Walther von der Vogelweide: Untersuchungen [Reprint 2020 ed.] 9783112334645, 9783112334638

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Walther von der Vogelweide: Untersuchungen [Reprint 2020 ed.]
 9783112334645, 9783112334638

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Walther von der vogelweide Untersuchungen von Carl von kraus

Walther

von der Vogelweide Untersuchungen von

Carl von kraus

Berlin und Leipzig

Walter de Gruyter best, lezzist > lest3) sprechen für Kürze des e

auch in jenen Stillen. über den Ton s. Michels und meine Hinweise zu 84,14. — gepfdhtet (8) gibt Schönbach 339 mit 'kanonisch bestimmt' wieder.

10,

9—16.

Die richtige, auf C (und abgesehen vom Ausfall zweier aufein­ ander folgender Verse auch auf B) beruhende Reihenfolge haben

von der Hagen MS. I 269 f. und unabhängig von ihm Roethe, Zs. 41, 300 gegenüber Lachmann und anderen Herausgebern herge­ stellt 4); Michels hat danach seinen Text gestaltet, gewitz mit vollem Rechte, denn die Vorzüge liegen auf der Hand: die Reihung folgt *) Paul hat (wie Lachmann) ein Ausrufungszeichen: der Doppelpunkt scheint besser, denn das Zolgende dient zur Begründung, warum unser Nach­ denken vergeblich ist. ") 5,14 ist Zusatz; über geirret s. zu 10, 21. 3) vgl. Presburc < Prezzisburc. 4) dadurch wird Pauls Atethese von 13. 15 und seine Annahme einer Lücke von zwei Versen zwischen 12 und 14 unnötig (Beitr. 8, 200 f).

10, 17

23

genau der Überlieferung, der Ausfall der beiden bei Lachmann

auseinandergerissenen Verse 13 und 15 seiner Zählung, wird erklärt, denn sie folgen in C unmittelbar auf v. 11 (wint) als v. 15. 13 (erwint), womit das Überspringen sich einfach begreift,- beide, das in BC den Vers 11 um einen §uß überfüllt, braucht nicht gestrichen, sondern nur in den unmittelbar folgenden Vers 15 hinter meinens gestellt zu werden, und das im Zusammenhang störende alters vor eine ist zu tilgen. Auch gewinnt die Abfolge der Gedanken, wenn v. 16 unmittelbar auf 14 folgt. 11. Die Ausgleichung von Singular und Plural, wie sie Pfeiffer (die kristen) und Wackernagel, Bartsch (dem Heiden) vornehmen, scheint mir pedantisch.

10,17—24. 19. Rieger hat (Zs. 46, 385 f.) die überlieferte Lesart niemen gegen Lachmanns Tmendation ieman verteidigt, beiten für erbeiten vorgeschlagen und erklärt: 'wenn ihn niemand (auf den er rechnet) auf die nötige Unterstützung warten läßt (also das Unternehmen überhaupt ausführbar ist), so trete er die Zahrt an und komme uns bald wieder'. Aber Walther konnte dem Kaiser zwar raten, er möge von Italien rasch heimkehren, nicht aber vom Kreuzzuge, denn das hing von Umständen ab, die außerhalb der kaiserlichen wacht lagen, wenn also die Heimkehr von Italien gemeint sein muß, dann kann die vorhergehende, damit verbundene Aufforderung war er balde unmöglich auf eine Zahlt ins heilige Land gehn (sonst müßte das deutlich gemacht sein, etwa durch den Zusatz Kristes reise wie 29, 18), vielmehr muß balde warn und schiere körnen auf ein und dieselbe Zahrt, also auf die nach Deutschland, bezogen werden. Obendrein springt der Text Riegers mit der Zeit in sonderbarer Weise um: zuerst ist vom Kreuzzug und der Heimkehr die Rede und dann erst von den Strafmaßregeln gegen die Zerstörer des Reiches, die überdies ja keine besondere wacht haben konnten, wenn der Dichter die Annahme aussprechen durfte: 'wenn ihn niemand auf die nötige Unterstützung warten läßt'. Durch Lachmanns Besserung dagegen kommt alles in zeitliche und gedankliche Ordnung: 'wenn ihn jemand auf Unterstützung warten läßt, so breche er aus Italien nach Deutschland auf und mache hier Ordnung'x). 21. Die von

T) damit, daß nicht die Kreuzfahrt gemeint ist, entfallen auch die Be­ denken Pauls (Beitr. 8,192 f.); ob hat keinen konzessiven, sondern den ge-

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10,25

IDadernagel nach Bartschs Vorschlag vorgenommene Umstellung des ouch (:irre etelichen ouch der got und in geirret hat) empfiehlt sich vor allem, weil dadurch die bedeutungsvollen Wörter got und in in die ihnen zukommende Hebung gelangen; als Nebengewinn fällt ab, daß der Vers nunmehr den an dieser Stelle überall vor­ kommenden Auftakt erhält und daß ge-irret hat das Präteritum im Gegensatz zum vorhergehenden Präsens irre stärker unterstreicht als ein girret hat mit der sonst bei Walther stets vorkommenden Elision: die Annomination tritt dadurch deutlicher in Erscheinung. Gb die Stellung des ouch durch die Umstellung falsch wird, wie Paul, Beitr. 8,194 gemeint hat, ist mir zweifelhaft1). vatz armer man lediglich eine Bezeichnung der Bescheidenheit ist, aus der man nicht mit Wilmanns und mit Burdach (I 40) auf ein Ministerialenverhältnis zu Zriedrich II. schließen darf, hat Schwietering 72 gezeigt.

10,

25—32.

10, 26. 27. hier herrscht eine merkwürdige Verwirrung: die Hand spricht, dieZungesingtnichtbloß(Messe),sondernläßtvielen das ihrige. Wo Walther der Hand sonst irgendeine Tätigkeit zu­ schreibt, bleibt er stets im Bereich der sinnlichen Anschauung: die Hand sticht und schlägt, sie gibt, schneidet Braten, bricht ein Blatt ab, straft, belohnt, befreit und zerteilt. Und hier sollte sie sprechen?! INichels sagt also mit Recht: 'die Konjektur munt liegt sehr nahe'. (Es verbleibt aber noch immer die sonderbare Tätigkeit der Zunge. INichels schlägt vor, liezen st. lieze zu lesen und als Subjekt die psaffen aus v. 25 zu nehmen. Uber dann bleibt noch immer der von ihm selbst als bedenklich bezeichnete Hiatus sunge unde\ und vor allem wirkt es matt, wenn auf die sinnfällige Zuweisung an einzelne Glieder als drittes ein noch dazu nur zu ergänzendes allgemeines 'sie' folgt. Ich vermute also für das (Original die Fassung 2): roöhnlichen kondizionalen Sinn und ieman ist ganz gerechtfertigt, da es sich ja nur um eine angenommene Person handelt: eteswer wäre sprachwidrig. *) übrigens gehört ouch nicht zu dem in irre liegenden Subjekt er (Paul), sondern vor allem zum Verbum irre selbst. Zm Zwein 800 finde ich mit Hilfe von Lenecke-Borchlings Wörterbuch ouch nü jehen, wo man nach Paul erwarten müßte nü ouch jehen. 2) die Änderungen Wackernagels und Pfeiffers hat bereits Michels (im Apparat) mit Recht abgelehnt.

10, 33

25

so spraeche ir munt den armen zuo *se daz ist din\ ir zunge sunge und lieze ir hant vil manegem man daz sin.

3m nächsten Stadium der Überlieferung wurden ir munt und ir hant vertauscht, in einem weiteren sprang der Schreiber von m in munt vil auf das m in manegem, wodurch das ir sinnlos wurde und daher in der Vorlage von BC wegfiel. Die pfaffen hant, die ander­ wärts grozen hort selten zerteilet (34, 21), hier soll sie vielen das ihrige lassen. 28. Schönbach (340) deutet almuosnoere mit Recht als 'Almosenspender' (nicht Almosenempfänger)- dafür spricht so­ wohl das danebenstehende durch got (denn um Gotteswillen spendet man wohl Gaben, nicht aber empfängt man sie) als auch der Gegen­ satz zu dem folgenden geltes teil. Ruch wird so der parallelismus zu dem Eingang vollständig: sie sollen den Armen spenden, wie sie es durch got e getan haben, und den Menschen das ihrige lassen wie einst vor der Konstantinischen Schenkung, die ihnen erst Anteil an den Einkünften der Menschen verlieh, ouch vor daz zu stellen ). Halbach 114 nennt unser Lied ein späteres 'Gegenstück' zu 53, 25 und sieht in ihm nach der niederen Minne 'ein rein höfisches Erlebnis' dargestellt, betrachtet es als erhöhenden Kontrast zu den Mädchenliedern 49, 25; 50, 19 und meint, es enthalte vielleicht sogar 'eine Verleugnung' seiner niederen Minne (124). Gegen letzteres wendet sich Korn 79. Mag der Nusdruck 'Verleugnung' auch zu stark sein, sonst hat Halbach meiner Ansicht nach durchaus recht: die edele srowe unseres Liedes 45, 37, die in prächtigem Gewände und mit Geleit der Unterhaltung wegen in große Gesell­ schaft geht, hovelichen hohgemuot gehört zu denen, die Walther in dem Liede 50, 19 in Gegensatz stellt zu seinem Mädchen, indem er sagt: edel unde riche Sint si sumeliche, Dar zrto tragent si hohen muot: Lihte sint si bezzer, du bist guot (51, 1). Da nun in 46, 32 eine Abkehr von der niederen Minne und das Anbahnen einer hohen angedeutet ist (s. zu diesem Liede), so ist es sehr ansprechend, wenn Halbach vermutet, dah unser Gedicht zu der neuerlichen hohen Minne gehöre, die Walther in 46, 32 ankündigt. Die eigenartige Bindung von leicht- und schwerklingendem Ausgang in den Versen 7. 8 jeder Strophe (Michels nach Saran) hat ihre parallelen bei anderen Dichtern, s. Heusler § 6622); die Auf­ taktverhältnisse bucht derselbe in § 645 D. Dah die von Giske beobachteten Körner nicht auf Zufall beruhen (wilmanns), zeigen Giskes Ausführungen Zs. f. d. Phil. 18, 58. 1) Ganzenmüller 279 zeigt, wie individuell der herkömmliche Gedanke der Minnepoesie: 'Zrauenliebe höher als aller Sang der Vögel' in unserem Liede behandelt ist. 2) sonst s. noch Ascher § 55. 99. 104.

46, 32

46, 32—47,

159 15.

Hn dem richtigen Verständnis dieses Liedes hängt zu einem guten Teil die Ansicht über die innere Chronologie von Walthers Liebeslyrik. Es scheint mir daher geboten, es eingehend zu inter­ pretieren. Walther preist den glücklich, der den Lehren der Krau Maze zu folgen versteht, denn sie spendet alle werdekeit und be­ fähigt ihre Schüler sowohl ze hove (wo die höhe Winne zuhause ist) als auch an der sträze (wo die nidere wohnt) ohne Beschämung aufzutreten. Und deshalb sucht der Dichter ihren Hat, damit sie ihn lehre, wie er ebene (mit der rndze, die werdekeit spendet) werbe. Denn er erfährt Unheil, ob er nun nidere oder hohe wirbt. Er war als einer, der ze nidere geworben hat, dem Tode nahegebracht, jetzt aber ist er wiederum durch ze höhe Werbung liebeskrank: so erspart ihm seine Maßlosigkeit keine Not. Nun erklärt der Dichter seine Worte und damit sein Loos näher. Die nidere Minne nennt man die, die so entwürdigt, daß der Leib hindrängt zu schaler Nei­ gung: diese Minne bereitet unrühmliche Leiden. Vie hohe Minne befeuert und bewirkt, daß das herz sich emporschwingt um hohe wirde zu erlangen: sie ist es, die dem Dichter jetzt winkt, daß er ihr folge. Uber er möchte wissen (mich wundert), warum die Maze Zögert: wenn die Herzensneigung kommt, so ist er doch wieder verführt (weg vom ebene werben, weg von den Lehren der Maze, öie doch nach den Eingangsworten alle werdekeit spendet, die also bei der hohen wirde, nach der die hohe Minne hinstrebt, nicht fehlen dürfte). Und die Herzensneigung ist im Kommen: er hat eine Krau erblickt, von der ihm trotz all ihrer holden Worte doch Unheil er­ wachsen mag. Walther wendet sich also an die Krau Maze, daß sie seinem eigenen Lieben ein weises Matz schenke- denn bisher hat ihm seine Maßlosigkeit in der hohen wie in der niederen Minne nur Schaden gebracht, indem er entweder allzu nieder oder allzu hoch ge­ worben hat. Vas eine hat ihn schon an den Hand des Grabes gebracht *), das andere macht ihn gerade jetzt wieder krank*2), denn x) durch unglückliche Liebe- denn das ist bei Walther (wie bei den andern Minnesingern) der Grund, s. 73, 16 sterbet sie mich, so ist si töt; 86, 34 stirbe ab ich, so bin ich sanfte töt; 114, 34 joch schät ez guoten Huten, wäre ich töt (was man nie auf eine wirkliche Krankheit hätte beziehen sollen!). 2) siech ist natürlich gleichfalls soviel wie minnesiech.

