Walther von der Vogelweide: Untersuchungen [2., unveränderte ed.] 3112198700, 9783112198704

Fraktur. Carl von Kraus (1868-1952) war ein österreichisch-deutscher germanistischer Mediävist (Altgermanist). Er war O

236 110 32MB

German Pages 500 [522] Year 1966

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Walther von der Vogelweide: Untersuchungen [2., unveränderte ed.]
 3112198700, 9783112198704

Table of contents :
Vorrede vii
Erstes Buch 1
Zweites Buch 130
Drittes Buch 271
Viertes Buch 387
Register 1 489
Register 2 489
Sachregister 494
Abkürzungen 496
Nachträge 497

Citation preview

Walther von der vogelweide Untersuchungen von Carl von kraus

Walther von der vogelweide Untersuchungen von

Carl von kraus

Zweite, unveränderte Auflage

Berlin

Walter de Gruyter L Co. vormals G. 7- Göschen sche Verlagshandlung, 7- Guttentag, Verlags­ buchhandlung, Georg Reimer, Karl ]. Trübner, Veit & Comp.

1966

© Archiv-Xr. 452066/1 Copyright 1935 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttcntag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer - Karl J. Trübner • Veit & Comp. • Alle Rechte des Nachdrucks, der photomuchanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Herstellung: Rotaprint AG., Berlin; Walter de Gruyter & Co., Berlin. — Printed in Germany.

Meiner Frau

Donrede. Die Untersuchungen, die ich hiemit vorlege, verfolgen ver­ schiedene Absichten. Zum Teil sollen sie als Vorläufer der 10. Aus­ gabe von Lachmanns Walther dienen, die nun auch den Text der Gedichte in umgearbeiteter Gestalt bringen wird, während die bisher von mir besorgten Ausgaben nur in der Einleitung und in den Lesarten die nötig gewordenen Ergänzungen bieten konnten. So nehme ich denn, abgesehen von eigenen Vermutungen, zu allem ^leuuny, uius mu un cinvemriyen unu vui|u/myen |uuue neuen handschriftlichen Zünden seit dem Iahre 1827, als die Ausgabe ans Licht trat, bekannt geworden ist *). Dabei war mir das von Michels *) Dagegen wird die von Lachmann gewählte mittelhochdeutsche Normalorthographie beibehalten werden, trotz den in neuerer Zeit von ver­ schiedenen Seiten, insbesondere von Friedrich Wilhelm in der Vorrede zu seinem Corpus der altdeutschen Originalurkunden gegen sie gerichteten Ausführungen, wir wollen abwarten, wie sich die von ihnen vertretenen Grundsätze bewähren, wenn sie einen in mehreren Handschriften verschie­ dener Gegenden und Jahrhunderte überlieferten umfangreicheren Text herausgeben. — Die Angriffe, die Wilhelm in jener Vorrede gegen meine Person richtet, übergehe ich mit Stillschweigen: ich 'gönn' ihm oie geifernde Lust'. Nur die herbe Verurteilung der 'Studien zur mittelhochdeutschen Reimgrammatik' meines Schülers Alfred Schirokauer (Beitr. 47,1 ff.) kann ich nicht unwidersprochen lassen, zumal sie sich auch gegen die Zakultät kehrt, die dieser Arbeit auf meinen Antrag den Preis zuerkannt hat. Zu­ nächst ist mir unverständlich, wie Wilhelm behaupten kann 'sie streifen ans Plagiat', zumal er selbst Schirokauers Worte zitiert: 'Zahlenzitate verboten sich . . . im allgemeinen von selbst, . . . wenn ich die Belege aus weinhold, Wörterbüchern, Reimuntersuchungen u. ä. übernehme. Zeder, der nach­ prüfen will, kann sich die Literatur (die ich nie besonders nenne) beschaffen.' wenn er dabei einmal sagt: 'An Formen von tuon finde ich 19 tet, 2 täte, 1 Uten, 2 täten*, während Dold diese Formen gefunden hatte, so zeigt schon die Abwesenheit der Zahlenzitate, oah er die Belege aus einer ReimuntersuchunA übernommen hat. hätte Schirokauer seine Quellen allen Zitaten beigefügt anstatt in jenen Sähen auf sie ein für allemal hinzuweisen, so hätte die Arbeit leicht den doppelten Umfang gewonnen und wäre in jener Zeit schlimmster Not wohl überhaupt nicht zum Druck gelangt. was nun den wert dieser 'Studien' betrifft, so liegt er darin, dah sie die Doppelformen einheimischer und fremder Wörter in einer Fülle, über die das Sachverzeichnis S. 123 ff. Auskunft gibt, übersichtlich verzeichnen,

VIII

Vorrede

in der 4. Ausgabe von löilmatms’ Walther mit so viel Treue be­ sorgte Lesartenverzeichnis eine oft und dankbar benutzte Hilfe. indem sie oie Feststellungen Zwierzinas und seiner zahlreichen Nachfolger um eigene Beobachtungen vermehrt und zusammengefaßt haben. Reine Arbeit, die seither einschlägige Kragen behandelt, ist an diesen Studien vor­ beigegangen, und so haben auch Gierach in seiner Neubearbeitung von Pauls Mittelhochdeutscher Grammatik und Ehrrsmann in seiner Literatur­ geschichte überall auf sie Bezug genommen. wenn Schirokauer dazu ein Material von rund einer Million Reimen durchsuchte und beständig auf fast 60 Wörter mit all ihren zwei- und mehr­ fachen Formen sowie obendrein auf neunerlei allgemeinere Erscheinungen der Laut- und Flexionslehre und der Suffixform zu achten hatte, dann ist es nicht verwunderlich, wenn ihm in seinen Angaben Fehler — und mögen es selbst sehr zahlreiche sein! — untergelaufen sind, zumal er die Arbeit mit einem Auge — das andere hatte er im Kriege verloren — zu leisten hatte. Man kann eben bei solchen Studien nicht die Vollständigkeit des Materials verlangen, die für Reimwörter zu einzelnen Werken allerdings unbedingtes Erfordernis ist. hier liegt ja die Aufgabe ungemein einfacher, eine Auf­ gabe, die außer elementarer Kenntnis der mittelhochdeutschen Grammatik nichts weiter erfordert als die Genauigkeit eines Registrators, wie wenig die von Wilhelm als einem zum Paulus gewandelten Saulus in der Er­ gänzungsreihe seiner Münchener Texte herausgegebenen Reimwörter­ bücher solchen Forderungen genügen, hat an einigen proben (angestellt an heft 1. 5. 6) bereits Langosch (Die Sprache des Göttweiger Trojaner­ kriegs, Leipzig 1933, S. 1754) gezeigt. Wilhelm macht es Schirokauer unter anderem zum Vorwurf, daß er ohne nachzuprüfen "mit Dold unter die 2 iete (nach Dold 75, 75; 105, 18) irrtümlich 75, 75 tcete zählte', was aber ist in heft 6 seiner eigenen Sammlung "passiert'? Da stehn unter e nicht weniger als neun solche hete(n):(ge) tete(n), die ihren richtigen Platz unter -cete(n) erhalten mußten (s. Langosch), und das nur deshalb, weil sich der Sammler durch die falschen Schreibungen in Marolds Aus­ gabe aufs Eis führen ließ: Schreibungen, die, wenn das nicht längst vor ihm fast ausnahmslos schon von anderer Seite geschehen wäre (s. Zs. 51, 1221 und 1051), vor allem in einem Reimwörterbuch nicht unbesehen über­ nommen werden durften. Allerdings: wer lautlichen Fragen so hilflos gegenübersteht, daß er eteswen: den (Trist. 760) unter die Reime mit Umlauts-e einreiht, und dafür legen: gewegen «bewegen' (2864) unter die mit altem e, von dem kann man das vielleicht nicht verlangen, wohl aber doch von seinem Herausgeber. Nicht besser steht es mit der Unterscheidung der beiden e in heft 5. Zm Erec erscheint gester: swester (1345) unter offe­ nem s, dagegen in Öen Seimen gester: vester (6469) und swestern\ vestern (7773) wird Vermischung der beiden e angesetzt. Ebenso werden im Gregorius“ die 7 Reime des Präteritums weste(n): -este(n) zwar richtig unter geschlossenem e gebracht, aber die vier Reime swester: vester sind dem Dichter als Unreinheiten aufgebürdet, wiederum im Erec steht wesse: esse (6787) unter offenem e, im Armen Heinrich dagegen weste(n) zweimal unter ge­ schlossenem (1136. 1388): hoffentlich beruft sich der Verfasser für hartmann nicht auf Zs. 63, 1 ff.! Nimmt man dazu die von Langosch aus heft 1 und 5 angemerkten sonstigen Entgleisungen, so sieht man, daß die Scheidung der beiden e für einige Autoren in Wilhelms Sammlung ein unlösbares

Vorrede

IX

Auch hat sich mir im verlaufe dieser Arbeit die Überzeugung mehr und mehr gefestigt, daß Wilhelm wackernagel in dem erfolgreichen Bemühen, den echten Wortlaut zurückzugewinnen, den Ehrenplatz neben Lachmann verdient. Ein anderes Ziel, das mir vorschwebte, war, die zeitliche Reihen­ folge der Lieder tunlichst zu ermitteln, wobei ich hauptsächlich auf die inhaltlichen Verbindungen achtete, die zwischen ihnen mehr oder weniger deutlich bestehn. Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich bemerken, daß ich dabei keineswegs einen "Liederzgklus' oder einige "Liebesromane' im Auge habe, wenn man darunter eine Sammlung versteht, bei der unser Dichter ähnlich verfahren wäre wie Gott nach den Versen: Do got den ersten man geschuof, Den testen bekant er sä ze hant. Ebensowenig meine ich, daß die Liebesverhältnisse, von denen solche verbundene Lieder reden, Spiegelungen des Lebens seien. Vas eine wie das andere wäre bei einem Fahrenden gleich undenkbar, ganz abgesehen davon, daß die Liebesdichtung jener Tage alles Tatsächliche scheu meidet, wenn ich also Wendungen gebrauche wie: "Die Dame hat ihn allzu über­ mütig verspottet: sie behauptet, er sei am Ende seines Lobes (in Liedern) angelangt', so ist das genau so zu verstehn, wie wenn ich anderwärts von den Worten: mir mac wol schade von ir geschehen sage: "diese Befürchtung ist nach der liebenswürdigen Abfuhr, die sie ihm erteilt hat, nicht ohne Grund'. So wenig die Dorrte dem Dichter in der Wirklichkeit eine Abfuhr erteilt hat, wie sie im Wechsel 70, 22 erfolgt, ebensowenig hat sie in Wirklichkeit behauptet, er sei am Ende seines Lobes angelangt, und ebensowenig hat er die Be­ sorgnis je wirklich gehegt, daß ihm von ihr noch Unheil widerfahren Problem darstellt. Zn heft 6 vermisse ich bei der Nachprüfung der Reime auf ck, auf die ich mich beschränkte, den Reim kraft: endehaft (9616), und in heft 5 fehlt beim Erec gar mehr als ein halbes hundert von Reimwörtern, da der Verfasser von dem im Zahre 1898 veröffentlichten wolfenbüttler Zünd (Zs. 42, 259 ff.) fast 30 Zahre später (1926) noch keine Kenntnis er­ langt hatte. Gb der Herausgeber derartiger Reimwörter (was ich gebe, beruht nur aus Prüfung dreier von ihnen, und dieser nur in Stichproben) das Recht hat, über eine Leistung wie die Schirokauers, die trotz all ihren ZTlärtgeln unsere Kenntnis erheblich gefördert hat, in so strenger weise zu Gericht zu sitzen, mögen die Fachgenossen selbst entscheiden. Sie werden sich wohl auch schon ihr Urteil darüber gebildet haben, ob hier wie ander­ wärts jene «hoffende Demut gegenüber dem 'menschlichen Fehlen ..., dem eigenen wie dem der langen Reihe der vorfahren' in Erscheinung tritt, von der Wilhelm am Schlüsse seiner Vorrede spricht.

X

Vorrede

werde. All solche Ausdrucksweisen sind von mir nur gebraucht, um nicht immer wieder von neuem ein 'in der Ziktion', 'in der Phantasie des Dichters' oder 'in der Vorstellung' in endlosen Varia­ tionen hinzufügen zu müssen. Ich schließe also aus solchen Liedern nirgends auf das wirkliche Leben, sondern nur auf ein Leben, das der Dichter seinen Hörern vorzaubert **). Ganz ohne Bezüge auf das Leben bleiben dabei manche Äuße­ rungen Walthers doch nicht. Wenn er sich beschwert: Vil maneger fräget mich der lieben wer si si ober wenn er klagt: si jehent daz ich ir (der Dante) übel gedenke, so wird dahinter wohl ein bestimmter Anlaß stecken, nur daß solche Äußerungen kaum, wie man wohl meist meint, aus der Gesellschaft kamen, sondern ihm von Kunst­ genossen in ihren Liedern entgegengehalten wurden, wie überhaupt der Anteil, den literarische Polemik bei einem Dichter wie Walther^) hat» höher bemessen werden muß als es gemeiniglich geschieht. 6s liegt sogar nahe, in solchem hin und her den Ausgangspunkt eines Gedichtes, wie es der Wartburgkrieg ist, zu sehen; denn es ist ant Ende dasselbe, ob man darüber streitet, welches besser sei, Halm oder Bohne, frouwe oder wip, ein gestohlener oder ein durch Lieder erworbener Kuß, oder ob man den oder jenen Fürsten höher stellt: das Motiv des literarischen Streites ist der gemeinsame Ausgangs­ punkt, und in diesem Sinne hat der Wartburgkrieg eben doch eine historische Grundlage. Freilich muß man mit starken Verlusten in unserer alten Lgrik rechnen, wenn man solche polemischen Bezüge für manche Lieder annimmt, aber um diese Annahme wird man ohnehin nicht herumkommen, wenn man sich auch nur vor Augen hält, daß wir von einem namenlosen Dichter einen so ausgezeichneten treffsichern Spruch wie die Verteidigung Walthers gegen die An­ griffe des Volcnant-Wicnant nur durch den glücklichen Zufall kennen, daß man die Strophe frühzeitig für das Eigentum Walthers gehalten hat. Und was wissen wir gar von diesem Kritiker selbst, der doch ein unverächtlicher literarischer Gegner gewesen sein muß, da nicht weniger als drei Sprüche Walthers und seines Anwalts gegen ihn gerichtet wurden? *) vgl. um nur ein Beispiel zu nennen, die ähnlichen Verhältnisse bei Bertrand de Born, Appel, Göttingische Gelehrte Nachrichten 1929, S. 242. *) oder Reimar. s. Nordrneger 29, 39.

Vorrede

XI

Solche literarische Polemik konnte aber nur dann auf die Hörer wirken, wenn sie die Dichtungen, die im Widerstreit gesungen wurden, an ein und demselben Abend in der Reihe ihrer Entstehung vorge­ tragen hörten. Sonst mutzten ihnen die Beziehungen notgedrungen unklar oder dunkel bleiben. Und so ist man auch wirklich in der Lage, Teile solch alter Konzertprogramme noch zurückzugewinnen. Dabei helfen, wenn auch leider selten, Überschriften, wie sie gelegentlich in die Überlieferung ausgenommen wurden (in dem döne Ich wirbe umb allez daz ein man C 111, 22; Ich wil niht me üf ir genäde wesen fr6 BC 61, 32), die auf Beziehungen zu einem anderen Gedicht ausdrücklich hinweisen und dabei unmöglich aus der späten Zeit unserer großen Sammelhgndschriften stammen können, wo man Gleichheit des Tons oder inhaltliche Beziehungen nicht mehr be­ merken konnte, da die Gedichte an ganz verschiedenen Stellen unter­ gebracht waren, oder nur das eine von ihnen in die Sammel­ handschrist Ausnahme gefunden hatte. Man wird in solchen Zöllen also auf ein früheres Stadium geführt, als die betreffenden Lieder, weil zusammengehörig, auch in einem Büchlein eines Zahlenden beisammen gestanden hatten. Aus solche Weise werden später öfter falsche Zuweisungen entstanden sein, wie etwa jene Verteidigung von Walthers Kunst tatsächlich unter seine Gedichte geraten ist. 3n anderen Zöllen läßt sich der oder jene Zehen eines alten Konzert­ programms auch durch die Angleichungen erkennen, die von den Schreibern zwischen zwei Gedichten in den Lesarten vorgenommen wurden. Ein greifbar deutliches Beispiel bietet wieder das Lied Reimars 160, 14, dessen vorletzte Zeile lautet: da heb tz üf und legez hin wider (bas Küssen) da ichz da nam, während Walthers Parodie schließt: er habe imz da und anderswä (112,1). hier hat C gegen das Metrum eingeschoben und lege es anderswa. Das stammt also aus Reimars Lied, wo aber nur die Handschriften AE lege ez schreiben, während in C(b) Irages steht: ein Beweis, daß die Über­ schrift in C, die auf Reimars Lied verweist, unmöglich vom Sammler C stammen kann, sondern einem weit ftüheren Stadium angehört. Ein solcher §all gibt das Recht, auch sonstige Reminiszenzlesarten damit zu erklären, datz die betreffenden Lieder einst beisammen­ gestanden hatten (und also auch im Rahmen eines Abends unmittel­ bar nacheinander vorgetragen wurden). Zindet man nun» datz solche Lieder auch inhaltlich oder durch gleiche Reime mehr oder

Vorrede

XII

weniger eng verbunden sind, dann mutz man wohl aus diesen Be­ zügen auf ein zeitliches Nebeneinander schließen, kann also die Reihenfolge gewinnen, in der sie entstanden sind. Ein unfehlbares Mittel ist das freilich nicht, aber im Zusammenhang mit anderen Methoden1) mag es immerhin dazu führen, den wertvollen Erkennt­ nissen über die Zeitfolge von Walthers Liedern, die bereits gewonnen sind, noch weitere anzureihen. Walther selbst hat bekanntlich bisweilen durch ein Zitat auf eines seiner früheren Lieder zurückverwiesen, vgl. Stellen wie: Si frägent unde frägent aber al ze vil von miner frouwen wer si si (63, 32), womit das Thema eines anderen Liedes (Vil maneger fräget mich der lieben wer si si 98, 26) wieder aufgenommen wird; oder: Nü sing ich als ich e sanc rwil abe iemen wesen fr6? (117, 29),

was den Vers 42, 31 wörtlich wiederholt. Sehr viel häufiger aber begnügt er sich, durch die Wiederholung einiger Worte oder einer Wendung den Zusammenhang anzudeuten. Bei den Sprüchen ergibt sich aus dieser Beobachtung gelegentlich ein Schluß auf ihre zeitliche Abfolge; auch kann man darüber hinaus den Anlaß erkennen, aus dem sie geboren sind, s. etwa edelr küneges rät (84, 28), was in einem anderen Spruch (28, 34) wieder ausgenommen wird mit den Worten: der edel künec . . . hät mich beräten, womit erwiesen ist, daß der eine mit dem anderen enge zusammengehört. Da solche Verbindung mit Stichworten bei den Sprüchen manche Aufschlüsse gewährt, so ist es nur gerechtfertigt, wenn man auch bei den Liedern auf sie sorgfältig achtet, wie das in den folgenden Untersuchungen häufig geschehen ist. Überhaupt ist ja die Achtung vor dem einzelnen Wort bei den bedeutenden Dichtern unseres Mittelalters so groß, daß wir heutigen uns das nur schwer vorstellen können und noch schwerer nachempfinden. Das zeigt sich allerorten, so auch in der heimlichen Kirnst, mit der Stand oder Geschlecht des Redenden in der Wortwahl oder durch sonstige feine Mittel zum Ausdruck kommen. weiteres Augenmerk habe ich der Frage nach der richtigen Reihung der Strophen eines Liedes, nach den Ursachen ihrer Ver­ wirrung in den Handschriften, nach der Einheitlichkeit eines Liedes zugewendet, in den Gedankenzusammenhang schärfer einzudringen getrachtet und mich um die Lösung von Echtheitsfragen bemüht. x)

analyse.

s.

Nordmegers

'psgcho-genetische' und

'bio-genetische'

Stil­

Vorrede

XIII

Auch das Verhältnis Walthers zu Reimar sowie zur Vaganten­ dichtung hat mich vielfach beschäftigt. Schließlich lag mir eine genaue Erklärung der Gedichte am herzen. Die großen Erfolge, die man in der Deutung der Sprüche erzielte, indem man den geschichtlichen Ereignissen nachforschte, die sie veranlaßten, haben begreiflicherweise dazu verführt, möglichst überall, wo sich ein Spruch dem unmittelbaren Verständnis entzog, solche Ereignisse aufzuspüren. Aber dabei wurde die Wahrscheinlich­ keit doch wohl öfter außer acht gelassen, wie soll man glauben, daß geheime Pläne, in die nur einige wenige eingeweiht waren, den Anlaß zu einem für die Öffentlichkeit bestimmten Spruch boten, oder daß der Dichter den Reichsverweser gebeten habe, ihm beim Abfassen eines Spruchs behilflich zu sein? was wir sonst von Wal­ thers Spruchdichtung besitzen, ist doch alles für einen weiteren Kteis ohne weiters verständlich gewesen. Bald bezog sich der Dichter auf große Kragen, die alle Gemüter bewegten, wie die Unordnung und Verwirrung im Reiche, das Verhalten des Papstes, die Zustände an seinem hos in Rom, Opferstock, Simonie, die Gewalt in den Händen des Niederen oder des reichen Toren, die Rollenverteilung zwischen Alt und Iung, die rauhe Gegenwart, der verfall der guten alten Sitte; oder er behandelte Vorgänge, für die ein genügender Kteis von Augen- oder Ohrenzeugen vorhanden war (Keste, litera­ rische Polemik, Atze) - oder er rief weithin bekannten Persönlichkeiten wie Reimar oder Engelbrecht eine Totenklage nach,- er wendete sich an Kaiser, Könige und sonstige mächtige Herren mit Ratschlägen, Ermahnungen, Bitten, Dank oder Tadel, mit Beschwerden über sie und über ihre Umgebung, Entschuldigungen, Klagen über das eigene Los oder über Mißdeutung seiner Sprüche. Anderwärts spendet ec allen insgesamt Lehren der Weisheit; er rät zur Selbstbeherrschung und zur Erkenntnis des eigenen Wertes, er warnt vor Zalschheit und treulosen Zreunden, verurteilt alles halbschlächtige Wesen und jegliche Hoffart und lehrt, wie man mimten solle und wie seine Kinder aufziehen. Schließlich zollt er dem Ienseits seinen Tribut im preise der Dreieinigkeit und der Jungfrau, in Gebeten und in Aufrufen zum Kreuzzug. wo uns alledem ein Spruch zunächst unklar bleibt, da war er es für einen größeren oder geringeren Kreis von zeit­ genössischen Hörern sicherlich nicht. Es liegt also nahe, in solchen Zöllen die Deutung in einer der sonstigen Richtungen zu suchen,

XIV

Vorrede

statt in fernen und geheimnisvollen Regionen. Ruch bei der Er­ klärung von Liedern hat übrigens wohl bisweilen die Gelehrsam­ keit einen größeren Anteil gehabt als der Sinn für das Natürliche und poetische. Vas sind im wesentlichen die Ziele, die mir bei Abfassung der folgenden Untersuchungen vorgeschwebt haben. Mag ich ihnen manchmal nahe gekommen, oder, gewiß öfter, auch ferne geblieben sein, einen sicheren Gewinn hat mir das Bemühen, sie zu erreichen, auf alle §älle gebracht: die vielen Stunden, in denen mich der Dichter erwärmt, erheitert, erhoben und beglückt hat. München, den 22. Zebruar 1935

Carl von Kraus.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Vorrede...................................................................................................VII-XIV Untersuchungen: Erstes Such ............................................................................. 1—129 Zweites Buch............................................................................. 130—270 Drittes Such ............................................................................. 271—386 viertes Such............................................................................. 387-472 1. Unechtes in Lachmanns Text............................................. 473 2. Die Strophen in Lachmanns Unmerkungen .................. 473—475 3. Lieder in INinnesangs Frühling...................................... 475—477 4. Die Lieder in LachmannsVorrede.................................... 477—480 5. Neue Lieder und Sprüche (Lachmanns 9. Ausgabe)... 480—487 6. versuch einer zeitlichen Unordnung der Lieder............ 487 f. Register 1. Die echten Lieder nach Lachmanns Unordnung... 489 Register 2. Die Lieder nach zeitlichen und sonstigen Gruppen 489—493 I. Ulteste Lieder.............................................................. -. 489 f. II. Zn (unmittelbarer Beziehung mit dem Preislied 56, 14 490 f. III. Niedere INinne ............................................................. 491 f. IV. Reue hohe INinne........................................................... 492 f. V. Letzte Lieder..................................................................... 495 VI. Zeitlich unbestimmbare Lieder..................................... 495 Sachregister........................................................................................... 494 f. Abkürzungen häufiger genannter Arbeiten ................................... 496 f. Nachträge und Druckfehler................................................................. 497—500

Erstes Budx 3,1—8,3. Der Bau von Walthers Leich hat nicht nur die Herausgeber beschäftigt, sondern auch in besonderen Abhandlungen und ander­ wärts verschiedenartige Beurteilung gefunden, so von Schade, Bartsch, Roethe, von Winterfeld, Gottschalk, plenio, Stellet1); s. auch heusler in seiner Deutschen Dersgeschichte § 834 und 738. Ich hebe im golgenden das heraus, was mir am wahrscheinlichsten erscheint, und versuche meine Ansicht näher zu begründen. vorauszuschicken ist, daß wir für den Leich nur zwei Zeugen besitzen: die Liederhandschrist C und die Heidelberger Handschrift 341 (Lachmanns k); denn Zwierzina hat zwingend dargetan, daß die Partie der Raloczaer Handschrift, die den Leich enthält (Lachmanns k2), eine unmittelbare Abschrift von k, u. z. von deren drittem Schreiber, ist, und daß aus k2, wiederum unmittelbar, der Text in der wiener Handschrift 2677 (Lachmanns 1) geflossen ist2). Wan kann deshalb von k2l vollständig absehen. C und k geben den Leich in abweichender Anordnung: in k steht die zweite Partie (5, 19—8, 3) bekanntlich vor der ersten (3,1 bis 5, 18). Der Grund ist wohl der, daß der Schreiber oder sein Vorgänger den grauenleich mit Versen beginnen wollte, in denen die Jungfrau und nicht die Trinität angerufen wird. Allerdings hätten sich hiezu schon frühere Stellen dargeboten wie etwa 4, 2 oder 4, 32. wenn er also gerade unmittelbar hinter 5,18 anhebt, also hinter dem Verse, der nach Steller den ersten hauptteil beschließt, so spricht das dafür, daß Stellers Abgrenzung richtig ist; denn man darf wohl annehmen, daß in der Vorlage von k der 2) von Steller Beiträge 45, 307 ff., wo die weitere Literatur angegeben ist. gür Schade und Steller noch Singer, Die religiöse Lgrik des Mittelalters, Bern 1933, 89 f. -) gestschrift für Max Hermann Jellinef (tDien 1928), S. 221.222. 224 f. Kraus, Walther von der vogelweide.

1

2

3,i

folgende Vers, also 5, 19, durch eine Initiale ausgezeichnet war, die den Zweck hatte, den Beginn eines neuen Teiles deutlich hervor­ zuheben, und die den Schreiber veranlaßte, gerade an dieser Stelle die Reihung zu ändern. Die Annahme eines starken Einschnittes zwischen 5,18 und 5, 19 gewinnt dadurch an Sicherheit. Sucht man, an welcher Stelle der mit 5, 18 endigende haupt­ teil beginnt, so kommt man, wie viele Vorgänger, auf 3, 13. Denn die Verse 3,13—16 haben erst in 6,7—10 eine Entsprechung: beiderseits findet man vier vierhebige stumpf endigende, mit Auf­ takt beginnende Verse: nur die Keime sind verschieden: zuerstaabb, später aaaa. Man darf also das Stück 3, 13—5, 18 als ersten hauptteil (I) betrachten und mit 6, 7 den zweiten hauptteil (II) beginnen lassen. Die nächste, diesmal ganz genaue Entsprechung findet sich in I 3, 21—24 und in II 6, 17—20: hier wie dort je vier vierhebigschwerklingende Verse mit je einem vierfachen Reim (-eret b$m. -iure). wie verhält es sich nun mit den Versen, die in der Umgebung der eben besprochenen stehn? Sn I 3, 17—20 stehn wiederum wie in 13—16 vier vierhebige stumpf endigende, mit Auftakt beginnende Verse mit der Reimstellung ccdd. Diese Reprise von 13—16 hat in II keine Entsprechung. Umgekehrt hat die Gruppe II 6, 11 bis 16 ^ ihre Reprise in 6, 21—27 u. z. in ganz genauer Entspre­ chung 2), nur daß die Reimart zuerst sechs a zeigt, an späterer Stelle dagegen aabbcc. D;efe Doppelheit findet in I 3, 25—4, 1 eine einfache Entsprechung u. z. mit der Reimart aaaaaa. Es liegt also nahe, zu vermuten, daß eine Doppelheit in dem einen haupt­ teil nur einfache Entsprechung erfordert, d. h. daß für den niederen 3) Schade und Steller haben diese 6 Verse auf vier gebracht, um sie den Versen 3, 17—20 an Zahl gleichzumachen. Aber Schades starke Eingriffe sind unwahrscheinlich, und Stellers Streichung von v. 11. 12 führt den Ge­ danken in v. 10 in eine Sackgasse, s. Michels z. St. -) denn der überschüssige Vers 6, 23 da wider solle nieman streben ist zweifellos, wie Schade und Steller tun, zu streichen, da er in C fehlt, einen platten Inhalt hat und sichtlich aus dem Vers 3, 20 sö starke stcete widerstrebe geholt ist. Daß letzterer Vers dem Zudichter im Gedächtnis war, zeigt auch die Veränderung des Verses 8, 1, wo für die Fassung in C mit stcete ivernder riitive in k nach jenem Muster geändert wird in: mit starker steeter r'mwe. Der durch jenen Zusatzvers in k entstandene Dreireim mag nach dem Muster von I 5. 15—17; II 7, 21 — 23 sowie 7, 25- 27 geschaffen sein.

3

3,1

Kursus in einem Teil eine nur teilweise höhere Responsion im andern genügt. Wir kommen nunmehr in I zur Gruppe 4, 2—12, der in II die Gruppe 6, 28—31 teilweise entspricht. In Gruppe I lauten die Verse: 4, 2. 3 Magt unde muoter schouwe der kristenheite not, du blüende gerte Arönes, üf gender morgenröt, 4, 6. 7 Ezechieles porte, diu nie wart üf getan, dur die der künec herliche wart üz und in gelän. 4, io. ii also diu sunne schinet durch ganz geworhtez glas, also gebar diu reine Krist, diu magt und muoter was *). In Gruppe II entsprechen nur vier Langzeilen, die zwar die gleichen Taktzahlen haben, auch ebenso paarweise gereimt sind, aber durch­ aus männliche Zäsur aufweisen, wie an obiger Stelle nur v. 12: 6, 28 Nü sende uns, vater unde sun,

den rehten geist her abc, daz er mit siner süezen fiuhte ein dürrez herze erlabe. 30 unkristenlicher dinge ist al diu kristenheit so vol. swa Kristentuom ze siechhüs lit, da tuot man im niht wol.

Um die Entsprechung vollkommener zu machen, hat Steller in I die Verse 10. 11. 12 gestrichen. Das ist aber höchst bedenklich, denn sie finden ihre ganz genaue Entsprechung in den letzten Versen des Schlutzteiles: 8, 1. 2 Mit stacte wernder riuwe umb unser missetät, die ane got und ane dich nieman ze gebenne hat *2j. Sollten nicht eher die Dreiteiligfeit in I und die ungenaue Ent­ sprechung der Verszahl in II in einem inneren Zusammenhang stehn? Dder anders ausgedrückt: in I sind zwei Stollen (4, 2—5 und 4, 6—9) sowie ein Ubgesang (4, 10—12) vorhanden, d. i. ein niederer Kursus und der Ubgesang. Wiederum ist also in einer Gruppe, in der teilweise niederer Kursus vorliegt, der höhere dafür *) also 'ein lyrisches Gegenstück zur Kürnbergsweise', heusler § 758. 2) so nach k und mit den meisten Herausgebern gegen C und Lachmann. 1*

3,i

4

freier behandelt, also eine Hreiheit kompensiert durch irgendwelche Entsprechung in anderer Beziehung. Die in I folgende Gruppe umfaßt die Derse 4, 13—21, denen in II die Derse 6, 32—37 entsprechen. Gruppe I lautet: 4, 13—15 Ein bosch der bran,

da nie niht an besenget noch verbrennet wart: 16—18 grüen unde ganz beleip sin glanz vor fiures flamme und unverschart. 19—21 daz was diu reine magt alleine, diu mit megetlicher art In Gruppe II heißt es:

6, 32—34 In dürstet sere

nach der lere

35—37 der im die schancte

als er von Rome was gewon: und in da trancte als e, da wurde er varnde von.

Auch hier hat Gruppe I teilweise niederen Kursus (die beiden Stollen 13—15 und 16—18) und einen Abgesang. Und wiederum ist die Entsprechung in II in bezug auf die Derszahl nicht genau. Man wird also die Derse 4, 16—18 nicht mit Steller streichen, nur um den exakten höheren Kursus zu gewinnen 1). Nunmehr folgt in I die Gruppe 4, 22—31; die entsprechenden Derse in II sind 6, 38—7, 7. Die Entsprechung ist (bis auf zwei Hehler der Überlieferung bezüglich des Auftakts, worüber unten) ganz genau. Aber ebenso ist der niedere Kursus strenge durchge­ führt, die Gruppen sind nicht dreiteilig, sondern paarig. In I reihen sich an die Derse 4, 32-^5, 3: Salomönes

hohes trönes

bist du, frouwe, ein selde her 2) und ouch gebieterinne. ob allen magden bist du, maget, ein magt, ein küneginne.

balsamite,

margarite,

*) auch streitet dagegen schon die zugrunde liegende Vibelstelle 2 ITIof. 3, 2, denn Walthers Verse 4, 13—15 haben dort ebenso ihr Vorbild wie die folgenden Verse 16—18: Apparuitque ei Dominus in flamma ignis (18) de medio rubi (13) et videbat, quod rubus arderet (13) et non combureretur (14 f.). 2) hSr schreibe ich statt des here der Herausgeber. Walther hat diese Horm (neben HSre) zweimal gereimt, 54, 5 und 56, 26.

3,1

Gotes Iambe

was din wambe ein palas kleine, lac beslozzen inne1).

5

da ez reine

Dem entspricht in II 7, 8—16:

In Krisle kristenlichez leben, sit er uns hat üf ein gegeben, io so suln wir uns niht scheiden, swelch kristen kristentuomes gibt an Worten, und an werken niht, der ist wol halp ein beiden, daz ist unser meiste not: 15 daz eine ist an daz ander tot: nü stiure uns got an beiden. Die höhere Responsion ist also hier denkbar frei: sie beschränkt sich darauf, daß die Zahl der Takte dieselbe ist (je 36) und daß die drei schwerklingend endenden Verse hier wie dort den gleichen Bau haben, wiederum steht diese Zreiheit im höheren Kursus in Zu­ sammenhang mit der in I vorhandenen Dreiteiligkeit, d. i. mit dem teilweise niederen Kursus. In Gruppe I schließen sich an die Verse 5, 4—18:

4. 5 Dem Iambe ist gar gelich gevar der megde schar: die nement sin war und kerent swar ez keret. 9. 10 daz lamp ist der wäre Krist, da von du bist nü alle trist gehoehet und gehöret, des bistü frow'e geret. 15 nü bite in daz er uns gewer durch dich des unser dürfte ger: dü sende uns tröst von himel her: des wirt din lop gcmeret. Dem stehn gegenüber in Gruppe II die Verse 7, 17—24:

17—19 Und gebe uns rät, sit er uns hät sin hantgetät 20 geheizen offenbäre. *) Lachmann schreibt im Anschluß an k: ein palas kleine, da daz reine lamp alleine lac b. i. Aber k hat seinen Zusah aus 4, 19 f. geholt: daz was diu reine magt alleine.

6

3,i nü senkte uns, frowe, sfnen zorn, barmherzic munter tiz erkorn, dü frier r6se sunder dorn, du sunnevarwiu kläre.

Bei der Vergleichung fällt vor allem in I die störende Zeile 14 auf. Sie ist nur in C überliefert, erinnert im Ausdruck an v. 3, 21 (da von din name st geret) und im Gedanken an die ihr unmittelbar vorhergehenden Zeilen, und ist daher feit Bartsch bereits vielfach von den Herausgebern mit vollem Recht getilgt worden. — Schwie­ riger ist es, übet die ursprüngliche $otm der vorhergehenden Partien ins klare zu kommen. Ganz ohne Beispiel wäre es, wenn die Teil­ gruppen I 4—8 und 9—12 tatsächlich wie in obigem Text Lachmanns um je 2 Takte und einen Reim mehr hätten als die Teil­ gruppe II 17—20. Nach der Überlieferung ist das bei I 9—12 auch nicht der Kall: in C fehlt v. 12, in k fehlt v. 10. Aber daraus ist nicht zu schließen, daß einer dieser beiden Verse in der Vorlage gefehlt hätte, denn die Zeilen 4—7 haben tatsächlich acht Takte mit vier Reimen und zeugen so dafür, daß auch 9—12 einst dieselbe Korm hatten. ©b dieses 'einst' auf Walthers Dichtung zu beziehen ist, oder aber auf eine Umarbeitung, bleibt zu untersuchen. Nun lenkt der Inhalt der Verse 4—8 von dem Thema ab. Vas hat bereits wilmanns richtig erkannt, und der Umstand daß C die Verse in der Reihenfolge 9—13. 4—8 bringt, zeigt, daß man den Zusammenhang schon frühzeitig als unbefriedigend empfand. Das ist in der Tat der Kall: ordnet man wie C (und mit ihr wackernagel und andere Herausgeber), so wird der Bezug des Pronomens in v. 15 auf Crist v. 10 durch die dazwischen stehenden Verse 4—8, in denen nur von dem Iambe, also von einem Neutrum, die Rede ist, arg unterbrochen, und die Anrede an die Jungfrau (Ute 15) hängt in der Luft, weil die fünf vorhergehenden Verse vom Lamm handeln1). ©tönet man dagegen wie k (und Lachmann), so verschiebt sich die Unter­ brechung nur nach vorne, indem zuerst vom Lamm Gottes gesprochen wird (4, 38—5, 3), dann von der Schar der Jungfrauen, und hierauf erst erklärt wird, was das Lamm fei. Die Verse 4—8 stören also auf alle Källe. Dazu kommt ihr Inhalt: was soll eigentlich die Be­ merkung, daß diese Schar gleichfarbig ist wie das Lamm? Unge-

i) f. wilmanns Zs. 13, 247 f.

3, l

7

schickter kann man den Gedanken, daß die Jungfrauen unschuldig wie das £amm seien, schwer ausdrücken. Und was soll weiters die Angabe, daß die Jungfrauen des Lammes war nement? und daß sie kerent swar ez keretf Gewiß, der letzte Gedanke stammt aus der Apokalgspe *), s. wilmanns zur Stelle. Aber hier ist er nicht am Platze. Ich stimme also wilmanns und denen, die ihm gefolgt sind, durchaus bei, wenn sie die Verse 4—8 verwerfen. (Es verbleibt die Zrage nach der ursprünglichen Zassung der Verse 9—13. wenn man C und k gegenüberstellt, ergibt sich fol­ gendes Bild:

C Das lamme ist crist io der warer got ist da von du bist .............................. gehcehet und geret.

k Das lamp ist krist .............................. da du bist nu und alle vrist gehcehet und geeret.

C 10 befriedigt nicht. Lachmanns Hinweis auf seine Anmer­ kung zu Iwein 4098 hat freilich für uns keine Beweiskraft, aber die natürliche Betonung wird in einem Vers der wär got ist allzusehr vergewaltigt, und obendrein ist warer got verdächtig, da 4, 25 be­ reits den wären Krist gestanden hatte *2). Ich vermute also, daß die Vorlage Ck nach v. 9 eine Lücke hatte, die von C zu füllen ver­ sucht wurde. Man mag etwa lesen: Daz lamp daz ist3)4Der vrone Krist*). k 12 dagegen dürfte (nach Streichung des metrisch unmöglichen

undt die schon Lachmann vorgenommen hat) echt sein: ohne diesen Vers ist der ganze Satz zu dürftig. Die ganze Stelle hatte also etwa folgenden Wortlaut:

Daz lamp daz ist der vrone Krist da von du bist nü alle trist gehcehet und gehöret. Die Vierreime, die ja auch der Zudichter von v. 4—8 vorge­ funden Hat, sind also als ursprünglich anzunehmen. Daraus folgt, *) 14, 4 Hi sunt qui cum mulieribus non sunt coinquinati; virgines sunt,

hi sequuntur agnum quocumque ierit.

2) noch mehr gilt das natürlich von Lachmanns der wäre Krist. -) so Pfeiffer. 4) vgl. frön Krist 26, 9.

