. PERSEUS.

RATIO

STATUS.

Fette Schweine muß man mästen / Guldne Dinte fleist am besten / Silber Stricke binden mehr / Als ein gantzes Krieges=Heer. Wer nicht Redligkeit wil schonen / Der nimmt einen Sack voll Cronen / Und gebrauchet seine Hand / Wieder Freund und Vaterland. Eine Metze voll Ducaten / Kan der schwersten Sache rathen / Dienste Aembter und Gewin / Kommt von dieser Konigin. Tugend hoher Stand und Ehren / Unser Glücke nur beschweren / Wann Sie bloß und ohne Geld / Uns erscheinen auff der Welt. Geld befordert alle Sachen / Geld kan krum gerathe machen / Darum sag ich: Geld und List / Bey dem Staat das beste ist.

(261)

Von der erlösten Germania, 4. Discurs

393

Sechste Unterredung. LEO kommt wieder zu

Ihm.

LEO. Nun wohlan! ihr habt Euch auff mich zu verlassen. Und saget eurem Ritter / daß ich bey Ehren verheissen / wieder Ihm keinen beyzustehen. RATIO STATUS. Und wann die Noth an Mann gehet / nur eine DIVERSION zu machen. LEO. Und wieder seinem Feind wurcklich zu fechten? RATIO STATUS. Klopfft ihn auff die Achsel. Im Nothfall / nur in Nothfall: es sollen binnen zehn Tagen noch vier tausend Cronen folgen. LEO. So müste ich mich endlich noch bewegen lassen. Kont derohalben / iedoch auff Bedingung / was ihr versprochen / ihn auch dieses versichern. RATIO STATUS. Hier ist die Hand in Nahmen meines Herren: binnen zehn Tagen noch vier tausend Cronen. LEO. Aber was ist nun auff so lange zu thun? Und woran habe ich eures Herren Feinde zu erkennen? RATIO STATUS. Das ist ietzo der beste Rath; Denn Er. Gnaden wil ich numehr nicht ferner verhalten / daß Germania noch am Leben / welche ietzo auff der Medusa Felß angeschlossen lieget / und von der Medea Töchtern bewachet wird. Demnach können Er. Gnaden in Perseus Ge( 2 6 2 ) seilschafft gar wohl bleiben; Und ausserliche Freundschafft so lange blicken lassen / biß die Noth erfordert / sich feindlich zu erklaren. Soke Perseus / über Verhoffen / mit dem Achilles die gefangene Germania antreffen; so wird er ohne zweiffei Sie mit Gewalt nehmen / und davon bringen wollen. Alsdenn so müssen Er. Gnaden unsere Freundschafft mercken lassen / und Perseus Gewalt ins Gesicht wiederstehen. Damit Germania in ihrer Verwahrung behalten / und meinem Herren zur neuen Gemahlin bleiben möge. LEO. Wohl! darinnen stehet Euch gar wohl zu willfahren. Ich achte mich nach Euren Rath: darff mich aber durchauß nicht langer bey Euch auffhalten / damit in dem Spiel auff jener Seite die Charte nicht falsch gemenget werde. RATIO STATUS. Das ist recht! Eure Gnaden halten sich nur nicht auff. Es sollen in zehn Tagen funff tausend Cronen unfehlbar erfolgen. LEO. Adieu: Ich lebe der Gewißheit. Gehet ab. RATIO STATUS. Adieu gewiß und zuverlässig. So herscht vergänglich Gold auch über das Gemüth / So lange Tantalus das Hertze nach sich zieht. Gehet ab.

394

Johannes

Riemer

Siebende Unterredung. P A R O L und

MANIR.

PAROL. Warumb wollen wir einander solche Sachen vorwerffen. Gefatter Manir! Ihr {263) wist selber daß ein Bauer beym Kriege keine Seide spinnt. MANIR. Je nun! seht ihrs. Wann einem die Lauß über die Lunge laufft. Wir wollen nur gar nicht mehr dran dencken. Last uns lieber von was anders reden. Hort doch / schiert uns der Gaile nicht? PAROL. Und wann es noch ein Jahr so geht / so behalten wir keine Haare im Barthe mehr. MANIR. Gefatter / wenns nur noch ein halb Jahr wäret / so schiert er uns gar Blatten / daß wir wie die Jebusiter außsehen. PAROL. Pots Stern! er führt scharffe Seiffe. MANIR. Und nachhin schiert er fein drucken. PAROL. Ich dencke / wenn er der Germania in die Haare kommt / er wird ihr die Augenbraunen braff putzen. MANIR. Last ihn immer putzen: Uns verschlagts nichts: Ritter Gaile mag eins oder zwey Weiber haben. Wir müssen eben die Gefalle geben. Der Ambtschosser sagte wohl jener Jahr: die grossen Gaben solten nun auffhoren /wir solten nur dieses Jahr noch gehorsamen / aber es war doch / mein Siele; alles erlogen. PAROL. Ach! die Leute zogen Uns wohl das Fell gar über die Ohren. MANIR. Drumb habe ich stets gesagt: Wer den Leuten was zu gute thut; es ist wie wenn man einen Krepel in Dreck stost. PAROL. Da meine Marthe der Schossern noch Flax raffelte / Birn treigte / Qvetschken buck / und (264) Hildebrands oder Hampers=Nüsse / wie mans heist / brachte / ie da must ich Heimbürgel werden: Da ich das hernach nicht mehr thun kunte / so satzten Sie mich wieder ab. MANIR. Man sieht wie es geht. Aber was hört man denn von Frieden? P A R O L . Ο es ist nichts gewissers. Unsre Kirmse wird nun wohl auß seyn. M A N I R . SO last Uns doch nach der Stadt gehen / Gewißheit davon zu erfahren / damit wir die Aeser der erschlagenen Soldaten und Kauffleute auß dem Hause schaffen können. PAROL. Ja ich habe auch meinen Keller voll / es stinckt schon durchs gantze Hauß. Last Uns immer gehn.

Gehen ab. Die innere Gardine entdeckt wiederum die Gefangenschafft der Germania: worüber Sie erschrecken und davon lauffen.

Von der erlösten Germania, 4. Discurs

395

Achte Unterredung. GERMANIA. Ob gleich mein Elend nicht zu beschreiben; so habe ich dennoch mit dem Sclaven noch die Hoffnung / daß mich ein Ungewitter / oder aber mein eigener Jammer noch verzehren wird. NEUTRAL. Weinende. Ο das alte Hunde Gesichte / die Medea. Der Hollen Gott Plutarchus wird ihr noch den Lohn davor geben. GERMANIA. Ich bin gefallen / und schwebe doch auff denen höchsten Gipffein der Versuchung. (265) NEUTRAL. Ich bin niemahls auff den Sims gestiegen / und habe mich dennoch an die Schachtel meines Gehürnes dermassen gestossen / daß mir die lincke Hüffte davon wehe thut. GERMANIA. Ich habe nie gesündiget und bin dennoch gefangen. NEUTRAL. Niemahls hat mir eine Schwalbe in die Augen gekackt; und bin dennoch blind worden. Neundte Unterredung. PERSEUS, L E O , A C H I L L E S , LOTHARIUS, T R E C H T U T .

PERSEUS. Klaglich. Nunmehr ist die Hoffnung verlohren: Und Perseus nahet sich der Verzweifflung. ACHILLES. Was Verzweifflung / wann Germania Ehre nur nicht geschändet wird. LOTHARIUS. Die Gotter seynd ihr Schutz: und wen diese begleiten dem kan kein böses wiederfahren. TRECHTUT. Ich wolte daß wir Sie zu Denly hatten / wir wolten Sie wohl verwahren. LEO. Ich habe die Nachricht / Sie soll schon todt seyn. PERSEUS. SO vergehe ich / denn hierdurch bin ich meines Lebens müde worden. Geht von mir / ich thu mir selbst leid. GERMANIA. Ach Germania Germania wird geschändet. {266) PERSEUS. Wie? wird Germania geschändet. NEUTRAL. Und der arme blinde Neutral wird von allen Jungen auff der Gasse ein blinder Hundsf. geheissen. PERSEUS. Ich höre der unsrigen Stimme. GERMANIA. Richtet sich auff. Ist Perseus zugegen / ach mein Schatz so komm mir zu hülfe. NEUTRAL. Je wo bleibt ihr denn so lange / daß ihr Uns da wie Hunde last an der Kette liegen. PERSEUS. Bey meinem Leben: es ist Germania mit ihrem Diener. Edle Helden! Ich bitte um Eure Hülffe.

396

Johannes

Riemer

Helfft Gotter! helfft! Was vor Grausamkeit sehe ich um Germanien. LEO. Ich rathe: man greiffe die Ungeheuer nicht an. P E R S E U S . Ewiger Himmel! Und wann Radamanthus selbst die Ketten in der Hand hatte; so war mir unmüglich Germanien zu lassen. N E U T R A L . Nur drauff drauff / und wenn gleich Spix und Flegelthon dastehen. T R E C H T U T . Wann die Kranckt / was seyn das vor Geistergens. N E U T R A L . Was seyn das vor Geistergens. Du feige Memme / es seyn deiner Grosse=Mutter Schwester Kinder / und mit dir in ersten Grade und gleicher Linie. P E R S E U S . Hier ist kein Wartens von nothen. Heran mit gesammter Hand. LEO. Ich wiederrathe nochmahls den Anfall. {267) A C H I L L E S . Und ich rathe zu denselben. L O T H A R I U S . Germania ist ietzo in unserer Hand. N E U T R A L . Nur drauff / Herr Perseus. Germania muß erstritten werden. Kommt ihr von forne / ich wil von hinten zu. PERSEUS. Einieder beweise seine Dapffrigkeit. A C H I L L E S . Man lasse mich mit einem Geiste alleine kämpffen. PERSEUS. Besser drauff. N E U T R A L . Gebt Ihnen gute {Hiebe): es seynd des Teuffels seine Kinder. A C H I L L E S . Abscheu du must sterben. Tritt Negligentiam unter die Fusse. LEO. Reist den Achilles davon. Und richtet sein Gewehr wieder Ihm. A C H I L L E S . Ritter! Wir seyn Freunde. LEO. Nein wir seyn keine Freunde. A C H I L L E S . Ο Unglück. Die Verratherey tritt Uns biß am Halß. P E R S E U S . Ist Verratherey vorhanden? Kehrt sich auch wieder Leo. A C H I L L E S . Leo ist wieder Uns. L O T H A R I U S . Ο Schande und Untreu. Die Monstra / welche fast meist zu Boden geschlagen / fangen indes wieder an sich auffzurichten. LOTHARIUS.

Zehende Unterredung. Zu diesen G A I L E , welcher den PERSEUS und {268) LOTHARIUS anfdlt: Diese fechten zusammen wieder { G A I L E ) . Und L E O und A C H I L L E S auch gegen einander: Diese beyde fechten sich vom T H E A T R O weg. Von jenen aber entweicht L O T H A R I U S , welcher verwundet wird. G A I L E , und PERSEUS fechten also / daß PERSEUS auß dem Gesichte sich verlieret. In Fechten aber wechseln Sie also Worte. Last sehn / steckt ein: mit den Narren-Possen / stecht einen etwa in ein Auge.

NEUTRAL.

Von der erlosten Germania, 4. Discurs

397

Beut Gailen die Hand. Vertragen mein Herr vertragen. Germania ist / da bleibet mein Leben. GAILE. Ich stehe fest / ich weiche nicht. PERSEUS. Germania ist mein. GAILE. Mein muß Sie werden. PERSEUS. Nimmermehr. GAILE. Ritter ihr habt eine Wunde. N E U T R A L . Germania auch. PERSEUS. Was schadet das? GAILE. Ihr verblutet Euch. P E R S E U S . Mein Blut und Germania stehn bey mir in gleichen Werthe. Ficht sich auch auß dem Schauplatze. N E U T R A L . Gnadige Frau / hört doch wie Sie auff den Hieb fechten. Ach bleibt ihr beym Stosse. {269) G E R M A N I A . Ach. Ach. Au weh! Perseus liegt gewiß in seinem Blute. GAILE. Das ist wahr / Germania / was ihr saget. Numehr seyd ihr in unserer Gewalt / und must uns lieben. G E R M A N I A . Ach! ich bin ermiedet: und das Geblüte in mir hat sich verzehret; ietzt werde ich anfangen zusterben. G A I L E . SO erhole ich mich an euren Gebeinen. Ha ha! Ich fühle warm Geblüte in meinem Gewandt. Ich bin auch verwundet. Ein Ritter muß solches nicht achten. Ist doch die Braut numehr gewonnen. Wohlan Fama! laß Pferde flügeln / mit welchen du durch die Welt fahren kanst. Denn du bist viel zu langsam / meinen Ruhm außzubringen. N E U T R A L . Ist denn keine Gnade da.

TRECHTUT.

PERSEUS. W O

Eilffte Unterredung. PERSEUS

springet wieder hervor mit Binde

LOTHARIO,

welcher den Arm in einer

trägt.

GAILE. Habt ihr noch nicht genug. L O T H A R I U S . Nein. PERSEUS. Wir fechten vor Germania / und unsre Freyheit. N E U T R A L . Er. Gnaden! macht doch eine Finte. GAILE. Ritter / gebt Euch mit Germania. PERSEUS. Eher das Leben. (270) N E U T R A L . Stost doch mit der Prime in die Qvinte. GAILE. Last uns ein wenig ruhen / ich bin selbst ermüdet. PERSEUS. Ich bin nicht entgegen. 26

Riemer II

398

Johannes

Riemer

Zwolffte Unterredung. Dazu

ACHILLES

und L E O kommen. Und jener Hand.

hat dieses Degen

in

der

ACHILLES. SO strafft der Himmel die Beleidiger. Was vor Ursachen zwungen Euch / die Victorie / welche wir schon in Händen hatten / durch euren Abfall zu verhindern. LEO. Geld. ACHILLES. So mocht ihr den Lohn Er. Untreue fühlen. GAILE. Einen Ritter entwaffnen? Das ist wieder die Gesetze der alten Ritterschafft. Gebt ihm sein Gewehr; oder das meinige soll durch euren Leib gehen. A C H I L L E S . Stellet sich zur Wehre / und indem er von sich stost / entfdlt Ihm des Leo abgenommenes Gewehr. Leo greifft geschwind zu / nimmt dasselbe wieder zu sich / und braucht solches wider den Achilles. Gaile und Perseus fangen auch wieder an. Mitten im Streit erofnet sich der Himmel / auß welchen Pax mit dem Lorber hernieder fahret / und diese Zeilen singet. Wobey die (271) Kdmpffer erst gantz erstaunet stehen. Hernach auff die Knie fallen / und das Gewehr niederlegen. Die Ungeheuer fallen mit Zittern zu Boden. PAX.

Erboste Menschen Kinder. Die Ihr wie Hund und ungezaumte Rinder Eur Blut vergossen / Drum wardt des Himmels Grim / Mit Ungestümm / Wie eine Sündfluth auff euch außgegossen. Ich muste von Euch flöhen / Und fast auff sieben Jahr zun Gottern ziehen! Nun aber komm ich wieder / Und lege diesen Zweig auf eure Gegend nieder. Germania soll loß und sehend seyn! Macht sie loß und sehend

/ wie auch

Neutral.

Die Eintracht pflantz ich ein. So weit Europa ihr Gebiet und Grantzen / Last über Berg und Thaler glantzen. Geschwind geh Perseus hin / Brich deinen grossen Muth und Sinn / Mit Gailen dich als Bruder zu vertragen.

Von der erlösten Germania,

4. Discurs

399

Es soll Lotharius auch von der Freundschafft sagen / Germania bleibt dein / So soll Achilles auch in diesem Bündniß seyn. Wenn er zuvor des Leo Hand gedrückt So hat der Himmel euch den Frieden zugeschickt.

Fahret wieder auf f.

Die mittlere Gardine bedeckt den Berg wegzunehmen / die Ritter stecken alle das Gewehr ein. (272) PERSEUS.

So seynd wir nun vertragen / GAILE.

Kein Mensche soll von unsrer Feindschaft sagen / LEO.

Der Friede trifft auch mich / CHILLES. Wir leben nunmehr Abrüderlich. LOTHAR.

Gar recht! Dieweil der Krieg bringt Wunden ohne Zahl. NEUTRAL.

Gut! Gut! so bleib ich doch Neutral / Weil ihr mich nicht ins Friedens Bündniß ziehet.

Dreyzehende Unterredung. R A T I O STATUS. R A T I O STATUS.

O b sich mein tieffer Rath gleich noch so sehr bemühet / So wird mir doch kein Lohn Als Ungunst Spott und Hohn / GERMANIA.

Dort ist der bose Rath / PERSEUS.

Der Unsern gantzen Staat / Von Grunde auß verderbt / TRECHTUT.

Den soll man billich straffen.

400

Johannes Riemer

Vierzehende Unterredung. CONSCIENTIA. CONSCIENTIA.

Ich habe zwar Germanien verschlaffen / 5 Doch laß ich mir die Ruh in meiner Seele reuen / GAILE.

Der Fried hebt alles auff / drumb muß man ihm verzeihen / R A T I O STATUS.

Es streckt sich der Vertrag auch auff die Diener auß. io

(273)

Funffzehende Unterredung. MEDEA. NEUTRAL.

Sie da du alte Lauß / Bistu auch hier zu gegen. IS

MEDEA.

Verschone mich mein Sohn / mit wohlverdienten Schlagen / E y laß mir nichts geschehn. NEUTRAL.

Komm du Blindmacherin / Ich muß dich nackend sehn / 20

Zieht Sie auß. O b du auch Fleisch und Bein an deinem Leibe hast / Harr Harr! du alter Gast / R A T I O STATUS.

Grosses Wunder auß was Orten / 25 Ist diß Weib gebohren worden / Manner Hosen /

PERSEUS. ACHILLES.

Tolle Chosen / 30

NEUTRAL.

Hahaha du alter A f f e / Tausend Hencker. Gar ein Pfaffe. MEDEA.

Auß gezogen / und in Pfaffen Habit befunden.

Von der erlösten Germania,

401

4. Discurs

Freylich hat der Ordens Rock / meinen gantzen Stand entdecket. Und dardurch die Nemesis / hefftig wieder mich erwecket. Ach so gehets wann man suchet sich ins Regimen zu drehn / Daß der Staat mit Leib und Seele jammerlich muß untergehn. Wem die Kirche anvertraut / muß das Rath=Hauß nicht betreten / (274) Der hat schon genug zu thun / wer vors Vater=Land soll beten. Ehrsucht / Liebe zu regieren / und der Geitz von frembden Gut / Hat Germanien erbärmlich / gar verletzet biß auffs Blut. R A T I O STATUS.

Es ist wahr: Die Schuld ist mein / Ich bekenne mein Verbrechen / Auff die Reue folgt Verzeihn. GAILE.

Niemand wird sich an euch rächen: Weil das Friedenshand ergantzet: Beyde Euch bedeckt mein Schutz. R A T I O STATUS.

Gaile sey darvor gepriesen.

Sechzehende Unterredung. PAROL. MANIR. PAROL.

Ha! Der allgemeine Nutz / Gehet unsern Vortheil vor. MANIR.

Alte Stückgen Krieges Sünden / Die uns Bauren gar gemein Bleiben immer nun dahinden / NEUTRAL.

Solche Schelme soll man schinden / Und die Haut zum Marckte tragen. Manir / und Parol / stellen sich als wolten sie davon PERSEUS.

Stehet! Auch der Landmann soll Von dem neuen Frieden sagen /

lauffen.

Johannes

Riemer

PAROL.

Wir bedancken uns ein winig / Hochgelahrter Herr und Künig. LOTHAR.

Alles muß nun frolich werden / NEUTRAL.

Giebt es keinen Schmaus / ihr Brüder? PERSEUS.

Fallet nieder zu der Erden / Denn die Gottheit kommet wieder.

Siebenzehende Unterredung. PAX. Kommt wieder. CHOR.

N u n so jauchze wer nur kan / Biß die Erde Himmel an / Mit gehäufften Schalle klinget / D a man nun den Frieden singet. PAX.

Europa soll nun mehr in sichrer Ruhe wachsen / Zumahl auch Deutschland ist des Krieges Joches loß / Es schmecket sonderlich / das immer grüne Sachsen / Die süsse Friedens Frucht. Es bleibe ferner groß. CHOR.

Sachsen soll sich ewig freun / Und in Ruhe gülden seyn / Friede du magst seine Auen / Stets mit Fett und Segen bauen. PAX.

Es soll die Neue Burg Augustens an der Saalen / So lange dessen Berg und Felsen bleibet weiß / Das Silber=weisse Haupt mit steten Schein bestrahlen / Zu seines Stiffters Ruhm und ewig spaten P .eiß. CHOR.

Gottin laß dies Friedens Hauß / Mit viel Palmen schlagen auß /

Von der erlösten Germania, 4. Discurs

403

J a du magst auff deinen Thronen / Mit A U G U S T O drinnen wohnen. PAX.

Ich schütze den Pallast / und was darzu gehöret / Der Grund soll Segen seyn. Und was Augustens Hand / Nur angerührt / da ist Gedeyhen eingekehret. Den Fürsten schütze ich / Euch und das Vater=Land.

5

CHOR.

Wohl wir dancken deiner Gunst / Vor die güldene Friedens Kunst / Laß die Frucht an uns bekleiben / Und das Land in Ruhe bleiben. Nun so jauchze wer nur kan / Biß die Erde etc.

io

(276)

Von hohen Vermahlungen

Das 3. Capitul.

Von Hohen Vermahlungen. Vorbereitung. G R o s s e r Herren Vermahlungen helffen und schaden dem Lande. Und zwar wil ich hier nicht von denen Ursachen / solches Schad=Wesens / viel Redens machen / woher nemlich solch allgemeines Unheil entstehe: alldieweil Potentaten / daferne ich das Gesetz der Natur ansehe / mit ihren Unterthanen / was die Eheliche Gesellschafft betrifft / gleiches Recht und Ordnung haben. Die Ehen seyn dem Creutz unterworffen / wie die Seefahrenden dem Sturm; und ist die beste Zuflucht / in solchen Ungewitter / die Gedult. Mann und Weib ist ein Leib / nach allgemeiner Meynung / und wann deren eins wiedersinnet /so reist das Band / welches das gantze Hauß umfasset. Die Ursachen zwietrachtiger Ehen / entspringen meistentheils auß Uberdruß; Wann ein Theil des andern überdrüssig wird; oder auß Geitz; ( 2 7 7 ) Wann eine Person die Liebe der andern Person auß denen Augen setzet / und das Hertz / in vorhabender Ehe / an eine reiche Außsteuer bindet: oder / welches gleich viel ist / wann eine achtzehenjahrige Dürne einen alten reichen Witber sich erwehlet / und nicht das Fleisch / sondern nur die Federn solcher alten Vogel zu zausen begehret. Oder aber es entspringet dergleichen Spaltung auß frembder Liebe / wann eins von beyden Ehelichen sich nach andern Fleische gelüsten lasset / und mit Hindansetzung der geschwornen Parol / sein Hertz einer andern und fremden Liebe mittheilet. Diese und ander Ursachen / welche ich der Kürtze wegen mit Fleiß weg lasse / seyn gleichwohl auch hohen Haubtern / ihren empfangenen Blute nach / gemein: indem die Liebe zu Vermehrung Land und Leute: so wol auch Ruhe und Sicherheit der Regierung zu erlangen / denen Seinigen auffzuhelffen / oder auch wieder seine Feinde sich zu schützen / so manche Ehe stifftet; unerachtet / daß das Absehen nicht allezeit im Außgange einerley Glück mit sich führet / sondern gantz anders falt als die Hoffnung sich vorgesetzet. Es dienet hieher / was T A C I T U S von seinem Schwieger=Sohne / dem J U L I O A G R I C O L A saget: M A T R I M O N I U M C U M D O M I T I A D E C I D I A N A ,

408

Johannes

SPLENDIDIS NATALI-( 278)

Riemer

BUS ORTA, AC MAJORA NITENTI DECUS & ROBUR

FUIT. N o c h deutlicher aber lautet / was LYCUS b e y dem SENECA TRAGICO

hiervon sich vernehmen last / da er sein mit Waffen erworbenes Land zu behaubten suchet / wenn er im HERCULE FURENTE saget: ALIENO IN LOCO. H A U D STABILE REGNUM EST: UNA SED NOSTRAS POTEST FUNDARE VIRES, JUNCTA REGALI FACE THALAMISQVE MEGARA DUCET Ε GENERE INCLYTO, NOVITAS COLOREM NOSTRA.

E b e n so klug war PERDICCAS, JUSTIN. LIB. X I I I . CAP. 6. W e l c h e r damit er

sich ein Königliches Ansehen erwerben mochte / des Grossen ALEXANDRI Schwester CLEOPATRAM zur Gemahlin suchte. Welches auch DARIUS lange zuvor PRACTICIRET, da er eben zu solcher Befestigung seiner Königlichen Würde / und Anfange seines Reiches / ob gleich durch einem verkleideten Betrug / des CYRI Tochter zur Ehe suchte. Dannenhero CLAPMARIUS gar w a h r s a g e t : L I B . I V . ARCANOR. CAP. 9 . INDE SEMPER PRINCIPIBUS SUSPECTI FUERE, ADEOQVE PLUS QVAM CIVILIA AGIT ASSE VISI, QVOTQVOT SUBLIMIORA ORDINE SUO MATRIMONIA VEL AMBIVERUNT, VEL ETIAM CONTRAXERUNT.

Darum ( 2 7 9 ) wird auch bey dem Staats=Hochgelehrten MACHIAVELLO der COSMUS MEDICES MAGNUS, zum Exempel eines hierinnen klugen Regenten a n g e f ü h r e t . L I B . V I I . H I S T O R . F L O R E N T . M I C H A E L BRUTUS IN H I S T O R .

FLORENT. Wann dieser bey seinen Bürgern allen verdacht / und dergleichen Heyraths=Gefahr zu vermeiden / seine Tochter so wohl / als Sohne / keinen Fürsten noch einer Princessin vermählen wolte. Der Hochgepriesene MACHIAVELLUS rühmt ihn deswegen an besagten Orte also: QVANQVAM VERO RES GESTAE COSMI OMNINO REGI/E, ATQVE IPSE SOLUS R E I P U B L . F L O RENTINE PRINCEPS ESSET, NIHILOMINUS EA PRUDENTIA RES SUAS MODERARI CONSVEVERAT, UT CIVILEM MODESTIAM RATIONIBUS SUIS NUNQVAM EXCEDERET, SED IN AFFINITATIBUS INTRA MODESTI^ FINES SE CONTINERET. U N D E , CUM FILIIS SUIS NUPTLE QV/EREND^E ESSENT, EAS NON EX PRINCIPUM FAMILI-

IS PETIIT. Saul vermeinete / Seinen Feind / den David / durch nichts eher sich zu verbinden / als wann er Ihm zum Schwiegersohn annehmen würde; Derohalber er denn / ungeacht er Ihn mit der ersten Tochter geteuscht / dennoch die MICHAL Ihm zum Weibe gab. 1. SAMUEL. X V I I I . v. 27. Es klingen die Worte sehr beweglich / und zielen vornemlich hieher / welche (280) die Königliche Danische Braut / in ihrer Valet=Rede gegen Ihrem Herren Bruder Se. Majest. von Dennemarck / bey ihrem Abschiede ausser Coppenhagen nach Stockholm / in Schweden / so geschähe am 11. MAJI. dieses betrübten 1680sten Jahres / geführet: „Adjeu mein Konig / Herr und Bruder: Ich scheide ietzt von Euch / und verlasse Herrschafft und Konigreich / sehe es vielleicht nimmer wieder. Der höchste gebe / daß / wie ich

Von hohen

Vermählungen

409

gleichsam zum Zeichen oder Denckmahl des gemachten Friedens / zwischen beyden Nordischen Königreichen / worden / Ich auch alle Feindschafft / Mißtrauen und Uneinigkeit zwischen beyden Nationen gantzlich mit hinweg nehmen / und hingegen eine ewigwahrende Freundschafft und Vertrauen in Flor bringen möge." Hingegen ist bekandt / und kan hiervon gelesen werden. RODERICUS SANTIUS H I S T O R . HISPAN. PART. I V . CAP. 2 1 . W a s v o r E i n o d u n g e n

und

Verwirrungen in denen Spanischen Königreichen / Castilien / Portugal und Aragonien / unter Johanne I. Konige im Castilien entstanden. Item was mit HEINRICO I. Konig in Spanien / dieser wegen vorgegangen / wie nemlich der Pabst / INNOCENTIUS III. zugreiffen / und Ihm von seiner Gemahlin / des Koniges Toch- ( 2 8 1 ) ter von Portugal scheiden muste. Es ist nicht sattsam zu beschreiben / was Blutvergiessen / und Ruin des Landes daher entstanden. Wiewohl etzliche meynen / es sey solche Scheidung wegen der ärgerlichen Angrantzung des Blutes entstanden: Wovon GROTIUS DE I. B. & P. LIB. II. CAP. V. §. X I I . kan gefraget werden. Anderer Exempel welche neuer seyn / zugeschweigen. So heists hernach / was PETRARCHA DE VITA SOLITARIA schreibet: Die Ruhe und ein Weib wohnen selten unter einem Dache / es mag auch jener Schamhafftige von der Ehescheidung reden was er wil / wenn er spricht: Daß keine Ehescheidung vor gültig zu halten / bey welcher nicht 41. Einäugige Glockner / 8. Bader die nie geschwitzet / 6. Roßtauscher / welche nicht gelogen / 4. Hirten / die in 8. Jahren nicht beregnet worden / gewesen. Denn denen welche also geheyrathet / gehets wie solchen / die sich verirret / und ie mehr Sie auff dem Abwege eilen / iemehr Sie sich von dem gesuchten Gluckes=Stande entfernen. Ein dergleichen und dem gantzen Reiche schädliches Exempel / last sich in der Schottischen Historie des BUCHANANI, ingleichen bey dem CAMBDENO in seinen ANNALIBUS ANGLICIS finden / welches durchgehende solche Umstände vorleget / daß alle vier Ursachen einer Ubelgerathener (282) Ehe / bey hohen Regenten / darauß erscheinen. Und ist derowegen solches zu nachfolgenden Theatralischen Discurse versetzet worden.

Inhalt des Theatralischen Discurses. Μ Aria STUART kommt nach ihres Gemahles F R A N C I S « I I . Tode / wieder in Schottland / dasselbe als ihr Erb=Reich zu regieren / und heyrathet den nechsten Erben / nach ihr / H E I N R I C H DARLY STUART. Dieweil aber ihr unachtiger Bruder Graff MURAY ihr solches mißgonnet / gebraucht er des listigen M O R T O N S Beystand / diese neue Ehe durch Verleumbdung zu trennen / und sich selbst dadurch auff den Thron zu erheben. Bringets auch so weit / daß M A R I A H E I N R I C H E N das Scepter wieder nimmt: Dieser aber dagegen ihren Cammer=MusicuM, und geheimbden SECRETARIUM, den Sie vor allen werth halt / auß erweckten Verdacht an Ihrer Seite ersticht. Weil nun dieses die Ehe noch nicht trennet / bereden die beyden Verleumder Graff B O T H W E L L , daß er / wann er den Konig ermordet / mit M A R I A vermahlet / der Schotten Thron besteigen solle. Welches der Ehrsuchtige Mensch auch ins Werck richtet / seine Gemahlin verstoßt / dem Konige erst mit Gifft und Feuer nachstellet / endlich auch gar denselben erwürget / und mit der M A R I A über dem todten Leich-(2&3)nam vermahlet wird: Stirbet aber hernach mit schandlicher Verzweiffelung im Gefangniß. Darüber werden die zwene Ehe-Teuffel flüchtig / und müssen davon. Wie dann auch M A R I A , weil sie in vielen Stücken verdachtig worden / gefangen genommen / und in Engelland der ELISABETH zur Verantwortung vorgestellet wird. Allwo sie hernach auch nach langwierigen Gefangniß enthaubtet worden ist.

Personen. MARIA STUART, K o n i g i n v o n

Schottland.

HEINRICH DARLY STUART, d e r n e u e JACOB G r a f f v o m MOURAY u n d

Konig

MORRIA.

MORTON, der listige Staats=Diener. BOTHWELL, der DAVID R I Z , d e r

Konigs-Morder. Musicus.

CHAMBRE, der kurtzweilige Frantzose. HÜNTHLE.

ARGATHEL.

Ι Zwene Parlaments=Herren. J

BURGON, der

Leib=MEDicus.

Ersten Discurses Erste Unterredung. M A R I A und

HEINRICH

STUART.

Der SchawPlatz ist lauter Pallast auff dem Schlosse zu Edenburg. MARIA. S O weiß der Himmel die Seinigen zu vergnügen. {284) HEINRICH. Und der Königlichen Witben bethrentes Antlitz mit überhaufften Freuden abzutrucknen. Nun lebt Maria Konigin von Schottland. MARIA. So lange Heinrich von Stuart durch seine himmlischen Gemuths= Gaben dieses Reich stützen hilfft. HEINRICH. Schönste Gemahlin! So lange mein Geist in diesen sterblichen Gliedmassen wohnet / und so lange Maria ihren Heinrich Darly von Stuart mit Ehelicher Liebe sattigen wird; so lange verpflichte ich mich / unser Schottland als ein Konig und Vater treuer Unterthanen zu regieren. MARIA. Zwar wird uns das mißgonstige Londen dieser bestattigten Heyrath wegen hefftig beneiden. HEINRICH. Und warum beneiden? MARIA. Weil wir uns dadurch desto gewisser des Reichs versichert. HEINRICH. Und warum dieses? bin ich nicht der nächste Erbe der Schottischen Regierung? MARIA. Und eben dieses wird die Regier=süchtige Elisabeth desto mehr verdrüssen / als welche nicht nur über Engelland allein / sondern auch gerne über die Schotten herschen wil. HEINRICH. Ha! das Glück hat die Mißgunst zum Geferthen: und wer des Nechsten Mitleid erwecken wil / muß sich in Schmach und Elend setzen. Man lasse die neidischen Hunde immerhin in des tapffern Hercules dornigte Keule beissen / (285) denn sie müssen ihre eigene Rachen dadurch blutrünstig machen. MARIA. Doch werden Sie unsere Ehe darinne schimpffen / weil wir die Grantzen des Blutes überschritten / indem unsere Eltern natürliche Schwester und Bruder gewesen. HEINRICH. Was achten wir solche schwache Nach=Reden / nachdem das Haubt der Romischen Kirche / Vater Pius / zu unserer Ehe seinen heiligen Willen verliehen.

Von hohen

Vermahlungen,

1. Discurs

413

E S ist wohl wahr; alleine wann unsere Muhme daran dencken wird / wie mein in der Erden ruhender Eh=Herr Franciscus der Andere / Konig von Franckreich / die Schwermenden Hugonotten ziemlicher massen gedampffet / so werden wir dessen durch allerhand Feindseligkeit entgelten müssen. H E I N R I C H . Königliche Hertzen seynd denen festen See=Felsen zu vergleichen: denn gleichwie diese keinen Donner achten / also müssen auch jene vor keinem Feinde sich entsetzen. Die Konigin von Engelland ist ein Weib / welches wieder die Faust eines Mannes wenig vermag. Derowegen Seele meiner Seelen / last uns die Sussigkeit unserer gantz neuen Ehe durch vergebliche Furcht nicht bitter machen / sondern vielmehr die Fruchte eines so Freuden=vollen Standes durch lieblichen Schertz und Verwechseln vieler Küsse unermüdet geniessen.

MARIA.

MARIA.

Nun wohl! Wir setzen Hertz und Hertz / (286) HEINRICH.

Und fügen Hand mit Hand. MARIA.

Der Himmel segne nun den Königlichen Stand. HEINRICH.

Stets mit Frieden MARIA.

Ohn Ermüden / Zu der Unterthanen Schutz. HEINRICH.

Liebes=Schertzen Geh von Hertzen / Uns selbst zu erwündschten Nutz.

Andere Unterredung. Zu diesen kömmt MARIA. W a s

Riz.

da?

Wer ist dieser? ist Ritz unser Cammer-Musicus. Was wolt ihr treuer Ritz / und was bedeutet euer so geschwinder Eintritt!

HEINRICH.

MARIA. ES

27

Riemer II

414

Johannes

Riemer

Riz. Nichts sonderbahres / allergnadigste Konigin / als daß diesem neuen Königlichen Paar ich mein unterthanigstes Freuden=Opffer anzünde / und beyder Majestäten allergnadigsten Befehl erlange / diejenige Music so ich zu dero allerneulichsten Beylager C0MP0NiRet / unterthanigst abzulegen. HEINRICH. Euer Anbringen ist zu schwach / und desselben Urheber zu unverschamet / daß ihr darum ein Königlich Zimmer unangemeldet zu überlauffen / Euch unterstehet. Riz. Gnadigster Konig! (287) HEINRICH. Schweigt / was habe ich mit so einem Kerl zu reden! MARIA. Eure Geliebten schonen meines treuen Dieners / dieweil ich denselben wegen seiner unvergleichlichen Kunst hochschatze. HEINRICH. Keine Kunst vermag die Königliche Hoheit zu umschrencken. MARIA. Gleichwohl kan ein Konig seinen Estat durch berühmte Künstler herrlich machen. HEINRICH. Woferne Er nur dieselben durch die Ubermaß der Gnade nicht hoffartig machet.

Dritte Unterredung. Hierzu kömmt

CHAMBRE.

HEINRICH. U n d was ist diß v o r ein T h i e r ?

MARIA. ES ist Chambre / mein Kurtzweiliger / den ich mit auß Franckreich hieher genommen. Den ich unser gantz Beylager über nicht gesehen habe. Was bringestu Chambre? wie siehestu so sauer auß? CHAMBRE. Wann man um einen Dienst anhalt / muß man so ernsthafftig außsehen. MARIA. Was suchestu denn vor einen Dienst? CHAMBRE. Ich wolte nur fragen / ob das Schottlandische Dienstgen noch offen ware? MARIA. Was denn vor ein Schottlandisch Dienstgen? CHAMBRE. Das Königes-Aembtgen. Denn nachdem euer Vater Jacob gestorben / so muß doch diese Werckstatt wieder mit einem dichtigen (288) Manne besetzt werden. Nun gefalt mir das Konigs=Hand=Werck so wohl / man darff nicht bey lichte arbeiten / und keine Steuer geben. Ich hoffe meinen Mann noch wol zu prassentiren. Wolt ihr mir nun darzu verhelffen. So stehet es wieder zuverschulden. HEINRICH. DU guter Chambre kommst etwas zu langsam. Riz. Chambre / schertze nicht / sonst gehet dirs wie mir. Diß ist der Konig. CHAMBRE. Hat der den Dienst schon weg? R i z . Ach stille / stille!