160

46,32

eine schöne Zrau hat seine Blicke auf sich gezogen. Aber die er­ sehnte und erflehte Mäze zögert sich einzustellen. Und so befürchtet er auch jetzt wieder Unheil,- denn wenn die Herzensneigung ihn ergreift, dann ist's um ihn geschehen. Die herzeliebe also ist es, die alles Unglück des Dichters verschul­ det, weil sie keine mäze kennt und ihn daher nur ze nidere o beize höhe werben läßt. Das ze nidere hat ihm nur Leiden gebracht und keinen Ruhm: es tuet unlobeliche we, man muß sich seiner ze hove schämen. Damit deutet der Dichter auf die hinter ihm liegende Periode seiner Lieder der nideren minne, vgl. 49, 31 Sie veninzent mir daz ich Sö nidere wende minen sanc. Er ist dazu durch die herzeliebe ver­ führt worden, vgl. 49, 25 Herzeliebez froweltn und 49, 33 daz si niht versinnent sich Waz liebe si1).2 Nun steht er wiederum (aber) wie einst vor der Gefahr des ze höhe; wenn die herzeliebe ihn wieder verführt, so wird sein Sinn sich auf höhe wirde richten, und er wird sich an der sträze zu schämen haben, wo man für seine Lieder der hohen Minne kein Derständnis hat, wie dies aus dem späteren Lied 61, 33 hervorgeht: ich sol... wünneclicher mäze pflegen ... stet ez als übel üf der sträze, Sö wil ich mine für besliezen (s. zu diesem). Und in beiden Fällen wird schade das Ende sein, da er zuviel von seinem herzen an eine Liebe wendet, die für ihn ent­ weder zu tief steht oder zu hoch. Das Lied leitet also einen Wendepunkt in Walthers Dichten ein: der niederen Minne gibt er den Abschied und eine neue hohe Minne kündigt er an. Und in beiden Zöllen ist unter Minne außer dem Liebesverhältnis auch die ihm gewidmete Lgrik zu verstehen. Ich stimme also der Deutung zu, die Rieger, wilmanns, Paul, Michels und Halbach gegeben habens, und lehne die Auffassung, daß Walther sich mit diesem Liede von der hohen Minne abwende, wie das mit allerlei Abweichungen im Einzelnen Simtorf, Surdach, Jellinek, Schneider und Korn gemeint haben, ab3). *) über liebe f. die ausgezeichneten Ausführungen Jellineks a. a. 35 I i. 4 wän: zergän 10 niht II 1. 4 lebt: gebt; III 3.6 lebe: gebe 2. 5 mac: pflac 3. 6 swaz er ere wil: vil

HZ, 3i III 5. 6 getan: begän II 2. 4 geschiht: niht V 2. 4 leben: gegeben IV 5. 6 tac: lac III 2. 4 vil: swes er wil; 11 wille 7. 8 jehen: geschehen; III 7. 8 ge- II 2 geschiht; V 1 jähen schach: jach 3) 9. ii schin: in dem herzen min; IV 2. 4 in dem herzen III 9. ii sin: in dem herzen min min: sin 10 stat V 5. 6 getrat: mat

Augenscheinlich ist 113, 31, wie schon wilmanns vermutet hat, aus 71, 35 herausentwickelt. Vas zeigt nicht nur die große Zahl von parallelen, die gerade zwischen der Krauenstrophe des ersteren Liedes und dem ganzen Zrauenmonolog vorhanden sind, sondern auch die Steigerung der Liebesempfindung bei der Zrau: 72, 10 hatte sie noch gesagt: ein man der mir wol iemer mac Gebieten swaz er ere wil; jetzt ist in ihrem Herzen bereits ein Kampf zwischen der ere und der Neigung entbrannt: dem enmag ich niht versagen me Des er mich gebeten hat; ouwe des fürht ich vil sere, Daz ich muoz verjehen swes er wil sagt die Neigung,- dagegen gebietet die ere\ swie vil er mich denne beete, Al die wile so enhulfe ez niht; gerne het ichz nu getan Wan deichz im muoz versagen und wibes ere sol begän; in getar ... Leider niht getuon des willen sin. Aber in einem ist sie doch gleich geblieben: in dem Geständnis, daß seine Vorzüge ihm die besten stat in ihrem Herzen erobert haben, das ist, wie sie es später ausdrückt: so hän ich ouch im vil nähenMinem herzen eine

x) Schneider, S. 40 läßt umgekehrt 119,17 auf 71, 35 folgen. 2) ich zitiere der Übersichtlichkeit halber nach den einzelnen Strophen, für beide Lieder in der Reihenfolge wie bei Lachmann. 3) Singers jach (ft. sprach) wird auch dadurch empfohlen.

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72,31

stat gegebenx), Da noch nieman in getrat ... er eine tuot in allen mat. Der Dichter hatte also die richtige Empfindung, wenn er aus ihrer Strophe in dem ersteren Liede die frohe Zuversicht schöpfte, er werde noch ans letzte Ziel seiner wünsche gelangen: das verrät ihm und uns ihr Bekenntnis in diesem unmittelbar folgenden Lied 113, 31.

72,31—73,22. Die Überlieferung in A und C beruht auf der Sammlung *AC, s. wilmanns II 28, während E aus anderer (Quelle (wohl aus *EU) stammt. Lachmann und die übrigen Herausgeber haben sich im wesentlichen an AC gehalten. Iellinek dagegen hat (Veitr. 43, 25 f.) gezeigt, daß 73, 13 f. mit E zu lesen ist: dest ein ende; swaz si mir

getuot, des mac ouch si verwcenen sich, was Wichels denn auch aus­ genommen hat. Ich glaube, daß auch sonst E mehrfach den Dorzug verdient. So 73, 10, wo Lachmann liest dius engeltent, scheide ich mich von ir also, indem er den Relativsatz zwar aus E entnimmt, den Bedingungssatz aber aus C (in A ist scheide wohl einfach ausge­ fallen). über E gibt (mit der selbstverständlichen Änderung von lazzen sie in lat si) einen deutlicheren Sinn und zudem einen Wort­ laut, der an dem auch im Eingang verspotteten Liede Reimars Nr. 23 (161, 23) *2) eine Stühe findet, denn hier heißt es: ie dar under muoz ich gar verderben ... hcerent wunder, kan si alsus werben: so wie Walther das hceret wunder in seiner Strophe II aufgreift, so das verderben am Schluß von Str. III, wenn man mit E liest: dius engeltent, lat si mich verderben so. Ferner verdient E den Dorzug in Str. IV an der von Iellinek bereits behandelten und von Wichels nach ihm wiedergegebenen Stelle: sterbet sie mich haben AC, stirbe aber ich liest E. Daß letzteres richtig, zeigt die von Walther hier parodierte Fassung bei Reimar Nr. 24 (158, 28) 2), die lautet: stirbet si, so bin ich tot. So wie Walther den unmittelbar vorher­ gehenden Sah Reimars ich muoz wol sorgen umbe ir leben dem

x) vgl. dazu seine Äußerung: da si mit rehten triuwen sprach, Ich müese ir herzen nähe sin 72,27 f. 2) den parodistischen Charakter hebt, gegen Paul, mit Recht hervor Burdach, Beitr. 8, 464; im übrigen s. meinen Reimar III 14. stuf ein, allerdings leises, Echo im Tristan macht Nickel, Studien z. Liebesproblem bei Gottfried 183 aufmerksam. Das Gegensätzliche in Reimars Haltung, das Walthers Parodie veranlaßte, betont gut Korn 74.

72, 31

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Sinne nach umdreht, indem er sagt: ir leben hat mins lebennes ere (ö. h. sie hat Grund, um mein Leben besorgt zu sein), so dreht et dessen Worte stirbet si, so bin ich tot dem Sinne und dem Wortlaut nach um mit seinem stirbe ab ich, so ist si tot. Übrigens findet sich dieselbe gassung (stirbe ab ich, so bin ich sanfte tot) bei Walther auch anderwärts (86, 34)2). — Nach dem oben dargelegten Verhältnis gibt E den Ausschlag bei Differenzen zwischen A und C. Ich möchte also 72, 32 wil st. muoz2), 73, 7 die st. dies lesen (letzteres schon Wacker­ nagel, Pfeiffer und Paul); 73, 8 ist danne in A nicht ausradiert, wie jetzt die Reproduktion zeigt, die d.. ne deutlich erkennen läßt, es steht also mit Recht im Text, wie auch bei Wackernagel (Pfeiffer und Paul): der Sinn gewinnt dadurch auch an Deutlichkeit; 73, 16 hebt mines, wie auch die Handschriften schreiben, den Gegensatz zu ir nachdrücklich hervor, ist also für Lachmanns mins mit jenen Ge­ lehrten in den Text zu sehen. Dagegen empfiehlt sich 73, 9 Lachinanns herze (C), da diese gorm des Nom. flcc. piur. bei Walther 21, 19; 51, 12 und 95, 38 der Elision wegen gefordert und 35, 36 non C auch außerdem überliefert ist, während sich für die Form auf -en nirgends ein sicherer Beleg findet. — Schlecht ist Bartsch'

ane sehen 73, 1, s. Wilmanns I 321, wonach ein solches taktfüllendes ane nur noch 56, 2 in gleicher Verbindung 3) und zwar nur in BC, gegen AEF, vorkommt; zudem wirken die zwei nacheinander unschön, und endlich veraltet ge- in solchen gälten bekanntlich. Sinn­ los ist der Konjunktiv schelten 73, 8: Pfeiffer scheint die unmittelbar folgenden Worte nicht beachtet zu haben. — Der fehlende Auftakt 72, 38 und der überschüssige 73, 21 lassen sich mit den einfachen Wirteln, die Wackernagel und Bartsch (letzterer nur bei 38)4) an»

T r J ^) man könnte allerdings meinen, daß die Erfassung aus 86, 34 ent­ lehnt sei, da unser Lied in E unmittelbar auf 85, 34 folgt. Aber dann müßte man die weitere Annahme machen, daß einstens in einem Liederbuch ge­ naschten Inhalts Reimar Nr. 24 (158, 28) dem Liede 85, 34 unmittelbar vorheraegangen sei, worauf diesem 72,31 unmittelbar gefolgt wäre: hätte E ln letzterem Liede nach der gaffung 86, 34 geändert, so wäre dieser Schreiber durch reinen Zufall zu einer dem verspotteten Liede Reimars näher kommenden Wendung gelangt. — Zum Gedanken vgl. Nickel, Liebes­ problem Gottfrieds, $. 183. 2) die Stelle lautet also: nü wil ich singen aber als 4; damit wird die Ähnlichkeit mit INorungen 128,14, auf die Nüchel, ®g. 38, 152, hinweist, noch größer; denn dieser sagt: ich wil singen aber als 3) denn das nachdrücklichere demonstrative dar ane (33,15) gehört natürlich auf ein anderes Blatt. 4) mines selbes ist mitteldeutsch (Wihnanns zu I, V, 149a) und neben Uta us, Waliher von der Vogelweide.

in

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72,31

wenden, keinesfalls berichtigen. Vas so an der zweiten Stelle wirkt freilich neben den beiden benachbarten so sehr unschön. vaß unser Lied nach Reimars Nr. 17. 19. 23. 24x), aber vor Nr. 30 und 32, vielleicht auch vor Nr. 25 *2) gedichtet ist, also jeden­ falls nach Reimars Totenklage vom Sommer 1195 (Nr. 4), habe ich a. a. G. III 14 f. (vgl. II 57) zu zeigen versucht. Vas Lied ITC$. 185, 27—186, 18 habe ich dabei außer Betracht gelassen, indem ich es als unecht erklärte (s. die Begründung das. I 77 ff.)3) und an­ nahm, daß der anonyme Verfasser die Strophenform mit geringer Änderung von unserem Liede entlehnt habe (das. II 64). Tinen anderen Weg hat Nordmeyer in seinem scharfsinnigen Aufsatz 45, 664 ff. eingeschlagen. Er hält die Verse 185, 35—186, 12 jenes Pseudo-Reimar für echt, meint, daß durch sie unser Lied Walthers provoziert worden sei und erklärt nur Strophe I, den ersten Stollen von II sowie Strophe V für eine Zudichtung, die ein Unbe­ kannter vorgenommen habe, um, wie Walther, das Lied Reimars zu parodieren. dreimal bezeugtem sln selbes ({. hornigs Glossarium) bei Walther ganz unglaubhaft. 9 Halbach 69 hat sehr glücklich (auch unter Zustimmung Nordmeyers 3157) in den Worten Reimars 158, 19 (Nr. 24) zem iemen danne ein lachen baz die Herausforderung gesehen, auf die Walther mit 72, 31 antwortete. Zm übrigen schließt er sich mir an und erinnert noch an allerlei Stellen in Reimars Liedern Nr. 15. 16. 18. — Nordmeyer (29, 35) fügt noch Nr. 8 hinzu, indem er in Walthers Vers 73,15 (nimet si wich von dirve ndt) eine Narikatur von Reim. 197, 15 (Keeme ich nü von dirre not) erblickt. Ruch er weist Reim. 175, 1 (Nr. 21), walth. 52, 23 (Nr. 23a), Reim. 158,1 (Nr. 24) und walth. 72, 31 (Nr. 24a) gegen Halbach der 'ersten Zehde' zu (2924). 2) Halbach 721, 73 f. setzt (wie auch Schneider 211) unser Lied gleich­ falls vor Nr. 25 an und faßt, wie ich, Nr. 30 und 32 (sowie auch 35), die im Sommer 1204/05 entstanden sein sollen, als gegen Walthers sumerlaten-SÄtb gerichtet auf. Nordmeyer (2926) erblickt zwar auch in Nr. 32 Reimars Antwort auf Walthers Herausforderung, wendet sich aber mit gewichtigen Gründen gegen Halbachs absolute Datierung auf 1203 (2924) wie auch gegen den Ansatz plenios (41, 123) 'in Meißen um 1207' (2926) und äußert die Ansicht, daß das Botengespräch 177, 10 (Nr. 30) dem sumerlaten-£\eb vorausliege, nicht, wie ich angenommen hatte, ihm nachgefolgt sei (3162): man wird die Begründung, dre er in Aussicht stellt, abwarten müssen, um Stellung zu nehmen. Ebenso will er Reimars Ton 163, 23 (Nr. 25) vor Walthers Parodie (Nr. 24a) legen, statt, wie ich vermutete (III 15. 16), unmittelbar nach ihr (2941). — Bertha Wagner (Zs. 62,75) dagegen will Reimars Lieder 189, 5 (Nr. 31) und 195,10 (Nr. 32) als Gegenäußerungen des Dichters auf Walther 91,17 (statt auf 72, 31) auf­ fassen,- s. darüber unten zu 91,17. 3) zustimmend Halbach 632.