8

3,i

-atz an der entsprechenden Stelle in II, also in 7, 17—19 ein Zwei­ takter auf -at verlorengegangen sein muß1). Dann ist der höhere Kursus2) ein vollkommener. Wenden wir uns nach dieser Betrachtung der beiden hauptteile dem Schlüsse zu, also der Partie ab 7, 25. hierin werden Teilstücke früherer Partien wieder aufgenommen: die Gruppe 7, 28—32 entspricht vollkommen genau der Eingangs­ gruppe 3, 1—5; ebenso ist die Gruppe 7, 35—38 genau gleich den Gruppen I 3, 21—24 und II 6, 17—20; der Bau der Schlußgruppe 8,1—3 ist ganz derselbe wie der des Abgesanges in Gruppei 4,10—12; die drei vierhebig-stumpfen auf die gleiche Reimsilbe ausgehenden Derse 7, 25—27 stellen wohl eher ein Novum dar als daß sie den Teilstücken des Abgesangs in I 5, 15—17 und II 7, 21—23 ent­ sprächen; jedes der beiden Reimpaare 7, 33.34 und 39.40 darf man wohl als eine Spaltung aus der halben Gruppe I 3, 13—16 und II 6, 7—10 betrachten. Das INittelstück erstreckt sich von der durch die Umordnung in k3) bezeichneten Stelle 5, 19 bis zu 6, 6. Es besteht aus drei Gruppen. Die erste ist eine Neubildung und zeigt niederen Kursus (5, 19—22 -- 23—26). Die zweite Gruppe ist eine Derdoppelung der Gruppe I 3, 25—4, 1 bzw. II 6, 21—27 4), hat also ebenso niederen Kursus (5, 27—32 = 33—38). Die dritte endlich deckt sich int Bau in der Hauptsache mit dem Aufgesang I 4, 2—9 und mit II6,28—31; auch sie zeigt niederen Kursus (5, 39—6,2 = 6,3—6). Solche INittelstücke sind nicht nur in lateinischen Sequenzen zu finden (unter vier Gedichten von St. Amand haben sie zwei5)), sondern auch in deutschen Leichen, z. B. denen Gutenburgs und Rugges ®), es liegt also an sich kein Grund vor, den Mittelsatz Walthers mit Schade, Stellet und Singer für eine Zudichtung zu halten. Der Inhalt scheint mir das auch nicht zu fordern: er schlägt ganz passend die Brücke vom ersten hauptteil zum zweiten, indem ihn mit dem ersten der preis der Jungfrau und der Geburt Christi verbindet, mit dem l) was schon pienio 42,4781 gesehen hat. '-) mit dem nicht überlieferten Zweitakter. =) s. o. S.lf. •*) mit der oben S. 22 begründeten Streichung des Verses k 23. 6) f. v. Winterfell» Zf. 45,142. — Sonstige neuere Literatur über die Sequenzen bei Spante, Litbl. 1934, Sp. 111”. ') [. {jeusiet § 834 ff.

3,1

9

zweiten (ab 5, 39) die Bitte, beide mögen sich unser annehmen,welch beide Motive dann am Schluß des Ganzen (ab 7, 21 ff.) im Zusammenklang ertönen. Auch wäre ein Zudichter schwerlich darauf verfallen, diesen Mittelsatz mit einer sonst nicht vorkommenden Gruppe (5, 19—26) zu eröffnen und ihn dadurch vom ersten Haupt­ satz ebenso abzuheben, wie sich der Schluß vom zweiten Hauptsatz gleichfalls durch eine Gruppe, wie sie sonst als Ganzes nicht vor­ kommt, abhebt. Und schließlich pflegt ein Zudichter sich an das Original anzulehnen: die Zusammensetzung des Mittelsatzes aus lauter paarweise wiederholten Gruppen, also die strenge Durch­ führung der niederen Responsion, hat aber in keinem andern Teil ihre Entsprechung — außer vielleicht im Eingangsteil, was ja denn auch eine künstlerische Absicht vermuten ließe. Dieser Eingangsteil umfaßt die Verse 3, 1—5 und 3, 6—12, durchaus vierhebig schwer klingend, durchaus mit Auftakt (denn v. 2 ist sicherlich mit Recht von Lachmann und anderen ie hinter die ergänzt worden), die erste Gruppe mit der Reimstellungaaabb, die zweite mit aaaaabb, dort also fünf, hier dagegen sieben Verse umfassend. Steller will von der Siebenergruppe zwei Verse streichen, um dadurch im Eingang niedere Responsion zu erzielen. Aus dem vergleich mit lateinischen Sequenzen und mit anderen deutschen Leichen läßt sich hierüber keine Entscheidung gewinnen, da sie bald paarige, bald unpaarige Eingangssätze aufweisen. Auch der sonstige Bau der waltherschen Leichdichtung gewährt keinen Aufschluß, da der Mittelsatz durchaus paarig ist, die beiden haupt­ teile und der Schlußsatz aber teils paarig, teils unpaarig. Wohl aber spricht der Inhalt für die Echtheit der von Steller getilgten Verse. Bekanntlich gehen die Verse 1. 4. 5 aus das Symbolum Athanasianum zurück*): diner Trinitäte, ... der jehen wir, mit driunge diu drie ist ein einimge (trinitatcm in unitate... sicut singillatim imamquemque personam deum et dominum confiteri christiana veritate compellimur . . . trinitas in uni­ tate et unitas in trinitäte veneranda). Diese Beziehungen setzen sich nun gerade in den angezweifelten Versen fort*2): Ein 2) Text nach Steinmeger, Die kleineren ahd. Sprachdenkmäler S. 31 f. 2) die folgenden parallelen teilweise in Pfeiffers Anm., sowie bei Mlmanns (aber nur in der zweiten, nicht in der vierten Textausgabe).

10

3,1

got i) (una est divinitas . . . non tres dii, sed unus est deus); der höhe here (non tres domini, sed unus est dominus; s. im Gloria: tu solus dominus, tu solus altissimus); des ie selbwesende cre verendet niemer mere (aequalis gloria; increatus pater, increatus filius, increatus et Spiritus sanctus; aeternus pater, ae. f., ae. sp. s.; unus aeternus ... unus increatus; personae coaeternae). Bei dieser Sachlage*2) kann ich mich nicht entschließen, mit Stellet die Verse 1—6 für echt zu halten, in v. 7 und 8 dagegen 'eine nach theologischer Sachlichkeit schmeckende Erweiterung' zu erblicken. Oer ganze Leich weist also nach dem vorstehenden folgende Architektonik auf3): E 1 (3, 1—5); 2 (3, 6—12). H 13 - (3, 13—16; 17—20); 4L2 (3, 21. 22; 23. 24); 51 (3, 25 bis 4,1); 612-3 (4, 2—5; 6—9; 10—12); 7L2 3(4, 13—15; 16—18; 19—21); 8L2(4, 22—26; 27—31); 912'3 (4, 32—34; 35—37; 38—5,3); 10 (5, 9—13; 15—18). M II1 2 (5, 19—22; 23—26); 51'2 (5, 27—32; 33—38); 61-2 (5, 39—6, 2; 6, 3—6). H II 31 (6, 7—10); 51 (6, 11—16); 41-2 (6, 17. 18; 19. 20); 5* (6, 21. 22. 24—27); 612 (6, 28. 29; 30. 31); 712 (6, 32—34; 35—37); 81-2 (6, 38—7, 2; 3—7); 93 2 3(7, 8—10; 11—13; 14—16); 10 (7, 17—24). S 12(7, 25—27); 1 (7. 28—32); J31 (7, 33. 34); 41 2 (7, 35. 36; 37.38); iS1 (7, 39. 40); 63 (8. 1—3). Jeder Teil mit Ausnahme der beiden hauptteile hat also eine Gruppe, die den anderen Teilen fehlt: Einleitung (2) und Schluß (12) haben sie einfach, der Mittelteil (11) dagegen doppelt. vollkommen genaue höhere Responsion herrscht zwischen Ein­ leitung und Schluß (1) sowie zwischen den beiden hauptteilen und 0 ein als unbestimmten Artikel vor dem Vokativ zu fassen, geht schon aus sprachlichen Gründen nicht an, s. Zs. 67, 2*. 2) vgl. dazu oben S. 41, wo die (Quelle in derselben Weise gegen Stellers Atethese spricht. 3) E bedeutet den Linleitungssatz, HI bzw. HII die beiden Haupt­ sätze, M den Mittelsah, S den Schlußsatz. Die Exponenten 1.2 bzw. 1.2. 3 bedeuten die Paarigkeit bzw. Dreiteilig feit der einzelnen Gruppen; wo der Exponent fehlt, ist der Bau weder paarig, noch dreiteilig.

3,1

11

dem Schlichte!! (41-2); nur zwischen den beiden hauptteilen außer­ dem in 81-2 und in 10. Andere höhere Responsionen sind mit mehr Freiheit behandelt: der Gruppe I 3L 2 (vier Reimpaare mit vier verschiedenen Reim­ klängen) entspricht in II nur 31 (zwei Reimpaare mit gleichem Ausgang); dafür treten im Schlußteil zwei gespaltene Reimpaare (jedes mit besonderem Reimklang) auf, so daß also I 3,1 hier ge­ teilt wiederkehrt. Die Gruppe I 51 kehrt im Mittelteil verdoppelt wieder und ebenso verdoppelt, aber gespalten in II; in I sowie beim ersten Auftreten in II haben die drei Derspaare je den gleichen Reimausgang, in den anderen Teilen verschiedenen. Die Gruppe I 61*2 ist von je zwei Nibelungenlangzeilen mit schwerklingender Zäsur gebildet, in II entsprechen dagegen je zwei solche mit stumpfer Zäsur; dafür hat diese Gruppe in I ihre ganz genaue Entsprechung im Mittelteil; ferner findet der Gruppenteil 63 des ersten Haupt­ teils im zweiten keine Responsion; dafür erscheint er aber in gleicher Form im Schlutzteil. Gruppe 7 besteht im ersten hauptteil aus drei, im zweiten nur aus zwei achthebigen stumpf endigenden Lang­ zeilen, deren erste Hälfte jedesmal mit Innenreim versehen ist; diese Innenreime sind in den beiden ersten Zeilen in I stumpf, in der dritten leichtklingend: die Zeilen in II zeigen bald die eine, bald die andere Art von Innenreimen. Die Gruppe 9 schließlich variiert in ihren achthebigen Langzeilen in bezug auf die Stellung der Reime, aber sie hat daneben gleichgebaute und gleichgereimte Dierheber, und sie zeigt in jedem hauptteil die gleiche Anzahl von Takten (24). Zusammenfassend kann man also sagen, daß bei dieser freieren Behandlung der höheren Responsion die Ungleichmätzigkeiten stets durch anderweitige Übereinstimmungen ausgeglichen werden; weiter ergibt sich, daß jeder der drei Teile: Einleitung, Mittelteil und Schluß teils aus einmaligen, teils aus anderwärts respondierenden Gruppen gebaut ist. Schließlich sei noch angemerkt, daß der Schluß jedes der fünf Teile zugleich durch einen stärksten syntaktischen Einschnitt gekennzeichnet ist, während innerhalb dieser Teile von einer Gruppe zur andern, wie das ja auch sonst bei den Leichen längst beobachtet ist, vielfach ein hinübergreifen des Satzes stattfindet. Wenn man die Gruppen nacy ihrer Abfolge in eine Tabelle

12

3,1

reiht, so erhellt am besten die Kunst, die Walther auf den Bau feines Leiches verwendet hat *): E H I M 11' H II 8

1 2 3'. 2

41.2

5'

6'. 2. s 71.2. 3 8'. 2 gl. 2. 3

51.2 6'. 2 12 1

3' 13'

5' 4I.2

4l.2 i3'

S-

6'. 2

7'. 2

8'. 2 gl. 2. 3

63

was den Wortlaut des Textes betrifft, so haben bereits Pfeiffer und Bartsch geltend gemacht, daß Lachmann C gegenüber k allzusehr bevorzugt hat. Die Entscheidung ist freilich öfter schwierig, da eben nur diese beiden Zeugen vorliegen. Ich bespreche die wich­ tigeren Abweichungen der Herausgeber. 3, 2 1. die ie st. die, entsprechend L.s Vorschlag in der An­ merkung *2). 3, 4 ff. Die Interpunktion hat den Herausgebern *) Lehrreich ist ein vergleich der obigen Tabelle mit den Verhältnissen in Lichtensteins Leich, insofern der Schlußsatz 'Teilglieder der Wiederholungs­ gruppen erneuert', heusler § 835. wenn man die Entsprechungen im ein­ zelnen betrachtet, so ergibt sich, daß die zweiteiligen Stücke der hauptteile im Schluß einteilig wiederkehren (423,1—4: 425, 11.12; 425, 5—12: 425, 13—16; 423, 20—25 : 425, 21—23; 423, 26—29 : 425, 24. 25; 424,1—6: 425, 26—28); von dem einzigen unpaarigen dagegen wird ein Teilstück genommen (423, 13—19: 425, 17—20). Dazu vergleiche man oben das ähnliche Verhältnis bei den zweiteiligen versikeln 3 und 5, und anderseits bei den unpaarigen 6 und 7. Der Einaangsteil hat bei Lichtenstein einen versikel für sich (422, 21—27), der Schlußteil endet gleichfalls mit einem solchen (426, 1—3); dazu stellt sich oben das analoge Verhalten bei E, M, S. — Wenn Roethe, Reinmar 5. 355 bemerkt: 'Der zweite Teil pflegt aus dem ersten gekürzt zu sein', so trifft das auf Walthers Leich ebenfalls zu, vgl. oben die versikel 3. 6. 7. 2) sonst ergibt sich bezüglich des Auftaktes folgendes: er fehlt in der Überlieferung mit Recht überall hinter leichtklingendem Schluß des vorher­ gehenden Verses, hinter schwerklingendem Schluß fehlt er zu Beginn einer neuen Gruppe 4, 32 und 5, 19 (wo ihn alle Herausgeber seit Lachmann ergänzen) sowie zu Beginn eines neuen Teiles einer Gruppe (4, 35; 4, 38; 7,3; 7, 14); sonst nur noch an der obigen Stelle, wo auftaktloser Eingang das schwache Wörtchen die treffen würde; ferner 5, 21 (wo sicherlich v. d. Hägens gelichest st. glichest das richtige ist), 6, 4 (wo der starke Kontrastton auf hie gegenüber dem folgenden dort das Fehlen erklären kann) und 5, 9 (wo zwer härten zusammenträfen, der Zktus auf dem leichten daz und die vrückung des schweren lamp: ich nehme daher von Pfeiffer und anderen die Ergänzung eines rückweisenden daz hinter lamp an). — Nach stumpfem Ausgang fehlt der Auftakt nur zu Beginn einer neuen Gruppe (4, 2; 4, 22, wo manche Herausgeber ihn ohne Not herstellen) sowie vor dem schweren w&re 6, 22 (wo Pfeiffers geivcere überflüssig ist, zumal Walther das Wort sonst nicht gebraucht); endlich 4,24, welcher Vers aber in C fehlt, sodaß

viel Schwierigkeiten bereitet, die besonders darauf zurückzuführen sind, daß es zweifelhaft erscheint, wo die im Eingänge gebrauchte direkte Anrede an Gott übergeht in den Gebrauch der dritten Person, und wo sich der Dichter wieder zur direkten Anrede zurückwendet. Zur Entscheidung gibt es zwei Hilfen: einerseits das Athanasianisch? Glaubensbekenntnis: so weit dieses dem Dichter vorgeschwebt hat, darf man eine Einheit der Anrede erwarten,- andererseits die Beob­ achtung, daß die Worte Ein got der höhe here nach dem mittelhoch­ deutschen Sprachgebrauch nicht Vokativ, sondern nur Nominativ sein können und daß ein also das Zahlwort, nicht der unbestimmte Artikel ist1). Danach wird man das mit den Worten jehen wir ausdrücklich zitierte Glaubensbekenntnis bis v. 8 reichen lassen, und es ergibt sich also folgende Satzteilung: Got, diner Trinitäte .. . der jehen wir, mit driunge diu drie ist ein einunge, Ein got der höhe here; sin ie selbwesende ere verendet niemer mere. Itlit dem folgenden Vers: der sende uns sine lere setzt ein neuer Gedanke

ein, der im Glaubensbekenntnis keine Entsprechung mehr findet, vom objektiven Bekenntnis wendet sich der Dichter zur Bitte an Gott, und da dies bald darauf in direkter Anrede geschieht (v. 15ff.), so wird man sie auch hier zu erwarten haben, wo der Wechsel natür­ lich ist, und nicht erst 15ff., wo der Gebrauch des dir und du unver­ mittelt und hart wirkt. Ich halte also (wie Pfeiffer) die Überliefe­ rung in k für echt und schreibe: nu sende uns dine lere2). 3, 13. böses C, blödes k weisen auf brcedes, wie Singer Beitr. 44, 451 s. richtig erkannt hat- weitere Beispiele für solch jüngere Ersatzwörter bei prestel, Beitr. 52, 319 f. 3, 23. I. guneret mit allen Heraus­ gebern. 4, 9. üz und in hat Wachmann mit Recht nach C geschrieben, f. Zrauenlobs Marienleich (pfannmüller) 5, 6f. der künec durch iuwer porten quam üz und in3). 4, 13 enpran k ist nicht mit Nlichels aufzunehmen, denn das Wunder besteht darin, daß der brennende Busch (nicht der zu brennen beginnende) grün blieb, s. auch quod man um so eher vor dem leichten wider mit £. in der Anmerkung ein und ergänzen kann, das auch den Satzbau klarer macht. x) s. Zs. 67, 22. 2) daß schon die Schreiber den Wechsel im Gebrauch der zweiten und dritten Person verwirrend empfanden, zeigen die Lesarten: 3 sin C st. din k ; 7 din k st. sin C; 9 der sende uns sine lere C st. nu s. u. din l. k. 3) auch balsamiten: margariten 20,27. 30 Zeigt, datz Zrauenlob WdU thers Leich (4, 35 f.) gekannt hat.

14

3,i

tubus arderet 2 ZTZoj. 3, 2. 4, 16. breit C ist besser als gmen (k und

ZDilmanns, Michels und ich in der Ausgabe der Bremer Presse); denn datz der Glanz ausgedehnt und unvermindert blieb, gibt ein besseres Begriffspaar, als 'grün und ganz': für letzteres würde man eher 'ganz grün' (also al grüene oder dergleichen) erwarten,- auch patzt ' grün' zum vergleich mit der Jungfrau weniger gut. 3,18. Manche Herausgeber bevorzugen hier mit k die Lesart und (iinverschart). Aber die Präposition vor bezieht sich weit besser auf unverschart beliben als auf breit unde ganz beliben. Der hiat stört wegen des starken vokaleinsahes bei un- nicht. 3, 19. Das Präteritum was (C) patzt hier besser als das Präsens ist (k), da der nachfolgende Relativsatz in die Vergangenheit weist; vgl. 4,39; deshalb steht auch umgekehrt in 4, 12 das Präteritum im Relativsatz, weil der übergeordnete Satz das Tempus der Vergangenheit hat. tOo da­ gegen kein solcher Satzzusammenhang vorliegt, da wird das Präsens gebraucht (4, 34. 37; 5, 9)x). 4, 22. Da das Zehlen des Auftaktes auch sonst den Beginn einer neuen Gruppe kennzeichnet (s. o. S. 122), so braucht man nicht mit k (und einigen Herausgebern) das wenig passende Ir vor kindes zu sehen. 4, 24. und, wie Lachmann in der Anmerkung vorschlägt, gehört in den Text, sowohl aus syntak­ tischen wie aus metrischen Gründen (s. o. S. 122). 4, 38 ff. Die Verse sind nach C gestaltet, nur ist kleine k für reine C gewählt und 5, 1 er in ez gebessert, wie das Michels, im wesentlichen wackernagel und Steller folgend, getan hat. Iambe: wambe ist für Walther wahrscheinlicher als ein archaischer oder mitteldeutscher Reim amme: wambe; für das weitere s. o. S. 5f. 5, 4—8 sind ein unechter Zu­ satz, wie Schade, wilmanns, Steller erkannt haben; s. dazu oben S. 6f. Über 5, 9—13 s. o. S. 7. 5, 14 fehlt k und ist von allen Herausgebern seit wackernagel mit Recht gestrichen, denn der Vers stört die höhere Responsion, war noch nicht vorhanden, als 4—8 zugedichtet wurden und scheint nach 3, 21 gebildet. 5, 19 ist die seit Lachmann allgemein angenommene Ergänzung des Dü wohl überflüssig, da eine neue Gruppe beginnt, s. o.S. 122. 5, 211. gegen Lachmann mit allen Herausgebern seit v. d. Hagen gelichest, s. o. S. 122. 5, 22. Da man die unmetrische Fassung in C erst mit Michels durch Umstellung des selbe vor got ändern mützte und da das Kompositum himeltou (k) nad? Ausweis der Wörterbücher beim A) Keine Ausnahme stellt natürlich das Präsens gelichest 5, 21 dar.

3, l

15

(Bebeonsrounber eingebürgert ist, so lese ich mit wackernagel imb anberen: die got begöz mit sinem himeltouwe1). 5,24. entslSz (k entslozzen) haben alle seit wackernagel mit Recht für besloz (C unb Lachmann, ber in ber Anmerkung brach vermutet) eingesetzt, benn nur 'öffnete' gibt hier einen Sinn. 5, 25. wackernagel unb anbere haben wohl mit Recht daz C, daz ist k in des geänbert; benn an allen orten bezieht man besser auf bas folgenbe Verbum gesüezet als aus bas vorhergehend süeze, ba es in Gegensatz zu oren porten steht 2). Faßt man aber ben Bezug so, bann wirkt süeze als Sub­ stantiv weit stärker unb beutlicher benn als Adjektiv. 5, 27—29. fln bem Konjunktiv st hat man mit Recht Anstoß genommen. Aber ber Anstoß verschwinbet, wenn man st. Daz (C) mit k Swaz tieft: 'was immer aus bem Worte erwuchs' (nämlich ob Gott ober Mensch), 'es war nicht unverstänbig wie ein Kinb'; ähnlich Behaghel, D. Syn­ tax III § 12682, 3 ber auf 22, 29 verweist. Der Dichter bentt babei offenbar an bie weisen Reben bes zwölfjährigen Knaben im Tem­ pel 3). gerner ist in v. 29 nach Lachmanns Vermutung zu lesen: ez wuohs ze gote (ze worte C, von Fasching überaus gekünstelt verteibigt, von Schönbach 4) sprachwibrig übersetzt, von kinde k), und wart ein man; bie von £. gegebene parallele aus Sunnenburg (hrg. von Zingerle 409 ff.) beweist bas schlagenb: Uz einem worte wuohs ein got, der ie gewesen was, er wart ouch mensche sunder spot, zu­ mal biefer Dichter auch im weiteren Verlauf seiner Strophe bie Kenntnis von Walthers Leich beutlich verrät, vgl. 418 f. wir ge­ denken Gedeones wolle . . . der si hie . . . mit himeltouwe gar begöz

mit Walther 5, 19 ff. 6, 2. Singer, Die religiöse Lprik S. 89 nimmt an tuon bewarn Anstoß. Sch glaube, tuon ist nicht als reine Um­ schreibung zu fassen, sonbern in ber Bebeutung' bewirken' zu nehmen: 2) dafür spricht neben bem Zitat bei Sunnenburg (s. o.) auch ber nun entstehende erweiterte Heim himelfrouwe: himeltouwe, ber in dieser Gruppe mehrere Parallelen hat, s. besonders oh allen Worten: an allen orten; die sonstigen Beispiele in der Anmerkung bei Wilmanns-Michels. Der rüh­ rende Heim am (Eingang und die Annomination von süeze am Schluß ver­ vollständigen den kunstvoll-künstlichen Bau dieser ersten Gruppe des INittelteils. 2) und auch weil unter ein wort sichtlich (auch nach der geistlichen Tradition) nur 'Ave' gemeint ist, wozu an allen orten doch recht wenig paßt. 3) Luc. 2, 47 Stupehant autem otnnes, qai eum audiebant, super prtidentia et responsis enis.

‘) Zs. 39, 338.

16

3,i

'dah sie bewirken, daß wir uns behüten', also wie tuon mit Infinitiv in den im Whd. Wb. III 138b verzeichneten Beispielen. Sie be­ wirken es, indem sie uns die riuwe ins herz senden, 6,18 ff. 6,13. Wackernagel und andere haben mit Unrecht k gegen C (und Lach­ mann) bevorzugt. (Es begreift sich leichter, dah die Lesart in C von k geändert wurde als umgekehrt. Auch betont Walther, falls die Stellen in hornigs Glossarium unter vil und wol vollständig gesammelt sind, zwar zwölfmal vil wol, aber nie sprachwidrig vil wol. (Ebenso wird man 6, 16 von gründe (heiles sunt) mit C (und Lachmann) bevorzugen gegenüber von riuwen (helfe sunt), wie Wackernagel und Pfeiffer mit k schreiben, denn von gründe ist bei Walther auch sonst belegt (74, 17; 13, 1), und die Ersetzung durch von riuwen liegt viel näher als das umgekehrte. Das sinnlose helfe, durch das das folgende sunt ganz überflüssig wird, hat mit Recht bei keiner Seite Unwert gefunden. 6, 19 schlägt Singer, Die reli­ giöse Lgrik 5. 91 vor, mit (wie in k) zu lesen und anders zu interpungieren: an sich ansprechend, aber dann stört das wiederauf­ nehmende Der im Nachsah (v. 21). 6, 22. Die von wilmannsMchels beigebrachten Stellen beweisen keineswegs, daß Uhtez leben (k) soviel wie ein von Sünden erleichtertes Leben bedeuten könne. (Es ist wohl reinez l. mit C zu schreiben; oder l. lindez l. (Gegen­ satz zu herten h. 21)? 6,24. Das von den Handschriften ge­ botene Adverb gerne ist syntaktisch auf keine weise zu recht­ fertigen. Wichels schlug vor: swä er den riuwe gernden weiz; näher der Überlieferung bleibt swä er die riuwe gernde weiz, wobei nur gerne in gernde zu ändern ist, was nach den Beispielen, die Roethe, Berl. Sitzungsberichte 1919, S. 799, gegeben hat, wohl kaum als eine Konjektur gelten kann: 'wo er weih, dah die Reue gernde ist (wie ein Zalke gert)\ 6, 28. rehten C, das an der bei wilmanns zitierten Psalmstelle eine Stühe findet, konnte von k leicht in selben geändert werden; der umgekehrte Weg ist weniger glaubhaft. 6,29. an dem ein (dürrez herze) hat hildebrand, Beitr. 14, 589, mit Unrecht herumgedeutet, es ist nicht anders zu beurteilen wie das wenige Zeilen vorher gebrauchte ein (wildez herze), f. Zs. f. d. A. 67, 13 Anm. 6, 36. nü (so Wichels, nach k) klingt in der Senkung schlechter als das von den übrigen Heraus­ gebern bevorzugte da (C). 6,40. Die invertierte Wortstellung nach und würde einen Gegensatz zum Dorhergehenden erwarten

lassen, der aber nicht vorliegt. Anderseits ist da (C) nicht gut zu entbehren, denn Walther meint doch, daß das Christentum in Rom keine Freunde hat, wo der Grt wäre, über das Urteil Klage zu führen. Ich ändere also und (C) in nü (k); das übrige wie bei Lachmann. 7, 9. I. üf ein mit k und den meisten Herausgebern. 7, 14. meiste not ist ein gut Waltherischer Ausdruck, vgl. der meiste stril, diu meiste menege, min allermeiste klage bei hornig S. 193. Demgegenüber wirkt das einleitende nü in k neben dem im übernächsten Vers folgenden nü unbehilflich. Ich bleibe daher bei Lachmann. 7, 25ff. Die ganze Stelle hat, wie sie bei Lachmann und den meisten anderen Herausgebern erscheint, zwei große Schwierigkeiten: v. 25 ist nur von den engein die Rede, aber die Fortsetzung erwähnt auch die (menschlichen) zungen und fügt zum himel die erde] ist hier also eine störende Zutat, so fehlt dagegen vor v. 32 ein Gedanke, denn der Satz ich mane dich (C) steht ganz unvermittelt da und hat im fol­ genden Vers wir Uten ... dich eine unpassende Fortsetzung; nimmt man aber die Fassung in k (des mane wir dich), so paßt das auch schlecht zum vorhergehenden, denn was soll es, die Iungfrau zu, erinnern, daß ihr Lob weder im Himmel noch auf Erden je bis ans Ende gesungen werden könne? Es kommt vielmehr darauf an sie an das Lob, das ihr hier wie dort gespendet worden ist, zu er­ innern. Diesen Schwierigkeiten entgeht man, wenn man mit Bartsch hinter v. 27 einen Punkt setzt und v. 28—31 als Vordersatz zu v. 32 faßt. Dann erklärt der Dichter zunächst das Lob der Engel für unzureichend und fährt dann fort: Swaz lobes si (Konjunktiv 'sei') gesungen . . . ze himel und üf (der C) erde, des manen wir dich, werde, und Uten . .. dich. Das ist ohne jede Änderung der Text, den k bietet1). 7, 33. schulde C verdient wohl den Vorzug vor sünde k, das einzelne Herausgeber gewählt haben, denn es ist der gewähltere Ausdruck und findet an dem folgenden schulde v. 38 eine Stühe. 7, 34. gencediclich (C) paßt besser als genaden rieh (k), s. INichels z. St. 8, 1. s. o. 5. 22 2). 8, 3. l. die ane got und ane dich nie*) Bartsch schreibt: Swaz sin ie wurde gesungen: offenbar weil er si (k) wie wohl alle Herausgeber, als ü st. als sit gefaßt hat. Das wurde klingt schlecht, nachdem im vorhergehenden Vers auch schon wurde gestanden hat. 2) Wackernagels Herstellung: mit starker stcete wemder riuwe konta­ miniert C und k und verstößt gegen die Responsion zu 4, 10 f. Kraus, Wallher von der Oogclmeibe.

2

man ze gcbenne hat mit allen Herausgebern außer Lachmann, dessen

Text die durch die Responsion zu 4, 13 gebotene Zäsur nicht aufweist. Daß der Leich inhaltlich nach Art einer theologischen Summe gegliedert ist, hat Ehrisrnann2) bemerkt. 8, 4—27.

13. Paul liest im engen Anschluß an die Schreibung in ABC Aber die Handschriften können in solchen Dingen kein Gewicht haben. So schreibt C wieder­ holt das metrisch geforderte keinen, keine, kein (85, 12; 104,1; 109,12; 111,35), aber sie setzt auch gegen das Metrum dehein, dekein (36, 29; 87, 12. 13); ferner schreibt sie richtig keinen, wo A dekeinen bietet (56, 8); A wiederum hat 106, 30 die einsilbige $otm kein, wo die zweisilbige am Platze ist. Bei solcher Sachlage liegt kein Grund vor, dem Dichter hier einen zweisilbigen Auftakt zuzu­ muten. Auch der Genitiv der deheines niht verdürbe, wofür Paul und Michels den Nominativ, deheinez sehen, ist wohl beizubehalten: "sodaß nichts von irgend einem von ihnen (verloren ginge)' ist viel nachdrücklicher als "von denen keines', da es zugleich die Verbindung andeutet, in welche die drei Dinge zueinander gebracht sind. 15. Pfeif­ fer und Paul 2) haben BC bevorzugt und schreiben der ietwederz (dwederz Pfeiffer) dem andern schaden tuot. Sie wurden dazu auch durch das von Lachmann bemerkte Zitat bei Lichtenstein bewogen, der sagt: das kan ot leider niht geschehen (s. 19), Als ich di ivisen heere jehen. Ietwederz dem andern schaden Hiot. Die parallele beweist sicherlich, daß die Kassung BC um 1250 schon vorhanden war, aber sie kann nicht beweisen, daß sie auch die von Walther gegebene darstellt, denn sie ist gegenüber A vulgärer, auch fehlt ihr das dicke, das sicherlich mit Absicht gesetzt ist, denn ere und varnde g'iiot sind ja nicht Dinge, die sich stets ausschließen müssen. Zudem müßte man, um vollständige Übereinstimmung mit dem Zitat her­ zustellen, das der vor ietwederz streichen, wodurch der §luß der Gedanken unterbrochen würde. Schließlich zeigen die Lesarten zu 5. 6. 11. 22. 23. 25. 26, daß BC in der Tat, wie Lachmann be­ merkt, einen Text haben, "der mehr nach unvollkommener mündder deheinez mit zweisilbigem Auftakt.

Zs. 49, 434. 2) s. Beitr. 8,199 f.

x)

licher Überlieferung als bet anbete (in A) nach absichtlicher Besserung aussieht'. Die Übfassungszeit bes Spruches fällt wohl kurz nach bem 6. Iuni 1198, s. Burbach, I 260 ff. (vgl. 43. 102 f. 172). Über ben Bau ber Strophe hanbeln außer Michels (bessen Bemerkungen im folgenben gewöhnlich vorausgesetzt werben, ebenso wie seine, bzw. UMlmanns’ Anmerkungen unb bie von ihnen bereits angegebene Literatur) Plenio 42, 436'. 475. 489; heusler § 751. Sievers 201 zeigt ben sprechmüßigen Charakter bes Spruches zum Unterschieb von singmäßigen Tanzliebern Walthers. Über bie Tugenblehre mit ber Dreiheit ere, varndcz guot, gotes hulde s. noch Thrismann, Zs. 56, 156 f.; Nehm, Der Tobesgebanke, S. 43 unb Anm. 3; Hübner, fllfreb, Dorftubien zur Ausgabe bes Königsbudjes, Berlin 1931, 5. 123. Daß mit fride unde reht bie staatliche Zormel miebergegeben wirb, bie im amtlichen Gelöbnis bei ber Krönung bes beutschen Königs als 'iustitia et pax' auf­ tritt, hat Burbach I 261 gesehen; s. auch Lucae Zs. 33, 254; Ehrismann Zs. 56, 1571 unb Naumann, Das Bilb Walthers, Anm. 23. — Die visionäre Art, wie Walther in unserem Spruch bas ganze Reich ber Natur überschaut, will Ganzenmüller 281 mit ber lateinischen Gelehrtenbichtung in Detbinbung bringen. 8,28—S, 15. 28. Paul hat diu (wazzer) mit BC st. ein (A) in seinen Text gesetzt, mit ber Begrünbung, baß ber Singular nicht zum folgenben: ich sack sivaz in der werlte was passe: ber Dichter emanzipiere sich von allen räumlichen Schranken unb könne baher hier nicht sagen, baß er einen Zluß, fonbern nur, baß er bie Zlüsse überhaupt habe rauschen hören. Aber will er benn sagen, baß er alle Selber, Wölber usw. geschaut habe? Sie kommen für ihn boch nur so weit in Be­ tracht, als sie bie Aufenthaltsorte für bie verschobenen Tiergattungen sinb; so wie also ein$elb genügt, um dazgcwimne 3U beobachten, unb ein Walb \\xxdazwilt *), so braucht er nur ein wazzer, um bas Gehaben ber vische zu betrachten. 31. Nach bem Dorschlage von Bartsch Germ. 6, 195 änbetn wackernagel unb Pfeiffer bie Überlieferung in ABC, ber Lachmann gefolgt ist, inbem sie vcit unde walt, loup, vor und gras schreiben, l) s. bie näheren Ausführungen E. Scbröbers Zs. 45, 458.

20

8, 28

um den Auftakt zu gewinnen. Aber der Gewinn ist höchst zweifel­ hafter Art: das Nebeneinander von unde—und in einem Vers macht die (Quol, die der Schöpfer dieses Verses beim Dichten empfand, geradezu hörbar. Zudem kenne ich nur drei walthersche Verse, die vor stumpfem Reimwort mit konsonantischem Anlaut das unde verkürzt zeigen (57,4; 81,8; 116, 28), so massenhaft die unver­ kürzte Zorm hier erscheint (9,6. 7; 13, 23; 15, 18; 20,8; 22,26; 26, 20 usw.). Ich bleibe also mit Lachmann bei der Überlieferung, ohne damit seiner grundsätzlichen Stellung in der Auftaktfrage beizupflichten. Er hat bekanntlich erklärt, daß man, um Gleichheit der Strophen in Ansehung des Auftakts zu erlangen, die Ortho­ graphie wohl ändern dürfe, nur nicht die Lesart (zu 64, 15). Dem­ gegenüber hat wackernagel der Überzeugung Ausdruck gegeben, "daß Walther zwar in einer Anzahl Spruchtöne und gerade in den meistgebrauchten den jambischen oder trochäischen Anfang der Verse dem Zufall überließ, in den meisten aber und in den Lieder­ tönen allen ihn einer festen Regel unterwarf' (Einl. p. XXIX). Ausnahmen erkennt er nur für die Elegie (124, 1) an sowie für die vier sich zu einem einheitlichen Gedicht zusammenschließenden Sprüche 13,5—32 und für das Tagelied 39, 11. Aus der sorg­ fältigen Zusammenstellung der Zölle bei Wilmanns-Michels (I Anmerkungen zu V 148—157) ergibt sich wohl, daß der verzicht Lachmanns ebenso zu weit geht wie die kühnen Eingriffe wackernagels. Ich glaube, daß man fallweise entscheiden muß (wie das wohl auch wilmanns' Meinung, a. a. O. S. 342 f., gewesen ist) und werde im folgenden stets begründen, weshalb mir eine Ände­ rung von Lachmanns Text zwecks Regelung des Auftakts geboten scheint. 8, 33. erde BC verdient den Vorzug vor erden A, s. Michels z. St. 8, 35. Paul setzt mit den drei Handschriften die Zorm deheinez; dagegen s. o. zu 8, 13. 9, 8. Das adversative so (BC) gibt einen guten Anschluß an das vorhergehende, den o (wackernagel nach A) vermissen läßt. 9, 13. Solange zirken in der Bedeutung 'Rönigsreife' nicht belegt ist, empfiehlt es sich doch, mit C und Lach­ mann zirkel zu schreiben. Die richtige Deutung der armen künege hat gleichzeitig mit Burdach (an den von Michels angegebenen Stellen *)) und unab*) wobei hoornstra und Zrantzen, Neophilologus 3, 129 ff. einige Unklarheiten in den Angaben über Burdachs Auffassung richtigstellen.

9, 16

21

hängig von ihm auch Roethe, Zs. 44,116 gegeben1). Gegen die Datierung Burdachs haben wilmanns und best, lezzist > lest2) sprechen für Kürze des e auch in jenen Zöllen. Über den Ton s. Michels und meine hinweise zu 84, 14. — gepfahtet (8) gibt Schönbach 339 mit 'kanonisch bestimmt' wieder.

10, 9—16. Die richtige, auf C (und abgesehen vom Ausfall zweier aufein­ ander folgender Verse auch aus B) beruhende Reihenfolge haben von der Hagen INS. I 269 f. und unabhängig von ihm Roethe, Zs. 41, 300 gegenüber Lachmann und anderen Herausgebern herge­ stellt^); Michels hat danach seinen Text gestaltet, gewiß mit vollem Rechte, denn die Vorzüge liegen auf der Hand: die Reihung folgt l) Paul hat (wie Lachmann) ein Ausrufungszeichen: der Doppelpunkt scheint besser, denn das Folgende dient zur Begründung, warum unser Nach­ denken vergeblich ist. 5,14 ist Zusah; über geirret s. zu 10,21. ') vgl. Presburc < Prezzisburc. 4) dadurch wird Pauls Atethese von 13. 15 und seine Annahme einer Lücke von zwei Versen zwischen 12 und 14 unnötig (Beitr. 8, 200 f.).

10, 17

23

genau der Überlieferung, der Ausfall der beiden bei Lachmann auseinandergerissenen Verse 13 und 15 seiner Zählung, wird erklärt, denn sie folgen in C unmittelbar auf v. 11 (wint) als v. 15. 13 (erwint), womit das Überspringen sich einfach begreift; beide, das in BC den Vers 11 um einen $u& überfüllt, braucht nicht gestrichen, sondern nur in den unmittelbar folgenden Vers 15 hinter meinent gestellt zu werden, und das im Zusammenhang störende alters vor eine ist zu tilgen. Auch gewinnt die Abfolge der Gedanken, wenn v. 16 unmittelbar auf 14 folgt. 11. Die Ausgleichung von Singular und Plural, wie sie Pfeiffer (die kristen) und XDatfcrnagel, Bartsch (dem beiden) vornehmen, scheint mir pedantisch. 10,17—24.

19. Rieger hat (Zs. 46,585 s.) die überlieferte Lesart niemen gegen Lachmanns Emendation ieman verteidigt, beiten für erbäten vorgeschlagen und erklärt: 'wenn ihn niemand (auf den er rechnet) auf die nötige Unterstützung warten läßt (also das Unternehmen überhaupt ausführbar ist), so trete er die Sahrt an und komme uns bald wieder'. Aber Walther konnte dem Kaiser zwar raten, er möge von Italien rasch heimkehren, nicht aber vom Kreuzzuge, denn das hing von Umständen ab, die außerhalb der kaiserlichen wacht lagen, wenn also die Heimkehr von Italien gemeint sein mutz, dann kann die vorhergehende, damit verbundene Aufforderung var er balde unmöglich auf eine Zahrt ins heilige Land gehn (sonst müßte das deutlich gemacht sein, etwa durch den Zusatz Kristcs reise wie 29, 18), vielmehr muß balde varn und schiere körnen auf ein und dieselbe Zahrt, also auf die nach Deutschland, bezogen werden. Obendrein springt der Text Riegers mit der Zeit in sonderbarer weise um: zuerst ist vom Kreuzzug und der Heimkehr die Rede und dann erst von den Strafmaßregeln gegen die Zerstörer des Reiches, die überdies ja keine besondere wacht haben konnten, wenn der Dichter die Annahme aussprechen durfte: 'wenn ihn niemand auf die nötige Unterstützung warten läßt'. Durch Lachmanns Besserung dagegen kommt alles in zeitliche und gedankliche Ordnung-^'wenn ihn jemand auf Unterstützung warten läßt, so breche er aus Italien nach Deutschland auf und mache hier Ordnung'1). 21. Die von l) damit, daß nicht die Kreuzfahrt gemeint ist, entfallen auch die Be­ denken Pauls (Bcitr. 8, 192 f.); ob hat keinen konzessiven, sondern den ge-

24

10, 25

wackernagel nach Bartschs Vorschlag vorgenommene Umstellung des ouch (irre etelichen ouch der got und in geirret hät) empfiehlt sich vor allem, weil dadurch die bedeutungsvollen Wörter got und in in die ihnen zukommende Hebung gelangen,- als Nebengewinn fällt ab, daß der Vers nunmehr den an dieser Stelle überall vor­ kommenden Auftakt erhält und daß ge-irret hät das Präteritum im Gegensatz zum vorhergehenden Präsens irre stärker unterstreicht als ein girret hät mit der sonst bei Walther stets vorkommenden Elision: die Annomination tritt dadurch deutlicher in Erscheinung. Gb die Stellung des ouch durch die Umstellung falsch wird, wie Paul, Beitr. 8,194 gemeint hat, ist mir zweifelhaft *). Daß armer man lediglich eine Bezeichnung der Bescheidenheit ist, aus der man nicht mit wilmanns und mit Burdach (I 40) auf ein Ministerialenverhältnis zu Zriedrich II. schließen darf, hat Schwietering 72 gezeigt.