Von hohen Vermahlungen,

1. Discurs

415

Warestu nur kommen / ehe deine Konigin das Gesetz gemacht hat: Sie wolte keinen Narren in dieser Charge brauchen. C H A M B R E . Chambre lachet überlaut. So wundre ich mich / warum Sie das Gesetz selbst gebrochen / und Euch darzu gemacht hat. H E I N R I C H . Freveler Majestat=Lasterer / wilstu unter dem Mantel der Thorheit / deinen Konig schänden? Entblößt das Gewehr / du must meiner schnellen Rache nicht entgehen. C H A M B R E . Springet hinter die Maria schreyend: Konigin helfft mir / oder ich dancke gleich ab. MARIA. Eure Geliebten schonen Ihres eigenen Ruhms: und lassen sich doch keinen Schertz zum Zorn bewegen. C H A M B R E . Konigin ich will Euch hinten unter den Rock kriechen / er wird Euch ja nicht zwischen den Beinen durchstechen. Herr Konig / ein Schelm steckt nicht ein. Ich sage steckt ein / oder ich werde bose. (289) MARIA. Er. Geliebten wenden den Zorn von meinen alten Dienern / denn hiedurch werden Sie bezeugen / daß Sie mich lieben. H E I N R I C H . Liebt Uns unsere neue Gemahlin / so werden Sie Uns diesen unnützen Schand=Menschen todten lassen. Liebt Sie Uns aber nicht / so mag er leben. C H A M B R E . Nein / nein / Sie hat Euch nicht lieb. MARIA. Ich liebe meinen Konig / und bezeuge dieses durch alle Gemüths= Beständigkeit. Aber ich kan ohne Bekranckung der Seele nimmermehr zugeben / daß einer von meinen betrauten Dienern beleidiget werde. H E I N R I C H . Schönste Gemahlin; Wir seynd gesinnet / viel eher die Beleidigungen zu verdauen / als dieselbe hierunter betrüben. Wir versichern auch durch diese Königliche Handfügung / daß sie Beyde leben / und alle Gnade von Uns geniessen sollen. Riz. Ich dancke Eur Majestät vor die Königliche Gnade / und wünsche / daß Sie der Himmel davor segne. Lange lebe Heinrich Darly von Stuart / Konig der Scoten. C H A M B R E . Und ich dancke Er. Majestät / es gleichfals mit dem Hencker / daß Ihr mich so erschreckt / und Euren Degen über mich gezogen. Ich wolte und wünschte / daß Ihr zu Pariß in der Bastilie gesessen hattet / ehe ihr dieses gethan. Frommer werde Heinrich Darly von Stuart / Konig der Scoten. A D SPECTATORES. So gehets / wann sich die Lauß in Grind frist / vor (290) acht Tagen lebte der Kerl so trucken /wie ein Edelmann / der kein Ritter=Guth hat: Jetzt / da er sich nun durch einen Vierthel=Stündigen Krieg / ohne Blutvergiessen / ein gantz Königreich erworben / da weiß er nicht / wie er sich grausam genug machen wil. Ach nein / es gehört mehr darzu / einen benothigten Diener bey Hofe außzubeissen. Aber hört doch Frau Mari / ich habe Euch etwas neues zuberichten! HEINRICH.

27»

Johannes

416

Riemer

MARIA. U n d was denn?

CHAMBRE. Euer unächtiger Bruder / Graff Muray und Bothwell seynd wieder Freunde. MARIA. Wer? Graff Muray und Bothwell. CHAMBRE. Nicht anders. MARIA. Chambre / du irrest oder schertzest. CHAMBRE. Ich habe sie mit meinen Augen gesehen / und mich verwundert / wie sie nur vor der halben Stunde unter unserm Schloß=Thore stunden / einander hertzten und die Hände druckten / nicht anders / als wenn es Fleischhauer von Lintz waren. MARIA. Ich verwundre mich Chambre über dein Erzehlen. Eure Geliebten erwegen / wie doch der Himmel ein Liebhaber der Eintracht ist / als welcher abermahl zwene Feinde versöhnet / so einander den Tod geschworen. Davon Jacob / Graff von Muray / welchen ich in geheim vor meinen unächtigen Bruder erkennen muß / jenen den Bothwell ausser Franckreich verweisen ließ / daß er in Engelland fliehen muste. Nun wir dancken der Gottheit vor die verneuerte Freundschafft / und ( 2 9 1 ) freuen uns darüber / weil vielleicht unsere Vermahlung auch etwas darzu mit gewürcket. Und was zu thun / liebster Engel? O b wohl unser Thron von der Neben= Liebe meines verstorbenen Vaters keinen Glantz zu gewarten; so müssen wir dennoch diesen ausser Ehe gezeigten Bruder / ohne alle Beehrung nicht lassen. Wir wollen ihm entgegen gehen / und die unvermuthete Versöhnung / zwischen ihn und Graff Bothwell / mit einem kurtzen Wolleben versiegeln. CHAMBRE. I c h fresse m i t .

HEINRICH. Einerley Willen / und einerley Mißfallen giebt die beste Freundschafft. Euer Geliebten handeln nach beliebigen Gutachten. MARIA. SO gehen wir dann in das Audientz=Zimmer / allda die versöhnten Freunde zu empfangen. Chambre du solt auch dabey seyn. CHAMBRE. Wenn der Konig den Degen vor dem Gemach ablegt. MARIA. Ihr aber / unvergleichlicher Ritz / bereitet euch zu eurer Music / dieselbe alsobald auff unsern Befehl zu überbringen. Riz. Ich bin schuldig Er. Majestät allezeit zu gehorsamen.

Gehen ab.

Vierdte Unterredung. Graff von

MURAY.

MURAY. Ο daß ich nie gebohren wäre! oder die Sonne hätte den jenigen Tag auß ihren Circul gestossen / an welchen meine Schwester / die Königin von Franckreich und Schottland / sich auffs {292) neue vermählet / daß

Von hohen Vermahlungen,

1. Discurs

417

ich nun dieses Erb=Reich in des jenigen Händen sehen muß / welcher nach dem Recht der Geburt / erst nach meinem Tode sich der Anwartung zu getrosten hatte. Was hilfft michs nun / daß ich zu diesem Absehen den geistlichen Ordens=Rock außgezogen / und meine außtragliche Probstey St. Andree in Franckreich / verlassen / und mich numehr zwischen zweyen Stülen niedergesetzet habe. Ο Unglück! soll ich dir oder meiner Schwester die Schuld solcher Widerwärtigkeit beymessen? Ich wil sagen: Maria Stuart hat ihren Bruder in diese Schmach gestürtzet: denn wie hatte mich mein Glück sonst betrüben können / wann Sie als eine geile Lais / diesen Weibischen Kerl durch das Scepter in das Ehe= Bette nicht gelocket hatte. Pfui! daß dich Hagel und Donner / Blitz und Schlossen zerschmetterten! Soll numehro ein unhertzhaffter und kindischer Mensch der Schotten Thron besitzen / und denselben vor der Welt veracht machen / welchen mein Preißlicher Vater mit sieghafften Palmen so reichlich bestecket hat. Ich mochte verzweiffein / oder mich selbst umbringen / wann ich daran gedencke. Und was halt meine Faust / daß ich solches nicht zur Stunde verrichte! Lieber wil ich mir den Halß selbst brechen / als in Armuth und Verachtung leben. Komm her du lebloser Richter / zieht den Degen auß / welcher den Reichs=Proceß zwischen mir und meiner Schwester / in einem Augenblick außführen soll. Aber / Graff Muray / befiehlestu dich nicht erst vor deinem Tode / durch (293) Gebet der Gnade des Himmels? Daß dich Mord / Rad und alles Unglück der Welt zu Pulver zerstosse! Ich kan vor Zorn nicht dazu kommen.

Funffte Unterredung. Zu diesem kommt

MORTON.

MORTON. Herr Graff / Herr Graff! sein Leben erfreuet mich / aber sein gegenwartiges Bezeigen nothiget mich nach der Ursache zufragen. MURAY. Haha! Sein Wohlergehen ist meine beste Zeitung. An meine Einsamkeit aber und entblostes Gewehr darff sich Möns. Morton nicht kehren. MORTON. Aber sein Gesicht scheinet erbost und zornig. MURAY. Ja ich kan es nicht leugnen / auch die Reitzung dazu nicht verschweigen. Ich hatte vor wenig Tagen zu St. Germain Querell mit einem deutschen Graffen / welcher einen grossen Beystand der Ritterschafft bey sich hatte: ich aber / weil ich allda frembde war / muste ohne Zeugen meines tapffern Verhaltens / nachdem ich mich verschossen / wiederum vom Platze reuten / weil bey der Menge so vieler Widersacher / die Raison verleschen wolte. Da ich nun hier alleine bin / und daran gedencke / überfalt mich der Zorn / und habe meinen entblosten Degen gleichsam

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zum Zeugen angeruffen / daß ich mich willigst mit iedweden herum geschossen hatte / wann die Hunde mir nur so viel Zeit gelassen / daß ich mich zu einen Rennen nach dem andern fertig machen können. {294) MORTON. ES ist mir leid / mein Herr Graff / seine Ungelegenheit / seine Dapfferkeit aber sehr wol bekant. Traun / er hat nicht nothig sich hierüber zu entrüsten: Weil Zeit und Gelegenheit diese Sache schon außfuhren kan. Ich selbst nehme eine Reise nacher Franckreich / mit auff mich / in dessen Gesellschafft diese unmanierliche Kerlen abzustraffen. Aber wie lange ist seine Ankunfft / von welcher ich noch nichts wüste / woferne mich das Glücke nicht seiner Person selbst ansichtig gemacht hatte. MURAY. Gleich vor der Stunde bin ich abgesessen / wie ich denn noch in meinem Reise=Kleide stecke. MORTON. NU! ich bin von Hertzen erfreuet über dessen Gegenwart / und seine Ankunfft strenget mein Gemüth zu neuen Freuden an / ungeachtet ich die vergangene Woche durch vielerley Lüste und sehr delicates Wohlleben gantz ermüdet worden. MURAY. SO ist Schottland glückseliger denn Franckreich gewesen / als welches durch der Gvisen und Burbonier Feindschafft vor kurtzer Zeit eine neue Unruhe über sich nehmen müssen. Aber woher ist denn das hiesige Wolleben entsprungen? MORTON. Solte Fama unserer Konigin Beylager nicht auch zu Pariß verkündiget haben? MURAY. Man hat zwar etwas in Franckreich davon sagen wollen. Alleine / wenn und wie solch Vorhaben eurer Konigin solle Werckstellig gemacht werden / hat man so genau nicht erkundigen {295) mögen. Aber Möns. Morton / sage er mir doch im Vertrauen / warum hat man denn diese Vermahlung so gar heimlich beschlossen / und dazu weder Engelland noch Franckreich eingeladen. MORTON. Diese Frage Herr Graff / gehöret vor einen Haubt=Staatsmann. MURAY. Deßwegen soll auch Möns. Morton dieselbe beantworten. MORTON. Nein Herr Graff. MURAY. Warum das nicht? MORTON. Dieweil solche Antwort / wenn sie von Hertzen kommen soll / mit meiner grosten Gefahr verbunden. MURAY. E y warum dieses? MORTON. Ich bin Heinrichen / des neuen Koniges von Schottland / nächster und vertrautester Diener. Solte ich nun die Schwachheit meines K o niges durch leichtsinniges Bezeigen gegen Fremdlinge außbreiten / so würde ich meine Pflicht verletzen / und dem gewiss ;n eine Wunde schlagen. MURAY. Monsieur Morton / der sonst mit seiner außbündigen Vernunfft wenigen zuvergleichen / lasse sich noch dieses lehren / daß keine Pflicht

Von hohen Vermahlungen,

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dem Bunde der vertrauten Freundschafft vorzuziehen. Er erofne mir nur sicherlich den Schauplatz seines Hertzens; der Himmel vertilge mich mit einem plötzlichen Ungewitter / wann ich nicht verschwiegen seyn werde! Zum Zeugnüß dessen / und sein Vertrauen gegen mich zu vergrossern / wil ich Ihm als denn auch etwaß entdecken / welches Ihm Verwunderung genung machen soll. Wiewohl (296) ich ihn zu nichts nothigen wil / wan er mir nur von Hertzen bekennet / was doch der Konig vor Tugenden an sich hat / und ob das Haupt eines so unerfahrnen Jünglings der Crone gewachsen. MORTON. Mein Herr Graff / wer bey meinem Konige die Augen zu Richtern setzet / der muß ihn loben. Wer aber auff die Proben der Gemüths= Gaben bey ihm wartet / darff sich keinen Konig / sondern einen Zartling; oder / daß ich der Sache naher trete / ein feiges Weibesbild in mannlichen Kleidern einbilden. MURAY. Morton darff man das wol glauben? M O R T O N . SO gewiß mich der Herr Graff vor seinen Vertrauten halt. MURAY. Ist aber die Vermahlung nun in allen Stücken richtig? MORTON. Weil das Beylager vollbracht / und durch das Haupt der Romischen Kirche selbst eingesegnet worden. MURAY. Wie seynd aber die Stande mit ihrem Konige zufrieden? und werden sie auch gerne huldigen? MORTON. Das ist schon geschehen. Und hat das Ober=Parlament selbst seinen Glücks-Wunsch dazu abgeleget. MURAY. Morton zu lange / zu lange / Morton? MORTON. Wie so Hr. Graff / Hr. Graff wie so? MURAY. Er ist mein Freund / dem ich mein Glück und Unglück wohl vertrauen kan; und verhalte ihm hiemit nicht / daß ich der Konigin Bruder bin; ob gleich nicht auß gerechten Ehe=Bette; (297) dennoch aber so wol ein Sohn Jacobs des Fünfften / Königs von Schottland / als Maria dessen Tochter. Solte ich nun nicht Ursache genung haben zu der jenigen Ungedult / darinnen mich Monsieur Morton vorhin angetroffen / die ich auch mit einem erdichteten Duell entschuldigte. Meine Mannsichtige Schwester hatte mir bey ihrer Regierung in Franckreich versprochen / das dritte Antheil des Scotischen Reiches / jahrlich zu verleihen! Und nun hingegen / muß ich einen andern mein wohlgegründetes Vorrecht unverschuldet abtreten. Hatte Jacobus mein Vater nicht so gar unvermuthet sein edles Leben eingebüsset: Gewiß / er würde Mich so wohl als die Maria bedacht haben. Da hergegen ich ietzo nebenst dem Schaden / mich auch noch meines / ob gleich Königlichen Herkommens /schämen muß / wann ich schon meines Vätern Antlitz und Dapfferkeit zu Zeugen meiner Geburt auffweisen kan. Und was kan ich davor / daß meines Vätern rechtmassige Gemahlin sich wider ihre Ehliche Pflicht geweigert / meine

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Mutter zu werden / daß mein Vater hernach den Uberschuß seiner Begierden / in einem fremden Brunnen leschen müssen. Alleine / ich wil nicht verzagter als Jugurtha seyn / wann ich gleich nicht vier und viertzig uneheliche Brüder zu Beystanden habe. Ich wil es wagen / das Tartarische Recht bey uns auffzubringen / daß eheliche und Unachtige gleiches Erbe und Ehre zu erwarten. Jephta war ein Huren=Kind / und dennoch streitbar. Morton / woltet ihr mir treue seyn; so kontet ihr dadurch das {298) Joch der Dienstbarkeit Euch sehr meisterlich von Halse spielen / und hingegen gleiche Herrligkeit mit mir erlangen. MORTON. Der Herr Graff versichre sich / daß ich Ihn vor die helffte meines Hertzens / und hoher als mein rechtes Auge schätze. Er unterstehe sich was er wil / hier findet er seinen Geferthen. Zu dem bin ich des dienens müde / und lasse mich um eine jahrliche Pansion von zwey biß drey tausend Cronen zu allen erkauffen. MURAY. SO legen wir denn unsere Finger zugleich auff mein Gewehr / und verschweren uns zusammen. Entblost das Gewehr /und legen bey de Finger drauff. Ich schwere und gelobe bey der Verfolgung des Himmels / daß mein Gemüth von Morton nichts trennen soll als der Tod. MORTON. Ich schwere und gelobe / daß mein Gemüth von Graff Muray nichts trennen soll als der Tod. MURAY. Wol! wie wollen wirs nun anfangen? MORTON. Daß Graff von Muray Konig von Schottland werde? MURAY. Und Morton Vice=Roy von Schottland. MORTON.

Lachende / wie doch Freunde einander ins Hertz sehen können.

MURAY. Welches sollen aber nun die dienlichsten Mittel zu unserm Vorhaben seyn? MORTON. Daß wir den Königlichen Pallast mit Pulver unterschütten / und mit Konig und K o - ( 2 9 9 ) n i g i n nur bald in die Lufft sprengen. Und alsdenn kan sich der Herr Graff sicherlich zum nächsten Erben der Crone angeben. MURAY. Nein / Monsieur Morton / dieses Mittel ist zu violent. Und dürffte einen Argwohn wider mich erwecken. Indem fast ein ieder sich wundert / warum ich meine Proebende in Franckreich verlassen; Vielleicht mochte der Staat muthmassen / ich ware als ein Urheber dieses Unglücks hieher kommen. MORTON. ES ist wahr. Uber dieß mochte auch der Brand um sich fressen / und den Pobel rege machen. Wie? wann wir Sie beyderseits erstechen Hessen / und uns alsbald der Burg bemächtigten. MURAY. Dieses scheinet auch nicht fortgangig / die weil wir keine Mannschafft auff der Seite haben / womit wir den vermuthlichen Auffstand alsdenn dampffen konten.

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MORTON. SO wollen wir ihnen beyden mit Gifft vergeben / welches ich ihnen Beyden gantz unvermerckt wil beybringen. MURAY. Nun das gienge endlich an; alleine das Geblüthe will nicht verstatten / daß ich / so zu reden / die Hand an meine Schwester lege. MORTON. Haha! Zehn Schwestern gebe ich drum / daß eilff Brüder erschossen / oder mit Giffte getodtet würden / wann ich nur Herr und Meister über das Land dadurch werde. MURAY. Im Fall der Noth achte ich selbst nichts / meine Ehre zu behaubten. Ich habe aber zu unserm Absehen ein dienlicher Mittel / welches nicht so besorglich und voll Gefahr ist. (300) MORTON. Das verlangt mich zu hören. MURAY. Weil diese Ehe numehr nicht zu hintertreiben ist / so wollen wir versuchen / ob wir die vereinigten Gemüther durch angelegte Feindschaft und allerhand Zanckstifftende Beredung trennen können. Denn auß dieser Uneinigkeit / werden sich vielerley Gelegenheiten zu unserm Haupt=Zweck hervor thun. MORTON. Das wird bey diesen Verliebten anzurichten schwerlich fallen / als welche einander Tag und Nacht nicht auß den Armen lassen. MURAY. Wir wollen es versuchen / langet dieser Vortheil nicht zu; so muß ein anderer das beste thun. Monsieur Morton versuche sein Heyl beym Konige / ich wil bey der Konigin auch nicht feyren / ich zweiffle nicht / auff unserer Seite an glücklichen Außgange. MORTON. Wir müssen aber die Gründe zu unsern Beredungen zuvor überlegen / damit die zwey Feyer / so wir auff beyden Seiten anlegen / fein in der mitten zusammen brennen. MURAY. Alle recht! Das ist numehr das nothigste. Hort Morton: ietzo wollen wir nur zwo Funcken anlegen / die sollen verhoffentlich nach und nach fein gemahlig um sich fressen: nemlich die Religion und die Hoheit der Majestät. Dem Konige muß er einbilden / daß seine Gemahlin allezeit eine Feindin der Reformirten gewesen / auch die Verfolgung der Hugonotten damals von Francisco dem Andern / erzwungen. Daher zu Schlüssen / daß sie noch nicht in solchen Verfolgungen ruhen / (301) sondern seine G l a u b e n s g e n o s s e n / ja den Konig endlich selbst bedrengen werde. Ich indeß wil die Maria krafftiglich bewegen / daß sie die K ö nigliche Hoheit vor sich alleine behalte / und Heinrich nur den Nahmen des Mannes / nicht aber den Titul des Koniges behalte. MORTON. N u n ! der Herr Graff ist auff gutem Wege. Ich hoffe es soll angehen. MURAY. E y ! kan man unbewegliche Felsen spalten / warum nicht auch veränderliche Menschen=Hertzen? Wir wollen nur zur Sache schreiten; Indeß Adieu! hier wollen wir einander wieder sprechen / und Nachricht geben / was ein ieglicher auff seiner Seiten außgerichtet.

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MORTON. Wohl! es bleibt dabey. Adieu! MURAY. Monsieur Morton / er thu das beste! denn es klingt schöner: Vice= Roy von Schottland / als ein Diener des Schottischen Koniges. MORTON. Alle mein Vermögen strebet nach dieser Ehre / Adieu. Gehen ab.

Sechste Unterredung. CHAMBRE, MARIA,

RIZ.

Ich lasse ihn durchauß nicht über mir gehen / und ehe ich ihm die Ober=Stelle einräume / ehe wil ich mir hundert Pistolen zu meiner Besoldung lassen zu legen.

CHAMBRE.

MARIA.

Chambre!

Ich thu es nicht / und wann ihr mir einen Fußfall thatet. MARIA. Chambre höre doch nur! (302) C H A M B R E . Ich höre nicht. Halt mit dem Mantel die Ohren zu. MARIA. Kunst gehet ja vor Schertz=Lust. C H A M B R E . Das ware recht. Wanns so solte hergehen / so wurde meine Facultät welche in der gantzen Welt floriret / bald verlassen stehn / und endlich gar untergehen. Der Kerl / gegen mich zurechnen / ist wie ein Bettel=Voigt gegen einem Magister. Er muß alle sein Werck / wie ein Handwercks=Mann / mit der Hand außarbeiten; Da hingegen ich meine lustigen Rathschlage alle mit einander in der Hirnschale außkochen / und durch mein auf= und zugehendes Sprach=Loch bey der Taffei vortragen muß. Wann diesen ohngefehr ein Finger von der Neapolitanischen Kretze krumm wachst / oder gar abgeloset wird / so heist es mit seiner Lust: VACAT. Last mir gleich alle zehn Finger ablosen / so kan ich dennoch meiner Profession ohne Ruhm zu sagen / Doctormassig vorstehen. Ich wil davon nicht sagen / daß ich ein alter Diener bin / der noch von eurem Vater seine Bestallung empfangen hat. Ihr wißt es nicht einmahl / was ich von Jugend auff an eurem Hofe außgestanden habe. O ! Ich habe von eurem Vater / und von euch / und euren Englischen Hunden mir manchen sauren Wind in die Nase streichen lassen; Die ich alle mit einander durch den Schnub=Toback meiner Gedult habe überwinden müssen. Und solte mich nun an meiner Ehre und Ranck erniedrigen lassen. Nimmermehr! und wann ihr gleich weinetet; so thu ichs nicht / und Chambre auch nicht. (303) M A R I A . N U nu Chambre! gieb dich zu frieden / du solst oben an gehen / auch über mir. C H A M B R E . Nein. Uber Euch mag ich nicht. Es mochte Juncker Heinrich dazu kommen. CHAMBRE.

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Riz. Allergnadigste Konigin / Ich sehe einen Fremden vor Dero Gemach. MARIA. Chambre / sieh wer es ist / und frage was er wil. C H A M B R E . Ey ja doch. Da war ich ein schöner Kerl / wann ich mich auß der Posseß meiner Ehren=Stelle begebe. Der Floten=Pfeiffer würde gar nicht zurucken / und mir in die Eisen treten. Er kan es schon selbst verrichten. Du / tritt besser hinunter / du gehörest nicht so weit herauff.

Siebende Unterredung. Zu diesen kommt

MURAY.

MURAY. Gluck zu Er. Majestat! MARIA. Und daß es unserm Bruder Graff von Muray wohlgehe. Wir heissen euch willkommen. MURAY. Er. Maj. werden mir zu Gnaden halten / wann ich nach dem Bruder=Rechte gerade zugehe / und mir selbst einen Hand=Kuß nehme. MARIA. Dieses müssen wir Euch als einem Angehörigen ohne Bitte verstatten. Aber was haben wir uns durch eure gesunde Ankunfft / darob wir uns hochlich erfreuen / hier in Schottland zuversichern. MURAY. Nichts / als daß ich meinem Brüderlichen Gehorsam gegen Er. Majestat durch eine Visite verneure. {304) MARIA. Was bringet ihr denn neues auß Franckreich mit? MURAY. Davon muß ich Er. Majest. in geheim Nachricht geben. MARIA. Wohl! Ritz und Chambre / so nehmet denn einen Abtritt. RIZ. Ich gehorsame Er. Maj. Gehet ab. C H A M B R E . Bleibt stumm und unbeweglich stehen. MARIA. Horstu nicht / Chambre / du solt einen Abtritt nehmen. C H A M B R E . Gantz zornig. Ich hatte endlich wollen abtreten / wann ihr gesaget hattet: Chambre und Ritz nehmet einen Abtritt. Und nicht: Ritz und Chambre nehmet einen Abtritt. Kommt mir nicht mehr so! Jetzo aber gehe ich nicht ehe auß dem Gemach / biß ihr den Musicanten wieder zurück ruffet / und in eurem Befehl mich zu erst nennet. MARIA. Geh hinauß / oder unsere Ungnade soll dich dazu zwingen. C H A M B R E . N U nu! ich wil endlich naus gehen; SED CUM PROTESTATIONE. Gehet ab. MARIA. Was ist denn nun eure Zeitung / Geliebter Herr Bruder?

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Achte Unterredung. CHAMBRE

kömmt

wieder.

MARIA. W a s wiltu nu?

CHAMBRE. Ihr befohlet mir ja hinauß zu gehen. Nun bin ich draussen gewesen / so muß ich ja hören / was ferner zu thun. (305) MARIA. Ey packe dich hinauß / und bleib draussen vor dem Gemach. C H A M B R E . Das kan ich euch endlich auch zu gefallen thun. Gehet ab. MURAY. Gnadigste Princessin. Das Gerichte von ihrer Heyrath hat gantz Franckreich durchzogen / und durchgehendes gar ungleiche Gedancken gemacht. Gantz Europa wundert sich fast / und kan nicht begreiffen Er. Majest. geschwinde Enderung / daß / da sie bey der Beerdigung ihres vormahligen Koniges von Franckreich / durch das Zeugnis hauffiger Thranen sich verpflichtet / nimmermehr sich wieder zu vermählen / auch bißher die Spanischen Werbungen / ja die Schwagerschafft mit dem Kayser selbst verschlagen / sie sich dennoch ietzo / zu Verkleinerung ihres Ruhmes / von einem unvollkommenen Jünglinge ihrer Geliebten entziehen lassen. MARIA. Herr Graff / ich bekenne mich zu allen / was ihr ietzo vorgebracht. Alleine das allgemeine Elend der Witben herrschet auch leyder über die Witben der Konige. Und wie solte ich als ein schwaches Weib vermögend seyn / einem unruhigen Reiche ohne Mitgehülffen vorzustehen; ob ich gleich durch meine vom Himmel verliehene Vernunfft Tag und Nacht wachsam ware. Es hangen auch die Waffen zugleich an den Zügeln der Regierung. Daher die himmlische Gewalt der Konige Häubter und Faust / zugleich mit Cron und Scepter / als Zeichen der Majestät belehnet / anzuzeigen / daß nechst dem Verstände auch die Tapf(306)rigkeit eine Seule des Thrones sey. Wer weiß / in was vor Unruhe wir ietzo sassen / wann wir nicht durch neue Vermählung dergleichen Besorgligkeiten vorgebauet hatten. MURAY. Gnadigste Konigin / wann dero ungemeiner Verstand sie nicht allbereit im Blute zur Konigin versehen hätte / so müste ietzt abgelegte hochvernünfftige Rede denselben hervorstrahlend machen. In welcher alles auff schonen Gründen beruhet. Alleine nur dieses empfinden die Stände allhier / daß sie sich von einem so gar jungen Konige / welcher fast noch nicht mündig / sollen gebieten lassen / da sie bißher von einer überauß klugen Konigin mit allgemeiner Vergnügung wären regieret worden. MARIA. Wer kan dieses ändern und seinem Alter ohne Abfluß der Zeit / etwas zulegen. MURAY. Allergnädigste Konigin! Ich erinnere Er. Majestät derjenigen Dienste / so ich ihr / da sie noch in Franckreich / als Witbe lebte / nach

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Mogligkeit erwiesen / so daß ich gleich wie {ein) Vormund ihren Sachen mich untersetzen muste. Kraft derselben gehorsamen Treue / bin ich in Schottland ankommen / zu keinem andern Ende / als daß Er. Majestat ich mit einem dienlichen Vorschlage zu statten kommen möge / wie sie Franckreich bey Gunst / die Stande aber bey Gehorsam / und alle Unterthanen in Ruhe erhalten könne. MARIA. Werthester Herr Graff / euer Gemüth ist redlich / und das Vorhaben rühmlich. So saget mir denn / wie ich mich zuverhalten. ( 3 0 7 ) MURAY. J a / gnadigste Princessin! mein unterthanigster Gehorsam erfoderte wohl derselben mit fernem Anschlagen beyrathig zu seyn. Alleine / nachdem die Sache in einen gantz andern Stand gerathen / wil ich lieber schweigen / als mit Gefahr reden. MARIA. E y wie so / Herr Graff? und warum mit Gefahr? MURAY. Dieweil Er. Maj. alle meine Vorschlage ihrem Konige entdecken / und mich dadurch in Ungnade setzen würde! MARIA. Der Himmel verschliesse augenblicklich meine Zunge /so bald ich eure Anschlage in meinem Mund nehmen werde! MURAY. Wer sich unter Ehe=verbundene menget / nimmt einen schweren Handel auff sich. MARIA. Wenn es aber zu beyderley besten dienet / so kan die Eintracht nicht zerschnitten werden. MURAY. Ich wiederhole mein Schweigen / und bitte mir solches zu verzeihen. MARIA. SO bleiben wir in Sorgen / und unsern Kummer mochten wir mit Thranen beseufzen. MURAY. Dem sie dennoch mit schlechter Mühe abhelffen konte. MARIA. Aber wie? MURAY. Er. Maj est. Thranen bewegen mich. Mit einem Wort: Sie muß alleine Souverain bleiben / und die Hoheit der Crone so lange behalten / biß Heinrich Darly ihr Ehe=Herr die unmündigen Jahre zurück geleget. (308) MARIA. Solte dieses uns aller Sorgen befreyen können? MURAY. Weil alle Ritterschafft und Stande solches in geheim wünschen. Damit es nicht heisse: Schottland alleine werde unter allen Königreichen von einem unmündigen Konige regieret. Widrigen Falls vermuthe ich eine grosse Unruhe und in der Ferne brennende Feindschafft. Zudem besorget der K6nig von Franckreich / es werde die Verbitterung der Reformirten wider Er. Maj. desto mehr erwachsen / wann sie an die rechtmässige Verfolgung gedencken wird / welche ihr verstorbener Ehe-Herr auß Eyfer der wahren Chatholischen Religion verrichtet. Der heilige Vater unserer Kirche tragt selbst Mitleid gegen Sie / daß Sie unter denen Ketzern leben / und einen uncatholischen Konig an ihrer Seite soll schlaffen

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lassen. Dero wegen müssen Eure Majestät sich selbst wohl in acht nehmen / und Cron und Scepter nicht auß den Händen geben / woferne Sie nicht entweder den wahren Glauben verlassen / oder denen Reformirten das Schwerd wider sie zu fechten / selbst ubergeben wil. M A R I A . ES ist wahr / Herr Graff. Die Gefahr scheinet auff meiner Seite sehr groß zu seyn. Das Mittel aber wider dieselbe / gar leicht auffzubringen. Was ist mir müglicher und zugleich rühmlicher / als daß ich die Majestätische Hoheit auff mir behalte / ungeacht Heinrich Darly das Haubt meiner Ehe ist. Er verwalte das Ambt meines (309) Mannes. Ich aber bekleide die Stelle seiner Konigin. Geschwind / Ritz!

Neundte Unterredung. RIZIUS

kömmt mit darzu.

Riz. Was verlangen Er. Majestät? M A R I A . Eure Geschickligkeit und mancherley Sprachen / und das hohe Vermögen der Music haben uns bewogen / daß wir nechst der Auffsicht über die Capelle / euch auch zu unserm geheimbten Secretario durch Königlichen Handschlag hiermit bestättigen. Darneben befehlen wir auch / daß ihr zur Stund hingehet / und durch einen öffentlichen Befehl morgendes Tages unsere Ritterschafft auff dem Burghoff versammlet. In diesem Befehlich aber solt ihr unsern Nahmen forn an / und unsers Ehe= Mannes Nahmen nachsetzen; oder wohl gar außlassen. Verbietet auch darinnen / daß hinführo kein Mensch sich bey seinem Leben gelüsten lasse / einen langen Degen an der Seite zu führen / wodurch bißher so viel Ritterliches Blut vergossen worden. Wir mögen Spanische Trachten bey uns durchauß nicht mehr dulden. Riz. Ich dancke E. Majestät in Unterthänigkeit / vor die hohe Beförderung. Und was Sie mir hiebey zur ersten Außfertigung untergeben / soll nach (allen) Stücken des gnädigsten Befehlichs in acht genommen werden. Gehet ab. MURAY. Verziehet. Noch eins gnädigste Konigin / welches in kurtzer Zeit durch gantz (310) Schottland kund machen kan / daß sie allein Konigin sey. M A R I A . Auff was Weise? last es hören: M U R A Y . Wann sie alsbald eine Müntze hierzu schlagen Hesse. M A R I A . Aber mit was Gepräge? MURAY. Er. Majestät lassen mich ein wenig besinnen. — Sie lasse auff der einen Seiten ihr Bildnüs prägen / also umschrieben: Maria Stuart / Koni-

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gin von Franckreich und Schottland. Auff der andern Seiten die heilige Maria mit Cron und Scepter / unter der lateinischen Uberschrifft : IMPERAT VLRTUS, NON V L R .

MARIA. Die Erfindung gefalt Uns wohl / Herr Graff! Wir dancken euch davor / und verlangen solche zuvergelten. Ihr aber treuester Ritz werdet sorgen / daß ihr dieselbe nach allen Buchstaben erfüllen lasset. Wir indeß wollen uns in die geheimte Cantzeley verfügen / allda unser Vorhaben besser zu befestigen. Indeß wird der Herr Graff bey uns auff der Burg so lange verbleiben / biß wir ihm nebst Graf Bothwell gebührende Ehre erwiesen haben. MURAY. Dieses mahl nicht / gnädigste Konigin. Dieweil Graff Bothwell und ich eine Reise nacher Engelland vorhaben / welche wir nicht verziehen können / dieweil schon alles dazu fertig stehet. MARIA. Der schone Graff Bothwell? Es ist immer Schade / daß er nicht allzeit bey uns bleiben / und gar ein Vasall von Schottland seyn soll. (311) MURAY. Das ware endlich nichts unmögliches. Adieu gnadigste Konigin / ich muß fort. M A R I A . Adieu Herr Graff! Wir verlangen seine Rückkunfft. Gehet ab.

Anderes Discurses Erste Unterredung. M U R A Y und

MORTON.

Die erste Grund=Stuffe zu unsern Ehren habe ich geleget / wann Morton nur das seine auch gethan hatte. MORTON. Ich kan den Konig nicht zu Gesichte bekommen. Er muß sich gewiß verschlossen haben und schlaffen. MURAY. Ich indeß habe die Konigin zur Gnuge erhitzt. Die Regier=Seuche hat das beste gethan. Sie hat die langen Degen zum guten Anfange verbieten lassen; und in diesem Mandat ihren Nahmen zusetzen / und des Koniges Nahmen außzulassen / gar strenge befohlen. Ja was noch mehr / so wird eine Muntze geschlagen / darauff sie ihr Bildnüs prägen last; Worzu ich ihr eine / dem Konige hochst=schimpffliche Beyschrifft an die Hand gegeben. MORTON. Das ist genung / wann dieses den Konig nicht beweget / so muß er keine Ehre achten. MURAY.

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MURAY. Auff dem Wege ist mir noch was beygefallen. Wir wollen zwar wohl durch aller-{312)hand angestifftete Unruh den Kopff der Maria verwirren. Wann sie nur nicht durch ihren Musicanten / den sie numehr zum geheimten Secretario bestellet / Beystand erlanget. Ich höre es soll ein überauß kluger Frantzmann seyn. MORTON. Den müssen wir auß dem Wege räumen. MURAY. Aber wie? dieser dürffte nimmermehr wieder in der Konigin Angesicht treten / der Hand an ihn legen wurde. MORTON. Geschwind / Herr Graff! er verberge sich hinter das Camin / der Konig kommt; sonst werden wir verdachtig.

Muray verbirget sich.

Andere Unterredung. CHAMBRE

tritt ein.

CHAMBRE. Ich gedachte wohl / wann ich einen langen Degen anhienge / man wurde mich vor den Konig ansehen. Wie gehts / wie stehts Hr. Morton? Aber wer ist dieser / hinter dem Camin. Ihr guter Freund / habt ihr etwa ein Hoff-Madgen in der Contribution. MURAY. Sein Diener / Monsieur Chambre / sein Diener. CHAMBRE. Grossen Danck. MORTON. Herr Graff / wir wollen versuchen / ob wir diesen närrischen Kopff auf Ritzen verbittern können; die Einfalt hat wohl ehe einen guten Anschlag helffen außführen. MURAY. Es stehet zu versuchen. (313) CHAMBRE. Ihr Herren verziehet / ich wil mir erst lassen meine Schiebsacke zunahen / und ein ander Wams anziehen. MURAY. Warum das / Monsieur Chambre? CHAMBRE. Wann so ein paar Kumpen beysammen stehen / und einander in die Ohren plißpern / so seynd sie meistentheils zu Leon in der Beutelschneider Matricul eingeschrieben. Ich halte davor / es werde eure geheime CORRESPONDENZ ein AFFECTiONiRtes Absehen auff meine Knopgen gemacht haben. MORTON. Ey Chambre / Chambre! wir stehen in schlechten Gedancken bey dir. Nichts haben wir in geheim geredet / als nur dich bedauret / daß du als ein alter Diener zu Hofe so veracht seyn / und einen blosen Musicanten in deiner Ehren-Stelle weichen must. CHAMBRE. Ich habe es schon gesagt / und sage es noch einmahl; Ich weiche ihm nicht / und solte ich zu keiner Procession mehr kommen. MURAY. Er ist aber Leib-Musicante der Konigin.