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So bestechend Ilorömeyers Ausführungen sind, so vermag ich ihnen doch nicht zu folgen. Schon das Ergebnis scheint mir gegen sie zu sprechen. Eine Parodie hat Zweck, wenn der Spott sich gegen ein als Ganzes bekanntes oder soeben gehörtes Original kehren kann. 3m vorliegenden Fall aber würde dem Spott das Ziel fehlen, denn das Original wäre ja durch die Bearbeitung des Parodisten zum Teil vernichtet. Oder soll man annehmen, daß zuerst Reimars Zassung vorgetragen wurde und sodann die Parodie folgte, die nahezu drei ganze Strophen aus dem eben gehörten Original wieder­ holte? Wo gäbe es im ganzen Minnesang eine parallele für solch eine Parodie? Ruch die Verteidigung der von ihm als echt betrachteten Verse scheint mir nicht glücklich: sie sind um nichts besser als ihre Umgebung, ver Dichter verkündet ich wcen iemen lebe der mir beneme Ein trüren; aber das ist unsinnig, da er ja zwei Strophen später selbst die Möglichkeit ins Auge faßt, daß sie sein Leid wenden wolle, wenn auch zu spät: immerhin hätte dann doch sein trüren ein Ende. Jene Verse klingen also hier wie eine Phrase, bei der sich der Verfasser nicht viel gedacht hat. Und in der Tat: die Eingangsworte stammen aus einem echten Reimar (179, 21 = Nr. 19), wo sie durchaus am Platze sind. Weiters erklärt der Verfasser: gewinne ich iemer des (trürens) ein ende, ich wil mich wol gehaben. Dieses iemer streitet aber wiederum gegen den Inhalt von Strophe IV, wonach ihm bei später Erhörung wip und ander spil (d. i. Dichten, mein Reimar I 781) gleichgültig sein werden und er ihr bloß nü dienen zu können erklärt, wenn sie es ein ende sein ließe. Auch der Ausdruck ist viel­ fach ungeschickt. Ich füge meinen schon früher a. a. G. vorgebrachten Beanstandungen noch einiges bei. So ist der versuch tt.s, die Wen­ dung ein trüren daz ... in minem herzen lit begraben zu retten, nicht überzeugend, da die parallelen, die er (S. 665 68) anführt, durchaus Substantivs wie leit, meintdt unde mort, triuwe und ere, paradis in dieser Verbindung zeigen: man versuche, für leit das Verbum liden oder für mort den Infinitiv mürdern einzusehen, und man wird bemerken, daß auch trüren st. swcere, leit oder kumber gegen das feinere Sprachgefühl verstößt. Ebensowenig lassen sich die Verse: Ez ist lanc daz mir diu ougen min Ze fröiden nie gestuonden wol durch Hinweis auf Reimar 173, 11 f. rechtfertigen, hier heißt es: Doch so wil ich dienen ir Mit den triuwen unde ich meine daz Unde

19*

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72,31

als ich ir nie vergaz, Sd gestän diu ougen min und niemer baz. N. schließt sich -er Erklärung Vogts an1),2 der hinter daz ein Semikolon setzt und die zwei letzten Verse mit den Morten umschreibt: 'daß seine Augen der Spiegel seiner treuen Liebe seien und niemals fröhlicher blicken sollen als ihm danach ums herz ist', wobei Interpunktion und Deutung gleich verwickelt sind. Ich übersetze: 'Gleichwohl will ich ihr mit ebensolch treuer Hingabe dienen, wie ich dieses fest meine und wie ich sie nie vergessen habe, so wahr mir meine Augen erhalten bleiben mögen, und nicht mehr'. Reimar setzt also seine Augen zum Pfand, ähnlich wie er sie als höchstes Gut in einem anderen Liede betrachtet: Zem iemen danne ein lachen baz Daz gelte ein ouge, und habe er doch danc (158, 19). Zu den Augen führt ihn an der obigen Stelle der Gedanke an den Anblick der Geliebten: auf den möge er für immer verzichten müssen, falls er es nicht auf­ richtig meint. Vie parallele ist also keine, und der Pseudo-Reimar hat wiederum eine feststehende Phrase (s. Scherer a. a. ©?)) un­ passend verwendet und durch den Zusatz ze fröiden nicht 'Reimarsch' verschnörkelt, sondern verdorben. Das Sündenregister des Anonymus ist aber noch nicht zu Ende. Ganz unlogisch sagt er in Strophe III: Swanne ich mine klage hu läze sin, Und ich mich des an ir erhol Des ich mich her ges um et hän, Sd bin ich alt und hat ein wtj> vil übel an mir getan, wenn sie es war, die schlecht an ihm gehandelt hat, wie kommt er dazu, sich selbst des sümens zu bezichtigen und ein sich erholn ins Auge zu fassen? Der Nachsatz fordert vielmehr einen Vordersatz wie Des si mich her gesümet hat oder wenigstens neutral Daz mich her gesümet hat. Schließlich habe ich a. a. G. auf je eine Entlehnung aus Walther und aus Reimar hingewiesen,oben S. 291 wurde eine weitere aus letzterem hinzugefügt. Damit Walther nicht zu kur; kommt, fei noch aus dem nach N. unechten ersten Stollen von Strophe II zitiert: So wil ich tuon so ich beste mac 3), wozu man Walther 91,15 f. vergleiche: So wil ich leben Sö ich beste mac. Aus dem 'echten' Teil führe ich noch die Phrase So bin ich alt an, die an Walthers nü bin ich alt (67, 14) erinnert, wie ja wohl auch der Gedanke, daß dem Verfasser im Mer wty und ander spil gleichgiltig sein werden, demselben Liede Walthers *) während Burdach 215 f. sogar emendiert. 2) der M§. 37, 21 f. und 56,22 anführt. 3) wil (A) ist also mit Recht in gegen Lachmanns wolle in den Text gesetzt.

72,31

293

(66, 27 ff.) seine Anregung verdankt. Man findet also in den 'echten' Partien ganz ebenso Berührungen mit Walther und Reimar wie in den unechten und wird sich bei den dargelegten sonstigen Mängeln der 'echten' nicht entschließen, die einen und die andern auf ver­ schiedene weise zu deuten. Nimmt man endlich die Armseligkeit an Gedanken und Empfindungen in diesen drei Strophen, so bleibt wohl kein Zweifel, daß das Ganze ein 'fahriges und unklares Ge­ dicht' ist, wie ich es seinerzeit (Reimar I 68) genannt habe, und daß man Reimars Namen eitel nennt, wenn man ihn auch nur mit einem Teil dieser Strophen in Verbindung bringt x). Meine Annahme, daß Walther in unserem Liede (72, 31) 'in der Maske Reimars' auftrete (Reimar III 15. 16), hat mehrfache Zustimmung erfahren, zuletzt die Nordmeyers (2926). wenn ich später (Walther als Liebesdichter S. 12 f.) geäußert habe:'Literarische und politische §ehde hat den Gegner von jeher derb angepackt. Walther springt gelegentlich, wenn sein Zorn gereizt ist, mit der Geliebten nicht glimpflicher um', so mußte allerdings der Anschein entstehen, als hätte ich meine Auffassung des Liedes geändert (Nordmeyet a. a. ©.). Schuld daran trägt der zu knappe Ausdruck 'lite­ rarische Zehde', denn dazu kann man ja auch unser Gedicht mit vollem Rechte stellen. Gedacht hatte ich an dieser Stelle an §ehden, in denen ein Dichter unmittelbar den männlichen Gegner angreift8), also an Rügelieder wie die anonyme Strophe gegen wicman (s. o. zu 18,1) oder den Ausfall Walthers gegen die vorfpoesie (s. o. zu 64, 31). von daher kam nach meiner Meinung der Dichter auf die sonst bis auf wolftam 3) unerhörte Idee, nun auch eine §rau gegen alle Konvention in so derber weise anzupacken. Daß er dazu die Maske Reimars anlegte, war im Zusammenhang an obiger Stelle nebensächlich, so bemerkenswert es für das Verhältnis der beiden an sich ist. Es fließen eben schon solche Minnelieder wie heutige Gedichte oft aus mehreren Quellen, wie ich ja auch meine, daß unser *) mit der Unechtheit des ganzen Liedes fällt auch die Meinung Nordmeyers, 45,666, daß Walther mit 72,31 den Ton 185,35 ff. verkiret habe, nicht den Ton 171, 32 (Nr. 17), wie ich Reim. III 14 (unter Zustimmung Halbachs 63a) angenommen habe. ’) deshalb auch die Verbindung 'literarische und politische Zehde'. ’) mit dessen Scheltlied es, trotz plenio, 41, 123, nichts zu tun hat, f. meinen Reimar III 15 und die bestätigenden Ausführungen Nordmeyers

294

72,31

Lied zugleich eine Reihe teilweise unpolemischer Schöpfungen Walthers fortführt und abschließt. Seit seinem Preislied (56, 14) hatte Walther der Geliebten gegenüber wachsende Entfremdung gezeigtx): 70, 22 hatte er sich die Wiederaufnahme seiner Wanderungen und das Besingen anderer Frauen ausbedungen, falls sie ihn noch länger warten lasse (s. zu diesem Lied),- 52, 23 hatte er ihr einen Termin gesetzt (s. zu diesem Lied)*2); 72,31 endlich bricht das Ungewitter los, wobei er die Maske Reimars vornimmt (s. o.)3). Daß dazwischen hinein auch noch andere Lieder fallen dürften, ist bei diesen dargelegt. Die Hinweise auf Berührungen mit Liedern Morungens (bes. 125, 10 ff.,- 16) stehn bei Wilmanns-Michels in der Ausgabe; letzterer erkennt, wie später Halbach 59. 62, auch schon die Anregung Morungens zu w.s Parodie (zu 73, 17). Über die Verwendung der Parodie im Lied vom edeln Moringer s. Vogt, Beitr. 12, 431; Edward Schröder, Zs. 43, 184 und Vogt zu MF. 147, 17 4). Nach­ wirkung beim König vom Odenwald zeigt Edward Schröder, Zs. 71, 113. — Eine schlagende parallele zu dem in 73,4 s. aus9 ich möchte, um nicht mißverstanden zu werden, ausdrücklich betonen, daß ich dabei nicht an wirkliches Erleben denke und ebensowenig an einen beabsichtigten Tgklus oder 'Liebesroman'. Aber aus einem Thema wuchs dem Dichter ein anderes hervor, und polemische Absichten spielten in die rein literarischen mit hinein. 2) die Bezüge auf dieses Lied sind deutlich: der kumber 72, 36 ist der kumber in 52, 30; die arebeit 72, 38 ist die avebeit in 53, 5; ZU 73, 11 f. vgl. 52, 32. 35 ff.; dtst ein ende ist das ende in 53, 13. 3) Rieger, Zs. 47, 60, nimmt an, daß die so hart Gescholtene 'über die Zähre hinaus, die Walther ihr diente, ledig geblieben sei'. Aber sie kann ebensogut oder noch besser schon verheiratet gewesen sein, als w. seine Lieder (in der Fiktion) ihr widmete. Schläge seien von einem Liebhaber nicht denkbar, nur von einem Ehemann. Aber wenn der Liebhaber gar keiner ist? Sie soll sich ja doch nur verlieben! 4) eine gewisse Ähnlichkeit weist die Branche 17 des Roman du Renart auf (s. Grimm, R. Fuchs p. CXXXVIII): 'Unterdessen hat die Füchsin, die nicht weiß, was aus Renart geworden ist und ihn nach einem falschen Bericht für tot hält, einen neuen Gemahl erwählt und die Hochzeit soll gehalten werden. Da erscheint Renart als Leiermann und erheitert durch sein Spiel die Gäste. Er beredet den Bräutigam, das Grab der heiligen Toupöe zu besuchen, wenn er in der Brautnacht einen Sohn zeugen wolle, stößt ihn aber in eine gelegte Falle, wo er fest hängen bleibt und von den Hunden zerrissen wird. Darauf gibt sich Renart seiner Frau zu erkennen, schilt sie aus und prügelt sie durch ... einem oorbeigehenden Pilger gelingt es, sie (Hermeline und herent) unter sich und mit ihren IRännern auszusöhnen'.