10, 25-32. 10,26. 27. hier herrscht eine merkwürdige Verwirrung: die Hand s p r i ch t, die Zunge singt nicht bloß (Messe), sondern l ä tz t v i e l e n das ihrige, wo Walther der Hand sonst irgendeine Tätigkeit zu­ schreibt, bleibt er stets im Bereich der sinnlichen Anschauung: die Hand sticht und schlägt, sie gibt, schneidet Braten, bricht ein Blatt ab, straft, belohnt, befreit und zerteilt. Und hier sollte sie sprechen?! Michels sagt also mit Recht: 'die Konjektur munt liegt sehr nahe'. (Es verbleibt aber noch immer die sonderbare Tätigkeit der Zunge. Michels schlägt vor, liezen st. liezc zu lesen und als Subjekt die pfaffen aus v. 25 zu nehmen. Aber dann bleibt noch immer der von ihm selbst als bedenklich bezeichnete Hiatus sunge unde; und vor allem wirkt es matt, wenn auf die sinnfällige Zuweisung an einzelne Glieder als drittes ein noch dazu nur zu ergänzendes allgemeines 'sie' folgt. Ich vermute also für das Original die Fassung *2): wöhnlichen kondizionalen Sinn und ieman ist ganz gerechtfertigt, da es sich ja nur um eine angenommene Person handelt: eteswer wäre sprachwidrig. *) übrigens gehört ouch nicht zu dem in irre liegenden Subjekt er (Paul), sondern vor allem zum Verbum irre selbst. Zm Zwein 800 finde ich mit Hilfe von Benecke-Borchlings Wörterbuch ouch nü jehen, wo man nach Paul erwarten mühte nü ouch jehen. 2) die Änderungen Wackernagels und Pfeiffers hat bereits Michels (im Apparat) mit Recht abgelehnt.

10, 33

25

sö spraeche ir munt den armen zuo ‘s£ daz ist din', ir zunge sunge und lieze ir hant vil manegem man daz sin. 3m nächsten Stadium der Überlieferung wurden ir munt und ir hant vertauscht, in einem weiteren sprang der Schreiber von m in munt vil auf das m in manegem, wodurch das ir sinnlos wurde und Patzer in der Vorlage von BC wegfiel. Die Pfaffen hant, die ander­ wärts grözen hört selten zerteilet (34, 21), hier soll sie vielen das ihrige lassen. 28. Schönbach (340) deutet almuosncere mit Recht 10

dö liez er sich hie verkoufen

Judas . . . illum triginta nummis venderat Str. *3

daz wir eigen wurden fri 15, 15 f.

wol dir, sper kriuz unde dorn! 15, 18

quo ac tali pretio mundus est salvatus Str. 17 cruci demum fixus est ÖQ5.

hinnen fuor der sun zer helle

In de .

.

. calcavit

von dem grabe da'r inne lac 15, 27 f. daz er herre ir huote brach 15, 38

in sepulcro positus custoditur militibus, tarnen surrexit Str. *4

Str. iG

Lin vergleich mit den sonstigen Rreuzzugsliedern, die Brink­ mann 71 ff. vorläufig anführt, würde vielleicht noch mehr Berüh­ rungen ergeben. Augenscheinlich haben also solche lateinische Lieder die Vorbilder für die stilistische Haltung von Walthers Rreuzlied geboten, deren Herleitung Hübner a. a. ©. offen gelassen hat. vatz Walthers Lied auch auf eine andere Melodie zugeschnitten wurde, indem man die einsilbigen Ausgänge siht: giht der ersten Strophe zweisilbig schrieb, um sie den lateinischen Reimen erit: querit (Carmina Burana CLXXXVI a) anzupassen, hat Ehrismann, Zs. f. d. Phil. 36, 402 bemerkt Zum Einzelnen: mit 15, IZf. vergleicht Erich Schmidt, R. u. R., S. 19 wenig überzeugend Rugge 102,18 ff. Zu 15,18 s. Burdach, x) während Wallensköld, M6moires ... ä Helsingfors 1893, S. 84 das lateinische Gedicht als Nachbildung betrachtet.

44

16, 36.

17, 11

Vorspiel I 1, S. 1831. 2441. Zu 15, 19 s. Zs. 10, 44, 32 iuden inde heidenen zorn. 15, 32. Die Deutungen von zein führt Schönbach II 16 f. an; eine neue bei L. Schröder, granffurter Münzzeitung, Juli 1903; doch s. glecks gloire 6853. 16,22. Die Echtheit der Strophe gewinnt nicht an Wahrscheinlichkeit durch die nahe wört­ liche Berührung dieses Verses mit 85, 34 und 113, 7. Die inhaltlich gänzlich abweichende Strophe gleichen Tons bei Lachmann 139,1 (wilrnanns I. Anhang Nr. I) verrät sich auch schon durch Anleihen als unecht. Zu v. 1 vgl. w. 75, 6; zu 2 s. w. 55, 4; zu 3 s. w. 113, 15; zu 6 s. Heimat 160, 5. 16, 36—17,10. wenn Sirnrock und Paul die Lesart von BC {diu mitte tonet so diu sät) vorziehen, wollten sie offenbar den logischen Ausdruck an die Stelle des unlogischen setzen. Und in der Tat würde man bei der von den übrigen Herausgebern im Anschluß an A gewählten gassung von unserem Sprachgefühl aus erwarten: ‘bet Lohn der gteigebigleit ist wie der der Saat'. Aber das gehlen eines solchen der' ist gerade gut mittelhochdeutscher Sprachgebrauch, s. Grimm, Gr. 4, 524; Lachmann zu Nib. 1294, 3; Ktaus zu DGedichte XII 45. Die Zeitbestimmung des Spruches schwankt: Burdach setzt ihn in die Zeit zwischen herbst 1204 und Sommer 1205, Dietrich, Lbl. 1903, Sp. 275, vermutet die Zeit unmittelbar nach Philipps Krö­ nung; anders wieder wilmanns I 116. Übet den Ton dieses und der folgenden Sprüche handeln außer Michels noch Plenio, Arch. 136, 19 und heusler § 785. 17,11—24. 19. Die Vermutung Wackernagels si möhte ez icmer (st. niemer AC) hän vermiten scheint mir nicht recht sprachgemäß^: es müßte wohl sotde st. möhte heißen oder aber mit anderer wortebenso lehnt Burdach sie ab, histor. Zs. 145, 40 f. Auch Paul ver­ wirft sie (Beitr. 8, 201), will aber wackernagels Interpunktion (Punkt nach ;iten, keine Parenthese, Doppelpunkt nach vermiten) annehmen und bezieht ez auf den folgenden Satz, der logisch abhängig sei, wenn auch in der gorm des Hauptsatzes, wie so häufig. ‘Der Sinn würde der nämliche sein, wenn es hieße der brate enwccre ze dünne. Aber vermiden 'unterlassen' erfordert den Bezug auf eine Tätigkeit, wie versmden eine ist, nicht auf einen bereits eingetretenen Zustand, wie er durch was ausgedrückt ist.

stellung möhte siz iemer h. v. Auch würde der Satz eine persönliche Anteilnahme Walthers an dem Geschick des griechischen Kaisers ausdrücken, für die kein Grund vorliegt. Ich bleibe also mit Lach­ mann bei der Überlieferung und fasse den Satz als weitere Aus­ führung zu daz tet ein hant mit argen siten auf: weil die Hand karg war, hätte sie nicht anders handeln können. Diesem Gedanken wird auch £.s Interpunktion besser gerecht als die von Rlichels nach Wackernagel gewählte, der hinter siten einen Punkt setzt, hinter vermiten ein Komma. 22. Lachmanns Vorschlag ander st. an der AC zu lesen hat mit Recht bei fast allenx) Beifall gefunden. Dagegen kann man bei säzen wohl bleiben, für das Michels passend auf gerihte sitzen verweist. Die schwankenden Zeitbestimmungen der Gelehrten*2) zwingen wohl zur Resignation.

17,

25-38.

In der Hauptsache hat Lachmanns Vermutung, daß ein von einem andern gedichtetes Loblied auf die Bohne den Anlaß für Walthers Lob des Halmes gebildet habe, sehr viel für sich, s. u. Im einzelnen scheint mir die allgemeine Deutung des Satzes sist vor und nach der nöne fül auf die Bohne selbst nicht befriedigend: gleichviel ob man nun nöne als 'himmelfahrtstag' oder als die 'neunte Stunde' faßt. Letzteres ist überhaupt sinnlos und abzu­ lehnen, aber auch der Gedanke, daß die Bohne schon vor der Himmelfahrt faul sei, wäre falsch, außer der Dichter dächte dabei an die Bohne der vorjährigen Ernte, in welchem Fall aber wieder das nach der nöne ganz schief wäre 2). Ich beziehe also das fül *) außer Lurdach a. a. G. S. 41. Den Vers 12 deutet er ebenda 5. 43 als 'da sie nun einmal eine so hohe Stellung gewonnen haben'. Ich meine (vgl. Benecke zu Zwein 4316), der Wortlaut gestattet nur den Sinn: 'da sie so hohen Einsatz machen müssen, da es ihnen so hoch zu stehn kommt', s. Rib. B 330, 3: daß nämlich der herre (21) das riche nicht verliert (23). 2) Paul, Beitr. 8, 169; Burdach I 62. 65; Dietrich, Lbl. 1903, Sp. 270. 275; Bechstein, Germ. 36, 260; Burdach, 0. Rundschau 1902/03, S. 209 f.; histor. Zs. 145, 19 ff.; dazu, was Wilmanns-Michels anführen. 3) Zranhen, Album-Kern, S. 310 f. faßt n6ne mit Lachmann wohl als 'himmelfahrtstag', will aber vor und nach im Sinne von 'omstreeks* nehmen: 'sie ist schon im Lenz faul, außer (wan mit AC) wenn sie noch ganz jung ist (während der halm im Sommer wohl austrocknet, aber nicht fault'). Aber das wäre wohl sehr unklar ausgedrückt; auch verträgt sich damit die folgende Einschränkung wan erst in der niuwe schlecht.

46

17, 25

auf das Bohnenstroh, das in der Tat frühzeitig fault und vergilbt. So kommt als Gegensatz dazu auch das £ob des Halmes, daß er kreftec sei, erst recht zur Wirkung: das faule Rankenwerk der Bohne mutz frühzeitig mit Stangen gestützt werden, der kräftige Halm steht ohne Stütze aufrecht; das faule Bohnenstroh kann nur ver­ brannt oder auf den Düngerhaufen geworfen werden, der Halm erfreut auch noch als Stroh (Bettstroh) hohe wie Niedriges. Ruf die Bohne selbst beziehe ich also nur die Angabe, daß sie voll von Würmern ist (wan erst mit AC in der niuwe, denn daß sie von allem Anfang wurmhaltig sei, wäre ja eine törichte Übertreibung), wozu das Lob des Kontes, daß es guot sei, im Gegensatz fteb+; und ferner geht auf die Vohnenfrucht die Bezeichnung als vastenhiitwe, wozu als Gegensatz beim Halm die Zrage erscheint: wie danne 12) umb stnen sämen * Die Antwort mutz hier eine für den Zuhörer selbstverständliche gewesen sein, also denkt man irrt Gegen­ satz zur Zastenspeise an das Korn, das uns unser tägliches Brot gibt3), dieses 'tägliche Brot', um das wir im Vaterunser bitten. Damit ist dann die Brücke zu der Schlußpointe geschlagen: scherzhaft 1) nicht 'unten und oben, als Stroh und als Korn', wie Pfeiffer er­ klärt,- denn vom Korn war ja schon zuvor die Rede, vielmehr zusammen­ fassend: als Halm (beim halmmessen), als Korn wie als Bettstroh (Belege bei wallner, Beitr. 33, 3) ist er gleichmäßig gut für die Niederen wie für die hohen. — v. 35 halte ich an Lachmanns wirdet (halm) fest gegenüber Michels' wirt ein, da ein halm neben den artikellosen Substantiven gras und strd störend wirkt,- wirdet ist eben doch (trotz wilmanns I, V 78) in 14, 9 gut bezeugt. 2) 'wie erst'. 3) also auch immer guot ist, während die Bohne voll von Würmern ist ivän erst in der niuwe. — Daß der Gegner, den Walther hier abfertigt, den Bratenspruch 17, 11 angegriffen und unserem Dichter geraten habe, statt vom Braten lieber von der Bohne zu singen so wie er Halm und Stroh besungen habe, meint Zrantzen sehr ansprechend, vastenhiuwe ist dann auch als Gegensatz zu breiten 17, 11 zu nehmen, nicht nur, wie ich oben meine, zum 'täglichen' Brot. Der von Zrantzen hervorgehobene Umstand, daß der Spruch vom braten nicht nur im gleichen Ton gedichtet ist wie der von der böne, sondern ihm in beiden Handschriften auch unmittelbar vorhergeht, spricht sehr für Kranhens Vermutung, der auch noch hinzufügt, daß das Aufsehen, das Walther mit öent Spruch vom braten erregte, durch die be­ kannte Anspielung Wolframs im willehalm 286, 19 ja genügend bezeugt sei. weiteres s. zu 18, 1. — Auch die Meinung Lachmanns, der Tadler habe sich gegen das Lied vom halmmessen (65, 33) gewendet, hat Zrantzen gestützt, indem er darauf verweist, wie stark der Vers 66, 5 in diesem Liede (Mich hat ein halm ge machet fro) anklingt an den Vers 17, 56 (er machet manic her:c fro).

18,1

47

wendet Walther gegen die Bohne als Kofi der magern Fastenzeit die letzte Bitte dieses Gebetes *).

18,1—14. Das Verständnis dieses Spruches hängt ab von der richtigen Deutung der Verse 11 und 12: her Walther singet swaz er wil, Des kurzen und des langen vil. Daß damit termini technici gemeint sind, hat schon Jacob Grimm vermutet, und es wird durch die in der Anmerkung von Michels beigebrachten parallelen sichergestellt-), s. besonders wagenseil 'Zu kurtz und zu lang, ist ein Fehler und ge­ schiehet, wenn man in einem Neimen oder vertz, mehr oder weniger Sylben singet, als ihn sein Meister gemachet hat', wilmanns' Meinung ist, der Tadel des Kunstgenossen habe sich dagegen ge­ wendet, datz die drei vorhergehenden Sprüche dieses Tones in der zehnten Zeile vier Takte mit schwerklingendem Ausgang hätten, während unser Spruch und der folgende deren sechs aufwiesen. Walther räche sich, indem er trotzig den überlangen Vers wieder­ hole und durch den höflichsten vergleich ziere, den er je gebraucht habe. hierzu ist aber zu bemerken, datz der folgende Spruch an der fraglichen Stelle nur in C das Matz von sechs Takten bietet, während A einen Viertakter gibt, ganz wie in den ersten drei Sprüchen, und datz auch in unserem Spruch weder in C (fünf Takte) noch in A (unmetrisch, nur durch Umstellung auf sechs Takte zu bringen) der von wilmanns vermutete verstotz klar überliefert ist. Es liegt also wohl näher, den von Walthers Gegner gerügten Fehler gerade in der von der Majorität der Sprüche gebotenen viertaktigkeit zu suchen, warum sie als anstöhig empfunden wurde, ist aus dem Bau der ganzen Strophe leicht zu ersehen. Sie ist im Aufgesang streng paarig gebaut, mit je einem schwerklingenden Viertakter im Ein­ gang jedes Stollens; der Abgesang wäre ebenfalls streng paarig gebaut3), wenn der Schlutzvers seiner ersten Hälfte sechs Takte hätte wie der seiner zweiten. Statt dessen hat er nur vier Takte. Das also hatte der Gegner gerügt, und das haben beide Hand­ schriften in dem Spruch, der sich gegen die Nüge wendet, unvollx) 'oer Himmel bewahre uns vor ihr', wie Zrantzen a. a. (D. unter Hinweis auf eine ähnliche neuere sprachliche Wendung richtig deutet. 2) nicht aber durch den Hinweis Schönbachs 345. a) wie z. B. der Ton 105, 15. — heusler §787 sieht in 18,1 eine Abart des 'zweiten Philipptones'.

48

18,1

kommen zu bessern gesucht, was dann C auch noch irrt folgenden Spruch tat, während A hier bei dem Echten blieb. (Es ist also in letzterem mit Lachmannbei A zu bleiben, und in unserem Spruch gleichfalls ein viertaktiger Vers herzustellen, am einfachsten wohl mit Bartsch (Germ. 6, 197) und nach ihm noch einmal mit wallner (4) in der Kassung gelich als ars und mäne, die in den beiden Über­ lieferungen das, was abweicht, streicht und das gemeinsame ge­ liebelt) beibehält. Damit scheint mir nun auch der an sich überraschende Satz waz obe her Walther krüche? erklärt. Wenn die Melodie, was bei der sonstigen Paarigkeit des Strophenbaus doch wohl wahr­ scheinlich ist, in der zehnten Zeile gleichfalls sechs Takte umspannte wie in der letzten, dann mutzten die sprachlichen Vierer gedehnt werden, um den melodischen Rahmen zu füllen. Dem Inhalt nach vertragen sie das sehr wohl, ja solche Dehnung kommt ihnen zugute, denn die fraglichen Verse bringen stets etwas Bedeutsames: den unmittelbaren Befehl an Philipp, freigebig um sich zu werfen, die Keststellung, datz der Braten zu dünn war, die rhetorische Krage, deren Antwort den höchsten wert des Halmes betrifft, den für die Kunst des Gegners so verächtlichen vergleich und den innigen Wunsch, Gott möge dem Fürsten ere meren. Eine solche verlang­ samende Vortragsweise konnte ein böswilliger Kritiker sehr wohl als kriechen be3etc^nen. Unser Spruch greift das in der Schlutzzeile auf, indem er dem Gegner Walthers vorwirft zu jagen. Wenn der Anwalt Walthers diesen Gegner einem leitehunt vergleicht, so schwebt ihm dabei der Gegensatz zu Walthers eigener überlegener Kunstübung vor: letzterer bewegt sich frei und ungebunden in seiner Kunst, er singet swaz er wil; der andere dagegen jagt wie ein Spürhund an der Kessel des stets gleich langen Seiles (also der starren Regel) ins Blaue hinein *2) nach einem Wild. Daher mehrt *) s. auch wallner 4. 2) leitehunt ist also mit A (und Lachmann) zu schreiben. Vas Wort wird bestätigt durch Wartburgkrieg (5imrock)6und 7, welche Stelle wiederum in die Sphäre literarischer Kehde führt: Oer Schreiber: Swelh leitehunt unrehte vart wil jagen, Des sit gemant, Bi minen tagen Ein strafe im wart von sines m ei st er s hant. hierauf die Antwort Ofterdingens: Der­ selben krä der hänt ir wol an mir getan gelich, Her Schriber, do ir von dem leitehunde kundent sagen. Ich bin iu doch ze künsterich, Des müezent ir in weises wis an widerverte jagen. — Auch nach wäne gehört in dieselbe Sphäre der Kunstkritik, s. Kalmarer weisterlieder (Bartsch), S. 64, Nr. 699,

18,1

49

der eine auch der werlde spil, die Unterhaltung der Menschen, während der andere nichts kann als einer Jagdbeute nachspüren, die er doch nicht zur Strecke bringt (d. i. Walther vergeblich mit seiner Kriti! zu treffen sucht). Die vielfachen Bezüge auf Kirnst und Kritik, die sich gezeigt haben, lassen vermuten, daß auch der vergleich mit Weizen und Spreu irgendwie mit diesem Sdeenkreise zusammenhängt. Nun hat wilmanns die Worte er soltz doch iemer hän vor tu Also der wetze vor der spriti ganz wörtlich im Sinne einer Bewegung gefaßt: 'er sollte doch immer den Vorsprung vor euch haben wie der Weizen vor der Spreu' und erklärend hinzugesetzt: 'wenn er nämlich mit der wurfschaufel geworfen wird'. Betrachtet man aber die zahl­ reichen Beispiele, die Bech zu Erec 4521—23 mit seiner bekannten Belesenheit für cz Mn gesammelt hat, so können obige Worte nur meinen 'es vor euch voraushaben, den Vorrang vor euch haben'. Erst der darauf folgende Vers: singt ir einz, er singet dritt steht also mit v. 6 in Zusammenhang, wonach das kriechen Walthers noch immer eine dreimal schnellere Produktion als die seines Merkers darstellt, weize und spriti dagegen bedeuten in erster Linie ein Werturteil wie ars und meine. Zudem patzt der vergleich mit einer wurfschaufel durchaus nicht zur Tätigkeit des Kunstkritikers. Zür diese wird vielmehr herkömmlicherweise der vergleich mit der Mühle gebraucht, so schon von Wolfram an der bekannten Stelle im parzival 144, 25 ff.: Bitct hüctcn sin vor spotte. Ern ist gige noch diu rotte. Si siden ein ander gampel nemn: Daz läzcn sich durch zuht gezemn. Anders iwer srouu'c Enide Unt ir muoter Karsnafide Wcrdent durch die miil ge zück et JJndc ir lop gebrücket, womit Martin unser 'durchhecheln' vergleicht *). Die Erklärung gibt ein Spruch der Kolmarer Liederhandschrift, dessen zweite Strophe ich nach Noethe wiedergebe, bei dem er unter den unechten in seinem Heinmat v. Zweier als Nr. 319 gedruckt ist:

Ich weiss, daz ich von manchem werd gelassen gar dicke durch die straffemüln, der doch nit weiss der massen, v. 13 ff.: Man sol iglichcm tone Helfen nach sinem rechten.

Manger singet nach wäne Und wil die kirnst cwechtcn. l) während Singer, IDSB. 180, 57, zur parzivalstelle treffend anführt Berthold von Regensburg (bei Schönbach, WSB. 154, 54): ’opportet ut transcas molam malorum, tirannorum, dclractorum\ lixaui, IDa'thcr von d.r Vogclivctb:.

18, i

50

wie man der kunsten mülen sol Die reder lassen sich gar snelle ein weng zu Kitzel ald zu vil, der stein zu nider ald zu hoch:

bereiten und berichten. triben, sehent so mag beliben so acht man mich für nichte.

Die meinst er es berichten suln, den gib ich mich hie uff ir muln, daz sie mich sullen machen io vil deine, malen, gerwen unde griessen, also daz mins gesanges mel die wisen mogent messen. daz ich vor kunsteloser diet blib gar on alles swachen. Ähnlich wie an diesen beiden Stellen die Mühle, so werden in dem Spruch der Weizen und die Spreu bildlich gebraucht, und Walthers Weizen liefert, mit der Rolmarer Strophe zu reden, gesanges mel1), das die wisen mogent messen: nur ist es ihm nicht geglückt, dasz er selbst vor kunsteloser diet blib gar on alles swachen. flit die wurfschaufel ist also bei dem Bild von Weizen und Spreu nicht zu denken: wohl aber an das Sieb, das ja dazu dient, beide voneinander zu sondern. Das Sieb heißt bekanntlich riter 'Reiter' und die Tätigkeit des Stehens ritern 'reitern', s. z. B. Dwb. VIII 784 Satanas gerät iuwer, thaz er iwih rttro samaso iveizzi Tatian 160, 4; das. 781 könnt jemand diese weit durch eine reider schlagen Und so des unkrauts saat aus dem getreide jagen Reinh. von Zreientahl (1700) 91. Das führt zum Eingang unseres Spruches: es fällt ja auf, daß der Dergleich mit dem Weizen und der Spreu so unvorbereitet hereinplatzt, was ja auch die schiefe Deutung von der wurfschaufel ermöglicht hat. Nun überliefern die Handschriften den Ansang bekanntlich in stark abweichender Gestalt: 97 A 125 C Her wicman ist d* ere Her volcnant habt irs ere de man die meister irten sol de ir den meistern tretten weit so meinst' liehen spreche ir meisterlichen Sprüche lat ez vch geschehen niht mere latz iv geschehe niht mere 5 vür war ich vch de raten sol sit de mans ivzvnwizen zelt *) vgl. Rumzlant fjITCS. III 56a b Wes schalt ist daz dln mül so dicke leere blibet? . . . malet.

Da: eine rat malt dir lattn . . . Daz ander rat dir swcnbesch

18,1

51

Lachmann hat sich mit Öen nötigen Änderungen an A an­ geschlossen, und alle Herausgeber sind ihm gefolgt. Dagegen gibt Ivallner 4 einen auf C beruhenden Text, der aus A nur die meister übernimmt und nach Lachmanns Änderung irren (für irten, (retten) bietet1).2 Ich glaube, er hat mit der Bevorzugung von C fast durch­ aus recht: man darf sogar noch einen Schritt weitergehen und auch den Dativ den meistern aus C übernehmen, wenn man für das irten — tretten der hss. den Infinitiv ritern setzt, sodatz der Text lautet: Her Volcnant, habt irs erc 3), daz ir den meistern ritern weit so3) meisterliche Sprüche ? lätz iu geschehen niht mere, sit daz manz iu zunwitzen zelt.

Nun ist der rührende Heim in A 2. 5, den nur Paul einst (Beitr. 2, 552) für ursprünglich gehalten' hat, während alle Herausgeber, auch Paul selbst, sich Lachmanns Änderung angeschlossen haben, beseitigt, und vor allem ist jetzt ein Ausbaus gewonnen, der 'kritisieren' bedeutet und so den vergleich mit Weizen und Spreu vorbereitet. hat sich C hier so gut bewährt, so läge es nahe, zu ihr auch in der Zortsetzung mit Ivallner mehr vertrauen zu haben als zu A. Diese Zortsetzung lautet in den hss.: A wc obe her walther irrvhe ir solt ez doch icnV han vor vch also der wetze vor cV spriv

C wan ob her walther kruche man heten doch vil bas danne iv er ist das körn ir sit du spriv

*) irren paßt aber nicht recht: wieso hält man jemanden durch eine Kritik ab von Sprüchen, die er doch schon gesungen hat? Ivallner meint (35, 191) tretzen 'reizen, necken', wozu er aber A und C kombinieren muß. Auch ist der Ausdruck für eine so scharfe und derbe Abfertigung zu zahm. 2) habt irs (C) wird gegenüber ist der (A) gestützt durch das hat im vorhergehenden Spruch (17, 25), s. u. S. 53 Anm. 3) so (A), ir (C): so verdient den Vorzug, weil damit deutlich auf die vorhergehenden Sprüche 17, 11. 25 hingedeutet wird, von denen ja tatsächlich der erstere den Angriffspunkt für die Kritik des volcnant geliefert hat und der zweite die Erwiderung Walthers bringt, s. S. 463. 523. Dagegen ist ir (C) in seiner Allgemeinheit zu unbestimmt.

52

18,i

Aber im ersten Vers verdient waz den Vorzug vor wem; denn damit wird viel deutlicher zum Ausdruck gebracht, daß das Wort kriechen vom Gegner gebraucht worden war. Zudem würde wan dazu zwingen, den Vers als Vordersatz zum folgenden zu fassen,- das geht aber kaum an, da alle anderen Sprüche dieses Tons an dieser Stelle, dem Schlüsse des Aufgesangs, einen starken Einschnitt machen. Auch im Mittelvers klingt A (mit er st. ir) origineller als was in C steht i), und der folgende Vers patzt in A zu dem im Eingang der Strophe gebrauchten Bild vom 'Sieben' der Sprüche, während nach der Fassung in C nun plötzlich die beiden Dichter selbst Korn und Spreu wären. Ferner ist in v. 13 das ir C wohl jüngerer Zusah, vatz in v. 10 die geringere Änderung auf seiten von C steht, datz dagegen im allerletzten Vers leitehunt (A) den Vorzug verdient, ist bereits oben dargelegt. Zusammenfassend kann also gesagt werden: Die ersten Sprüche dieses Tons waren von einem Volcnant (oder Wicman)2) kritisch gesiebt worden"). Vieser Kritiker, dem Walther selbst in 17, 25 *) UMInets kontaminierende Fassung (man heten iemer doch vor iu) erreicht ihren Zweck, den Dativ iuju gewinnen, schwerlich: es müßte auch in diesem Fall für iueh heißen. Übrigens wäre der Akkusativ iu durchaus möglich, da ja das Gedicht auf keinen Fall von Walther selbst ist, wie zum folgenden Spruch gezeigt werden soll. Weinhold in seiner Mhd. Gr. § 474 verzeichnet unter anderm diese Form aus Moriz von Traun v. 1325, der ja nach Südfranken gehört (Schröder, Rittermaeren*, 1929, 5. IV). Und unser liet stammt ja aus Franken, wie die nächste Strophe angibt, s. zu dieser. 2) s. dazu Edward Schröder, Zs. 49, 1563 und Wallner 35, 191, der wie Zrantzen, Album-Uern, $. 311 f., an eine Verlesung oder Verschreibung denkt. Zn der Tat zeigt Frantzen, wie nahe sich die beiden Namen graphisch stehn und wie leicht also ein wicman (A) über wienam zu volcnant (C) werden konnte (oder ähnlich auch umgekehrt). 3) sind die Zahlangaben singt ir einz, er singet driu ohne speziellen vezug, wie man nach der parallele bei Wallner 41 meinen könnte? Der Angriff war doch wohl in einer Strophe von Walthers Ton erfolgt (wie das bei polemischem Inhalt gewöhnlich der Fall ist), und es sind gerade drei Waltherstrophen des angegriffenen Tons, die in A unmittelbar vorhergehn. Man darf also vielleicht vermuten, daß dieser Wicmann gegen Walthers Lied vom halmmessen (65, 33) und gegen seinen Spruch vom braten (17, 11) in einem Spruch von der hone aufgetreten war, gegen den sich nun wiederum Walther in dem Lobe des Kahnes (17, 25) wendete, und kurz darauf der unbekannte Verfasser unseres Spruches. Es ist doch kaum ein Zufall, datz just Walthers dritte Strophe (17, 25) die Krau BSne in einer Weise herunter­ macht, die schon Lachmann zu der Vermutung führte: 'ich glaube, ein Tadler, vielleicht der Dichter, den das nächstfolgende Gesetz derb abfertigt, hatte Walthers Lied vom halmmessen verhöhnt,- etwa in dem Sinne, Herrn

18, 15

53

geantwortet hat, erhält dafür hier sein sträfliet, wie es die Meister­ singer später nennen, indem man ihm entgegenhält, Walther werde mit seinem Dichten stets den Vorrang vor dem des Merkers haben wie der Weizen vor der Spreu. Die wechselreiche Kunst Walthers sei wie der immer wechselnde Mond, der Freund der Liebenden, und wie der Weizen, aus dem das Brot den Menschen zur Er­ quickung gewonnen wird: sie alle drei mehren in gleicher weise der werlde spil. Das Dichten seines Gegners aber gleiche dem ars, der stets ein Gesicht hat, der unnütz umherfahrenden wertlosen Spreu und dem an eine beständig gleich lange Leine gefesselten Spürhund, der ins Blaue hineinjagt. Walther hat für diese Verteidigung seiner Kunst den Dank im unmittelbar anschließenden Spruch abgestattet, s. zu diesem.

18,15—28. Das lieht (A) im Eingang des Spruches hat der oitgen vil er­ blendet: wie viele kann man bei Wilmanns-Michels z. St. lesen. Ich bin der Meinung, daß nur liet, wie Paul, Saran und Frantzen (Album-Kern, 5. 312s.) wollen und wie nun neben C auch Z bietet, in Betracht kommen kann*). lieht ist, wie vor Saran schon Paul, Beitr. 8, 201 bemerkt hat, eine auffällige Bezeichnung für eine nicht angezündete kerze, und Walther selbst gebraucht denn auch kerze in seinem Spruch 84, 53. Auch der Ausdruck vert mutet sonder­ bar an, wenn er das Übersenden einer Kerze bezeichnen soll. Nach Walthers Halm sei keine Bohne wert, die man dagegen schon eher besingen könnte'. Diese Vermutung Lachmanns wird noch durch den Hinweis Frantzens a. a. (D. gestützt, daß der Anfang des Bohnenspruchs Waz Sven hat fro B6ne Daz man so von ir singen sol? im Anfang des wicmanspruchs einen Widerhall findet (Her Wicman, ist daz eret Daz man usw.), wenn man an letzterer Stelle C folgt (statt wie Lachmann und Frantzen A), wird der Widerhall noch stärker: habt irs ere entspricht dann dem Eingang Waz iren hat frö Böne mit beißender Gegenüberstellung von ir und frv BSnel — Das so (A) 18, 3 deutet auf die getadelten Sprüche zurück, s. o. S. 513. 1) für lief auch plenio 42, 4601; für lieht prosch, Zs. f. d. Phil. 15, 358 f.; Beckstein, Germ. 36, 259 f.; Schönbach 343; Burdach I 40; Dietrich, Lbl. 1903, 5p. 274; Wallner 35, 192. — Der Fehler lieht st. liet kann sich so erklären, daß der Schreiber einer Vorlage niet sprach und nicht schrieb: dann konnte er leicht mit der Schreibung lieht ein liet meinen. Sonst mag man Schreibungen vergleichen wie beduhte A (für bediuteV,betüte c) 95, 12, liethen B (in Zechnalls Gmnitgpie) für lichten 5. 193, 15; broth A st. brot (in der Gmnitgpie gleichen Verlages) 5.74, 19.

z.

z.

6cm üblichen Sprachgebrauch vert ein mosre, ein rede ubgl., kurz alles, was wir heute gleichfalls mit einem Verb der Bewegung durch 'ausgehen, kommen von' ausdrücken, vor allem aber bringt man sich um das Verständnis der Schlußpointe, wenn man meint, der Dichter danke für eine Nerze als Symbol der Begabung- denn dies mit einem 'Waidmannsheil' zu quittieren ist doch ein weit­ abliegender und schwächlicher Gedanke, auch wenn der Geber, wie ja auf alle Fälle aus dem Spruch sicher hervorgeht, ein be­ geisterter Iagdfreund war. Anders dagegen, wenn dem Dichter ein liet zugekommen war: hat Ludwig eine solche tönende Gabe ge­ schickt, dann ist es passend, daß der Beschenkte ihm gleichfalls etwas Tönendes als Gegengabe wünscht: wie das liet vor Walthers Ohren erklungen ist, so möge dem Ludwig die Musik erklingen, die ihm am schönsten klingt, und dieser Wunsch kommt in den Schlußworten wie eine Fanfare auch klanglich zum Ausdruck: sins Hundes louf1),

sins Hornes duz ErHelle im und erschelle im wol nach eren 2). Nun ist aber an sich das Übersenden eines liedes, also einer einzelnen Strophe, nicht einmal eines Liederbuchs, doch nichts so besonderes, daß sich Walther, der Dichter so vieler Strophen, ge­ trieben fühlen konnte, dafür einen so gerührten poetischen Dank abzustatten. Es muß also der Inhalt gewesen sein, der diese dank­ bare Gesinnung weckte. Und wenn dieser, dann bestand er doch wohl in einem Lobe, einer Anerkennung oder einer sonstigen Ehrung Walthers. Das sprechen denn die Verse, wenn man sie genau liest, auch deutlich genug aus: die Worte iclm kan ims niht gedanken So wol als er min Hat gedeiht zielen schärfer auf ein freund*) louf konnte, meint Frantzen (Albmn-Nern $. 312 f.), zunächst als Fehler der gemeinsamen Vorlage von AC für baierisches lout (^ lüt) gefaßt werden. In der Tat wird man für die Quelle von A öfter auf solche Diphthon­ gierung geführt, so 75, 2 (miden st. meiden); 76, 28 (den wisen st. der weisen); 77, 35 (die veigen st. die vrigen). Aber Frantzen entscheidet sich doch für louf, wie vor ihm Martin Zs. 29, 468. Die Belege, die er für die Bedeutung 'mit Gebell hinter dem wild herlaufen' bringt (aus Hadamars von Labei Zagd Str. 111. 182. 391; Oswald von Wolkenstein bei Schah XXII 17), rechtfertigen die Überlieferung, sosehr auch lüt ein waidgerechter Ausdruck für das 'Lauten', das 'Geläute' der Hunde, also das 'Anschlagen' ist, s. Schmetter* II 516 und Wb. VI 373. 2) schon an diesem Schluß scheitert die Deutung auf Geschichtliches, die von Dietrich im Lbl. 1903, Sp. 275 vorgetragen ist: 'Der Wunsch niht wildes mide stiren schuz (18, 26) war dem Herzog herrlich in Erfüllung gegangen: Thüringer und Sachsen waren ihm zur Beute geworden.'

18, 15

55

liches Gedenken als auf ein materielles Geschenk,- und der Sah der mir so hoher eren gan> Got müeze im ere meren sowie die nachdrückliche Wiederholung nach eren am Schluß des Ganzen betonen auch wieder mehr die ere als irgend ein guot. AH das

führt darauf, daß Ludwig dem Dichter durch den Markgrafen von Meißen einen Spruch aus Franken (d. i. Frankfurt, Lachmann zu 18, 15)x) zuschickte, in dem die Kirnst Walthers geehrt wurde. Die ohnehin schmerzlich große Verlustliste unserer alten Literatur braucht damit nicht um ein weiteres Stück bereichert zu werden: dieser Spruch geht dem Dank Walthers in den Handschriften A und C unmittelbar vorher, es ist, wie schon Saran erkannt hat, der Spruch in dem her Wicman (oder Volcnant) wegen seines Angriffs auf Walthers Kunst so scharf abgekanzelt und die letztere auf das höchste gepriesen wird. Daß dieser Spruch nicht von Walther herrührt, haben bereits Nückert und Saran2) sowie Zrantzen a. a. G. gesehen, Pfeiffer hat ihn nicht aufgenommen und Schwietering3) bat einen weiteren Grund beigebracht, indem er die so starke Be­ tonung der Zugehörigkeit Walthers zu den Meistern (18, 2f.) auf­ fällig fand. wer aber hat ihn dann verfaßt? Die Antwort hängt davon ab, an wen der Dank gerichtet ist, an Ludwig oder an den Meißner. Pfeiffer und, weniger bestimmt auch Paul, dachten an den letzteren. Aber die Worte ichn kan ims niht gedankcn So wol als er min hat gedäht passen viel natürlicher auf den, von dem die Ehren­ rettung und der preis von Walthers Kunst ausgeht, als auf den, der beides nur übermittelt,- ebenso bezieht man den Ders der mir so höher eren gan doch weit ungezwungener auf den ehrenden Inhalt jenes Spruches als auf das bloße Überbringen 4). Der Dank gilt also sicherlich dem Ludwig, wie schon Lachmann (zu 28, 15) zu Frankfurt als Ausgangspunkt der Überlieferung stimmt gut der Akkusativ iu, den C 18, 7 bietet, s. o. 5. 521. 2) die Stellen bei Michels II 105. Hermann Fischers Gegenbemer­ kungen (Zs. 49, 154 ff.) sind so haltlos wie seine Vermutung, daß hinter dem wicman—volcnant vielleicht Wolfram stecke: Wolfram als Merker, der einem andern in einem Spruche zwei fehlende Takte ankreidet! — Auch Burdach I 98 hält Walther für den Verfasser,- ebenso wallner 35,191 f. und Elise Walter, Die Verluste auf dem Gebiet der mbü. Lgrik (1935), 5. 4. 3) 60. 4) so auch Elise Walter a. a. D. 101.