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Leib=Musicante. Je was muß denn die Konigin vor ein Instrument im Leibe haben / darauff der Kerl spielen kan. Ich halte es muß ein Ruck=Positiv seyn / mit Seiten bezogen / das nur einen Blasebalg hat / den die Konigin selber tritt / und den ich etliche mahl HIS AURIBUS habe hören pfeiffen. MORTON. Ja / es ist uns leid / Chambre / dein Schimpff. (314) MURAY. Wann mir das geschehe. Der Beleidiger müste sterben / und wann er der nächste nach dem Konige ware. C H A M B R E . Meiner steckt auch nicht feste. MORTON. Daß weiß Ritz wohl / und darum hat er in der Konigin Nahmen ein Mandat wider die Spanischen Degen außgeschrieben. C H A M B R E . Je der Berenheuter. Er nehme seinen Fiedelbogen in die Hand / und fülle seine grosse lange Fartz=Pfeiffe mit Winde; und lasse sich um uns Cavalliers unbekümmert. MORTON. Chambre / war ich in deiner Stelle / so wolte ich gerade zu ihn in sein Zimmer lauffen / und ihn durch und durch stossen. C H A M B R E . Ja ich wolte wohl: aber ich mochte mit meinem Degen nicht gantz durchlangen. MURAY. Er ist ja lang genung. C H A M B R E . Wie dicke ist wohl mein Obenangeher / der Hund? MORTON. Ohngefehr eine Elle. C H A M B R E . Zieht den halbseitigen Degen auß der drey-elligen Scheiden herauß. Und mein Degen ist nur eine halbe Elle lang / ich komme nicht durch. MORTON. Geschwind / Herr Graff! Er verberge sich hinter die Tappet. Der Konig kommt. Chambre steck ein! umb deines Lebens willen / Chambre steck ein. Chambre erschrickt / und kan vor Zittern den Degen nicht in die Scheide bringen / biß Muray ihm dazu hilfft. Da er alsdenn rückwärts entspringen wil: bleibt (315) aber durch den langen Degen / welcher ihm hinten qver vor kommt / behalten / biß der Konig eintritt.

CHAMBRE.

Dritte Unterredung. Der Konig kommt

darzu.

Wie so lustig Morton. Ihr seyd immer freudig / wann ihr gleich euren Konig in drey / vier Stunden nicht zu sehen bekommt. MORTON. Hier habe ich Er. Majestät erwartet / die lange weile aber mit dem lustigen Chambre passiret. H E I N R I C H . Wir haben etwas Ruhe genossen / nach dem Uns diese Nacht gar schlaffloß gewesen. Jetzo aber suchen wir unsere Gemahlin. HEINRICH.

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Riemer II

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CHAMBRE. Wann ihr gleich nicht bey ihr seyd. Sie ist schon zu frieden / wann sie nur ihren Leib=Spielmann bey sich hat. HEINRICH. Schweig / du undienlicher Mensch! du hast vormahls gehöret / daß uns dein Schertz nicht anstehet. MORTON. Gnadigster Konig / Er. Majestät glauben / daß er ietzo keinen Schertz redet. Denn Kinder und Narren seynd zuweilen auch der Warheit machtig. HEINRICH. Wie so? Morton / ihr erschreckt Uns mit euren Reden. MORTON. Wolte der Himmel / daß ich meine Treue gegen Er. Majestat bey seite setzen konte; so dürffte derselben ich ietzo nicht eroffnen / was Sie betrübet. (316) HEINRICH. E y so erzehlet geschwind! was ist es? MORTON. Geheimde Sachen / so Er. Majestat ich gantz allein sagen muß. HEINRICH. SO gehe von mir / du schnöder Vogel. CHAMBRE. E y so last den hinter dem Tappet auch mit hinauß gehen.

Gehet ab. HEINRICH. Was meynet er hiemit? MORTON. Schweig / und backe dich / oder — Er schertzet Gnadigster KOnig / aber zu ungelegener Zeit. HEINRICH. Nun redet / redet. MORTON. Ach Gnadigster Konig Er. Majest. Gemahlin. HEINRICH. Liegt etwa kranck zu bette? MORTON. Dieses ware wohl zu ertragen. HEINRICH. Der Himmel erbarme sich! gar gestorben. MORTON. Ach dieses mochte auch hingehen / denn hierdurch würde mein Konig zwar betrübt / aber doch nicht an seiner Majestat beschimpfft. HEINRICH. Treuester Morton / Wächter vor unsere Ehre / wer leget Hand an unsere Crone dieselbe zu verfinstern. MORTON. Er. Maj. selbst eigene Gemahlin. HEINRICH. Aber wodurch? MORTON. Weil sie Er. Majestat nur den Namen ihres Mannes / nicht aber des Koniges gestehen wil. HEINRICH. Unsere Gemahlin? Wie könnt ihr dieses beweisen? (317) MORTON. Weil sie allbereit Befehlige in ihrem Nahmen außschreiben lassen / darinn sie Er. Maj. Nahmens gar nicht gedacht. HEINRICH. ES ist uns aber dergleichen noch nicht zu Gesichte kommen. MORTON. Sie seynd auch noch nicht öffentlich herauß gegeben. Jedoch schweben sie unter der Feder. HEINRICH. SO wollen wir lieber eilen / solchen schimpfflichen Vorhaben zu wiederstehen / und den schandlichen Strahl in seinem Auffgange zuverhindern. Folget alsobald Morton. MORTON. Auff dem Fusse nach.

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2. Discurs

Graff Muray springet hinter dem Tappet hervor. MURAY. Das geht wohl. MORTON. Er folge bald nach dem Konige aufzuwarten. Adieu Herr Konig von Schottland. Gehet ab. MURAY. Sein Diener Herr Vice=Roy von Schottland. So führ ichs Glücke Durch kluge Tücke An einem Stricke / Zu rühmlicher Begier und meinem eignen Willen. Man muß gewohnen Auch selbst die Cronen Nicht zu verschonen / So schwebt die Hoffnung hoch / das heisse Hertz zu stillen. Gehet ab. (318) Vierdte Unterredung. MARIA, RIZ,

in der lincken Hand einen

Befehlich.

Riz. Die Königin bey der Hand führende. Ich bin / Gnadigste Konigin / der Ehre und Gnade nicht würdig. MARIA. Wann ichs euch aber befehle / und mir so gefalt. Seyd ihr es nicht schuldig zu thun? Riz. In alle wege; weil dero Befehlich mein stetes Gesetz ist. Wann ich nur nicht des Koniges Ungnade dadurch hauffe. MARIA. Wen habt ihr mehr zu fürchten / als der Schotten Konigin? Heinrich Darly ist zwar Verwalter über mein Ehe=Bette / keines weges aber über dieses Reich. Funffte Unterredung. Hierzu kömmt

CHAMBRE.

Ritz ist mir sehr werth. Klopfft ihn mit der Hand auff den Backen. Riz. Ich bin zu dieser Gnade allzublode. MARIA. Entrothet Euch nur nicht; und beschämet dadurch mein Vertrauen. Denn ihr habt ja meine geheheimsten Sachen in eurer Hand. C H A M B R E . So so: hat er eure geheimste Sache in seiner Hand gehabt. Ey das wird dem Konige eine angenehme Zeitung seyn. Halb böse. Du Vogel. N E SARTOR ULTRA CREPITUM. Was hastu alleine bey der Konigin zu

MARIA.

28»

432

Johannes

Riemer

schaffen? Du Pfeiff=Simon. Du Qvinten=Verderber. Du (319) Calvonien=Schaber. Du Feind aller Begrabnüsse. Du Einlauter der kranckmachenden Gesundheiten. Du Zerstörer der gravitätischen Gedancken. Du Loch=Zuhalter. Du Holtz-Kneiper. Du Caltaunen=Außspeyer und Wiedernein-Schlucker. Du Noten=Inspector. Du gantzer Schlag. Du halber Schlag. Du eingeschwantzte Crete in C. du B. du F. du G. du grobes H. Du ΥΤ RE MI FA SOL LA, du LA SOL FA MI RE irr: Du Hundsf. Und ihr kommt mir vor / wie ein Samt=Wams / das mit Zwillich gefüttert ist. Von aussen liebt ihr einen Konig: und inwendig den heßlichen Kerl. Aber ich sorge / ich sorge / es wird euch in Busen schneyen / wann das Darleyische Ungewitter anbrechen wird. MARIA. Wie ists / Chambre? schäme dich. Je mehr ich von dir dulde / ie unhofflicher du dich bezeigest. CHAMBRE. Ihr machts auch wohl darnach. MARIA. Ey Chambre / thu einmahl ernsthafftig: Und sey mit mir zu frieden. Ich wil dich wohl zu rechter Zeit erfreuen. Jetzo aber nimm dieses Mandat / gehe hin / und heffte es hier an das Schloß=Thor / und komme alsdenn wieder zu mir in mein Gemach. CHAMBRE. Aber was muß ich denn herauß kehren / das weiße oder das schwartze? MARIA. Wunderlicher Mensch! ohne Zweiffei die Schrifft. CHAMBRE. Nu so wartet denn alhier / ich wil es alsobald anhefften / und hernach mit euch gehen / wo ihr hin wolt. (320) MARIA. SO mache nur fort. Chambre hefftet das Mandat an. Riz. Dieses vornehmen wird des Koniges Zorn hefftig entzünden. MARIA. Den wollen wir wohl auf eine sonderbare Art wieder leschen. CHAMBRE. Das ware nun zwar verrichtet / Frau Konigin: aber ich wolte nun auch gerne etwas Nachricht von meiner Besoldung haben? Es ist noch das fünfte Qvartal auf diß Jahr zurücke. MARIA. Oho! du wirst ja nicht fünff Qvartale in einem Jahr haben? Derer meines Wissens nur viere seyn. CHAMBRE. Hort: Es seynd in einem Jahre auch nur zwolff Monat / aber deßwegen last ihr eure Monats=Steuren dennoch zwey und dreissigfach anlegen und einfodern. So könnt ihr mir denn auch wohl fünff Qvartale auff dieses Jahr bezahlen lassen. MARIA. Schweig nur / Chambre / du solt befriediget werden. Ihr aber Ritz / wie so tieff in Gedancken? kommt / verlast unzeitige Betrübnüs / und erinnert euch / daß ihr eine gnadige Konigin an mir habt. Riz. Ich folge Er. Maj. CHAMBRE. Zieht ihn zurucke / sagende: wann ich erst nein bin. Gehen ab.

Von hohen Vermählungen,

2. Discurs

433

Sechste Unterredung. HEINRICH, MORTON, MURAY,

BOTHWELL.

Eure Versöhnung/ ihr Herren Graffen / ist uns sehr lieb. (321) MURAY. Und uns unter einander sehr erfreulich. B O T H W E L L . Das Unglück scheidet offt gute Freunde von einander. MORTON. Vielmehr die Verleumdung. MURAY. Zumahl bey Hofe. B O T H W E L L . W O keine Freundschafft bestehet / wann der Neid / und das PRIVAT-INTERESSE einreissen. MURAY. Und eben diß war der Ursprung unserer Feindschafft. H E I N R I C H . Dessen Erkantnis aber das Band neuer Freundschafft. Wir wündschen / daß sie ewig ware. B O T H W E L L . Zu Eurer Majest. unterthanigsten Dienst und Gehorsam. H E I N R I C H . Wir erkennen solches gnadig / Herr Graff / und tragen Verlangen / euch / nechst Graff von Muray / als Fremden / unsern Gasten einige Ehre zuerweisen. Aber Morton / wie stehts umb unsere Sache? MORTON. Was vor eine Sache? H E I N R I C H . Unser heimliches Anliegen. MORTON. Dem müssen Er. Majestat so lange Raum geben / biß sie gewisse Nachricht darinnen erlangen. H E I N R I C H . W O hinauß Herr Graff? MURAY. Ich sehe hier ein Placat angeschlagen / dessen Inhalt ich zu wissen / verlange. H E I N R I C H . Und wo denn? MORTON. Ich sehe es auch hiernechst. (322) Dringen allerseits begierigst dazu / solches zulesen. Nach Verlesung reisset der Konig solches ab / zerpflickt und tritt es mit Füssen. H E I N R I C H . Numehr habe ich Zeugnüs genug einer meineidigen Gemahlin. Geschwind! helfft mir alle die verfluchte Scartecke mit Füssen treten. Springen alle zugleich darauff mit Fussen. H E I N R I C H . Voller Zorn. Morton / wer bin ich? MORTON. Heinrich Darly von Stuart. H E I N R I C H . Was mehr? MORTON. Konig von Schottland. H E I N R I C H . Wer unterstehet sich dann / uns diesen Titul anzutasten? HEINRICH.

MURAY. Ein W e i b . HEINRICH. BOTHWELL.

So ist der Zorn um so viel grösser. Und die Beleidigung desto schimpflicher.

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Johannes

Riemer

Siebende Unterredung. Zu diesen

CHAMBRE

schreyend / in der Hand etliche Stück

Muntze.

Sa! he! Curage unten / Curage oben / das fünffte Qvartalgen hat sich ehrlich eingestellet. Lustig ihr Brüder! ich werde wohl ein paar Tage nicht nach Hofe kommen. Potz tausend / was werde ich mir vor einen Herr Johannes=Bauch trincken: denn ich bin schon etwas PORCULENT. B O T H W E L L . Dieser hat mehr froliche Tage / als sein Konig. {323) H E I N R I C H . Chambre! C H A M B R E . Sieht sich um. Sieh da! gleich Compagnie! Wolt ihr mit in güldnen Schweins-Trog / oder in das Wirths=Hauß zum Mistverstande? Jetzt kan ich euch außlosen. H E I N R I C H . Dießmahl nicht / Chambre. M U R A Y . W O hast du die Gelder bekommen. C H A M B R E . Giebt ein Stuck hin zubesehen. Hier last euch die Müntze darauff antworten. MURAY. Ich erstarre über den Großmuth eines Weibes. H E I N R I C H . Was neues? MURAY. Er. Majestät Gemahlin hat diese neue Müntze schlagen / und sich allein bekrönet darauff prägen lassen / mit diesem Titul: Maria Stuart / Konigin von Frankreich und Schottland. M O R T O N . SO wird auff der andern Seiten der Müntze des Koniges Bildnüs stehen. C H A M B R E . Es mag drauff stehen was da wil / gebt mir nur meinen Bier= Pfennig wieder. M U R A Y . Wendet die Muntze um: Hier ist die heilige Maria zu sehen / mit der Uberschrifft: IMPERAT V I R T U S , NON V I R . H E I N R I C H . Was heist dieses? C H A M B R E . Das heist zu deutsch: dieses stehet Möns. Chambre zu. MORTON. Nein / Gnadigster Konig. C H A M B R E . D U wirst gewiß einen bessern O R B I S P I C T U M haben / als ich. M O R T O N . E S heist: Die Manner müssen nicht eben regieren / sondern die Tugend. (324) H E I N R I C H . Ο hochmüthiges Hertz / welches in einem schwachen Weibe verborgen lieget! Wir seynd bestürtzt. Morton / was zu thun? Graff Bothwell / was meynet ihr? B O T H W E L L . Gnadigster Konig! in dieser wichtigen Sache etwas beyzurathen / bin ich viel zu unvermögend. H E I N R I C H . Nimmermehr ist die Erfindung dieser Müntze in ihrem Gehirn erwachsen. CHAMBRE.

Von hohen Vermählungen,

2. Discurs

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Siebet an der Erde die Stucken von zerrißnen Edict liegen. Ey nu nu: Ihr werdet den Hencker ans Halßgen kriegen; Daß ihr fein das Mandat zerrissen habt. H E I N R I C H . Weistu denn davon / Chambre. C H A M B R E . Nicht wissen; Ich habe es ja angeschlagen. H E I N R I C H . Wer hat dir denn dieses befohlen? C H A M B R E . Die Konigin und ihr Pfeiff=David. MURAY. Der wird auch wohl der Autor desselben seyn. MORTON. Und gar gewiß der Erfinder des Geprages der Müntze. H E I N R I C H . Solte dieser verfluchte Knecht sich dergleichen unterstehen. C H A M B R E . A D S P E C T A T O R E S . Harre Davidgen / nun wil ich dir auch ein Pflockgen stecken / warte / ich wil dich lernen obenangehen. Wist ihr denn das noch nicht? Hattet ihr mir meine Schau=Pfennige nicht genommen / so wüste ich wohl / was ich euch vor einen Flog ins Ohr setzen wollen. M U R A Y . Rufft den Konig auff die Seite. (325) Gnadigster Konig. Er. Majestät setzen mit Gelde an diesen einfaltigen Kerl. Vielleicht erfahren Sie etwas / welches zu allen ihren Vorhaben dienen kan. H E I N R I C H . Sey zu frieden Chambre. Hier hast du deinen Schau*Pfennig / und noch darzu zehn Cronen. C H A M B R E . Vortrefflichen Danck! H E I N R I C H . Aber sage mir / wer hat das Patent gemacht / und die neue Muntze erfunden? C H A M B R E . Vorwahr das weiß ich nicht. MORTON. Aber ist der Musicante offt bey der Konigin. C H A M B R E . Ohn unterlaß. H E I N R I C H . Was hat er denn immer bey ihr zuschaffen? C H A M B R E . Das weiß ich auch nicht. Ich halte / er wird ihr wohl auffstreichen müssen. H E I N R I C H . E S konte unter diesen Auffstreichen wohl was anders mit unterlauffen. C H A M B R E . Merckt ihr was? Riecht ihr den Braten? Ihr habt den Hund zu weit ans Ofenloch gelassen. Und wo ihr ihn nicht wieder auß der Küche jaget / sorge ich / er wird in eurer Leib=Capelle so lange auffspielen / biß er euch QVARTE und QVINTE zersprenget. MORTON. Aber wirds denn die Konigin nicht müde? C H A M B R E . Die Katzen werden niemahls des Fleisches recht satt. Ihr könnt dencken / der Kerl hat eine Englische Geige / und einen Schlesischen (326) Fiedelbogen / so lang / und noch langer: schon weiß Haar daran / von einem Oldenburgischen Schimmel / und einen vortrefflichen Frosch von Pfund-Holtze. MURAY. Chambre redet kurtzweilig und nachdencklich. CHAMBRE.

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Riemer

MORTON. Singet er denn auch zuweilen? C H A M B R E . Trefflich: aber lauter großschwantzigte Noten. H E I N R I C H . Wie weit sitzt er denn von der Konigin / wann er musicirt? C H A M B R E . Halt / ich wil euchs gar genau abmessen. Gehet lange Schritte hin und wieder / und zehlet. Gleich ein Messerrucken breit sitzen sie beyde von einander. Und wann ihnen die Zeit zu lang ist / fuhren sie einander bey der Hand in dem Gemach herum. MURAY. Das ist etwas ungemeines / wann Knecht und Majestat die Hände fügen. MORTON. Das ist unerhört.

Untreues Weib! Wir wollen den Balg nicht mehr unsers Beyschlaffes würdigen. C H A M B R E . Ey ey! Herr Konig ohne Zorn. Man muß darüber nicht ungedultig werden; der beste Hut über die Horner heist SILENTIUM. Ihr müst stille schweigen / sonst erfahren es die Leute. H E I N R I C H . Unkeusche SEMIRAMIS! verflucht sey der erste Kuß / den wir dir gegeben. O ! daß wir doch nur keine wollüstige Witbe geheyrathet hätten! C H A M B R E . Ha ha ha! Ein junges Füllen wirft (327) offt den Bereiter eher ab / als ein altes Pferd das noch so wohl beritten ist. Doch mercke ich euch gar wohl; ihr habt gedacht / ehe der Spielmann eine neue Geige stimmt / so hat er auff der alten schon einen Tantz gemacht. Und daß ein Buch / worinnen schon geblättert / eher zu durchlesen sey. Aber das ist hingegen auch wahr / daß das Holtz / so zuvor beym Feuer gelegen / eher brennet / als ein anders.

HEINRICH.

Achte Unterredung. Zu diesen komt Welche nur alleine mit

MARIA. CHAMBRE

redet.

MARIA. Chambre ist die Ritterschafft bald beysammen? C H A M B R E . Es hat sich wohl! Wer hat sie denn zusammen gefodert? MARIA. Das angeschlagene Mandat. C H A M B R E . Oho ho / das ist lange in Krautstückgen zerrissen. MARIA. Wer hat sich dieses unterstanden? C H A M B R E . Ich habe es nicht gethan. H E I N R I C H . Hier ist der Thater. M A R I A . Wer ist der Thater? (stehet sich um) Langes L':ben Heinrichen Darly von Stuart / unserm Ehe=Manne! H E I N R I C H . Und eben dieß wündschen wir unserer Gemahlin. Warum aber nicht Konig? Traun Gemahlin / wir verhalten euch nicht / wie wir uns

Von hohen Vermählungen,

2. Discurs

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hertzlich darüber gekrancket / daß ihr ohne unser Vorwissen die Ritterschaft zusammen beruffen / und in solchem Außschreiben unsern Nahmen {328) gar außgelassen. Gerne mochten wir die Ursache wissen! MARIA. Die können wir euch leicht sagen. Nemlich es ist darum geschehen / weil wir denselben nicht darinnen haben wollen. H E I N R I C H . Diese Antwort kommt uns stoltz und honisch vor. M A R I A . SO soll sie auch verstanden werden. H E I N R I C H . Wie? M A R I A . SO.

Bin ich nicht das Haubt? eurem Hute. H E I N R I C H . Auch zu der Crone. MARIA. Nach meinem Tode. H E I N R I C H . Auch ietzo? MARIA. Wann ich will. H E I N R I C H . Schwaches Weib! MARIA. Ohnmachtiger Jüngling! H E I N R I C H . Ihr habt keinen Verstand. MARIA. Und ihr keinen Barth. H E I N R I C H . Unzüchtiges Weibes=Bild. M A R I A . SO schelten alle Manner / welche nicht vergnügen können. HEINRICH.

MARIA. ZU

HEINRICH. H a ha ha. MARIA. H a ha ha.

Das Weib ist nicht wol bey Sinnen. MARIA. Und dieser nicht recht klug. H E I N R I C H . Warum habt ihr meine Eheliche Gesellschafft so brünstig gesuchet? MARIA. Weil eure Wollust mich taglich darein gelocket. (329) H E I N R I C H . Euer Feuer hat das meine angezündet. M A R I A . Z U welchen ihr selbst die üppigen Kohlen angeblasen. H E I N R I C H . Die ihr zu erst auß Franckreich hieher getragen. MARIA. Eurer gelben Haare wegen hatte ich mich schwerlich hieher bemühet / wann ich nicht mein Eigenthum allhier zu beherrschen hatte. H E I N R I C H . Darum wollen wir erst fechten. HEINRICH.

MARIA. Fechten? HEINRICH. J a .

Mir gebühret das Scepter. Fait ihn mit beyden Händen ein. Helfft / helfft / Herr Graff. MARIA. Bleibt zurück / die Konigin gebietet euch. H E I N R I C H . Morton / verlast mich nicht. MARIA. Wer seine Hand an mein Scepter leget / soll diese Entheiligung mit seinem Blute bezahlen. MARIA.

HEINRICH.

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Riemer

H E I N R I C H . Graff Muray. MARIA. Bleibt zurück. H E I N R I C H . Beystand / Beystand. MARIA. Gehorsam! Gehorsam! H E I N R I C H . Schützt euren Konig. M O R T O N . Ey das muß seyn. Greifft nechst Graff Muray auch mit der Hand an das Scepter / und hilfft dem Konige. B O T H W E L L . Ungleiche Gewalt! MARIA. Ein Schaff gegen drey Wolffe. Chambre! (330) C H A M B R E . He he! Wart / ich wil sehn wer gewinnet / dem wil ich beystehen. M A R I A . SO ist nichts zu meiner Hülffe übrig? H E I N R I C H . Nichts! nichts. B O T H W E L L . Als meine Faust! MARIA. Ach Engel in meiner Noth / ringet was ihr könnt. C H A M B R E . A D SPECTATORES. Kommt doch eurer ein oder zwolffe herauff / wir wollen Scheidsman seyn. Heinrich last gehen / oder ich schlage zu. H E I N R I C H . Sammt seinen Helffern das Scepter fahren lassend. Auweh das Scepter ist verlohren! Wo ist nun die Königliche Ehre? Fürchtet sich / und laufft davon. MARIA. Entweich auß unserm Angesicht / oder — M O R T O N . So folge ich meinem Konige nach. Gehet ab. MARIA. Gehe hin / wo die See am tieffsten ist! Du solst aber der Straffe deines Ungehorsams nicht entrinnen. Alleine Herr Graff von Muray / warum wäret ihr Uns auch zuwider auff Heinrichs Seiten? MURAY. Gnadigste Konigin. Merckte sie denn nicht / daß solches nur zum Schein geschähe? Ich wendete ja mehr Kraffte an / ihr das Scepter zugeben / als zu entziehen. MARIA. Ist dieses also / so dancken wir vor eure Hülffe. Euch aber dapffrer Graff Bothwell versprechen wir sonderbahre Gnade / weil ihr ohne Furcht Königliches Zorns Uns euren sieghafften Beystand öffentlich zuwenden wollen. (331) B O T H W E L L . Ich sage Er. Maj. unterthanigen Danck / und versichere / daß mich diese Ehre allein vergnüget / wann ich nur sagen kan / daß ich einer Heroinnne wider einem Konig beygestanden habe. MARIA. Aber sagt mir Herr Graff von Muray / was nun zuthun. Unser Eh=Herr ist erzürnet / und diese Uneinigkeit wird bey denen Unterthanen ein Aergernüs geben. MURAY. Er. Majestät dürffen an diese Sorgen ihr Hertz gar nicht binden. Denn welcher unter uns wird den plötzlichen Streit außschwatzen. So wird auch die Furcht / in welche Heinrich Darly durch ihre Großmü-

Von hohen Vermahlungen,

2. Discurs

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thigkeit gebracht / ihn wohl zwingen / daß er von sich selbst wiederkommen / und ihr seinen Gehorsam anbieten wird. B O T H W E L L . Ich bin der Meynung Gnadigste Princessin: Dieweil der Konig kleinmüthig und verzagt ist. MARIA. Wann der Streit so beyzulegen ware / hatten wir uns billig darüber zuerfreuen. Denn wie können Ehe=Gatten in steter Feindschafft leben? MURAY. Aber doch müssen Er. Majest. die numehr erörterte Hoheit auf sich behalten / und allein die Regentin über Schottland seyn. MARIA. In alle wege. Doch gleichwohl wollen wir mit unserm Gemahl wieder versöhnet seyn / und in Eintracht leben. MURAY. Wann er ihr nemlich dasjenige / was sie ihm ietzo abgenommen / ohne Unwillen überlassen wird. Denn darüber muß sie halten / wo(332)ferne nicht die letzte Gefahr des Vaterlandes grosser seyn soll / als die erste. MARIA. Was wir ietzo erworben / soll uns weder mit Liebe noch mit Leid abgenommen werden. Aber warum stehet Chambre so in Gedancken? C H A M B R E . Ich warte biß die Reihe mit dem Dancken auch an mich kommt. Denn wann ich mit meinem Weidewatschker nicht ware dazwischen gekommen / so zerretet ihr euch noch um den Regier=Stock herum / wie die Hunde auff dem Laster=Marckte um einen Sau=Kopff.

Neundte Unterredung. Zu diesen kömmt

Riz.

Sieh da! daß der Herr nicht zu lange abwesend ist. Warestu eher kommen / und hattest deine Trompete=Mari mitgebracht / daß du hattest helffen zuschmeissen. Jetzo nun da wir bald essen wollen / kanstu fein kommen. Halt / halt! bleib du immer hie unten stehen. MARIA. Ritz / ihr kommet Uns gleich in die Gedancken und in die Augen / denn indem wolten wir nach euch fragen. C H A M B R E . So tritt obenan / daß du müstest vier Wochen nach einander nackend auff dem grossen Grampe stehen. Der ist wohl ein Schelm / der bey der Taffei bleibt. Will ablauffen. MARIA. Chambre! harre / harre! C H A M B R E . Was? hanrey / hanrey. Ihr seht mich gewiß vor euren Mann an. Ldfft ab. (333) MARIA. Chambre / Chambre! Ey wir müssen ihn zur Taffei wieder ruffen lassen. Riz. Er. Majestät müssen Ihn aber dabey die Oberstelle vor mir versprechen lassen / sonst wird er sich schwerlich einstellen. CHAMBRE.

440

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Riemer

MARIA. Wir wollen ihn gar oben an setzen. Und beyderseits denen Herren Graffen eine gute Lust mit ihm machen. B O T H W E L L . Vor mich sage Er. Majestät ich unterthanigsten Danck / weil ich allhier noch fremde / und bey der Taffei mich sehen zu lassen / noch nicht geschickt bin. Ich vergnüge mich inzwischen auff Er. Majestät gnadigstes Zulassen an einem Hand=Kuß /suche unterthanigst Urlaub / und verspreche ehester Tage mit Vorbereitung mich wieder zu Hofe sehen zu lassen. MURAY. Und eben dieses ist auch meine Ursache / warum Er. Majest. Befehlig ich ietzo nicht erfüllen kan. Morgen aber / so das Glück will / kan ich in meiner Auffwartung desto bestandiger seyn. M A R I A . SO wollen wir euch denn / iedoch mit Vorbehalt eurer Zusage / dieses mahl beurlauben. Ihr aber geheimder Ritz / solt uns mit eurer Lauten bey der Taffei alleine bedienen. B O T H W E L L . Der Himmel verleihe Er. Majest. froliche Stunden. Gehet ab. MURAY. Und verschaffe / daß sie das Ober=Haubt ihres Erb=Reiches verbleibe. Gehet ab. MARIA. Ritz küsset unsere Hand: Denn auch (334) die Graffen sollen vor euch keinen Vortheil unserer Gnade haben. Riz. Ich ergreiffe die angebotene Gnade. MARIA. Und begleitet uns ins Taffel= Gemach. Riz. Ihr Belieben mein Befehl. Gehen ab.

Zehende Unterredung. MORTON.

MORTON. Wohlan! die erste Zwietracht ist durch mein Anstifften wohl angeschlagen. Ich hoffe / es soll nun unser Absehen bald sein gewünschtes Ziel ersteigen. Es ist zu verwundern / daß die subtileste Regier=Seuche auch die Felsenharte Liebe zerscheitern kan. Aber Morton / sündigestu nicht in deiner Klugheit / oder wird dir auch der Anschlag gelingen? Allerecht! fahre nur fort. Es ist alles wohl außgedacht. Wer in dem Leben Nach Ehr wil streben / Muß es so geben. Sonst wird ihm nimmermehr ein tieffer Wunsch gelingen. Man muß sich üben /

Von hohen Vermählungen,

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Das feste Lieben Auch zubetrüben. So kan man Felß und Hertz zu seinen Willen zwingen. Ich verlange nur Graff Muray zu sehen / denn ich mochte gerne wissen / in was vor Gedancken er die Konigin gelassen. Sieh da! der Wunsch ist {335) zur guten Stunde geredet. Da kommt er eben her! zu seinen Diensten mein Herr Graff.

Eilffte Unterredung. MURAY.

Wie nun? wie lebt der Konig? MORTON. Blöde und furchtsam. Wozu ist die Konigin geneigt? MURAY. Zur Beständigkeit des Reglements! aber dennoch zur Wiederversohnung mit dem Konige. MORTON. Dadurch wird unser Vorhaben ins stecken gerathen. MURAY. Freylich / freylich. Wann wir nur eine neue Verbitterung unter ihnen alsbald anrichten konten. MORTON. Was Raths in solcher Geschwindigkeit? MURAY. Ich wüste wohl was / dadurch die Konigin so konte beleidiget werden / daß sie ihm nimmermehr wieder verziehe. MORTON. Ich bin begierig solches zu hören. MURAY. Wann wir den Konig beredeten / daß er David Ritzen ermordete. Versichert / er würde die Konigin mehr dadurch verletzen / als wann er ihr das rechte Auge außgeschlagen. Aber es ist Sünde / einen Unschuldigen biß in Tod zuverleumden. MORTON. Was schadet uns das? ob der Musicant lebet oder nicht. Sünde hin / Sünde {336) her; wann wir nur denen Schotten zu gebieten haben. MURAY. Sonst ware ietzo die beqvemste Gelegenheit darzu. Denn sie halt gleich Taffei / und hat keinen Menschen bey sich in Gesellschafft als Ritzen. Ohne Zweiffei wird er ihr an der Seiten sitzen. M O R T O N . SO laß er uns nur eilen / und dem Konige diß vertrauliche Gast= Mahl ankündigen. Wir müssen versuchen / wie wir ihn zum Todschlage behertzt / und dadurch zur Regierung verwerfflich machen. Denn das Weib können wir hernach leicht verwirren / daß sie des Regiments auch überdrüssig wird. Und als denn ist der Lorber erlangt / um welchen wir ietzo mit vielen Gedancken kampffen. M U R A Y . SERVITEUR, SERVITEUR.

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Zwolffte Unterredung. Zu diesen kommt

HEINRICH.

Gantz traurig. Treueste Freunde! Euer Beystand war ehrlich / aber gegen ein rasendes Weib zuschwach. Ο der Schande / die wir in diesem Ringen eingeleget haben! Ist denn kein Mittel zu erwerben / dasselbe außzuleschen? M U R A Y . Mittels genug / Er. Maj. legen nur die unmassige Blodigkeit ab / als welche aller guten Würckligkeit im Wege lieget. Ein Konig verlast sich auff seine Majestät / und dessen Zorn ist zu fürchten / wie der Grimm eines Lowens. H E I N R I C H . Aber was ist das vor ein Mittel / dadurch wir wieder zu dem entnommenen Scepter kommen? M U R A Y . Er. Maj. müssen den Arm zerbrechen / womit sich die Konigin wider kluge Gewalt wafnet. {337) H E I N R I C H . Was ist das vor ein Arm? M U R A Y . Ihr böser Rathgeber. H E I N R I C H . Und wer ist der? MURAY. Der den schimpfflichen Befehl gemacht. H E I N R I C H . Den kenne ich nicht. M U R A Y . Der die schmahliche Müntze erfunden. H E I N R I C H . Diesen nennet mir. M U R A Y . Der ietzo gleich mit der Konigin gantz allein Taffei halt. M O R T O N . Und vielleicht / zu höchster Schmach des Koniges / heimliche Freundschafft mit derselben pfleget. H E I N R I C H . Entblöst das Gewehr. Diesen müssen wir erfahren. Gehet ab. M U R A Y . Morton / wir wollen ihm folgen / daß wir ihn in der Hitze behalten. Gehen ab. Die innere Gardine eröffnet der Konigin Τ äff eh Gemach. Oben an der Taffei sitzt Chambre. Nach diesem die Königin /und nechst ihr / Ritz mit der Laute. Ohne alle Diener. M A R I A . Ritz befordert doch des Koniges Gesundheit. Riz. Gnadigste Konigin! Ich kan nicht beschreiben / wie sauer mir dieser Trunck wird. M A R I A . Fehlt euch etwas? Riz. Ich habe solch Hertzens=Weh. M A R I A . Wir wollen Euch unsern Leib=Medicus ruffen lassen. (338) Riz. Er. Maj. sehen doch. M A R I A . Und was denn? Riz. Meine Laute kehret sich um. HEINRICH.

Von hohen Vermählungen,

2. Discurs

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Ihr irret / vielleicht habt ihr daran gestossen. Riz. Nein Gnadigste Konigin. M A R I A . Vielleicht hat die Taffei sich beweget. Faßt sie doch in die Hand. Er fast die Laute an / und erschrickt. M A R I A . Was ist euch nun? RIZ. Die allerstarckste Seite zerspringet / und ist nicht auffgezogen. M A R I A . Ziehet eine andere auff / und seyd lustig: Seyd ihr mir doch noch nicht so vorkommen. Was fehlt euch denn nun? Riz. ES fallen mir Bluts=Tropffen auß der Nasen. M A R I A . Giebt ihm ihr Schnuptuch. Hier! stillet das Blut. MARIA.

Dreyzehende Unterredung. HEINRICH

mit blossem Gewehr / springet stillschweigend herzu / und sticht Ritzen / daß er neben die Taffei fallt.

Hier sättige dich / du Hure / in deines Mitbuhlers Blute. Und hiemit sey dir das Recht der Ehe gantzlich auffgekündiget. M A R I A . Ach Weh! Weh! helfft / helfft. Wil sich niemand erbarmen / mich zu retten. Verratherey / Verratherey! (339) C H A M B R E . Ach last mich leben / ich wil eure Gesundheit gerne trincken. Nimmt den Becher: PROSIT, PROSIT. Trinckt / und ziehet mit Zittern ab. Steckt ein / ich wils gantz außtrincken. H E I N R I C H . Keine Verratherey / sondern eine gerechte Straffe / der ihr auch nicht entgehen sollet. Gehet ab. M A R I A . Der Himmel erbarme es! Es ist gewiß Auffruhr vorhanden. Alle Thüren seynd mir verschlossen. Und kan weder auß noch ein. Graff Muray / Herr Bruder. Morton. Graff Bothwell. C H A M B R E . Schreyet zugleich so erbärmlich als die Konigin: Graff Muray 2C. M A R I A . Weinend: Ach wir seynd verlassen. Es ist ein grausames Gerichte über uns beschlossen. Wer weiß / ob nicht indem der gantze Pallast mit uns in die Lufft flügen wird. Wohlan ich erwarte den Außgang dieser Grausamkeit mit standhafften Gemüth / und wil auch mit meinem Tode beweisen / daß ich eine Konigin gewesen / und im Cronen-Eifer gestorben. Alleine du armer unschuldiger Mensch / der du ohne Verdienst sterben müssen: Weinende. Dein vergossenes Blut betrübet mich! und dein so schneller Hingang wird mir den übrigen Rest meiner Tage mit ins Grab nehmen. Deine Unschuld nothiget mich / dir diesen Kuß mit auff den Weg zu geben / und in diesem Gefängnis deinen Tod damit zu beehren. (340) HEINRICH.

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Vierzehende Unterredung. MURAY

kömmt

dazu: die Königin

sitzend.

MURAY. In was trauriger Gestalt treffe ich E. Maj. an. Was bewegt Sie zu solchen erbärmlichen Kummer? M A R I A . Stillschweigende weiset auff den Entleibeten. MURAY. Himmel! Was ist dieses. Wer hat den Mord begangen? C H A M B R E . Fragt noch lange. Wir sassen in guter Ruhe und assen / als der Konig wie ein Rasender {her)eingesprungen kam / und uns bey einer Haare alle drey erstochen hatte. MURAY. Ist dem also Gnadigste Konigin? MARIA. Nicht anders Herr Graff. Untreuer Ehe=Mann. Er hat mich hier verschlossen / und mir ins Angesicht gleichen Tod geschworen. MURAY. Nun nun! Sie stelle sich zu frieden / und komme mit mir. Ich wil sie unter meinem Schutz auß ihrem Gefangnüs führen. Vielleicht wollen wir seiner Grausamkeit mit einer List entgegen gehen. MARIA. Ich folge euch / Herr Graff / in meinem Unglück. Du aber Chambre / hüte allhier den entseelten Leichnam / oder bringe ihn so lange auff die Seite / biß wir ihn ehrlich beysetzen lassen. Gehen ab. C H A M B R E . Meine Aembter steigen trefflich. Nun soll ich endlich ein Todten=Graber werden. Nun wie ists: du / wilstu nicht auff? Hanß blaß (341) den Sack an. Sing mehr geschwantzte Noten. Harre du Kerl. Sieh! so werden die Prsecedens=Streite beygelegt: ich muß ihm doch ein EPIVACUUM setzen lassen. Weil er ein Musicante gewesen / soll ihm der Hund ein Krumphorn auffs Grab setzen. Greifft ihn an auffzuheben. Der Kerl ist schrecklich schwer. Ich weiß nicht / wie ich ihn wil fort bringen. Doch hört: last nur den Vorhang vorfallen / so kan er selber auffstehen / und hinein gehen. Die fördere Gardine verschliest den SchawPlatz.