73, 23

295

gedrückten Gedanken führt §. R. Schröder, Germ. Rom. Monats­ schrift 21 (1933), 264 aus Thomas Larew (f 1639) an: die Über­ einstimmung enthält eine Warnung, arabischen parallelen zu sehr zu vertrauen. Über den Ton s. plenio, 42, 488«.°,- 41, 51. 55 f.; 43, 91°. Die Zerlegung der letzten Zeile, die Heusler § 796 (und vielleicht auch Fischer § 50) für möglich hält, scheint mir unglaubhaft, selbst bei Annahme beweglicher Zäsur,- sonst noch Heusler § 645 D.

73,23—74,19.

Die Textkritik findet hier keine Schwierigkeiten, nachdem Braune (Beitr. 40, 345 ff.; vgl. 41, 512 flnm.) den Ders 31 richtig hergestellt hat: hiure müezens beide esel unde gouch (Gehören). Denn Pfeiffers fräste (v. 2) ist pedantischer als Walther, s. die parallelen bei Michels ;. St. In v. 5 wird der nötige Auftakt gegen die aus einer (Quelle fließenden Handschriften AC wohl besser durch Lachmanns ml als durch den (hinter eit) gewonnen. D. 9 ist en(t)stet (AC) durch Bartschens senftet (Germ. 6, 205) auf das glücklichste gebessert. Schließ­ lich erweckt Lachmanns nach C (und A) gegebene Fassung des Derses 12 Bedenken: der Dorderteil des zweiten Stollens hängt gedanklich mit dem ersten Stollen zusammen, der Hinterteil weist auf den Ab­ gesang hin. Auch schwebt die Beteuerung ez ist also v. 11 in der Lust, man müßte sie denn über v. 8. 9 hinweg auf v. 6. 7 beziehen, was unnatürlich ist; endlich ist der Zusammenhang von v. 13 mit dem Folgenden doch ein recht loser. All diese Schwierigkeiten vermeidet man durch den Anschluß an E, mag man nun mit Wackernagel ich enhalte oder mit Pfeiffer (Paul) in behalde lesen, oder in behöbe, wobei hinter strtt ein Komma zu setzen ist, und wie ich meine, hinter alsö (11) ein Doppelpunkt: 'helft mir, denn das ist endgültig, es ist nun einmal so: wenn ich in meinem Liebesstreit nicht siege, wahr­ haftig, dann werde ich künftig nie mehr glücklich werden' (d. h. singen, s. den Anfang des Liedes). Merkwürdig schwer haben sich die Erklärer die Deutung des Ganzen gemacht. Man hat auf den Angangsglauben verwiesen, s. außer den Stellen bei Wilmanns-Michels Stemplinger, Antiker Aberglaube, Leipzig 1922, S. 45 ff.; Meißner, Zs. 65,220 ff.; Schönbach II 62 ff.; v. Unwerth, Beitr. 41,512 und Braune, das. Möglich, daß das hineinspielt, obwohl die Iagd auf Angangstiere

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73, 23

aller Zeiten und Völker noch keinen Esel als sichere Leute heim­ gebracht hat,- kaum möglich, daß Walther, wie wallner (41) und Braune gemeint haben, seine Gegner als Esel und gouche habe be­ schimpfen wollen, denn das wäre eines höveschen Mannes un­ würdig und würde Walthers eigenem Wort: wan sol stn gedulde wider ungedult (o. 35) widersprechen, stuf alle Zölle hat die gelehrte Brille kein klares Bild von den Absichten des Dichters gegeben. Besseren Aufschluß gewährt das von jedem Kittöe verstandene Lied Hoffmanns von Zallersleben: Der Kudud und der Esel Die hatten großen Streit, wer wohl am besten sänge Zur schönen Maienzeit Das klang so schön und lieblich, So schön von fern und nah. Sie sangen alle beide, Uuk-kuk! Ruk-kuk! I-a!

Walther wünscht also denen, die ihm im Winter fröide (und damit die Lust zum Singen) hänt benomen, daß sie statt seiner nun den Esel hören mögen (weil er ein so lautes und mißtönendes Ge­ schrei hat) und den Kuckuck (weil er nur zwei Töne in seiner Kehle hat), will man auch für das letztere einen Beleg, u.;. aus dem Mittelalter, so sei auf das Vogellied Gswalds von Wolkenstein Der May mit lieber zal (Schatz Nr. 45,18 ff.) verwiesen: kungel, zeisel,

mays, lerch nu kumm, wir singen und tuich tuich sa sa sa sa fi fi deli fi fi cierini ci ci ciri civigli sia sia; so sing der gauch nur ka wa wa wa cu cu. Walther selbst ist im Gegensatz zu jenen Tieren natürlich die Nachtigall, wie er es ja auch 65, 21 ff. ist: die tuont sam die fröscht

in eime st, Den ir schrien also wol behaget,Daz diu nahtegal da von verzaget, S6 si gerne sunge me. Denselben Gegensatz gouch—nahtegal findet man in Konrads Goldener Schmiede (Schröder) 130ff.:

Wände ich tare loben muoz Dich mit den wisen als der gouch, Der in dem meien gugzet ouch, SS im diu liebe nahtegal Ze lobe dienet überal Und in mit sänge -priset. Daß man Walthers Gedicht im 13. Jahrhundert besser ver­ standen hat als im 19., zeigt eine Umformung bei Walther von Metz

73, 23

297

(HMS. I 310b). Dieser Walther setzt auseinander, daß die Vögel nur für die wertvollen Menschen singen (und die Blumen nur für sie da sein) sollten, und fährt dann fort

Swes diu nahtegal mit sänge naeme war, der möht iemer wesen vrö: reht alsö würde ein vingerzeigen dar, Swem der guggouch sünge und ouch ein tistelvinkelin, den bekande man da bi tugenden vri: we wie vil der müeste sin! Auch verwandtes aus der Antike fehlt nicht *)• Walther verschärft die Strafe aber noch, indem er hinzufügt, sie sollten die beiden hören e si enbizzen sin, also mit knurrendem Magen2), während man sonst die Sänger während und nach der Mahlzeit zu hören bekam. Der Gedankengang des ganzen Liedes ist somit klar. Walther gleitet von der anfänglichen Entrüstung allmählich in eine mildere Stimmung. Zuerst bedauert er, daß er nicht fluochen kann (statt zu singen) und erklärt nach kurzer Überlegung auch unscelic noch für ein zu starkes O)ort3). über zwei Flüche, die nach seinem Wunsche find (die fluochent nach dem willen min), kann er doch 4); beide sind durch die Gedanken der vorhergehenden Strophe angeregt: sie sollen öen Esel und den Kuckuck nüchtern hören (statt des Sängers, der nicht fluochen kann, nur singen), außer wenn es sie noch reut, ihm selbst bie Freude am Singen geraubt zu haben. Auf solche Weise zeigt sich also Walther duldsam gegen unver­ schuldete Unduldsamkeit (III)5). Nun wendet er sich der Geliebten ZU und erklärt, wenn sie ihn tröste, so wolle er auf die Anfeindung

Kallimachos in Kortes Übersetzung (Forschungen u. Fortschritte 4. 3g., 1928, Nr. 31, 5.319): '... für die ja dicht ich, die der Zikade zartes Singen ergötzt, nicht lautes Eselsgeschrei. Mag ein anderer brüllen nach Nrt des lärmenden Langohrs, Ich sei das zierliche Tier, das mit den Flügeln nur fingt/ 2) wie er selbst von Tegernsee weggehn mußte, 104, 30 ff. 3) weil es dem unseligen selbst, wie auch dem, der einem solchen am frühen Morgen begegnet, ungelücke bringt, 118,15 ff. 4) dem mhd. ich ouch entspricht ein nhd. 'auch ich'. 4) zum Gedanken s. Roethe zu Reinmar II 63.

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73, 23

der andern nichts geben (d. h. doch wieder singen). In der 5trophe IV beschwört er sie eindringlichst, das zu tun, und in der letzten wendet er sich an seine (ö. h. seines Gesanges) Herren unde friunt um ihre Mithilfe (helfent-, nämlich beim Eide), sonst wird er niemer rehtefrö (ö. h. wird er nicht wieder singen),- auch macht er deutlich, was er unter jenem trasten versteht.

Wer sind die Feinde, die lvalther hier so humoristisch abfertigt, wty und man, die ihm ungedult, haz und ntt gezeigt haben, die schamelös sind und denen er Eselgeschrei und Kududstuf wünscht statt seines eigenen Sanges? Darauf geben wohl die Eingangs­ worte Antwort: Die mir in dem winter fröide hänt benomenx); denn mit denselben Worten (nur steht dicke st. in dem winter) bezeichnet Walther in einem andern Liede (98, 15) die merkcere, deren huote manegen werden Up (vgl. in unserm Liede: swen die basen hazzent . ..., daz kumt von siner frümekeit) twinget. Aus die Fragen jenes Liedes nach dem Namen der Geliebten gibt er jetzt eine neuer­ liche scherzhaft-verhüllende Antwort,' diu guote, die dort wundet unde heilet (98, 34) ist dieselbe guote (III 5), die ihm eine tiefe wunde geschlagen hat und allein sie wieder /rer / 6 -r kann(V5ff.) Und wie dort, sind auch hier die Klagen über das Leid von feiten der Merker mit denen über ihre Härte verbunden. Sch glaube daher, daß unser Lied bald auf jenes (97, 34) gefolgt ist. Damit verträgt sich freilich die Datierung, die Halbach gegeben hat (63), nicht. Nach ihm soll 73, 23 im Frühjahr 1204 gedichtet sein, während er das andere Lied zur ältesten Gruppe stellt, also in den Winter 1196/97 weist (26 f.; 27 Anm.). Allein die Datierung von 73,23 hat bereits Nordmeger, 2924 mit guten Gründen abgelehnt. Über die Datie­ rung des anderen s. zu diesem (97, 34). von der beweglichen Zäsur im vierten Takte des Schlußverses handelt Heusler § 658*2); daß das Geleit der welschen Art am nächsten kommt, bemerkt er § 828. Da Walther in diesem Geleit wie die *) nicht ganz klar ist mir, was die Worte disiu sumerzit diu müeze in baz bekomen bedeuten. Meint der Dichter, sie möge ihnen besser bekommen als ihm der Winter, so daß sie keinen Anlah zum niden (74, 3) finden? oder so datz sie ihm seine fröide nicht wieder rauben und daher seinen Gesang

wieder zu Horen bekommen? 2) er liest 74, 9 nach Lachmanns Text, mutz daher hiat und die Ver­ kürzung tnins annehmen. Bartsch s Besserung (s. o.) vermeidet beides: eide und mit Elision ist dann wie gerüwe, ich in Str. 2.

74,20

299

Provenzalen den Verstecknamen bringt, hält Halbach es für das Vorbild von IRorungen 137, 21, während wilmanns (wohl wegen sonstiger Berührungen, die sein Kommentat verzeichnet) IRorungen als Anreger für lvalther betrachtete.

74,20—75,24. Vie größte Schwierigkeit bereitet bekanntlich die Anordnung der Strophen. Die verschiedenen bisher vorgenommenen Reihungen erregen mehr oder weniger starke Bedenken. Lachmanns Trennung der fünf Strophen in zwei Lieder (2 + 3) hat mit Recht nirgends Beifall gefunden? ebensowenig seine An­ nahme *), die Strophe 75, 9 sei von dem Mädchen gesprochen: da­ gegen streitet, abgesehen von allem andern, schon der Vers ir sit so wol get&n, der nur patzt, wenn er an ein weibliches Wesen gerichtet ist, und tatsächlich heißt das Mädchen ja in unserem Liede so: als6 sprach ich zeiner wol getanen maget (Str. I). Auch wäre es unzart, wenn die Aufforderung zum Blumenbrechen von ihr ausginge *2). Simrock, dem sich Pfeiffer, Paul und Michels anschlossen, ordnete so: I Nemt, frouwe; II Ir sit; III Si nam; IV Mich dühte; V Mir ist. Aber was soll das Mädchen mit dem Llumenschapel in der Str. II, wenn ihr der Dichter schon in Str. I einen fertigen Kranz überreicht hat? Und wie sehr wird der natürliche Zusammenhang, der von der Aufforderung in I (Nemt, frowe, disen kranz) zu der Annahme des Geschenkes in III (Si nam daz ich ir böt) führt, zer­ rissen, wenn sich das versprechen einer weiteren künftigen Blumen­ spende in II dazwischen schiebt! Und wie schlecht passen die Worte in III (wirt mirs iht mer, daz trage ich tougen) zu der unmittelbar in IV folgenden, offen ausgesprochenen Erfüllung aller wünsche! Der Grundfehler der ganzen Anordnung ist, daß sie Wirklichkeit (in I. III. V) und Traum (in II. IV) zusammenwirft, indem sie nur V als nicht erträumt faßt3). Auch wackernagels, A folgende Reihung befriedigt nicht. Er ordnet: I Nemt, frouwe; II Ir sit; III Si nam; IV Mir ist; V ’) die nur Wilmanns, wie seine Reihung, übernommen hat. ») andere Bedenken bei petsch, Zs. f. d. Phil. 56, 233. 3) anderes wieder bei Petsch, a. a. ®. 233, der seinerseits zwar richtig bemerkt: 'wir scheiden grundsätzlich zwischen einem Traum- und einem Wacherlebnis des Dichters', aber nach meiner Meinung die Strophen nicht richtig auf beides verteilt.