56

18, 15

gemeint hat, der unsern Spruch (und damit auch den vorhergehenden) ins Jahr 1212 setzt. war dieser Ludwig auch der Verfasser? Ich denke, schwerlich, da der Ausdruck vert doch wohl eher für den Anreger des Spruches als für seinen Verfasser patzt. Und so denkt man wohl mit Rechts an den Herzog Ludwig von Bagern 2):* 4 der Ausdruck werder man, die respektvolle Art, mit der Walther ihm naht (20f.), und die aus seinen Worten erkennbare Jagdleidenschaft: das alles deutet auf einen hohen Herrn, nicht auf einen Berufsdichter. Und ein solcher mutz es doch wohl gewesen sein, der diesen ganz ausgezeichneten, mit jedem Worte treffenden und von Kenntnis der Kunstausdrücke zeugenden Spruch verfatzt hat 9Dem Herzog aber bleibt auf alle Zälle das Verdienst, einen Quoten boten geworben zu haben, indem er den Markgrafen von Meihen, den Gönner Morungens, zum Überbringer machte,- der hat denn auch, wie wir sehen, sinen gewerp gähes gendet. Walther aber hat den am Schlutz des Spruches stehenden vergleich seines Kritikers mit einem leitehnnt, der nach wäne jaget, sicherlich mit Vergnügen gehört und deshalb seinen vankspruch mit dem Wunsche geschlossen, datz dem Herzogs) sins Jmndes Ions nach cren erschallen möge: 'gegenüber einer vergeblichen Jagd eine erfolgreiche!', wie Zrantzen richtig bemerkt^). — Über eine mögliche Beziehung zu 103, 29 s. u. zu diesem Spruch. wenn die Verteidigung Walthers unter seine eigenen Sprüche geraten ist und wenn auf sie unmittelbar der Dank des Dichters folgt, so hat das eine Analogie in der Jenaer Liederhandschrift, wo II 5 und 6 unter Stolle gebracht sind, während 6 die Antwort StoHes auf 5, eine Strophe des harteckers darstellt (Saran, Beitr. 27, 202). wir haben da sicherlich Reste alter Programme von Konzerten vor uns, in denen Lieder oder Sprüche verschiedener Autoren in unmittelbarer Abfolge vorgetragen wurden, wenn sie ') trotz Pauls Widerspruch in der ctnm. zum Gedicht. 2) der Bezug auf den i. I. 1190 gestorbenen Ludwig von Thüringen (Vechstein-Koppmann, Germ. 36, 260) ist schon aus zeitlichen Gründen unmöglich. a) datz cs ein Schüler Walthers gewesen sei, wirft plenio hin (42, 4251). 4) denn diesem gilt der Dan!, nicht dem Überbringer, s. o. 9 damit ist das 'Waidmannsheil' als Dank für die vom Herzog veranlahte Strophe gegenüber den Bedenken Wallners (55,192) genügend erklärt.

18, 29.

19, 5

57

miteinander in enger Beziehung standen. So bringt B unter 30 Walthers klagende Bitte um einen eigenen Herd (28,1) und läßt als 31 die Parodie des reichen Truchsessen folgen (Lachmann S. 153, Wackernagel 5. 211; s. Michels II 477). So erklärt es sich auch, daß die Handschriften hinweise auf andere Lieder bringen, wie solche 61, 32 in BC und 111, 22 in C stehen, stuf solche weise mögen später oft falsche Zuweisungen entstanden sein. An Lachmanns Text ist nichts zu ändern. Auch in Vers 24 ist die Fassung A mit dem vierhebigen Vers beizubehalten, s. zum vorhergehenden Spruch, der helle (v. 25 A) weist wohl auf ein derhelle der Vorlage *).

18, 29—19, 4. 54. Die verschiedenen versuche der Herausgeber, das von Lachmann übergangene da der Handschrift C zu retten, scheinen mir vergeblich, denn was soll dieses da bedeuten? Die Krone und das Haupt Philipps passen doch beständig zueinander, nicht nur bei der Krönung. 36. süezen wollten Pfeiffer und Bartsch mit Un­ recht streichen 2), da das Epitheton edel (gesteine) bei jungen man ein Gegenstück verlangt, und das ist eben süezen. Zudem folgt im nächsten Vers die ougenweide sehent die fürsten gerne, und Walther nennt anderwärts (21, 8) die ougenweide süezc. 3. Zu ob sin cm nacke vgl. Anz. f. d. Alt. 48, 80. Über die Entstehungszeit und über den weisen s. außer dem, was Wilmanns-Michels verzeichnen, noch Burdach I 45. 255. 317 f.; ders., DRundschau 1902/03 S. 124. 205. Den Ton behandeln außer Michels noch plenio 41, 632; 42, 4461; Arch. 136, 19, der auf die Beziehungen zu Gottfried hinweist und daraus etwas weitgehende Schlüsse auf die persönliche Bekanntschaft beider Dichter zieht. Gennrich 212 stellt den Ton zu der Art der Laiausschnitte zweiter Gruppe.

19,5—16. 9. Wackernagel hat gegen C den Genitiv der namen aus der sonst hier überall schlechteren Handschrift B genommen, unnötig,

s. über der- zu Denfm. XXX 6; Braune, Beitr. 24, 193 f.; Scboener, Sigenot, Ein!. S. XXIV; töesle, tDcrnbers Maria S. XXX. 2) s. auch Singer 459.

ja sogar anfechtbar, ba der Bezug auf die Dreieinigkeit dadurch verdunkelt wird: von dieser heißt es gewöhnlich die namen dri vgl. Walther selbst 16, 32. Gegen Burdachs Ausführungen (I 45. 56. 173. 289. 308; VRundschau 1902/03, S. 124f. 205) wendet sich Dietrich, Lbl. 1903, 275. 279). Wallner 35, 193 will die wisen im letzten Vers doppel­ sinnig fassen: nicht nur als 'Kennet’, sondern auch als 'magi’. Aber der Konjunktiv müeste, den Wallner mit C einseht, paßt nicht zu den 'Kennern’.

19, 17—28. 27. 3d? verstehe nicht recht, warum die meisten Herausgeber gegen Lachmann die Handschrift C hier bevorzugt haben. Gewiß bietet B in dieser Gruppe den schlechteren Text, das hat Lachmann genau gewußt (s. zu 18, 29), aber das darf doch nicht dazu verleiten, C blindlings zu folgen, die ärmlicher im Ausdruck ist (wie . .. man . . . Joste gebaut wie wie man . . . erwirbet 22; die miltc haut wie der milte Salatin 23) und an die Stelle des anschaulichen Bildes, daß die eigene gebende hant den Gefangenen von seiner Sessel frei machte, eine abstrakte Vorstellung setzt. 28. Die zwene frumcn sind die crc, der Respekt, und der pris, der Ruhm; der eine entspringt der Surcht der Gegner (ervorJit), der andere der Liebe der Beschenkten (geniinnet).

Auch hier ist zum Inhalt Burdach I 52 f. und VRundschau 1902 03, S. 205f. zu vergleichen.

19, 29—20, 3. 31. Die Erklärung Uhlands 'Schnabelschuhe' ist sicher falsch. Die parallele im nächsten Vers (als ein pfdwe) J) sowie der Ausdruck ebene setzen minen suez Und wider in ein iiöchgemüete stigen

am Schluß erfordern and) hier das Bild eines schreitenden Vogels, nicht irgendwelcher Schuhe. Zudem ist der gehende oder stehende Kranich ein aud? sonst geläufiges Bild für den Hochmut, s. die Stellen bei Wilmanns und dazu Konrad von Helmstedt (Lindqvist) v. 4643f.: das Bild der hoffärtigen Welt stät uf eines kranchcs fuoz Und weh l)

f. die Parallelen bei wilmanns und bei Singer 459.

20,4

59

niht wenn ez vollen muozx). Der Singular mtnen ... trit (miner . . . irit B) scheint mir poetischer als der Plural und steht auch in Über­ einstimmung mit dem Singular fuoz (20, 2). Die schwache Form kranechen, von Haupt z. St. mehrfach nachgewiesen, hat als die seltenere in B die Auffassung eines Genitiv pluralis erweckt, daher das miner. hier wäre also Lachmann nach wackernagel zu berich­ tigen: mtnen kranechen trit. 32. Zu slichent als ein pfdwe hat heinzelin seinem Handexemplar angemerkt, der Pfau habe'möllern mcessum' nach Dante bei Norden, Antike Kunstprosa II 869. Die Dersuche Wackernagels und Pfeiffers, den Auftakt zu regeln, führen hier zur Willkür und bringen die Verse 54 und 2 um ihre Wirkung. Über die geschichtlichen Vorgänge, die diesem Spruch zugrunde liegen und über seine Zeitbestimmung s. Burdach I 130ff.; über die Bedeutung von an sich genomen das. S. 38 f.

20, 4—15. 4. Zur Bedeutung von ungesühte verweist wallner 6 auf ana­ loge Bildungen,- s. auch Ottokar 73457. 6. ertceret 'taub gemacht': s. außer den Stellen bei wilmanns noch Bechstein Germ. 56, 260; Brambs, Bll. f. gymn. Schulwesen 41,7. 8; wallner 6. heinzel in seinem Handexemplar verweist auf die Benutzung der ganzen Stelle durch Ottokar, Reimchronik 73454 ff. rotten, herphen,videln Und ander seitenspil Höret man da so vil, Wcer ein houbtsiecher man Niht schier entrunnen dan, Er wxre gar betört. 10. lantgräve mit beschwerter Hebung auf laut- ist zu häufig bezeugt (s. wilmanns 1 326), als daß man es mit Pfeiffer ändern dürfte. Solche fest­ stehende Titel machten eben, wie das bei Namen durch hesler an der bekannten Stelle ausdrücklich bezeugt ist, Freiheiten nötig. 12. kenpfe: dem Kreis unehrlicher Leute angehörend, s. noch x) wallner 4 ff. will trit als 'Fuß' nehmen und übersetzt: 'da ließen meine Kraniche ihr Bein in die Erde sinken d. h. da roars mit meinen Hoff­ nungen vorbei, da war mein warten zu Ende'. Ich sehe für diese gezwungene Deutung keine Notwendigkeit, vielmehr widerspricht ihr, wie oben gesagt, der Umstand, daß trit wegen der übrigen bildlichen Wendungen gleichfalls eine Bewegung ausdrücken muß. 'Als Friedrich starb, da nahm er mein stolzes Schreiten mit sich unter die Erde. Da schlich ich mit gesenktem Haupt dahin wie ein Pfau ... Jetzt erst will ich wieder fließend dahinschreiten und emporsteigen zurück zu meiner Hochstimmung': ich verstehe nicht, wo bei dieser Auffassung Schwierigkeiten liegen sollen.

60

20,16

Vurdach 14. 13. Lachmanns Vorschlag, den Takt suore wol durch Streichung des wol zu regeln, trifft gewiß das richtige, da wol neben dem unmittelbar vorhergehenden wol an sich störend wirkt. 15. Lachmanns ouch für doch ersetzt ein Synonym durch ein anderes, ist also eine leichte Änderung; adversatives ouch, das bei geänderter Wortstellung noch heute gebräuchlich ist ('auch da wären die Lecher stets voll'), ist im Mittelhochdeutschen nicht selten, s. Mhd. Wb. II 1,450 b. Über den ganzen Spruch s. Lurdach, VRundschau 1902/03, S. 204 f., 206 f. Die Annahme wallners 7, daß es unser Spruch sei, auf den Wolframs Anspielung parz. 297, 25 ziele, scheint mir trotz der ver­ führerischen Wortbeziehungen nicht recht glaubhaft. Die bestimmte Zassung deutet notwendig auf einen Anfang, der eine Grußformel enthielt, viel wahrscheinlicher ist die Meinung Michels' und Schrö­ ders (Zs. 63, 224. 256), daß der verlorene Spruch im Tone 82,11 abgefaßt war, zumal letztere Strophe den Atzestreit behandelt.

20,16—30. 17. Lachmanns ist uns beruht nur auf einen Druckfehler: beide Handschriften bieten uns ist. 19 ff. Nur auf den ersten Blick wirkt gitote (C) ansprechender als muote (D). Denn es kommt dem Dichter nicht so sehr auf den Unterschied von Arm und Reich an als auf den zwischen einem edlen und unedlen Sinn,- weshalb er ja auch beim Reichen, der weniger liebenswert sei als der gutgesinnte Arme, aus­ drücklich hinzufügt: ob er eren niht engert. Nicht nur hier, sondern auch sonst wird das Streben, die Gesinnung betont: sin, mit guoten sinnen, gern, vehten. Zu dem, der schcenen sin besitzt, tritt also als Gegensatz der, der sich mit sin selbes muote swachet1), und gerade der Zusatz sin selbes zeigt, daß muot das echte ist, denn man kann wohl durch den muot eines anderen geswachet werden, nicht aber durch dessen guot. Zudem ist die Gegenüberstellung von guot und muot geradezu typisch, s. die Stellen bei wilmanns 1, IV, Nr. 100. 1) nicht von sin selbes muote 'aus freier Wahl, mit eigenem willen' (wilmanns), denn das wäre ja im Widerspruch zu dem Satze wie manic gäbe uns ist beschert; sondern mit sin selbes muote 'mit seiner Gesinnung', ganz wie gleich darauf mit guoten sinnen. Gott gibt eben beides: das Gut und den sin oder muot.

20, 31

61

25. Pfeiffers Emendation (ja enist ez, warn’, niht) hat mit Recht keinen Anklang gefunden, aber die Meinung, datz hier etwas nicht in Ordnung ist, scheint mir richtig. Wilmanns erklärt: 'Run wenn es Gottes Huld und Ehre ist, wonach man so eifrig ringt, so Aber das vermag ich weder mit dem Wortlaut zu vereinigen, noch patzt es in den Zusammenhang. Dieser verlangt vielmehr den Sinn: es gibt wahrhaftig nichts als Gottes Huld und Ansehen, wonach die Welt mit Zug und Recht strebt: wer sich daher dem Reichtum so versklavt, datz er um diese beiden kommt, der soll weder hier noch dort einen weiteren Lohn (d. i. hie die ere, dort aber gotes hulde) empfangen, als hier sein Geld'. Da gerade an der entscheidenden Stelle 'mit Zug und Recht' die beiden Handschriften auseinander­ gehen (so sere C, so starke D), so bleibt wohl ein Ausdruck zu finden, der den Sinn wie von rehte hat und dabei den überlieferten Worten näher steht. Eine andere Möglichkeit wäre folgende: der ganze Spruch ist aus den Gegensatz des einen und des andern eingestellt, und so fällt es auf, datz an der fraglichen Stelle die weit dem andern gegenübergestellt wird. Darf man also wagen, zu schreiben: ja enist ez niht wan gotes hulde und ere, Dar nach der werde sere vihtet. Wenn werde im Archetypus als wernde (dem. - werlde)x) verstanden wurde, so ergab sich das weitere leicht, der werde wäre wie der werden ein 66, 57.

Die Bestrebungen, den Auftakt zu regeln scheinen mir nicht unbegründet, aber unsicher. Ich bleibe daher hier wie in den fol­ genden Sprüchen dieses Gons*2) bei Lachmanns Zurückhaltung. 20, 31—21,9.

Die Verse 21,4 ff. bereiten Schwierigkeiten, die zu allerlei Lösungsversuchen gelockt haben. Durch übereinstimmende Über­ lieferung sind folgende Worte gesichert: 5

er ist ein . . . beide da(r) . . . man bluomen . . . wunder . . . mir ein blat dar under sin ... mitte . . . hant,

s. wernde, wernt — werlt Mhd. Wb. III 578 a; Weinhold, Al. Gr. S. 162; Mhd. Gr. §218. 2) über bessert Melodie plenio 42, 489 gehandelt hat. Die Unsicher­ heit der zeitlichen Bestimmung bespricht Surdach I 54 f.

62

20,31

so . . . ich loben die . . . ougenweide. hie bi si er an mich gemant. Einige zweifelhafte Stellen lassen sich dank Ulrich von Lichten­ stein entscheiden, der in seinem Frauendienst (53, 26) Walthers an den Herzog gerichtete Bitte um Lohn umgewandelt hat in eine Bitte an seine Dame um genädc: waz schadet der blüemigen Heide An ir ougenweide Und- an ir liehten glanze, Ob man zeinem kränze Ein teil ir bluomen abe brichet? Durch diese in das zweite Diertel des 13. Jahrhunderts zurückreichende Quelle wird für v. 5 der Text dar abe man bluomen brichet wunder gesichert (also C gegen D), während in v. 8 die liehten ougenweide (D) statt die süezen o. (C) bezeugt scheint 4). Innere Gründe verhelfen zur Entscheidung bei v. 6: das dar under ist ein zielsicherer Ausdruck, wenn und brmche mir (nicht: wurde mirl) ein blat vorausgeht, denn es ist natürlicher zu sagen 'unter dem allgemeinen Brechen soll man auch mir ein Blatt brechen' als 'würde mir unter dem all­ gemeinen Brechen ein Blatt zuteil'. C verdient also wieder den Dorzug vor D *2),3 4und damit ist auch für v. 7 C gerechtfertigt. So bleibt nur mehr die Lücke in v. 4 offen, und hier wird man nicht nur wegen der sonstigen Dorzüge von C ihrer Fassung: ein schärn^ wol gezieret Heide gegenüber dem sonderbar übersteigertem Trikompo­ situm ein imnnevroudebcrnäiu h. den Dorrang geben- denn was 0 bietet, ist aus der Anschauung geschöpft, an D haftet etwas abstraktes und tautologisches: Walther ist kein Wortmacher wie Konrad von Würzburg und so viele spätere2). Eine große Schwierigkeit aber bietet der so gewonnene Text noch immer. Milmanns 4) hat ben Finger auf die wunde Stelle gelegt, indem er zu v. 6 bemerkte: 'der Dichter zerstört sein Bild'. Und in der Tat: wenn Leopold die Heide ist, wie kann seine Hand ein Blatt von dieser Heide pflücken? Dergleichen ist dem gedanken­ scharfen und ausdrucksicheren Dichter ganz gewiß nicht zuzutrauen. *) süezen empfiehlt sich ohnehin weniger, da in v. 2 schon der regen so genannt war. Deshalb hat wohl bereits Michels D bevorzugt. 2) in deren unmetrischer Lesart v. 7 unt gebe mir sich überdies das und brache mir, wenn auch trüb, widerspiegelt. 3) zudem kann wnnne aus scüne mißverstanden, und vroude dem fröit in v. 2 nachgebildet sein. 4) s. auch Lurdach 1 109.

20, 3i

63

So hat denn Walln er (9) für er (ist ein Heide) mit leichter Änderung ez vorgeschlagen, eine bestechende Vermutung, die ich in meine Aus­ gabe (Bremer Presse 1931) ausgenommen habe. Aber dagegen stellt sich wieder der Lichtensteiner, der ja die Dame selbst mit der Heide vergleicht, ganz wie Walther nach der Überlieferung den Herzog. Auch führt das empfohlene Mittel zu keiner vollständigen Heilung, denn es ist eben nicht das Sand, von dem man die Gabe erhält, sondern der Herzog, und so gierige der Dank für eine erhaltene Gabe auch nur an diesen: das Lob der ougenweide1) v. 8 mutz also ein Lob des Herzogs meinen. Nun ist es doch recht auffällig, daß der Dichter in v. 5 das unbestimmte man gebraucht: das kann doch nur den Zweck haben, das Bild von dem Herzog als Heide nicht zu stören. Der Ausdruck man bezeichnet also alle die, die für sich dort Blumen pflücken. Man erwartet also, daß Walther dann fort­ fährt: 'wenn doch auch einer für mich dort etwas pflückte!' Dieser Sinn ist durch Änderung eines einzigen Buchstaben gewonnen, wenn man ein st. sin schreibt: Er ist ein schcene wol gezieret Heide, Dar abe man bluomen brichet wunder. Und brcecHe mir ein blat dar linder Ein vil müte richiii hant, So mähte ich loben die Hellten ougenweide. So ist auch eine gute Entsprechung zwischen dem allgemeinen man und dem folgenden ein gewonnen2), und vor allem: der Dichter

vermeidet auf geistreiche weise den Anschein, sein Bild von der Heide zu zerstören, indem er die pflückende Hand irgend einem Mild­ tätigen zuschreibt. 3n Wirklichkeit meint er natürlich die Hand des Herzogs, aber durch den verschleiernden Ausdruck 3) bleibt das Bild äußerlich gewahrt und zugleich ist die Bitte innerlich verschämter geworden, wie ja überhaupt der ganze Spruch bescheidene Zurück­ haltung zeigt: vom Regen will er nur einen Tropfen, von der blumen­ reichen Heide nur ein Blatt,- und auf die mitte riche Hant hofft er, weil er als ein weise vor der Türe steht und die Waisen (wie die Witwen) ein besonderes Anrecht auf den Schutz der Großen hatten. An Lachmanns Text wäre also nur zu ändern: v. 7 ein und v. 8 Hellten. *) wallners vogehveide vermehrt diese Schwierigkeiten, indem man auch noch meinen könnte, der Dichter wolle sich selbst loben. Zudem ist Ulrich wieder ein alter Zeuge für das überlieferte wort. 2) während man—sin wiederum einen schiefen Gedanken ergibt. 3) der dann erst mit dem Schlußvers: hie bi si er an mich gemant eine bestimmte Beziehung erhält.

Zu 34 ff. gibt Stosch, Zs. 33,125 s. eine spätere parallele, Daß der Iohannsdorfer (91,14) denSchlußvers benutzt habe(halbach 40), ist mir nicht glaubhaft. Über die Beziehung, in der 35, 17 zu unserem Spruch steht, s. zu jenem. Sievers 202 setzt die Strophe wegen des gleichen 'Tuerindex' in dieselbe Zeit wie 103, 13 und bezeichnet sie als 'singstimmig' zum Unterschied von den meisten anderen Sprüchen, aber nicht als zum Tanze gesungen. Nach Lachmanns Zeittafel (S. 126) ist sie 1198 gedichtet. 21,10—24. 22. Der Genitiv es in ich es (Pfeiffer) oder ichs (wackernagel) müßte von niht abhängen und der Satz besagen: 'daß ich nichts da­ von deuten farm'; da aber nur vorhergeht 'oh Welt, du stehst so schandvoll da', so paßt nur der einfache Akkusativ 'daß ich's nicht deuten kann, nicht verstehe'. 23. Oer Anschluß an I) (Wichels) empfiehlt sich nicht, denn dadurch wird der Inhalt des Satzes wie ein weiteres, neues Thema dargeboten. Das ist aber nicht der Sali, wie wilmanns schon richtig gesehen hat: dadurch, daß man die kargen Neichen anstelle der freigebigen preist, beschimpft man die Aufrichtigkeit und die Wahrheit. Ebenso ist an ottch (C) im folgenden Schlußvers festzuhalten: 'das ist zugleich der Hum aller ere (da sie, wie wiederum wilmanns richtig deutet, Unwürdigen zuteil wird). Oie Welt hat also nicht verstanden, die Ehre in ihren verschiedenen formen festzuhalten, da sie durch den preis der Kargen statt der freigebigen die fröide (die der beschenkte Sänger früher brachte) vernichtet, die Ehrlichkeit und die Wahrhaftigkeit beschimpft hat. Das erste wird von Walther als vollständige Entartung bezeichnet (v. 15), das letztere als Schamlosigkeit (v. 13). Alles zusammen ist für den, der dichtet, ungcmmie (v. 12), und so ist Walther der Gegenwart gram (v. 14). 21, 25—22, 2. 32. wenn es heißt Untriuwe (hat) ir sämen uz gcrcrel Allenthalben zuo den wegen, so entspricht das vollkommen den Treulosigkeiten, die, drei an der Zahl, gleich darauf angeführt werden.

21,23

65

Erge (Pfeiffer) paßt also gar nicht, Werre (Roethe)x) höchstens für zwei von Öen dreien,- ebensowenig baidenthalben (B und Wackernagel) st. allenthalben angesichts der Dreizahl.

Die Beziehung der letzten Zeile hat man mehrfach als unver­ ständlich bezeichnet (wilmanns I 111; Singer, Die religiöse Lgrik 5. 84). Singer ist deshalb geneigt, Burdachs Dermutung, es handle sich um einen Aufruf zum 4. Kreuzzug, beizutreten. Aber der Schluß (wie der Eingang mit seinem Nü wachet) will doch wohl nichts anderes sagen als 'wacht auf aus eurem Sündenschlafe' (s. u.), ganz wie es in dem ZTTorgengebet des Zalquet de Romans (bei Singer S. 85) heißt: 'wacht auf, vom Lager steht! Ihr Herrn, auf zum Gebet!' So kann ich mich auch nicht entschließen, mit Kochs (Das geistl. Tagelied, S. 35) Einwirkung von seiten weltlicher Tage­ lieder anzunehmen: die Bedenken Schumanns (Anz. 49,118) und Brinkmanns (Lbl. 1931, Sp. 338 f.) sind durchaus überzeugend. wilmanns a. a. G. hat die Deutung der kappen auf den päpst­ lichen Legaten Guido von praeneste, die Burdach*2) gegeben hat, mit Beifall aufgenommen. Die Zweifel, die Dietrich (Lbl. 1903, Sp. 270) äußert, scheinen mir begründet. Ich finde, daß der ganze Spruch so sehr auf die allgemeine Derderbtheit der Gegenwart zielt, daß der Tadel, der in dem einen Ders plötzlich gegen eine einzelne Person gerichtet sein soll, gänzlich aus dem Rahmen heraus­ fallen würde. Zudem spricht schon der Plural die im folgenden Ders gegen eine so isolierende Deutung. Aus der Bibel stammt ja, wie man bei wilmanns sehen kann, die Sonnenfinsternis, der Kampf und Derrat zwischen Dater und Kind sowie Bruder und Bruder, und so liegt auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anlaß vor, hinter den Dersen geistlich leben in kappen triuget, Die uns ze himel sollen siegen etwas Spezielleres zu suchen als die 'seducentes' und die 'pseudochristi et pseudoprophetae' des 13. warkuskapitels, das ja alle sonstigen Angaben Walthers enthält und bezeichnenderweise, worauf man m. w. gar nicht geachtet hat, mit den Worten schließt: 'Videte, vigilate et orate . . . Sicut homo . . . janitori praecepit, ut vigilet. Vigilate ergo ... ne (dominus), cum 2) gegen werre auch Burdach, histor. Zs. 145, 242. 2) I 48 ff. 54; vgl. später über den Spruch noch Burdach, VRundschau 1902/03, 5. 198 und histor. Zs. 145, 19 ff. Gegen Schönbachs Beziehung auf die hohe Weltgeistlichkeit (344) erheben sich dieselben Bedenken. Kraus, walrhcr von der vogelweide.

5

66

22,3

venerit repentc, inveniat vos dormientes. Quod autem vobis dico, omnibus dico:. Vigilate'. Womit doch wohl auf­ geklärt ist, was Walther mit seinen Worten im Sinne hat. Er hält sich also ganz im Allgemeinen, genau wie in dem Spruche 33,35, wo er von der Geistlichkeit sagt: Si Wisent uns zem himel Und varent sie zer helle, oder wie Heinrich von Melk, Erinnerung 55 f. sagt: Christenlicher orden Der ist harte erworden oder wie der Dichter des Entekrist (Fundgruben II111,26 ff.) von den speudoprophete erklärt: die selben truginerc (vgl. triuget bei Walther) Werdint witin mere, Daz si sin gute Hute; Idoch steckit in der sch äsin in hiute Daz wulvine herze; der Schafshaut entspricht Walthers kappe. Für orden st. leben (36) ist Braune eingetreten, da letzteres nur in der auch sonst minderwertigen Handschrift B erscheint; Michels hat es daraufhin in den Text gesetzt (wie übrigens schon Lachmann in der ersten Ausgabe getan hatte). Doch ist leben der seltenere, aber Walther gemäße (s. 28, 21; 11,21) Ausdruck und erspart die Annahme der harten Sgnkope ordn, für die es nur wenige und un­ sichere Beispiele (bei wilmanns I 319) gibt. — Das uns (37), das Roethe mit B streichen will, kann schwerlich entbehrt werden, da sonst der vorhergehende Ders keinen deutlichen Sinn hat; s. über­ dies 33, 35. Daß get üf (22, 1) mit Bezug auf sämen üz gereret (21, 32) ge­ wählt ist, hat wallner 8 richtig bemerkt. 22, 3-17. Die ersten drei Derse sind durch das Zitat aus dem ersten Iohannesbrief ihrem wesentlichen Inhalt nach erklärt: 'Qui . . . man-

data eins non custodit, ... in hoc veritas non est. Qui autem servat verbum eins, vere in hoc charitas Dei perfecta est.' Ohne Entsprechung bleiben die Worte äne vorhte wil sprechen: 'ohne Furcht vor Gott' erklärt man wohl meistens, s. Mhd. Wb. III 385 a. Aber die Worte haben wohl tiefere Bedeutung: die vorhte wird der rchten minne entgegengestellt, wie ja so oft die beiden Begriffe beisammen­ stehn (zu Denkm. XXXIV 3, 8), entsprechend mie'timor' und 'amor'. Dazu halte man, daß die geistliche Literatur im Derhältnis des Menschen zu Gott oft unterscheidet zwischen dem höheren 'amor filialis’ und dem geringeren ’timor servilis’, was wiederum auf den ersten Iohannesbrief (4, 18) zurückgeht: 'Timor non est in

22,3

67

charitate, sed perfecta charitas foras mittit timorem . . . qui autem timet, non est perfectus in charitate' (vgl. zu Denfm. XXXIV 18,3 ff.). Walthers äne vorhte meint also ohne den 'timor’, seine rehtiu minne ist die 'perfecta charitas’, und die Verse besagen: 'wenn einer den willen hat^, Deine zehn Ge­ bote ohne (sklavische) Furcht (also: in Liebe) herzusagen, und über­ tritt sie, so ist das nicht die wahre Liebe.’ Nun ergibt sich auch ein ungezwungener Übergang zum Folgenden: der 'amor filialis’ leitet zu dem Gedanken dich heizet vater maneger vil über, womit natürlich der Eingang des von so vielen Menschen gesprochenen 'Pater noster’ gemeint ist*2). Aus dieser gemeinsamen Vaterschaft folgt dann die Forderung, daß wir uns alle ohne Ausnahme als Brüder betrachten sollen: wieder mit Bezug auf den ersten Brief Sohannis (4,21):

'Et hoc mandatum habemus a Deo, ut, qui diligit Deum, diligat et fratrem suum’: anschließen kann man noch Matth. 22, 40 3)4 'In his duobus mandatis universa lex pendet, et prophetae’, weil damit erklärt ist, warum der Dichter gerade das Gebot der Nächstenliebe zum Mittelpunkt gemacht hat. Der Abgesang begründet sodann die Gleichheit aller Rinder Gottes*): aus gleichem Stoff gebildet (wahsen = ' hervorwachsen’) nährt sie die gleiche, rasch abscheulich werdende Nahrung, gleich sind sie im Tode 5), in gleicher weise dienen Christen, Süden und Heiden Gott, der alles, was es an lebenden Wundern gibt, in gleicher weise erhält: Geburt, Leben, Tod und Verehrung einen alle Söhne des himmlischen Vaters. Lachmanns Text bedarf keiner Änderung 6). D erweist sich hier, wie sonst vielfach, als minderwertig, so daß ich sie auch in den *) in diesem Sinne versteht man auch das wil. 2) ’periculosa est ei oratio Dominica, qui peccata proximo non dimittit’ Schönbach 344. 3) deutsch bei Schönbach, predigten III 158, 10 ff. 4) wie ähnlich schon ein lateinisches Gedicht an Heinrich V. bei Burdach I 297; vgl. auch die Zitate bei Schönbach II 21. 6) eine parallele bei Scherer, Anz. 10, 309. 6) höchstens könnte man vermuten, daß v. 5 nicht ganz in Ordnung ist: der Gedanke: 'wer Deine 10 Gebote ohne Furcht sprechen will und sie Übertritt, das heißt nicht die richtige Liebe' wirkt einigermaßen selbstver­ ständlich; dazu kommt, daß es befremdlich ist (trotz wilmanns' Anmerkung), wenn nun etwas folgt, was auf das Paternoster Bezug nimmt statt auf eines der zehn Gebote. Darf man lesen: und brühet diz (st. diu CD) und dieses diz (gebot) auf das Folgende beziehen siver min ze bruoder niht enwil?

5*

Versen 5 (wäriu), 14 (und) sowie 15 (daz) nicht mit einigen heraus gebern bevorzugen möchte. 3n v. 6 hat Lachmann (in öcr An­ merkung) auch menigi (D) als gut bezeichnet,- aber maneger (C) leitet ungezwungener zum folgenbett Swer über *). v. 12 hat ge­ scheuten (C) in Bartsch Germ. 6,147 einen Anwalt gefunden, doch wird der Gang des Versschlusses dadurch unruhig, auch ersehen die Handschriften öfter scheiden durch das Kompositum, s. z. B. 15, 31; 16,31. Die bestechende Vermutung Roethes, im vorletzten verr dir st. im zu lesen und den letzten zu ändern in: elliu leben din wunder nert scheint mir nicht ganz in den Zusammenhang zu passen: nach all den objektiv vorgeführten Gründen für die Gleichheit der Men­ schen fällt die subjektive direkte Anrede an Gott aus dem Rahmen; auch hat das im . . . der etwas so schön Feierliches, daß man es nicht gerne dahingeben möchte. 22,18-32. 20. mit D als Grundlage eine Mischung von D und C vorzu nehmen (Michels) empfiehlt sich nicht: statt der hübschen rhetorischen $Tage entsteht eine syntaktische Fügung, die in v. 23 eine ermüdende Wiederholung erführe, für den gewonnenen Auftakt ein zu hoher Preis. Auch in v. 25 ist der Anschluß an D (Pfeiffer) nicht befriedi­ gend: der Vers bekommt einen steifen Gang, wie auch v. 26 durch das von Pfeiffer gegen beide Handschriften eingesetzte sinen st. sin selbes. Und so muß man wohl auch v. 30 und 32 wie an verschie­ denen Stellen anderer Sprüche dieses Tons auf die von Roethe empfohlene Regelung des Auftakts verzichten. 29. Den Konjunktiv prise erklärt Behaghel, D. Sgntax III § 12682 als Beeinflussung eines sre^-Satzes; man kann ihn aber auch als abhängig von dem vorausgehenden er töre fassen wie 28, 21 er schale . . . der dankes triege und sinen herren lere. 22, 33—23,10. 3. Das und (BD) verdunkelt etwas den Sinn, so daß es viel­ leicht wie in C (der wackernagel folgt) besser fehlt, zumal es leicht nach 22, 37 eingeschwärzt sein kann. 9. ouch (CD) gibt einen ganz guten Sinn: so wie das Gewicht ein rehtez sein soll, so soll man *) nachgesetztes vil auch 72, 14.

auch das Gut in die andere Schale mit allen sinnen legenA). Man kann ouch also mit wackernagel beibehalten. Das es in B dürste eher auf guot (v. 5) zurückweisen als aus et entstanden sein, wie Lachmann meinte. Zum Inhalt des Spruches weist Schönbach 344 auf eine latei nische parallele hin,- zu 23, 2 ff. vgl. Kotcn 89.

23,11—25. 17 ff. Der tievel weer mir niht so smcehe . . . Sam des bcesen bceser barn: weil nämlich die bcesenV'ätex ja schon ze vollen boese sin/ (14) wie der Teufel, sind ihre Kinder noch ärger als der Teufel.

23,26—24,2. 31. Lachmanns Vorschlag ungeberten gehört in den Text, j. die vortrefflichen Begründungen und parallelen wallners an den bei Wichels angeführten Stellen. Der Sinn erfordert, daß den Iungen die ere abgesprochen wird, weil sie nicht gezüchtigt wurden (nicht: weil sie versümet sind), daher sind die Vermutungen unge­ halten (gleichviel ob von baten oder baden abgeleitet * 2)), ungebachen und ungebarten gleichmäßig abzulehnen. Zu der altmodischen Lehre, der gegenüber Walther selbst 87,1 die modernere Anschauung vertritt, s. wilmanns 1, IV 233 und Ehrismann, Literaturblatt 1931, 254. 23, 36. (nu spottent) also dar heißt nicht 'immerhin' (wilmanns), sondern 'drauf los',- ebenso 59, 16, worauf wilmanns verweist, oder 42,1. 23, 38. Lachmanns beit ist noch immer er träglicher als beite(n)t oder beitet unz oder gar beitet unze iur, wo bei das stärkstbetonte Wort des ganzen Verses nicht nur verkürzt, sondern auch noch in die Senkung gedrückt wird. 24,1. Das aus­ gezeichnet antithetische in (D) hätte wackernagel nicht durch das farblose, schon vorher zweimal gebrauchte nu (C) ersehen sollen. 24, 2. Daz weiz ich wol, und weiz noch me heißt: 'ich weiß, daß die Jungen das und noch mehr bestrafen werden'. Ebenso unbestimmt schließt Reinmar sein Lied Nr. 32: dest der schade, noch weiz i’s mc (195, 36). A) wie es das maßhalten (also das Gleichgewicht der Schalen) von uns immer verlangt hat. 2) während Herleitung von batt(u)ere Verberare’ (E. Schröder) dein Schreiber D vorgeschwebt haben mag.

70

24,3. 18

Biegetx) betrachtet unsere Strophe mit Recht als einen Beweis, daß Walther zu sehr verschiedenen Zeiten den gleichen Ton ver­ wendet hat. 24, 3—17. 3. Der eren sal kann keineswegs 'ein Saal, in dem Auszeich­ nungen verliehen werden oder sich befinden' sein (Schönbach), vielmehr zeigt der Spruch, wenn man ihn als sinnvolles Ganze faßt, deutlich, wie das Wort eren in seinem gewöhnlichen Sinne zu ver­ stehn ist. Statt den Saal der eren zu schmücken*2), drängt sich die unfuoge vor (8), die werdekeit besteht jetzt in frecher Rede (11), und sünde M der schände wird hier (da; im Saal) sichtbar (17). Die Schlußverse erhalten bessere Beleuchtung durch den Spruch 22,18. Ruch hier ist von (houbet)sünde und schände die Rede,- durch die eine verscherzt man gotes hulde, durch die andere die ere (22,25). 3m vorliegenden Spruch besteht die schände im schallen (also im rüemen, prahlen mit siebesetfolgen), die sünde im Schimpfen über reine Frauen (doch wohl, weil man dadurch gegen das göttliche Gebot: 'Ehre Vater und Mutter' verstößt). Statt beides, sünde und schände, auf die unschuldigen Krauen abzuladen lädt die männ­ liche Jugend es auf sich selbst. So sollten sie gestäupt und geschoren werden (statt im Saal der Ehren zu sitzen und hier auf harmlose weise fro zu sein). Walther bleibt also in diesem vortrefflichen Spruch von Anfang bis zum Schluß im Bilde von dem sal. Bieget3) setzt unseren Spruch wie den vorhergehenden in Walthers fünfziger Jahre. Zu 14 ff. vgl. Kotn 89.

24,18-32. 21. Lachmanns Tilgung des an, das keineswegs notwendig ist (s. Mhd. Wb. 2, 2, 144), bleibt noch immer das einfachste Mittel, dem Vers aufzuhelfen: die Streichung des herre ist hier eine Eisen­ bartkur, die Ersetzung von Krist herre durch vrön Krist noch mehr, die Schreibungen herre oder an nehmen und geben mit tinet Hand und für lä an wird man vergeblich parallelen bei Walther suchen, will man das an retten, so wäre umzustellen: Krist herre, an mir

x) Zs-

47, 231. 2) zu solcher Allegorie vgl. heinzel, KI. Schriften S. 207 über das Schloß der Tugend und verwandte Vorstellungen. :’) Zs- 47, 231.

24,18

71

Id werden schin; aber dadurch wird das mir wohl zu stark hervorge­ hoben. Nach v. 23 ist Lachmanns Punkt nicht durch ein Komma (Pfeiffer) zu ersetzen, da der Schluß des Äufgesanges in diesem Ton überall stärkste Interpunktion hat. 24. 25. Als ir der heilig engel pflaege, Unt din do du in der krippen laege; weder das ir noch das din können entbehrt werden, s. Narrationes de vita et con-

versione Beatae Mariae Virginis (Schade 12, 17) cap. XII: ‘Et Joseph, videns instare virginis partum, cucurrit ocius, nesciens forsan quomodo deberet parere, et vocavit obstetrices. Currente autem eo1) statim lux magna circa virginem resplenduit et multitudo angelorum celestium cum lumine de celo descendit, qui omnes cum cantu et laudibus circumsteterunt virginem parientem: et sic Jesus Christus filius Dei de virgine nascitur et angeli virgini parienti et nasccnti puero Jesu cum laudibus servierunt.'2) Oer versuch, dem Vers 25 da­ durch aufzuhelfen, daß unt gestrichen und din st. ir nach v. 24 ver­ schoben wird, ist also abzulehnen,- aber auch der einsilbige Ge­ brauch von du in (als Präposition), noch dazu in der Hebung, wirkt ungemein hart. So möchte ich vorschlagen, st. dö du einfach der zu lesen: Als ir der heilig engel pfieege Und din, der in der krippen leege ‘und deiner, der du in der Krippe lagst'. Diese ältere Form der relativen Verknüpfung^) konnte in *CD leicht einer planeren Zügung zum Gpfer fallen. Durch die vorgeschlagene Änderung wird zugleich die Schwierigkeit erleichtert, die den Herausgebern der Sahbau in den Versen 28—30 bereitet hat und die sich in abweichenden Interpunktionen widerspiegelt, wenn man obige Zassung annimmt, dann schließt sich das Folgende gut an: ‘der Du, ein junger Mensch und alter Gott, in Demut vor Esel und Rind in der Krippe lagst, und dessen sich doch Gabriel in treuer Hingabe ohne hohn (über Deine ärmliche Lage) annahm'. Die freiere Fortführung des zweiten Relativsatzes durch din, wo wir heute ‘dessen' sagen, ist bekanntlich in der älteren Sprache etwas *) Man sieht daraus, wie sehr die Änderung Pfeiffers in 0. 29 pflac ir und din Josiph der guote fehlgreift.

2) aus der Schar der Engel hat Walther den einen Gabriel wohl als den Boten des Englischen Grußes herausgegriffen. Mich war Gabriel -er Überbringer des Himmelbrotes, wernhers Maria (wesle) A 1207. Zm Tobiassegen (M5V. XLVII, 4, 123 f.) wird er gleichfalls genannt. 8) f. Behaghel, D. Sgntax III § 832. 1393.