Dritten Discurses Erste Unterredung. HEINRICH, HEINRICH. BOTHWELL.

ware.

BOTHWELL.

H E r r Graff bittet vor uns. Weinende. Wann sie nur ietzo in der grosten Hitze des Zorns Zugewinnen

Von hohen Vermählungen,

3. Discurs

445

Wir wollen ihr einen Fußfall thun / und die Schu mit Thranen netzen. Ist sie noch ein Mensch / so wird sie sich erbarmen. B O T H W E L L . Wir wollen alles Heil versuchen. Hier kommt sie gleich auß ihrem Zimmer. HEINRICH.

Andere Unterredung. Zu denen

MARIA, CHAMBRE.

(342)

Kniende. Gnadigste Konigin. Blutschuldiger Tyrann. Sie gehet fort und will ihm nicht ansehen. H E I N R I C H . Eilet nach / und kniet wieder. Liebster Schatz. MARIA. Erschrecklicher Abscheu. H E I N R I C H . Würdiget mich doch eurer Gegenwart. MARIA. Nicht der Augen. H E I N R I C H . Auch nicht der Hand? MARIA. Kein Todtschlager soll unsere gerechte Hand berühren. H E I N R I C H . Ach! Gemahlin / einen Blick: oder Morgen bin ich todt. MARIA. Warum nicht heute. Denn so würden wir zwolff Stunden eher erfreuet. H E I N R I C H . Vergebet Gemahlin / vergebet. B O T H W E L L . Eure Majestät lassen sich überwinden. C H A M B R E . Je last doch den armen Schelm nicht so lange betteln. H E I N R I C H . Ich opffere euch auch die Crone. MARIA. Die wollen wir endlich annehmen; weil ihr derselben nicht würdig seyd. Indem ihr / pfui schämt euch / vor einem Weibe auff die Knie fallet. C H A M B R E . SO müssen viel Manner sich schämen. H E I N R I C H . Ach! ich habe wieder euch gesündiget / und bitte um aller eurer Heiligen Willen / mir zuverzeihen. Die Furien hatten mich besessen / und (343) ein hollischer Geist hat meine Faust regieret. Zu dem hat mich niemand dazu verursachet / als Morton und Graff Muray / welche mir glaublich beygebracht / als hatte der Entleibete solche Zutritte bey meiner Gemahlin / die sonst dem Ehe=Manne alleine zukommen. HEINRICH. MARIA.

MARIA. M o r t o n ? HEINRICH. J a J a .

MARIA. Das Mord*Kind. Und Graf Muray? H E I N R I C H . Wie ich nochmahls auff meinen Knien bekenne. MARIA. Hat denn Neid und Ehrsucht unsern gantzen Hoff besessen / das auch Fremde damit angestecket werden. Stehet nur auff / verzagter Darly / und entweicht in Friede nach eurem Zimmer / wann die Sonne vollends untergangen / wollen wir euch besuchen. 29

R i e m e r II

446

Johannes

Riemer

Bleibt bestandig in eurem Vorhaben / liebwertheste Gemahlin. Nimmermehr will ich euch beleidigen. Gehet ab. MARIA. Mein Herr Graff / wir seynd allein / was dunckt ihm von unserm Zustande? B O T H W E L L . Er ist unruhig genug / voller Gefahr und Auffruhr. C H A M B R E . Wil abgeben. HEINRICH.

MARIA. C h a m b r e !

Kehret wieder um. Was? was habt ihr denn zu befehlen / daß ihr mich wieder zurücke rufft. MARIA. Wo wiltu denn hin / daß du uns ohne Abschied verlassen wilst? (344) C H A M B R E . Ich will zu Bette gehen. MARIA. Verziehe / biß nach der Taffei. Und bleibe bey uns. C H A M B R E . Da müste ich ein Schelm und meinem Leben gram seyn. Daß euer toller Heinrich käme / und spissete mich auch wie eine Lerche an. Nein / nein / ich mag nicht zu Hofe essen. Wann mich hungert / wil ich wohl in Gast=Hofe speisen. Adieu! Mich hungert nicht. Ich gehe zu bette. Gehet ab. MARIA. Geh hin / du Mensch ohne Sitten und Gehorsam. Der Herr Graff aber wird Uns bey dem Abendmahl Gesellschafft leisten. B O T H W E L L . Die Gnade schlage ich nicht auß; sondern bin gehorsam. Gehen ab. CHAMBRE.

Dritte Unterredung. H Ü N T H L E und

ARGATHEL.

Zwene Parlaments*Herren

von

Engelland.

Endlich seynd wir durch die Güte des Himmels bey favorablen Winde ohne Sturm allhier angelanget. A R G A T H E L . Wann wir auch nur mit glücklicher Verrichtung unsere Königin Elisabeth erfreuen können. H Ü N T H L E . Ich wünsche es von Hertzen / und bin versichert / daß uns gantz Engelland davor ehren wird / wann wir die auffrührische Maria durch gute Wort ins Garn locken / und unserer Konigin nacher Londen / zur glimmenden Rache über-(345)bringen können / damit sie um das Feuer der Unruh / welches sie in Engelland boßhafftig angeleget / zur Rede gesetzt und bestrafft werde. A R G A T H E L . Aber stehet das uns / als Parlaments-Herren wohl an / wann wir durch Falschheit und Betrug Maria Stuart zur Gefangene machen? HÜNTHLE.

Von hohen

Vermählungen,

3. Discurs

44 7

HÜNTHLE. Kein Gesetz hat iemahls verbothen seinen Feind durch List oder Gewalt zufangen. ARGATHEL. Hat sie doch noch nichts feindseliges verübet. HÜNTHLE. Wer seinem Feinde biß zur Thatigkeit Raum giebt /ist schon halb verlohren. Ich lobe Elisabeth / daß sie denen stoltzen Begierden der Maria zuvor kommt / und durch mannliche Klugheit ihnen die Grentzen in ihrem eigenen Lande setzet. ARGATHEL. Ja ja / es ist schwerer einen unangenehmen Gast außzutreiben / als einzulassen. Aber wir werden uns in diesen Vorhaben klüglich müssen in acht nehmen / damit wir nicht durch eigene Unvorsichtsamkeit / als Verrather / gestrafft werden. HÜNTHLE. Deßwegen können wir diese Nacht ohne Sorgen schlaffen. ARGATHEL. SO werden wir uns heinte zu Hofe nicht anmelden lassen. HÜNTHLE. Es ist zu spat: und halte davor / daß sie gleich bey der Taffei seyn. Morgen aber / so bald es nur von Osten rothlich wird / wollen wir den Schlaff verlassen / und zu unserm Vorhaben (346) einen verschlagenen Anfang machen. Jetzo aber ist das nothigste / daß wir uns nach einem Wirths=Hause umsehen. Ich zweiffeie / ob wir in dieser Gassen Gelegenheit dazu finden! ARGATHEL. Wer müssen die zwene seyn / die in der Demmerung dort herauff kommen. HÜNTHLE. Ohne Zweiffei ein paar Panditen / derer gar viel mit der Konigin auß Franckreich kommen seyn. ARGATHEL. Wir wollen ihnen nicht begegnen / sondern in aller Stille disseits der Gassen fortgehen. HÜNTHLE. Wohl wohl! nur sachte. ARGATHEL. Ha ha! Sie gehen ins Schloß / wie? wann wir uns zugleich unbekant als Fremde mit angegeben hatten. HÜNTHLE. Nein / nein! das war uns ungelegen / und der Gefahr sehr nahe. ARGATHEL. Da kommt aber einer. HÜNTHLE. Wer muß dieser seyn!

Vierdte Unterredung. Zu diesen kömmt B U R G O N . BURGON. Sicher Geleit / ihr Herren. Ich komme von Hoff / und bin Burgon der Leib Medicus. HÜNTHLE. Sicherheit genung / mein Herr / wir seyn auch ehrliche Standes» Leute / ob gleich fremde. 29»

448

Johannes

Riemer

Er kommt eben gewünscht / denn er (347) kan uns mit einer oder andern Nachricht belehren. Wie stehets dann zu Hofe? BURGON. Gar wunderlich. Kommen sie dann ietzo gleich an? ARGATHEL. Diesen Augenblick. Aber wie so; warum stehet es wunderlich? BURGON. Die Konigin Maria hat sich wieder vermahlet an Heinrich Darly von Stuart. Sie leben aber in solcher Verbitterung wider einander / daß ich glaube / sie werden nicht ehe ruhen / biß eins dem andern den Tod zuwege gebracht. HÜNTHLE. Ist denn die Heyrath schon durch öffentlich Beylager vollzogen? BURGON. Heute ist der vierdte Tag / daß solches geschehen. ARGATHEL. Das ware zu solcher Zwietracht noch zufrühe. BURGON. Es finden sich allerhand Ursachen dazu. HÜNTHLE. Welche seynd es denn? BURGON. Sie streiten ums Gebiete / welchem unter ihnen die Kennzeichen der Majest. zu kommen / und welches dem andern befehlen solte. HÜNTHLE. Maria Stuart wird sich schwerlich befehlen lassen. BURGON. Heinrich ist auch hart. Welcher ihr denn gestern die Summa alles Verdrusses zugefüget / indem er ihren Leib=Musicanten / welcher der bezeigten Gnade nach / ihr Aug=Apffel war / über der Taffei an ihrer Seite erstochen. Daher ist ietzo der gantze Hoff unruhig / und alles wider (348) einander. Ich fürchte / ich fürchte / es konte gar ein Auffruhr entstehen. Welchen doch der Himmel gnadig abwenden wolle. Nun die Herren verzeihen mir / meine unterthanigste Pflicht rufft mich nach Hause: indem ich noch Artzney vor den Konig zuverfertigen. ARGATHEL. Wir wollen ihn nicht auffhalten / mein Herr! B U R G O N . Sie leben wohl! Gehet ab. HÜNTHLE. Er fahre wohl / und habe Danck vor offenhertzige Nachricht. Numehr Argathel / dürffen wir weder an Schlaff noch Ruhe dencken. Solte es zum Auffruhr kommen / so müssen unsere Schiffe zum Beystand parat seyn / daß wir mit Gewalt verfahren. Vor allen Dingen müssen wir ietzo hingehen und Befehl geben / daß alle Schiffe auß dem Hafen gebracht / und vor Ancker geleget werden / damit wir auff alle Falle ieglichem Hündernüs vorbauen. ARGATHEL. Gut gut. Sein Rath meine Meynung. Gehen ab. ARGATHEL.

Von hohen Vermählungen,

449

3. Discurs

Funffte Unterredung. MURAY,

MORTON.

Vor dem Königlichen Gemach gantz sachte herum

schleichend.

MURAY. Nun zweiffle ich / ob wir wieder bey der Konigin zu Gnaden kommen werden. MORTON. Nachdem ihr der Konig unsere Rathschlage entdecket. (349) MURAY. Numehr stehet Graff Bothwell in heimlichen Gnaden bey der K o nigin. MORTON. Wann wir doch durch diesen etwas dienliches zu unserm Zweck verrichten konten. MURAY. Er ist Ehrgeitzig. MORTON. Das ist wahr. Ich bin versichert / wann wir ihn die Hoffnung zum Throne machten / er nehme den Konig auff die Seele / zumahl wann wir ihn unsern Bey stand versicherten. Hernach wolten wir die That schon bey dem Volcke außbreiten / und dadurch die Konigin selbst des Todschlages schuldig machen. Und so konten wir dennoch unser Ziel der Beherrschung gar gewiß erreichen. MURAY. Wann wir ihn nur ansichtig würden. Denn wir müssen vor Auffsteigender Sonnen fort / sonst mochte uns die Konigin feste halten lassen.

Sechste Unterredung. C H A M B R E ZU

diesen.

Außgezogen / barfüssig / hat die Kleider auf dem Arme hangend / ein Liecht in der Hand und zu Bette gehend. CHAMBRE.

Singet:

Daß ich mich fein warm zudecke / Daß mich kein Gespenst erschrecke. Sieh da! Was seyn das vor ein paar Nacht=Raben? MURAY. Stille! MORTON. Stille Chambre! stille. (350) CHAMBRE. Ihr Herren / ihr kommt unrecht an / der Hoff=Madgen ihre Schlaff= Kammern seynd auff jener Seite nach Norden zu. MURAY. Davon verlangen wir nichts. Sage uns nur / was die Konigin macht.

450

Johannes

Riemer

CHAMBRE. Drinnen sitzt sie / und halt mit Graf Bothwelln gantz alleine Taffei. Soll ich euch etwa anmelden? MORTON. Ach nein nein / wann du ihm nur wollest sagen: der Englische Post-Capitain ware da / der verlangte ein einig Wort bey ihm zu fragen / ehe er abführe. MURAY. Aber du must es ihm gantz in geheim und in ein O h r sagen. CHAMBRE. Gantz geheim und in ein O h r / und ein einig Wort? ja ja. Schreyet was er kan: Hr. Graff Bothwell / der Englische Post=Capitain ist hier / welcher vor seiner Abfahrt 21960098634. Worte mit ihm reden wil.

Siebende Unterredung. Alsbald Graff CHAMBRE

B O T H W E L L ZU ihnen. gehet fort zu Bette.

Die innere Gardine bereitet sich zu des Koniges

Schlaff=Zimmer.

MURAY. Der Herr Graff verzeihe uns. BOTHWELL. Wie so spät ihr Herren: und woher? Ihr Diener! MORTON. Wir wollen nur bey dem Hrn. Graffen Abschied nehmen.

{351)

BOTHWELL. So geschwind?

MURAY. Unser Schiff liegt Seegel-fertig vor Ancker / alle das unsrige ist auffgetragen / und ietzo seynd wir auff dem Wege / gleich einzusteigen und abzustossen. BOTHWELL. Ich bedaure / ihr Herren / daß ich nicht fertig bin / alsobald mit zugehen / oder daß wir nicht zum wenigsten unter einer Froligkeit von einander scheiden sollen. MURAY. Wann ich in des Herrn Graffens Glucke stunde / Schottland und sonderlich diesen Hoff konte ich nicht so bald verlassen. BOTHWELL. Ha! ich mercke des Hrn. Grafens Schertz wohl. MURAY. Die Erde verschlinge mich: oder alle Sturmwinde zerschmettern mich / wann mir diese Wort nicht von Hertzen gehen! BOTHWELL. Was soll ich aber dadurch verstehen? MURAY. Sein grostes Glück / welches ihm auff dem Fusse nach gehet / wann er sich nur darnach umsehen wil. BOTHWELL.

Stehet sich allenthalben

um.

MURAY. So nahe ists ihm noch nicht / daß ers alsob?ld mit denen Augen sehen konte. Aber eine kleine Mühe würde ihn so hoch erheben / daß wir alle uns vor ihm beigen müsten. BOTHWELL. Herr Graff ich traue seiner Betheurung wider Schertz / und frage weiter: Worinnen bestehets denn / solcher Ehre würdig zuerlangen? ( 3 5 2 )

Von hohen Vermählungen,

3. Discurs

451

MURAY. Wann er der Liebe / in welcher Maria Stuart gegen ihn entbrant / nachhengen wird. BOTHWELL. Ich gestehe zwar / daß die Konigin mir solche Gnade erwiesen / die ich vielmehr eine Freundligkeit nennen mochte. Alleine was soll mir das helffen? MURAY. Das Scepter über Schottland zu erlangen. BOTHWELL. Wie kan das muglich seyn / da der Konig noch lebet. MURAY. Ein Gemüth welches nach Ehren strebet / brauchet die Faust zum Gehülffen / vor welcher nichts unsterblich ist. BOTHWELL. Ich höre wohl / wo der Hr. Graff hin zielet. MORTON. Ich wolte wohl siebenzig Bruder ermorden / wie Abimelech / oder wie Tarqvinius meinen Schwieger-Vater die Treppe herunter werffen / daß er den Halß brache / wie Servius / wann ich nur dadurch ein Konig werden konte. Der Hr. Graff ist ja sonst nicht verzagt. BOTHWELL. Wann es daran gelegen ware / so wolte ich mich bald selbst durch diese Hand voll Blut kronen. MORTON. Seine Tugenden verdienen das Königreich besser als Heinrich. MURAY. Zumahl seine Thaten / welche er vor Schottland wieder die Engellander gethan. BOTHWELL. Ich dancke vor ihr L o b : Ich müste aber alsdenn die Konigin auch ermorden. MORTON. A c h nein.

(353)

MURAY. Das ist nicht von nothen. BOTHWELL. SO würde sie ja den Tod ihres Mannes scharff genug rächen. MURAY. Ha ha ha! nichts wird sie mehr erfreuen / als die Zeitung von Heinrichs Tode. MORTON. Nachdem er zumahl ihren geheimbden Diener ermordet. BOTHWELL. Aber: ob nun der Konig gleich auß dem Wege geraumet / so würde Maria sich ihr Erb=Reich schwerlich nehmen lassen. MURAY. Dieses kan ihm die Heyrath zu wege bringen. BOTHWELL. Ich habe ja meine eigene Gemahlin. MORTON. D i e m u ß er verlassen. BOTHWELL. M i t was v o r G e w i s s e n ?

MURAY. Ein Hertz das Ehre liebet / achtet ein Konigrich hoher / als ein schwaches Weib. MORTON. Ich wolte einen gantzen Marckt voll Weiber nur vor die ORCADES geben. BOTHWELL. ES würde aber der Pabst in die Ehescheidung schwerlich willigen. MURAY. Die verspreche ich dem Hrn. Grafen / als des Pabsts Vetter. BOTHWELL. Dieses ware auch gut. Alleine wenn nun gleich alles nach Wunsch außgeführet / müste ich dennoch in Zweiffei stehen / ob die Stande mich auch vor ihr Haubt erkennen würden.

452

Johannes

Riemer

MURAY. Darzu versprechen wir unsern Beystand / so lange Blut und Leben in uns ist. {354) MORTON. Wer wird sich unterstehen / wider uns auffzulegen? BOTH WELL. J a wann wir b e y s a m m e n

halten.

MURAY. Nichts trennet uns als der T o d . BOTHWELL. SO schweren wir alle drey / bey ewigen Fluch und allem U n glück / bey Feindschaft der Elemente / und was die gantze Natur einem Eidbrüchigen zu verderben auffbringen kan / daß wir bestandig und treu bey einander halten / und keiner von unserm Verbündnis etwas offenbahren wil. MURAY. Verflucht sey / wer diesem nicht in geringsten nachkommt. MORTON. Den erschlage Blitz / welcher nicht erfüllet / was Graff Bothwell beschworen. MURAY. W o h l ! ich wünsche Glück zum Vorhaben. BOTHWELL. Das verleihe der Himmel. Aber ihr Herren / was deucht euch / durch was vor ein Mittel ich den Konig umbringe? MURAY. Lieber sehe ich / daß es ein geheimbdes ware / daß die Hoffstatt und gantz Edenburg in denen Gedancken bliebe / als ware er natürlich umkommen. MORTON. So ist Gifft das beqvemste. BOTHWELL. Den führe ich stets bey mir. Wer erhaben werden soll / dem muß das Glück dienen. Ich wil auch nicht lange säumen / sondern noch heinte versuchen / dem Konige solches beyzubringen. MURAY. J a ! H r . Graff / darinnen bestehet nu-(35.5}mehr das Haubt der gantzen Sache / welche heute leicht / und morgen schwer ist: sonderlich / wann die feindseligen Eheleute wieder Freunde würden. BOTHWELL. Diese Nacht muß er sterben / und solte ich ihm die Kehle abbeissen. MORTON. So halte er sich nicht langer auff. Glück zu dem Handel. Adieu! MURAY. E r lebe wohl! und sey in dem wichtigen Wercke getrost. BOTHWELL. Ich lebe iederzeit unerschrocken. Adieu! MURAY. Nun wollen wir uns alsobald zu Schiffe begeben / und nacher Engelland gehen / allda zu erwarten / wie unser Verbündnis außschlagen werde. MORTON. Ich bleibe ein Gefehrte in Gefahr und Ehre.

Gehen

ab.

Von hohen Vermählungen,

3. Discurs

453

Achte Unterredung. Die Konigin zu

BOTHWELL.

MARIA. Ey! wie so lange / Herr Graff! Wir haben Sein verlanglich erwartet / und gar die Gedancken gehabt als hatte er Abschied ohne Abschied genommen. B O T H W E L L . Gnadigste Konigin! ich bin erfreut / daß ich durch das Gegentheil diese Gedancken Er. Maj. abnehmen kan. Ich bitte um Verzeihung / wann ich sie zu lange verlassen habe. Wiewohl zwar Er. Maj. Ruhe=Stunde sich herbey nahet / der ich alle Süssigkeit anwünsche / vornem-{356)lieh aber / daß Sie ihrem Schlaff=Geferthen mit aller Vergnügung möge in Armen schlaffen. MARIA. Diese Nacht wird E? schwerlich geschehen. B O T H W E L L . Warum das? MARIA. Weil uns Heinrichs Gemeinschafft nicht allezeit belieblich ist. B O T H W E L L . So wollen Er. Majest. ihn heinte allein lassen. MARIA. Wie ich gesagt / und zwar zur Straffe / weil er mir ungehorsam gewesen. B O T H W E L L . Wann er sich aber furchtet. MARIA. Was schadet das uns? B O T H W E L L . Er. Maj. vergeben einem Schertze. Er ist allein. Und Konigen wird immer nachgestellet. Wann er in seiner Einsamkeit also umkäme / stürbe oder gar von einem Diebe ermordet würde / was vor Reue und Schmertz würden sie nachmahls darüber empfinden / daß sie ihn ietzo wie ein Kind / alleine in ein Gemach ohne Wache und Bedienung eingesperret haben. Was wolte Er. Majestät wohl zu seinem Tode sagen? MARIA. Muste Portia ihren dapffern Brutus vergessen / so würde sich auch wohl über meinen zaghafften Heinrich ein Maß zur Trauer finden. B O T H W E L L . A D SPECTATORES. Dieses bestarcket mich nachdrücklich in meinem Vorhaben. Er. Majest. geben die Grosse ihres Gemüths immer ie mehr und mehr zu erkennen / und ware zu (357) wünschen / daß E. Maj. Seele in Heinrichs Hertzen wohnete. MARIA. Was hilffts? Die Seelen / die der Himmel in uns Sterblichen gebildet / die können wir als Sterbliche nicht andern. B O T H W E L L . Er. Majest. vergeben dem Wort / welches mir auß Kühnheit entfahren. MARIA. Hat es uns doch nicht beleidiget. B O T H W E L L . SO kan ich hiemit meinen unterthanigen Abschied desto freudiger suchen. MARIA. Ey wil er nicht bey uns verharren?

454

Johannes

Riemer

Gerne und gehorsam / woferne ich nur wegen vorhabender Reise / meinem eigenen Willen Folge leisten konte. MARIA. Seine Angelegenheit verbietet / ihn ferner zu nothigen. Und wir werden überwunden / mit bestandiger Gnade seinem Abschiede zu willfahren. B O T H W E L L . Ich dancke Er. Majest. in Unterthänigkeit vor vielfache Gnade; und bitte / nechst dieser / mir dieß einige noch zuvergonnen / daß ich dero Gemahl noch heinte besuchen / und bey demselben gleichfals Abschied nehmen kan. MARIA. Dieses ware ihm ohne bitten erlaubet gewesen. B O T H W E L L . Soll ich ihm von Er. Maj. einen Nacht=Gruß vermelden? M A R I A . Den behalte der Herr Graff vor sich. Adieu! Gehet ab. B O T H W E L L . Er. Maj. untherthäniger Knecht wünschet süsse Ruhe und sanfften Schlaff! {358) B O T HW E L L .

Die innere Gardine eröffnet des Koniges Schlaff ^Zimmer; den Konig auff dem Bette. Nun wohlan / Graff Bothwell: ietzt siehestu vor dir die höchsten Gipffei der Ehren / und zugleich auch den tieffsten Abgrund deines Verderbens. Nimm dich in acht. Dein Glück und Unglück ist heut und morgen. Bistu klug? heut und morgen: Heute dienestu; morgen hast du zu befehlen. Heut und morgen: heute lebstu in Gefahr / morgen in sichern Ehren. Heut und morgen: heute bistu noch an deine Gemahlin gebunden / derer Liebe du biß zum Uberdruß genossen; Morgen schlaffstu mit verneuerter Liebe in denen Armen einer Königlichen schonen Princessin.

BOTHWELL.

So wechselt sich die Zeit / so andern sich die Stunden / So offt der Morgen nur die Nacht hat abgefunden. Und wann der Abend kommt: ja wann es noch so spät / Auch den Verzweiffeiten das Glück zu Diensten steht. So nimm nun hiermit die Artzney zur Hand / welche dein Ehrbegierig Gemüth curiren soll / ob sie gleich ein ander einnehmen muß. H E I N R I C H . Wer ist vor unserm Schlaff=Zimmer / der von Artzney redet. B O T H W E L L . E S ist Graff Bothwell / welcher seinen Konig besuchen wil. H E I N R I C H . Treuester Freund. Troster in unserer Einsamkeit. Ist die Konigin noch nicht versöhnet? (359) B O T H W E L L . Er. Majest. stellen sich zu frieden / es ist alles gut. Ich bringe versöhnliche Zeitung. Indem Er. Maj. ich gantz neue bestandige Liebe von dero Gemahlin versichern / und ietzo eine angenehme Nacht wünschen soll. Und ob sie zwar nichts verlangte / als nur diese Nacht dieselbe zum vergnüglichen Schlaff=Gesellen zu haben; dennoch aber müste sie

Von hohen Vermählungen,

3. Discurs

455

ihre schlafflose Begierden mit unwilliger Gedult so lange biß morgen zudecken; dieweil sie wohl wüste / daß Liebe / so auff Zorn entbrennet / eine Feindin menschlicher Gesundheit sey. Er. Majestät hatten heute sich über Gebühr entrüstet / wozu sie den Anlaß gerne gestünde / und mit Reue erkennete. Zu Zeugnis dessen überschickt sie hier ein Pulver / allen gefährlichen Würckungen des Zorns vorzubauen / welches Er. Maj. alsobald einnehmen / und darauff schwitzen sollen. Ihr erfreuet Uns Hr. Graff mit eurer Bothschafft: und macht uns hitzig / unserer Gemahlin Vorsorge zu geniessen: Reichet uns das Pulver einzunehmen. Bothwell nimmt den Becher / so auff dem Tische stehet / und giebt dem Konige das Pulver ein. B O T H W E L L . Sanffte ruhen Er. Majest. auff die genossene Artzeney. H E I N R I C H . Ey verziehet Hr. Graff / weil ohne dem niemand um uns ist: Zumahl da vor Freuden kein Schlaff in unsere Augen kommen wird. (360) B O T H W E L L . Gar gerne Gnädigster Konig. Ich bleibe in allen gehorsam. H E I N R I C H . Ob unsere Gemahlin sich auch zur Ruhe begeben hat? B O T H W E L L . Ohne Zweiffei / denn es gehet auff Mittemacht. H E I N R I C H . Herr Graff / es wird mir nicht gar wohl. B O T H W E L L . Wie auff Artzney zu geschehen pfleget. H E I N R I C H . Ich empfinde Schmertzen. B O T H W E L L . E S ist die Wirckung der Artzney. H E I N R I C H . A U au weh! es brennet mich. B O T H W E L L . Ey Gn. Konig / böses muß böses vertreiben. H E I N R I C H . Schreyet. Es ist wie ich das Fegefeuer im Leibe hätte. B O T H W E L L . E S seynd vielleicht hitzige Sachen zu dem Pulver. H E I N R I C H . Helfft mir / schneidet mir den Leib auff / oder ich muß umkommen. Weckt den gantzen Hoff auff. B O T H W E L L . Gnädiger Konig / alles liegt in festen Schlaffe. H E I N R I C H . Burgon / Burgon / gieb mir Trincken / oder ich sterbe. B O T H W E L L . Gedult Konig / ich wil um Hülffe ruffen / und Leute auffwecken. A D S P E C T A T O R E S . Was anzufangen? bleibe ich hier / oder gehe ich durch? Nein ich wil bleiben / und unter dem Mantel eines Getreuen / seinen Tod außwarten. (361) Ich muß iemanden auffwecken. Holla! ist niemand hier? da regt sich iemand. Gehet ab. HEINRICH.

456

Johannes

Riemer

Neundte Unterredung. Der Konig liegt indeß und winselt. BOTHWELL

bringet

CHAMBRE

auß dem Bette gantz voller

Schlaff.

Ermuntre dich Chambre. Chambre! bringe meinen Leib-Artzt zu mir! C H A M B R E . Was? B O T H W E L L . Den Leib=Artzt sol tu herfodern. C H A M B R E . Den wil ich bald herauß stürmen. Gehet. H E I N R I C H . Die Angst nimmt zu / und neue Schmertzen umringen das Hertz. B O T H W E L L . Er. Maj. gedulden sich. Die Hülffe wird bald kommen. A D S P E C T A T O R E S . Wann der Gifft nur erst das Hertz erreichet. H E I N R I C H . Ach. ach! Au weh! ist Burgon noch nicht da? B O T H W E L L . Gleich wird er kommen. A D S P E C T A T O R E S . Ich wil aber nicht hoffen / daß seine Artzney die meinige überwältigen soll.

BOTHWELL. HEINRICH.

Zehende Unterredung. CHAMBRE

kömmt wieder mit

BURGON.

Ich muß ihm entgegen gehen. A D S P E C T A T O R E S . damit die Charte durch Burgon nicht anders gemenget werde. {362) H E I N R I C H . Burgon / Burgon! C H A M B R E . Hier bringe ich den Artzt. Mehr kan ich nicht thun. Gute Nacht / ich gehe wieder zu Bette. Gehet ab. B O T H W E L L . Mein Herr D O C T O R , bey uns trifft er einen schlechten Zustand an / der König hat einen bösen Trunck bekommen. Und zu Unglück / hat ihm die Konigin ein Starck=Pulver geschickt / welches ohne Zweiffei das bose im Leibe erreget. Nun besorge ich / es konten die versöhnten Ehleute hierdurch wieder in neuen Mißverstand gerathen. Der Herr D O C T O R schreibe doch gegenwartigen Schmertzen ja einer andern Ursache zu. H E I N R I C H . Burgon Burgon / last mich sterben. BURGON. Ich wil sehn / was zu thun. Ich bin da / gnadigster Konig. H E I N R I C H . Ich habe Kohlen im Leibe! leschet. B U R G O N . ZU Bothwelln allein. Das erbarme die Gottheit / der Konig hat Gifft bekommen. Ich wil versuchen zu helffen. Er langet auß dem Beutel BOTHWELL.

Von hohen Vermählungen,

3. Discurs

457

ein Büchßlein Mitridat / mischt etwas in den Becher / und reichets dem Konige zu trincken. Da empfange Er. Majest. etwas zur Hülffe / welches die genossene Artzney dampffen soll. Denn sie ist etwas zu starck gewesen. H E I N R I C H . Rettet mich Burgon / so soll er der Nächste nach mir seyn. BURGON. Verhoffentlich soll Er. Majestat davon kommen. B O T H W E L L . A D S P E C A T O R E S . Da wird Bothwell nicht mit zu frieden seyn. {363) H E I N R I C H . Burgon! Euer Trunck kühlet mich. BURGON. Darzu ist er verordnet. Ich versichere nun / Er. Majestat / daß sie schon halb genesen. Und numehr wil ich Er. Majestat auch nicht verhalten / was ihre Kranckheit ist. Sie haben den starcksten Gifft bekommen. H E I N R I C H . Den hat mir Bothwell gebracht. B O T H W E L L . Auß Unwissenheit und auff Befehl der Konigin / welche mir solchen als ein Starck=Pulver wider den Zorn zu uberbringen befohlen. BURGON. Ich erstarre über der Zeitung. Ware ich funffzehen Minuten langer außblieben / so waren Er. Maj. schon entseelet. H E I N R I C H . Ach last uns der Himmel nur diese Nacht hinbringen: Wir wollen Sie nicht durch betrügliche Nachstellung / sondern alsobald auff den Morgen öffentlich zur Straffe ziehen. B O T H W E L L . Ο verdammliche Tyranney in einem Weibe! Verfluchtes Barder=Hertz! Wie leicht hatte ich doch durch deine Grausamkeit an dem Tode meines Koniges so unschuldig schuldig werden können. Wollen Er. Majestat / so will ich augenblicklich hingehen / und sie wegen dieser Missethat auff ihrem Bette erwürgen. H E I N R I C H . Nein / getreuer Bothwell / lieber wollen wir die Rache biß an Morgen auffschieben / damit sie in Reu und Busse sterben möge. BURGON. Er. Majest. hüten sich nur vor Zorn und vieler Bewegung / so hats nicht Noth. Sie schicken sich zu schlaffen. Ich indeß wil wieder (364) nach Hause kehren / und neue Mittel zubereiten / die Sie bey anbrechenden Morgen brauchen können. H E I N R I C H . Eilet immer / und beobachtet eure Pflicht. Die Mühe soll euch reichlich belohnet werden. B U R G O N . Adieu! Gn. Konig. Ich verrichte was mir befohlen. Gehet ab. H E I N R I C H . Herr Graff / einiger Freund in meinen grosten Nöthen. Verlaßt mich nicht. B O T H W E L L . Ich verbleibe Er. Maj. so lange zu Diensten / biß Sie meiner nicht mehr begehren. H E I N R I C H . Hr. Graff geniesset auch der Ruhe / so lange auff dem Stuel / biß wir morgen unsern Hoff-Dienern erwiesen / daß wir Konig seynd. B O T H W E L L . Auff Befehl Er. Maj. brauche ich die Gelegenheit.

Sie schlaffen Beyde ein: Bothwell erschrickt im Schlaff und spricht:

Johannes Riemer

458

Wilt du nun schlaffen Both well / und vor eine kurtze Ruhe ein Königreich entbehren? Wische den Schlaff auß denen Augen / und bedencke / daß du in Gefahr bist: dieweil die ietzt anbrechende Sonne dein angefangenes Vorhaben außführlich ans Tagelicht bringen wird. Jetzt ist es noch Zeit. Du must hinauß fuhren / was du angefangen hast. Aber doch also / daß man keine Merck=Mahle gewaltsames Todes an dem Entleibeten finde. Denn sonst war ich der erste / der zu rechtlicher Antwort gezogen wurde. Besinnet sich etwas. Ha! ich {365) wil ihn mit dem Bette anzünden / denn ehe das Feuer überhand nimmt / ist er erstickt; Und alsdenn will ich Hülffe ruffen und den Brand leschen. So wird iederman meynen / es sey durch des Koniges Unvorsichtigkeit das Bette / zu seinen Schaden mit dem Liecht angezündet worden. Besinnet sich abermahl ein wenig. Recht. Recht. Das geht. Fahre fort / neuer Konig der Schotten / und krone dich durch dieses Feuer. Er wird aber um Hülffe schreyen / und Lermen machen / so wird iederman zulauffen / und ihn retten. Abermahl in Gedancken. Ich will die Thüren verriegeln / daß er zu Pulver wird / ehe dieselben können eröffnet werden. Darum ungesäumt. Strecke die Hand auß / und lege Feuer an. Zündet das Bette an / und verbirget sich auff die Seiten auß des Königes Augen. H E I N R I C H . Ach Himmel / Feuer! Feuer! Helft. Wasser / Bothwell. Gemahlin! rettet den Konig. Ich verbrenne. Rettet / rettet. Feuer. Feuer. Hiemit entspringet er auß dem Bette. B O T H W E L L . Ο Jammer! was ist das? Gnadiger Konig? H E I N R I C H . Ach Bothwell / Bothwell! Seht ihr nicht? Feuer. Ich bin schier verbrandt. B O T H W E L L . Ey dieß steinerne Zimmer ist wider alle Gefahr verwahret. Wann nur Er. Maj. nicht beschädiget seyn. BOTHWELL.

Eilffte Unterredung. in Schlaf=Hosen / in ieder Hand einen Nachtscherbel zu leschen. {366)

CHAMBRE

Wasser genug! Wasser genug! wo ist Feuer? Bleib nur zurück; Es hat schon außgebrant. H E I N R I C H . Es scheinet / als habe sich alle mein Unglück auff eine Nacht zusammen versammlet / daß ich zweymahl mit groster Noth dem Tode entrunnen. Graff Bothwell / was dünckt euch von diesem Brande? Solte er durch Verhängnis des Himmels / oder vielleicht auch von meiner Pflichtvergessenen Gemahlin die ersten Funcken empfangen haben? B O T H W E L L . Ich kan nicht wissen Gnädigster Konig. A D SPECTATORES. Nun ist mein Untergang vor der Thür. CHAMBRE.

BOTHWELL.

Von hoben Vermählungen,

3. Discurs

459

CHAMBRE.

Ihr werdet wol eine Liechtschnuppe ins Bette geworffen haben: mit euren Possen / sie bekommen mir gar nicht. Ich bin nun zweymahl auß dem Schlaffe gestoret worden: meynet ihr / daß mir es auch gut ist? Ich sags euch / last die Unruh unterwegens. Gehet ab. H E I N R I C H . Ach liebster Herr Graf! meine Geist ist betrübet: Und mein gantzer Muth verlast mich. Die Kraffte seynd durch den entzogenen Schlaf verzehret! und alle Lebens-Geister durch ubermassiges Schrecken ermüdet. B O T H W E L L . A D SPECTATORES. Was zu thun? Ich wil Hand an ihn legen. H E I N R I C H . Was meynet ihr / Hr. Graff? B O T H W E L L . Ich gedachte: wann Er. Majest. sich nur so lange auf den Stuel heraussen vor dem {367) Schlaf=Zimmer zur Ruhe begeben / biß der Morgen vollends anbrache. Ich wil Sie so lange bewachen / und aller Furcht mit meiner Dapfrigkeit wehren. Die innere Gardine gehet zu: und bereitet sich zur Braut=Kammer. H E I N R I C H . Es sey so: Dieweil ich kein Auge offen behalten kan. Schrecken und Müdigkeit haben meine Füsse geschwächt / ( s c h l d f f t über den Worten ein) Hr. Graff / wir vertrauen Uns eurem Schutz. B O T H W E L L . Sicher und ohne Sorgen — Stehet sich offte um / ob er auch schldfft / rufft auch den König / sich zu versichern / daß er recht feste schldfft. Nun heist es mit Graff Bothwelln: kürzt gewagt / oder ewig verzagt. Zwischen meinem Leben und der Verdammnüß ist noch eine Stunde. Wer weiß / ob diese nicht die glückseligste ist. Aber wie soll ich mich vor Argwohn in acht nehmen. Dringe ich ihm den Degen ins Hertz / so wollen die durchgrabenen Mahl=Zeichen eine Ursache haben. Schlage ich ihn mit der Faust zu Boden / so wird das geronnene Geblüte nach einem Thater schreyen; Und was zu thun? der letzte Augenblick ist verhanden. Sinnet kürtzlich noch. Ich wil ihn mit dem Schnubtuche erwürgen. Eilet was er kan / drehet das Schnubtuch zusammen / und erwürget ihn.