300;

74,20

Mich dühte. Gegen I. II. III erheben sich dieselben Bedenken wie bei Simrocks Ordnung, und sie werden durch IV. V nicht gemildert, denn wiederum würde der Dichter von der Wirklichkeit (IV) in den Traum (V) hinübergleiten, und die Aufforderung zum Blumen­ brechen (II) ist von der Erfüllung im Traum (V) nun noch weiter getrennt; oder man ist (mit Wackernagel) gezwungen, die Strophe V als eine eigene Schlußstrophe zu erklären, die neben IV gebraucht werden konnte: wie all solche Annahmen sichtlich eine verzweifelte Notkonstruktion. Schließlich ist Petsch, Zs. f. -. Phil. 56, 231 ff., mit einem weiteren Vorschlag hervorgetreten. Nach ihm wäre folgende An­ ordnung richtig: I Nemt,frouwe; II Mich dühte; III Mir ist; IV Ir stt; V Si nam. Trotz der längeren Begründung vermag ich ihm nicht beizustimmen. Vie Anordnung, die mir die richtige scheint, ergibt sich daraus, daß auf die Darbietung des Kranzes (Nernt, frouwe, disen kränz') natürlicherweise die Annahme (Si nam daz ich ir bot) folgt, womit sich diese Strophen als I. II erweisen. Ebenso natürlich scheint es mir, daß auf die Strophe Ir sit so wol getan, in der von der Heide mit ihren bluomen unö Vogelstimmen und von dem Wunsche nach dem gemeinsamen Llumenbrechen gesprochen wird, unmittelbar die Strophe Mich dühte daz mir nie Lieber wurde folgt, in der die Baumblüten ins Gras fallen und der Wunsch seine Erfüllung findet. Wenn in I. II das wirkliche Erlebnis erzählt war, so schildern diese beiden Strophen das Glück im Traume. Dieses vorgegaukelte Glück verfolgt den Dichter in die Wirklichkeit (Mir ist von ir ge­ schehen) und weckt den Wunsch nach Erfüllung, da er wieder einem Tanze wie früher in I. II beiwohnt. Zusammenhängend ergibt sich also folgender Ablauf. In der ersten und zweiten Strophe er­ zählt Walther die Begegnung mit dem INädchen als etwas Reales. Sein Lohn für den ihr dargebotenen Kranz war eine Verbeugung. Darf er für die Zukunft mehr erhoffen, so wird er es heimlich bei sich zu tragen wissen. Diese Hoffnung folgt ihm in seine Träume. Die dritte Strophe bringt die Ansprache des im Traume kühner gewordenen Dichters: nun bietet er ihr einen Kranz, wie er ihn aller beste (nicht bloß schiene I 4) hat; empfangen soll sie ihn nicht unter den Menschen, wie einst, sondern auf abgelegener Heide, wo nur sie zwei sind. Vas INädchen geht darauf ein: so wart im

74,20

301

mert — aber nur im Traume, aus dem ihn der Anbruch des Tages reißt. V. Seither muß er sie immer wieder unter den Tanzenden suchen, unter denen er sie einst erblickt hat. vielleicht findet er sie doch. Möchte dann auch der Traum erfüllt werden und er sie noch bekränzt finden: bekränzt dann in der Wirklichkeit mit dem aller besten kränze, denn der andere ist ja längst verdorrt. Mit dem grammatischen Reim tanze*, kränze greift diese letzte Strophe auf die erste (kranz*. tanz) zurück*1). Der Übergang vom wirklichen Erlebnis (I. II) zum geträumten (III. IV) ist ebenso in Volksliedern zu finden, auf die Scherer (s. die Vorbemerkung bei wilmanns) hingewiesen hat, s. z. B. Uhland Nr. 20:

Ich weiß mir eine Jungfrau schön, wolt Gott, sie wäre mein! von Perlen und von golde tregt sie ein kränzelein. Von Perlen und von golde tregt sie ein erenkranz. mit iren schneweissen henden bracht sie mich an den tanz. Ich war in fremden landen, da lag ich unde schlief, da träumt mir eigentlichen wie mir mein seins lieb rief. Und da ich nun erwachte, da war es alles nichts . . . x) Die von petsch vorgeschlagene Anordnung hat folgende Schwächen: sie zerreißt den natürlichen Zusammenhang zwischen I und II (Nemt—Si nam) sowie zwischen III und IV (Blumen brechen und seine Erfüllung),die Steigerung, die der Traum gegenüber der Wirklichkeit, wie sonst, bringt, indem die schcenen bluomen (I) zum allerbesten schapel (III) werden, wandelt sich zur Abschwächung, wenn III das Erlebnis, I den Traum wiedergibt,dis en sumer (V) und lihte wirt mir einiu; so ist mir sorgen buoz. Waz obe si get an disem tanze? (V): beides hat keinen rechten Sinn, wenn nur der Traum (I. II) vorhergegangen ist. Dagegen ist es wohl begründet, wenn das Erlebnis (I. II) im vorigen Sommer gespielt und den Traum ausgelöst hat (III. IV), so daß er nun disen Sommer alle Mädchen ansehen mutz und hofft, sie an disem tanze (zum Untersckied von dem früher erlebten, I, und dem im Traum gesehenen, III) zu erblicken. Schließlich kann Si nam daz ich ir b6t (II) unmöglich aus III folgen, da er ihr hier ja gar nichts ge­ boten, sondern nur versprochen hat, ein schapel zu flechten,- an Nemt, frowe, disen kranz (I) schließt dagegen die Annahme (II) ganz untrennbar an.

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74,20

Umgekehrt geht in Nr. 28 der Traum dem Überschicken des Uranzes zum lobetanze voraus. Wenn Walther den Übergang von der Wirklichkeit (I. II) zum Traum (III. IV) so plötzlich und ohne Andeutung vollzieht, so ist das künstlerische Absicht: der Zuhörer soll in der Meinung erhalten bleiben, auch die kühne Werbung und ihr Erfolg seien ein Erlebnis: deshalb schiebt er die Aufklärung in Str. IV hinaus, bis an die letzte Grenze, sogar über den Aufgesang hinüber, in den Abgesang hinein. Stetig steigernder Vortrag mag das noch zu erhöhter Wirkung gebracht haben. Vas Verhältnis meiner Anordnung zu der in den Handschriften vorliegenden zeigt folgende Übersicht: E A c 262 I Nemt 5i 134 136 II Si nam 264 53 263 III Ir sit 52 135 IV Mich dühte 138 — 373 V Mir ist 372 54 137

Das allen drei Handschriften gemeinsame, den Vers über­ füllende, sichtlich aus Str. I 1 stammende Frowe in III 1 beweist, -atz letzten Endes öin Archetypus zugrundeliegt. Mehrere gemein­ same Kehler (besonders in III) führen darauf, daß A und C gegen­ über E enger verwandt sind. Kerner ergibt sich daraus, daß IV und V in C an weit späterer Stelle überliefert sind als I—III, daß letztere aus AC1 geflossen sind, IV und V dagegen aus AC2. wenn wilmanns II 28 f. bemerkt, es sei durchaus unwahrscheinlich, daß der Sammler C einzelne Strophen zunächst absichtlich ausgelassen habe, da es ihm ja doch auf Vollständigkeit angekommen sei, so hat er für unser Lied jedenfalls vollständig recht. Daß in AC1 nur I—III überliefert waren, u. z. genau wie in C vor dem bei Lach­ mann folgenden Liede 75, 25, beweist deutlich die fehlerhafte Über­ lieferung AC in III: 75, 14. 15 stehn die falschen Präterita ent­ sprungen : sungen (st. der echten Präsensformen in E) und oben­ drein ist v. 14 um einen Takt zu lang: und die deine (deinen A) vögele sungen AC. Diese Kehler stammen aus Str. I von 75, 25: die kleinen (deine A) vögele sungen T) da. Somit müssen beide *) so A richtig: C hat hier singens, wohl weil lauter Präsentia folgen.

74,20

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Strophen in der Vorlage AC wohl dicht beisammen gestanden haben, und das ist in C1 tatsächlich der Fall: III des Traumliedes ist = C 263, I des anderen Liedes ist = C 265. Eine einzige Strophe trennt also die beiden, das ist C 264, und nicht einmal diese, wenn die Anordnung, die ich vorschlage, die ursprüngliche war, denn dann hatte C 264 ursprünglich vor 0 263 gestanden, vielleicht läßt sich auch jener störende Zusatz Frowe in III, 1 zugunsten meiner Reihung anführen. Solche Verdeutlichung war nicht nötig, wenn diese Strophe auf I unmittelbar folgte, so daß die direkte Rede fort­ gesetzt wurde. Sie konnte aber sehr erwünscht erscheinen, wenn ursprünglich eine erzählende Strophe zwischen den beiden Anreden stand, wenn ferner die beiden letzten Strophen, also die Nach­ träge, aus AC2, in umgekehrter Reihe ausgenommen wurden, so kann das verschiedene Gründe haben,- vielleicht verglich der Samm­ ler sein Exemplar mit einem vollständigen, indem er von hinten nach vorne schritt, wie das der Sammler BC nachweislich getan hat (Wilmanns II 22). Zu den verschiedenen Textgestaltungen im Einzelnen wäre etwa Folgendes zu sagen. 74, 24. Michels' ml golt ist unglücklich: ml goldes (und ... gesteines) mühte es dann heißen,- es bleibt also bei Lachmanns (und der übrigen) ml edele gesteine, wobei ml Ver­ stärkung zu edele ist. 25. Über die Auftaktregelungen Wackernagels (und anderer) hier wie 33 und 75, 6. 16 s. u. zum Rhythmus. 26. Pfeiffers engloubet verstößt gege ndie Sgntax, da niht nötig wäre. 33. Doch (E, Wackernagel und andere) scheint mir zu unpoetisch­ deutlich. 35. wart (E, Wackernagel und andere) ist gegen den Sinn des Ganzen und stammt sichtlich aus dem vorhergehenden Vers. 75, 4. Vas ungewöhnlichere einiu verdient sicherlich den Vorzug vor miniuT). Nur muß man es nicht als Vemonstrativum fassen, wie Braune, Beitr. 40, 216 (s. Zs. 67, 19), sondern als zart verT) s. die Nachahmung bei Sahsendorf HINS. I 301 waz ob llhte ir einiu Bei Walther fehlt sl vor einiu und das macht seine Ausdrucksweise für uns schwierig. Aber wenn man berücksichtigt, daß allen meiden vorausgeht, so darf man wohl deuten: ich muß allen Mädchen ins Gesicht sehen: vielleicht wird mir dann eine, und mein Kummer ist dahin. Mit einer von all denen, die er anblickt, wäre ihm geholfen. Daß diese eine nicht eine beliebige von all den Mädchen ist, überläßt Walther dem Hörer sich zu denken: er hat ihm mit dem vorhergehenden Mir ist von ir geschehen und dem folgenden waz obe si get an disem tanze? genügende Hilfe gegeben, um ein si (einiu) entbehrlich zu machen. mir sorgen tuot buoz.

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74,20

hüllend: der Dichter sagt diskret 'Äne': welche, soll sich der Leser selbst sagen. Pfeiffers vinde (E) hängt an mine, auch ist das füllende aller vor sorgen sichtlich aus allen (v. 2) geholt. 5. in (Wackernagel) ist nur in A überliefert, also bei den engeren Beziehungen von A und C sicherlich falsch. 11. aller steht in sämtlichen Handschriften, man wird es also nicht gerne mit Benecke streichen, wenn sich das dadurch vermeiden läßt, daß man mit Lachmann nach E schreibt. 13. Das heimliche Beisammensein mutz fernab von dem Tanz­ getümmel stattfinden, wo man die Vögel ungestört von anderer Musik hören kann. Pauls niht verre, das die Lesarten überdies mischt, ist also abzulehnen. 21 ff. Die Interpunktion Lachmanns ist der anderer Herausgeber vorzuziehen, weil sie troum und tagen— wachen syntaktisch vereinigt. Schönbach (II 52. 64) hat für einige Züge auf Gvid, Properz und Tibull hingewiesen. Unmittelbare Beziehungen bestehn wohl nicht, sondern Walther hat die Anregungen durch das Mittelglied der lateinischen pastourellendichtung erhalten, wie Brinkmann 156 und 157 an einigen parallelen dartut,- vgl. auch dessen Liebesd. 64, wo Dichter der Tarmina Burana das Spiel der Mädchen auf den wiesen betrachten (Nr. 116), der Betrachter bald eine heraus­ gefunden hat, schnell sein herz an sie verliert (Nr. 131) und sehn­ süchtig auf eine Zusammenkunft harrt (Nr. 50). Zu ir wangen wurden rot (o. 30) stellt sich 'rubent genae* im Streitgedicht Phyllis et Flora (Nr. 65), das ja auch in dem bald nach dem unsrigen gedichteten Liede 94, 11 benutzt scheint, s. zu diesem. Halbach 881 (doch s. 134) seht 74, 20 hinter plenios strophische Sippe 69,1,- 70,1,- 40, 19; 52,23 als spätere freiere Variation. Das halte ich (mit der Umstellung 70, 1; 69, 1) für richtig. Man darf jedenfalls behaupten, daß unser Lied vor 1220 gedichtet ist, in welchem Jahre der Spruch 28, 1 verfaßt wurde, wenn Walther dort sagt: Zähiu wiech danne sunge von den vogellinen, Von der hei de und von den bluomen, als ich wilent sand, so deutet er damit auf 75, 12 ff. zurück: wizer unde roter bluomen weiz ich vil: Die stent sö verre in jener beide, Da si schone entspringent Und die vögele singent1). Und wenn er dort fortfährt: Swelch schczne wip mir denne gcebe ir habedanc, Der lieze ich liljen unde /) so wie die letzteren Verse aus 74, 20 zurückdeuten auf 114, 23, wo CS heißt: ich wände daz ich iemer bluomen rät gestehe an grüener beide„