72

24,18

ganz gewöhnliches *). Aus der 2. Person in die 3. übertragen würde sich also die Verbindung ergeben: (er,) der in der krippen lac und doch sin Gabriel pflac* 2).3 Bei Walther ist nur die Wort­ stellung poetisch freier. Ich würde also hinter rinde ein Kommet setzen, Lachmanns Klammern fortlassen und nach spot sein Kommet beibehalten. Die Hinzufügung des riten (v. 20) ist kaum etwas für den ritterlichen Sänger Charakteristisches, wie Wilmanns meinte, s. den Znaimer Tobiassegen (ITT5D. II 289) ich will heut ausgehen in gottes friede, ich gehe, reite oder fahre ausf daß meine worte und' werke in gottes narrten werden fortgehen. Auch die Meinung Wil­

manns', daß Walther beim Schlüsse der Strophe vielleicht an die Verheißung: 'Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende' gedacht habe, ist sicherlich irrig: wer unter seinen Zuhörern hätte solche Andeutung wohl verstanden? und wie konnte Walther diese Verheißung als ein gebot bezeichnen? Vas Verständnis muß doch aus dem Spruche selbst zu gewinnen sein2) und ist es auch, wenn man die äugen- und ohrenfällige Wiederholung des Wortes pflegen beachtet: pflic min wol durch diner muoter erc. Als ir der heilig engel pflcege Unt din . . . Und doch mit . . . huote Pflac din Gabriel. . ., Als pflic mich min, daz an mir iht erwinde Daz din vil götelich gebot. Die Axe des Ganzen ist also das pflegen und die huote (um die der Dichter ja auch gleich im Eingang für sich bittet). Beides ist der Mutter in ihren Nöten wie auch dem jungen menschen in seiner Armut und Niedrigkeit zu teil geworden durch gotes gebot, der seinen Engel zur pflege und huote sandte. Dieses gebot, in dem sich die gröze kraft der gücte Gottes offenbart hat, soll

also bei dem Dichter selbst nicht halt machen, er betet darum, daß die güete auch ihm schin werde, er erbittet einen Engel, der auch seiner

pflegt und hütet4). So klingt der Schluß mit dem Hauptthema aus, das der Anfang angestimmt hat. *) zahlreiche Beispiele für Pronomen personale st. des Nelativuins im zweiten Satz bei mir zu D. Gedichte II 39 f. 2) vgl. Himmelfahrt (Zs. 8) v. 1115 die der heiliggcisi begoz Und doch tr insigel nie entshz.

3) all diese Einwände gegen wilmanns' Auffassung hat bereits Schön­ bach, 345 f. vorgebracht,- in seiner Deutung des Wortes gebot- weiche ich allerdings ab. 1) vgl. mit Kasching. Germ. 22, 455, und Stosch, Zs. 55, 126, auch

24, 33

73

Singer, Die religiöse Cyrit, S. 85 f. stellt ein Morgengebet Falquets de Romans unserem einfach-innigen Spruch gegenüber, der wie Bechstein, Germ. 36, 261, mit Recht gegen Schönbach be­ merkt, sich jeder festen Datierung entzieht. — Die weite Derbreitung der dem Ders 27 zugrundeliegenden Stelle aus Iesaias belegt aus Hymnen Mettin, Beitr. 18, 536.

24, 33—25,10. 8. wenn man gab ouch (D) gegenüber hat ouch (C) bevorzugt, wird der Gegensatz von 'geben' und 'haben', auf den es schon in diesem Derse ankommt, beseitigt: die materiellen Güter hat der hos einst (an die Fahrenden) hingegeben und hatte anderseits mehr: die (durch die Fahrenden geweckte) Freude am Tanz der Mädchen und Frauen. Deshalb leidet der Hof jetzt dem Dichter (weil die sröude dahin ist), und deshalb minnet ihn niemand x) (weil er der minne, den rittern und frouwen, dem tanze keine Stätte mehr bietet). Mit dem Geben hat auch das haben aufgehört (nicht umgekehrt). Der Gegensatz ist ähnlich wie in den Sprüchen 16, 36 und 19, 17: das guot bringt in dem einen Spruch ere, in dem andern pris und ere, in unserem wirde, liebe, minne und die sröude der Gesellschaft. So bringt das Geben (an sich ein schade 19, 28) ver­ mehrtes haben (zwene frumen das.) mit sich. Die Dermutungen Pauls (Beitr. 8, 168 f.) und Riegers (Zs. 47, 229), daß der Spruch beträchtlich später als 1198 falle*2), sind durchaus wahrscheinlich, ebenso des letzteren Annahme, der Dichter habe diesen alten, vielleicht lange nicht mehr gebrauchten Ton ge­ wählt, weil er darin einst von der Herrlichkeit des wiener Hofes gesungen hatte (20, 31; 25, 26). Dagegen scheint mir Riegers Auffassung des Spruches als eines harmlosen, den die wiener Gesellschaft mit Humor aufgenommen hätte, wunderlich. Man müßte dann auch die Schilderung, die Heinrich von Langenstein von den Zuständen der Kirche vor dem Basler Konzil unter dem gleichen Bilde eines verfallenen Hauses gibt (s. Schönbach II 21), für humoristisch halten und annehmen, daß wernher in seiner Psalm 90, 11: 'quoniam angclis suis mandavit de te, ut Custodiant te in omnibus tuis viis' *) für guotes ist in diesem Zusammenhang kein Raum! 2) m welch frühe Zeit ihn wilmanns sehen wollte.

Nachahmung (MSH. II 228 b, s. wallner 8) unsern Dichter voll­ kommen mißverstanden hätte, indem er sagt: ich wcene ich ir einez

(nämlxd}: hüs) wtlent ze Wiene sach, Daznam dävonvil läster­ lich ein ende.

25, 11—25. 12 f. Die von Michels gewählte Interpunktion zerreißt was zusammengehört. Durch Burdachs Erklärung der Eingangs (vom Mittelalter zur Reformation II 1, 226*2), die vollständig in Über­ einstimmung mit dem Sinn aller anderen Zeugnisse über den Ruf des Engels steht, ist die gesuchte Deutung IDilmamts’ (I 107 f.) hinfällig geworden. 17. nü vor ein (Lachmann) heilt am einfachsten den Vers. Pfeiffers vergift zerstört den vom Dichter beabsichtigten Doppelsinn: was Gonftantmgfl^ (v. 11), das i\i ein gift: ein'donum', aber auch ein 'vcnenum’, s. die parallelen zum Engelsruf bei Michels z. St. *). 21. Der hiat bei Lachmann ist doch wohl erträg­ licher als die Form hceheste bei Bartsch oder Pfeiffers derst. Man hat den Spruch bald auf die Wahl Philipps, bald auf die Ottos und Zriedrichs bezogen, s. die früheren Ansichten bei Paul (Beitr. 8, 166 ff.) und bei Bieget (Zs. 47, 230), die sich beide für die Wahl des letzteren (Dezember 1212) entscheiden. Seither hat Singer 454 f. sich für Philipp ausgesprochen, während Bur­ dach, Berliner Sitzungsberichte 1920, 3163 die Beziehung auf die Wahl Ottos IV. (Sept. 1201)2) für 'unzweifelhaft völlig evident' erklärt. Sonstige Stimmen gegen die Ausübung weltlicher Gewalt durch die Kurie im Anschluß an die Konstantinische Schenkung sammelt voltelini, wiener Sitzungsberichte 201, Nr. 4, S. 29. Er läßt es dahingestellt, ob die Legende vom Engelschrei auf Walther zurückgehe oder schon vor ihm bestand. Letzteres ist doch wohl viel wahrscheinlicher.

25, 26—26, 2 und 148, 1—15. 28. Das als nach dem vorhergehenden Komparativ steht natürlich, äußerlich betrachtet, für normales danne. Aber eigent-

1) f. auch Maßmann, Kaiserchronik III 866 f. 2

) die er schon I 48. 54. 231 vertreten hatte.

lich liegt eine Konstruktionsmischung vor, denn die rhetorische Frage Walthers hat verneinenden Sinn, es schiebt sich also der Gedanke unter: 'Keiner hat so reiche Gaben gesehen wie wir sie empfangen Habens. 25, 36. Lachmanns Vermutung scheint mir noch immer die beste, denn das auch v. 35 zeigt an, daß nun eine letzte Gabe angeführt sein mutz, die von Silber und Kleidern unterschieden ist, also zur folgenden Pserdeschenkung gehört; dieser Forderung genügt keiner der zahlreichen Vorschläge, die Michels z. St. anführt*3).2 Will man malhen durchaus retten, so müßte man schreiben: die stelle sam die malhen leeren. Dann verwiesen die malhen zurück auf das gespendete Silber (und der vergleich v. 30 wäre damit begründet) und die stelle leiteten zum folgenden über. (Es ist unmöglich, die Gunst, für die Walther hier dankt, mit der Bitte, die er 20, 31 ausgesprochen hatte, in Verbindung zu bringen (Milmanns), s. u. zu 35, 17. Die alte schulde war sicherlich keine politische, das hebt Burdach I 54. 125 f. mit Recht hervor, wenn man sie blos auf Pfänderauslösung bezieht (Bieget, Zs. 47, 236), oder auf die Zusicherung, daß kein gerichtlicher Anspruch wegen alter Schulden erhoben wurde (Bechstein, Germ. 36, 261), dann fehlt dem Ganzen doch die persönliche Rote. Ich glaube also, daß wallner (10) mit Recht neben der Anspielung auf Schulden der Fahrenden (wenn auch nicht gerade 'herbergsschulden') eine solche aus ein persönliches Zerwürfnis mit dem Herzog annimmt: war es durch den Spruch 35, 17 hervorgerufen? Zum Einzelnen: das Formelhafte des Eingangsverses hebt wallner a. a. G. richtig hervor; ebenso ist seine mit sehr zahlreichen Beispielen gestützte Deutung der drizec (32) als Ausdruck für eine große Zahl gegenüber Schönbachs Auffassung3), die bei wilmanns Anklang gefunden hat, sicherlich vorzuziehen. Dagegen scheitert seine Meinung, dur ere (28) bedeute das spielmännische guot durch ere nehmen, an dem dur. wenn der Austausch zweier Dinge oder Abstrakta ausgedrückt werden soll, wird in der älteren Sprache nur umbe gebraucht: durch dagegen bedeutet 'um. - willen', s. Mhd. Wb. I 443 a (wo u. a. Walther 12, 35 tuonz dur *) s. Behaghel D. Sgntax III § 992, der nur umgekehrt die negierten positiven Sätze zum Ausgangspunkt macht. 2) zu denen man noch Bech, Anz. 22,128 fügen kann. 3) der auch zu 33 f. und 36 schiefe Parallelen bringt.

76

25, 26

got und dur ir selber ere angeführt ist, was zu dem Zitat aus Suchen­ wirt bei wilmanns genau patzt), wilmanns' Übersetzung 'um der Ehre (des wiener Hofes) willen' bleibt also aufrecht. Den Spruch gleichen Tons 148, 1 haben seit Lachmann alle Herausgeber unter die echten ausgenommen» nur Paul mit der Anmerkung, datz die Echtheit nicht zweifellos sei. Ich glaube, datz von den acht Strophen, die r überliefert, diese letzte ebensowenig von Walther ist wie die Strophen 1 und 2 von einem der beiden Reinmare herrühren (s. Roethe, Hemm., S. 146 f.). Die Aus­ drucksweise ist sehr ungeschickt, man sehe, wie Daz v. 7 in der Lust hängt, wie v. 8 sich zwischen 7 und 9 ff. unpassend eindrängt, wie plump v. 13 an den vorhergehenden Ders angeleimt ist. Auch die Konstruktion von künden mit dem von ze abhängigen Gerundium ist, wie wilmanns es höflich ausdrückt, ungewöhnlich1). Dazu kommt der magere Inhalt2) und die Abwesenheit jeder Besonder­ heit in den Gedanken und ihrer Prägung. Der Derfasser hat mit fremden pegasusen gepflügt: Ich hcere des die wisen jehen er­ innert an Wendungen wie hcere ich jehen die wisen Walther 29, 28; Ich horte wise Hute jehen Ps.-Heinmar 110, 34; Ich hcere . . . jehen Walther 71, 9 3); gilt äne borg und äne pfant ist nach w. 16, 21 da er pfant noch bürgen hat gebildet (was schon Pfeiffer verglichen hat)4); der heilige engel ist bei w. 24, 24 zu finden (so schon Lach­ mann); ze ören brähte stammt wohl aus %U0’. 36, 36 dur ir öre enpfienc si denvil süezen;x>on ebendaher kommt der Ders da von sich din fröudc erzundet s. 36,34 da von himel und erde mit grözen fröiden wart enzündet. Schlietzlich steht allerlei da was bei Walther nie vorkommt: sä zehant, strenge (starc wäre waltherisch!), der kurze und enge (!) rät (Walther kennt kurz nur in materiellem oder temporalem Sinne, zusammen 13 mal). Als Gesamteindruck er­ gibt sich: da ist des lützelcn ze vil! Die Austaktregulierungen, die Pfeiffer v. 11. 12 vorgenommen hat, sind unter diesen Umständen Willkür. *) Lachmanns gunde st. kuntc (so r!) ist schwerlich richtig: der Engel hat die frohe Botschaft nur 'verkündet', nicht aber 'vergönnt'; letzteres hat Gott selbst getan, wie auch unser stnonymus in v. 14 ausdrücklich sagt. 2) d. 8 ~ v. 5. 3) daz hceret man die wisen jehen Zakob VON warte STTIS. XXI1 1, 26. — Die Wendung patzt obendrein besser für ein Sprichwort als für einen Zundamentalsatz der christlichen Lehre. 4) Sprenger, Zs. f. d. Phil. 26, 282 erklärt borg als 'Bürgschaft'.

26,3

77

26, A-12. Der Eingang bereitet Schwierigkeiten, die sich in den Ände­ rungen der Handschriften B, t, n wie in der verschiedenen Inter­ punktion der Herausgeber verraten, während Lachmann den zweiten Ders mit dem dritten verbindet, ziehen Paul und Michels ihn zum ersten. Letzteres scheint sich auf den ersten Blick zu emp­ fehlen, da nun priscn und wort unde wise zusammentreten. Aber statt sit würde man dann wohl swie (oder ein älteres konjunktionslos doch) erwarten, wie ja die oben genannten Handschriften auch tatsächlich die Partikel doch eingeschwärzt haben, während das sit als Einleitung der Dordersahes ausgezeichnet patzt, wenn der folgende Ders den Nachsatz bildet. Dor allem aber stehn die ersten beiden Dorfe autzer innerem Zusammenhang mit allem was folgt, wenn man sie verbindet, während bei Lachmanns Auffassung sich alles fest geschlossen erweist. Allerdings darf man in dem ganzen Spruch nicht ein allgemeines Bekenntnis, eine Art 'offener Schuld' erblicken *), denn dann steht der erste Stollen ohne rechte Derbin­ dung mit allem übrigen da. Dielmehr mutz doch ein besonderer Grund gesucht werden, warum der Dichter sagt, datz er Gott selten preise und datz er unter Gottes Szepter so gewalttätig handle, da er doch von ihm wort unde wise erhalten habe. Und damit ist eigentlich der Grund schon gefunden: Walthers Spruch ist auf seine Scheltstrophen zu beziehen, und so ist er eine passende Einleitung (als ersten Spruch des neuen Tons hat ihn auch Hieger, Zs. 47, 226 betrachtet) zu den Sprüchen dieses Tons, in denen dem König ©tto und so manchen ungenannten ebenkristen keinerlei Nächsten­ liebe gezeigt wird. Im Eingang ruft der Dichter also aus: 'wie selten preise ich Dich! Da ich doch von Dir die Gabe des Sanges habe, wieso wage ich es, unter Deinem Szepter so gewalttätig zu sein? Ich tue nicht was recht ist, ich habe weder zu meinen Mitmenschen (denen ich Lieder des Hasses singe) noch zu Dir (den *) wie das Pfeiffer und auch wilmanns I 252 tun; richtig Burdach I 77: 'in einem Gebet an Gott (26, 3) begründet er seinen Abfall offen und ehrlich mit einer Art demütigen Trotzes gegen die christlichen Gebote unbe­ dingter Nächstenliebe'. 8) 'Szepter', nicht 'Zuchtrute'; die Belege auch für erstere Bedeutung bei Michels z. St. Die 'virga' Gottes wird von ihm im Sange zu wenig gepriesen. Für die Wahl gerade dieses Wortes war wohl schon der Gedanke an die 'virga' des Königs, den er zu viel tadelt, mitbestimmend.

78

26,3

ich selten in Liedern preise) die wahre Liebe. Ich liebe mich selbst immer am meisten, und so vermag ich den, der mir übles tut (be­ sonders also wohl Gtto), nicht zu lieben und mutz immer dem geneigter sein, der gut zu mir ist (also wohl besonders griedrich, s. namentlich 28, 31). gür meine sonstigen Sünden bitte ich um Vergebung, aber bei diesem Sinn will ich bleiben'. Damit wahrt Walther sich die greiheit, auch weiterhin Scheltlieder zu fingen1). Der bisher übergangene Vers 9 macht im Eingang in AC metrische Schwierigkeiten, denn der dreisilbige Takt vater und patzt nicht zu der feierlichen Stimmung dieses Anrufes, und so hat Pfeiffer zu B gegriffen, während andere wieder andere Auskunftsmittel suchten, die man in Michels' Lesarten findet. Ich meine, datz Simrock das richtige gefunden hat, indem er das Wort frön vor Krist streicht,- nach ihm ist Komma zu setzen: Kr ist, vater unde sun, ‘o Christus, der du Vater und Sohn biss2).3 Krist darf auf keinen gall fehlen, denn er ist es ja, der im Leben wie im Tod als Mensch die Nächstenliebe am strahlendsten betätigt hat,- als Gott vater hat er seinen sun aus wärer minne zur Erlösung hergesandt ^). Auch hier bewährt also die Gruppe AC ihre Güte gegenüber B und den übrigen Handschriften 4). (Es ist daher kein Grund vorhanden, bei neutralen Lesarten willkürlich zu letzteren zu greifen, wie das allerlei Heraus­ geber abweichend von Lachmann getan haben, dessen Text bis auf den Eingang von 9 am besten aufrecht bleibt. Über den Bau der Strophe s. Michels in der Vorbemerkung. 1) es wird kein Zufall sein, daß in A auf unsere Strophe unmittelbar die eine Scheltstrophe gegen Gtto folgt (26, 23), und in C auf letztere un­ mittelbar die andere (26, 33). — Lateinische geistliche parallelen zu der Be­ vorzugung der Menschen, die einem Gutes tun (von Singer, Die religiöse Lgrik, 5. 86 übersehen), bei Schönbach 347. Daß Reinmar (169, 3) dieselbe Entschiedenheit in Liebe und Hatz zeige, wie Paul (Beth. 8, 181) meint, ist ein Zrrtum: die Stelle entstammt einem Pseudo-Neinmar. 2) datz vater unde sun nur Apposition zu dem Vokativ Krist ist, beweist der folgende Singular din: sonst mützte iuwer stehn. 3) 1 Zoh. 4, 7 'Charissimi, diligamus nos inviccm, quia charitas a

Deo est ... In hoc apparuit charitas Dei in nobis, quoniam Filium suum unigenitum' (f. o. vater, sunt geist) ‘misit Deus in mundum, ut vivamus per eum ... In hoc cognoscimus, quoniam in eo manemus, et ipse in nobis manet, quoniam de Spiritu suo dedit nobis’ (din geist berihte mine sinne). *) anders Paul, Beth. 8, 202, der gegen AC ist. Singer 459 will in erster Linie w berücksichtigt wissen, ohne dies für die einzelnen Stellen aus­ zuführen.

Die von ihm im Anschluß an andere angenommene Umordnung der Stollen (v. 3—5 — 10—12) wird von heusler § 798. 8261 be­ zweifelt, höchstwahrscheinlich mit Unrecht, s. Gennrich 216. Da­ gegen ist heusler sicherlich im Recht, wenn er, Beding folgend, die Annahme Mosers, daß in v. 11 die Eingangssenkung pausiert sei, ablehnt.

26, 13—22. wilmanns I 309 f. hat diesen Spruch Walther aberkannt mit guten, wenn auch nicht zwingenden Gründen. Zwingend dagegen scheint mir die kümmerliche Art, wie Walthers Personi­ fikationen der Wegelagerer und Straßenränder im Spruch 8, 23 ff. hier ausgewalzt und breitgetreten werden, hier ist keine Bild­ haftigkeit, die aus Anschauung und Phantasie kommt, sondern eine trockene, durch keinerlei stilistische Anmut verzierte Aufzählung, die ein nüchterner verstand schleppend zu Wege bringt, der, wie der Schluß zeigt, gerne bereit wäre, das Sündenregister noch weiter zu verlängern, — wenn nicht die Strophenform ein 'halt' geböte. Diese Sucht nach Häufung ist ein Kennzeichen späterer Zeit. Immerhin: daß er dem zweiten Vers das richtige Maß gegeben habe, wollen wir auch diesem Unbekannten zutrauen, und Lachmanns e ist von allen Vorschlägen der einfachste, es ihm zurück­ zugeben. Das Zitat aus Schönbach bei Michels zu v. 18 bezieht sich auf Zs. 39, 347 (nicht WSB. 145, IX).

26, 23-32. Durch das hinzutreten von w ist die Erörterung über die Gestalt, die man dem Text geben soll, in neuen §luß gekommen. Michels hat (II 476 f.) A und w auf eine (Quelle zurückgeführt, C dagegen aus anderer Überlieferung hergeleitet. Demgegenüber wollte Singer 459 w (wie auch im Spruche 26, 3, s. o.) bei der Textherstellung in erster Linie berücksichtigt wissen und Iellinek (Beitr. 49, 101 ff.) ist bei aller vorsichtigen Zurückhaltung doch mehrfach ge­ neigt, w gleichfalls den Vorrang zu geben. Ich bin mit Michels der Meinung, daß Aw zusammengehören, ich halte ferner w für die schlechtere dieser beiden Handschriften und gebe, wie Lachmann, der Handschrift C ihnen gegenüber weitaus die erste Stelle.

80

26, 23

Die Minderwertigkeit von w zeigt sich an allen Stellen, wo sie gegen AC steht. Das ist in 26 der Fall: min vorderunge ist üf in kleiner (noch minner w) danne ein böne. Sellinek zweifelt an der Sicherheit oder auch Richtigkeit des kleiner und fügt hinzu, daß mime dem Sprachgebrauch Walthers gemäßer scheine, da kleiner nur an unserer Stelle belegt sei. Sch glaube, daß kleiner dem all­ gemeinen mittelhochdeutschen Sprachgebrauch hier besser gerecht wird als mime. Man nehme nur das Gegenpaar grcezer und me in einem Satze wie: min vorderunge ist grcezer danne ein hüs; könnte man hier me sagen? ©bet man nehme den Positiv: m. v. ist kleine sam ein bane *): auch hier ließe sich kleine nicht durch lützel ersehen. Anders steht die Sache, wenn der fragliche Begriff zu einem Derbum tritt: man sagt im Neuhochdeutschen: 'ich fordere weniger (= mime) als eine Bofyne'2), aber anderseits:'mein Anspruch ist kleiner (= klei­ ner) als eine Bohne'3). Sn letzterem Fall ist eben 'klein' sprachgemäß, sowohl für 'Anspruch' als auch für 'Bohne' passend; in erste­ rem dagegen taugt es nur für 'Bohne', nicht aber für 'fordern'. — Sn v. 27 ist zunächst der Singular des altes Spruches (w) gegenüber der alten spriichc (AC) planer und daher vulgärer. Sicherlich hat Bieget (Zs. 47, 2321) recht, wenn er diese Worte auf den unmittelbar folgenden Spruch bezieht, wie schon Sellinek bemerkt, der zwar Singular und Plural für möglich hält, aber den Singular in w bevor­ zugen möchte. Der Plural wird aber ebenso gebraucht beim Tugend­ haften Schreiber (HMS II) 153a: Die alten Sprüche sagent uns daz: swes bröt man ezzrn wil, Des liet sol man ouch singen gerne, und spiln mit vlize swes er wil. Man wird ihn also auch für die waltherstelle bevorzugen, zumal er hier einen tieferen Sinn hat: neue Sprüche (d. h. solche, mit denen Walther selbst den Friedrich fro gemacht hätte, wie zuvor den ©tto) geben dem Dichter keinen Anspruch aus Lohn, höchstens falls er an den alten seine Freude hätte, nach denen der Beste dem lohnt, der dem Schlechtesten gedient hat. Auch das so vil (AC) in v. 27 möchte ich nicht entbehren: es gibt dem Gedanken wie das obe (AC) gegenüber daz (w)4) und wie 2) s. kleine als ein hone wigal. 841 (Mhd. Wb. I 837 a). 2) s. daz er minner danne ein strö üf sinen lip do ahtc Pass. K. 260, 82 (Mhd. Wb. II 1, 176 a). 3) s. daher min sin ist kleiner dan der din pgram. 124; wan ir alter und ir jär wären kleiner dan ir sinne 4) vgl. das (BC) statt ob (AEO)

Flore 707. 60, 14.

der Konjunktiv woere die Karbe äußerster Unsicherheit, ähnlich wie das so kleine nach dem vil küme und dem Deminutiv in den Versen: ez ist vil küme ein kleinez trcestelin; so kleine, swenne ichz iu gesage, ir spottet min (66, 2 f.). Zudem ist der Weg von AC zu w viel gangbarer als der umgekehrte. Schließlich hat w die Auffüllung des um so vil verkürzten Verses durch welle wesen (st. woere) wohl nach dem Eingang des Spruches {pelle ... riehen) vorgenommen. — Ganz platt, gegen das Metrum und aus den vielen folgenden man geholt ist wiser man (28). — Ebenso hat w auch in v. 30 die planere Korm statt der so wirkungsvollen unmittelbaren Anrede hergestellt, wie ja auch das nu sit im letzten Vers bei den Kritikern keine Liebe gesunden hat. Nicht besser steht es mit dem, was w übereinstimmend mit A gegenüber C bietet. So gleich in der ersten (und damit auch im Heim der dritten) Zeile. Daß aus dem Satz: er welle mich noch riehen durch mißverständliche Deutung des Infinitivs als Adjektiv (erleichtert etwa durch einen nasallosen Infinitiv der Vorlage) ein Satz: er mache mich noch riche entsteht, ist leicht begreiflich, das Umgekehrte dagegen kaum1). Obendrein wird riehen von Walther auch sonst gebraucht, 34, 15 (neben ernten) und 113,4. — Auch 24 f. halte ich C für weit besser, vor allem erwartet man, daß der Gedanke: 'Otto hat meine Dienste trügerisch angenommen' nicht bloß in einem Nebensatz ausgesprochen wird, denn er bildet ja mit der Bitte an Zriedrich die Achse des ganzen Spruchs. Auch kommt das Pathos der Entrüstung in der mit Wie eingeleiteten Krage ganz anders zum Ausdruck als in einem lahmen Sit daz, und die Auftaktverhältnisse empfehlen gleichfalls in beiden Versen die Kassung C 2). Allerdings hält das 'oder' (ald C) der schärfsten Logik nicht stand: das hat Iellinek klar gemacht. Aber das ist bei der von ihm bevorzugten Kassung w auch nicht anders 3). Ulan muß eben x) auch zeugt das welle in w 27 wohl dafür, daß w auch in 23 noch welle las, s. 0. 2) in 24 könnte man den Auftakt in w reiten, wenn man mitten {dienst) st. min schriebe. Aber man wird sich nur schwer entschließen, das altertüm­ liche Neutrum, das für Walther 105, 29 gegen AC bezeugt ist, und dar in unserem Spruch C und w bieten, mit dem normalen Maskulinum zu ver­ tauschen. 3) der Gedanke 'wenn (Dtto mich, indem er meinen Dienst in Anspruch nahm, betrogen hat, was verpflichtet das den Friedrich, mich zu belohnen' ist insofern schief, als die Verpflichtung zum Lohn aus geleisteten Diensten Kraus, Walther von der Vogel weide.

6

82

26, ‘j;t

berücksichtigen, datz dem Dichter in seiner Aufregung das paar dienest—Ion vorschwebt und er daher ausruft: 'wie konnte (Dtto meine Dienste ^so betrügerisch 'ungelohnt') in Anspruch nehmen? Oder was hat Kriedrich für einen Grund, mich für die (dem Otto geleisteten) Dienste zu belohnen?' Wenn man also des nicht auf den ganzen Vers 24 bezieht, sondern nur aus die Worte wie nam ab er min dienest ie, dann fällt jeder Anstotz weg, und die Anknüpfung mit dem folgenden 'oder' ist ganz ungezwungen. Datz Walther das an sich mitzverständliche des in diesem eingeschränktem Sinne bezogen hat, beweist die Fortsetzung mit ihrem diene manne bcestem, daz dir manne beste tone. — Ganz entschieden ist auch lieben (Aw) gegenüber wilent (C) minderwertig: den Sohn einen lieben zu nennen, ist im ganzen Zusammenhang kein Grund vorhanden, auch wird im nächsten Vers das blotze sun allein wieder aufgenommen; da­ gegen hat wilcnl seine volle Bedeutung, denn dadurch wird dem Hörer der Bezug dieser Sehre auf die alten Sprüche erleichtert: wie notwendig das war, zeigt schon der Umstand, datz auch so erst Rieger ihn im Jahre 1903 richtig verstanden hat! — Nunmehr darf man auch bosie w, beste A st. bcestem (C)l) getrost als Kehler der ge­ meinsamen Vorlage betrachten, die das Wort wohl als Adverb gefaßt hat wie das folgende beste (weshalb w einen weiteren Kehler machte: man st. manne!). Ich glaube, gezeigt zu haben, datz Aw schlechter ist als C, und vv allein noch mehr; man darf daher weder zwischen w und AC eine Mischlesung Herstellen ^), noch w gar gegen das Zeugnis von AC Gewicht beilegen. Lachmanns Text behauptet sich vielmehr in allen Einzelheiten gegenüber w und einigen Kritikern. Datz Walther diesen Spruch nach der Bitte an Kriedrich 28, 1 verfaßt habe (Rieger a. a. (D. S. 232), ist mir kaum glaublich: die Absage an Otto mutzte doch wohl der Bitte an dessen Gegner voran­ gehn. Auch die Annahme, datz die Anregung zum parteiwechsel von Kriedrich ausgegangen sei (Burdach I 77. 78. 82), scheint mir mit dem bittenden Inhalt der ganzen Strophe nicht vereinbar. fließt (daher auch min i’orderungel), nicht daraus, datz ein anderer den Dichter betrogen hat. Das so trügmliche patzt also nicht recht. x) so hat C; somit war die Meinung Pauls, Beitr. 8, 202, Lachmann habe unnötig geändert, irrig. 2) wie Michels v. 27 tut: ez cnsi daz er der alten Sprüche weere fro, wobei auch der auftaktlose Versanfang tz en- sehr mühsam wirkt, vgl. Zs. 51, 368.

26,33. 27,7

83

26,33-27, 0. 26, 35. war er so milt als (C so) lanc. Lachmann hat als mit gutem Grund für so (wackernagel) gesetzt,- letzteres wurde soviel bedeuten wie 'sowohl freigebig wie lang', s. die Belege Mhd. Wb. II 2, 457, 13 ff. Auch kommt man dadurch um die bei Walther unerhörte Kürzung milt herum. 27, 3. Das er, das sich durch einen von mir übersehenen Druckfehler in der 8. Ausgabe eingeschlichen und in der 9. behauptet hat, ist zu tilgen: es steht nicht in der Hand­ schrift. Statt wol einzuschieben, wie Lachmann tut, schreibt man ein­ facher mit wackernagel cnwahsei. Der Spruch ist nicht leicht zu verstehn, wilmanns (I 141 f.) erklärt: Walther 'habe Ottos Freigebigkeit nach seiner Leibeslänge bemessen wollen, da sei das Maß viel zu groß gewesen,- er habe dann umgekehrt den Leib nach der Freigebigkeit gemessen, da wäre er gar zu kurz geworden'. Aber da stimmt etwas nicht, wenn man ere (36) kurzweg der milte (33) gleichseht. Denn dann kommt fol­ gender schiefe Gegensatz heraus: 'ich matz die Freigebigkeit nach der Körperlänge, da war erstere zu kurz (und letztere zu lang); ich matz die Körperlänge nach der Freigebigkeit, da war erstere zu kurz (und letztere zu — lang??)'. Ls ist also klar, daß ere etwas anderes als milte bedeuten mutz, u. z. etwas, das größer ist als die Körperlänge, wählt man die Bedeutung 'äuszerliche ehrenvolle Stellung' *), dann rückt alles ins Gleichgewicht und gewinnt obendrein tieferen Sinn, denn nun bezieht sich der Schluß des Ganzen: ml seht waz er noch wahse: erst ieze übr in wol riscn gnöz in seiner zweiten Hälfte auf die milte Friedrichs (zum Unterschied von Otto, der miltes mnotes minre vil dan ein getwcrc ist), während das wahsen auf das Zu­ nehmen an ere zielt, d. h. auf den Aufstieg des Königs Friedrich zur Kaiserwürde. 27, 7—16. Durch das hinzutreten von Z ergibt sich mehrfach ein Gewinn, den Michels dem Texte Lachmanns zugute kommen ließ, hieher gehört der Singular der in v. 8 *2) und 15, sowie die Ausfüllung *) vgl. nü sol der heiser here versprechen dur sin ere des lantgräven missetät 105, 14; keisers eren tröst (von Lngelbrecht) 85, 7. — er unde guot hat nü lützel ieman wan der übel tuot 90, 29. 2) Der Singular wird auch schon durch den Gebrauch des bestimmten Artikels empfohlen: wo der Plural steht, wie v. 9 und 12, da fehlt der Artikel. C hat eben wegen dieser Plurale auch in v. 8. 15 die Mehrzahl gesetzt. 6*

84

27,7

bet Lücke in v. 16 nü prüeven hin, nü prüeven her, wie auch schon wackernagel richtig ergänzt hatte *). Dagegen ist in v. 13 Lachmanns Fassung gänzlich aufrechtzuerhalten. Er hat für bas steife ich ez hätte, bas wackernagel unb anbete nach C gewählt haben, ganz richtig ichz behalte emenbiett, wie Z nunmehr bietet. Ebenso mutz man bei ob—ob bleiben. Das wie—wie in Z, bas Mchels bevorzugt, nötigt ihn zu bet Annahme, läze bebente vielleicht an­ legen' : bet natürliche Gegensatz von behalten unb läzen ist aber hoch wohl 'behalten' unb 'fahren lassen, aufgeben', unb nur auf biefen kann es betn Dichter ankommen, benn nicht um bie Art bet Anlage bes nutzes, bet ja nach seinen eigenen Worten ein Nichts ist, kann es sich hanbeln, sonbern nur barum, ob er bas Lehen, bas ihm tatsäch­ lich verliehen ist, behalten ober fahren lassen soll. Durch biefen Zweifel unb nur burch biesen übt er auch einen verstärkten Druck auf ben König aus, besten würbe burch eine Ablehnung gekränkt werben mutzte. Auch bie letzten Worte bes Ganzen lauten in C besser, selbst wenn man Michels' ich enhän burch bie Schreibung i nhän versfähig macht. Zur Erklärung im einzelnen: 9. kiele unb barken meint nicht Kielbote unb Flachbote' (Schönbach 347 f.), sonbern beibes bezeichnet grotze Lastschiffe, s. Meißner, Zs. 64, 261. — 12. 'Zu welchem Ein­ kommen soll ich mich bekennen?' Schönbach, ebba. Die meisten Gelehrten ftnben ben Spruch nicht ganz verstänblich unb beuten ihn mit einer gewissen Willkür, besonbers gesucht Schönbach a. a. ©. Nur Bieget, Zs. 47, 232 *2), hat richtig empfunben, batz bie Schiffe boch nicht umsonst genannt werben, man also an ein Frachtgut zu benken habe. Er meint, es sei wein ge­ wesen, bas einzige beutsche probukt, bas über Köln nach Englanb ausgeführt würbe, unb sieht barin ein weiteres Anzeichen, batz Walther seinen letzten Wohnort in Würzburg gehabt habe. wenn ber Dichter keinen solchen zu versenben hatte, so möge man bas burch Mitzwachs, wetterschaben ober Kriegsläufte erklären. Aber in all biesen Fällen wäre bie Ertraglosigkeit nur vorübergehenb gewesen, auch hätte bet Dichter boch wohl Grunb unb Loben, also ein heim gehabt, wenn sein Ertrag auch nicht greifbar war. Ich *) s. auch Singer 459. - C mar vom ersten prüeven auf bas zweite abgeirrt. 2) unb ähnlich vor ihm IDilmanns I 427 f.

möchte also vermuten, daß der König ihm ein in Italien gelegenes Lehen gab, das wegen der Abwesenheit des Besitzers kein bares, in Kassen verschließbares Geld einbrachte, dessen Naturalertrag er nicht in Lastschiffen verfrachten und auf dem er auch nicht wohnen konnte, so daß schließlich die Nutznießung weder greifbar war noch er von ihr etwas hörte oder sah. Über den Zusammenhang mit anderen Sprüchen an Friedrich s. zu 84, 30. 27, 17—26; 27, 27—36. Schon Lachmann hat bemerkt: 'Dieses und das folgende Gesetz ist wohl nicht von Walther'; Pfeiffer hat beide weggelassen, bei wackernagel stehn sie unter 'Zweifelhaftes und Unechtes', Michels (II 477) vertritt die Unechtheit *). In der Tat verhalten sie sich zu Walthers Poesie wie das billige Parfüm einer Köchin zum Duft der Blumen, von einer Süße, die wie gezuckerter wein den Magen sauer und den Kopf schwer macht. (Ein ganzes Warenhaus von billigen Ramschartikeln öffnet zum Ausverkauf seine Türen. Einmal sind die reinen frouwen durhsüezet, das andermal ist zur Abwechslung eine süeziu frouwe2) mit reiner güete geziert, das dritte Mal muß sie sich mit dem Epitheton reine allein begnügen, dafür ist sie aber zwei weitere Male schcene. Und welches Matz von Wonne wissen sie zu verbreiten: sie sind wünnecliche anzusehen, alles ist gegenüber einer so wünnebernden fröide ein Nichts, ihr Leib versetzt einen in wünnebernde Hochstimmung, denn der Schatz der ganzen Welt ist in ihnen beschlossen mit wünneclichen freuden. Ihr süezer röter munt, wenn er lieblich lache in liebe, löscht allez trüren, und hin­ wiederum ist gegen truren nichts so gut wie eine Frau, die ein lieb­ lich lachen tuot. Die rösenbluomen mit ihrem liuhten in meien touwc als unecht haben sie noch betrachtet: Schönbach II 30; plenio, 41, 911; wallner, Zs. 39, 4301; Singer 459 f.; Nordmeger 45, 658". 669 ", wo noch andere Vertreter der Unechtheit angegeben sind und über das mutmaßliche Aller der beiden Strophen (1220—1230) kenntnisreich gehandelt wird. Als 'Walther' wurden sie leider von mir einst hingenommen (Reimar I 76); ebenso von Singer, wiener Sitzungsberichte 180, S. 26 und von Naumann in seinem höfischen Lesebuch, wo sie 5.61 abgedruckt sind, sowie von Ganzenmüller 279; in meiner Ausgabe (Bremer Presse) sind ste übergangen. 2) daß süeze (wip, frowe) und vil reine wip vor Walther und bei ihm selbst als Anreden nirgends zu finden sind, bemerkt schon Schumann, Germ.Roman. Monatschrift 14, 427.

86

28,i

bereiten nicht so viel tzreude wie der Anblick schöner Zrauen: be­ greiflich, denn ihr Mund ist röter als eine liehtiu rose in touwes flüete. Sie schießt nicht nur die Pfeile ihrer Blicke in den herzen grünt des Mannes, sondern sie lächelt ihn auch an aus ihrem eigenen herzen gründe, wie dabei Walthers Poesie verwortet und vernamei ist, kann man durch Nachschlagen in hornigs Glossarium leicht fest­ stellen^. Auf die paar Kleinigkeiten, in denen manche Heraus­ geber von Lachmanns Text abweichen, kommt es hier wirklich kaun: an. Nur 27, 23 hat Schänbach II 30, und unabhängig von ihm nochmals Singer 460, dürren st. irüeben vorgeschlagen, was wegen der Übereinstimmung von erfiuhten und leschen und irrt Hinblick aus 6, 29 besser und einfacher ist als die von wallner 4301 befür­ wortete Umstellung der Neimwörter suhlen und erliuhten. Endlich wird man den ersten Teil dieses Verses 23 gerne mit C, wackernagel und anderen lesen: Sivä man ein schoenc fronn siht, weil dadurch die Ähnlichkeit mit 35 noch größer wird, und der Vers noch schlechter.

28,1-10. Das Verhältnis des Spruches zur bekannten Parodie des Singen» bergers (bei Lachmann 5.153) ist infolge der seither hinzugekom­ menen Überlieferung in w und Z mehrfach neu untersucht worden: von Singer 460, von Jellinek, Beitr. 49, 103 f., von Michels in den Lesarten zu Walthers Spruch. Den sichersten Ausgangspunkt bietet die Überlieferung der Verse 5—7 von Ulrichs Parodie: B 5 in twinge dis in twinge das das mich noch nie gewang. fehlt das machet das ich mich so kvme von dem minem schaide. mir geben däne hohe herren vh ain schönes wip ir habedank.