Zwolffte Unterredung.

(368)

Unten im Schau=Platze gehet die Konigin auß in einem MARIA.

Schlaff'Kleide.

Ist er zugegen / Edler Graf / so hat Unsre Furcht ein Ende. Ein graßlich Feuer- Geschrey hat uns auffgewecket / daß wir unbekleidet / und ohne alle Bediente / in grossen Schrecken hieher lauffen. Denn wir Hessen uns bedüncken / als ware das Zeter-Geschrey in unserm eigenen Schlosse entstanden. B O T H W E L L . Sie irret gar nicht Gn. Konigin in ihrer geschöpften Meynung. Sintemahl es an dem / daß ein unverhoft Feuer in des Koniges Schlaf-

460

Jobannes

Riemer

Zimmer enstanden: Es ware auch derselbe mit sammt dem Bette verbrandt / wann ich ihm nicht plötzlich zu Hülffe kommen ware. Wiewohl er aber dennoch seinen Geist darüber aufgeben müssen. MARIA. Ist er von Feuer umkommen? B O T H W E L L . Nicht so wohl vom Feuer / als vom Schrecken. M A R I A . W O ist denn der Leichnam?

Dreyzehende Unterredung. CHAMBRE

gehet ein / welcher gleich auß dem Bette kömmt / und noch das Wams zukndufelt.

Guten Morgen! Hier ist er zu sehen / mit sammt dem geleschten Brandte. (369) MARIA. Nun seynd wir zum andern mahl eine bekümmerte Witbe. B O T H W E L L . Gn. Konigin! Dieser Schmertz ist noch wohl zu überwinden; aber das ist unvergeßlich Elend / wann sie nun auch mit ihrem Manne die Regierung wird entbehren müssen. MARIA. Solte man uns denn als Witbe krancken / und ohne Recht nach der Crone streben? B O T H W E L L . Des bin ich versichert / und die Anschlage Er. Maj. eigenen Unterthanen seynd uns bekant. MARIA. Ach barmhertziger Himmel! erbarme dich mein! soll ich anstatt der verlangten Ruhe Unruhe gebauet haben. Ist denn dem wütenden Unheil nicht abzuhelffen? B O T H W E L L . Eine gefürchtete Dapfrigkeit muß in solchen Fallen allen Aufruhr entgegen gesetzet werden. MARIA. Hr. Graf / es begiebt sich eine Königliche Witbe in seinen Schutz / und gründet ihre Hofnung in seiner Hülfe. B O T H W E L L . Aber saure Müh erheischet fette Belohnung. MARIA. Erhalt er mich sammt meiner Regierung in Frieden — — — B O T H W E L L . So habe ich so viel als ein Konig gethan. MARIA. Drum soll auch alles / was wir haben / zu seiner Vergeltung stehen. B O T H W E L L . Sie auch selbst? denn nichts kan (370) mir sonst Blut und Leben bezahlen / welches ich auf das gefahrlichste Spiel setzen muß. MARIA. Mit der Zeit und Gelegenheit. B O T H W E L L . Das muß ietzo noch vor der Sonnen Aufgang geschehen. Denn dadurch wird Sie meinen dapfern Geist zu neuer Tugend anfeuren / daß er zu Erhaltung der erworbenen Ehre / keine Gefahr scheuen wird. Da hingegen ein Gemüth / welches in der Belohnung zweiffelhaftig bleibt / mitten in der Hitze nachlassig werden kan. CHAMBRE.

BOTHWELL.

Von hohen Vermählungen,

3. Discurs

461

MARIA. ES ist aber mein Ehe=Mann noch nicht recht erkaltet. BOTHWELL. Das muß man in Regierungs=Gefahr nicht achten; sondern vielmehr sein eigen bestes allen vergeblichen Gewohnheiten vorziehen. MARIA.

Nun! soll es so seyn? E y so schlag ich ein Sonder Schertz Hand und Hertz / Seinen Willen Zu erfüllen. O b gleich die Hochzeit blutig. BOTHWELL.

Ist doch der Brautgam muthig. MARIA.

Was nützt ihm auch die Rothe / BOTHWELL.

Kommt / weiset mir die Städte / W o nur mit halben Segen Eur Heinrich hat gelegen In seinem Ehe-Bette. MARIA.

Wann ich das Hertz nur hatte. Was hilft ihm dieß Bemühen? BOTHWELL.

Wir wollen selbst vollziehen / Was sonst der Priester bind.

{371)

MARIA.

Ich folge euch! mein Kind. Du aber Chambre bleib so lange hier / und hüte den Leichnam deines Koniges / biß er zum Begräbnis eingesalbet wird.

Geben ab.

CHAMBRE. Geht immer hin. Ihr habt lange genug getrauret. Da siehet man den Unterschied zwischen todten und lebendigen Manns=Fleische. Was werden wir Diener doch vor Livree tragen / daß dadurch das Begräbnis und Beylager recht angedeutet werde.

30

Riemer II

462

Johannes

Riemer

Vierzehende Unterredung. Zu diesen

BURGON.

BURGON. Wie gehts nun? Wie hat der Konig geschlaffen? C H A M B R E . Treflich wohl. Hie sitzt er noch schlaffend / und wartet nur auf die letzte Oehlung. BURGON. Ey so rede nicht so laut. C H A M B R E . Schreyet auß Leib es=Kr äfften dem Könige ins Ohr. Herr Konig / euer alter Burgon ist da. B U R G O N . Erschricket und nahet sich auch hinzu. Das sey der Gottheit geklagt. Der Konig ist todt. C H A M B R E . Durch Spott. He! das sey dem Himmel geklagt. Das haben wir lange gewust. BURGON. Auf auf! Ihr Unterthanen: Verratherey! der Konig ist erwürget. (372)

Funffzehende Unterredung. Zu diesen

HÜNTHLE

und

ARGATHEL

mit Wache und

Hauhtmann.

ist Aufruhr? haha; Argathel! wir kommen recht mitten ins Spiel. BURGON. Daß euch euer eigen Geblüte ersticke! Ihr seyd gewiß die jenigen / welche das elenden Koniges Tod angestifftet. Ihr seyd ja fremde? A R G A T H E L . Ist der Konig getodtet? BURGON. Wie ihr hier zu sehen habt. H Ü N T H L E . Ist dieß der Konig? es ist unmüglich. BURGON. Ich als sein Leib=Medicus muß ihn am besten kennen. A R G A T H E L . Wie ist er dann umkommen? HÜNTHLE. W O

BURGON. M i t dem Strange.

Und wann denn? BURGON. In dieser Stunde. A R G A T H E L . W O ist denn der Thater? BURGON. Den sieht das allsichtige Himmels=Auge. H Ü N T H L E . Aber weiß das die Konigin noch nicht. C H A M B R E . Gleich ietzo ist sie hier gewesen. Aber warum solte sie sich darum gramen? Hat sie doch schon einen andern. A R G A T H E L . Mann? C H A M B R E . Was denn? H Ü N T H L E . Wer ist derselbe? (373) HÜNTHLE.

Von hoben

Vermählungen,

463

3. Discurs

CHAMBRE. Graff Bothwell. HÜNTHLE. Der Jungfrau=Schander / und unzüchtige Untreue. CHAMBRE. Das weiß ich nicht was er ist. HÜNTHLE. Du elender Konig / dein unnatürlicher Tod erkennet wohl keine andere Ursache / als das Ehebrüchige Verbündnis Bothwells und deiner eigenen Gemahlin. W o ist das leichtfertige Pack anzutreffen. CHAMBRE. Sie seynd in die Kirche oder zu Bette gegangen. Denn Graf Bothwell sagte / sie wolten sich selbst copuliren. HÜNTHLE. SO ists leider allzuwar / was ich ietzo geredet. Wisset demnach alter ehrlicher Freund / daß wir beyde keine Verrather oder Aufrührer / sondern zwey gerechte Leute / auß dem Ober=Hause von Engelland seyn / von Elisabeth unserer Großmachtigsten Konigin hieher abgeordnet / eure vor aller Welt stinckende Konigin / um einer in Engelland angestifteten Verratherey zur Rache abzuholen. Da sie nun das alte Verbrechen mit Blutschuld und Ehebruch / diese Nacht gehauffet; seynd wir um so viel begieriger / sie zu greiffen und dem Parlament zur Verhör vorzustellen. Derohalben zeiget uns ihr Schlaff=Gemach / oder wo sie sonst anzutreffen. CHAMBRE. Gehet nur gleich fort / in der ersten Thür zur lincken Hand werdet ihr sie finden. ARGATHEL. Wann wir doch diese unrechtmassigen Ehe=Leute auf ihrem unzüchtigen Altar antreffen solten.

Gehen ab.

(374)

BURGON. Komm Chambre / lege Hand an / daß wir den Leichnam des Koniges an einen geheimden Ort bringen. Ich wil ihn balsamiren. CHAMBRE. SO greifft nur an! sachte: sachte:

Gehen ab. Die innere Gardine eröffnet Bothwells Braut=Kammer; Bothwell und die Konigin in tieffen Schlaff auff dem Bette. Und sein bloß Gewehr auff dem Tische. Sechzehende Unterredung. HÜNTHLE, ARGATHEL

und Wacht / alle

verwundernde.

HÜNTHLE.

Wer keine Holle glaubt / der muß in solchen Sünden Sich schlaffend lassen finden. ARGATHEL.

Wie muß dem Weibe doch in Lieben seyn zu muthe / Die ietzt den Mann im Blute Erwürget hat gefunden. 30*

464

Johannes

Riemer

HÜNTHLE.

Das macht die Wollust hat die Ehre überwunden. ARGATHEL.

Verkehrte Sterbliche / die Lust und Ehre blendet / Daß ihr die Seelen selbst dem Acheron verpfändet. HÜNTHLE.

Wer nie auf sanften Betten In schweren Laster-Ketten Hat sanfte schlaffen sehn / Der lasse Aug und Hertz in dieß Spectacul gehn.

{375)

ARGATHEL.

Da Blut und Mord und Trug und Ehebrüchig Band Mit Seele / Fleisch und Hand Verbotne Liebe pflegen. HÜNTHLE.

Wohl an! Greift an. ARGATHEL.

Getrost! Euch schützt das Recht auf anbefohlnen Wegen.

Bothwell wird im Schlaffe geschlossen. BOTHWELL. W e r ist hier?

HÜNTHLE. Deine Richter. BOTHWELL. Wer öffnet euch die Thüren? ARGATHEL. W i r selbst.

BOTHWELL. Wer hat euch das befohlen? HÜNTHLE. Die heilige Gerechtigkeit; ARGATHEL. Und unsere gerechte Elisabeth. MARIA. Ich bin die Konigin. ARGATHEL. Eben diese suchen wir. BOTHWELL. Ehret den neuen Konig über Schottland. HÜNTHLE. Wir mögen keinen Morder und Ehebrecher zum Nachbar haben. Führet ihn nur hin ins Gefängnis / und überantwortet uns die Schlüssel. Dem Schloß-Haubtmann aber befehlet in unserm Nahmen / daß er die Besatzung verstercke / und ihn fleissig verwahre. Ihr aber folget uns alsdenn ferner nach in Hafen.

Gehen ab mit den Gefangenen. BOTHWELL. Ihr Hunde solt alle sterben / und saget eurem regierenden Huren-Kinde / daß ich sie zerbrechen / und den O r t wo sie gestanden / außtil-(376)gen will. Wer sie nennet / soll sterben / und woran ihres Nahmens Gedächtnis stehet / das will ich mit Feuer verbrennen.

Won hohen Vermahlungen,

465

3. Discurs

Die innere Gardine bereitet Bothwells

Gefängnuß.

mein Beschützer ist / wil ich auch seyn. Ich scheue in seiner Gesellschafft kein Gefängnis. H Ü N T H L E . Nein Konigin / sie hat einen weitern Weg vor sich / und noch manchmahl an ihre Unthaten zu dencken / bevor sie nacher Londen kommet. MARIA. Was haben wir denn da zu thun / oder was haben wir verbrochen / daß man uns so gewaltthatig begegnet. A R G A T H E L . Diese Frage wird ihr das Gewissen beantworten: Uns aber nach ihrer rechtlichen Aussage an einem wider sie gefaßten Urtheil gantz gerechte erkennen. M A R I A . Weinende. Wir können diese Antwort ohne Thranen nicht vorbey gehen lassen / indem wir uns durch eure Gewalt dem Englischen Reich überlassen sollen. Unser Groß=Vater Jacob Malcolm der Schotten Fürst / und Willhelm dessen Bruder von Heinrich und viel andere / können Propheten seyn unsers vielleicht vorstehenden Unglücks. Denn eben diese seynd Zeugen / wie gewaltig der Engellender Wüten mit Königlichen Blute verfahre. Und diese Noth setzet uns in solche Furcht / indem wir allbereit sehen / wie alle Anschlage zu unserm Untergange {377) gerichtet / daß wir am Staat / Gesundheit / Gut und Blut erbärmlichen Schiffbruch werden leiden müssen. A R G A T H E L . Durchlauchtigste Princessin. Sie hat nicht Ursache sich vor der Zeit zu bekümmern / vielweniger zu fürchten / dieweil ihre erwündschte Rechtfertigung sie von allen Sorgen befreyen kan. MARIA. Der Himmel hat uns zu keiner Leibeigenen außersehn /daß wir uns von einer umschrenckten Macht sollen urtheilen lassen. H Ü N T H L E . Das hat sie alsdenn mit einer hohem Gewalt und nicht mit uns zu berechten. A R G A T H E L . Sie sey nur eilfertiger / Gn. Konigin / zum Schiff / es soll ihre Freyheit und Majestät in keinem Theil von uns geschwächet werden. Es ist alles bereitet / was zu Bedienung einer Konigin von nothen. MARIA. Niemand eilet mit schnellen Füssen zu seinem gefürchteten Verderben. Gehen ab. Die Wacht gehet mit einem Bund Schlüssel über den Schaw Platz der Königin nach. Die innere Gardine stellet Graff Bothwelln in Gefängnis vor. MARIA. W O

Ach! allerelendeste Nacht unter allen denen / so ich von dem Tage meiner Geburth an erlebet habe. Wie harte schlifft sichs / wann die Verdammnis des Gewissens alle Geister verwirret. Ο hatte ich doch meine getreue Ge-{378) mahlin nicht Verstössen / und mit Maria Stuart die

BOTHWEL.

466

Johannes

Riemer

Ehe gebrochen! Ο Schade / immer Schade um deine zarte Jugend / Ο schönstes Fräulein / welches ich nur noch die vorige Nacht mit rasenden Begierden zu dem Verlust ihrer Ehre unter vielen Schmertzen und Schreyen gezwungen. Ach! erschreckende. Ach! ich habe auch Mord begangen / und den Konig erwürget. Seht ihr nicht / seht ihr nicht die blutigen Klauen? Ja ja / gar recht Bothwell. Durch solche Thaten muß man sich über die Schotten erheben / und vor der gantzen Welt fürchtend machen. Ha ha. Ich bin erschrecklich wie ein Lowe / darum hat man Uns dieses Geschmeide der Dapffrigkeit angeleget. Wohlan / gebt mir Eisen zu fressen / denn ich getraue mir Lilien zu verdauen. Königs Blut ist mein Tranck / und in meinem Wapen führe ich nichts als Zeichen der geschändeten Jungfrauen. Ich bin starcker als die Welt / dieweil ich Ehe=Bander welche der Himmel selbst geknüpfft / zerreissen kan. Komm her / du ohnmachtiger Simson / ich wil dich lehren / wie du zehn mahl hundert tausend Philister auff einmahl umblasen kanst. Charon / Charon / Charon: Komm / fahre mich über / ich muß mit dem Cerberus fechten / und mit güldenen Flügeln über deinen Phlegeton wieder zurükke kommen. Ich wil ihn den Kopff abhauen / und mir zu einer Sturmhaube zubereiten. Ha ha ha ha! Grausam. He! Was wiltu feiger Hund / komm her / komm her / ich wil dich noch einmahl erwürgen. Wo bin ich? wo bin ich? Sagt (379) mir wo bin ich / oder ihr alle solt mit Feuer in die Luft fliegen. Sa sa! ich stehe auff dem Himmel / denn die Sterne brennen mich an die Füsse. Helft / helfft / ich ersauffe. Pfui pfui / ietzund schmecke ich das Saltz der See. Ho ho! ho ho! herein herein / seynd euer nicht mehr? packt euch / fort! Ihr Huren / ich habe ietzo nicht Zeit / euch eure Jungfrauschafft wieder zu geben. Heulet. Wartet biß ich wieder komme / denn ich habe eine Reise vor mir. Gleich ietzo wil ich auff seyn / und durch die Lufft fliegen / daß ich mit der Sonne den gantzen Erdboden umreisen kan. Maria halte mich nicht mit eisernen Händen / laß mich loß auß deinen Armen / sie seynd mir zu hart. Rücke zu. Ich bin nicht Bothwell / sondern der Bezwinger der gantzen Erden. Laß mich. Laß mich! Ich wil zur Elisabeth. Ich wil sie schänden / und vor aller Welt zur Hure machen. Nun laß! lose auff! Beißt in die Ketten. Wilstu nicht? Ey so wil ich zur Hollen fahren / und allda den Lohn meiner Verzweifelung abholen. Wirfft sich mit dem Leibe zur Erden. Es ist noch nicht genung. Noch eins. Schaut / wie sie sich verkriechen? Ihr verzagten Geister / stellt euch vor mich. Ich bin numehr euer Konig / weil Pluto vor mir geflohen. Wer will sich nun unterstehen / mir den Rest meines Verdienstes mitzutheilen. Nicht zu scharff: halt ein: ich ersticke. Pluto / du überwündest: dein bin ich. Stehet das Gefängnis Bothwells. Das wird gewiß auff ein neu Beylager (380) loß gehen / denn ich sehe wohl / hier haben sie einen

CHAMBRE.

Von hoben Vermahlungen,

J. Discurs

46 7

Druthan eingesperret. Beym Element es ist Both well. Herr Graff / seyd ihr todt? antwortet doch. Sagt mirs doch nur / ob ihr todt seyd. Ich muß es ja der Konigin sagen / daß ihr begraben werdet. Was wolt ihr in dem warmen Wetter da liegen / und stinckend werden? Antwortet ihr noch nicht? So mögt ihr liegen / biß euch die Maden gefressen / und die Krähen nach CAPO DE BONNA SPERANZA tragen. W a s m a c h e ich n u n ? D e r ist

todt / der Konig ist gestorben / Fiedel=Hanß lebt nicht mehr / die Konigin liegt gefangen / und soll nacher Engelland gefuhret werden. Graff Muray und Morton seynd anzutreffen wie zwene Kauff= Leute / die nicht auf die Bersse dürffen: ID EST: Sie seynd wie Schelme davon gelauffen. Ich wil deßwegen mir aber nicht den Tod wündschen. Ich wil hier bleiben / und mich ehrlich halten. Ich werde Ja sehn / wer mir was thun soll. Ich bleibe in meinem Zustande / denn ich mag numehr nicht Konig werden; Ich wil niemanden verleumden / noch belügen. Finde ich bey meiner Frau einen andern Auffwarter / so wil ich nicht viel davon sagen / sondern mich in geheim an dem Thater auf frischer That selbst rächen / und ihm ohne alles Erbarmen die Pantoffeln vor dem Bette wegnehmen / und zum Fenster hinauß werffen / oder wann ers zu grob macht / nicht eher auß der Kammer lassen / biß er mir ein Sechzehn=Groschen=Stücke vor meine Gedult gegeben. Giebt mir einer eine Maulschelle! wol! Ich lasse {381) es gehen / wie es gehet. Ich wil den Narren nicht einmahl so gut achten / daß ich ihm wieder eine gebe. Und giebt er mir gleich noch eine: Zum Trutze wil ich ihm die dritte abfodern. So wird er wohl gehen und aufhören müssen. Wil ein anderer bey mir oben an gehen? Das kan ich wohl leiden. Denn ich habe ohne dem in meinem Nativitat / daß mir allezeit ein Narre muß zur rechten Hand gehen. In Summa / ich wil es schon machen. Alles wil ich leiden / keinen Menschen nichts.thun. Und den vor einen rechten Beerenheiter / wiewohl nur in meinem Hertzen / halten / der mich antastet. D e n n wer sich der G e d u l t und R e d l i g k e i t b e f l i s s e n / D e r hat sein T a g e sich n i c h t ö f f e n t l i c h b e s c h .

Johannes

Riemer

Zwo Arien. Welche unter denen Handlungen Musiciret werden können. Die Erste. 1. MEnschen=Hertzen so auff Erden N u r nach eitler Ehre sehn / Und erhoben wollen werden / Pflegen nach dem Fall zu gehn. Denn wer gar zu hoch wil steigen / Wird am Ende gar leibeigen. 2. S E l b s t der Cronen Gold und Zierde Und des Scepters Eigenthum / Können noch nicht die Begierde Und den abgezielten Ruhm / Stoltzer Menschen also fügen / Daß sie Hessen sich vergnügen. 3. U ß e r m u t h ist wie die Wellen / Die sich nur auff Sturm und Wind / Stoltz und auffgeblasen stellen / Aber wenn sich Ruhe find / Wieder in die Tieffe legen / D a sie ferner nichts vermögen. 4. A U c h die Erde wird erfüllet / Und das tieffe Meer wird satt / Wann es / was auß Klüfften qvillet / N u r in sich gesogen (hat) D a hingegen Geitz der Ehren Von sattwerden nicht kan hören. 5. Doch wer Feuer kommt zu n?he / Kan sich leichte gar verbrennen / Wie Prometheus selber sähe Sich dadurch in Unglück rennen.

Von hohen Vermählungen

469

Wer wil hoch am Brete sitzen / Muß offt kalte Tropffen schwitzen. 6.

ICarus mag unten liegen / Wann er an das Sonnen=Dach / Hochvermessen wil aufffliegen / Ehrgeitz bringet lauter Ach. Diß Gesetz bleibt war in allen: W e r hoch steiget / muß hoch fallen. Die Andere. 1. Eintracht ist der Liebe Band / Und der Freundschafft Unter=Pfand Wer die Zinsen wil genüssen / Muß die Treue lassen flössen / Mildiglich auß Hertz und Hand. Eintracht ist der Liebe Band. 2. Eintracht ist der Liebe Band / Selbst vom Himmel zugewand. Drum geschieht auch solcher Ehe Lauter Kummer / lauter Wehe / Wo die Zanck-Sucht angebrand. Eintracht ist der Liebe Band. 3. Eintracht ist der Liebe Band / Den Verliebten wohlbekand / Wer nicht werden wil zum Sclaven / Setze sie in seinen Hafen / Und an seiner Seele Strand. Eintracht ist der Liebe Band. 4. Eintracht ist der Liebe Band / Zwietracht lauter Staub und Sand Darauff wir nichts können trauen / Noch die Segens=Hütte bauen / Ohne Grau= und Ubel=Stand. Eintracht ist der Liebe Band.

5

io

(383) 15

20

25

30

35

470

5

Johannes

Riemer

5. E i n t r a c h t ist der Liebe Band / Die nicht sonder Spott und Schand / In dem Ehstand wird verachtet / Daß das Hertz vor Groll verschmachtet / Wie ein trocken dürres Land. Eintracht ist der Liebe Band. 6.

io

E i n t r a c h t ist der Liebe Band / Und wenn diese wird genand / Ist der hauffig=volle Segen / Allenthalben reich zugegen. Unfried / weg! du Hollen=Dant / Eintracht ist der Liebe Band.

(384)

Von Staats=Eiffer

Das 4. Capitul.

Von Staats=Eiffer. Vorbereitung. R.Eligions= und Staats-Eiffer seyn / so zu sagen / die Politischen Zwillinge / deren einer immer dem andern in die Fersen greifft / wie Jacob dem Esau. Denn was ist gemeiner zu sagen / als umb die Religion streiten / und die Region meinen? Ich mag nicht auff alte Exempel dringen; sondern wil nur bey denen Bekandtesten es bewenden lassen. Hatte wohl iemand dencken sollen / daß die Spanische so genandte INQVISITION nicht so wohl um der Religion willen / wie man auff des PHILIPPI II. Seiten vorgab / dem grausamen Castilianer dem Hertzog von ALBA anbefohlen; als daß man nur suchte die Politische Freyheit / auff Spanischer Seite / dadurch zu erweitern / wieder den Vertrag: es s o l t e a l l e s b e y h e r g e b r a c h t e r a l t e r G e w o h n h e i t / auff allen Fall des verneueten G o u v e r n e m e n t s / b l e i b e n . {385) Denn da machte PHILIPPUS II. erstlich etzliche Bischoffe / welche zuvor nie gewesen waren: dadurch denn der Niederlandischen versprochenen Freyheit schon zu nahe getreten wurde. Anderes Theils hatte man gesorget / wie Ursachen in Weg konten geworffen werden / daß die INQVISITION einen Schein von der Religion erlangen mochte / indem etzliche verwegene Buben angestifftet wurden / welche in manchen Kirchen / so wohl auff dem Lande / als in der Stadt / Antwerpen / die Bilder abgebrochen / auff die Gassen geworffen / und allerhand Muthwillen verübet / welches alles nachmals denen Reformirten beygemessen / da doch / wie man in Historien findet / die Catholischen den rasenden Pobel selbst angehetzet. Ich lasse an seinen Ort gestellet seyn / ob der Konig nicht selbst denen N i e d e r l a n d e n zum Schrecken / und sich in seiner Regierung FORMIDABEL zu machen / der INQVISITION einen Nachdruck gegeben: weil man Ihm beygebracht / als hatte sein eigener Sohn CAROLUS, denen Nieder* Landen in geheim beygestanden. Ich lasse das Blut=Bad zu Paris / die VESPERAM in Sicilien / des ALFONSI Verfolgung der Mauren / die dreyssigjahrige Teutsche Unruhe / und andere dergleichen wichtige Kriege mehr an ih-

474

Johannes

Riemer

ren O r t gestellet seyn. Muß aber dennoch (386) dem Leser dabey zu erkennen geben / ob nicht allezeit METUS REGNI, oder doch CUPIDO PROFER E N D O R U M F i N i u M dabey gewesen. So gar kan der Religions=Eiffer / von dem Eiffer der Regierung und des Staats nicht entfernet seyn. Darum habe ich zum vierdten Capitul die warhafftige Historie zwischen Elisabeth / der Konigin von Engelland / und Maria Stuart / der Schotten Konigin vorgestellet. Der gelehrte Leser urtheile selbst auß denen Reden / ob nicht so wohl bey Marien / als bey der Elisabeth beyderley Eiffer entbrandt: daß man nicht wisse / ob Maria auß Regier=Sucht dergleichen Todt verdienet; oder aber / ob Elisabeth auß unzeitigen Eiffer zu Verwahrung ihres Engel= Reiches / also wieder die Maria Stuart verfahren. Nechst diesen ist auch der gütige Leser zu berichten / daß die Reden in diesen vierdten Discurse nicht alle mein seyn: sondern daß ich unterschiedliche auß des Gelehrten Hollanders JOST VAN VONDELS, Discursen / welche Herr Kormart ubersetzet / genommen: weil ich dieselben sonderlich nach dem vortrefflichen HISTORICO, CAMBDENO, gleichlautend befunden. Am meisten aber habe ich mich dazu veranlassen wollen: weil dieser Discurs sonderlich die Maximen / welche zwischen Spanien / Engel= (387) Land und Franckreich fast immerdar vorlauffen / in unverhaltener Warheit vorstellet; und denn letzlich auch die CONTINUATION vorhergehender Historie / mit Darly / Maria / und Graff Bothwell / endet und außfuhret.

Inhalt des Theatralischen Discurses. D i e hefftige Unruhe in Schottland zwinget MARIA STUART, daß Sie in Engelland entweichen und bey ELISABETH Hülffe suchen muß. Dieweil Sie aber angeklaget wird / als habe sie um ihres Gemahles / DARLY, Tod gewust / auch durch Verratherey gesuchet auff Engellands Thron zu steigen / wird Sie daselbst ergriffen / dem Parlament zur Rechtfertigung vorgestellet / und endlich im Gemach mit dem Richt=Beil enthaubtet.

Personen. MARIA STUART K o n i g i n v o n Schottland.

ORLETTA ihre Staats Jungf. Fraul. von Gvise. KENEDE ihr H o f f m e i s t e r . BURGON der L e i b = M E D i c u s .

5

F L O R I O ein einfaltiger ADVOCAT.

GASIUS ihr Catholischer Beicht=Vater. ELISABETH Konigin in Engelland. BROMBLE der hohe Cantzler. AVANDELLUS R e i c h s = G r a f f e . BURGTHEY Parlaments=Herr. PAULET Reichs=Feld=Herr. EGERTON Reichs=Fiscal.

10

BELLEURE Abgesandter von Franckreich. SCINDIMUS u n d T E N E T 2 . H e n c k e r .

2. Trabanten. Das gantze Volck von Engelland.

15

(388)

Ersten Discurses Erste Unterredung. M A R I A in einem Trauer=Gemach / welches mit schwartzen Tuch behänget / Sie selbst auch in Trauer=Habit. Frdul. V A L E R I A O R L E T T A . Biebel und Bet=Bücher auffn Tische. Zwey Trabanten.

Vor dem Gefdngniß singen der Maria Bediente folgende Aria. 1. Ο harter Schluß Der von dem Himmel kommen / Und die uns hingenommen / So uns betrüben muß / Die Crone muß sich schmiegen / Und vor der andern biegen / Mit schmertzlichen Verdruß / Ο harter Schluß. 2.

Ο grosse Noth / Das höchste Haubt der Schotten / Muß sich so lassen spotten / Und dreuen selbst den Tod / Die Blutbegiergen Britten / Seynd gar nicht zu erbitten / Durch himmlisches Geboth / Ο grosse Noth. 3. Ο Frecher Muth / Den Engelland außübet / Und uns damit betrübet / Man dürstet unser Blut / Der Neid ist hoch gestiegen /

(389)

Von Staats-Eiffer,

1. Discurs

477

Wir sollen unten liegen / Es leidet Staat und Gut / Ο frecher Muth. 4. Ο Himmels Recht / D u wirst nicht langer schlaffen / U n d diesen Hochmuth straffen / D e r Stuarts Held=Geschlecht / Halt in gefangenen Stande / Erlost uns von dem Bande / Das unser Hertze schwächt / Ο Himmels Recht. MARIA. ALSO pflegt der Staats=Eiffer seinen untergebenen Vasallen mit zuspielen / daß wann man vermeinet / es sey numehr das Feuer der R e gier=Sucht gedampffet / so bricht ein Feuer des Unglücks nach dem andern wieder hervor. Ertz=Bischoff Hamilton! wie offt müssen wir unsern Jammer beweinen / daß wir deinen guten Uns vaterlich ertheilten Rath nicht gefolget haben. In was vor ein ruhig Leben ware unsere vertriebene Majestät gesetzet / wann wir* ehe wir die Flucht genommen'/ zuvor* mit dem abstossenden Schiffe an denen Franzoischen und Niederlandischen Küsten unsere Wohlfahrt zu suchen uns vorgenommen hatten. Ο wie vergnügt k o n - ( 3 9 0 ) ten wir ietzo leben / wann wir daselbst bey dem berühmten VALOis-Geschlechte in stiller Witben Einsamkeit lebten / und unsers Geliebten Gemahles Francisci Grabmahl mit unverstorten Thranen netzen solten. ORLETTA. Warum dencket Sie Durchlauchtigste Frau! an dasjenige / welches nicht zu erlangen? Dieses gegenwartige Unglück ist schwer genug zu ertragen. MARIA. Ach wie können wir diesen Tag ohne Thranen lassen vorbey gehen / da wir zu Dundrim an Wasser stunden / und Hamilton mit steten Flehen zu unsern Füssen niederfiel / und die Gefahr vor Augen stellete / wann wir uns diesem Englischen Reich überlassen würden? Unser Groß=Vater Jacob Malkolm / der Schotten Fürst / und Wilhelm dessen Bruder von Heinrich mit vielen anderen musten die Zeugen seyn / wie gewalthatig der Engellander Wüten mit Königlichen Blute verfahre. Und diese N o t h setzet Uns in solche Furcht / indem wir allbereit sehen / wie alle Anschlage zu unsern Untergang gerichtet / daß wir an Staat / G e sundheit / Gut und Blut erbärmlichen Schiffbruch leiden. ORLETTA. Sie lebe nur gedultig / betrübte Konigin: Die Zeit wird endlich den allerbesten Unterscheid finden. 31

Riemer II

478

Johannes

Riemer

MARIA. Wir fuhren nach der hohen See / und musten mit des gantzen Volcks Thranen hinter uns die Flucht zum Vorbilde dieses Unglücks beweinen lassen. Ein Volck / welches seine Frey-( J97)heit durch unsere Flucht verlohr / und dem Wüten und Rasen eines verführischen Tyrannen gehorchen muste! Wir gelangten in solchen Kummer nach Wikinton / und bestiegen zwar dieses Land glücklich: Aber ach! Die wir auß Unfriede in Ruhe zu seyn erwündschten / der gewissen Hoffnung / bey einer Blutsfreundin das Unterpfand Schwesterlicher Treue zu heben; Wir müssen Elisabeth unempfindlich sehen / weil ihr unerweichliches Hertz auch nicht durch Thranen zu bewegen. O R L E T T A . Man muß das ungefährliche Unglück nicht so sehr achten / und sich nur vor einen grossem hüten lernen. MARIA. Er bestiege in solcher Grausamkeit unsern Thron / und unser von Vater und Mutter verlassenes Kind muß sich annoch seiner Obhut anvertrauen / in der gewissen Erfolgung seines Tyrannischen Eiffers / daß er sich endlich durch dieses unschuldigen Kindes Tod die ungebührliche Nachfolge des Reiches versichern werde. Ach ihr getreuen Schotten / wie habt ihr durch eure unglückselige Schlacht so unbillig seinem Blutdurste müssen auffgeopffert werden. Nun leidet der Christliche Staat Romischer Kirche seine Ketzer Frevel / und das heilige Regiment des Reiches muß seinen Untergang sehen.

Andere Unterredung. FLO RIO.

Verwundernde. Wie stehets nun / (392) Frau Maria; habt ihr euch doch gar der Geistligkeit ergeben / und alles mit schwartzen Leder beschlagen lassen. Ihr selber seyd über und über schwartz bekleidet. Habt ihr euch dann an Leibe auch so schwartz anstreichen lassen? wann ihr euch nur mit gelben Zwecken beschlagen liesset / so sehet ihr auß / wie Pabst Johannessen sein Kinder Stul.

FLORIO.

MARIA.

Ach!

FLORIO. Was ist euch denn! Kommt last uns wieder jen Schottland kehren. Die Unruhe hat sich wieder geleget / und ist alles still. Worauff habt ihr hier zu warten? MARIA. Auff den Todt. FLORIO. Ihr werdet gewiß den Jungfer Todt meynen. Denn / wenn diese ins Closter ziehen wollen; oder sich den Todt wündschen: so wollen Sie meist gerne Manner haben.

Von Staats-Eiffer,

1. Discurs

479

Unangenehmer Mensch! Wie magstu mit einer Konigin schertzen / die mit Furcht und Noth durch und durch erfüllet. F L O R I O . S O ! die Jungfer wird etwa auch an der Kranckheit darnieder liegen. O R L E T T A . Leichtfertiger Thore. Diese Schmach=Reden solstu mir noch theuer genug bezahlen. ORLETTA.

Dritte Unterredung. Zu diesen

KENEDE.

KENEDE. Heil und alles Wohlergehen warten auff Er. Majest. MARIA. Getreuester Cammer=Diener. Wozu (393) wundschestu uns Gluck? Meinestu unser Weinen habe den Himmel eröffnet / der uns in dieser Fünsternis des Kerckers / das groste Elend zu tragen auffgebürdet. K E N E D E . SO wündschet dennoch Kenede solches. FLORIO. Wann wir auch nur durch dein Wünschen errettet waren. MARIA. Ach Unglück. Ach harte Noth / so unser Hertze schwächet. KENEDE. Morgen früh sehe ich uns auß allen Unglück erloset. F L O R I O . N U geschiehets nicht / so solstu vor Ehren=Titul nicht zu sorgen haben. M A R I A . D U machest dir nur selbst in deiner Verzweiffelung unruhige Gedancken. O R L E T T A . Gleichwohl muß man sich in der Noth mit Hoffnung trösten. FLORIO. Das ist keine Kunst bey guten Tagen / die Nasen jen Himmel strecken / und gantz breit machen. Hingegen aber / wann ein klein Windgen der Trübnis entgegen gehet / stracks solche Angst empfinden / daß man nicht mit einer Sauborste in denjenigen Ort kommen kan / wo man sonst die Clistire zu appliciren pfleget. KENEDE. Wolte der Himmel / daß mein Anschlag zu einen guten Ende hinauß schliege. MARIA. Ach! versuche nicht / uns in neue Gefahr zu setzen. O R L E T T A . Die Natur erfordert / sich zu seiner Wohlfarth alles zu unterfangen. (394) MARIA. Ach das Ende solcher Anschlage ist oft allzu schlecht. KENEDE. So muß die List das beste thun. O R L E T T A . Wann Sie mit subtilen Rathschlagen verwahret ist. FLORIO. Hort / wir wollen gleich durch und zum Schlosse hinnauß gehen. Und wann uns gleich iemand rufft / so wollen wir uns nicht umsehen. Und wann wir also durchgegangen / und davon seyn / und in Sicherheit gekommen / und thun uns nichts. So hat es hernach keine Noth. 31»

480

Johannes

Riemer

KENEDE. Man hat vor langer Zeit / wie starck auch dieser Pallast mit dem Gefängnis bewachet wird / eine Hole unter der Erden außgegraben / wodurch man biß an Graben kommen kan. Es stehen auch gesattelte Pferde an selbigen Orthe / und viel tapffere Ritter erwarten Sie schon an dem Strande / auff einen Fischer=Kahn überzusetzen. MARIA. Ach schweigt! Unsre Glieder erzittern / wann wir bedencken / in was vor ein grosses Elend sich des Hauwarts Geschlechte unsert wegen auf solche Art gebracht. Vormahls zwar befreyeten wir uns durch die Flucht / aber die Edelsten Herren musten ihr Leben einbüssen / und des Mouray wütendes Rasen in einer Knechtschafft anbeten. Und ietzo würde unsere Freyheit viel grosseres Unheil verursachen.