74,20

305

rosen uz ir wengel schinen, so bezieht er sich auf die Verse 74, 30 f. zurück: ir wangen wurden rot, Same diu rose, da si bi der liljen stät. Die Rhgthmisierung des Liedes ist zweifelhaft: am unge­ zwungensten scheint mir von den verschiedenen vorgeschlagenen *) die bei Halbach 2), nur möchte ich die trochäischen Verse 6. 7 schwer­ klingend lesen, so daß folgender Rhythmus entsteht:

‘Nemt, fröuwe, disen kränz': (Pause) also sprach ich zeiner wöl getanen mäget: so zieret ir den tanz, (Pause) mit den scheinen blüomen, als irs üffe träget. 5 het ich vil edele gesteine, däz müest üf iur houbet, ob ir mirs gelöubet. set mine triuwe, däz ichz meine/ Um v. 6 als trochäisch zu fassen, muh man Wackernagels (und anderer) Vorschläge annehmen, also in obiger Strophe iur st. iuwer schreiben (man beachte das ir st. iuwer in CE!), ebenso 75, 6 (ür hat E!) 3) und 74, 33 entweder das vil der Handschriften streichen4),* oder aus der Divergenz von AC gegenüber E schließen, daß das mir ein Eindringling aus dem vorhergehenden und folgenden Vers ist: die drei mir wirken ohnehin wenig schön. Der jambische Rhyth­ mus in v. 8 erfordert 75, 16 im Anschluß an E (sülle) eine zwei­ silbige Form wie sule(n). Gerade in einem Tanzliede, als das unser Gedicht allgemein aufgefaßt wird, muß man wohl genaue Regelung des Auftakts erwarten 6). 0 Halbach 881 und 134; Heusler §709. 806; Fischer §83. 103. 2) nach Besserung des Druckfehlers 6b für 6b a 3) in diesem schlichten Liede kann sich Walther solche Freiheit (Wilmannr I S. 328 und Anm. V 149) wohl gestattet haben. 4) es kann vor schone leicht zugesetzt sein, wie 64,10 in a; 75, 14 in E; vgl. auch 94, 28. 39 in C. 6) 'Texländerungen braucht es keine' sagt Heusler bezüglich seiner Rhythmisierung der Verse 5 und 8. Aber wie liest er den Eingang von 74, 32 und 75, 16 daktylisch, wenn er Lachmanns Text meint? Er betont wohl dö schämten (E schemten) und dd sülen (E sülle); aber wo bleibt dann hier (und 75, 24 dö täget tz; s. auch 74, 35; 75,13) die natürliche Betonung, auf die er sonst so sehr aus ist? Und wie soll man an solche vereinzelt eingestreute Daktylen bei einem Dichter glauben, der so wenige ganz daktylische Lieder hat? Krans, Walther von der Vogelweide.

20

306

75,23

wenn ich die Pausen hinter v. 1. 3 ansetze, so geschieht es, weil sie mir vielfach durch eine Bewegung oder sonstige Geste aus» füllbar scheinen, so hinter kränz (20) durch die angedeutete Dar­ reichung, bei tanz durch einen Hinweis aus die Tanzenden, bei ie (75,19) durch eine den Blütenfall markierende Handbewegung, bei sehen (75, 3) durch die Ausführung. Dazu kommt, -atz die meisten dieser Reimwörter die bedeutungsvollsten im Vers sind und eine Lautgestalt haben, die einer Überdehnung günstig ist (-6t, -an, -ie; auch -anz), sowie daß die Sgntax eine Pause oft nahe­

legt, nirgends verbietetT). Die Annahme schwerklingender Ausgänge in o. 6. 7 scheint mir durch ähnliche Beobachtungen nahegelegt, denn sie werden

fast ausnahmslos*2)3 von den schwersten Wörtern des Verses ge­ bildet, und fast überall kann man sich eine Begleitgeste hinzudenken2). Aber Sicherheit ließe sich für all das bestenfalls gewinnen, wenn man, von Ulrichs von Liechtenstein als 'Tanzlieder' aus­ drücklich bezeichneten Gedichten ausgehend, sämtliche Vertreter dieser Gattung genau untersuchen würde, wozu Sievers 181 ff.4) eine kräftige Anregung bietet. Das Ziel müßte sein, nicht nur den Rhythmus des Liedes, sondern auch die Art und Ausführung des betreffenden Tanzes zu ermitteln und zu zeigen, daß beide zuein­

ander passen. 75,25—76,21.

Die leidige Auftaktfrage macht hier die Entscheidung schwer. Daß in der fünften Zeile, also zu Beginn des Abgesanges, fallender Rhythmus herrscht, ist wohl allgemein zugestanden (s. ;. B. wilmatms* Vorbemerkung oder Heusler § 645 D), da ja auch der Marner in seiner lateinischen Nachbildung (Carmina Burana Nr. 95 5) ; *) während bei Heuslers Annahme die Pause zweimal den ZusammenHang Zerreißt: Daz ich iu min schapel gerne geben wil x x» So ichz allerbeste hdn; Daz ich disen sumer allen meiden muoz X z Vast under dougen sehen. hier kann man nicht durch Geste oder Überdehnung die Kluft überbrücken. 2) in wünnecliche geht der Nachdruck über das ganze Wort. 3) natürlich darf man das nicht umkehren und etwa überall für die schwersten Reimwörter Pause bzw. schwerklingende Messung fordern. 4) der nur die Strophen 74, 20—35 als Tanzlied betrachtet und ihnen die 38. Stelle unter Walthers Liedern dieser Rrt anweist (199). 5) wo sie nachträglich in die Handschrift eingefügt ist, Schumann, German.-Roman. Monatschrift 14 (1926), 434.

75,25

307

vollständig bei wilmanns 2. Anhang Nr. V) sie auftaktlos baut. Nlan mutz also in der letzten Strophe Lachmanns Text ändern, indem man mit Wackernagel und anderen E deich für e daz ich (C) schreibt»).

Schwieriger ist die Entscheidung für v. 32). Aber der Marner hat auch hier trochäischen Eingang2), und bei Walther sind die versanfänge zwischen 4), sumer und siiezer ganz eindeutig. Der eine Sali von jambischem Eingang hat schon inhaltlich Bedenken erregt: zu 76, 3 fragt Lachmann: 'gehört diese Zeile hinter die folgende?' In der Tat ist der Sinn schwierig: Die tßren sprechens 'sniä sni’, Die armen Hute 'owe owi’. Des bin ich swcere alsam ein bli. Wil5 manns erklärt: "wenn die Stelle unverderbt ist, mutz der Sinn sein: "darüber (über die Not der Armen) bin ich schwer bekümmert'." Aber dann mühte da von, nicht des, stehn. Man könnte also nur deuten: 'deshalb' (weil ich zu den Armen gehöre) "ist mein herz bleischwer'. Das stünde jedoch in Widerspruch zum Sagenden: der wintersorge hän ich dri, worunter drei ganz bestimmte gemeint sind (s. u.). Wackernagels als für alsam hilft zwar dem Ders, nicht aber dem Sinn. Ich vermute, datz das Des dem Eingang von 75, 31 Des rimpfet sich vH manic brä nachgebildet ist und der Ders gelautet hat: Ich bin swcere alsam ein bli, womit sich Walther mit seinen drei Sorgen sowohl den unbekümmerten Toren als auch den Armen gegenüber stellt. — In der ersten Strophe nötigt der Sinn zu keiner Änderung. Aber wenn der erste Stollen mit Diu werlt begann, so lag es verführerisch nahe, den zweiten mit Die deine (so A) vögele beginnen zu lassen, weshalb wackernagels Streichung des Artikels sehr annehmbar ist. Dazu kommt, datz unser Gedicht ein Tanzlied ist und daß das Tanzlied 94, 11, zu dem Beziehungen bestehn, den Auftakt ganz strenge regelt. Sonstiges: 37. rlfe unde sne (A, Wackernagel) ist wegen des Hiatus unglaublich. 5. der ander ist wohl nur Gedankenlosigkeit von C, hinter der keine Geheimnisse stecken,- l. der andern (A, Wacker­ nagel u. a.). 11. Pauls ziertest kann man nicht mit Michels als *) Michels' (und Heuslers) danne (A) ist kaum möglich, f. u. 2) Heusler § 767 will nur der Zeile 5 Auftaktlosigkeit zuerkennen, ohne sich jedoch über die Schwierigkeiten bei Zeile 3 zu äußern. 3) s. Plenio, Arch. 136,16 sinnt.; Leitr. 42,4886. 4) inzwischen ist bei ihm nur al; Adverb bezeugt.

308

75, 26

unnötig bezeichnen, weil spilt und swebt Irrealis seien: sie sind sicher­ lich Indikative wie die Präterita in Str. I und II, das beweist schon das d6, das unmöglich für danne stehn kann. Aber die Änderung ist zu verwerfen, weil der Vers 11 noch zum Aufgesang gehört, also Anschluß an v. 10 verlangt. Erst mit v. 12 beginnt der Rückblick auf die schone Vergangenheit. Die Herstellung der letzten Strophe ist am schwierigsten. Gegen Schröders Auffassung von veltgebü als 'Bergwerk, Grubenbau' (Zs. 46, 90) habe ich Bedenken: ja sahe ich gerner veltgebü kann nicht bedeuten: 'da möcht ich mir lieber die Innenansicht eines Berg­ werks wünschen', auch ist sehen und beklemmet sin kein rechter Gegen­ satz, das gedankliche Apokoinou ist bei Walther unbehaglich, der Truchseß von Singenberg hat es keinesfalls so verstanden (in hän den aker noch den bü, Wadernagel 254, 10), die Schlußpointe wird abgeschwächt, wenn schon vorher etwas genannt ist, was der Dichter eher täte1), und die sonstige gedankliche Trennung von Auf- und Abgesang spricht gleichfalls dagegen2).3 4 veltgebü muß also ähnlich verstanden werden, wie es der Truchseß gefaßt hat, also als '§eldbestellung'. Damit ist auch die Dreiheit gewonnen, die dem Dichter offenbar hier ähnlich wie in dem, unserem Gedicht überhaupt nahe­ stehenden Lied 63, 32 vorschwebt: der sumer wird hier (76, 10 f.) wie dort (64, 13 ff.) gepriesen, weil er die beide (= anger, mit den bluomen 76, 11 f.) bedenkt, noch besser aber den walt (= 16 76, 11), am reichsten aber das velt (= veltgebü 76, 18). Die Wahl zwischen ein sü (A) und Esdü (C) in v. 15 ist nicht leicht. Außer Lachmann und Simrock haben alle Herausgeber letzteres bevorzugt, und in der Tat scheint manches für den biblischen Namen zu sprechen. Seifried helbling sagt in seiner Nachahmung am Schlüsse: nü ner mich der Jacoben nert Vor sinem bruoder Esäüz); auch ist der Anklang des Verses min sieht här ist mir worden rü an Genesis W (DoIImayr) 2259 ff. nu weist du wole, müter, Daz ruch ist min brüder, Ich pin sieht unde linde verführerisch*). Aber x) wie schon Meißner, Zs. 63,170, eingewendet hat, der auch mit Recht betont, daß die Beziehung auf den Bergbau wegen der unmittelbar vorhergehenden Zeile süezer sumer, wä bist dü? unwahrscheinlich ist. 2) die beiden letzten Gründe kehren sich auch gegen lvallners Deutung (27 Anm.): 'lieber wäre ich bei den Bauern oder Mönch zu T.'. 3) s. Sechstem, Germ. 15, 434 ff. 4) s. Zacher bei Sechstem a. a. G.