C in tw. de in tw. iens de in noch betwang. de laut sü bi so rieh6, kvnst an habe ze krank de ich mich kvme vf ir genade v. d. m. scheide. fehlt

*) auf Zehler im Strophenbail hat, gründlicher als Schönbach II 29 f.„ wilmanns I, V, 165 hingewiesen (s. auch Uoethe, Prager D. Stud. 8, 506): die Periodenschlüsse fallen in den echten Sprüchen dieses Tons hinter v. 3 und v. 7. Dagegen verstößt 27, 17 ebenso wie die Strophen 29, 35; 30, 29; 31, 3, über deren Unechtheit weiter unten gehandelt wird.

28, i

87

Da das Vorbild bei Walther die Reimstellung fordert, die C hat, so ist es klar, daß C in der Hauptsache das Richtige bietet und daß in einer Vorstufe von B der Vers C 6 ausgefallen war, woraus eine nachfolgende Vorstufe eine Ergänzung und Veränderung des lücken­ haften und sinnlos gewordenen Textes vornahm. Zur Ergänzung, die an falscher Stelle und gegen das Metrum erfolgte, griff der Schreiber auf die Waltherstrophe, die ja in B unmittelbar vorher­ geht, u. z. auf deren Vers 6, der lautet: Swelch schcenc wip {vrowe B)*) mir denne gcebe ir Habedank. Ruf einen weiteren Zall, in dem der walthertext auf die Parodie in B eingewirkt hat, ist von Iellinek hingewiesen worden: es ist der unmetrische Zusah von der beide und {von dem grüenen kle) in v. 9, der aus Walthers v. 5 Von der beide und {von den bluomen) 2) stammt. Dazu kommt ferner voge­ linen st. bluomen im gleichen Vers, s. die Anmerkung 2). verschiedene Deutung haben die Abweichungen in v. 8 beider Sprüche erfahren. Die Überlieferung bietet hier folgendes Bild: Waith. AC wZ B Ulr. B

kume ich spate und rite fruo gast we dir wc gast kumet spate unde ritet vro g. w. d. w. sus rite ich fruo vn kvmc niht hain g. w. d. w. sus rite ich spate vn kvmc doch hain. mir ist niht

ze wc C

sust heisse ich wirt und rite hein da ist mir niht we.

wenn man mit Pfeiffer und Paul, denen Michels folgt, den walthervers nach B gestaltet, weil er so mit der Parodie B nahe übereinstimmt, dann belastet man die bisher unbescholtene Hand­ schrift C, in der die Parodie an ganz anderer Stelle (unter Ulrichs Liedern!) steht, mit dem verdacht, sie habe gleichfalls beim Walther­ spruch nachträgliche Anleihen gemacht, denn ihr xvirt entspricht dem wirt bei Walther o. 9; außerdem werden AC im Waltherspruch, die sich bisher im großen untadelig erwiesen haben, einer stark eingreifenden Änderung bezichtigt und schließlich müßte man C in der Parodie auch noch eine Anleihe bei Walthers Vers in der Zassung L) die Variante zeigt, daß der Vers dem Vers bei Walther in einer Vor­ stufe von B nachgebildet wurde, die noch wtp st. vrowe halte. a) wofür B vogelinen hat, was wohl Absicht des ändernden Schreibers der Vorstufe ist, weil hlS in o. 9 den bluomen zu nahe stand,- so entnahm er von den vogelinen aus Walthers v. 4.

28,i

88

AC machen lassen, da hier wie dort das Verbum rite an zweiter Stelle steht. All das ist reichlich verwickelt und unwahrscheinlich. Do liegt es wohl näher anzunehmen, daß die Handschrift B, die mehrfach bei Anleihen aus dem Waltherspruch ertappt wurde, hier nach beiden Seiten ausgeglichen hat: ihr rite ich spate und kume stammt wieder (unter entsprechender Änderung, wie sie der Sinn der Parodie erforderte) aus Walthers kume ich späte und rite; dagegen das sus sowie das heim des Waltherverses stammen aus der Parodie, die ja diese beiden Wörter auch nach dem Zeugnis von C enthalten hat1). Somit hat die Parodie in B für die Herstellung des Walthertextes keinerlei wert und man wird daher auch ihrer Überlieferung des letzteren keinen Wert beilegen dürfen. Damit erledigen sich ihre Sonderlesarten: Walther 1. ain ain; 2. siht (st. lät, das überdies durch die Parodie C o. 6 länt gestützt wird) ; 3. die vulgarisierende Umstellung,- 5. vogelinen; 6. vrowe (s. o.); 8. (s. o.); 9. (s. o.). Auch in der Parodie, für die B letzten Endes mit C auf einem Archetypus beruht (s. das Kehlen einer Silbe, viel­ leicht Lachmanns des, in v. 2), verdient sie kein vertrauen: v. 3 ist gegenüber C durch das als und das sinem im Zusammenhang sinnlos, und gesange ergibt einen unmöglichen Saft; v. 5 scheint dis—das angeglichen an v. 3 dirre der; über v. 5—7 sowie über v. 8 s. schon oben; die Abweichung in v. 9 ist eine Kolge der vorhergehenden; in v. 10 schließlich unterliegt der direkte Imperativ st. des umschrie­ benen, den C bietet, dem verdacht, wieder nach dem Imperativ der entsprechenden Zeile des Waltherspruches gemodelt zu sein. So verbleibt also auch hier nur ein magerer Gewinn: v. 5 mich st. in sowie noch nie getwanc noch betwanc. (Zs erübrigt, zu sehen was die Handschriften wZ für den Text Walthers bedeuten. Ein sicherer Kehler ihrer auf einer Vorlage beruhenden Überlieferung ist in v. 1 laz dich lät inch, denn im letzten Vers wird der König in allen Handschriften außer A geihrzt, —



st.

st.

l) das niht int Waltherspruch sowie das entsprechende doch in der Parodie sind von H aus eigenem des Sinnes (und wohl auch des Metrums) wegen zugesetzt. Aus benfelben Gründen hat der zweite Teil des Verses kleine (und ungeschickte) Änderungen gegenüber C erfahren. Ulrichs Vers lautete also wie in C: sus heize ich wirt und rite heim da ist mir niht wt\ der Dichter wurde hier an den ähnlichen Spruch Walthers 31, 23 erinnert:

wirt unde heim sint zweite unschanieliche namen . . . "ich bin hei me’ odr % ich ivil heim' den tvcesUt baz.

28,1

89

wie schon Iellinek geltend gemacht hat, auch hat Ulrich in v. 1 nich. Ebensowenig läßt sich sol ich in v. 2 halten, denn das lät (leit) in AC wird durch v. 6 der Parodie C (den laut siu) gesichert. Auch wengel (v. 7) verdient, schon wegen des poetischen Singulars, offenbar den Vorzug vor wangen. In v. 8 ist die 1. Person st. der 3. gesichert, da A(B)C wie auch die Parodie (B)C sowohl ich wie rite haben,daher muh das Gast kumet—ritet in wZ falsch sein: es empfiehlt sich ohnehin nicht, denn der letzte Vers (die not bedenkent) läßt erwarten, daß der Dichter vorher von seiner persönlichen Not, nicht von der Not der Jährenden im allgemeinen gesprochen hat,- auch macht sich das zweimalige gast in einem Verse nicht gut. Anderseits hat Iellinek den Anstoß fein empfunden, daß AC die eigentliche Aussage in beiläufigen Zusätzen unterbringt. Vieser Mangel wird behoben und zugleich der persönliche Bezug gewahrt, wenn man das Wörtchen sus(t), das in der Parodie in (B)C st. gast wZ erscheint, an die Spitze des Verses stellt- nun ergibt sich ein lückenloser Zu­ sammenhang: 'ich möchte gerne am eigenen Herd warm^werden . . . wie wollt' ich dann singen ... so aber komm' ich spät an und reite früh davon'. Dieses sus(t) 'so aber' ist nicht häufig, aber ganz sicher belegt (Mhd. Wb. II 2, 757b, 17)*): in AC ist es als ungeläufig, weggelassen, in wZ wurde unter graphischem Anschluß sust durch gast (wegen des folgenden gast) ersetzt. B gehört letzten Endes zu AC, und wZ bildet eine Gruppe für sich- das geht hervor aus v. 2, wo wZ mit bi so richer kunst gegen­ über ABC bi r. k. das echte haben, wie sich aus der Parodie C v. 6 (bi so r. k.) ergibt. Daher haben Singer (und ihm folgend Iellinek und Michels) sich mit Recht in v. 4 für zähiu und in v. 9 für baz entschieden. Letzeres ist ja aus den ersten Blick schlechter als das wol in AC, da es mit v. 4. 5 in Widerspruch zu stehn scheint. Aber man darf das Wort singen nicht auf das Singen von Maienlust und Jrauenschöne beziehen, das der Wirt besser könne als der ©aft2),3 sondern auf den verschiedenen Inhalt ihrer Sänge2): der Gast singt von seinem Elend ('gast, we dir we'), der Wirt in viel schönerer weise vom Zrühling. Dagegen möchte ich an dem Von Rome voget

2) wo auch bereits auf unsere Stelle nach B hingewiesen ist; dazu s. noch Hartmanns Büchlein 443. 2) wie das *AC wohl getan hat. 3) wie das baz 31, 32 auf den Inhalt der in Anführungszeichen stehenden Sätze.

90

28,u

als der ständigen Titulatur (f. die Wörterbücher) nicht rütteln und auch an dem zweiten von (so hier auch w) festhalten. Lachmanns Text ist also in folgender weise zu ändern: v. 2 bt sö r. v. 4 zdhiu; v. 8 sus kume ich; v. 9 wol) baz. 3n der Parodie: v. 5 getwanc; v. 10 daz soltu stceten. Die riche kunst kennzeichnet den von stärkerem Selbstgefühl getragenen Lgriker und Spruchdichter gegenüber dem Epiker, s. Schwietering 45. Daß der Spruch im Winter gedichtet und zuerst vorgetragen wurde, vermutet plenio 42,4202 wohl mit Recht. Dagegen scheint mir die Rnnahme, Walther meine mit den Dersen 4. 5 seine Lieder der Niederen Minne, mit den beiden folgenden seine streng-höfische Lgrik (Burdach 18; Beitr. 8, 468 f.) trotz der Derteidigung durch plenio (a. a. ©.) mit Paul (das. 8,174 f.) und Wood **) unmöglich, weit ungezwungener könnte man vermuten, er meine seinen streng-höfischen Wechsel 43, 9, wo es heißt: Kan si

{dazguote wip) mit zühten sin gemeit, So stet diu lilje wol der rösen bi. Nu merket wie der linden ste Der vögele singen, Dar ander bluomen undc klc; oder er denke an das Lied 53, 25, das er selbst seinen höhen sanc nennt, in dem er die Geliebte preist: Cot hät ir voengel höhen filz, Er streich sö tiure varwe dar, So reine röt, sö reine wiz, Da roeseloht, da liljen var2). Freilich kommen vögele, beide, bluomen, kle auch in dem Mailied 51,13 vor, das man zur niederen Minne rechnen könnte, aber ebenso kehren sie in dem Lied 114, 23 wieder, das sich auf das Mailied rückbezieht und an sich ebensogut als ein höfisches Gedicht betrachtet werden kann. Daß unser Spruch vor 26, 23 gedichtet sei, hat Sieget, Zs. 47, 232, schwerlich mit Recht vermutet, s. o. zu letzterem. Über den Zusammenhang mit anderen Sprüchen an Friedrich s. u. zu 84, 30. — v. 3 ist vielleicht von Neidhart parodiert, s. Günther 50”. 28,11—20. 18 s. wol (vol C) viieget AC ist dem verdacht ausgesetzt, unter dem Einfluß des folgenden unge vuogete A, ungevüegte C entstanden 9 der mit Recht bemerkt, daß Walther nur an den Gegensatz des heimatlosen Sängers und des behaglichen Hausbesitzers denke, Amor. Journ. of Philology 11 (1890), S. 206 f. *) durch diese parallelen wird Woods Urteil, der den harmlosen Vers 7 unserers Spruches ’cynicaV nennt, widerlegt.

28, 2i

91

zu sein. Do das Wort obendrein unbelegt ist, so halte ich Lachmanns Änderung (volfüeret) für ganz sicher. 20. hier wird man besser spreche (wackernagel) schreiben. Die Schlutzpointe ist wohl mit Absicht doppeldeutig, indem man beliben entweder in seiner gewöhnlichen Bedeutung (also als Gegen­ satz zu körnet 16) fassen kann, oder aber auch in der prägnanten 'auf dem Schlachtfeld bleiben, fallen', wenn der Herzog in der Heimat nicht bis zum Ende Sünden unde schänden fri bleibt, wie er gekom­ men ist, dann könnte man sagen, wäre er in solchen Ehren doch lieber in der Zremde gefallen (und hätte damit dort diz liebte lop volfuort unz an daz ort). Das wäre dann in der Tat ein ungefüegez wort. Auch ere schillert in seiner Bedeutung: es ist für die Heimat wohl in erster Linie als Gegenstück zu schänden fri (16) zu fassen, also als die ere, die aus der mitte flieht (j. 19, 22; 10, 22 ff.; 21,16ff. usw.), anderseits für das heilige Land als Gegenstück zu Sünden fri. 28,21-30. Durch das hinzutreten von Z ergeben sich einige Änderungen an Lachmanns Text, wie Wichels bereits gesehen hat, stehn C und Z zusammen gegen A: das beweist das fehlerhafte sich in o. 23. Somit verbürgt die Übereinstimmung von A mit Z das Echte, und es ist in v. 21 mitten st. leben zu schreiben (wackernagel u. a.), in v. 23 swenne st. als (wackernagel), in v. 24 zem rdte st. da zuo (Pfeiffer, Singer1), Wichels); v. 28 mugen st. mähten. Ebenso liegt das Echte dort, wo A mit C übereinstimmt, also v. 26 biderben st. edelen, 27 pflegent st. phlit und 28 läzen (C liessen) st. halten. Auch liegen st. tregen (trugen Singer) ist sicherlich das Richtige, denn liegen ver­ mittelt den Anschluß an das folgende gelübdc sowie an Idzen in ir kragen und versagen weit besser: trügen in Z stammt offenbar aus dem Eingangsvers des Spruches, wenn die Ratgeber das liegen lehren (v. 22), so müssen sie es selbst können, insoferne kann also auch von ihnen gesagt werden, dah sie liegent. Schwieriger ist natürlich die Entscheidung über die Gruppierung A—CZ. 3m ersten Ders ist Ein A gegenüber dem gewöhnlicheren Er C (Der Z) zu bevorzugen, s. zu 32, 27 ff.; dagegen scheint Ure v. 22 besser als inte rdte, weil letzteres leicht aus v. 28 und den mehrl) 460 f.

92

28,2i

fachen rät genommen sein sann; auch das Enjambement in A wird man gerne vermeiden, ebenso die beiden ime in v. 25, die aus v. 23 stammen mögen, womit auch müeze erlernten: schämen gerechtfertigt ist, das sich auch dadurch empfiehlt, daß die Konstruktion etwas hart wird, wenn zuerst erlamen müezen steht und hierauf der bloße Konjunktiv daz sin zunge erlame folgt: man erwartet da, wie bei zem rate, Gleichlauf *). 3n v. 27 ist schemelicher st. tugendeloser sicherlich durch das vorhergehende schämen veranlaßt. In v. 28 ist das in besser, da sein Fehlen in A durch die Änderung des vorher­ gehenden Wan in Werne bedingt ist. Im Schlußvers kommt man von dem, was CZ bieten, leichter zu A als umgekehrt. Zweifelhaft scheint mir die Wahl zwischen gelübede—geheize. Aber ersteres ist wohl vorzuziehen, da A sich im allgemeinen gegenüber CZ als minderwertig erwiesen hat. Zu erwähnen ist noch v. 23, wo alle möglichen Kombinationen zusammentreffen: CZ (Plural)—A (Sing.), ferner AZ (possessiv)—C (Artikel), schließlich AC im — Z (fehlt). Am besten scheint mir durchwegs C mit seinem im diu bein, weil sich daraus die Abweichungen am ungezwungsten her­ leiten lassen, wenn man die Einwirkung des parallelen Verses 25 in Betracht zieht: von hier ist das possessiv sowie der Singular ein­ gedrungen, wie umgekehrt das im von der vorangehenden Stelle in A in die spätere verschleppt wurde (s. o.). wenn man C folgt, so ergibt sich ein wohlbegründeter Wechsel der Ausdrucksweise: neben im (23) braucht es kein Possessivum, da genügt der bestimmte Artikel diu, und der Plural bein neben dem Singular zunge ist da­ durch gegeben, daß der Mensch zwei Beine, aber nur eine Zunge hat. Die Varianten sind also Angleichungen. Die Erklärung des letzten Verses ist schwierig: 'trügerisch ge­ schminkt war nicht des Sängers Lob, sondern des Herrn Geheiß' sagt wallner 11, nimmt für lop deshalb die bei Oberdeutschen sonst nicht belegte Bedeutung 'versprechen' an*2), ändert getragen in getwagen und erklärt hole mit wilmanns als 'Schminke', wofür es nur neuere Belege gibt. Auch übersieht er, daß die letzte Zeile einen Rat Walthers (nicht einen solchen der Ratgeber) an die Herren enthält3). Ich fasse also lop als das was es bei Walther und sonstigen A) der Unverzagte (bei wallner 12) hat einen A-Text benutzt. 2) s. Michels zu 105, 30 und vgl. noch wallner 54.

3) denn was A bietet, ist schon deshalb unhaltbar, weil es eine bloße

28, 3i

93

Oberdeutschen immer bedeutet, und kalc ebenso in seiner gewöhn­ lichen, sonst bezeugten Verwendung, d. i. als den Stoff, mit dem man den 'verputz' herstellt, der die Mauern und wände glatt und glänzend weiß erscheinen läßt*). Dann ergibt sich das Bitt): 'die Herren sollten geben, bevor dem Lobe der verputz, also das was es schön und strahlend macht, weggenommen wird'*2). Allerdings ist abe getragen ein sonderbarer Ausdruck (wilmanns): ich möchte abe geslagen vermuten, wenn also die Gabe nach dem Lobe zu lange auf sich warten läßt, dann wird dem Lob dar glänzende Außere genommen, wie man den Bewurf von einem zu alten Gebäude wegschlägt. Oder, um ein anderes Bild Walthers zu gebrauchen: das lop bleibt nicht ganz (35, 5). Dahinter steckt die Drohung, daß der Dichter es her wider netnen wird (105, 36 f.). v. 25 faßt Schönbach II 23 wohl zu harmlos, wenn er es auf das verstummen aus Verlegenheit bezieht, s. die Anm. bei wil­ manns z. St. und beachte vor allem, daß auch die Beine lahm werden sollen (23). Bei wilmanns zu v. 30 soll es heißen: 'Schön­ bach, Zs. 39, 348'. Über die Beziehung zu den Sprüchen 32, 17 und 27 s. zu letzterem. 28, 31-29, 3.

31. Paul schreibt al diu werlt, und das hat viel für sich, ob man sich nun ein 'bezeuge es' dazu ergänzt3), oder es als Vokativ faßt. Aber C, die sonst zwischen diu und die scharf scheidet, hat die, und so wird man, da der Ausruf sonst in älterer Zeit nicht bezeugt ist4), doch vorsichtiger beim Akkusativ bleiben. 37. Lach­ manns Vorschlag, für das den Vers überfüllende wilent das Adverb e einzusehen, ergibt keinen gutklingenden Schluß, mit Wiederholung der vorhergehenden Worte nach geiahte niht versagen dar­ stellt. x) s. herbort, bei dem zuerst der ganze Saal errichtet und außen wie innen geschmückt und mit Zinnen versehen wird, worauf es zum Schlüsse heißt: Mit dem kalke man in bant: Rechte wiz als der sne Daz gewortc schein über se Als iz ein himel wcre 1825 (Lexer). 2) l. würde (C). 3) so wilmanns D. Gramm. II § 476, 3 für das neuhochdeutsche 'alle Welt'. 1) denn die Stelle in der Krone, aus die Haupt bei Lachmann hin­ weist, ist verderbt, s. Singer 461.

94

29,4

dem hiat sie e und dem gedrückten e; auch Wackernagels also si täten klingt gegenüber als si wilent täten recht leer. Die an sich bestechenden Ausführungen wallners (35, 196) treffen kaum das Richtige. Lr meint, in butzen wis aus lvalther zu beziehen, gehe sprachlich und sachlich nicht an. Ich finde, daß dies sprachlich durchaus möglich und sachlich sogar nötig ist. Ein solches in ... wis kann ebensogut wie auf das Subjekt auch auf das Objekt bezogen werdenx). Sachlich scheint mir der vorhergehende Ders: min nähgebüren dunke ich verte baz getän unbedingt einen Gegensatz zu fordern, und der kommt nur heraus, wenn man in butzen wis aus Walther bezieht. Zu Butzen (Bussemännern) vgl. Otto höfler, kultische Geheimbünde der Germanen I (Frankfurt 1934) S.259f. Man verkleidet sich, vermummt sich und geht auf Beute aus, ganz wie die Maskierten, die ihr Lutzenrecht ausüben'. 2 voller vermutet Lachmann, wohl mit Recht, vol (Wackernagel) wäre das normale, das aber von C zu weit abliegt; die schwache Form ist in der Sammlung Haupts z. Erec 2038 nur einmal u. z. unsicher vertreten (Gregor. 1940). Über den Zusammenhang mit anderen Sprüchen an Friedrich s. zu 84, 30. Hermann Fischer meint wegen v. 2, unsere Strophe sei im Februar gedichtet (Germ.-Roman. Monatschr. 7, 157 f.).

29, 4—14. Don Pfeiffers Änderungen zu v. 6. 7. 14 wird keine einzige durch Z bestätigt; ebensowenig die Dorschläge anderer zu den letzten Worten des Spruches; auch erklärt sich swalwen zagel wohl genügend durch die von Leitzmann2) Zs. 66, 207 gegebenen Stellen, der die unserige hinzuzufügen ist: wenn man das (Untier) aufspürt (ihm auf die Spur kommt), so wird es im Handumdrehen ^) ein (jäh hin und her schießender und daher nicht zu greifender) Schwalben­ schwanz. In v. 6 ist wohl mit CZ weere ez und seltsam zu schreiben, wie Michels tut. In v. 7 hat unbedingt Z den Dorrang vor C: *) s. bei lvalther selbst (79, 33) Swer mich üf hebt in bailes wis; Parz. 159, 18 der knappe dructe en kriuzes wis Ein holz durch des gabylStes sniden; (Xrojfr. 48263 in vihes wis sluoc man si nider; Wbkr. 1, 15 in diebes wis Wil er sich des gevangen hiute geben: alles aus dem Mhd. Wb. s. v. wis. a) und vorher von Wilmanns z. St. sowie von Wallner 132. 3) s. wallner a. a. (D.

29,4

95

daz glichet einem guoten (passen C) man: hassen macht eine gesuchte

Erklärung (in der Anmerkung bei Michels) nötig und zerstört die Pointe: gerade darin, daß es einem Guten gleicht, beruht das seltscenc dieses Wesens und dadurch erhält auch das nü erst seinen gegensätzlichen Sinn, während es hinter heesen bedeutungsloses Flickwort wäre *). v.9 schließlich ist,ob echt oder unecht^), ez füt er zu schreiben, da ja alles was folgt, von dem kündet, nicht vom Manne, gesagt ist, wie die Schlußzeile deutlich zeigt. Der Spruch stammt von einem klugen Kopf, aber nicht von einem guten Dichter. Die Bilder sind erdacht, nicht geschaut: wer kann ein Lachen auf den Probierstein streichen, wo trägt das Tier seinen süßen Honigs) und wieso kann es ein Schwalbenschwanz (statt einer Schwalbe) werden?*) Zudem wird der Gedanke, der im Grunde stets derselbe ist, ermüdend variiert: das lachen hält der Probe nicht stand, und das lachen bringt hagel mit sich, während kein vorhergehendes grinen solches erwarten läßt*5).2 3 Schließlich 4 liegt ein Ders wie des min fröide (warum war der Dichter fr6? 6) erschrocken ist, min trüren worden mundet wohl mehr in der Rich­ tung Konrads von würzburg und Frauenlobs als in der Sphäre Walthers. Ich stimme also Wilmanns (I 309) und Michels durchaus bei, wenn sie den Spruch einem Unbekannten zuweisen 7), zumal die fünf sicher echten Sprüche, die Z bietet, sich in einer sehr zweifel­ haften Gesellschaft befinden. 6s scheint, als hätte dem Unbekannten Walthers Spruch 37, 34 vorgeschwebt. Zu 29, 11—13 bringt Schönbach 348 f. allerlei lateinische parallelen. *) weshalb Pfeiffer glaubte, cs streichen zu dürfen. 2) letzteres meint Singer 461. 3) gemeint, aber nicht ausgedrückt, ist wohl: im Rachen oder auf den Zungen, vgl. 30, 13. 4) auch ist das Blasen von warm und Kalt aus einem Rachen gut äsopisch: nicht aber, daß es von zwei Zungen kommt. 6) daß dieser Vers (9) unecht sein soll, blos weil er in Z so wie der folgende, sicher unechte Vers fehlt (Singer 461), scheint mir nicht zwingend. 6) gemeint ist wohl, als er den scheinbar guoten Mann zunächst erblickte. 7) wäre er aber trotz allem von Walther, so vermöchte ich mich doch nicht der 'kühnen' Deutung Naumanns (Das Bild Walthers v. d. D., Berlin und Leipzig 1930, S. 17 und flnm. 54) anzuschließen, daß er möglicherweise ein ingrimmiges Selbstporträt darstelle. Fast mit jedem Verse hätte der Dichter sich selbst ins Gesicht geschlagen und seiner ganzen Kunst den Loden, dem sie ihre wurzelhafte Kraft dankt, entzogen.

29,15—24. 16. Pfeiffers tu st. in ergibt nur eine Konstruktion für den Augenblick: die Erklärung der beiden ir in v. 15 und 17 durch Wilmanns leuchtet durchaus ein. weniger die von Schönbach (bei Michels) zu v. 17 gegebene: ich kann nicht finden, daß Walther sich hier als Zauberer mit Iongleurkünsten gebärdet oder den Kaiser durch die Luft tragen lassen will. Er meint doch bloß: "wenn ihr den Kaiser gerne los sein wollt, so gebe ich euch einen Rat, nicht ins Blaue hinein, sondern mit bestimmtem und fernern Ziel. Ihr braucht bloh zu wollen, indem ihr meinen Rat befolgt, und ich sende ihn weit über Trani hinaus (dadurch, datz ich geraten habe)'. Ist auch hier, wie am Schlutz des Spruches 28, 11 (s.o.), beliben (22) im prägnanten Sinne "auf dem Schlachtfeld bleiben' zu nehmen? Die feierliche Verwahrung des got niht welle legt diese Deutung nahe.

29, 25-34 und 29, 35—30, 8. Die Echtheit des ersten Spruches unterliegt starken Bedenken, s. wilmanns I 309 und II 144. Er ist leer, dabei wortreich, s. die Umständlichkeit, mit der die beiden ersten Verse dasselbe sagen, die Berufung auf die wisen (28)x) oder die Plattheit in v. 29, die Häufung der Substantiva in v. 31; der vorletzte Vers ist nur bei bestem willen, und auch dann nicht ganz verständlich, und im letzten bleibt der Wechsel des Modus trotz den von Lachmann (z. St.) und von wilmanns beigebrachten Parallelen eine Lässigkeit, die bei dem Regensburger oder bei Wolfram weniger auffällt als bei dem so sorgsamen Walther; im letzten Vers, — Ende schlecht, alles schlecht! — stört das ungeschickte Nebeneinander von ders ebene und der sie ebene.

Der zweite, unmittelbar folgende Spruch variiert nur den Hauptgedanken seines Vorgängers. Die Verbindung houbetsünde und schände (30, 1) stammt aus Walther 22, 18 * 2), die Umständlich­ keit, mit welcher der Gedanke "besser selber gehn als sich tragen lassen', in drei Versen breitgetreten wird, ist ebenso groß wie die Plattheit in v. 5, oder das Unvermögen, sich ungezwungen im !) die nur in dem gleichfalls unechten Spruch 26, 13 eine Parallele hat. 2) und hat dem Verfasser so gut gefallen, datz sie in o. 30, 6 mit un­ bedeutender Variation wiederkehrt.

29, 25. 35.

30, 9

97

Rahmen des einzelnen Verses zu halten, von dem die starken En­ jambements in den Versen 29, 36 f. und 30, 7 f. Zeugnis geben. Walther gewinnt, wenn man ihm beide Sprüche nimmt. Die Kritif hat, wie stets gegenüber schwachen Erzeugnissen, einen schweren Stand, da man die Mängel des Dichters und der Schreiber nicht klar scheiden kann. Durch das hinzutreten von Z wird die Unsicherheit teils vermindert, teils vermehrt, v. 26 ist mit Z und Singer (461) und da der übermäze nieman niht gedenketx) zu schreiben,- v. 29 findet ieglich man (C) wohl eine Stütze an dem iegeslicher man des nächsten Spruches, sodatz man nicht sinnec für das sinrich in Z (so Michels) zu vermuten braucht; v. 32 l. mit Z wart durch daz den Huten üf geleit (Michels) und v. 33 ist mit Singer mceze und trüege zu schreiben. 29, 36 I. wie zimt einem b. m. (Michels und ähnlich Singer); 30, 7 I. swer also vil getrinket (Singer, Michels); 8 l. wohl mit Z erkennet niht, da mit hat er gebrochen sin gebot (Singer), ver­ dächtig ist mir in v. 5 sus (B) mit abhängigem daz*Sa$*2),3 s. Sievers, Beitr. 12, 498 ff.; da Z dar umme schreibt, darf man wohl des vermuten. Lateinische parallelen zu 36 ff. und 7 f. gibt auch noch Schon­ bach 349.—4. Über lieber (st. des normalen gerner) vgl. Haupt z. Reifen 52, 9.

30, 9—18. Das Verhältnis bet durch hinzutreten von Z auch hier seit neuerer Zeit vermehrten Zeugen hat Michels (I 480) richtig beurteilt. Bt bilden eine Gruppe, das zeigt das vulgärere, eine gezwungene Wortstellung und den Auftakt mit sich bringende daz in v. 9 sowie die starke Abweichung vom Echten in v. 11; anderseits stehn zusammen Z und o, wie mir siben st. zwei (BC, dry t) zu zeigen scheint b); zu Z(o) stellt sich auch C, denn lobeliche (v. 2) ist weniger elegant als hoveliche(n); auch ist letzteres in Verbindung mit tuon *) das von Lachmann ergänzte da steht in Z, ist also zu belassen. 2) Michels z. St. will sus freilich auf das vorhergehende beziehen, aber es geht nichts vorher, wozu sus trinke passen würde. 3) gegenüber Singers dankenswerten parallelen (462) ist doch auf die von Haupt z. St. gegebene parallele zu verweisen, die der Fassung in obigem Spruch am nächsten kommt und die gleichfalls die Zahl zwei hat. Auch scheint mir eine Steigerung mehr im Sinne späterer Schreiber als eine Abschwächung. Kraus, Walther von der Vogelweide.

98

30,9

bei Walther bezeugt (86, 26). 3no. 11 scheint mir schon das Schwan­ ken zwischen ald—alder (B) und und—und (tZ) zugunsten des in C überlieferten Asyndetons zu sprechen (anders Michels); mit Lachmanns taste vermag ich mich nicht zu befreunden: tZ haben übereinstimmend geratex) und BC stehn mit ihrem rcete ihnen sehr nahe,- auch wäre teste: mit toste denn doch ein zu plumper rührender Reim. Ich möchte also schreiben: mit gebosrde, mit gewisser rede, mit gercste, wobei gercete in der oft bezeugten Bedeutung 'Unterstützung, Ausstattung' die notwendige Steigerung gegenüber den beiden vorher genannten Begriffen ergibt, mit gebosrde sowie mit gewisser rede sind viel gewählter als mit Worten und mit werken (Bt); auch ergibt mit gercste keine Steigerung, wenn mit werken vorhergeht. In v. 12 ist für das vereinzelte griulet (C) sicher grüset der anderen vier Handschriften einzutauschen (wackernagel, Singer), v. 15 stehn wieder Bt zusammen mit luter (> Hehler t) auf dbentrot be­ zogen, während CZ süeze schreiben. Dafür steht das luter in CZ vor meere, während B hier liebiu, t schone haben. Den Ausschlag scheint mir hier o zu geben, die, obwohl mit Z enger verwandt, das luter neben (wenn auch hinter) dem Wort Abendrot überliefert, während vor meere das Adjektiv guote erscheint: schone t war schon im Eingang des Verses angebracht: schone als eyn auent rote luterere (ist gemeint: luter ere?) Dat bezeygent vruonden guote mere. Ich möchte also schreiben: luter als der dbentrot7), der kündet süeziu meere. Damit ist der Hiatus vermieden, den süeze vor als hervorruft,- auch tritt nun zu meere ein passendes (auch sonst so bezeugtes Adjektiv*3)), 2 wie auch luter bei dbentrot seine parallelen hat (schon im Althochdeutschen bei luft, tag, leoht belegt). Der be­ stimmte Artikel bei dbentrot (BC) scheint mir poetischer als der un­ bestimmte (tZo). In v. 16 hat Wichels wegen lachet er (t) und lachen (Z) ein lache et erschlossen. Doch ist der Schluß lache ab anderswd (ab BC) ähnlich 177, 8 zu finden 4). x) für das sich auch Singer und Wichels entscheiden. 2) so schon wackernagel 3) s. whd. Wb. II 1, 75b, wo freilich das Zitat aus Ulrichs Zrauendienst irgendwie verdruckt ist. Daß dieses süeziu in den Handschriften B, t, o in liebiu, schone, guote vulgarisiert wurde, ist nicht weiter verwunder­ lich: gerade diese Mannigfaltigkeit zeigt, daß ein exotischeres Wort zugrunde liegen muß. 4) während et 185, 35 auf einer falschen Vermutung Lachmanns beruht, s. z. St.

30,1»

99

Michels Hai den Spruch für 'zweifelhaft' erklärt (II 477). Aber es geschah wohl nur wegen des vermeintlichen rührenden Reimer (II 145). Sonst kann ich nichts finden was gegen Walthers Art wäre.

30,19-28. Die Kritik kann bei diesem nur in B sowie sehr frei in t über­ lieferten Spruch wohl nur den Grundsatz beobachten, sich soweit irgend möglich an B zu halten und dort, wo sie deutlich versagt, bei t Anlehnung zu suchen. Auftaktregelung kann hier so wenig wie bei den sonstigen Sprüchen dieses Tons angestrebt werden. Ich übernehme also bei v. 20 von Michels die Zassung: so solt er uz siner milte des geruochen, streiche in v. 21 das gar, das neben dem gar des folgenden Verses übel klingt und in t nicht steht *), und gebe dem Vers 24 folgende Zassung: der üz der hant dem man sich win­ det als ein äl, da mir das Auseinandergehen der Wortstellung in den zwei Handschriften auf eine ungewöhnliche Wortfolge im Ori­ ginal zu deuten scheint und rehte (C) in t fehlt. Im vorletzten Vers ist Lachmanns wesen als der Änderung Wackernagels sin alsam wohl vorzuziehen, da das alsam neben dem als des Schlußverses doch zu deutlich die Rot verrät, den Sähen eine gebundene Zorm zu geben. vaß Walthers Verfasserschaft unsicher ist, hat wilmanns (1303f.) hervorgehoben, wie mir scheint, mit Recht. Oer Spruch hat wenig Gedanken bei viel Worten, der vergleich mit dem Aal und dem Zels ist ganz landläufig, und der eigenartigere sieht und eben als ein vil wol gemachter zein steht bei Walther bekanntlich im Palästinalied (15, 32): sieht und ebener danne ein zein *2). warum Gott gerade aus seiner milte heraus die Zalschen schon auf Erden brandmarken sollte, ist nicht recht einzusehen, und der Ausdruck für dieses Brand­ marken (zorneclichen sere wundern) ist reichlich ungeschickt und un­ klar. Auch zeigt die Vorliebe für das Wort man (30, 24. 27) eine *) außerdem einen schiefen Gegensatz zu üz den vahchen ergibt: wo bleiben die, die nicht ganz zuverlässig sind? 2) vielleicht war die Ähnlichkeit mit Walthers Zassung sogar noch größer. Aus den Abweichungen der Handschriften ((üf triuwe sieht und eben als B, an gantzen triiwen siechtet danne t) könnte man für das Original sehr wohl auf die Zassung schließen: sieht und ebener danne.

große Familienähnlichkeit mit seiner häufigen Verwendung in anderen unechten Sprüchen dieses Tons (29, 27. 29. 36; 30, 5. 7)1). Daß zein 'gegossener Lisenstab' bedeute (Schönbach II 16 f.), ist mir hier (28) so wenig wahrscheinlich wie 15, 32: hier steht schon entgegen, daß die Festigkeit bereits im vorhergehenden Vers mit dem Zeisen verglichen war, so daß es sich beim vergleich mit dem zein nur mehr um die Glätte und die Geradheit handeln kann. 30,29—31,2 und 31,3—12. Zur niederen Kritik ist nicht viel zu bemerken: v. 29 ist Lachmanns Vorschlag von allen Herausgebern (außer Paul) mit Recht angenommen worden; auch v. 31 klingt der Vers nach seiner Ge­ staltung besser als bei Michels; v. 34 paßt wir (C und Lachmann) wohl besser als ich (A und wackernagel), da letzteres dem verdacht unterliegt, aus dem ich in v. 31,1 zu stammen, während der Plural wir (hätt vereischet) zu dem was der Verfasser die Hute jehen hörte, in besserer parallele steht; v. 35 ist mit wackernagel wohl die ältere konsonantische Form friunt (gewande) nach A vorzuziehen; v. 36 versteh ich gotes lehen mit Schönbach und Singer (464) als das von Gott gegebene Lehen der Blutsverwandtschaft (zum Unterschied von der Freundschaft mit einem Fremden, die man selbst erworben hat), also 'die eigenen Leute', wie Lachmann z. St. erklärt. Dann ist aber mit nach (C) oder mit von (A)2) nichts anzufangen, weshalb Lachmann onch vermutete. Deutlicher schiene mir an; 'das soll bei Blutsverwandten noch oft eintreten'3). In v. 2 gibt das von Singer (464) verwendete Zitat aus dem Renner keine Entscheidung für den Wortlaut im Unfang unseres Verses, s. Freidank (Grimm) 95, 18 und die dazu verzeichneten Lesarten. Man wird also mit Lachmann bei dem durch C gegebenen (und in A wohl nur ver­ schriebenen) Singular gewissen friunt bleiben und ebenso den Plural beider Handschriften versuochtiu swert beibehalten. Das ersehen (A) hat seit wackernagel mehrere Unhänger gefunden: es paßt A) weshalb Lachmann kaum im Recht ist, wenn er (zu 30, 24) dem man in mir ändern will. 2) von gotes Ure (wackernagel) entfernt sich zu sehr, ist zu unbestimmt und wäre doch kaum in lehen, lene geändert worden. 3) A hat gotes lehen wohl auf libes unde guotes (33) bezogen und daher kausales von eingesetzt, vgl. Dietmar d. Setzer MSH. II 174b lip nnde guot daz ist von goto ein leiten.

30, 29.

31,

3

101

aber im Mittelhochdeutschen sowenig wie im heutigen Deutsch, da es ja nicht aus das Gewahrwerden ankommt (seinen Zreund und seine Schwerter hat er ja längst erblickt), sondern darauf, ;u sehen, wie sie sich in Zeiten der Not bewähren. Das Kompositum stammt wohl aus v. 31, wo es durchaus sinngemäß steht. Da hier C das Echte hat, so wird man ihr auch mit dem Plural nczten folgen, zumal der Singular in A leicht eingesetzt sein kann, um für das folgende er- Raum zu schaffen. Sn der nächsten Strophe hat v. 5 Anstoß gegeben, bei Lachmann zu einer Vermutung, bei Pfeiffer zu einer Änderung. Die Schwierig­ keit, die der Vers in der Überlieferung bietet, wird einfacher behoben, wenn man wären (A) in wceren ändert 0, so daß der Vers die Fort­ setzung des Rates enthält, den die ougen und sinne dem Dichter erteilt haben: so ist auch sein Entschluß, ihnen nicht mehr zu folgen, um so besser begründet. Nach innen ist Doppelpunkt zu setzen: 'aber da*2)3war (l. was st. wart mit Simrock) ein weniges hineingetan worden' (in die Legierung nämlich, Singer), 'das keinen Bestand hatte', v. 9 f. wenn man v. 10 als wünschenden Ausruf faßt (Schönbach II 29), kommt ein unmöglicher Sinn heraus: der Dichter kann doch nicht wünschen, daß sich ein jeder auf das Schwert hätte verlassen mögen, — wenn es fest gewesen wäre. 12. Lachmann hat den zu kurzen Vers durch Einsetzung des Wortes schäme auf­ gefüllt. Aber die Bedenken Pauls, Leitr. 8, 202 f., scheinen mir wohlbegründet, denn übele muß natürlich für beide Aussagen die­ selbe Bedeutung haben, entweder die negative 'wenig' oder die positive, verstärkende. Die erstere paßt dem Zusammenhang nach allein für des Dichters eigene Empfindung (da er ja den Spruch mit den Worten begonnen hat: Ich wil niht me den ougen volgen noch den sinnen, Diu rieten mir usw. und es in der vorletzten Zeile beklagt, die Täuschung erfahren zu haben); somit muß sie auch für das was er von den Schwertern aussagt, angenommen werden,was bestätigt wird durch den Sprachgebrauch, denn übele gunnen mit Genitiv des (Objektes bedeutet 'etwas nicht gerne mögen', 'etwas bedauern, nicht gerne wollen'2). Auch das paar lasier— x) und für beidiu (A) beide schreibt: die Elision in der Senkung, die Lachmann Walther nicht zutraut, mag ein anderer Dichter sich gestattet haben. 2) I. adversatives d6 st. dd, eine nicht seltene Vertauschung. 3) wie übel gunde si den boten dirre sage 'wie leid tat es ihr dies DOM

102

30,29.