Vierdte Unterredung. Zu diesen

BURGON.

(395)

BURGON. Glück und Heil warten numehr auff eure Majestät. MARIA. Was bringet ihr gutes / Burgon? Es muß gewiß was sehr frembdes bedeuten. BURGON. Ich hoffe etwas gutes: Gnadige Frau. MARIA. Sagt uns kurtz / was zu Verringerung unsers Leydes gerichtet. Last eure Sorge für uns einmahl zum Tode gerichtet seyn: weil ihr uns lange genug das Leben erhalten. BURGON. Als ich hier und da die heilsamsten Krauter zur Artzney einsammlen Hesse / kam umb selbige Gegend ein Edelman von Petersburg auf mich zu geritten / welchen ein hauffen Pferde und viel Carossen nachfolgeten. K E N E D E . Z U guten Glück unsere Majestät zu erlosen. MARIA. Ach wehe! das Ende unseres Lebens zu suchen. O R L E T T A . Das Glück errettet offt die Betrübten. FLORIO. Das ist wahr.

BURGON. Dieser sagte zu mir: Gantz Europa habe sich der Gefangenschafft einer so mächtigen Konigin angenommen. Die Herren des Parlaments wären befehliget / die Sache zubeschleinigen. MARIA. Schweigt Burgon! Das Verhängnis hat allbereit das Ende unseres Lebens beschlossen. Wie känt ihr Euch in diesen Unglück mit leerer Hoffnung befriedigen. Man findet (396) selten den Grund der Warheit am Hofe / indem die Tieffe der Verrätherey unerforschlich ist.

Von Staats-Elffer, 1. Discurs

481

Fünffte Unterredung. Zu diesen

PAULET

der

Schloß*Haubt=Mann.

PAULET. Hier ist mir der geheime Schluß des hohen Parlaments anvertrauet worden / solchen Er. Majest. zu übergeben / damit Sie sich zu dem instehenden Urtheil möge gefast machen. M A R I A . Lieset das Blanqvet. Es krancket uns nicht wenig / daß unsere liebste Schwester noch mit einer so harten Gefängnis wider uns so gewaltig verfahret: Da wir ihr doch die billigsten Vorschlage gethan / und Sie vor aller Gefahr gewarnet. Wir beruffen uns auff das / was wir gegen ietzigen Cantzler Bromble und Freyherrn Lavare vorgeschützet. FLORIO. Gnadigste Frau / was stehet guts neues in dem Zeddel. MARIA. Nichts als daß man uns unter dem Schein des Rechten das Leben nehmen wil. FLORIO. Das thun wir durchauß nicht. Wir puBLicmen wieder euren Brieff. Da habt ihr ihn wieder.

Sechste Unterredung. BROMBLE

der

Cantzler.

Was von unsern Parlament an sie Durchlauchtigste Princessin ergangen / wird Sie auß dem ietzt überschickten Auffsatz ersehen ha(397)ben. Wir stehen hiermit bey dieser hohem Gewalt auff Begehren bereit / daß Sie sich mit uns zu heute auff eine erwündschte Rechtfertigung einlasse. Sie höre den vorgesetzten Schluß / nach welchen gantz Europa verlanget / mit erwündschter Zufriedenheit an; Wo nicht / so muß des Gesetzes Macht gehandhabet werden / welches uns verbindet / wieder Sie auch abwesend zu verfahren. FLORIO. Ey das hat noch keine Bedeutung. Kenede / rauß mit dem kalten Eisen. Hr. Doctor haltet euch hurtig / Frau Maria greifft mit an. Du Sprintze komm auch her. Wir fünffe wollen euch beyden wohl gewachsen seyn. M A R I A . E S hat uns der Himmel zu keiner Leibeigenen außersehen / indem unsere Königliche Freyheit durch die Majestät alle Unterthanigkeit verworffen. Jedoch wollen wir uns endlich zu einer bessern Rechtfertigung in einem vollkommenen Parlament verantworten / weil wir nicht gesinnet / diejenigen zu Richtern anzunehmen / welcher Macht allzusehr umschrencket. Bedencket wol / wozu ihr euch verstehet. Erkennet einer Konigin Herrligkeit / und rathet euren guten Gewissen / nachdem die Welt viel ein grosserer Schauplatz ist als euer enges Engelland. BROMBLE.

482

Johannes

Riemer

ist bey uns das heilige Recht nicht blind / und Elisabeth noch allzulangmüthig / die gemißbrauchten Wohlthaten wiederum zurücke zuziehen. FLORIO. Das glaube ich gar wohl / daß eure (398) Gerechtigkeit nicht blind ist / damit sie desto besser die Schwager / und Vetter vor Gerichte / wie auch die versilberten Finger erkennen kan. MARIA. Sagt aber / woher beweist ihr uns eure richterliche Botmassigkeit. B R O M B L E . Der Cantzler. Auß der Macht unserer Konigin und deroselben hohen Gesetze / welches sie wieder die Beleidiger ihrer Majestät gesetzet. MARIA. So höre ich: weil man an uns nicht beykommen kan / so muß man sich auff eine solche ungegründete Vollmacht beruffen / welche auß bürgerlichen Gesetzen ihren Ursprung erkennet. Ο wie unverschämt tritt man das heilige Recht mit Füssen / welches mit Cron und Scepter auff diese Welt gekommen. Und endlich auß was vor einem Rechte wollet ihr mit uns handeln? ist es das Kayserliche / oder Geistliche / zu Rom gestifftet? So last von hohen Schulen auß gantz Europa dichtige Außleger beruffen / weil keine auffrichtige in Engelland zu finden. Ist es aber der Natur / oder aller Volcker Recht gemäß / so lasset durch sie den Ausspruch machen / weil ihr in Ewigkeit nimmermehr durch einiges Beyspiel werdet behaubten können / daß eine Konigin / wie wir / sich solchen unbesonnenen Ansinnen unterwerffen müssen. So sehen wir auch auß dieser Schrifft / daß wir schon verurtheilet / ungeacht / daß uns niemand gehöret. Wozu soll denn auffs neue über uns das Urtheil gesprochen werden? Die Rachgier kan ihren Gifft nicht bergen / weil die Begierde zu un-(399) sern Schaden allzuhefftig. Kommt legt uns erst diesen Auffsatz besser auß / welcher uns in einer unordentlichen Beschreibung lauter Zweiffei verursachet. PAULET. E S

Uns Unterthanen gebieret hierinnen zu schweigen. So seynd wir auch hierzu nicht befehliget. Wir handeln weder nach dem Pabstlichen / noch Kayserlichen Rechte / dieweil das Englische uns zur Richtschnur gesetzet. Jedoch wollen wir ihr auß Pabst= und Kayserlicher Lehre darthun / daß sie vor uns zu erscheinen verbunden. MARIA. Ach! wie ungerecht trachtet man nach unsern Untergang! Wir seynd ohne Beystande / ohne Gehülffen und geheimbde Rathe. Wer kan unsere Person vor einen Gerichte vertreten. Brieffe und Zeugnüsse seynd uns hier auß diesem Gefangniß entführet / daß sich keiner unterstehet / auff einen blossen Schein unser Vorsprecher zu seyn. Und wie können wir sonst einer Missethat überzeiget werden / wo s jlches nicht auß diesem Mund oder unsern Schrifften zu beweisen / die man wieder uns nimmermehr wird auffbringen können. Jedoch können wir nicht leugnen / daß wir unsere gerechte Sache außlandischen Fürsten auffs fleissigste anbefohlen. BROMBLE.

Von Staats-Eiffer, 1. Discurs

483

Sie verstarcket nur hierdurch ihren Schmertzen / wann sie sich diesen Gerichte zu entziehen gedencket. M A R I A . Unser Muth wird um so vielmehr hierdurch erhärtet / mit welchen wir in einer Freyheit vor das Recht gottlicher Majestät zu streiten ent(400)schlossen. Wir erkennen uns zu keiner Unterthanigkeit. BROMBLE. Sie wird angeklaget / deßwegen aber nicht stracks verdammet. Es kan sich die Königliche Hoheit von der Verantwortung eines Lasters nicht loßzehlen. Ist sie unschuldig / so thut sie ihrer Hoheit selbst Gewalt an / wann sie ihr die Gerechtigkeit versaget. Elisabeth zweiffeit nur / und zwar mit grossen Schmertzen / daß sie deshalben die Aufrichtigsten und vornehmsten Glieder des Parlaments hierzu / als Richter erwehlet. Sie lege derohalben ihre Königliche Wurde nur auff eine kleine Zeit nieder / und erweise ihre Unschuld / damit nicht durch einen Argwohn der Glantz ihrer Hoheit möge verdunckelt werden. PAULET. Sie folge / woferne sie nicht ihren eigenen besten zuwider leben wil. M A R I A . SO wollen wir uns endlich als überredet zur Verantwortung fuhren lassen / iedoch mit außdrucklichen Vorbehalt / uns unsern Feinden nimmermehr zu unterwerffen. Gehen ab biß auff Burgon und Kenede. Und Paulet. PAULET.

Das ist des Unglücks herber Schluß / Wann sich die Majestät selbst unterwerfen muß.

Siebende Unterredung. Die innere Gardine bedecket das Gefängnis / und bereitet sich zum Gerich ts=Platze. (401) Bleib ich stehen / oder warte ich auf den Ausspruch? Wer wil sich ietzo unterfangen / eine Princessin mit List auß grosser Macht zu reisen? B U R G O N . Durch solche Staats=Rencke muß wohl der schwache und mit Gefangniß abgemarterte Leib dieser bedrengeten Konigin in Kranckheit fallen / für derer Gesundheit meine Kunst mit steten Sorgen wachet. K E N E D E . Gleichwohl ist sie doch noch in ihrer höchsten Betrübniß mit so grosser Glückseligkeit des Verstandes begäbet / daß mir dennoch eine gute Hoffnung zu einen andern Außgange bleibet. KENEDE.

484

Jobannes

Riemer

Achte Unterredung. Zu diesen der

BEICHTVATER.

BEICHTVATER. Gleich ietzo wird das hohe Gerichte bestattiget: alleine es wundert mich / daß sie nicht das gantze Parlament verhören wil. BURGON. Ach! sie hatte sich schon darauff beruffen / so war aber dennoch eine schmeichlende Überredung so machtig / sie auß dem Gefängnis zu bringen. Aber / wir müssen in geheim reden / daß es die von hier nicht fern stehende Wache höre / und nachsage. BEICHTVATER. Mein Eiffer und geistliche Freyheit fraget nach keiner Furcht / als welche mich vor einer Konigin Leib und Seele verbunden. Und mochte ich das wissen / warum man weder Freund noch Feind zu ihr lassen wil. KENEDE. Ach! hierauff ist leicht zu a n t w o r - ( 4 0 2 ) t e n : man besorget / wir mochten Gelegenheit finden / sie davon zu bringen. BEICHTVATER. SO! SO muß eine Konigin in Fesseln wie eine Sclavin herum geführet werden / damit der Nachbar seinen Staat in Ruhe erhalten kan. PAULET. ES last ja das Geschrey dieses Land nicht ruhen / wann Spanische und Schottische Heere mit der Gvisen Macht diesem Reiche drauen. Maria bereitet sich bey allen zur Flucht / und wil ihr Glück in Norden suchen. Was drauet man sonst Elisabeth vor Übel mehr. BURGON. Es ist lauter List und Politisches Vorgeben. KENEDE. Babingthons Verratherey hat Engelland erschrecket. BURGON. Ach nimmermehr wird sie sich zu dessen abscheulichen Unthaten verstehen. BEICHTVATER. Keine Schrifft von Kurie oder Nau / kein Brieff von Babingthon oder sonst etwas wird sie in ihrer Seele überweisen können: dieweil ich mehr als zu wohl ihr Hertze gepriefet. PAULET. Wir Engellander beehren bey uns nur eine Konigin. KENEDE. So lasset eine andere in ihrer Gerechtigkeit glantzen / wo sie die Herrschafft ihres Reiches betreten kan. BEICHTVATER. Und warum schonet man denn der Blut=Freundschafft nicht. PAULET. Das Vater=Land ist naher als alle Blut=Freundschafft. (403) BEICHTVATER. SO wird das Vaterland von dem höchsten Vater und Herren Himmels und der Erden dermahleins auch nicht angesehen werden. PAULET. Das / was ewig ist / wird die Nothwendigkeit des zeitlichen Staats wohl unbestrafft lassen. BEICHTVATER. Die gottliche Furcht muß das Gewissen beigen. KENEDE. Woferne nicht alle Gerechtigkeit zu Grunde gehen soll. BURGON. Und Schande und Ehre noch einen Unterscheid behalten.

Von Staats-Eiffer,

1. Discurs

485

Die himmlische Weißheit hat das Gast=Recht selbst eingesetzet. KENEDE. Welches numehr in Engelland geschändet worden. P A U L E T . Ο es ist noch lange nicht zerbrochen. BURGON. Jedoch geschwachet. PAULET. Dieses widersprechen die Umstände. KENEDE. Umstände seynd nur Deckmäntel ungerechter Staats=List. PAULET. Eure Bulle und der Anhang des Pabstlichen Stuls vermehren dem die Rache / welcher sich in das Regiment einzudringen allzusehr bemühet ist. Norfolck hat mehr allzusehr den Pabstlichen Eiffer um eine Braut / zu unsern Untergang erwiesen. B E I C H T V A T E R . Ach wie schwer wird es euch dermahleinsten seyn / wider den Stachel lecken. (404) PAULET. Drum muß derselbe bey zeiten zerbrochen werden. BURGON. Wie sich einer zur Ruhe begiebt / so schlifft er. B E I C H T V A T E R . Engelland hat in Schottlands Unruhe seinen Nutzen erjaget / und zu denen Bürgerlichen Kriegen den unachtigen Bruder Mouray angefrischet / durch Marien Elend auff den Thron zu steigen. PAULET. Warum hat sie sich so leicht überreden lassen. B E I C H T V A T E R . Das Pulver ward auß Mord=Begier angestecket / und Marien unschuldiges Gemahl damit in die Lufft gesprenget. Wer hat solches angestellte Schelmstück nicht zu erst der Marien beygemessen. BURGON. Ich bejamre das unschuldige Kind / dessen edles Blut man vielleicht auch vergiessen wird. KENEDE. Jetzt muß nun die Mutter selbst auff ihr Blut=Urtheil warten. B E I C H T V A T E R . Und ihrer Feinde Schmach mit gekranckten Hertzen anhören. PAULET. Das mag das hohe Parlament verfechten. Ihr Herren eiffert nicht so sehr: Vielleicht wird durch dieses Gerichte aller Noth abgeholffen. Indeß Adieu. Die Zeit rufft mich von unsern Gesprach. Gehet ab. BEICHTVATER. Ich Hesse mich den Eiffer allzusehr einnehmen / daß ich um den Grund der Sache nicht davor fragen können. (405) B U R G O N . Ach ich sorge ich sorge es werde dieser neue Jammer der Konigin Gesundheit schaden / und die Natur wohl gar unterdrucken. K E N E D E . Ο solte ich doch nur diesen Tag noch zur Erlösung frey gehabt haben. B E I C H T V A T E R . Wir müssen außhalten / und einer hohem Hülffe erwarten. BEICHTVATER.

486

Johannes

Riemer

Neundte Unterredung. B R O M B L E , P A U L E T , E G E R T O N , FISCAL

Die innere Gardine eröffnet

genandt

/ BURGTHEY,

GRAFF.

den Richt=Sal mit Taffei und Stülen.

Stehend. Die Großmachtigste Konigin von Engelland / nachdem sie nicht ohne sonderbare Gemüths=Bewegung erfahren müssen / daß sie / Princessin / Engellands eusserstes Verderben gesuchet / und wider dessen Gottesdienst mit Romischen Eiffer heimliche Laster des Staats gestifftet / als hat sie auß dem ihr von dem höchsten Richter anbefohlnen Ambte ihrer Unterthanen Heil und Wohlfahrt zu suchen / diese Richter verordnet / anzuhören / wie sie ihre Unschuld zubeweisen. M A R I A . Stehet auff. Wir seynd in Engel=Land gekommen / die versprochene Hülffe zu suchen / und gleichwohl hat man uns unschuldig in steten Gefangniß behalten. Wir streiten hier wider alle Gewalttätigkeit / daß wir als eine freye gebohme Konigin / vor keinem andern Rieh- (406) ter hier in dieser Welt zu stehen / als welcher selbst über Cron und Scepter herrschet. Massen dann diese Antwort auß keiner Demuth geschehen / sondern / damit nicht einiges Nachtheil unsern Geschlechte zuwachsen möge. Welches Zeugnüs wir euch geliebten Freunde / hinterlassen / solches aller Welt erkennen zu geben. B R O M B L E . Wer in Engelland wieder die heiligen Gesetze sündiget / verbindet sich auch dero hohen Straffe. Und wie kan daher dieser Einwand unserer Gerichtbarkeit zuwider seyn. B U R G T H E Y . Man lasse ihn auffs wenigste unter die Verzeichnüsse dieses Gerichts bringen. Egerton verfertiget der Marien Ausspruch. Verleset aber zuvor die Königliche hohe ertheilte Gewalt und Vollmacht / Krafft welcher wir abgeordnete Glieder — MARIA. Haltet ein mit dergleichen vergeblichen Befehlen / welche wir euch widerleget. B U R G T H E Y . Es muß nach dem heil. Rechte gesprochen werden / als welches die Straffe auf iede Missethat gesetzet hat. M A R I A . SO last uns denn endlich eure Anklage hören. F I S C A L . Stehend. Lieset: Es seynd die zusammen Verschwerungen mit abscheulicher Verratherey wider Engelland ergangen / durch Marien Erlösung Elisabethens Untergang zu suchen. Maria wird angeklaget / daß sie solchen Verrathereyen mit Hülffe und Rath die Hand geboten / und was Babyngthons und Norfolcks Rotte gestifftet / bestattiget. (407) Maria wird angeklaget / daß sie durch Römisch* Catholische Frevler und Verführer des Volcks / Elisabeth den Tod geschworen / durch einen traurigen Weg auf Engelländs Thron zu steigen. BROMBLE.

Von Staats-Eiffer, 1. Discurs

487

Sie hat das Unheil und erschreckliche Blut>Bad in Engelland angefangen / und die Verrather des Vaterlandes zu grausamer Beständigkeit angemahnet / auch fremdes Volck in diese Insul zuführen getrachtet / mit gewalt und Unrecht sich der gefangenschafft zubefreyen. MARIA. Wir kennen Babyngthon nicht / und haben weder Schreiben von ihm noch er von uns. Zu dergleichen Verratherey haben wir niemanden iemahls Anlaß gegeben. Man muß uns nicht mit blossen Beschuldigungen verdammen / sondern zuvor mit unserer eigenen Hand überweisen. Daß außlandische Konige und Fürsten sich um unsre Noth bekümmert / und euer Reich in Unruh gesetzet / machet uns an keiner Verratherey Schuldig. Warum hat man ihnen selbst durch unseren Kercker Ursache gegeben? Vielleicht seynd deren noch mehr vorhanden / welche unsere Freyheit in euren Untergange suchen / und euch in solche Staats=Furcht setzen. GRAFF. Hier ist das Schreiben / wo rinnen Babyngthon um Beschleunigung seiner Verratherey anhält / und des Franzoischen Abgesandten Brieffe zurücke begehret. MARIA. Das kan wol seyn / daß Babyngthon geschrieben: Alleine man beweise uns / daß wir (408) seine Brieffe empfangen. Würde dieser Betrüger hier noch zur Stelle seyn / so wolten wir ihn Lügen straffen. Aber so ist er schon vor der Zeit hingerichtet / ehe man uns darüber zur Verhör gezogen. Das Gebund Brieffe / welches man uns mit denen andern Schreiben hoher Potentaten auß dem Gefängnis entführen lassen / hat ein gantzes Jahr gelegen / und sieder dem hat man solches wiederum unter unsere Sachen vermanget / daß wir noch nicht wissen / durch wem es überschicket worden. PAULET. Wie listig ist diese Antwort gestellet. B R O M B L E . E S solte Irrland zum Auffruhr gebracht werden. Und die Gvisen mit Franckreich des Pabstes Frevel in Engelland außbreiten. B U R G T H E Y . Arundell solte schon mit seinen Brüdern Northumbren auff die Seite bringen. MARIA. Ach! was vor grosses Unrecht und Schande mustu Edles Stuarts Geschlecht vertragen. Es habe Babyngthon bekandt / was er wil / so seynd es dennoch verzweiffeite Lügen gewesen. Es haben unsere Neider leicht die Hand nachmahlen / und damit viel Falsches zu einen verfluchten Papier bringen können. GRAFF. Dort seynd noch die Schreiben / in welchen Babyngthon als ein Nachfolger Norfolcks gelobet wird. MARIA. Man weise uns unsere eigene Handschrifft. E G E R T O N . Bringet ihr einen zusammen gelegten Brieff. Dieses wird sie nicht leugnen. (409) PAULET. Jetzt verstummet sie / weil die Zeugnüß gar zu klar.

488

Johannes

Riemer

Eigene Hand ist der beste Beweiß. Brieff und Siegel seynd Mittel den Streit zu scheiden. MARIA. E S ist Betrügerey / welche die Boßheit verfluchter Staats=Manner außgesonnen. Diese Buchstaben seynd nimmermehr von unserer Hand kommen / damit wir das Volck zu Anfall wieder Engelland auffgewügelt hatten. Diese Zieffern seynd uns vielleicht in Frankreich gestohlen. Elisabeth weiß unser Klagen / und wie sehnlich wir gewündschet in Schafften / daß doch alles Unglück auffhoren mochte. Zu dem haben wir niemahls zu Befleckung unserer hohen Ehren ein Reich mit Vergiessung unserer Schwester Blut suchen wollen. Es können wohl aber andere ohne unsern Vorbewust auff eure Regierung einen ewigen Haß geworffen haben. Wie sollen wir aber derselben Straffe theilhafftig werden / welche wir selbst straffbar erkennen. BURGTHEY. BROMBLE.

GRAFF. Drum wolten wir gerne die Wurtzeln solches Hasses außheben. Ich dachte Carl hatte ja Zeugnüß genug zur Warnung durch seine Todes Straffe hinterlassen / daran sich solche Verbrecher spiegeln konten. B R O M B L E . Hat nicht Mendoza / und Baillard mit ihr Rathschlage außgedacht / Elisabeth von Throne zu stossen / und sie auß der Gefängnis zu befreyen. {410) MARIA. Was gehöret dis zur Sache / was andere unter sich gesponnen? wie wil man darthun / daß wir mit ihnen Raths gepflogen. B R O M B L E . Ihrer eigenen Bedienten Handschrifft / welche mit Beantwortung solcher Schreiben die Stelle eines Secretarii vertreten. GRAFF. Und diese seynd es eben / welche Spanien das Erb=Recht auff diese Crone so meisterlich zuschreiben wollen. BURGTHEY. Zumahl weil sie sahen / daß der Konig wegen versagter Heyrath unserer Konigin gehassig wart. MARIA. Wann auß unwürdiger Diener Vermessenheit eine Majestät zu schätzen / so ware es leicht uns ans Leben zu kommen. Unser Diener Curie ist getreu gewesen / und hat also nichts wider uns zu zeugen. Nau aber ist verdachtig. Denn sein Mein=Eyd ist bekandt. Er ist durch Geld bestochen / damit er auch den Curie zu solcher Leichtfertigkeit anfrischen möge. Wir haben allen beyden befohlen nichts zuschreiben / als was die Natur zu unserer Freyheit vergönnet. Haben sie aber wieder Elisabeth etwas geschrieben / so ziehe man sie zur Straffe. PAULET. Sie hat aber gleichwohl beschlossen gehabt / ihren Sohn in Spanien zu schicken / und mit ihm das Englische Recht selbiger Crone zu bestimmen. E G E R T O N . Der Romische Cardinal wüste den Vortheil durch Spanien an Engelland sehr wohl abzujagen. Und hatte die Vorsicht des Parla( ^ ü ) m e n t s sich nicht so eyfrig darwider gesetzt / es würde dieses Reich schon von Spaniern und Frantzosen bewohnet seyn. BURGTHEY.

Von Staats-Eiffer,

1. Discurs

489

seynd auch noch andere Brieffe vorhanden / worinnen man die Porte und Anfahrt des Volckes zu Lande beniemt. B R O M B L E . E S erboth sich der neue Polnische Konig in Franckreich selbst zur Hülffe / welches aber Carl durch sein unglückseliges Blut=Bad versaumete. Von derselben Zeit an ist Schottland annoch mit Frantzoischen Volcke erfüllet / und was würde die Freyheit der Marien diesem Reiche versichern. MARIA. Es seynd die Beschuldigungen noch allzuschlecht. Warum solten wir andern ein Reich verschencken / das wir selber nicht besitzen? Sind es unsre Wapen gewesen / welche Franckreich geführet? Wir haben ja solche langst in dem Vertrage auffgehoben. Und warum solten wir nicht unsern Sohn ein oder andere Crone versichern? So ist ja auch vergunt das seinige nach Gefallen zu verschencken. Hat Rom mit seinen Vätern mißgehandelt / so straffe man dessen Stuhl / wenn man ihn zu entheiligen gedencket. Was Mendoza gesündiget / stehet nicht zu unserer Verantwortung. Daß wir uns Franckreich versichert / wer wil die Bündnüsse der Konige verbieten. Wil man denn selbst die Ungerechtigkeit unsers Volckes billigen / welches uns auß unsern Reiche Verstössen. Warum solten wir denn nicht andere um Hülffe anruffen / weil (412) wir bey Elisabeth keine zu hoffen hatten. Und ob wir uns gleich als nächste Erben zu erklaren begehret / so suchen wir doch nicht mehr / als was uns selbst die Natur versprochen. PAULET. ES

Die Rathschlage wieder Engelland seynd schon damahls vor dem Frieden eingerichtet gewesen. PAULET. Drumb kunte man den Vertrag keines weges unterschrieben bekommen / wie sehr man auch drauff drunge / als sie von Franckreich durch Engelland zu ihren Schotten eilete. B U R G T H E Y . Deshalben hat noch biß diese Stunde Elisabeth Rechenschafft von ihres Ehe=Gemahles Tode gefordert. G R A F F . E S musten die verratherischen Anschlage durch die Hochzeit mit Norfolck außbrechen. MARIA. Wie unbillig handelt man mit uns! Norfolcks Thun haben wir uns langst entbrochen. Es ist nicht nothig fruchtlose Beschuldigungen mit blossen Verdacht anführen / wann man einer Missethat Beweißthum suchet /dessen Zeugnüsse so klar / als der helle Mittag seyn sollen. B R O M B L E . Die Zeugnüsse der ihrigen seynd mehr (als) klar. B U R G T H E Y . Ist ihr der verfluchte Morgan nicht bekandt / welcher Paren als einen Meuchelmoder an Elisabeth erkaufft: Wie hoch war sein Jahr= Geld / und der Lohn zu stürtzung Königlichen Blutes gesetzet? (413) E G E R T O N . Die Gelder seynd auß Engelland dem Grajo abgefolget worden. MARIA. Wir wissen nicht / was Morgan gethan / dieses aber wohl / daß er unserthalben alles verlohren. Wie sollen wir an eines Missethat gebunden EGERTON.

490

Jobannes

Riemer

seyn / welcher auß einer geheimden Rache sich zu etwas leichtfertiges unterfangen. BROMBLE. Brieffe / Volck / Waffen und Botschafften seynd täglich in Engelland gewesen / daß mit der Konigin das gantze Parlament in Gefahr stehet. GRAFF. Der Frevel ist auß Königlicher Schrifft an Carl Pagett zuersehen. Worinnen Maria erwiesen / daß Spanien keine bessere Gelegenheit {habe / ) Niederland unter seinen Spanischen Gewaltthatigen Catholischen Gottes=Dienst zu bringen / als wann es in Engelland einen Fürsten zum Nachbar setzte / auff dessen Hülffe man sich zuverlassen. BURGTHEY. Der Cardinal Alan hat sie schon im Schreiben seine machtige Konigin genennet / und wie alle Verrather als sein Ober=Haubt verehret. GRAFF. Und eben dieser Cardinal und Person seynd itzo annoch zu Rom / vor Peters Stuhl die heilige Bestätigung zu erzwingen / gleich als ob es alsdenn keine Missethat / wann einer Konigin Untergang durch eine heilige Bulle gerechtmassiget wird / alle Ketzer mit Fürsten und Herren auß dem Lande zu treiben. (414) BROMBLE. S c h o t t l a n d kan selbst nicht die schwere Regier= Sucht (seiner) verstossenen Konigin begreiffen / in dem an allen Ecken desselben lauter Flammen der Verratherey auffsteigen. MARIA. Wisset ihr doch die Schelm=Stücke besser als wir / daß wir euch bald selbst vor die schuldige Verrather ansehen. Haben Fürsten und Herren ihres Staats Angelegenheit in unserer Erlösung gesuchet /so ist das zu unserer Wohlfarth geschehen. Ein Weltweiser suchet nicht auff einerley Weise seinen Nutzen / sondern eine einige Bemühung muß ihm zehnfaltig vergolten werden. Absonderlich wann das Glück zu seinen Vornehmen vorhanden. GRAFF. Und mit eben diesen Eigen=Nutz hat sie auff eine Regiersichtige Rache gedacht. MARIA. Keines weges. PAULET. Gantz Londen sey Zeuge. MARIA. Feinde seynd keine Zeugen. BURGTHEY. Doch dringet man auff das Ende dieses Übels. GRAFF.Wie kan das Reich durch solche Feinde sicher stehen /wann stets verratherische Begierden der Unterthanen Hertzen besitzen. MARIA. Gelobet sey des Höchsten Gerechtigkeit / daß er durch seine Feinde selbst das Bekantnis offenbahret / wie wir in seinen Ehren Stuarts Blut begehren / und seinen Altar wieder auffzubauen getrachtet. BROMBLE. Sie verharte nicht also ihren Sinn / und rühme sich ihrer Missethat / welche uns sonst {415) zu härterer Straffe reitzen dorffte. Ein Märtyrer hat niemahls durch Tod und Mord die ewige Crone verdienet.

Von Staats-Eiffer,

1. Discurs

491

MARIA. Und das heist / gegen Gesalbte Häubter sich mit Schmahworten allzu hoch vermessen. Wie vermischt und unordentlich ist eure Klage? Hat man unsre Unschuld noch nicht vernommen. Und scheuet man sich gar nicht Königliches Blut zuvergiessen? BROMBLE. Konigin / sie schone unser! und reinige vielmehr ihr Gewissen. PAULET. Und beruffe sich nicht mehr auff ein heiliges Recht / welches schon verloschen. BURGTHEY. Sie ist in unserer Gewalt / und wie groß die Übel that / so harte wird die Straffe erfolgen. GRAFF. Gantz Engelland und Schottland erwarten den Ausspruch. EGERTON. Was durch so viel Eydschwüre bekräftiget / kan nicht hintertrieben werden. BROMBLE. Was Baal und Pfaffen außgerichtet / beweiset das Parisische Blut=Bad. Sölten sie nicht auch über uns die Zahne knirschen. MARIA. Leichtsinnige Gemüther seynd in steter Furcht. Alleine eine gefangene Konigin ist kein Feind des Staats zu nennen. Seynd doch die Gvisen zu Geissein versprochen / warum hat man dieselbigen nicht zur Versicherung angenommen. Muß nun ein geheimbdes Recht die Furstl. H o heit beleidigen. Seyd ihr zu einer Nachfrage {416) unserer Beschuldigung bestimmet / warum unterstehet ihr euch hohe Verbündnüsse zu lästern / den Gottes=Dienst in Bedencken zu ziehen / und über außlandische Monarchen das Recht zu sprechen. Wir haben uns freywillig zu einen Verhör verstanden. Sonst hatten wir uns mit einen Vorsprecher versehen müssen.

Zehende Unterredung. FLORIO

in Gestalt eines ADVOCATEN. Geschwind auß.

FLORIO. Nur zu frieden zu frieden / ihr arme Frau. Nun soll es auß einen andern Fasse gehen. Konigin freut euch. MARIA. Ach! was soll Freude bey einer Gefangenen? FLORIO. Ich sage freuet euch! nun hat es keine Noth. GRAFF. U n d w i e so?

Alle erschrecken / verwundern sich / und stecken die Kopffe

zusammen.

FLORIO. Was gehet das dich an / du Papirner Graffe. Ich sage zum dritten mahl / freuet euch. MARIA. SO sage uns denn die Ursache unserer Freuden. Hernach wollen wir uns desto mehr freuen. FLORIO. Nein nein. Ihr müst euch zuvor freuen ehe ich euchs sage.

492

Johannes

Riemer

Ο Himmel! ist etwa gewaffnet Volck verhanden / welches sie mit Gewalt erlosen wil. (417) B U R G T H E Y . SO waren wir alle verlohren. MARIA. Wie sollen wir uns aber freuen ohne Ursache / und wie sollen wirs machen. FLORIO. Tantzt / singet / springet. M A R I A . Die Angst williget offt in thorichte Dinge. Fa la la la. Tantzt etwas. Ach so sage es / was ists das zu unserer Freyheit dienet. FLORIO. Konigin ihr seyd schon loß! MARIA. Dem Himmel sey gedanckt. Aber durch wessen Hülffe. F L O R I O . Durch mich. Denn ich habe mir vorgenommen euer ADVOCAT ZU seyn. MARIA. Ach deine Thorheit vergrossert unsern Jammer. B R O M B L E . Elender Mensch / Du wirst dich umb das Leben bringen: Weil du den Ort der heiligen Gerechtigkeit durch vergebliche Theidigungen entheiligest. F L O R I O . D U . Du Finantzen=Ratz. Du denckst vielleicht Stadthalter zu Edenburg zu werden. Ach bilde dir solch Großkopffig Zeug nicht ein. Du must uns hören. Auß diesen Buche wil ich dir schon unsere Sache rauß PROCEDiren / du solt dich mit deinen Rechts-Gesellen darüber verwundern. B U R G T H E Y . Schweige toller Narre. FLORIO. Höre / wann du ein Gelehrter warst / so wolte ich dir dis grosse Gesetzbuch an Kopff werffen. Aber so fehlet mir es nur an Posteriorischen Esels*Granaten. (418) GRAFF. Wir wollen den Vermessenen ohne Sonnenschein verkarckern lassen. F L O R I O . D U armes Grafgen. Verberge du deine Nase in das Mund=Stücke einer Dreck=Pastete / und laß meinen Vorhaben immer seinen Lauff. E G E R T O N . Der Fantaste muß durch Hascher hinnauß geführet / und vor seine Freveln Reden abgestrafft werden. F L O R I O . D U Naseweiser Alberstoltz. Durch deine Vettern lasse ich mich nicht begleiten. Du bis ja nur Schreiber / und darffst darein gar nichts reden / wann wir AüvocATen vor dem hohen Parlament was zu schaffen haben. Und ihr andern Kerl allzumahl. Zornig. Was frage ich nach euch / wann ich in Ostindien bin. Ihr seyd die Rechten: Qvi CORRUMPUNT JUS. Oder wie wir Rechts=Gelehrten es p R O L E C i R e n : C O R R U M P U N T I U S . Aber hütet euch / daß euch mein L E X und meiner Konigin M A R S nicht ein Stanckgen in Engelland anrichtet. B R O M B L E . Das soll dir und deiner verratherischen Konigin wohl verboten seyn. MARIA. Wir wiederstreben euren Gesetzen / und beruffen uns auff das hohe Parlament in Gegenwarth Elisabeth unsere Unschuld außzuführen. BROMBLE.

Von Staats-Eiffer,

493

1. Discurs

BURGTHEY. ES gilt hier kein Einreden mehr / sie lebe in Gedult / biß Elisabeth unsere Meinung durch eigene Hand und Siegel vollziehen wird. Alsobald Egerton verfasset die Reden ab / und se-(479)tzet diesen Schluß hinzu: W i r h a b e n b e f u n d e n COMMA d a ß M a r i a die V e r w a n d s c h a f f t an u n s e r e C r o n e m i t U n r e c h t g e s u c h e t COMMA, FLORIO. Das ist nicht w a h r . COMMA,

BURGTHEY. A l l e h e i m l i c h e V e r b u n d n ü s s e m i t u n s e r n gepflogen

Feinden

COMMA,

FLORIO. Das ist erstuncken und erlogen SEMICOLON;

BURGTHEY. U n d s i c h w i e d e r das h o h e G e s e t z e an u n s e r e r K o n i gin s c h a n d l i c h v e r g r i f f e n COLON. F L O R I O . D U r e d e s t es w i e ein S c h e l m PUNCTUM.

MARIA. Ihr handelt wieder die Vernunfft / wann ihr Konige also verurtheilet. FLORIO. Ihr handelt wie Schelme.

Stehen alle auff.

MARIA. Wie hoch ist die Unbilligkeit mit dem Unrechte über die Gerechtigkeit gestiegen. BROMBLE. Jedoch soll unser Schluß ihrem Sohne dem Konige von Schottland zu keinen Nachtheil gereichen. BURGTHEY. Wohlan! man unterschreibe den verwilligten Beschluß.

Sie unterschreiben alle.

MARIA.

Ο Angst Ο Noth / Das Leben nahet sich dem Tod. Wir seynd verdammt: kein Mensche wil uns hören / Wer kan die Tyranney verwehren / Die Unschuld liegt zu Grunde / FLORIO.

Ihr Donner Hagels=Hunde. GRAFF.

Man achtet hier nicht solche Thoren / FLORIO.

Last mir die Konigin nur ungeschoren. Sonst werd ich euer Feind / BROMBLE.

Es wird mit ihr nach Satz und Recht gemeint. 32

Riemer II

(420)

494

Johannes

Riemer

FLORIO.

Der Hencker danck es euch und euren Rechte. So? giebts in Engelland so Schelmische Geschlechte? BURGTHEY.

Ey! wie die Arbeit ist so folget auch der Lohn. Du Huren=Sohn.

FLORIO. BROMBLE.

Princessin / nun! diß ist der Schluß / GRAFF.

Daß sie uns folgen muß. MARIA.

In bin bereit unschuldig in den Tod zu gehn. FLORIO.

Trauet und gehet ab: Nu nu.