75,25

309

die Hauptsache: das verligen patzt in keiner weise auf Lsau: wann hätte sich dieser verlegen1)? (Es heitzt im Gegenteil, entsprechend der Bibel, von den Brüdern: Do si wdhsen begunden, Ungeliche si geuiengen, Der altere wart iagire und accherman, Jacob wonete in gezelten (2141 ff.). Huf die Sem dagegen patzt das verligen zur Winterzeit, da sie in engem KobeT eingesperrt ist und ihre Borsten von Dreck starren, ganz ausgezeichnet. Nlan mutz also, wie so oft, zu Lachmann zurückkehren und den Esdu bei helbling aus der O Lesart herleiten 2). Auch Lachmanns Interpunktion (Punkt hinter veltgebu) ist wegen der nötigen syntaktischen Trennung von Aufund Abgesang 3) beizubehalten. Man kann nur zweifeln, ob gerner (A) oder gerne (C)4) zu lesen sei. Lachmann hat sich offenbar für den komparativ entschieden, weil er die fehlerhafte Verbindung mit dem Folgenden, die A durch danne hergestellt hat, leicht erklärt. Mißverstanden hat wilmanns den Vers: der wintersorge 5) hän ich dri. (Er hätte sich durch den mißglückten Versuch Bechsteins bei Giske (Zs. f. d. Phil. 15, 66 ff.) nicht abschrecken lassen sollen, die dri ausfindig zu machen, denn wer soll glauben, daß dri hier gar manche' bedeute? Walther läßt doch wohl den Hörer die drei Wintersorgen aus dem Inhalt des Ganzen erraten, genau wie er anderwärts nicht ausspricht, welches die dri Geliebten sind, denen *) s. wallner 41 (gegen wilmanns): 'verlegen ... geht auf das Nisten rm Stroh: mit straubichtem haar und voll Stroh ... krieche er hervor'. 2) wie anderseits der Truchseß vielleicht doch sü wie in A gelesen hat: er schließt Min sieht ist allez worden rü: des muoz ich liden Spottes hü. Sollte dieses hü nicht den Zuruf an die Säue meinen, vgl. Opel und Cohn, Lieder des 30jährigen Kriegs 279, 71 da höret man; juch Schwein! hu Sau! hu Säulein! schreien (s. Owb. s. v. hu). Oer spot bestünde dann darin, daß man den Dichter durch den Ausruf einer sü gleichseht. 3) da veltgebü 'Feldbestellung' bedeutet, ist das Apokoinou auch sinn­ gemäß nicht möglich, denn die Vordersätze 'ich sähe lieber bestellte Acker und würde lieber Mönch werden' (bevor ich länger in solcher Falle eingeklemmt wäre) passen nicht zusammen, indem der Inhalt des ersten Satzes etwas Angenehmes darstellt (wofür gerner der treffende Ausdruck ist), während der zweite etwas aussagt, was unangenehm ist, wenn auch weniger unan­ genehm als der Inhalt des Nachsatzes (daher nur e): gerner ist — 'lieber', 8 dagegen ist — 'noch eher'. Vas verträgt keine Paarung. 4) so Wackernagel u. a. b) -sorge ist sicherlich als Genitiv des Plurals zu fassen (mag die Form nun Walther oder nur den Schreibern zukommen): das zeigen die parallelen bei den Nachahmern unseres Liedes, die Lechstein a. a. G. angeführt hat: sorgen fri und zuo minen fröiden, der sint zwo beim Truchsessen: sorgen werden vri bei Rudolf dem Schreiber: grdzer sorgen hän ich zwä bei helbling.

310

75, 25

er dient, und wer die vierde ist, auf die er hofft (s. u. zu 98, 30). So hat Giske (Zs. f. d. Phil. 15, 66 ff.) fast in allem wesentlichen das richtige getroffen, doch läßt sich seine Deutung noch besser begründen. Walthers drei Wintersorgen sind: 1. Das Sehlen der ougenweide 75,35: die Farben sind weg (25. 26), Blumen und Klee dahin (32. 33), Anger und Strauchwerk ungeschmückt (76, 11); statt all dessen ist die Natur bleich und Übergrd (75, 30), das heiht blaß (durch den Schnee) und grau (durch den Nebel): da lit nü rife und ouch der sne (37). 2. Vas verstummen des Gesanges: der Vögel (27), die unter Reif und Schnee leiden (37. 38). Natürlich meint Walther damit auch sein eigenes Singen: er würde ja gerne wiederum veltgebu sehen, und statt in der Salle festgeklemmt zu sein (wie ein gefangener Vogel), wäre er noch eher ein Mönch (denn der kennt zwar keinen Liebesverkehr (s. 3) und keine Liebeslieder, aber er singt wenigstens bei der Messe). Statt all dessen herrscht das eintönige und un­ heilkündende Krächzen der Nebelkrähe (28). 3. Vas Aufhören des ungestörten Liebesverkehrs im Zreien: man kann nicht mehr schapel brechen (36) und mit den bluomen spiln (12), das herz schwebt nicht mehr in sunnen ho *) (13), d. h. im höchsten Liebesglück. Statt des Blumenbettes ist es jetzt in ein Strohlager verjagt2) (14). Vas Ergebnis dieser drei Wintersorgen (und der andern, die daraus fließen3), v. 5) ist, daß alles in gedrückter Stimmung ist: die Vögel (38), viele Menschen (des rimpfet sich vil manic brd 31; die

armen Hute 2), der Dichter selbst (ich bin swcere alsam ein bli 4), 3 und Strophe IV. V), kurz alle insgesamt (10). Nur die tören (das sind T) parallelen bei wilmanns I, IV 398; Halbach 65 (meist dieselben); dazu: mtn muot swebt der sunnen ho Landegg HMS. I 358a; vgl. 362a; daz min muot stät vür die sunnen h6 Ulrich von Lichtenstein das. II 56 b. 2) 'armseliges Strohlager', s. Kornemann, Germ. 29,49; Bechstein, das. 16,440; wallner 41 f. Ich weiche von letzterem insofern ab, als ich meine, daß Walther damit nicht seine Armut im Auge hat, sondern den Unterschied geegnüber dem duftenden Blumenlager im Sommer. 3) die andern müssen auch wintersorge sein, sonst könnte Walther nicht fortfahren, aller zusammen würde er beim Nahen des Sommers ledig (gegen wilmanns' Anmerkung). 4) auch hieraus ergibt sich deutlich, daß das des bin ich der Hand­ schriften (und wilmanns' Erklärung) unhaltbar ist: daß w. nur über die Not der Armen so bekümmert ist, führt einen abwegigen Gedanken ein und verdreht den Sinn des Ganzen.

75,25

311

die Stumpfen, die der wahren Liebe teilnahmslos gegenüber stehn, s. 96, 9 ff., und Sommerfreude und frohen Gesang nicht kennen, 60, 22 ff. 30) sagen gleichgültig 'schnei nur zu!' (1). Burdach 155. 168 hat Marners Vokalspiel mit Recht als Nach­ ahmung erklärt *). Aber trotzdem folgt Walther hier wohl mittel­ lateinischen Anregungen, s. die Vorbemerkung bei wilmanns sowie Moll 70 ff. Dazu stimmt auch gut die Schluhpointe mit dem Mönch zu vobrilugk. Daneben ist Walther wohl Morungen verpflichtet, s. Werner bei wilmanns zu 75, 37 und ebenso Halbach 65 f. Schon dadurch wird man mit Wahrscheinlichkeit nach Meißen geführt; dort wurde auch die Anspielung auf das asketische*2)3Kloster vobrilugk am besten verstanden, Edward Schröder, Zs. 46,90 ff?), und dahin führen auch die thüringischen Sprachformen 16, rü, dru. An den besonders schneereichen Winter 1210/11 erinnert Schröder; aber was Walther sagt, paßt auf jeden Winter.

Unser Gedicht ist wohl bald nach 94, 11 entstanden. Dem In­ halt nach sind sie Pendants: in dem einen erscheint der Sommer, im andern der Winter mit Rückblick auf den Sommer. Die sommer­ lichen Karben sind dabei fast ganz die gleichen: die bluomen .. .

Sprüngen — da ensprungen bluomen; aldd die vögele sungen — kleine vögele sungen; an einen anger — du zierest anger; in dem walde — vor dem walde; wie mtn sele wcere Ze himel ane swcere — min herze swebt in sunnen h6; und hier wie dort die lästige, unheil­ volle krä, die hier wie dort schriet. Dabei bestehn beide Töne aus lauter einfachen Viertaktern mit vorwiegenden Trochäen, die nur durch je zwei jambische Verse, beide Male zu bestimmten Zwecken, unterbrochen finö4), und auch 94,11 dankt vieles lateinischen An­ regungen, s. zu diesem. Die Stücke sind auch offenbar nacheinander vorgetragen worden, denn 94, 11 steht in A 139—143 und 75, 25 folgt bald darauf5)6 als 147—151. Das Traumlied 74, 20 aber, J) 2) 3) 4)

ebenso Schumann, German.-Roman. Monatschrift 14 (1926), 434. s. Zacher und Kornemann, Germ. 29,42 ff.; breiter Schönbach II 65. allzu skeptisch Kornemann a. a. ©.; Dietrich, £bl. 1903, 275. die Triplets in 94,11 sind wie eine Vorübung zum Vokalspiel: w6(i ergi): mi und drl :bi:si kehren sogar genau wieder, vgl. noch krä: d& hier wie dort. Die kunstvollen grammatischen Reime der ersten Strophe gemahnen wiederum an Morungen, etwa 141,37 ff. 6) man darf sogar sagen: unmittelbar daraus, denn dazwischen stehen

312

76, 22

das in A beiden unmittelbar vorangeht (A 134—138), eignet sich ganz ausgezeichnet, als Vorspiel für beide vorgetragen zu werden. Gder sollte es auch noch Zufall sein, daß hinwiederum dieses Traumlied (74, 20) in C als 262—264x) erscheint und unmittelbar darauf (265—269) das Sommerlied 75, 25 folgt? wenn zuerst das Kranzlied mit dem beglückenden Liebestraum und dem plötz­ lichen Erwachen erklang, sich hieran der Sommertraum schloß, in dem das Erwecken durch die Krähe erzählt wurde, und hierauf das Winterlied folgte, dann gewannen die beiden aber in letzterem auch noch eine besondere Bedeutung und Wirkung: nü schriet aber diu nebelkrä und sumer, mache uns aber fr6. Alle drei sind Tanz­ lieder *2), und man darf wohl vermuten, daß die beiden ersten ur­ sprünglich für den sommerlichen, das letzte für den winterlichen Tanz bestimmt waren, hinter dem Liebestraum 74, 20 mag Under der linden 39, 11 gedichtet sein, hinter dem Sommertraum 94, 11 das daktylische Liedchen 39, 13).

76, 22—78, 23. Pfeiffer hat die Imperativformen auf -ent vielfach in Adhortative auf -en gewandelt, sicherlich unnötig 4), s. wilmanns zu 76, 36. Auch die zwei auftaktlosen Verse (76, 30 und 77, 32) darf man nicht mit Wackernagel (Pfeiffer) ändern, denn es kann nicht Zufall sein, daß beide gerade an der neunten Stelle ihrer Strophen auftreten, d. i. als Beginn des Abgesangs 5). Die beiden Komposita frönebcere (76, 26) und herebernde (76, 37) schützen sich wohl schon durch ihre zweiten Teile gegenseitig gegen die Änderungen, die man 144—146, die nicht Walther, sondern nach Ausweis von C dem Rubin ge­ hören. *) mit den Nachträgen 372. 373. 2) s. jetzt auch Sievers 199, der wegen des 'Huerindex' 75, 25 (bei ihm Nr. 16) nicht weit hinter 94, 11 (Nr. 8) ansetzt, dagegen allerdings 74, 20 erst beträchtlich später (als Nr. 38) folgen läßt. 3) die ja in BC in umgekehrter Reihenfolge auch beisammen stehn. 4) ebenso auch seine Änderung 76, 34 f. 6) denn die beiden Stollen werden durch die Gruppenreime bb gegen­ über dem Abgesang (e e e) gekennzeichnet, s. Heusler § 767; Fischer § 70; vgl. auch plenio 42, 2632 und zur Melodie ders., 42,489. Berechtigte Zweifel an plenios Herleitung aus dem Nibelungenmatz bei Singer, Die religiöse Lgrik, S. 88. Eine minnesingerische Fortbildung des hgmnus 'Verbum bonum et suave’ nennt Günther Müller, Zs. 60, 43, das Lied.

76, 22

313

vorgeschlagen hat. Ebenso läßt sich drö (77, 27; Wackernagel tröst) sehr wohl verstehn, s. wilmanns z. St. Dagegen ist Lachmanns Text änderungsbedürftig in v. 77, 29, wo heil einen viel besseren Sinn ergibt; ebenso 77, 37: l. da st. daz* schließlich 78, 3: l. des heiligeistes, all das mit A, wackernagel u. a. Schwierig bleibt trotz allen Bemühungen *) die Stelle 78, 21. Den versuch Riegers, das Lied in vier Einzellieder aufzulösen hat Arthur Hübner, Die deutschen Geißlerlieder 2511 mit treffenden Gründen zurückgewiesen2). Er zeigt auch, daß das Gedicht zwar aus der literarischen Sphäre des Pilgerliedes stammt und mit dem religiösen Volkslied manches gemeinsam hat, daß es aber weder als Pilgerlied gedichtet noch dazu geworden sei. Er hat sicherlich Recht: der marschartige Eharakter des Rhythmus, der schon frühzeitig empfunden worden ist, braucht darauf so wenig hinzuführen wie etwa ein modernes Musikstück mit der Bezeichnung 'alla marcia je zum Marschieren dient3). Ruch ist vieles in dem Gedicht absicht­ lich schwer und dunkel gehalten und setzt schon eine gelehrte Ver­ trautheit mit geistlicher Literatur voraus, wie die zahlreichen er­ klärenden Anmerkungen bei wilmanns erkennen lassen. Daß Walther auch auf die Form besondere Kunst verwendet hat, zeigt schon der Umstand, daß in den 80 Versen nicht ein einziger Reimausgang sich wiederholt*): wie bei einem Gedicht von geringerem Umfang die Reimresponsionen oder verborgen rime ein Zeichen der Kunst sind, so bei einem langen ihr Fehlen. In welcher Zeit ist dieses Kreuzlied gedichtet? Burdach I 87 meint, wie wilmanns, etwa im Juni 1227, auch Halbach 118 setzt es in die Spätzeit, dagegen dachte Schneider 184 an das Jahr 1217, T) verzeichnet bei Michels z. St.; dazu noch Möller, Anz. 39, 175 (l. boesen st. borgen*, ganz unmöglich!) und Lachmann (an die Grimms s. 37), der 'die Kaution durch Vertrag bestimmen' zweifelnd erklärt, sicherlich zu gesucht und gegen den Stil des Liedes. 2) wie auch Singer, a. a. G. 5. 91, sich mit Recht gegen die Deutung des Einganges auf die Trinität wendet. 3) Wolff, Theolog. Literaturzeitung 1932, 5p. 537 sagt treffend: 'So liegt im rhythmischen und strophischen Aufbau dieses Liedes, wie mir scheint, etwas vom seelischen Rhythmus eines langen, gleichartigen wanderns einem Ziel entgegen, das .... doch immer in weiter Ferne bleibt'. Aber daraus scheint mir nicht zu folgen, daß Hübners Auffassung unrichtig ist. 4) woraus sich ergibt, daß Walther Sünden: ünden*. enzünden mit Um­ laut gesprochen hat, da diese Wörter sonst auf wunden 'vulnera': funden (Part.): enbunden gegen das System reimen würden.