31, 3

schade findet sich anderwärts verbunden*). Paul hat daher mit seiner Kritik sicherlich Recht, nur befriedigt sein eigener Vorschlag (Wie übel ich nü mir des schaden und in des lasters gan) wenig, da der Vers hart klingt und die Ersetzung des mich durch mir zwei Annahmen nötig macht: daß A nicht nur ausgelassen, sondern auch noch geändert hat. Ich würde also lieber schreiben: Wie übel ich mich des schaden fr öuwe*2) 1und in des lasters gan: 'wie sehr schmerzt mich mein Schaden und ihre Schmach'. Gb die beiden Sprüche von einem Dichter sind oder nicht, ob Ulrich von Singenberg beide verfaßt hat, wie A angibt, oder ob sie beide Walther zugehören (wie für den ersten C meint), ist bekannt­ lich umstritten. vor allem scheint mir Walther für den ersten Spruch (der ja allein unter seinem Namen geht) nicht in Betracht zu kommen. Gewiß: es ist ein recht guter Spruch und in echter alter Sprache vorgetragen. Uber Walther weiß doch klarer herauszustellen was er meint. Gleich die ersten Verse erfordern vom Hörer weit mehr guten willen als Walther ihnen zuzumuten pflegt. Vas zeigt sich schon in den verschiedenen Auffassungen der Erklärer, vaß der stcete friunt im Eingang soviel ist wie der erborne friunt, kann man erst aus dem siebenten Vers des Spruches deutlich ersehen: friunt heißt hier also 'verwandter'; daß der fremede im zweiten Vers einer ist, mit dem man eine gehaben friuntschaft geschlossen hat, wird erst aus dem vierten Verse deutlich: und friuntschaft bedeutet hier Freundschaft im Gegensatz zu Verwandtschaft. Und wer ist sin hcehert Ist das der fremede (wie ich glaube), oder ist es ein be­ liebiger Unbekannter, der weder mit dem verwandten noch mit dem fremeden identisch ist? Unklar ist auch der Ausdruck geseret; gemeint könnte sein an libe und an guote, aber das erfährt man auch erst aus dem übernächsten Verse, wenn dies aber gemeint ist, dann muß im fünften Vers unter er der Niedrigere und unter den Loten zu hören' Gudr. 528, 2; ich gan iu übel iwers schaden 'ich möchte nicht gern, daß ihr umfämct’, ich nerte iuch gerne Altd. Wälder III 179 (Mhd. Wb. 133*); Trojanerkr. 8295 (bas. III169»); Amis L. 818 (Lexer 1II 1605). 1) s. Nib. 599, 1 (Mhd. Wb. I 940»). 2) vgl. daz ich michs winic vreute parz. 618, 26; ich wcene irs winic iuch gevröut das. 153, 8; kleine entvreut Pass. K. 489, 76 (Mhd. Wb. III 416*°).

30,

29.

31,

3

103

in der höhere verstanden werden: der Sinn des Ganzen aber ver­

langt, daß umgekehrt der Niedrige die Erfahrung macht, daß der höhere für ihn weder Leib und Gut einseht, denn das ist der kumber des Niedrigen, der ihn wieder zu seinen verwandten zurückführt. Zaßt man den Sinn so — und das mutz man wohl —, dann muh man geseret als Nusdruck für 'enttäuscht' fassen, was nicht gerade zutreffend genannt werden kann, wie schwierig schließlich der unvermittelte Nusdruck gotes lehen zu deuten ist, zeigen die bei Michels verzeichneten mannigfachen Vorschläge der Erklärer, und auch schon die Zehler der beiden Schreiber. Der zweite Spruch hängt mit seinem Vorgänger in A äußer­ lich zusammen, innerlich hat er mit ihm nichts zu tun, wenn man seinen Inhalt schärfer ins Nuge faßt. Äußerlich freilich ist er mit ihm auf das engste verkettet, wie schon Lachmann gesehen hat. vie zwei bleiben vollkommen unklar, wenn nicht der andere Spruch vorhergegangen ist. Zreilich auch so sind sie es noch reichlich, 'wer die zwei treulosen Zreunde sind, fragen wir vergebens' sagt Lach­ mann. versuche, sie zu ermitteln, hat wilmanns gemacht und selbst als unsicher bezeichnet; andere Deutungen bei Ruttner Zs. f. d. Phil. 14, 466 ff. und bei Singer 462 ff. Sie alle gehn von der Ansicht aus, daß unter dem zwei zwei unzuverlässige Zreunde gemeint seien. Das wäre möglich, aber doch nur in bildlichem Nusdruck, denn das neutrale zwei st. zwene macht einen unmittelbaren Bezug auf Männer unmöglich x). Auch ist es an sich nicht das natürliche, daß in einem solchen allgemeinen Spruch von einer so individuellen Erfahrung die Rede ist, daß zwei Zreunde sich als treulos erwiesen: so ist denn auch in der vorher­ gehenden Strophe nur von tinem stceten und gewissen friunde, von einem fremeden und Einern hczhern die Hebe; oder aber es wird, wie 30,34 ff., der die Nllgemeingültigkeit ausdrückende Plural gewählt. Ebenso unnatürlich wäre es, just von zwei Schwertern zu sprechen: man erwartet entweder eines (das den Sprechenden im Stiche gelassen) oder aber alle (die je versagt haben, s. den Plural versuochtiu swert 31, 2). Ich meine also, zwei geht auf einen Zreund *) wilmanns' Hinweis auf Lexer 3,1210 kommt für die Zeit unseres Spruches nicht in Betracht. So meint er denn auch, das Bild diu swert, das in den folgenden Versen festgehalten werde, habe die Wahl des Ge­ schlechts hervorgerufen.

104

31,12

und aus ein Schwert. Damit erklärt sich auch das sonderbare Schwanken in den folgenden Ausdrücken: minnen patzt besser für den Kreund, die Verse 5. 6 und 8 ff. passen für beide gleich gut, und v. 7 patzt wörtlich genommen nur für das Schwert. Sehr geschickt ist das nicht. Ebensowenig geschickt ist die Art, wie dieser Spruch mit dem vorhergehenden verbunden ist. Dort war das Thema: der Bluts­ verwandte ist zuverlässiger als der erwählte $teunb; nur die beiden letzten Zeilen schwenken ab zu dem allgemeinen Satz: in der Not erkennt man den Zreund als zuverlässig und die Schwerter als er­ probt. hier aber ist ausschlietzlich ein Beispiel für diesen allgemeinen Satz ausgeführt. Ich möchte darin kein Anzeichen sehen, datz die zweite Strophe von einem andern Verfasser herrührt,- wohl aber einen Beweis, datz der Verfasser nicht ganz klar auf ein Ziel los­ zugehn vermag, zu welchem Eindruck im einzelnen wieder allerlei etwas verschwommene Ausdrucksweisen stimmen: dö was ein wenic in geleit . . . und wcere eht niht wan daz alleine drinne vermiten. Ich meine also, Walthers Eigentum sind diese Sprüche nichts. Gb sie Ulrich von Singenberg zugehören, wie Wackernagel für den zweiten, Singer für alle beide angenommen hat, gehört auf ein anderes Blatt. 31,13—22. Die Auftaktregelung (s. hierüber Michels II 149 f.) ist auch bei den Sprüchen dieses (Ions12) nach dem Vorgang Lachmanns von mir nirgends angestrebt: Änderungen, die nur zu ihren Gunsten unternommen sind, übergehe ich. Lachmanns Text bleibt, auch bezüglich der Zlutznamen (s. Michels z. St.) aufrecht. Er hat mit Recht in v. 16 hoher muot (BC) st. hövescher m. (A und Pfeiffer, Wilmanns) gewählt, denn der höhe muot ist hier die Stimmung, die durch den Gesang hervorgerufen wird (s. etwa 100, 7; 60, 23); die Worte sol ichz (das Gut) alsö gewinnen, so ganc släfen, höher muot haben also tieferen Sinn: 'wenn ich ohne Bedenklichkeit (durch mein Singen) Gut erwerben soll, dann ist es aus mit der erhöhten Stimmung (mit der Lebensfreude der Gesell1) lütlmarms hat ihre Echtheit bereits bezweifelt, bei Paul stehn sie unter den Zweifelhaften und Unechten. 2) über den noch Paul, Beitr. 8, 200 und heusler § 799 zu vergleichen sind: beide geben dem letzten Vers 8 Takte mit schwerklingendem Ausgang.

31, 23

105

schaft)': das heißt, 'dann will ich überhaupt nicht mehr singen', eine Drohung, wie sie Walther bekanntlich öfter ausspricht, s. be­ sonders 91, 14 Diu werlt enste dem schiere baz, So wil ich leben So ich beste mac und minen sanc üf geben. Demgegenüber wirkt hövescher muot ganz nichtssagend, v. 17 ist das von Lachmann vermutete e für ie zwar deutlicher, aber nicht unbedingt notwendig. Daß man keinen Grund hat, die von Walther angegebenen Grenzen seiner Wanderungenx) für fiktiv zu halten (Lachmann zu 14, 38), betont Burdach I 42 mit Recht. Die Vermutung Lunzers, daß unter der Seine*2) die Franzosen, unter dem Po die Italiener zu verstehn seien (Zs. 67, 143 f.), ist ansprechend und ließe sich auch aus die beiden anderen Flüsse mit entsprechender Änderung über­ tragen, auf die Trawe bei Lübeck in Hinblick auf die Darlegungen Burdachs I 307 ff. Die Zeitbestimmungen schwanken sehr: Burdach an der zuletzt genannten Stelle meint etwa 1199 oder 1200, während Singer (458) das Jahr 1219 nennt, wegen der weiten Reisen, die in Zusammenhang mit der Stelle im Preislied 56, 38 stünden und dessen 'Umarbeitung' er in dieselbe Zeit seht. Uber er hebt auch gedankliche Berührungen mit 8,14 hervor (464), also einem Ton von großer Altertüm­ lichkeit. Ich halte eine feste Datierung für aussichtslos. 31, 23—32. 29. sit (hinaht): pfaff in seinem Abdruck von C verzeichnet sin; in der Handschrift steht aber nach Ausweis der Reproduktion des Jnselverlags ganz deutlich sit. wenn Walther sagt: 'sit hinaht hie, sit morgen dort\ waz gougelfuore ist daz!, so kann das Wort fuore nur auf sein eigenes Gehaben gehn, keineswegs auf das Gehaben der andern: 'wie possenhaft wird einem mitgespielt!' (wallner 35, 196 s.) kann also nicht der Sinn sein, sondern das ewige hin und her des Fahrenden muß mit dem Worte bezeichnet sein. Dafür geben die neueren Wörterbücher auch genügende Belege, insbesondere das Deutsche Wörterbuch von 'Gaukel' bis 'Gaukler'. Daß diese Bedeutung in mittelhochdeutscher Zeit nicht belegt ist, kann bei *) die Stelle hat Neidhart bekanntlich parodiert, Burdach I 101. 2) wer ein Zeugnis für ibre Berühmtheit braucht, findet es bei Schön­ bach II 31.

106

31,

33.

32,7

einem Wort dieser Art nicht verwundern: wo findet man einen alten Beleg für guggaldei (82, 21)? Da gougel- und gogel- mehr­ fach verwechselt werden, so ist nicht auszumachen, welche §orm Walther gebraucht hat. 32. herre (BC und Paul) ergibt einen Takt zu viel (oder einen unmöglichen zweisilbigen Auftakt), her (wackernagel) ist ohne folgenden Namen oder Titel bei einem Lgriker aus dieser Zeit bedenklich, verdirbt auch etwas die Pointe, die in dem schäch steckt *); so ist Lachmanns nü (A) wohl beizubehalten. Über das Verhältnis zu verwandten Sprüchen s. zu 84, 30.

31 , 33—32, 6. 33. numme mit wackernagel gegen alle drei Handschriften zu schreiben, liegt kein Grund vor. 32, 4. Da Walther sonst Osterriche nicht apokopiert, so ist Lachmanns Bedenken gerechtfertigt. Aber einfacher als seine Vermutung, Osterlant an die Stelle zu setzen, ist die von Bartsch, Pfeiffer u. a. vorgenommene Streichung des nü. Über den Zusammenhang mit dem folgenden Spruch s. bei diesem.

32, 7—16. Don den verschiedenen Erklärungen der schwierigen Verse 12 ff. scheint mir folgende die ungezwungenste: 'wenn ich in meiner höfischen weise singe, dann beklagen sie sich darüber bei Stolle. Aber fürwahr auch mir schwillt vielleicht die Zornesader: da sie nun einmal Boshaftes13) 2wollen, so werde ich ihnen (damit) den hals schon vollstopfen. In Österreich zuerst, wo ich das (höfische) Singen gelernt habe, da will ich mich bei Leopold beklagen (im Gegen­ satz zu jenen, die sich anderwärts bei Stolle beklagten)3). wenn ich bei ihm höfischen Schuh finde (statt daß meine höfische weise 1) ir (Pfeiffer) ist aus der Luft geholt. — Schönbach II 31 findet den Vers 31 nicht völlig verständlich, da das Schachbieten zwar den Spieler verdrieße, der Gast aber doch nicht allezeit eine Last sei: er übersah, daß nicht 'allezeit', sondern selten dasteht und daß im Spiel nicht jedes 'Schach' gefährlich ist. 2) anders Burdach I 300, der Schalkheit als 'Bedientenhaftigkeit' faßt, was wohl für 32, 27 ff. zutrifft, aber doch kaum bier. 3) Burdach 298.

32,17

107

wie bei jenen beklagt wird), dann ist der Sinn beruhigt (die Zornes­ ader wieder entswollen)’. Vieser Spruch ist eine Absage an den Hof, an dem er solch üble Erfahrungen gemacht hatte. Der Dichter äußert hier im Eingang die Absicht, scharf zu werden und gebieterisch aufzutreten (Nü wil ich ... da wil ich), und am Schluß die weitere, sich bei Leopold zu beklagen (wiederum da wil ich). (Db er die eine Absicht im Rahmen des Spruches selbst erfüllt meinte, oder ob er sie in einem besonderen Spruch ausführte, ist unsicher, aber wahrscheinlicher doch wohl das letztere. Der Schluß dagegen kündigt ganz sicher den in AC fälschlich vorangehenden Spruch cm: darin hat Burdach I 300 gegenüber Rieger Recht, und dafür spricht auch, wie Surdach bemerkt, daß er in dem zeitlich früheren, außerhalb Österreichs vorgetragenen, der noch mit der bloßen Ankündigung, sich an Leopold zu wenden, schließt, von dem Herzog in der dritten Person redet, während er ihn in dem nun folgenden, in dem er die Ankündigung verwirk­ licht, direkt apostrophiert1). Auf diesen Spruch muß eine Belohnung erfolgt sein, für die Walther mit der Strophe 34, 34 gedankt hat,denn auf die Worte: vind ich an Liupolt höveschen tröst (32, 16) greisen ganz unverkennbar zurück die späteren: so ist min höfscher tröst zehant da bi, Liupolt (34,37), wie Rieger, Zs. 47, 229 richtig gesehen hat. Den Anklang von v. 9 f. an Reimar 162, 30 hat vor Paul schon Burdach beobachtet, s. Beitr. 8, 465. Gegen die mißverständliche Auffassung des berühmten Verses 32, 14 bei wallner s. die treffenden Ausführungen Plenios 42, 427 und Anmerkung.

32,17—26. 17. Über Kerendceres (nicht: Kerndceres) s. die überzeugenden Bemerkungen plenios 43, 69 Anm. 18. dur ein vermissen kann2) nicht bedeuten 'weil es ihm an Mitteln fehlte' (wilmanns und Michels), sondern ist mit dem vor­ hergehenden in Beziehung zu bringen: 'ich habe seine Gabe oft empfangen: will er mir nun, weil MK. 92, 18), ps.-hausen (44, 8 > MK. 55, 4?) und Ps.-Reimar (44, 9> MK. 193, 6), s. halbach 36 und 14 flntn.; Bur­ dach 148 und halbach, Zs. 65, 174 5. 6 Daß unser Dialog Walthers spätere Scheidung von guten und unwürdigen Krauen nicht voraussetzt, weil übel nnde guot viel all­ gemeiner auf Laster und Tugend zu beziehen ist, hat Korn (64 f.) mit Recht bemerkt. Ich hatte (Rettn. III 24) unser Lied von Reim. Nr. 12 (MK. 152, 25 und 'Walther' 71, 19. 27) und von Reim. Nr. 14 (MK. 159,1) beeinflußt sein lassen, halbach hingegen (132. 79 s.) setzt es vor Nr. 124). Aber die parallele zwischen Walther und Dietmar (43, 9 < MK. 39, 4), die ihn hiezu veranlaßt, scheint mir unsicher, und vor allem wäre uns beiden der Boden entzogen, wenn das Lied Nr. 12 unecht ist, wie Nordmeger 31, 38142 und 38856 ver­ mutet. Doch kann das nur eine Untersuchung lehren, wie dieser Gelehrte sie weiterhin in Aussicht stellt, d. h. eine, die sich zusammen­ hängend aus die ganze Lgrik Reimars erstreckt. Iedesfalls trage ich wegen des ungemein natürlichen Klusses, den unser Dialog besitzt, starke Bedenken, ihn mit Walthers Botengespräch 120,16 (und dazu MK. 214, 34) in öine Zeit und noch dazu vor das Boten­ gespräch zu setzen3) (halbach (t. a. ®.; ihm folgend Korn). Da 2) so Jellinek, der die Abfertigung bereits auf das küssen bezogen hat. 2) Die Verknüpfung der Strophen durch gleiche Worte hat halbach 28l gut beobachtet. 3) f. Schmidt, Reinmar u. Rugge, S. 19; halbach 14. 4) Ebenso, ihm folgend, Korn a. a. 0. 6) dabei können die parallelen, die halbach (83) zwischen beiden auf­ zeigt, ruhig bestehn bleiben.

43, e

147

scheint mir Burdach mehr im Rechte, der (123) das Gespräch in die früheste Zeit verweist, 'wenn die Echtheit sicher verbürgt wäre', während er den Dialog in eine spätere, nachwienerische Zeit verlegt (S. 147). Ruch $t. Neumann (a. a. ©. 5. 5) empfindet, daß im Dialog schon 'der reise Walther spricht und doch noch das Gedanken­ haste der Minnelehre stark hervortritt'. Nun, das gedankenhafte Element ist bei Walther an keine bestimmte Periode gebunden. We­ sentlicher scheint mir, daß unser Dichter hier die Dame bittet, sie möge ihm die mäze geben und daß sie vom wanne verlangt, er solle im gemuoten ze mäze nider unde hS. Das Kehlen dieser mäze aber beklagt Walther in dem Liede 46, 32 mit den Worten unmäze enlät mich äne nSt und begründet diese Selbstanklage mit dem Bekenntnis: wirbe ich nidere, wirbe ich höhe, ich bin verehret. Ich was vil näch ze nidere tot, Nü bin ich aber ze höhe siech. So wie sich der Dichter in 43, 9 an die Dame gewendet hat, damit sie ihn über die mäze berate, so tritt er nun 46,32 an diefroweMäze selbst mit der gleichen Bitte heran: dur daz sd suoche ich, frouwe, iuwern rät, Daz ir mich ebene werben leret. So wie die Dante erklärt, wenn sie die mäze besähe, so wäre sie ein scelic wip (43, 20), so ist für ihn der ein soelic man, der die Lehren -er Mäze befolgt (46, 34). Zum Ruh verlockt in 43, 37 ir (der wibe) minnecltche redender munt, und in 47, 14 sagt Walther von der Dame swie minneclich ir rede si, Mir mac wol schade von ir geschehen: diese Befürchtung ist nach der liebenswürdigen Abfuhr, die sie ihm 44, 9 erteilt hat, nicht ohne Grund. So meine ich, dah der Wechsel 43, 9 der Apostrophe an die Mäze 46, 32 unmittelbar vorhergeht. Damit ist zugleich entschieden, daß das Preislied 56,14 weit früher entstanden ist, als diese beiden Lieder, wie Schneider 211 für den Dialog schon angenommen hat (während halbach und Korn die umgekehrte Reihung vertraten)1). Ähnliche Naturvergleiche wie 43, 33 ff. stellt Roethe zu Rein* mar 116, 8 zusammen. Aber sie sind lange nicht so sinnig, wie nach Jellineks feiner Beobachtung an unserer Stelle. Den Ton behandeln auher Wichels noch heusler § 787 flnm. und Kr. Neumann a. a. ®. S. 6 flnm. 1) Die Beziehung des Dialogs zu Reim. Nr. 11 (lüg. 201,33), die halbach (80) findet, käme auf das Konto eines Pseudo-Neimar, wenn Nord« meyer 31, 38142 mit Recht die Echtheit in Zweifel zieht.

44, u. 17l,i

148

44,11—34 und 171,1—24. übet die Änderungen des Textes, die sich durch das hinzu­ kommen der Berliner Bruchstücke O ergeben, habe ich Zs. 70, 89 f. eingehend gehandelt. Seit Wackernagel und Paul1) sind sämtliche vier Strophen als Walthers Eigentum anerkannt, nur wilmanns S. 426 f. und halbach 83 verhalten sich gegenüber 171,1 ff. etwas zweifelnd. Dagegen findet man den Zusammenhang lose (doch sieh wieder Wilmanns a. a. ©.), und so trennen alle Herausgeber nach Lach­ mann die einzelnen Strophen voneinander: wie mir scheint, mit Unrecht. wenn man zunächst den Inhalt der vier Strophen (in der Reihe 60. 61 B, 149. 150 E)2) in den Hauptzügen betrachtet, so erhält man folgenden abgeschlossenen Gedankengang: in I (44,11) sagt Walther aus, von der Dame getrennt zu sein, in II (44, 23) führt er diese Trennung auf die lügenwre zurück, in III (171,1) gibt er den Grund für den Hatz der lügemre an, und in IV (171,13) zieht er daraus die Folgerung, mit solchen künftig nicht mehr zu reden. Die Richtigkeit dieser Analyse läßt sich durch eine Interpretation im einzelnen erweisen, die zugleich für die Zusammengehörigkeit der vier Strophen weitere Beweise erbringt. Zür das richtige Derständnis der ersten Strophe, die so vielfache, m. E. unrichtige Deutungen erfahren hat3), mutz man beachten, daß das underwüent im Eingang in Gegensatz steht zu dem dicke in Dets 5, und daß die beiden hie D. 1 und 7 den Grt meinen müssen, an dem der Dichter mit seinem Leibe weilt, während das dar im letzten Dets im Gegensatz dazu den Grt bezeichnet, an dem die Ge­ liebte weilt. Dann ergibt sich folgender Sinn: Meine Herrin ist, wie ich wohl wähnen darf4),* so gütig, daß sie bisweilen (mit ihren Gedanken) hier weilt. Ich aber habe mich von ihr überhaupt noch nie getrennts). wenn also eine Liebe die andere aufsucht, so schweift sie mit ihren Gedanken gar oft in die Zerne, wie ich es tue6); denn

') Dorr. S.

XXVI f. bzw. Beitr. 2, 173 ff. 2) lvilmanns reiht 150 E, 61B, 149 E, 60 B, indem er im einzelnen mehrfach schief interpretiert.

3) Burdach 146 f.; wilmanns zu 44,19; Rieger, Zs. 47,60 f.

*) vüol gehört zu wcene; das Komma vorher ist also zu streichen. 6) noch (nie), nämlich seit dem Tage, da ich sie zuerst traf. 6) der Gegensatz zu underwilent käme noch deutlicher heraus, wenn

44,11. 171,1

149

wenn mein Leib auch hier ist, so weilt mein Sinnen doch bei ihr und will nicht von ihr, und damit genug. Nun wollte ich nur, es würde ihr aufmerksam dienen (durch Lieder natürlich) und doch meiner selbst darob nicht vergessen. Aber was Hilsts (bei dieser Sachlage), die Augen zu schließen? sie schauen ja doch durch mein herz (d. i. durch mein Sinnen) zu ihr hin', Walther meint also: wenn ich mit ihr beisammen wäre und sie nur mit den leiblichen Augen betrachtete, dann könnte ich meine Besinnung bewahren, indem ich die Augen schlösse,- so aber nützt mir das auch nichts, weil ich, obwohl getrennt von ihr, sie ja doch stets mit den Augen der Liebe vor mir sehe. — In II beginnt der Dichter: 'Ich würde glück­ lich leben (statt so qualvoll, daß der sin von meinem Übe getrennt ist) und ohne Anfechtung, wenn die lügencere nicht so in Ansehen stünden. Der Kampf zwischen ihnen und mir wird lange (d. i. stets) dauern; denn, was ihnen Kreude macht, muß mir immer herzleid bringen (damit ist deutlich gesagt, daß sie die Schuld an der in I behandelten Trennung von der Geliebten tragen). (Es ist zum (Erbarmen, daß sie so ungehindert einhergehn und niemand Guten (also auch den Dichter nicht) ungeschädigt lassen. Sie planen stets Unbeständigkeit, Schändliches, Sünde und Unehrenhaftes, wo immer man auf sie hört. Weh, daß man ihnen nicht ausweicht! Vas wird noch mancher Krau verhängnisvoll und hat schon viele Herren erniedrigt'. — In III fährt der Dichter fort: 'Noch immer muß ich versteckte Anfeindung wegen eines Wortes ertragen, das ich einst sprach. Aber was kann ich dafür, wenn sie darob zürnen? *) Ich bleibe doch bei meinem Wort2). Ich sang von der wahren minne, daß sie frei von Kehl sei: der falschen gedachte ich dabei auch, und mein herz riet mir, sie unminne zu nennen. Das tat ich $). Nun hassen mich die, die ihr stöhnen. Bei Gott, ihr Krauen, wenn ich vertrieben werde, so nehmt mich in euren Schutz'. Walther gibt man statt vil (dicke), bas ja nur von E geboten ist (BCO fehlt vil), $6 schreiben würde: 'sie würde so oft mit ihren Gedanken in die gerne schweifen wie ich'. l) l. mit Waaernagel tvaz mac ichs (ich EO), zürnents (züment sie O, zürnen E) umbe daz. =) l. des (Paul) st. daz EO. 9) daz und ich haben stärkeren Akzent als tet; denn der Dichter legt ja fest, was 4r gesagt hat gegenüber dem, was die Verdreher seines Wortes daraus gemacht haben. Damit erledigen sich Lachmanns Bedenken gegen diesen versschlutz (zu 44,34) und wird gegenstandslos, was tch ZTCetr. Unter­ suchungen zu Reinbots Georg 5. 177 an dieser Stelle auszusehen hatte.

uns also mit dieser Strophe nähere Erklärung: wir erfahren, daß die lügenosre der vorhergehenden Strophe Anhänger der falschen tninne sind, daß die Trennung von der Geliebten durch sie veranlaßt wird (vertriben), und daß ihr haz (oder nit 44, 23) auf ein Wort zurückgeht, in dem der Dichter die falsche minne gebrandmarkt hat. Damit bekommen nun auch die sehr allgemeinen Äußerungen in den vorhergehenden Versen einen bestimmten Bezug: das, was die lügenosre rätent, ist die falsche Liebe, die ja in der Tat unstete, schände, sünde, unere in ihrem Gefolge hat und so maneger frowen schade wirt und zugleich die herren, die ihr fröhnen, erniedrigt *). — In der letzten Strophe endlich werden wir aufgeklärt, auf welche Weise die lügencere ihn von der Geliebten getrennt haben: sie haben seine richtigen Worte (von der wahren und falschen minne) ver­ dreht (in welcher Weise, darüber s. u.) und dadurch die Geliebte bewogen, sich von ihm fernzuhalten. Darum wird er sich künftig die Leute, zu denen er spricht, genau ansehen*2) und Spitzbuben gegenüber, die mit ihm reden wollen, Kopfschmerzen vorschützen3). Gestützt wird diese Auffassung unseres Liedes durch das weit ältere Lied 120,16, auf dessen letzte Strophe (INF. 217, 10 ff., s. u. zu 120, 16) sich Walther hier in IV bekanntlich mit einem Zitat bezieht. Venn dort rühmt er an der wahren minne das genaue Gegenteil von dem, was die lügenosre in II unseres Liedes rätent: seinem Wort ir wont vil manic ere bi entspricht hier die unere und die schände; dem Wort (ir) volget michel statte und dar zuo scelikeit steht hier die unstoste und der schade der frowen wie das verderben der herren gegenüber,- da also die guten Wirkungen dort der rehten minne zugeschrieben wurden, so müssen die sch lech*) man beachte dieses herren statt des sonstigen man. 2) im einzelnen wird die Zugehörigkeit der beiden letzten Strophen zu den vorhergehenden durch folgende Beziehungen erwiesen: hie zuo (18) bezieht sich auf vertriben (11). und dieses patzt für die Trennung, die in Strophe I beklagt wird,' wirret (20) nimmt unverworren (Str. II) wieder auf. Der Dichter beklagt seine Hilflosigkeit gegenüber der Trennung und erklärt sich für verirret (17): darum hat er in Str. I den Wunsch ausgesprochen, daß sein sin ihn selbst über der Fürsorge für die Geliebte nicht vergessen möge. Das si in zürnents (3) macht ein vorangangenes Subjekt (lügenosre II) nötig. 3) steckt hinter den letzten Worten eine Anspielung auf ein Sprichwort? Reinmar von Zweier Nr. 183 (Roethe) sagt: Von ungesellen Wirt der man vil dicke houbetsiech . . . Swelch houbetsiech wirt iuwer, der muoz mit schänden an sin ende leben.

ten hier durch die valsche hervorgerufen sein; und diese also ist es, die die lügencere hier raten. Auch sonst steht unsere Strophe II mit jener andern in guter Verbindung; denn seine frühere Äußerung, daß er -er valschen minne immer gehaz sein wolle, erfährt durch den Satz: ir liep muoz iemer sin min herzeleit jetzt die Begründung; und die smlikeit, die mit der echten Liebe nach seinen früheren Worten verbunden ist, die hätte er ohne die Lügner auch jetzt noch (Ich lepte wol). Der Schluß unseres Liedes zeigt starke Berührung mit dem Schluß von Reimars Lied Nr. 21 (175, 36 ff.). 3n beiden Zöllen wird eine durch die Umgebung herbeigeführte Trennung von der Geliebten beflagt1).* 3 Leide Dichter fassen ob dieser schmerzlichen Erfahrung den gleichen Entschluß: Ich wil immer gerner umbe sehen ... daz ich wizzen wil wer bi mir si erklärt Reimar; ähnlich Walther: (ich) wil die friunt erkennen iemer me; Keimars schcenem wort entsprechen Walthers guotiu maere, und der, der mirz verkeren wil bei Reimar ist das Gegenstück zu Walthers Zreunden, die guotiu mzre niht verkerent. Über unsere Strophe hinaus zeigt sich auch in Str. IV ein wörtlicher Anklang an Reimars Strophe: waz mac ichs kehrt an beiden Stellen wieder"). Man wird diese Be­ ziehungen wohl am besten so deuten, daß Walther hier die An­ regung von Reimars Nr. 21 empfangen hat, während Reimars Nr. 22 (178,1) und 23 (160, 6) umgekehrt dem Jugendlied Walthers, auf das unser Dichter hier nach langer Zeit zurückverweist, mehreres verdanken (s. u. zu 120,16). Denn Walther spricht hier (IV) bereits im Ton des bedeutenden, weitberühmten Dichters' (wackernagel 5. XXVI), er verweist mit seinem Bezug auf das wort, das er wilent sprach, auf sein früheres Gedicht als ein recht weit zurück­ liegendes, und er zeigt mit dem pointierten Schlußvers, daß er die Spruchdichtung bereits eifrig geübt hatte"). So kann man hier also deutlich sehen, wie die beiden Dichter sich im Geben und Nehmen ablösten: Nr. 21 wirkt später auf den älteren Walther, wie seinerzeit -er jüngere Walther auf Nr. 22 und 23 gewirkt hatte. 1) für Reimats Lied s. meine Abhandlung II S. 12. *> womit für die Stelle bei Walther Wackernagels Konjektur gesichert ist, und im übrigen ein weiterer Beweis gewonnen, daß III und IV von­ einander nicht getrennt werden dürfen. 3) auch Burdach 146 setzt unser Lied in die Zeit der Selbständigkeit Walthers; ebenso Schneider 84.

über den Ton s. Michels' Vorbemerkung, heusler § 645 B und Kischer § 63. 76. Innerhalb Walthers eigener Dichtung scheint mir die Stellung unseres Liedes fast unmittelbar nach 63, 8 (nur 97, 34 setze ich da­ zwischen) ziemlich gesichert. Dort hatte der Dichter versichert, wenn die Geliebte ihm gnädig sei, sS enruoche ich wes ein baser giht; hier erklärt er: wil ieman löset mit mir reden, ichn mac: ursprüng­ lich hat vielleicht in beiden Liedern dasselbe Adjektiv gestanden, über den nit hat er hier (II 1) wie dort (II 1) zu klagen, und wenn er früher die Bitte aussprach, die Dante möge bewirken, daz min liep in (den Neidern) herzeleide tuo, so hebt er jetzt hervor: ir (der Neider) liep muoz iemer sin min herzeleit. Sind diese Bezüge richtig gedeutet, so hat der nit jetzt zur Trennung geführt (Str. I und vertriben III): der Grund für solche Feindschaft war sein altes Wort gegen die mische minne; das hat ihre Anhänger so ge­ reizt, datz sie dem Dichter nun die Worte im Munde verdrehen. In welcher Weise, kann man vielleicht vermuten: mit dem offenen Aussprechen seiner geheimen wünsche in dem Liede 184,1 hatte Walther, wie wir aus 61, 33 wissen, Anstotz erregt. Wie wenn die Gegner diese wänwise, in der intimstes Beisammensein mit der Geliebten erträumt war, mit dem früheren Wort zusammengehalten hätten, wonach die rehte minne Sünden frt sei, ihn daraufhin bei seiner Geliebten der valschen minne bezichtigten und dadurch die Trennung herbeiführten? Datz Walther Reimars Nr. 21 auch später noch gegenwärtig hatte, ist nicht weiter verwunderlich, war es doch das Lied, in dem sich Reimar gegen dessen Strophen 111, 23. 32 als einen Angriff auf seine Lieder 170,1 (Nr. 13) und 159,1 (Nr. 14) verteidigte, wie Haibach S. 71 f. hübsch dargetan hat, und das zugleich eine 'knappe Darstellung des Streites mit Walther von Nr. 13 an' ent­ hielt, s. Nordmeger 29, 26 ff.

44, 36—45,36. Die Überlieferung ruht nicht auf sehr festem Grunde: die drei Handschriften A, B, C gehn letzten Endes auf öine verderbte (Quelle zurück, wie das Kehlen des unentbehrlichen niht 45, 21 (s. Wacker­ nagel Kundgruben I 305) beweist. 3m übrigen haben B und C für die drei ersten Strophen aus der (Quelle *BC geschöpft (Wilmanns

44, 35

153

II 21), während A auf die Quelle *AC führt (das. II 28)1). Die Schlußstrophe dagegen ist in C aus einer A ähnlichen Sammlung nachgetragen (ders. zu 45, 36); C teilt denn auch mit A die Lücke 45, 31. 32. Unter diesen Umständen kann die Wahl zwischen den Lesarten von A gegenüber BC schwanken, während Lachmann A bevorzugt, hat Wackernagel sich an BC gehalten. Aber 45, 20 ist guoten A durch guot 16 stark gestützt, während reinen BC doch offenbar aus den beiden unmittelbar vorhergehenden Worten reiniu, reine geflossen ist; 45, 10 ist wan ich wart BC lahmer als jon wart ich A; 45, 12 klingt ich lobte BC härter als sd lobte ich A; und 45, 15 ist lösen A, das an 58, 30 eine Stütze hat, jedesfalls dem ge­ wöhnlicheren bcesen BC überlegen. Dagegen möchte ich 45, 7 mit Wackernagel, Pfeiffer das frevellkhe(n) BC gegenüber btmschedeliche A wählen, s. u.; Zweifel bleibt bei 45, 13: die Lesart BC (des enhabe deheiniu muot) bezieht das folgende auf die Stauen im Allgemeinen (oder auf die wandelbceren’i), wie das auch A tut (dies enhaben deheinem muot). Aber passender erscheint es, daß die frowe, die im Eingang der Strophe als Individuum herausgehoben ist und mit der in der folgenden Strophe ein individuelles Gegenbild kon­ trastiert ist, im Derlauf jener Strophe nicht plötzlich spurlos ver­ schwindet. Ich möchte also durch Kontamination herstellen: des enhabe deheinen muot. Dann ergibt sich ein deutlicher gortgang: 'Min frowe meint, ich sei am Ende meines Lobes angelangt: das ist töricht. Aber das soll sie mir nicht zumuten, -aß ich alle gleich­ mäßig lobe'. Lachmann, Wackernagel, Wilmanns habe die Strophe I, Michels die Strophe IV abgetrennt, Pfeiffer und Paul dagegen nicht. Ich glaube, letztere haben recht. *) daher sind die gälte, wo wackernagel B gegen AC bevorzugt hat, sicherlich unrichtig beurteilt. In der Tat bieten AC in 44,38 den lebendigeren Ausdruck, in 45,1 hat B rede als juristischen Terminus ('Verantwortung'), der zu dem folgenden rihten und geklaget so gut paßt, nicht verstanden, und in 45,19 wirkt um* nach dem weiz zwei Verse vorher sehr unschön. Auch 45,7 ist Mtn AC gegen Ein B in den Text zu sehen, s. u. — Sicherlich falsch ist auch Wackernagels Emendation wir (45,3) st. si; denn sie würde besagen, -atz Walther sich den htrren 44,35 zuzählt und wie diese durch Up und guot hervorzuragen bestimmt sei, d. i. durch Tapferkeit und Milte. Walther steckt vielmehr nur unter denen, die den Krauen zum gtobfinn verhelfen sollen (5); s. o. — Auch allez (Bartsch, Pfeiffer sowie auch hudebrand, An;. 26,259) oder alzan (Schönbach II52) für alze 44,38 scheint mir nicht nötig.