Anderes Discurses Erste Unterredung. Königin

ELISABETH, B R O M B L E , B U R G T H E Y , G R A F F E ,

EGERTON.

ELISABETH. D E S Höchsten reiche wohlthaten in unserer Regierung / sind uns mit solcher grosser G ü - ( 4 2 / ) t e mitgetheilet / daß wir sie selbst als Wunder-Wercke der Gluckseligkeit zu betrachten. Wir sehen uns durch seine Gnade auß aller Gefahr unserer Feinde seyn erloset / und empfinden noch bey euch /geliebte Helden! die vorige Zuneigung / wohlmeinender Unterthanigkeit / mit welcher ihr uns die hohe Gewalt dieses Reiches übergeben / daß / wo wir auß solcher fallen solten / wir nicht wissen würden / ob uns des Lebens Frist noch langer konte versichert bleiben. Wie hinterlistig hat man iederzeit nach unsern Reiche getrachtet / und wann wir euren Willen (nicht) gefolget / was für Unheil würde auß unserer Vermuthung geschehen seyn. Jetzo aber entstehet die Mißgunst in unseren eigenen Blute / und wil mit Rachgierigen Eiffer die Brunnqvellen des Lebens verstopffen. Soke Engelland in unseren Tode Glückseliger blühen / und wir wisten daß unsere Haubter und Fürsten deß Landes dadurch mächtiger und herrlicher werden konten / wir wolten willigst den getroheten Tod auß Liebe des Vaterlandes annehmen.

Von Staats-Eiffer,

2. Discurs

495

Wir hassen ja in allen Stücken die Gewalt scharffer Regierung / absonderlich / daß nicht durch neue Ketzerey eine abscheuliche Verfolgung mit unserer armen Unterthanen Blut erreget werde: Und gleichwohl suchet der Päbstliche Eiffer in Schwesterlichen Blute zu toben / und sich bey unserer Sanfftmuth in verblendeter Boßheit auf diesen Thron zu erheben. Wir erwegen zwar wohl / was auff solche Verbrecher in unserm Gesetze für Straffe erfolget / und sie selbst kan das (422) mitleidende Vermahnen von ihrer Boßheit auß unsern an sie gestelleten Schreiben abnehmen. Aber wir zweiffeien billig / ob wir die Vollziehung der Straffe einem Gerichte überlassen / welches sich mit uns an einer Majestät zu vergreiffen scheinet. Wir an Fürstlicher Hoheit sind in dieser Welt allzu offenbar aller Menschen Augen vorgestellet. Wir scheuen uns Schwesterliches Blut zu vergiessen. Wir wollen nicht gerne den Ruhm bey der Nach=Welt verlieren / daß wir unsern Thron mit so theuren Blute gegründet. Solte denn nicht die Liebe der Scharffe obsiegen? Wir / so allezeit gewohnet / auch in denen geringsten Sachen des Regiments langsam Raths zu pflegen / mochten hier auch wohl die Gelegenheit wündschen / alle heilsame Mittel noch zuvor zu versuchen / ehe wir das scharffe Richt=Beil aufheben. Rathet geliebte Helden! was man bey dieser betrübten Zeit wanckelbahren Glücks zu thun oder zu lassen schuldig. GRAFF. Die gantze Christenheit wartet auff das Urtheil einer weisen Konigin / wie Tugendhafft und Edel sie die Stützen ihres Reiches bauen wird. Die Liebe des Vaterlandes muß aller Freundschafft vorgezogen werden. PAULET. Man hat befunden / aus was vor einen verstockten Hertzen sie ihre Boßheit leugnet. Vielleicht ist ein anderer Norfolck mit Babingthon auff Verratherey bedacht. Hier ist gantz keiner Sanfftmuth zu gedencken. BROMBLE. Großmachtigste Konigin. So (423) iemahls des Scepters schweres Gold die Hertzen der Konige mit Kummer beschweret / so ist es zur Zeit der Regier=Sucht / welche weder Vater / Schwester noch Kinder verschonet. Es seuffzet noch das mit Blutvergiessen ermüdete Engelland unter so schwerer Last. Das gantze Volck hat zu uns als ihren Cantzler die unterthanigste Ansuchung bey Er. Majestät zu thun / vor langst die euserste Nothdurfft eingeschicket / und auff dieses Schreyen inständig um Hülffe gebeten. BURGTHEY. Wir werden selbst in steter Furcht krafftloß. Darum wann nur der Stamm gefallen ist / werden hernach die Früchte solcher Abscheuligkeit schon auch ihren Untergang fühlen. EGERTON. Die allgemeine Noth erheischet die unruhige Maria auß dem Wege zu räumen. GRAFF. Das Wild ist einmahl ins Garn / wo uns der Schlag verfehlen solte / so werden wir unser Elend nicht genug beklagen können. Solte uns der Schlag fehlen / so würde unser Elend nicht außzusprechen seyn.

496

Johannes

Riemer

BURGTHEY. ES ist lauter Pabstlicher Greuel! Man hat die angemaste Herrschafft über EngeULand zu Rom schon langst geschmiedet. BROMBLE. Es ist von Nöthen / daß man das Haubt des Aberglaubens falle; Dieweil es gefahrlich ist / in ungewisser Liebe der Unterthanen einen wanckenden Thron besteigen. ELISABETH. Man beweise / daß Engelland machtig sey über Königliches Blut ein Urtheil zu stellen / und eine Missethat biß an das Haubt der Crone zubestraffen. (424) GRAFF. Macht genug! man verschaffe nur durch einen Schlag / daß unsere Feinde erschrecken / und gantz Europa sich über unsere Regierung verwundert. BROMBLE. SO wird Spanien und Franckreich sein fruchtloses Unterwinden erwegen / und der Pabst mit denen Gvisen an seinen Gräuel verzweifflen. ELISABETH. Das ware wohl gut / wann es nur nicht zu unsern Nachtheil gereichte. BURGTHEY. Wer wil verschonen? Da der Untergang vor Augen. Maria: Leben stürtzet uns ins Verderben. ELISABETH. Doch müssen wir die Gerechtigkeit und unsere Scharffsichtigen Nachbar fürchten. Und was zu thun / wann die ihrigen sich ihrer annehmen. BROMBLE. Spanien ist von unsern Küsten weit entfernet / und seine Mannschafft kan die Gelegenheit unsers Ortes nicht vertragen. GRAFF. Franckreich hat noch mit seinen Blut-Bade zu thun / und an dessen Wunden zu heilen. EGERTON. Schottland wird keine verjagte Konigin beschützen. BURGTHEY. Franckreich suchet zwar in trüben Wasser mit ihr zu fischen: alleine das Volck wird endlich auch fremder Herrschafft müde. ELISABETH. E y ! Konige müssen sich auch einer Sanfftmuth befleissigen. BROMBLE. ES ist lange genug gütig mit ihr verfahren worden. {425) GRAFF. Drum vollziehe man nur das Urtheil schleunig / welches in einen hohen Gerichte über sie gesprochen. W o man unser Schlüsse bey dem gemeinen Volcke nicht wil veracht machen. BROMBLE. Sie beruffet sich ohne diß auff ein allgemeines Parlament / gleich als ob Elisabeth ungerechte Richter ersehen / sie mit Unrecht zu straffen. BURGTHEY. Die Zeit Leidet keinen Verzug. GRAFF. Ein ieder Augenblick schadet unserm Tod. ELISABETH. Eilen in hochwichtigen Sachen verderbet alle gute Rathschlage. GRAFF. Man hat lange genug eine unzeitige Barmhertzigkeit zum Nachtheil dieses Reiches an ihr versuchet. ELISABETH. Wann das Exempel der Bestraffung einer Konigin nur nicht so gar ungemein ware.

Von Staats-Eiffer, 2. Discurs

497

BROMBLE. Der Alten Väter und aller Christlichen Käyser hohe Gerechtigkeit hat iederzeit die Schander ihres Stuhles in billiger Rache zum Tode verdammet. Die Vertheidigung ist wol eher biß in das eigene Geblute gegangen / damit Vater und Schwester das Recht der Majestät an Kindern behaubtet. Es ist noch in allen Jahr=Büchern bekandt / wie Constantinus seine gerechte Rache an Licinio bestättiget; und was vor Gerechtigkeit Carolus seinen Bruder Conradin in Franckreich zuerkandt. Elisabeth wird nicht (426) weniger Ruhm von dieser Bestraffung zu erwarten haben. BURGTHEY. Wollen Er. Maj. nicht: so wollen wir uns hiemit aller Sorge vor das Reich entschlagen. Unter des sehen sie / wie alle treue Reichs=Glieder auff das ubergebene Memorial mit kräfftigen Beweißthümern dringen. Sie verstatte doch nur die Gerechtigkeit /und übergebe uns die auffrührische Maria zum peinlichen Gerichte. ELISABETH. Seynd wir iemahls bekümmert gewesen / so ist es heute / da wir nicht wissen / ob wir reden / oder schweigen sollen. Reden wir / so verstellen wir unsere Sanfftmuth in Grausamkeit; Schweigen wir / so ist eure treue Arbeit vergebens. Also müssen wir uns gegen euch / nicht aber über euch beklagen / indem wir auß euren Bitten verstehen / wie unser Heil an eines andern Untergange hänge. O b wir nun gleich iederzeit eine solche Zuneigung getragen / daß wir einen andern Schluß der Verbrecherin das Leben zuerhalten gefasset. So müssen wir aber dennoch es uns schmertzen lassen / nachdem wir nunmehr als zu wohl versichert / daß unsere Wohlfahrth ohne ihren Untergang / in einen kläglichen Zustande stehe / und dannenhero mit dieser Princessin an statt der Gnade / mit einer gantz andern Meinung verfahren. Wir erkennen uns deswegen verbunden / eure so heilsamen Rathschläge für unser Wohlfarth anzunehmen: Jedoch bitten wir / daß ihr mit dieser Antwort / wiewohl ohne Antwort / zu ( 4 2 7 ) frieden lebet. Wir billigen in allen euren Rathschluß / und wann wir sagen solten / wir wären demselben nicht in allen zu folgen gesonnen / so würden wir mehr bekennen / als wir selbst schon bey uns beschlossen. Entschuldiget aber noch den Auffschub des Gerichtes / biß wir uns mit unsern Feinden selbst deßwegen beredet.

Andere Unterredung. Zu diesen

PAULET.

ELISABETH. Was ist euer Anbringen. PAULET. Ein Abgesandter auß Franckreich suchet auff Befehl seines Koniges bey Er. Majest. Audientz.

498

Johannes

Riemer

Das kan ihm wiederfahren. Jedoch in Gegenwart dieser unserer Reichs=Glieder. Paulet gehet ab. B R O M B L E . Sein Anbringen wird einig und allein auff Marien ihre Befreyung zielen. GRAFF. Er. Majest. werden dahin trachten / wie sie wieder unsern Schluß nichts verheissen. ELISABETH.

Dritte Unterredung. Der Abgesandte

mit

PAULET.

Abgesandter B E L L I E U R . Es erfreuet sich Großmachtigste Konigin! Der Allerchristlichste Konig in Franckreich / mein Gnadigster Herr über die hohe Glückseligkeit ihrer Regierung / womit sie über ihre Feinde siegend herrschet / und lebet selbst bekümmert vor dero Wolfahrt / indem er sich mit Erwündschung höchster Glückseligkeit (428) wieder Er. Majestät Feinde als ein Feind ihrer Boßheit erklaret. So bald aber der allerchristligste Konig der Maria Verbrechen vernommen / und sich zugezogene Gefängnis in ihr / als naher Anverwandtin beklaget / hat er :;'nach dem Zustand des Reiches / (und) der berühmten Weißheit Er. Majestät (zu urteilen) / ermessen / sie werde geruhen / in Handhabender Gerechtigkeit und Gütigkeit mit Schwesterlichen Blut behutsam um ( z u gehen / (und) das Lob einer Großmächtigsten Regierung"" noch ferner in der Welt auß(z«)breiten. Und ob er wohl in Er. Majest. herrlichen Verstand keinen Zweiffei setzet / so hat er doch nicht verstehen können / warum man gesonnen / eine so mächtige Konigin durch Art und Weise eines Gerichts zu verdammen / nicht zweiffeinde / man werde sein billiges Anbringen vor eine nahe Bluts=Verwandtin geneigt anhören. Von dem Laster der Marien / habe ich ins besondere nichts vorzubringen / weil man solches lieber zu verschweigen / als zu Vertheidigen gedencket. Wir können nur noch nicht begreiffen / auff welche Art die Ordnung eines Gerichts bestellet sey / nach dem zu solcher Kläger / Beklagter / und Richter erfordert werden. Wer wil aber eine solche mächtige Konigin von Schottland / welche weder solchen Gerichte noch der Herrschaft in Engelland unterworffen / und die vor diesem dem mächtigsten Konige unsers Reiches vermählet gewesen / und annnoch mit unserer Crone in unzertrennlichen Bündniß lebet / zu dieser Unterthängikeit vor Gerichte ziehen. (429) Er. Majest. würde nicht so wohl dem Konige von Schottland / als allen Fürsten und Konigen zum grosten Schimpff und Spott

Von StaatS'Eiffer, 2. Discurs

499

dergleichen Gerichte hegen. Konige / ob sie gleich an Macht und Ehren einander ungleich / so haben sie doch diese allgemeine Herrligkeit von der Natur erhalten / daß keiner dem andern nach seinen Recht verurtheilen möge: Wie vielweniger kan ein Unterthaner wieder eine Majest. Klage fuhren. Der höchste Richter allein hat sich über gesalbte Haubter seine Gerichte vorbehalten / welche er anzurühren / bey grosser Straffe verboten. Es haben bißhero Er. Maj. noch allezeit dem gelinden Weg mit der Maria gefolget. Wie soll denn ietzo so unvermuthet die Straffe ergehen / darüber sich gantz Europa entsetzet? Allezeit ist ein Reich in grosserer Sicherheit durch Gnade / als Gewalt beschützet worden / wie man Sr. Maj. dem aller=Christligsten Konige selbst in seinen wieder die PROTESTirenden Stande geführten Kriege erwiesen. So lasse denn Eure Majestät mit Verschonung Königliches Blutes den Ruhm ihrer billigen und weisen Herrschafft weiter / biß an die Sterne führen / und sich einen machtigen Konig dieser Cronen verbinden / welcher nichts mehr als Bluts=Freundschafft bey dem Leben der Maria in vertraulicher Verständnis zuerhalten verlanget. Das gute Vertrauen seiner Maj. des aller=Christlichsten Koniges in Franckreich / müssen wir billig rühmen / und nehmen das bittli(430)che Ansuchen in unsern Vornehmen mit Danck an / wie auch die gute Vermahnung / welche uns der Liebe Sr. Majestät gegen diese Crone versichern. Wie wenig aber Er. Gnädigster Herr an der Billigkeit unserer Regierung zweiffeit / so wenig wollen wir auch verhoffen / daß er sich ungonstig über einer Versicherung unsers Staats erzeigen werde / welchen wir durch den Tod Maria zu erhalten beschlossen. B E L L I E U R . Was vor Gefahr stehet doch bey einer gefangenen Princessin zu besorgen. E L I S A B E T H . Daß Engelland nicht zwo zugleich=herrschende Königinnen anbeten wil. B E L L I E U R . Wer hat doch die Maria der Schuld überwiesen / daß sie der Freundschafft also vergessen? E L I S A B E T H . Das gantze Land welches bey uns um Rache anlieget. B E L L I E U R . SO kan doch die Straffe auff sie nicht gezogen werden. E L I S A B E T H . Wo man sündiget / da wird man gestrafft. Und ob gleich dieses Gerichte ungewöhnlich ist / so ist es doch nicht unrecht. Die Gesetze Engellands verstatten solches: nachdem nicht unbekandt / daß dergleichen Straffe andere hohe Häubter / als Licin in Dalmatien / Robert in Sicilien / Bernhart in Italien / Conradin in Franckreich / und Elisabeth in Ungarn (haben) müssen unterworffen seyn. Denn des unschuldigen Blutes muß man schonen / und das schuldige straffen. (431) B E L L I E U R . Er. Majestät lassen doch die durch mich gethane Verheissung ihr Reich versichern. ELISABETH.

500

Johannes Riemer

BROMBLE. Sr. Majestat von Franckreich / und der Gvisen gethane Vorschlage können uns und unserm Reiche der Warheit nicht gewehren. BURGTHEY. Wann ein Schelm-Stücke einmahl begangen /wozu hilfft es hernach die Anklage zu fordern. BELLIEURE. So schlagt man alle Mittel auß? ELISABETH. N u r diejenigen / welche uns in keinem Stücke der Ruhe versichern. BELLIEUR. Wie kan der Thron auff Blut gegründet bestehen? ELISABETH. Wir suchen das / was billig ist / und was unsern Staat versichert. Seine Majest. wird schon dergleichen billigen / womit wir ein gerechtes Regiment zu führen entschlossen. U n d dieses ist unser auserste Meinung / womit wir uns seiner Maj. Gunst befehlen. BELLIEUR. SO entweiche ich dann die ertheilte Antwort Sr. Majestat zu hinterbringen / und wündsche indeß Er. Majestat glückliche Regierung und Wohlergehen. Gehet ab. PAULET. Das gantze Volck von Engelland dringet auff Er. Majestat hohe Gewalt. Sie haben vergangene Nacht eine Klage wieder die gefangene Maria auffgerichtet / und wollen dieselbige keinen Menschen alß Er. Maj. selber übergeben. Die gantze Gemeine desselben ist am Schloß= Thore versammlet / und erwartet / daß sie ein und vor Er. Maj. gelassen werde. (432) ELISABETH. Was verlanget aber das Volck? PAULET. Daß die verratherische Maria Stuart zur Straffe gezogen / und auß dem Wege geräumet werde. ELISABETH. Alsobald Paulet. Gehet und besanfftiget das Volck; sagt auch / daß wir befohlen / euch die Klage zuzustellen / wir waren schon bereit / ihr Suchen zuerfüllen / und durch Marien Tod ihnen Ruhe zuschaffen. PAULET. Woferne sie nur gehorsam seyn. Gehet ab. GRAFF. ES ist die hochstdringende N o t h / Er. Maj. zu Halse getreten. Sie haben wenig Zeit zu fernem Bedacht. ELISABETH. Die Zeit wird mit der Gedult endlich Rath schaffen. BURGTHEY. Der Rath ist zu spat / wann die Gedult dem Regimente schadet. ELISABETH. Man muß nicht mit Vermessenheit der Fürsten Grab suchen. Die GEMEINE ruffet überlaut: Maria Leben ist Elisabeth Todt. PAULET. Tritt wieder ein. ELISABETH. Was erreget sich vor ein Geschrey des Pobels. PAULET. ES ist dem Volck nicht zu steuren. BROMBLE. N u r mit guten Worten. PAULET. Sie dringen in die Burg. GRAFF. Er. Maj. hoher Cantzler muß bey diesen Auffruhr seine Beredsamkeit brauchen.

Von Staats-Eiffer,

501

3. Discurs

E L I S A B E T H . Den brauchen wir in unsern Rath. {433} Die G E M E I N E ruff et abermahl. Maria Leben κ. E L I S A B E T H . SO saget doch nur von der Hohe des Fensters hinunter / daß sie ruhig seyn sollen. Morgen soll das Urtheil bestätiget werden. Die G E M E I N E rufft wiederum. Maria Leben 2C. B R O M B L E . Gn. Konigin wir seynd alle in Gefahr. B U R G T H E Y . Er. Maj. retten sich selbst das Leben. E L I S A B E T H . So vermahnet sie nur zur Ruhe und saget / daß wir ietzo gleich das Blut=Urtheil unterschreiben. P A U L E T . Stellet sich gleichsam ans Fenster. Elisabeth unsere Gnadigste Konigin gebietet einer loblichen Gemeinde von Engel=Land / sich untereinander zu befriedigen / und ruhig zu seyn. Denn gleich ietzo wird das Blut=Urtheil mit Königlicher Hand unterschrieben. Die G E M E I N E rufft auffs neue. Lange lebe Elisabeth. E G E R T O N . Nun wohl. So wird ein ewiges Wohlergehen dieses Durchlauchtigste Hauß erhalten. E L I S A B E T H . So mag denn das uns abgenothigte Urtheil ergehen. Gehet zu dem Tisch. Und befehlen hiemit solches nach Recht und Gerechtigkeit auffzusetzen. Gebt Feder und Dinte her. Unterschreibet ein Planqvet. Und hiemit habt ihr unsern Namen unterzeichnet / nur das Volck zustillen. Giebt es Egerton. Das Königliche Insiegel aber lasset zur Zeit noch nicht unterdrü-(434)cken / biß wir selber Zeit und Stunde solches zu thun ansetzen. Wir wollen es mit Fleiß durch das Insiegel noch nicht vollzogen haben. Derowegen folget nur / und seyd fernerer Anordnung von uns gewartig. Gehet ab.

Dritten Discurses Erste Unterredung. BURGON, KENEDE, FRAULEIN, BEICHTVATER,

FLORIO.

Sitzet wieder an ihrer Trauer=Taffel. Ο Himmelschreyende Ungerechtigkeit. So tritt man das / was heilig ist mit Füssen. Und so muß die Unschuld unten liegen / wann ein Staats=Eiffer Blut fordert. B E I C H T V A T E R . Bey ruchlosen Sundern kan kein Gebet anschlagen. MARIA.

502

Johannes

Riemer

BURGON. Und solcher Gestalt können Er. Maj. nimmermehr bey Gesundheit erhalten werden. O R L E T T A . Die Thranen seynd umsonst / und wann meine Augen zu Qvellen wurden. KENEDE. Alle Hoffnung zu einer List / sie zu retten / ist bey so scharffsichtigen Feinden verlohren. FLORIO. Was hilfft nun Bartholus und Baldus. Was habe ich davon / daß ich die INSTATIONES stets bey mir in der Ficken getragen. Nachdem in diesen Reiche kein Recht mehr zu finden. {435) Andere Unterredung. Zu diesen

BROMBLE, PAULET, BURGTHEY, GRAFF,

EGERTON.

Numehr ist unserer Konigin und des gantzen Parlaments Wille / daß sie / gewesene Konigin / sich Morgen vor unsern Richt=Beile beugen / und das zuerkandte Recht von uns annehmen soll: Weßwegen sie sich numehr zu ihren Tode gefast halten kan. Uns aber bitten wir zu entschuldigen / daß wir diesen Befehl (übergiebt den Befehl) also ernstlich vorzubringen von hohen Parlamente befehlicht seyn. M A R I A . Lieset und küsset zuletzt das Urtheil. So verehren wir den Spruch des Todes / welchen eine Freundin ihrer eigenen Schwester geschrieben. Wir küssen auch derjenigen Hand / welche wir in dieser Sterbligkeit numehro nicht wieder sehen sollen. Wohl! wir nehmen alles an / weil wir in unserer Unschuld auß diesen Banden erloset werden. Sollen wir ohne Verdienst sterben? wohlan / nur mit Gedult. Aber wehe euch! die ihr die Warheit unterdrucket. Wehe euch! die ihr eine Konigin verführet / eine Konigin zu ermorden. B R O M B L E . Wir haben unser Gemüthe von allen falschen Thun gesäubert / und seynd als rechtmassige Richter erfunden worden. Sie aber ist ihrer Übel that überwiesen / und das gantze Volck fordert die Straffe. Sie beruffe sich nur vor ihren Ende auff des Himmels gnädige Verge(436)bung / ihrer Missethat / und entsetze sich nicht über einen augenblicklichen Hintritt. MARIA. Wie solte diese Seele sich vor einem Schlage entsetzen / welche ohne dem diese Zeitligkeit verfluchet. Wir klagen nur über Gewalt und Unrecht. Weil wir aber eurer wütenden Gewalt nicht entflühen können: so last uns nur in Ruhe sterben. Und gewehret uns unserer Bitte / daß unser vertheidigtes Recht in euren Reichs=Schrifften auffgezeichnet bleibe / damit unserem Sohne kein Nachtheil zuwachse. Und also mag eine Konigin vor eine Konigin sterben. Weinet. PAULET. In dieser Sache können wir ohne unsere Konigin nichts schlüssen. BURGTHEY.

Von StaatS'Eiffer, 3. Discurs

503

GRAFF. Sie schände aber nicht weiter mit solchen unzeitigen Straffen ein hohes Gerichte / damit sie nicht zu grosserer Verantwortung gezogen werde. BURGTHEY. Verratherey muß also bezahlet werden. MARIA. Wir schweren bey diesen heiligen Text / bey unserer Majestat / und dem gerechten Himmel / daß wir an keiner Verratherey schuldig. BROMBLE. Sie schweret bey einen Pabstischen Aberglauben; Sie wird auch durch Eidschwüre ihr Leben nicht retten / welche sie doch schon vielmahl gebrochen. MARIA. Wir begehren auch eurer Gnade nicht: weil wir sterben wollen. Wir schweren / damit iederman unser Todes=Bekantnis erweget. Indeß aber lasse man unsern Beicht* Vater nur mit (437) uns reden / zu Starckung unsers Todtes. BROMBLE. Verfluchte Abgotterey: es streitet mit unsern Gewissen. MARIA. So! so sollen wir auch an der Seele gestrafft werden. BURGTHEY. Schändet sie den Rath unserer Gottes=Gelehrten: so soll ihr der Pabstliche Greuel auch nicht verstattet werden. BEICHTVATER. Wir haben keinen Greuel bey unsern Gottes=Dienste: nachdem das heilige Haubt der Kirche in des Petri Fußstapffen stehet. BROMBLE. Und gleichwohl fehlet ihr des Himmels. BEICHTVATER. U n d ihr der Seligkeit.

BROMBLE. Nach eurer Meynung. BEICHTVATER. Welche in dem heiligen Text gegründet ist. BROMBLE. Wie ihr denselben erklahret. BEICHTVATER. Recht und vollkommen. BROMBLE. Anders und unrichtig. BEICHTVATER. Nach euren Gehirne. PAULET. Unverschämter Priester. BEICHTVATER. Unverstandige Schrifftgelehrten. PAULET. Euch gebühret Sanfftmuth. BEICHTVATER. Und euch die Gerechtigkeit. BROMBLE. Die ist uns von G O t t geboten. BEICHTVATER. Und durch die Priesterschafft verkündiget. GRAFF. Uns gebühret das Recht. (438) BEICHTVATER. D a s weltliche.

BROMBLE. Und die Auffsicht über das Geistliche. BEICHTVATER. Wir müssen die gottlichen Gesetz erklahren. EGERTON. Auff Erforderung! BURGTHEY. Und wann wirs hören wollen. BEICHTVATER. Ο ihr Sünder und Verachter der gottlichen Warheit. BURGTHEY. Schweig Pabstische Otter! oder unsere Gewalt soll dein und unser Recht bald unterscheiden.

504

Johannes Riemer

Wir wiedersprechen unrechtmassiger Gewalt. Kommt / liebe Freunde / wir wollen mit Gebet diesen Drauungen wiederstehen / und den Himmel um Erlösung unserer Konigin anruffen. Gehet ab mit Burgon und Kenede. BURGON. Die gifftigen Pillen der Gewalt seynd zustarck. KENEDE. Und uns viel zu schwer zu verdauen. M A R I A . Ο wie unbarmhertzig wird uns mitgespielet! PAULET. Die Barmhertzigkeit wird zum Laster / wann sie unzeitig ist. B R O M B L E . Fahrt nur fort / Paulet. Ihr wisset / was Ihr. Maj. geboten. Man handle numehr auff keine andere Weise mit ihr / als mit einem aller Ehre und Staatberaubten Weibe / damit sie allen ein Beyspiel Königlicher Rache bleibe. MARIA. Wir tragen alles mit Gedult. Ob (439) wir gleich von dem Himmel zur Crone gesalbet. PAULET. Derselbe Glantz ist langst vergangen. MARIA. Es ist ein eingewurtzelter Frevel der Britten / Königlichen Saamen außrotten. PAULET. Ihr redet / als ob ihr noch Macht zu herrschen hattet. B U R G T H E Y . Entheiligte Majest. Regieret ihr ietzo in Schottland oder euer Sohn? E G E R T O N . Bedencket / wie weit es mit eurer Sache gekommen. MARIA. Und gleichwohl so weit noch nicht / daß wir Muth und Sinn verlieren. Nehmet uns was ihr wollet. Das Vorrecht zu diesen Throne wird uns dennoch die Welt beylegen. P A U L E T . So könnet ihr ohne Schaden dieser Jubelen entbehren. Will ihr den Schmuck abreissen. M A R I A . Wegert sich mit Auff stehen. Entheiliget man in uns der Fürsten Majestät. B R O M B L E . Ein abgearteter Stamm ist solcher Früchte des Königlichen Schmuckes nicht werth. MARIA. Nehmet uns diese Jubelen / wann wir das Leben verlohren. PAULET. Nein! ihr müst euch noch lebendig aller Ehre beraubet sehen. Gehet auff sie zu. Das Fräulein stost ihn weg. O R L E T T A . Ist denn mit dem Unrecht auch zugleich die Scham auffgehoben? Es ist ja iederzeit so hohen Majestäten in ihrem Sterben der Schein der Ehre gelassen worden. (440) PAULET. Fort Trabanten! Weil gute Wort nichts helffen / kehret euch an kein heulen. Vollziehet was uns befohlen. Reissen ihr den Schmuck weg.

BEICHTVATER.

Von Staats-Eiffer,

3. Discurs

505

Dritte Unterredung. (FLORIO.)

Die Innere

GARDINE

schlüst sich.

FLORIO. Was helffen uns Gelehrten nun unsere vielfaltige Wissenschafften? was habe ich nun davon / daß ich über drittehalb Mandel lateinische Worter außwendig gelernet habe; Ich verstehe mein JUREM als ein Kerl verstehen mag. Und wo ich nur noch ein baar Jahr recht angeführet würde / so wolte ich fast das Latein lesen können. Wann ichs gleich nicht eben gar verstehe. Und gleichwohl kan ich den Proceß nicht weiter bringen. Was kan ich machen / die Parlaments=Herren seynd mir zu scharff. So einen Rath in einen kleinen Stadtgen kan ich noch eher was überschwatzen. Ich sehe wohl wie es gehet: man wird der Konigin den Kopff POST POSTERIORA legen / und wann wir Rechts* Gelehrten alle auß einem Maule redeten.

Vierdte Unterredung. Zu diesem

KENEDE

und

BURGON.

FLORIO. Seyd ihrs Kenede? KENEDE. Freylich seynd wirs: Aber ach! der Himmel erbarme sich / ohne Hülffe. FLORIO. Ich will noch einmahl an das gantze Parlament sPECULiren. Denn offt hat eine Sache einen bessern Außgang als Anfang. (441) KENEDE. Ach es ist numehr alles geschehen. BURGON. Morgen soll sie den Richt=Platz betreten.

Fünffte Unterredung. Zu diesen der

BEICHTVATER.

BEICHTVATER. Ach! Ο ihr Herren / was schreckliches neues. FLORIO. W a s nun

da?

KENEDE. Seynd wir auch in Gefahr? BURGON. Ach redet was ists? BEICHTVATER. Morgen ist der Tag angesetzet unsere Konigin zu enthaubten.

506

Johannes

Riemer

Zornig. Das haben wir lange gewust. Warhafftig ich bin erschrokken / Ich dachte der Fincke / den mir gestern unser Wirth geschencket / ware auß dem Vogelbauer davon kommen. Hort Herr Beicht* Vater / wann ihr wolt mit Avisen was verdienen / so müst ihr fein / wann ihr etwas schreckliches habt / zuvor einen feinen PR/EAMBULUS davon machen. B E I C H T V A T E R . Ihr einfaltiger Tropff! ietzt ist wenig Zeit /euren albern Reden Gehör zugeben. Kenede was zu thun? Burgon was meinet ihr. BURGON. Wer kan der Gewalt eines gantzen Reiches wiederstehen. KENEDE. Und wer wil in der Bestürtzung bey so viel wachsamen Augen eine List können außführen. FLORIO. Ich weiß / Herr Doctor was zu thun? curiret Sie zu todte / so hat das Parlament doch (442) nicht seinen Willen / und so können sie ihr auch den Kopff nicht abhauen. B E I C H T V A T E R . Ach ihr redet ohne Verstand. FLORIO. Ey so wollen wir doch zum wenigsten dem Hencker einen Possen thun / und ihr einen Drat durch die Kehle stecken / damit er nicht durchhauen kan. Und ehe er hernach die andere Helffte des Halses durchTRENCHiRet / besinnet sich das Parlament vielleicht eines andern. BURGON. Ach schweig stille; weil des Himmels Verhängnis unvermeidlich / last uns vielmehr gehen / und der Betrübten mit Trost beystehen. FLORIO. Das gehöret vor den Herr Beicht* Vater: Wir werden ja einen andern nicht das Geld vor verdienen. B E I C H T V A T E R . Verfluchtes Volck / strafft man auch geängstete Gewissen mit der Seelen=Qvaal? Betrübte Konigin / soll ich von dir ohne Abschied ziehen? Sehet wie unbillig / wie unrecht und leichtfertig der Handel gestifftet / damit nicht in ihren Seelen* Bekantniß die Unschuld durch mich möge offenbahret werden. BURGON. Der Sohn wird endlich des Mütterlichen Bluts Rache vollziehen. FLORIO. Last sie nur gehen / wir wollen ihnen schon die Feigen weisen. KENEDE. Ο verkehrte Leute. B E I C H T V A T E R . Das Ketzerthum wird schon den Donner zu rechter Zeit fühlen. FLORIO. Was? kommt ein Donner*Wetter / (443) so last uns die Hüte auffsetzen / sonst konte man eine Beile auff dem Kopff davon kriegen. BEICHTVATER. Irriger Mensch. Donner ist eine Macht der Gottheit / vor dem dich weder Hut noch Abgrund der Erden schützen wird. BURGON. Ich weiß nicht / ob sichs Engelland vor eine Ehre achtet / Königlich Blut vergiessen. B E I C H T V A T E R . Ο Schandfleck! welchen keine Zeit außloschen wird. Schottland wird Rache suchen: Franckreich / Gvis und unser heiliger Vater zu Rom (werden) um ihr vergossenes Blut eyffern. FLORIO.

507

Von StaatS'Eiffer, 3. Discurs

KENEDE. Alles Volck wird Weh und Rache fordern. Ich wil hingehen und auff meinen Knien die Richter um Erlösung anflehen. B E I C H T V A T E R . Ach! so entschuldiget mich doch bey der Konigin / und saget / daß ich mit Thranen auff meinen Knien für ihre Erlösung bete.

Sechste Unterredung. MARIA

an der

Trauer=Taffel.

suchen wir zwar diese Nacht vor unsern Tode durch eure Gesellschaft hinzubringen. Stehet sich um. Wo seynd dann unsere einigsten Freunde / daß sie uns ohne Trost lassen / hat man sie auch etwa in Bande geleget.

M A R I A . SO

Siebende Unterredung. BURGON

und

FLORIO

und

K E N E D E ZU

dieser.

MARIA. Sehet / wie eure Konigin vergehet. {444) KENEDE. Wil sie etwa den letzten Abschied von uns nehmen. MARIA. Ja! Getreuester Diener: Weil uns der Tod sehr nahe. Dieses Silber= Geschirre / mögt ihr so bald wir hingerichtet zu euch nehmen. F L O R I O . Heulet uberlaut. Ha — MARIA. Gib dich zu frieden / treuer Florio. Und betrübe dich nicht so sehr über meinen Tod. FLORIO. Ach über den Todt wil ich mich wol zu frieden geben! aber das schmertzt mich so sehre / daß ihr mir keine Becher vermacht habet. Ha. Ha! KENEDE. Pfui du liederliches Blut. Aengstige nicht mehr die schon geangstiget ist. FLORIO. Da hast gut sagen: da du die Bechergen schon weg hast. MARIA. So nimm nur diesen zum Andencken hin. FLORIO. Je nun. Je nun ihr liebe Frau / zu tausend guter Nacht. Lauter Glück auff den Weg. MARIA. Ach liebsten Kinder! Die Betrübniß setzet uns hefftiger zu / als wirs vermeinet. Sehet ihrs wie unsere Hände zittern. Sie vermögen kaum diesen leichten Becher zu erheben / da sie doch zuvor die Last eines dreyfachen Scepters ertrugen. KENEDE. Ach so kan der Jammer auch die alleredelsten Gemüther darnieder schlagen. Weinend.

508

Johannes Riemer

MARIA. Wir seufftzen nicht so wohl über un-(445)sern Tod / als über euren Jammer. Ο hochstbetrubte Seelen! BURGON. Wann wir nur durch unsern Tod sie erhalten konten. MARIA. Nichts. Nichts. Mein Vorsatz ist einmahl zu sterben. Ihr aber lernet durch diese Freymüthigkeit / wie ein gutes Gewissen auch im Tode unverzagt bleibe. Empfahet hiemit zu einen frolichen Abschied diesen Trunck zur guten Nacht. Trinckt. FLORIO. Einen glucklichen Trunck. PROSIT. PROSIT. Er. Maj. trincken nicht zuviel / sie konten im feuchten Grabe die Wassersucht kriegen. M A R I A . Stehet a u f f . Ach. Geliebteste Treue / wo seynd nun Freunde die uns trösten helffen.

Achte Unterredung. Zu diesen

PAULET.