314

78,24—82, io

Lachmann ('Zeitordnung' 126) an 1212, und bei Sievers 199 er­ scheint es ganz früh (Nr. 4), noch vor dem Preislied 56,14 (Nr. 7). Ich vermag keine sichere Entscheidung zu finden, möchte es aber mit Lachmann in die Nähe des anderen Kreuzliedes (14, 38) sehen.

78, 24—82,10.

Die von Wackernagel u. a. vorgenommenen Regelungen des Ruftakts halte ich bei den Sprüchen dieses Tons für unnötig. Ver­ mutungen über den schwierigen Strophenbau außer bei Michels noch bei plenio 475 und bei Heusler § 790. Burdach I 83 f. hat für die vier Strophen 78, 24—79, 16 Be­ ziehung auf die $ür(ten, die Zriedrichs politischen Plänen wider­ strebten, angenommen; vielleicht sollten auch die kirchlichen Kreise dringend vermahnt werden, endlich ihre Schuldigkeit zu tun; Walther habe hier 'der leichten, hart an das $noole streifende Weise' der Goliarden seinen Tribut entrichtet, die man nicht mit modernen Rügen ansehen dürfe. Das letztere tut meiner Auffassung nach Naumann (Das Bild w.s, Rnm. 44), wenn er meint, daß in diesen Strophen'ehrliche Entrüstung darüber, daß die obersten Lehnsträger Gottes ihre Pflicht nicht erfüllen', zutage trete. Den Zusammen­ hang mit Zriedrichs Kreuzzugsangelegenheiten halte ich mit Burdach (und wilmanns, zu 79, 7 f.) für höchst wahrscheinlich. Aber die tiefere Absicht scheint mir nicht ein Tadel oder eine Ermahnung an die Zürsten und die kirchlichen Kreise zu sein, sondern eine Entschul­ digung für den Kaiser, an die Adresse des Papstes gerichtet: selbst die Erzengel, die unsichtbar und unhörbar, weise, stark und heil­ kundig sind und je drei stets gehorsame Engelchöre hinter sich haben, also Gott ganz im stillen rächen könnten, ohne sich mit irgendjemand zu verabreden, haben den Heiden bisher nichts angetan. Und sie soll man preisen? wie denn, ergibt sich aus alledem als stiller Gegensatz, soll man den Kaiser tadeln, der nicht ungesehen und ungehört vorgehn kann, der nur über widerspenstige Nkenschen in geringer Zahl gebietet, der nicht die Stärke Gabriels noch die Weis­ heit Michaels besitzt noch auch die Opfer eines Kreuzzugs mit der Kunst Raphaels zu heilen vermag? Ulan soll ihn also ruowen län, wie Walther es gegenüber den Erzengeln täte1), wenn er über ihre Gaben und Scharen verfügte. ') iuch Herren in Str. III meint keinesfalls 'die Surften, die des Königs

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Die Zusammengehörigkeit der vier Strophen, die allgemein angenommen ist, wird auch durch das Leitwort lop gekennzeichnet. Dreimal wird es in Str. I gebraucht (dazu noch pris\ ebensooft irrt Eingang und am Schluß von Str. II, und zweimal am Schluß von Str. IV. Nur in Str. III begnügt sich der Dichter mit dem sinn­ verwandten Der bum grüezen. Inwieweit die übrigen Sprüche dieses Tones zu engeren Grup­ pen zusammentreten, darüber herrscht keine Übereinstimmung. Mr scheint die soeben gemachte Beobachtung, daß ein Wort als Leitmotiv den Zusammenhang anzeigt, auch für einige andere Strophen einen Anhalt zu geben. So schließen sich 79, 17—80, 2 durch die häufige Wiederkehr von friunt enge zusammen: fünfmal findet es sich in I, dreimal in II, einmal in III. Der Zusammenhang von II und III wird überdies durch sincwel(l) II 6; III 3 und durch (un)si(zte II 6; III 4 hergestellt. Deutlich ist ferner der enge Zusammenhang von 80, 3 und 80,19, der schon äußerlich durch die Worte übermäze — mäze (Z. 5 s.) und Unmäze (Z. 19) gekennzeichnet ist1). Aus der Betrachtung des SnHalts scheint sich mir als sicher zu ergeben, daß die letztere Strophe unmittelbar auf die frühere folgen muß, denn die beiden erklären sich gegenseitig, ohne daß man für die voranstehende aus ein unbe­ kanntes Brettspiel zu verweisen, also eine Unbekannte mit einer anderen zu vertauschen brauchte. Sch möchte folgende Deutung vorschlagen: 'Eine Sechs wollte zur Sieben werden, in hoffärtiger Derblendung über das natürliche Maß hinausstrebend. Aber wer die Bahn des Maßhaltens verläßt, dem fällt leicht ein enger Pfad zum Loos, hoffärtige Sechs, nun steh zur Drei geworden da! Früher war dir zur Sechs (d. h. hinzu zu der Sechs, außer der Sechs) auch noch ein Feld freigelassen: nun mußt du dich in die Fläche der Drei einzwängen'. — Sch vermute, daß der Dichter einen Stein von der Art unserer Dominosteine im Sinne hat?), u. z. einen, dessen eine Fläche eine Sechs enthielt, während die andere leer war (ein velt

Plänen Hindernis bereiteten' (wilmanns z. St), sondern ganz parallel zum Eingang dieser Strophe (iuch engele) die Engel, die ja auch gleich darauf als Mr M.» Mr G.» Mr R. angesprochen werden. *) s. schon wilmanns zu 80, 24: 'eine passendere Stelle hätte die Strophe [80,19] neben 80, 3, wo von mäze und übermäze die Rede war'. 2) mit Schönbachs Hinweisen (II 71) ist nichts anzufangen, so wenig wie mit denen bei Michels z. St.

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gefriet)1). Als sie, im Streben zur Sieben zu werden, nach anderem ausschaute, fiel ihr ein Stein mit je 3 Augen auf den Zlächen zum Loose. Das Streben nach übermäze hat sie also von der sträze auf einen engen pfat geführt: als Sechs war sie ein Ganzes und hatte obendrein ein freies $elö zur Betätigung, nun ist sie zu zwei halben geworden und muß sich dabei noch smiegen (statt ein velt fri zu ha­ ben). — Die Ausführung enthält die (nach der Ordnung in C und bei Lachmann) übernächste Strophe: wer von unmaze getrieben, Unmögliches erstrebt, indem er die natürliche Bahn verläßt, also sie Alle: manlichiu wip, wipliche man, pfafliehe ritter, ritterliche Pfaffen, alte jungherren wie junge altherren, der wird aus einem Ganzen, dem ein Seid zur Betätigung offen steht (wie jedem wahren wibe, man, ritter, pfaffen usw.), zu zwei Hälften, denen jede Möglichkeit zu wirken versagt ist. Deutlich ist ferner die Zusammengehörigkeit der beiden Sprüche 80, 27 und 35, die nicht nur durch den Namen am Anfang der ersten und am Schluß der zweiten Strophe zusammengehalten werden, sondern auch durch die Leitworte gäbe (I 2) und gap, gäbe (II 2 f.) sowie milte (I 3; II 5).

Ebenso bilden endlich die beiden Sprüche über die minne (81, 31 und 82, 3) eine engere Einheit, was wiederum durch die rhetorische Wiederholung schon äußerlich zum Ausdruck kommt (minne 11; II2. 7; valschez 18 vgl. II2).

In all diesen Zöllen ist also die von Lachmann, Wackernagel und Paul2) durchgeführte Isolierung der einzelnen Strophen wohl ab­ zulehnen und Wilmanns’ Anordnung zu folgen3). Die Sprüche, die nach diesen Darlegungen enger zusammen­ gehören, verwenden niemals in einer Gruppe denselben Reimaus­ gang zweimal. Dadurch werden Kombinationen ausgeschlossen, die man sonst versucht sein könnte, vorzunehmen, wie etwa die Der-

*) nur mutz es ein Spiel gewesen sein, in dem 6 (nicht wie jetzt 12) Augen die höchste Zahl war, die auf den beiden Feldern eines Steines vorkam. 2) auch Pfeiffer fatzt nur die beiden Sprüche auf den Bogner zusammen. 3) nur mit der Abweichung, datz 80,19 unmittelbar auf 80,10 folgen mutz, ©b 80,11 als letzter zu diesen beiden Sprüchen gehört, scheint mit nicht beweisbar. — Simrods versuch, in einet Gruppe 'Matz und Überrnatz' die Strophen 81,7; 80,19; 80,3; 81,23 zu vereinigen, kehrt zum mindesten die notwendige Reihenfolge von 80,3 und 80,19 um.

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bindung von 80,11 mit 80, 27 (baz: daz würde neben haz: baz treten); oder von 81,15 und 23 (die beide -ere im Keim verwenden). Bei vielen dieser Sprüche ist ferner das Streben deutlich, mit einem Minimum von Worten die Strophezu bestreiten. So 79, 17 (gehilfet dreimal,' -gemäc, mägschaft, mac); 79,25 (behalten doppelt); 80,3 (Spiel mit ses und dri); 80, 11 (versagen dreimal); 80, 19 (Spiel mit den Gegensätzen); 80, 35 (schoene dreimal; uz und üzer); 81,7 (sieht, zuht je doppelt, wer dreimal); 81,15 (unwirden doppelt, dazu werden; veile 3mal; sere doppelt); 81, 23 (rieh 4mal; arm, iibric, muot, sere je 2mal); 82,3 (geleite und fuoge je 2mal). — vazu kommen für einzelne Strophen noch die bereits oben S. 315 f. besprochenen Leitworte. Zur Erklärung der Strophen seit Wilmanns-Michels sowie zur Textgestaltung im Einzelnen: 79, 17—24. Wackernagel setzt in v. 23 friunt st. friunde. Aber auch v. 17 steht der Plural, und der Singular wäre zudem nicht so gerechtfertigt wie 21 (negierter Satz) und 24 (Gegensatz mdcfriunt). Als konsonantischer Plural wäre es undeutlich. Auf Be­ nutzung durch den Kanzler (lNSH. II Nr. XVI 11 ff.) hat Krieger, Oer Kanzler, Diss., Bonn 1931, S. 46" hingewiesen; sonst s. Singer 463. 79, 25—32. Wackernagel ändert müeste (32) mit Recht in muoste. 79, 33—80, 2. 'Wer mir entschlüpft wie Eis und mich wie einen Lall aufhebt (um mich sogleich wieder sortzuwerfen), wenn ich dem unter den Händen entgleite, das soll niemand mir als Unbeständigkeit oorwerfen, da ich dem treuen Zreunde gegenüber durchaus aus Einern Schrott und Korn und gequadert (nicht innen hohl und rund wie ein Ball) bin. Wessen Sinn mir gegenüber aber so bunt schillert, bald so, bald so (wie irisierendes Eis und ein bunter Ball), dem entgleite ich (wie beide)'. Lachmanns den (C) ist also mit Wackernagel u. a. in dem zu ändernJ), denn transitives walgen ist unbelegt und würde nicht zu'Eis' passen. Zatzt man aber den als Dativ pluraljs, so wäre es, auf swes zurückweisend, sehr un­ deutlich. 80, 3—10. Über den Zusammenhang mit 80,19 s. o. S. 315 f.

*) auch Reinmars von Zweier Nachahmung (bei Wilmanns ;. St.) zeigt intransitives walgen.

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80,11—18. Der Eingang des Spruches hat verschiedene Er­ klärungen gefunden, s. die Anmerkung bei wilmanns. Pauls Deutung 'der nimmt eine schiefe Stellung zur Kunst des Gebens ein' befriedigt wenig, da der Sinn sein mutz, daß der ewige Iasager überhaupt nicht geben kann. Die Erklärung Lucae's ist wieder zu gesucht, abgesehen davon, daß er ist verschraget nicht soviel be­ deuten kann wie er hat sich verschrotet. Nun ist das Derbum zwar nicht im Mittelhochdeutschen, wohl aber in jüngerer Zeit belegt: versehrägen heißt unter anderem 'mit einer schräge gesetzten Ein­ friedigung umgeben' (DWb. XII, 1146). wer solche Einzäunungen in unseren Gebirgsgegenden gesehen hat, weiß, daß sie zum Unterfchied von den mit horizontal und vertikal laufenden hölzern her­ gestellten Absperrungen keine größeren Lücken haben, sondern fast ganz dicht sind (was das verschragen auch zum Ausdruck bringt). Walther meint also wohl: 'vollständig eingeschränkt, gänzlich be­ schränkt in bezug auf die Kunst des Gebens'. Die eine Schranke