PAULET. Nun wie ists? Krancket Eure Konigin nicht weiter / und last sie lieber ihre Schmertzen verschlaffen. MARIA. Konnet ihr Unholde unserer Freunde Trauren nicht vertragen? PAULET. Wozu nützt unnütze Weinen. FRAULEIN. Ach! nun last sie uns erst die Thranen als letzte Liebes-Zeichen zurücke. MARIA. Nun der Höchste weiß es allein / warum uns dieser Jammer zugezogen. Unsere Unschuld wird nicht mit uns sterben. Und damit es aller Welt kund gethan werde / so bringet Feder Dinte und Papier. Schreibet drey Brieffe. (446) FLORIO. Gnadigste Frau. Sie schreibe nur nichts auff / wir wollen uns schon in die Sachen theilen. KENEDE. Sie schreibet. Aber ach wo ist Rettung zu hoffen? MARIA. Ach vergebliches Suchen / wir bahnen uns selbst den Weg zum Tode. Legt den Brie f f zusammen. Hier Kenede: auff diesen schreibe Franckreich: Dieses an die Gvisen. Und hier soll Engelland lesen / die Zeichen unserer Treue / wie sehnlich wir dessen Ruhe gesuchet. Hier Paulet / übergebet dieses Elisabeth nach unsern Tode. Unsern Beichtvater grüsset und saget / daß er für uns auff dieser Erden bitten soll. Stehet wieder auff und gehet hervor. Paulet / wie lange haben wir noch Zeit übrig den morgenden Tag zubeklagen. PAULET. Die Nacht ist in ihrer Scheidung. Und die Morgen-Rothe beginnet schon hervor zubrechen. MARIA. Wohl! So brich denn an / gewündschter Morgen / der du unsere Seele auß diesen Banden erlosen wirst. Numehro vergehet uns der

Von Staats-Eiffer,

509

3. Discurs

Muth / und das Hertz beginnet schon mit milden Blute zu trieffen. Man setzt uns harter zu / als Haß auff Königliches Blut erbittern kan. Getreueste / nehmet unsern Tod nicht so sehr zu Hertzen: Der Höchste wird dieses Jammers bald ein Ende machen. Euch verbleibet inzwischen nach unserm Tode / was wir in unsern Testament euch vermacht / welches wir schon langst (447) verfertiget. Und lebt damit wohl. Jedoch bleibet bey uns / biß dieses enthalsete Haubt auff dem Richt=Platz erblasset. Ach die Todes=Angst mehret sich. Kommt ich muß Kraffte schopffen: und verschaffet daß ich noch der letzten Ruhe geniesse. Der Himmel halte uns in seiner Wacht / Wer aber uns in dieses Leid gebracht / Der wird der Straffe nicht entflühen. Man sucht uns nur ins Ketzer-Garn Zuziehen / Es wird ihn nicht gelingen. Die Sache wird sich selbst vor dich Ο Himmel bringen. Qvält uns gleich der Verdruß / Daß man sich sehen muß / Von Freund und Welt verlassen. So wirstu doch die Zahren / Die wir so hauffig dir gewahren / In deinen Gnaden=Schoß aufffassen. Die Königin wird auffs Bette gefuhret. Die Innere Gardine schleust.

Neundte Unterredung. ( P A U L E T , ) BROMBLE, BURGTHEY, EGERTON,

GRAFF.

BROMBLE. Ist die Wache starck versehen / und ist außgerichtet / was wir befohlen. EGERTON. Gnadiger Herr / es ist alles anbefohlen wie es seyn soll. BURGTHEY. SO wird numehr alles zum Gerichte fertig seyn. PAULET. Alles: nur daß nicht etwa ein Gedrenge fremdes Volcks auf dem Richt= Platz entstehe. (448) BROMBLE. Recht. Unser Leben hanget in dieser Sache an einer behutsamen Vorsicht. Die Thore müssen verschlossen bleiben / und kein Mensche weder auß noch ein gelassen werden. Von aussen kan man 200. Reuter einlassen / und die 2000. vom Hoff zur Gegen-Wehr in Bereitschafft stellen. 33

Riemer II

510

Johannes

Riemer

PAULET. Alles soll in fleissiger Obacht stehen. BROMBLE. Verwahret die Burg auffs fleissigste. Wer ist Frembdes hier? BURGTHEY. Wer verunruhiget uns bey der Nacht.

Zehende Unterredung. Zu

diesen

KENEDE.

KENEDE. Auff eure Gnade knie ich hier vor eure Hoheit mit Zittern und Schrecken über das hohe Gerichte / welches über eine Konigin gesetzet. Die gantze Welt erzittert davor / indem sie einem Abscheu traget / vor solcher unerhörten Gewalt. Derohalben ich dann auff meinen Knien bitte / die Unschuld einer Konigin von mir in Gnaden anzuhören. BROMBLE. Wie? Kenede. Wolt ihr euch auch noch unruhig bezeugen / und das / was die Gerechtigkeit unserer Konigin verordnet / hindern helfen? Uns wundert / daß ihr euch so vergebens bemühet. KENEDE. Ists umsonst / so hat es doch zu Befriedigung meines Gewissens gedienet. Und G O t t wird die Rache fordern. BURGTHEY. SO mag sie in Ruhe stehen / und von dannen die Hulffe erwarten. (449) KENEDE. Wann sie nur keine Konigin ware. EGERTON. Das Recht erkennet keine Majestat. KENEDE. Die Gesetze aber seynd denen Unterthanen geschrieben. BROMBLE. Das Recht der Volcker fordert auch von denen Konigen die Bestraffung der Missethat. KENEDE. Wer hat sich aber iemahls das Hertz genommen / solches Recht an der Majestat zuvollziehen. BROMBLE. Viel vor uns / und nach uns noch vielmehr. KENEDE. SO haben in Engelland Fürst und Unterthan keinen Unterscheid. EGERTON. Darumb ist unsere Gerechtigkeit zu preisen / als welche keine Person ansiehet. KENEDE. Eine Konigin ist niemand unterthan. GRAFF. Durch Verratherey ist aller Glantz verlohren. KENEDE. Der Wille ist nicht mit der That zubestraffen. GRAFF. E y ! Der Wille ist ein Vorlauffer böses Beginnens. KENEDE. Sie ist unschuldig. BROMBLE. Sie ist schuldig.

KENEDE. Schuld ist eher zu beweisen / als Unschuld. BURGTHEY. Wir beruffen uns auffs Recht. KENEDE. Und ich auff Gnade. EGERTON. Gnade verstarckt.

Von Staats-Eiffer,

511

J. Discurs

GRAFF. Und Straffe erschreckt die Verbrecher. (450) KENEDE. Stamm und Geschlechte seynd zubedencken. B R O M B L E . Diesen allen gehet das Vater=Land vor. K E N E D E . SO lasse man doch an statt des Todes die Gefängnis Statt haben. GRAFF. Damit ist keinem Theil Sicherheit und Ruhe gegeben. K E N E D E . SO kan doch indeß die gantze Christenheit das Urtheil erwegen. B R O M B L E . Ey was! wir erwegen die Sachen / und straffen nach Befindniß. B U R G T H E Y . Ein Gerichte schlagt gleich zu / und das ist der Engellander Art. KENEDE. Das haben wir leider erfahren. P A U L E T . SO ist auch ietzo keine Enderung bey der Hand. KENEDE. Und alles Bitten umsonst? B R O M B L E . Umsonst. KENEDE. Und keine Gnade zu hoffen? GRAFF. Keine Gnade zu hoffen. K E N E D E . Zornig. So soll Schottland die Rache fordern / und Franckreich / Spanien / Gvisen / und unser Heil. Vater selbst zu Rom eure Barbarey zur Straffe ziehen. Gehet ab. PAULET. Drohen ist vergebens. K E N E D E . SO wil ich noch einmahl bitten. B R O M B L E . Und wir können nichts verstatten. K E N E D E . SO mögt ihr in zaumlosen Blut=Begierden fortfahren / und den Himmel erzürnen.

Eilffte Unterredung. Zu diesen

FLORIO

mit einen Arm voll

(451) Büchern.

FLORIO. Es ist mir lieb / daß ich die Herren beysammen finde. B U R G T H E Y . Und uns ist es nicht gar angenehm. F L O R I O . A D SPECTATORES. He he / sie fürchten sich schon vor denen Kerlen / weist auff die Bücher. E G E R T O N . Was habt ihr dann anzubringen. F L O R I O . Hier wil ich euch auß denen FUNDAMENTIBUS J U R I und auß denen Pandreckten / wie auch aus dem PODICE beweisen / daß meine Konigin unschuldig sey. P A U L E T . E S ist keiner solchen Mühe von nothen / das Urtheil ist schon gemacht. F L O R I O . S O ! fast man in Engelland Urtheil / ehe die Verbrecher überwiesen seyn. So werdet ihr die INQVISITION gewiß anstellen / wann der Kopff herunter ist. 33*

512

Johannes Riemer

GRAFF. Da hat ein solcher Ungelehrter nicht Macht darnach zu fragen. FLORIO. Der Herr verzeihe mir / w o ist er doch Doctor worden. PAULET. Standes Leute achten keinen Doctor Titul. FLORIO. Wann sie nur sonst Studiret haben / und den Grund des Staats verstehen. GRAFF. Backe dich von hinnen / du Storer unsers Friedens / oder du solst eines andern Tractaments zugewarten haben. FLORIO. Hort doch / ihr zweyjahriger Graffe. (452) Euer Vater und mein Vater waren wohl Dutz-Brüder zusammen. Denn meiner war ein Schuster / und eurer ein Brauer. Unter uns beyden aber ist die Bekandtschafft noch nicht so hoch gestiegen. O b ihr euch gleich vorm Jahre in Hunds* Tagen zum Graffen schlagen lassen. Beym Element / Wirfft den Mantel weg. Kommt her ich wil sehen / ob ich euch wieder zum Bürger und gemeinen Manne schlagen kan. GRAFF. Entblost das Gewehr. Was? FLORIO. Ey mit trucknen Fausten. Läufft ab und last die Bächer liegen. GRAFF. Ο daß ich dich nicht ermorden soll. BROMBLE. Hr. Graf / er hange nicht dem Zorne nach. Wir haben etwas wichtiges unter der Hand. K o m m t und folget / die Zeit ist vorhanden / w o das Urtheil nicht soll verhindert werden. GRAFF. Ich wolte / daß die Verratherin schon in ihren Blute läge. BURGTHEY. Ich bin der M e y n u n g .

PAULET. Ich wundsche guten Fortgang. EGERTON. U n d ich ein gewündschtes Ende.

Vierdten Discurses Erste Unterredung. ELISABETH, BROMBLE, BURGTHEY, G R A F F ,

Innere Gardine bleibt

PAULET.

zu.

ELISABETH. A C h ! W o seynd wir hingebracht mit (453) unserer Gerechtigkeit / daß wir wieder eine Konigin mit Lebens=Straffe zuverfahren gesonnen waren. Wie schwer ist doch des Scepters Macht / welches mit hauffigen Kummer und Sorgen erfüllet ist. Es ist zwar wahr: Die Rache gegen seinen Feind scheinet zwar süsse. W o aber das eigene Blut vergossen wird / so ist sie mit schwerer Sorge beladen / daß unsere Füsse auff einen so Spiegel-glatten Eise nicht ohne Wancken stehen können. Darum

Von Staats-Eiffer,

4. Discurs

513

wollen wir zu Erleichterung unsers beschwerten Hertzens einen andern Schluß fassen. Alsobald gehet nach Egerton / und lasset ihn mit Vollziehung des Urtheils innehalten. Gehet alsobald / damit wir nicht allzugeschwinde mit solchen Blut=Urtheil übereilet werden. Paulet gehet abe. Burgthey und der Graff fallen ihr zu Fuß. B U R G T H E Y . Wir bitten / Machtigste Konigin / sie ziehe doch nicht zurükke / was sie sich einmahl vorgesetzt. GRAFF. Und wie kan Egerton wieder zurück geruffen werden / welcher ietzo das Urtheil schon vollstrecken last. E L I S A B E T H . Wir wissen schon / was wir Egerton befohlen / und daß er die Sache in Geheim / biß zu unserer fernerer Verordnung behalten solle. B R O M B L E . Man kan {vor) Verrätherey nicht geschwinde genug auff der Hut seyn. E L I S A B E T H . Jedoch muß es ohne Beleidigung unserer Gerechtigkeit geschehen. (454) B U R G T H E Y . Maria ist nach dem Gesetze verurtheilet. E L I S A B E T H . Eben diese Gefahr setzet uns in Furcht. B R O M B L E . Die Furcht ist umsonst / und hat gleiche Eigenschafft mit vergeblichen Bedrohungen. GRAFF. Zudem wird alles Volck über diese Gerechtigkeit jauchzen / und die Liebe gegen unsere Konigin vergrossern. E L I S A B E T H . Das Volck darff nicht über eine Majestät triumphiren. B U R G T H E Y . Indeß vollziehe nur eure Majestät die Rache. E L I S A B E T H . Die Feinde möchten unsere Ehre verkürtzen. B R O M B L E . Die Gerechtigkeit ist keine Tyranney. E L I S A B E T H . Die Stürtzung Königliches Blutes ist nie wohl in Engelland abgelaufen. B R O M B L E . Die sich selbst in ihren Regiment nicht wohl vorgesehen / seynd von ihren Britten mit eigenen Unverstände gestrafft worden. E L I S A B E T H . Ey so wollen wir sie doch zum wenigsten von der Faust des Henckers erretten. B U R G T H E Y . Gnädige Konigin / diese Entschlüssung ist zu spät. E L I S A B E T H . Und warum zu spät? Des Parlaments Wille ist nicht über uns gesetzet. B R O M B L E . Gleichwohl war das Urtheil mit Er. Maj. Insiegel bekräfftiget. {455) GRAFF. Und damit seynd die Herren zu gehorsamer Vollziehung geeilet. B U R G T H E Y . Ich achte davor / daß Maria schon den Beil=Schlag außgestanden. E L I S A B E T H . Wer hat unsere hohe Gewalt also gemißbrauchet?

514

Johannes

Riemer

Andere Unterredung. EGERTON.

Auff Er. Maj. hohe Gnade / knie ich hier in meiner Unschuld mit demüthigen Flehen / das Leben eines armen Knechtes / nicht mit dem Tode zu straffen / welcher unwissend wieder dero Gebot gehandelt. Auff Er. Maj. Befehl hab ich das Urtheil mit des Königreichs Insiegel bekräftiget / solches auff ihren Begehren denen Parlaments=Herren außgehandiget / und ob mir zwar durch Paulet der veränderte Schluß Er. Maj. anbefohlen / so habe ich dennoch das Urtheil nicht mögen wieder zurück ruffen: indem ich selbst der Meinung mit so hohen Richtern gewesen / Er. Maj. würden dennoch den Tod Marias bestätigen. E L I S A B E T H . Verfluchter Ungetreuer / weist du nicht besser die Heimligkeit des Staats zuverbergen? Siehe wie unbesonnen du den Eyd brichst / welchen du uns geschworen. Haben wir dir nicht das Urtheil zu treuen Händen biß zu unserer Gelegenheit überlassen? Gehe bey Vermeidung unsers brennenden Zorns / daß alsobald mit der Straffe innegehalten / und das Urtheil wieder (456) zu unserer Hand gebracht werde. Maria soll und muß leben. E G E R T O N . Dieses armselige Leben stehet in denen Händen Er. Maj. Ich wil sterben / weil ich Er. Maj. so schwer erzürnet: Denn ich kan das jenige nicht wiederruffen / was schon geschehen / denn ietzo gleich diesen Augenblick hat sich Maria schon vor dem scharffen Beule Engellands bükken müssen. Und gleich dieses Theil der Stunde ist dazu angesetzet worden. E L I S A B E T H . Ungerechte Blutvergiesser. Die Urheber sollen mir das Blut unsrer Schwester theur genug bezahlen. Fallen alle nieder auff die Knie. B R O M B L E . Wir bitten nochmahls umb Engellands Heil und Wohlfahrt. E L I S A B E T H . Soll man also durch Edles Blut Heil und Sicherheit erkauffen? B U R G T H E Y . Durch ihren Tod wird dieses Reich erhalten. PAULET. Und so muß eine Konigin umb die andere eiffern. E G E R T O N . Nun ist ja alles sicher und stille. E L I S A B E T H . Ach Schwester! wir bedauren dich. Rechne deinen Tod uns nicht zu. Die Untreu unsers feindseligen Dieners hat dein edles Leben bezahlet. Ach! Wir gehen in unser Trauer*Zimmer / dich zubeehren. Ihr aber frevler Richter / machet euch bereit vor eure Untreue mit dem Leben zu büssen. Gehet ab. (457) B R O M B L E . Dem Parlament stehen solche Bedrauunf.en nicht an. PAULET. Ο das Beil ist noch vorhanden / womit Heinrich / Edvard / Malcolm und andere mehr die Macht des Parlaments haben erkennen müssen.

EGERTON.

Von Staats-Eiffer,

515

4. Discurs

BURGTHEY. Deßwegen ohne Furcht. EGERTON. Die Bedrohungen der Konige in Engelland verursachen schlechte Furcht. BROMBLE. ES seynd geschwinde Begierden / welche geschwinde entstehen / und geschwinde wieder müssen bereuet werden. Aber ihr Herren wir müssen uns dennoch gefast halten: und eilen / damit das Urtheil in voller Geschwindigkeit vollzogen werde. PAULET. Ο numehr haben wir gewonnen / nachdem Elisabeth in die Gedancken gebracht / als sey Maria schon enthaubtet. BURGTHEY. Wir haben aber dennoch nichts zuverziehen. Denn es hat offt ein kleiner Verzug eine grosse Sache gehindert. BROMBLE. Aber ist denn alles bestellt / daß / so bald wir erscheinen / das Haubt durch den Beil=Schlag von ihren Schultern springe. EGERTON. Alles ist fertig / und die Hencker warten nur / biß man ihnen das Haubt darbiete. BROMBLE. SO last uns denn eilen; EGERTON. Woferne die gantze Sache sich nicht verkehren soll.

Dritte Unterredung. SCINDIMUS

und

TENET.

(458)

Hencker= Meister und Knecht.

Die mittlere Gardine eröffnet den Enthaubtungs

APPARAT.

SCINDIMUS. Siehstu nun / Tenet / daß unsere nothwendige Kunst auch biß zu denen Cronen steiget. TENET. Mir ware Angst und bange / wann ich das Beil wieder die schone Konigin auffheben solte. SCINDIMUS. ES ist wahr / meine Faust erzittert wann ich dran gedencke. Alleine wann ich erwege / wie der Himmel der Obrigkeit das Schwerdt oder Beil verliehen / zu bestraffen alle die / so böses thun / so wachst mir der Muth. Wir seynd bestellte Diener zur Gerechtigkeit. TENET. WO aber etwas ungerechtes mit unterlaufft. SCINDIMUS. Das müssen die Richter in ihrem Ausspruche verantworten. Ich thue nichts ohne Befehl. He he! ich höre ein starck hin und hergehen. Mache dich bereit. Scharffe das Beil / und laß die Schneide durchauß nicht von dem Volcke sehen / biß ichs zum Streich fordere. Es giebt in Engelland verboste Leute / welche auß Feindschafft / durch heimliche Hexerey uns einen Possen beweisen konten / daß mir der Streich mißünge. TENET. So hatten sie eine Sache an uns zusteinigen.

516

Jobannes

Riemer

Solte uns der Streich auff Ver-( 4 5 9 ) hangniß des Himmels mißlingen / so fliehen wir hinter den Groß=Cantzler / der wird uns wohl schützen. Zudem seynd wir hier ohne Sorgen. Dieweil unser Ambt ohne Gegenwart des Pobels soll vollzogen werden. TENET. Soll ich denn die Konigin angreiffen. SCINDIMUS. Freylich! Du must ihr das Haubt halten. Gehe her und knie an den Richt=Ort / ich wil dir noch einmahl den Handgriff weisen. Denn es bleibt dabey / wohl halten ist der halbe Streich. T E N E T . Kniet nieder. Wohl wohl! ich werde mich wohl in acht nehmen. SCINDIMUS. Nimmt ihn beym Haubt. Siehe so? mustu braff an dich ziehen. Denn so spannen sich alle Adern sammt der Gurgel / daß man desto gewisser kan durchschneiden. Sie kommen. Sie kommen. SCINDIMUS.

Vierdte Unterredung. Erst B R O M B L E mit allen Zugehörigen. und G R A F F führen M A R I E N bey der Hand. Denen folgen M A R I E N B E D I E N T E N alle in schwartzen Kleidern. PAULET

MARIA. Wer nun sich auff das blinde Glück zuverlassen gedencket / und seinen Glantz vor gottliche Beschirmung anbetet / der komme und lerne allhier / wie er so wanckend sitzen / und von dessen Ehren=Gipffel mit verlust aller Lebens-Pracht fallen muß. Wer wil uns Konige in solchen Stande / auff Erden Gotter / und dieser Welt herrscher nennen / wann des Scepters Macht / und des Thrones Grund-Ve-( 460) ste also zerbrechen / und durch einen Schlag dahin fallt. Gleich wie alles in der Welt der Veränderung unterworffen: also kan auch die Majestät diesem Gesetz der Eitelkeit sich nicht entziehen. Es ist zwar die heilige Majestät mit himmlischen Merck-Zeichen auff dieser Erden gezieret / indem sie ihren Ursprung von einem Liechte empfangen / welches in ihr die Beherrschung in dieser Welt bekräftiget / und mit Macht und Herrligkeit erleuchtet; Weil sie aber in einer gleichen Sterbligkeit mit Unterthanen geboren / kan die Boßheit der Menschen solchen Glantz in ihrer Gemüths=Verduncklung nicht begreiffen / daß sie so ungescheut auff gesalbte Haubter lästert / und einer gleichen Leibs-Straffe unterwirfft / welche sie als Menschen / unter sich bestätiget. Nun /wir erkennen des höchsten Vorsehung in solcher Sterbligkeit / und wie wir seinen Willen unterworffen. Wir müssen uns in diesen Elend verlassen sehen. Jeaoch soll dieses Hertz nicht kleinmüthig werden / und vor einen Beil-Schlag erschrecken. Denn wer auß Verzweifflung stirbt / ist keines Lobes werth. Wie wir bey Menschen hoch erhaben gewesen / also haben wir auch eines hohen Falles uns

Von StaatS'Eiffer, 4. Discurs

517

von denenselben zu getrosten. Der Donner trift meist die hohen Cedern. Wir seglen auff einer unglücklichen See / welche uns in diesen erschrecklichen Hafen leitet. B U R G T H E Y . Warum hat man nicht bey Zeite die Seegel geiler Regiersucht fallen lassen. MARIA. Ach! biß an unser letztes Ende wollen wir unsere Unschuld behaubten / und die hohe Gerechtigkeit / über eurer falschen Beschuldigung anklagen. B R O M B L E . E S kan keine halßstarrige Verzweifflung die Schuld bedecken. MARIA. Euer Ruhm wird desto eher vergehen: Dieweil ihr Königlich Blut vor die Befestigung eures Thrones dahin gebet. Wir wollen alles mit Gedult leiden / damit wir euch zu fernem Lästern nicht Anlaß geben. Die Beständigkeit ist eine Artzney wieder das Unglück / und achtet keinen Frevel der Feinde. Mit was vor Freudigkeit des Gemüths wir euer Urtheil in unserer Unschuld angehöret / in dersel-(46i)ben wollen wir auch sterben. Ihr aber liebsten Kinder und biß zu meinem Tode Getreue / sparet der Thranen / weil ihr uns mit solchen Wehe=Klagen auß diesen Jammer nicht erlosen könnet. Es ist alles Thranen vergebens / wo es Blut kostet. Kommt nur und nehmet mit Küssen von eurer Konigin den letzten Trost / ehe noch diese Hand mit Blut gefarbet wird. Sie küsset ihnen allen die Hand. Werthester und getreuester Hofmeister / euch sey hiemit unser letzter Abschied an unsern geliebten Sohn / anvertrautet. Er alleine ist der Schmertz in dieser Noth / welcher an unsere Seele gehet. Ο daß man doch nur denselben hatte zu uns bringen lassen / daß wir ihn / Ο das unschuldige Kind noch einmahl hatten küssen sollen. Wir gebohrne Konigin / eine Gesalbte auß dem Geschlechte des grossen Heinrichs befehlen / daß unser geliebter Sohn diese Wort in seiner Regierung bestätige. Wir bitten ihn / daß er GOtt mit reinen Hertzen diene / die allgemeine Kirche beschütze /in dem Glauben / welchen er unter dem Hertzen seiner Mutter empfangen / und von seinem Vater gelernet / biß in seinen Tod rein bewahre. In Gerechtigkeit Land und Leute regiere / Ruhe und Friede erhalte / und sich nicht / wie wir gethan / eines andern Herrschafft anvertraue. Auff diese Welt soll er sich nicht verlassen / weil nichts bestandiges / ausser dem Himmel / zu hoffen. Insonderheit aber soll er sich hüten / Elisabeth in ihrer Regierung nicht zu hindern / sondern alles GOTtes Rache befehlen. Meine Unschuld aber wollet ihr der gantzen Welt außbreiten. Weinet. KENEDE. Sie gebe sich zu frieden Durchl. Princessin. Der höchste Richter wird sich ihrer Noth annehmen / und die Unschuld in aller Welt Augen setzen. Küsset ihr die Hand. Ich bleibe ihr bestandig mit Treue biß in Todt.

518

Johannes

Riemer

MARIA. Kan es seyn / ihr Herren / so bitte ich / man lasse unser armes Hof=Gesindgen / zugleich auch diesen Richt=Platz betreten / damit sie Zeugen seyn / unserer Standhafftigkeit / welche wir bey unserm Tode sehen lassen. B R O M B L E . Wozu dienet solches: Sie werden nur durch unnothiges Heulen ihre Schmertzen vergrossern. {462) B U R G T H E Y . Wil sie aber nicht zum Trost einen von unserer Priesterschafft in ihrer letzten Stunde bey sich haben. MARIA. Nachdem uns nicht vergönnet / unsern Beicht*Vater zu Trost um uns zu haben / warum solten wir den letzten Blick unsers Lebens mit Ketzergiffte hinrichten lassen. Alle Engellander fallen auff die Knie. B R O M B L E . Ruf ft laut. Der Himmel wolle Mariam erlosen und selig erhalten. Stehen wieder auff. MARIA. Habet Danck vor eure Vorsorge. Der Himmel wird verhoffentlich diese Thranen abtrucknen. Nun gute Nacht liebe Getreue! weinet nicht / sondern sehet mit standhafften Gemuht eurer Konigin Abschied an. Noch eins bitten wir von euch / und eurer Konigin / daß ihr nach unsern Tode diese unsrigen alle wollet ohne Bekranckung wieder in Schottland ziehen lassen. B R O M B L E . Was das Wirth=Recht vor sie verordnet / bleibet allezeit unverkürtzt zu ihren Schutz. MARIA. Nun wir gesegnen euch mit dem letzten Kuß. Gute Nacht / Welt / Herrligkeit und Crone. Gute Nacht zarter Sohn / du einiges Betrübniß / so ich mit mir ins Grab nehme. Gute Nacht geliebte Schwester Elisabeth / die du zu meinen unverdienten Tode deine eigene Hand und Siegel hergegeben. Und gute Nacht auch ihr / die ihr in treuer Beständigkeit mir biß zum letzten Schritte meiner Tage / auff diesen Richt=Platz nachgefolget. Ja gute Nacht alle / die mit uns den letzten Punct unserer Unschuld beseuffzet. Lebet glücklich: Der Himmel segne euch. Lernet auch zugleich an meinen Exempel / daß in der Welt keine bestandige Ruhe zu erwarten / sondern daß auch Cronen Ehre / Staat und Gut zerbrechlich sey. SCINDIMUS. Er. Maj. verzeihen einen Knechte der heil. Gerechtigkeit / welcher ietzt Hand an sie legen muß. MARIA. Gar gerne! thut was euch befohlen. Entsetzt euch nur nicht vor einer Maj. welche von allen Freunden verlassen: und auf deren warmes Blut ihrer viel lauren. Und damit wollen wir diesen herben Schluß auff unsern {463) Halß laden / und euch nochmahls dem Himmel befehlen. Ehret nochmahls werthe Freunde unsern Todt / und folget unsern Wandel. Nehmet Kleid

519

Von Staats-Eiffer, 4. Discurs

und Schuh zu euch / und verwahret ihn / weil sich doch durch diesen Todt unsere Herrschafft und dieses Schau=Spiel enden muß. Ihr aber mein verordneter Nachrichter / nehmet euch in acht / und sorget vor die Richtigkeit eures Vorhabens. Ich knie willigst nieder / wil auch mein Haubt auff diesen Richt=Pflock legen. Last mir aber nur so lange frist / biß ich mein geheimdes Gebet verrichtet. So dann wil ich euch mit denen Händen ein Zeichen geben / wornach ihr euren Streich einzurichten habt. H E R R auff dich trau ich / laß m i c h zu s c h ä n d e n w e r d e n .

nimmermehr

Hiemit geschickt der Streich. BROMBLE. SO dancken wir nun unserer Konigin / und der heil. Gerechtigkeit /als welche durch diesen Todt das Heil unser / und des Reichs bestatiget. BURGTHEY. Wir dancken dem / welcher seines Landes Straffe von unsern Haubtern gewendet. GRAFF. Der Himmel segne nun unser Land / und vereinige es mit diesen Blute. EGERTON. Gelobet sey / und lange lebe Elisabeth.

Fünffte Unterredung. Der B E I C H T V A T E R mit etzlichen Singenden Bedienten der enthaubteten Konigin / wie auch F L O R I O , fordern hierauff den Leichnam ab / und stellen denselbigen in einen kostbaren C A S T R O D O L O R I S denen Zuschauern vor / mit folgender feurigen Umschrifft. M A R I A STUARTA, GALLIG &

SCOTIA

P R O P T E R ZELUM

REGINA,

RELIGIONIS

LAPSA SECURI.

(464)

DIE UNVERWANDELTE DAPHNE IN DER BESTÄNDIGEN HELENA. ALS H R . JOHANN

PHILIPP

KRIEGER

/

H O C H = F U R S T L . SACHS. WOLBESTALTER

KAPELL-

M E I S T E R ZU WEISSENFELS / SEINE VERLOBTE UND GELIEBTE B R A U T JR. ROSINEN

HELENEN

GEBOHRNE NICOLAIN DA

/

DIESE

A M 2 5 . M A Y DIESES 1 6 8 4 S T E N JAHRS V O N H A L L E AUS / MIT IHRER FREUNDSCHAFFT Z U DER ANGESTELLETEN

HOCHZEIT-FESTIVITÄT

IN WEISSENFELS ANLANGETE / U N T E R EINER A B E N D - M U S I C SEINER EIGENEN

COMPOSITION

AUFF GNÄDIGSTE VERGÜNSTIGUNG M I T DER H O C H - F U R S T L .

HOFF-CAPELLE

W I L L K O M M E N HIESS / VORGEFUHRET VON JOHANN

RIEMERN.

WEISSENFELS / DRUCKTS J O H A N N B R Ü H L / F . S . H O F - U N D A U G U S T . B U C H D R .

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SßtiflcnfelS/ örurft63of>enniBcöftl/ Χ-β,^οί- tinb Auguft. 23ud;tr.

Personen der SERENADE. DAPHNE. LEVCIPPUS. HELENA. A P O L L O . A M O R .

LEVCIPPUS.

W i l l Daph ne nicht: so liebet mich Helene Des Paris schönste Schone. DAPHNE.

Und will Leucippus nicht / so ist Apollo mein. LEVCIPPUS.

Ich nehme euch wol endlich alle beyde Zu meiner Lust und Freude. DAPHNE.

Greif nicht zu weit und laße / was nicht dein. Wenn Liebe angefangen So muß die Liebste prangen In richtigen Bestand. Sonst ist die Lieb ein Tand. Wer einmal / ja / hin giebet Und nicht bestandig liebet / Der reitzt mit seiner Schuld Des Himmels Ungedult. LEVCIPPUS.

Wie so? DAPHNE.

Das wird dir Amor schon entdecken. AMOR.

Ach! fordre dieses nicht.du wirst dafür erschrocken. Wer sich Liebe bildet ein Wo ich / Amor / nicht will seyn / Der ist einen Thoren gleich Und beschämt der Gotter Reich.

Johannes

Riemer

Wer sich daran will vergnügen / Was das Glücke nicht will fügen / Der muß endlich gar mit Trauren Seinen Frevel spat betauren. LEVCIPPUS.

So bleibt doch Daphne mein. So mag es immer seyn APOLLO.

Du matter Wurm / stich du dich nur nicht drein. Mein muß sie seyn. Die Gottheit wils so haben / Und Venus sonderlich mit ihren jungen Knaben. LEVCIPPUS.

Nim sie nur hin. Was achte ich denn das? Deßwegen mache ich kein Auge naß. Will mich ein Magdgen gleich nicht haben / Und kündigt mir den Handel auf: Darum laß ich mich nicht begraben. Die Sache habe ihren Lauff. Ich laß es gehen wie es geht. Ich weiß schon / wie die Sache steht. Will diese nicht / so find sich eine andere / Wenn ich das Land durchwandere. Und wenn mich gleich auch keine nehme So giebt mein Kopff doch wenig drauf. Ein Lauer / stürtzet sich in Strome Und hanget sich deswegen auff; Wenn eine Nymphe stehet da Die nicht fein bald will sagen: Ja. Will diese nicht / so finden sich zehn andere / Wenn ich das Land durchwandere. AMOR.

Leichte Sinnen wancken leicht / Wer die blöden Vogel scheicht / Der wird selten etwas fangen. Wer hat iemals was vermocht Der die Liebe hat gepocht? Was kan Trotzen doch erlangen? Ein gut Wort find gute Stadt. Also / wer Gedult nicht hat /

Die Unverwandelte

Daphne

Mag sich lieber nicht beweiben. Oben naus und nirgends an Hat noch niemals gut gethan / Besser ists alleine bleiben. LEVCIPPUS.

Was / Amor / wird denn ietzt das Frauenzimmer Von Tag zu Tage schlimmer / Daß es den zarten Sinn mit Hartigkeit Und unbarmhertzig seyn / auf eine Zeit Durchmenget und erfüllet? AMOR.

Was / Daphne / bistu denn zu thun gewillet? DAPHNE.

Leucippus soll mein Schatz und Fuhrer seyn. APOLLO.

Wenn aber ich mein Wort nicht gebe drein / So taumelstu mit deinen Liebes=Sachen. LEVCIPPUS.

Das muß ich laut und über laut belachen. Als ware ich zur List nicht klug genug. AMOR.

Ein reines Hertze liebet ohne List und Trug. Gezwungne Opffer sind der Liebe Leid. LEVCIPPUS.

Seither ich sonst verwechselte mein Kleid / Und Daphne dir / als eine Nymphe diente: Eh daß dein Lorber grünte; Hab ich dich schon und deinen Sinn erkandt. AMOR.

So spar / Apollo / nun dein Hertz und deine Handt. D u solst was bessers haben / Helene soll es seyn / der Schauplatz schöner Gaben Die sich Tagyra nicht so reichlich vorgestellt. APOLLO.

Wer ist sie denn? Ists die / die Troja hat gefallt.

Johannes Riemer

528

AMOR.

5

O ! nein. Es ist ein unberührtes Bild / Ein Auszug schönster Tugend. Die Unschuld selbst. Ein Roßgen grüner Jugend / Das aller Augen Licht / mit Liebligkeit erfüllt. D e r N ä h m e paaret sich zugleich auch mit Rosinen HELENA.

W e r meinen Nahmen liebt / dem suche ich zu dienen. 10

D e r Will ist gut.

AMOR.

HELENA.

W e r ist / der mein begehrt? AMOR.

D i e Liebe schätzt dich der Vermählung werth. IS

HELENA.

D i e Liebe? AMOR.

JaHELENA.

20

D e r bin ich überhoben. Weil ich der Vesta mich muß ewiglich verloben. AMOR.

25

Vergebens! schönes Kind: Ein anders ist von dir die Göttlichkeit gesinnt. D e r Himmel füget gleich zu seines gleichen. HELENA.

Das ist mir noch zu hoch. Ich kan es nicht erreichen. Apollo ists. 3O

AMOR.

HELENA.

Was soll Apollo mir? Latonens Sohn? AMOR.

35

Nein / nein der Musen Zier Dein Krieger ists / den man an Weissen-Felsen / U m seiner raren Kunst muß hertzen und umhalsen.

(A2V)

Die Unverwandelte

Daphne

Und was noch mehr: Der Fürst / Johann Adolph / der Jupiter des Landes Ist selbst ein Vater seines Standes / Der seinen Musen giebt ein gnadiges Gehör. HELENA.

Was ist er mehr? AMOR.

Apollo dieser Zeiten: Und dessen Ruhm ein Feind auch muß ausbreiten. HELENA.

Ists der: So wegre ich mich nicht. Unverhofft Kommet offt / Was der Himmel will beglücken. Das muß mit der Zeit sich schicken. Die da glücklich wollen freyen / Und den Handel nicht bereüen / Geben G O t t die Sachen hin. Dieser lencket Hertz und Sinn. Was der Himmel will beglücken / Das muß mit der Zeit sich schicken. Unverhofft Kommet offt. APOLLO.

Es werden Auf Erden Verlobnüß getrieben. Doch sind sie im Himmel schon nieder geschrieben. Wir müßen Das Küßen Demselben ergeben Und immer als Kinder der Heiligen leben. Wolan! dann / her! mein halbes Hertz heran Aus deiner Stadt von reichen Sohlen-Qvellen Mein Himmel zündet dir / als Braut / die Fackeln an. HELENA. APOLLO.

Auf sein Geboth wir uns allhier gesellen.

Johannes

Riemer

APOLLO.

Denn morgen ist der Tag / der unsern Liebes Bund Auf ewig feste macht. HELENA.

Das Hertz soll durch den Mund Sein lautes Ja=Wort bringen. So bistu denn nun mein? J a Ja. N i m hin das Hertz ist dein. J a Ja. Liebliches Schertzen / Brennender Hertzen. Süßestes Freyen Das wir im Meyen Treiben und üben. Laß uns doch lieben. Laß uns lieben weil wir leben Und ein ander seyn ergeben. HELENA.

So bleibe ich allhier Und ziehe auch nach deinen Wundsch mit dir Wohin das Glück uns in der Welt heist gehn. APOLLO.

Gemach! mein Kind / und sey zu frieden Mit dem / was uns der Himmel hier beschieden. Du wirst uns hier gesegnet sehn. Ist hier kein Delus nicht / kein Palma noch Oliven. So wirstu doch des Landes Güte prüfen. HELENA.

Wir setzen uns dem Himmel in den Schooß So sind wir aller Sorgen loß. APOLLO.

Drum will ich auch obgleich nur an der Klingen / Mit lauten Ruff zu deiner Ankunfft singen: Willkommen allhier Gepriesene Zier: Dir bin ich verbunden Nachdem ich befunden /

Die Unverwandelte

Daß harren und hoffen Gar frolich getroffen. Gepriesene Zier! Willkommen allhier: Willkommen allhier / Du Helffte von mir. Nun treten zusammen Die brünstigen Flammen. Die Wündsche genesen Nachdem ich erlesen Dich / Helffte von mir: Willkommen allhier. Willkommen allhier. Ich gebe mich dir / Und wundsche daß beyde In Seegen und Freude Einander begrüßen Und alles versüßen. Ich gebe mich dir. Willkommen allhier. Willkommen allhier. Zu süßer Begier. Wir leben zufrieden Ohn alles Ermüden. Wir wollen uns lieben Und nimmer betrüben. Du süße Begier / Willkommen allhier.

Daphne

AMOR DER TYRANNE M I T SEINER L Ä C H E R L I C H E N REUTEREY

/

S P I E L W E I S E / D O C H IN E R N S T ZUR W A R N U N G W I D E R D I E VERMALEDEYTE EIFFERSUCHT IN ZWEYEN / T H E I L S

/

HISTORISCHEN

BEGEBENHEITEN CURIEUSEN

GEMUTHERN

VORGESTELLET

DURCH

J. R. M E R S E B U R G / VERLEGTS C H R I S T I A N F O R B E R G E R DRUCKTS CHRISTIAN GOTTSCHICK /

1685.

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