In der Eingangsstrophe beschuldigen sich Herren und Krauen gegenseitig wegen der traurigen Gegenwart. Die Herren klagen die Krauen an, sie seien nicht so fröhlich wie einst. Die Krauen verantworten sich dahin, ihre gestörte Fröhlichkeit sei Schuld der Männer, die keine Lebenslust mehr hätten und karg seien,- so ver­ helfe ihnen, den Krauen, niemand zum Krohsinn. Dies die Klage: wer soll richten? Nach dieser ganz allgemeinen und objektiven Darlegung geht Walther in den beiden folgenden Strophen zu dem Teil dieser Anklage über, der ihn selbst und seine frouwe betrifft. Sie hat ihn allzu übermütig verspottetl): sie behauptet, er sei am Ende seines Löbens (in Liedern) angelangt. Das ist töricht, wenn nicht verrückt. Nie war er reicher an Lob. Wenn er es vor den tadelswerten Krauen wagte, so würde er die lobenswerten loben. Aber das soll ihr nicht beifallen, daß er jemals, mag es auch den unguten mihfallen, alle lobe, wenn sie nicht alle gut werden. — Damit hat Walther aus der Eingangsstrophe herausgegriffen, was seine frouwe und ihn selbst angeht. Wie die frouwen den Mrren zum Dorwurf gemacht hatten niemen helfe in hdhes muotes (was bekanntlich in der Lgrik stets auf das Singen zu beziehen ist), so hat auch seine frouwe gegen den Dichter den Dorwurf erhoben, sein Loben (das sie froh machte) sei zu Ende gegangen. Gegen diese Anklage verteidigt er sich: ihn halte nur die Kurcht vor den schlechten Krauen zurück,- sonst hätte er noch genug Lobes in Dorrst. Zum Beweis dessen lobt er nun in der dritten Strophe eine, bei der er nicht zu besorgen braucht, daß sie das Lob reiner wibe gehässig nimmt (wie bei den wandelbeeren II 5), da sie, selbst reine, das Lob der guoten (s. II 10) gerne verträgt2). — Mit diesen beiden Strophen ist der individuelle Kall abgeschlossen u. z. zu ungunsten der frouwe: ihre Anklage ist grundlos. Der Dichter hat keine Schuld an dem Mangel an Krohsinn; wenn er nicht lobt, liegt es nicht an ihm, sondern daran, daß die Schlechten das Lob der Guten nicht vertragen. Die Schlutzstrophe geht nun wieder ins Allgemeine

l) öas ist ein schwerer Vorwurf, s. WGast 397 Ein vrouwe sol niht vrevelich schimpfen, daz st&t vröuwelich; die Stelle spricht für frevelliche (schimpfen), wie BC 45, 7 lesen, auch bei Walther. *) über dar darin verwendete Bild, dar bereits 45, 23 f. einseht (s. Singer 465), vgl. Singer, XDSB. 180,29, dessen reiche Nachweise aus der romanischen Literatur dankenswert sind, während mir die Vermutung, Walther stehe dabei unter Wolframs Einfluh, unwahrscheinlich vorkommt.

wie die erste und gibt die Antwort auf die in dieser aufgeworfene Stage wer sol rihien ?: der Dichter selbst fällt den richterlichen Spruch. Er lautet: die frouwen (wie die pfaffen) sollten sich nicht selbst schädigen, indem sie unter sich keinen Unterschied gelten lassen wollen. Wer den verschampten (d. i. den wandelbceren II 5, den losen II 9) beisteht, wir- auch geneigt sein wie sie zu handeln----- Wehe, daß etwas so edles wie jene beiden mit ihnen geht,- wenn sie sich dessen nicht schämen, werden sie noch gewißlich untergehen. was will das Gedicht? Doch offenbar den Vorwurf zurück­ weisen, Walther habe üz gelobet, d. h. er sei am Ende seiner Lied­ kunst angelangt. Viesen Vorwurf hat seine eigene frouwe erhoben **), er ist darüber äußerst ungehalten, erklärt, daß sie turnbet, ja tobet, gibt zu verstehn, daß sie zu den wandelbceren und zu den lösen ge­ höre, stellt ihr ein reine wip gegenüber, die keinen Anstoß nähme, wenn er nur reiniu wip preise, und schließt damit, er befürchte für alle die verderben, die den verschampten beistehn und mit ihnen, den schamelösen, gemeinsame Sache machen, d. i. sich auf die Seite der von Walther getadelten stellen. Zu alledem muß ein besonderer Anlaß vorliegen, denn all das klingt doch sehr konkret. Nun hat Walther pfaffen, die er für schlecht hielt, bekanntlich oft genug gescholten, und daß es ihnen nicht an Verteidigern gefehlt hat, zeigt schon Thomasin von Zirklaria zur genüge, wo hat er seine frowe, mit der er hier nach all den herben Vorwürfen, die er ihr macht, doch offenkundig fertig ist, gescholten, und wer hat sie verteidigt? Die Antwort gibt das sumerlaten*Zieb (72, 31), gegen das Reimar wiederholt auftrat2), und das auch sonst, wie Walthers spätere Äußerungen verraten2) und wie man auch ohne sie nach der Analogie von Wolffams Scheltlied vermuten dürfte, peinliches Aufsehen in der Gesellschaft erregt haben muß. Vieser Lied konnte in der Tat zu dem Vorwurf Anlaß geben, Walter habe uz gelobet, zumal ihm, wie er im Eingang *) Wenn man wie Lachmann und die anderen Herausgeber in II 1 mit B Ein frowe liest statt mit AC Min frowe, so verstößt man gegen das Handschriftenverhältnis und gewinnt nichts dabei. Denn auch dar müßte (trotz Burdach 152) eine dem Dichter genau bekannte Dame meinen (so wie Ein man lll, 23 Walthers Gegner Reimar meint), d. h. also keine andere als feine eigene frowe. Dgl. zu dem ein in diesem Sinne Zs. 67,3 f. *) s. meinen Reimar III 15 f.

156

44,86

ausspricht, der Entschluß lange zu swtgen vorausgegangen war und die frowe, die hier so gröblich behandelt wurde, dieselbe ist, die es zuvor nicht vertragen wollte, daß Walther (im Preislied 56, 14) edle wip gelobt hatte1). Wenn er in unserem Gedicht er­ klärt: ich wetz si diu daz nihl ennidet Daz man nennet reiniu wip, so geht das deutlich auf denselben Anlaß, aus dem heraus er kur; zuvor (91, 9 ff.) gesungen hatte: Reiniu wip und guote man, Swaz der lebe, die müezen seelic sin; und zu dem Motiv in unserem Ge­ dicht, er habe üz gelobet stimmt vortrefflich die dort angekündigte Absicht (91, 14 ff.): diu werlt ernte dan schiere baz, SS wil ich leben SS ich beste mac und minen sanc üf geben. Ich setze demnach unser Lied 44, 35 unmittelbar nach dem simerlaten-Zieb 72, 31 an 2). Wer aber ist die, die das Lob reiner wtbe nicht anficht, weil sie selbst so schön und rein ist? Die frowe der vorhergehenden Strophe kann es nicht sein, wie Lachmann zu 45, 7 richtig bemerkt hat. Aber wenn er deshalb aus B Ein frowe aufnahm st. mit AC Min frowe zu lesen, so hat er geirrt (s. o. 5.1551). Ich denke, der Dichter hat sich von seiner frowe, der er bisher gedient hatte, schon mit dem Liede 72, 31 endgültig abgewendet und kann ihr daher jetzt getrost den Dorwurf des tumbens und tobens machen. Die Reine aber, zu der er sich in der folgenden Strophe wendet, ist eine andere, deren Reinheit und Schönheit jetzt seine Bewunderung erregt. So fasse ich unsere Strophen als den Abschluß des Derhältnisses zur frowe und zugleich als den Beginn eines Derhältnisses zu einem reinen und schcenen wibe, somit als das Dorspiel zu Liedern der niederen Minne auf3). Don der eigentümlichen Ungleichheit der Stollen handeln heusler § 826 und Fischer § 14. 30. 34. 44. 95. 97. l) 70, 31 f.; 71,7 f.; 53,17 ff.; 91, 9 ff.; 100,3 ff. *) dazu patzt fein Inhalt sehr gut; denn es verletzt die Forderung des höfischen Ltebesgesetzes, von allen Frauen nur Gutes zu sprechen' (Burdach 149; vgl. 154, wo B. das Lied an die 'Grenze der höfischen Liebeslyrik' seht). — Schneider 211 f. (vgl. 92) legt 47,36 zwischen 72,31 und 44,35; vgl. noch halbach 75 ff.; 118; 124 f., s. darüber zu 47, 36. Gegen Singers Lokalisierung und Datierung, die auf der von ihm vermuteten Beziehung zu 10,17 ff. (außer zu 47, 36) beruht, s. Kalbach 231. 76l. *) daher auch die absichtlich unbestimmte Redeweise: ich wetz si diu daz niht ennidet, wozu sich Stellen vergleichen lassen wie ich wetz den fürsten, sollte er daz lern, man litte einen beten i den satter 'ich kenne einen Fürsten', s. meine flnm. zu Reinbots Georg 2653.

45,37—46,31.

Die Textkritik *) bewegt sich hier auf sicherem Boden, so daß die Herausgeber von Lachmanns Herstellung nur wenig abwichen. Gerechtfertigt scheint mir 25 Wackernagels dä A, das an B (hie) eine Stütze findet. Alle andern Neuerungen halte ich für Rückschritte: 4 ist geliehen besser als genSzen, denn die im übernächsten Der? folgende, durch die Stellung im Reim noch nachdrücklichere Wieder­ aufnahme des Verbums läßt dasselbe Verbum auch vorher erwarten: die Wiederholung wirkt hier schlichter und deutlicher als die Vari­ ation, die einen absichtlichen und daher gezwungenen Eindruck macht. In v. 10 hat Paul (und ihm folgend Michels) das Adjektiv schiene mit BCE hinter frouwe gestellt: dadurch wird die engere Einheit, welche die drei Adjektive gegenüber den vier die augen­ blickliche Situation bezeichnenden Partizipien (sowie dem eine) bilden, undurchsichtig: bei Lachmanns Text nimmt -er Leser das isolierte reine unwillkürlich zu den vorausgehenden Adjektiven als ein drittes, das lediglich nachgestellt ist, hinzu, weil es von der Mehrheit attrahiert roirö; steht dagegen edeliu allein voran, so kommt er in Versuchung, die beiden folgenden schon zu den weiteren Partizipien zu stellen, also gewissermaßen zu interpungieren: ein edeliu frouwe, schiene, reine, wol gekleidet usw. Daß der Dichter die Adjektive als eine engere Einheit faßte, geht daraus hervor, daß edel und reine im Folgenden (20) mit dem Adjektiv duz werde wtp aufgenommen werden, sowie das schiene durch schiene frouwen (24). hier darf man daher auch nicht mit wackernagel schiene durch werde (AL)ersetzen, das sichtlich aus v. 20 genommen ist und zudem nur auf die Frau, nicht aber auf den Mai paßt: wie genau Walther jedem von beiden ein treffendes Attribut zuweist, zeigt v. 17 f., wo er die Wunder des Mais wünneclich nennt, den Up der Frau aber tninneclich. wie der sonst oft so feine Wacker­ nagel in v. 26 die plumpe Lesart in A(F) bevorzugen konnte, die obendrein die im Folgenden als unmöglich bezeichnete Wahl als eine bereits getroffene hinstellt, versteh ich nichts. 3m letzten *) f. über bas Verhältnis bet Handschriften Michels II in ben Lesarten. 8) während ich bei Bechsteins Art sehr wohl verstehe, daß er bei seinem Vorschlag in v. 15 für das sunne aller Handschriften mäne einzusetzen, nicht bedacht hat, daß sunne viel mehr besagt, da die Sonne den Glanz bet Sterne gänzlich auslöscht, der Mond aber bekanntlich nicht.

Vers mutz Lachmanns min (Pfeiffer mit AB mini) wohl bleiben, f. lvilmanns I 316. Im Einzelnen vermutet halbach 361 für Vers 5 Benutzung -urch Pseudo-Johannsdorf 92, 26 f.; f. aber die parallelen, die Leitzmann, Beitr. 56, 457 f. beigebracht hat; für 45,5 verweist Nickel, Liebesproblem 241, auf Gottfrieds Tristan 10724 (10772). Einen vergleich mit Carmina Burana 101, 1 und 103, 4 gibt ItToIf 62 f.; die Schlußpointe unseres Liedes erinnert an den letzten Vers von 103, 5: der lateinische Dichter sagt zur Zeit des Frühlings, wenn die Geliebte ihm Kälte zeigt, ’hyems erit vere’, was Walthers Gedanken näher kommt als die deutschen parallelen bei lvilmanns I. III 211). halbach 114 nennt unser Lied ein späteres Gegenstück' zu 53, 25 und sieht in ihm nach der niederen Minne ' ein rein höfisches Erlebnis' dargestellt, betrachtet es als erhöhenden Kontrast zu den Mädchenliedern 49, 25; 50, 19 und meint, es enthalte vielleicht sogar 'eine Verleugnung' seiner niederen Minne (124). Gegen letzteres wendet sich Korn 79. Mag der Ausdruck 'Verleugnung' auch zu stark sein, sonst hat halbach meiner Ansicht nach durchaus recht: die edele frowe unseres Liedes 45, 37, die in prächtigem Gewände und mit Geleit der Unterhaltung wegen in große Gesell­ schaft geht, hovelichen höhgemuot gehört zu denen, die Walther in dem Liede 50, 19 in Gegensatz stellt zu seinem Mädchen, indem er sagt: edel unde riche Sint si sumdiche, Dar zuo tragent si höhen muot: Lihte sint si bezzer, du bist guot (51, 1). Da nun in 46, 32 eine Abkehr von der niederen Minne und das Anbahnen einer hohen angedeutet ist (s. zu diesem Liede), so ist es sehr ansprechend, wenn halbach vermutet, daß unser Gedicht zu der neuerlichen hohen Minne gehöre, die Walther in 46, 32 ankündigt. Die eigenartige Bindung von leicht- und schwerklingendem Ausgang in den Versen 7. 8 jeder Strophe (Michels nach Saran) hat ihre parallelen bei anderen Dichtern, s. heusler § 6622); die Auf­ taktverhältnisse vucht derselbe in § 645 D. Daß die von Giske beobachteten Körner nicht auf Zufall beruhen (wilmanns), zeigen Giskes Ausführungen Zs. f. d. Phil. 18, 58. l) Ganzenmüller 279 zeigt, wie individuell der herkömmliche Gedanke der Minnepoesie: 'Zrauenliebe höher als aller Sang der Vögel' in unserem Liede behandelt ist. *) sonst s. noch Fischer § 55. 99. 104.

46, 32—47, 15. stn dem richtigen Verständnis dieses Liedes hängt zu einem guten Teil die Ansicht über die innere Chronologie von Walthers Liebeslyrik. Es scheint mir daher geboten, es eingehend zu inter­ pretieren. Walther preist den glücklich, der den Lehren der §rau Mäze zu folgen versteht, denn sie spendet alle werdekeit und be­ fähigt ihre Schüler sowohl ze hove (wo die höhe Minne zuhause ist) als auch an der sträze (wo die nidere wohnt) ohne Beschämung aufzutreten. Und deshalb sucht der Dichter ihren Rat, damit sie ihn lehre, wie er ebene (mit der mäze, die werdekeit spendet) werbe. Venn er erfährt Unheil, ob er nun nidere oder hohe wirbt. Er war als einer, der ze nidere geworben hat, dem Tode nahegebracht, jetzt aber ist er wiederum durch ze höhe Werbung liebeskrank: so erspart ihm seine Maßlosigkeit keine Not. Nun erklärt der Dichter seine Worte und damit sein Loos näher. Die nidere Minne nennt man die, die so entwürdigt, daß der Leib hindrängt zu schaler Nei­ gung: diese Minne bereitet unrühmliche Leiden. Die höhe Minne befeuert und bewirkt, daß das herz sich emporschwingt um hohe wirde zu erlangen: sie ist es, die dem Dichter jetzt winkt» daß er ihr folge. Aber er möchte wissen (mich wundert), warum die Mäze zögert: wenn die Herzensneigung kommt, so ist er doch wieder verführt (weg vom ebene werben, weg von den Lehren der Mäze, die doch nach den Eingangsworten alle werdekeit spendet, die also bei der hohen wirde, nach der die hohe Minne hinstrebt, nicht fehlen dürste). Und die Herzensneigung ist im Kommen: er hat eine §rau erblickt, von der ihm trotz all ihrer holden Worte doch Unheil er­ wachsen mag. Walther wendet sich also an die Zrau Mäze, daß sie seinem eigenen Lieben ein weises Maß schenke,- denn bisher hat ihm seine Maßlosigkeit in der hohen wie in der niederen Minne nur Schaden gebracht, indem er entroebet allzu nieder oder allzu hoch ge­ worben hat. Dos eine hat ihn schon an den Rand des Grabes gebracht1), das andere macht ihn gerade jetzt wieder krank *), denn x) durch unglückliche Liebe,- denn das ist bei Walther (wie bei den andern Minnesingern) der Grund, s. 73,16 sterbet sie mich, so ist si tst; 86, 34 stirbe ab ich, sS bin ich sanfte tSt; 114, 34 joch sch&t ez guoten Huten, wcere ich tst (was man nie auf eine wirkliche Krankheit hätte beziehen sollen!). 2) siech ist natürlich gleichfalls soviel wie minnesiech.

160

46,32

eine schöne Zrau hat seine Blicke auf sich gezogen. Aber die er­ sehnte und erflehte Mäze zögert sich einzustellen. Und so befürchtet er auch jetzt wieder Unheil,' denn wenn die Herzensneigung ihn ergreift, dann ist's um ihn geschehen. Die herzeliebe also ist es, die alles Unglück des Dichters verschul­ det, weil sie keine mäze kennt und ihn daher nur ze nidere ober ze höhe werben läßt. Das ze nidere hat ihm nur Leiden gebracht und keinen Ruhm: es tuot unlobeliche we, man muß sich seiner ze hove schämen. Damit deutet der Dichter auf die hinter ihm liegende Periode seiner Lieder der nideren minne, vgl. 49, 31 Sie verwizent mir daz ich S6 nidere wende minen sanc. Er ist dazu durch die herzeliebe ver­ führt worden, vgl. 49, 25 Herzeliebez frowelin und 49, 33 daz si niht versinnent sich Waz liebe si1).2 Nun steht er wiederum {aber) wie einst vor der Gefahr des ze höhe; wenn die herzeliebe ihn wieder verführt, so wird sein Sinn sich auf hohe wirde richten, und et wird sich an der sträze zu schämen haben, wo man für seine Lieder der hohen ZTlimte kein Verständnis hat, wie dies aus dem späteren Lied 61, 33 hervorgeht: ich sol... wünneclicher mäze pflegen ... stet ez als übel üf der sträze, So wil ich mine tür besliezen (f. zu diesem). Und in beiden Zöllen wird schade das Ende sein, da er zuviel von seinem Herzen an eine Liebe wendet, die für ihn ent­ weder zu tief steht oder zu hoch. Das Lied leitet also einen Wendepunkt in Walthers Dichten ein: der niederen Minne gibt er den Abschied und eine neue hohe Minne kündigt er an. Und in beiden Zöllen ist unter Minne außer dem Liebesverhältnis auch die ihm gewidmete Lgrik zu verstehen. Ich stimme also der Deutung zu, die Rieger, wilmanns, Paul, Michels undhalbach gegeben Habens, und lehne die Auffassung, daß Walther sich mit diesem Liede von der hohen Minne abwende, wie das mit allerlei Abweichungen im Einzelnen Simrock, Burdach, Jellinek, Schneider und Korn gemeint haben, ab 3). *) über liebe f. die ausgezeichneten Ausführungen Jellineks a. a. G. 5. 2) Rieger, Leben w.s 5.57; Zs. 47,56; wilmanns zu 47,15; Paul, Beitr. 8,171 f. 476 f.; halbach 124. ®) Burdach 13; Beitr. 8.461 f.; 132; Jellinek. Beitr. 43,4 ff.; Schneider S. 112f.; Korn 79 ff. Gegen Jellineks umfassend und scharfsinnig begrün­ dete Deutung scheint mir zu sprechen, daß er die Ausdrücke tSt und nä bin ich siech, die in der Liebeslyrik fast termini technici sind, in den ungewöhn­ lichen Bedeutungen 'nichtswürdig gemacht' bzw. 'meine Empfindung sträubt sich' fassen muß, daß er das Bekenntnis, das in dem Vers «it bin ich aber ze

46,32. 47,15

161

Übet die Textgestaltung s. Iellinek a. a. ®. und die von ihm angeführte Literatur, fln Lachmanns Text ist zu ändern: 47, 7. 1. minne st. liebe; 9.1. höher wirde (vgl. 96,2) st. werdet liebe; 11. mich wundert st. nun weiz ich, f. o.; 12. ich bin iedoch st. sö bin ich: all dies letzten Endes nach lvackernagel. Zweifelhaft bleibt die Wahl zwischen wol—doch in v. 151). Die sonstigen Abweichungen von Lachmann sind sicherlich unrichtig, so das von Pfeiffer gegen alle Handschriften in v. 46, 33 ergänzte min; 47, 4. ir lät mich äne nöt! (wackernagel) ist verblüffend, nachdem vorher die Mäze angegesprochen war,- v. 6 muot (lvackernagel) verdirbt den treffenden Gegensatz von Up2) und muot und stammt sichtlich aus v. 9, ebenso wie v.8 heizet diu daz (lvackernagel) aus v. 5 (Iellinek); v. 12 ist die hohe siech liegt, dadurch um feine Geltung bringt, daß er dem ze in der Anti­ these ze nidere und ze höhe fein Gewicht beilegt und das Grundthema des Liedes, den Gegensatz zwischen der M&ze, nach der der Dichter ringt, und -er unmdze, öie ihm stets nur Pein bringt, ob er nun ze nidere wirbt (töt) oder ze höhe (siech ... schade), in den Hintergrund treten läßt. lvenn Walther seine unmdze beklagt und zugleich die Schmerzen schildert, die ihm das ze nidere werben schon gebracht hat und das ze höhe werben teils bringt, teils in noch höherem Grade verheißt, so muß beides in engstem Zusammen­ hang stehn und dann kann der Gedanke des Dichters nicht sein: die liebe siegt über die wirde, sondern: die liebe siegt über die mdze. Darum wendet er sich gleich im Eingang an die frouwe Mdze und darum klagt er am Schluß der ersten Strophe: unmdze enldt mich dne nöt. Was ihn verleitet, ist die herzeliebe, sie ist aber zugleich das, was ihm winket, daß er mit ir gi, also die höhe minne; dazu stimmt ja auch sein eigenes Bekenntnis: nu bin ich aber ze höhe siech, wovon er durch diese zu höhe minne weggeleitet wird, das ist die mdze und ihre live (46,34), also das ebene werben (46,39); daher bekennt er ze höhe siech zu sein und befürchtet schaden (47,15). Für Walther gibt es also eine nideriu und eine höhiu minne. Bei beiden kann man ebene werben; aber er selbst hat das nie gekonnt, weil die herzeliebe ihn stets um die mdze brachte. Und so hat ihn die nidere minne fast getötet (das liegt hinter ihm, daher das Präteritum was 47, 2, und daher bricht er über sie den Stab 47, 6 f.), wie ihn jetzt wieder die höhe minne krank macht und zu verderben droht, weil er von ihr ergriffen ist, preist er sie, daß sie den muot auf höhe wirde richte. Sie sollte also auch die mdze, die ja aller werdekeit ein füegerinne ist, mit sich führen. Deshalb kann er sich ihr Zögern nicht erklären (mich wundert wes diu mdze beitet 47, 11). Aber er deutet an, daß es eben die herzeliebe ist, durch die die mdze von ihm ferngehalten wird. — vollständig irrig ist die Deutung, die Korn dem ganzen Liede gibt. Er über­ seht den Vers: kumet diu herzeliebe, ich bin iedoch verleitet mit 'Wenn die herzeliebe (über mich) kommt, dann bin ich geführt (von ihr), d. h. ich lasse mich dann leiten', glaubt damit 'ganz wörtlich' zu übersehen und so 'alte Schwierigkeiten, die sich dem Verständnis des Liedes entgegenstellen' be­ seitigt zu baden, gast ebensogut könnte man freude mit 'trauern' übersehen, aber keinesfalls joch (Braune, Beitr. 40, 216). 2) vgl. lob ich des libes minne, deis der sile leit 67, 24. Kraus, wallt)er von der vogelweide.

11

Streichung des diu (fehlt nur in BC) gegen das Handschriften­ verhältnis, ergibt einen mageren ersten Takt und macht es weniger deutlich, -atz sie, die herzeliebe es ist, von der dem Dichter Gefahr droht. Über den von Paul (Beitr. 8, 173), Iellinek und halbach vermuteten Zusammenhang mit 49, 25 s. o. zu 45, 37 und unten zu 49, 25. Den mit 45, 37 fast gleichen Ton behandelt auch heusler § 645 D und Ascher § 98. 99. 104. Diese grotze Übereinstimmung gibt ein letztes Zeugnis dafür, datz die Deutung unseres Liedes als Ankündigung einer neuerlichen hohen Minne richtig ist, da 45, 37 ja zuverlässig eine Dame der Gesellschaft schildert. So stehn die beiden Lieder denn auch in der Überlieferung beisammen, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge, und in CE sind ihre Strophen sogar durcheinander geworfen. 47,16—35. $üt dieses Virtuosenstück im Stil Kontabs von Würzburg und sonstiger Epigonen fehlt es an vergleichbarem sowohl bei Reimar (A) als auch bei Walther: die Eigentumsfrage ist also bei einem solchen Experiment, wie schon Lachmann geäutzert hat, nicht zu lösen1). Dessen Text scheint mir meist besser als was Spätere geändert haben. So streitet gegen die Verbindung von v. 26 mit dem Folgenden (wackernagel) die Gliederung der Strophe; auch die Dreitaktigkeit, die Michels diesem Verse durch Einschub von alle vor schulde gibt, um in v. 31 das ir (BC) zu retten, scheitert an der anderen Strophe (bei Lachmann S. 174), die an den ent­ sprechenden Stellen nur zwei Takte hat2). Pauls Meinung (Beitr. 2, 551), das werde ich (BC) in v. 28 sei eine Selbstverwünschung als Beteuerung, ergibt einen an sich sonderbaren Gedanken, denn sonst beklagen es die Dichter stets, wenn sie die Geliebte selten sehen, und patzt nicht in den Zusammenhang: nach dem verderbet erwartet man, datz der Grund angeführt wird, der ihn verderbet, und der Vers 31 steht bei dieser Auffassung ganz abrupt da. Ich *) Gründe für Walther und gegen Reimar führt Plenio 42, 472 an. Auch Sievers 199. 200 spricht es Walther zu und stellt es unter dessen aller­ erste Tanzlieder (Nr. 2). 2) über den Ton s. auch Fischer § 102.

47, 36

163

vermute, daß sröide (BC) in v. 30 ein wohlfeiler Ersatz für etwas -er Quelle Unklares ist, und daß man das sinnlose der aus v. 31 (A) an seine Stelle setzen muß: zir gesihte Wirde ich wilde. Mich enhäbe ir Up Der (nämlich gesihte) enterbet, Noch ger ich hulde: 'ihr An­ blick wird mir fremd. Wenn sie mir ihn aber nicht vollständig ent­ zogen hat, so werde ich noch immer nach ihrer Huld streben',- dazu fügt sich nun gut der Schluß: sie soltef wolte sit mich an . . . sehen. In v. 34 ist gerne (A und Wackernagel) gegen den entsprechenden Vers der Strophe auf S. 174, der nur einen Takt hat. Die Meinung Wilmanns', daß das ouch (BC) gleichfalls Zusatz ist, hat manches für sich. 47, 36—49, 24. Die Kritik der Lesarten bietet in wichtigen Punkten keine Schwierigkeiten, doch ist in mehreren Süllen die lvahl zwischen A und BCe, die zwei verschiedene Klassen darstellen, nicht sicher; Wackernagel hat gegenüber Lachmann tunlichst A bevorzugt. 48, 2 hat DX mit swä (C) st. £.s so (e) unverdiente Nachfolge gefunden: das bi mir verträgt nur so, nicht swä. v. 25 f. empfiehlt sich tD.s Interpunktion (sere. — guot,), da in allen andern Strophen der Ders 1. 2 geschieden ist von 3. 4. v. 37 scheint mir der Konjunktiv gelichens (ID.) nur sehr gezwungen erklärbar, v. 38 ruht auf Wip ein so starker Nachdruck, daß mir die Dersuche, es wegen der Verhält­ nisse in den entsprechenden Zeilen der übrigen Strophen in den Nustakt (wie 49, 11) zu bringen, nicht glücklich erscheinen, v. 49, 8. Wackernagels alliu für alle ist kaum verständlich, zumal alle frowen unmittelbar vorhergeht *); auch ergibt dieses alliu ('durchaus, samt und sonders' kann damit doch nur gemeint sein) eine Tauto­ logie neben gar. Aber der Anstoß, den W. gefühlt hat, ist in der Tat vorhanden: wenn Walther fünf Verse zuvor gesagt hat: under frowen sint unwlp, so kann er hier unmöglich fortfahren: wip sint alle frowen gar *2). Ich vermute, daß nach den dreimaligen *) andere Bedenken gegen ihn (und Burdachs analoge Deutung) schon bei Michels ;. St.; aber der hier zitierte Spruch des Meitzners ist keine ' Bestätigung', weil er eine Bedeutung festhält. 2) denn die Erklärung Wilmanns', daß wip hier 'das Geschlecht, insoserne ihm alle Individuen angehören' bezeichne, v. 4 und o. 11 dagegen 'infoferne ihm gewisse Eigenschaften zukommen', ist eine Notkonstruktion, die dem Dichter obendrein in v. 8 eine Plattheit zumutet. Auch Michels' Erklärung klappt nicht.

47, 36

164

sint (worunter stowen sint und wiben sint) hier ein viertes sint für das ursprüngliche sin eingetreten ist: 'wie immer es sich sonst mit

den Frauen verhalten möge, weiblich mögen alle Frauen durchaus sein' *), also ein wünschendes sin wie 96, 3 vil scelic sin ir jär und al ir zit! So setzt sich die vorangehende Aufforderung: swd nü deheiniu si diu sich ir wipheit schäme, Diu merke disen sanc und kiese denne in der folgenden Aufforderung unmittelbar fort,

erhält durch sie einen ganz bestimmten Inhalt und findet in dem Satz wip dest ein name ders alle krcenet ihren Abschluß. In v. 11 unterliegt lop (W. mit A) dem verdacht, aus zwivellop (v. 9) zu stammen. 16. hier ist U).s erwerben (A) schlechter als L.§ verdienen, das zu dem folgenden ich vil herscher man ('vienstmann') einen ausgezeichneten Gegensatz ergibt. (Es liegt also auch kein Grund vor, in v. 30. 34 und 18 gegen Lachmann A zu bevorzugen, oder in v. 14 nü (Ce) und sö (A) beide in den Text aufzunehmen. Schwieriger ist die Frage, wie die fünf Strophen zu reihen sind, und ob sie 6in Lied bilden. Reiht man die Strophen so wie Lachmann es tut, der damit nach meiner Meinung — bis auf die Abtrennung der beiden letzten Strophen — das richtige getroffen hat ((. u.), so ergibt sich für die Reihung der Handschriften folgendes Bild: Lachm. A B C e I 164 356 161 II 72 85 355 III 87 162 73 357 IV 88 163 358 V 86 165 359 —



-



Wenn man nun annimmt, daß die Anordnung in C der des Archetypus entspricht, so kommt man zu einer Erklärung des Wirr­ warrs: demnach wäre die Strophenfolge gewesen: II. III. IV. I. V. Wenn A, die ja nach dem Ergebnis der niederen Kritil eine Sonder­ gruppe darstellt (s. o.), die Reihung II. V—III. IV bietet, so geht sie auf eine Vorlage zurück, in der zunächst nur die erste Strophe (II) und die letzte (V) jenes Archetypus enthalten waren, während dem Schreiber III und IV erst später bekannt wurden und daher hinter jenen beiden Platz fanden. In der Stammhandschrist von BCe *) mit Rufzeichen nach gar.

47,3«

165

waren aus Girier Quelle geflossen II. III. IV, sodann wurden aus einer andern I. V nachgetragen. B hat diesen Nachtrag (nebst IV) wohl verschmäht, wie sie sich ja auch sonst mit einer Auswahl be­ gnügt, e dagegen hat die hinter IV ganz unpassende Strophe I wegen ihres Themas (fuoge in o. 1!) mit der Strophe II (unfuoge v. 7, fuoge v. 12) richtig in Verbindung gebracht und nur die Reihen­ folge I. II irrig umgekehrt. vorausgesetzt ist bei dieser Erklärung, -atz Lachmanns An­ ordnung richtig ist. Das läßt sich, denk ich, auch zeigen, nur mutz vorher festgestellt werden, was die Worte wtp und frowe in den Strophen III—V eigentlich bedeuten. Ich darf dabei vielleicht an das anknüpfen» was ich Beiti. 56, 74 ausgehend von dem Be­ deutungswandel, der von 'Buchstaben' zu 'Sprache' und 'Literatur­ werk' geht, geäutzert habe *): wie in solchen Zöllen der Weg vom x) Gegen meine sonstigen Darlegungen hat sich Schiffmann, das. 5.471 ff. gewendet. Ich bin dadurch nicht überzeugt worden, weil seine Deutung allzuviele unwahrscheinliche Annahmen nötig macht. Da ist 1. die Interpretation der Stelle 2147 ff. Sie lautet: Pilgerin ... hiez schriben disiu mcere, Wie ez ergangen wcere, Mit Latinischen buochstaben, Daz manz für wäre solde haben, Swer ez dar näch erfunde, Von der alrirsten stunde, Wie ez sich huob und och began, Und wie ez ende gewan, Von der guoten recken nSt, Und wie si alle gelägen tSt. Der gesperrte Satz bezieht sich nach Schiffmann nur auf die unmittelbar vorhergehenden Worte mit Latinischen buochstaben, die als Urkundenschrift zu verstehn seien: die Glaub­

würdigkeit des Berichtes solle also dadurch dargetan werden, daß er 'in urhmbenmäfoiger Ausfertigung' niedergeschrieben worden sei. wer aber die Stelle im Zusammenhang unbefangen würdigt, wird die weit näher­ liegende Deutung bevorzugen, daß der Bischof den Bericht, um ihm die Treue zu sichern, von Anfang bis zum Ende schriftlich habe aufzeichnen lassen. Der Nachdruck ruht also auf schriben, welches wort deshalb auch gleich barauf (2151) noch einmal wiederholt wird: daz hiez er allez schriben, Ern liez sin niht beliben. Man weiß ja wohl auch aus anderen zahllosen Quellen* berufungen, welchen Wert man der schriftlichen Überlieferung im Gegensatz zur mündlichen Kunbe beilegte, s. etwa nur die Berufungen, die in den Wörterbüchern unter buoch, schriben, schrift zu finden sind, und vgl. eine Stelle wie Naiserchronik 14176: Swer nü welle bewceren Daz Dieterich Ezzelen scehe, Der haize daz buoch vur tragen. Ein weiterer Nachdruck ruht darauf, daß alles aufgezeichnet wurde. Darum wird auch bas vom Dichter immer aufs neue betont: disiu mcere . . . Wie ez ergangen wcere, . . . Von der ob­ ersten stunde, Wie ez sich huob und och began, Und wie ez ende gewan . . . Daz hiez er allez schriben, Ern liez sin niht beliben . . . Wie ez ergienk und geschach. Als drittes kommt hinzu, daß die Aufzeichnung in lateinischer

Sprache erfolgte. Auch das dient der Beglaubigung. Schiffmann meint zwar: 'Es ist nun nicht einleuchtend, wieso Pilgrim hatte annehmen können, er werde in Ungarn mehr Glauben finden, wenn er den Bericht des Boten mit dem urbaierifchen Namen Schwammei lateinisch wiedergebe'. Aber

äußerlichen Schriftbild zu dem damit wiedergegebenen Inhalt führt, so setzt man auch oft die äußerliche Bezeichnung durch das Wort dem Wesen oder Ving selbst gleich. Eine Stelle wie Reinmar 165, 28 darin wird er durch die Berufung im Herzog Ernst B, die nach Vogt das Vorbild für die Stelle in der Klage abgegeben hat, vollständig widerlegt, denn hier heißt es: Ist aber hie dehein man Der dise rede welle h&n Vür ein lügenlichez werc, Der kome hin ze Babenberc: D& vindet ers ein ende än alle missewende Von dem meister derz getihtet hät. Ze latine ez noch geschriben stdt: Dd von ez dne valschen Hst Ein vH wdrez lief ist (4467 ff.). — (Eine weitere, wie mir scheint, gezwungene Annahme fügt

Schiffmann zu dieser ersten, wenn er meint, der Urheber jener Verse 2145—54 habe sich 'offenbar aus Mangel paläographischer Kenntnisse die lateinische Schrift, in der Pilgrims Epos geschrieben war, nur als Kennzeichen urkundenmäßiger Ausfertigung erklären können': ein merkwürdiger Mann, dieser Pfaffe, der zwar lesen und schreiben und dichten konnte, der auch das Deutsch des 10. Jahrhunderts im 13. ohne weiteres verstand, aber niemals eine Bibel, ein Missale oder ein sonstiges im 10. Jahrhundert geschriebenes Buch ju Gesicht bekommen hatte! — Mit diesen beiden Annahmen ist aber noch immer nicht erklärt, warum der Ausdruck mit latinischen buochstaben im folgenden sein Gegenstück erhält in den Morten: getihtet man ez sit hdt Dicke in Tiuscher zungen (2155). Daher macht Schiffmann eine weitere An­ nahme: diese Verse sind samt ihrer Fortsetzung von einem 'späteren Klage­ bearbeiter' nickt in ihrem wahren Sinne verstanden worden, er hat vielmehr (wie die Philologen des 19. und 20. Jahrhunderts) 'an lateinische Sprache gedacht und in diesem Sinne ... die Verse 2155 ff. angeflickt'. Für diese Annabme fehlt jeglicher Beweis: selbst die Schallanalgse hat keinen Anlaß gefunoen, die Verse 2145—47 einem andern Verfasser zuzuschreiben als die Verse 2155—58, s. Steuers (Beitr. 56, 82), der nur die Partie 2148—2154 (d. i. nach der Zählung Bartschens, die Sievers gebraucht, 4301—13) dem Klagedichter B zuschreibt. — Im Gegenteil: die Ergebnisse der Schallanalgse zwingen Schiffmann zu einer weiteren Annahme, die lediglich gemacht wird, um seine Deutung der 'lateinischen Buchstaben' zu retten. Sievers hat beobachtet, daß der Name Kuonrdt sich durch den 'Stimmsprung' heraus­ hebt, und deshalb es für das natürlichste gehalten, daß der Klagedichter A diesen Namen geführt habe. Da nun aber dieser Name gerade in der Partie genannt wird, die nach Schifsmann von einem anderen herrührt als die Verse, in denen die Morte mit Latinischen buochstaben vorkommen, so legt UNS Schiffmann zwei weitere Annahmen zur Auswahl vor: entweder rühre die Änderung 'der in Frage stehenden Verse' (er kann damit wohl nur die Verse 2155 ff. meinen) vom Verfasser der Klage selbst her, oder aber auch der Interpolator habe Konrad geheißen. Venn das öine der Fall war, dann müßte er 'den wahren Sinn der Stelle verkannt und an lateinische Sprache gedacht' haben, d. h. er hätte seine eigenen Morte später so miß­ verstanden, wie die meisten modernen Philologen es nach Schiffmann noch heute tun; war aber der Urheber der ohne jede Begründung angenom­ menen 'Änderung' ein anderer als der ursprüngliche Klagedichter, dann haben wir es mit öinem Konrad zu tun, der die Stelle gedichtet hat, einem zweiten Konrad, der sie mißverstanden hat, und einem dritten, der den ursprüng­ lichen Sinn gegen alle Wahrscheinlichkeit wieder herausgefunden hat, — Konrad Schifsmann.

47,36

167

SS wol dir, wip, wie reine ein nam! Wie sanfte er doch z* er­ kennen und ze nennen ist! können wir heute nicht mehr wörtlich übersetzen, da die Worte reine und erkennen auf das weibliche Wesen selbst, das Wort nennen aber nur auf seine Bezeichnung zutreffen'. Ähnlich wie Reinmar mit dem Worte wtp hier verschiedene Begriffe bezeichnet, hat auch Walther, dem die Worte des Rivalen in unserem Liede ebenso sichtlich im Sinne liegen wie im Nachruf 82, 35, wo er sie, freilich in anderer Bedeutung *) zitiert, mit demselben Wort (ebenso wie auch mit frowe) verschiedene Begriffe bezeichnet, die bestimmt und gesondert werden müssen, wenn man das Ganze verstehn und damit zu einer richtigen Anordnung der Strophen gelangen will. Wip meint zunächst das Wort 'Weib'. Die Stellen sind in Strophe IV nach Lachmanns Anordnung: Wip muoz iemer sin der wibe höhste name . . . Swä nü deheiniu si, diu sich ir wipheit schäme ... Under frowen sint unwip, linder wiben sint si tiure (scherzhaft). Wibes name ... gehiure (vgl. Reinmars wibes nam .. sanfte ze nennen ist)] Wip dest ein name*2).* Ebenso meint frowe das Wort an folgenden Stellen in Strophe IV: Wip ... Huret baz dan frowe; zwivellop daz hcenet, Als underwilen frouwe (es ist ein lop, weil es den vornehmen Stand bezeichnet, aber von zwivel begleitet, weil auch unwip, v. 3, darunter sind). Wip bezeichnet den Begriff, u.in zweifacher Hinsicht: a) in bezug auf das physische Geschlecht2): Str. III diu wip ge-

lichent uns ein teil ze sere; schieden uns diu wip als e, Daz si sich ouch liezen scheiden, Daz gefrumt uns iemer me, Mannen unde wiben, beiden; Str. IV Wtp muoz iemer sin der wibe höhste name; ein Teil des Geschlechtes wird durch eine nähere Bestimmung heraus­ gehoben: Str. III edeliu wip; Str. V wip, die kunnen danken; b) in bezug auf die echt weibliche Psyche: Str. IV under frowen sint unwip, Under wiben sint si tiure. Wibes name und wibes lip 4) Die sint beide vil gehiure; Swiez umb alle frowen vor, Wip sin (st. sint s. o.) alle frowen gar! s. Korn 68. a) die Meinung Korns 67 name sei hier Walthers besonderer Terminus für die 'absolute Idee' ist irrig, wie nicht nur der Zusammenhang zeigt, sondern auch die Worte Reinmars (sanfte ze nenneni). 8) Schneider 91 meint umgekehrt, grau sei nur Bezeichnung des Ge­ schlechtes. 4) Mp ist hier, wie so oft, etwa mit 'Persönlichkeit' wiederzugeben.

Frowe bezeichnet den Begriff in Hinsicht auf den vornehmen Stanb: Str. IV under frowen sini unwip; swiez umb alle frowen var, Wip sin alle frowen gar!; Str. V Ich sanc hie vor den frowen unibe ir bldzen gruoz1).

Zusammenfassend ist also zu sagen: wip und ebenso auch frowe können als Bezeichnungen für weibliche Wesen gebraucht werden. Aber frowe dient nur als Standesbezeichnung» während wip die Gesamtheit des weiblichen Geschlechts umfaßt und daneben die Trägerinnen echt weiblicher Tugenden bezeichnet. (Es ist also im Sinne Walthers der weitere und zugleich der edlere Begriff, so daß er mit Recht sagen kann, es sei der wibe höhste name, es sei ein name ders alle krönet.

Nunmehr ergibt sich bei Lachmanns Anordnung ein einheit­ liches Ganzes mit klarer Abfolge der Gedanken. In der Strophe I erklärt Walther die wechselnde Stimmung seiner Lieder mit der Rücksichtnahme auf die Stimmung der Gesellschaft, die ihm von Jugend auf eigen sei: er ist mit den Frohen froh, mit den Trauernden traurig, auch dann, wenn die eigene Stimmung anders ist. 3n der Strophe II rechtfertigt er damit die Abkehr von erfreuendem Ge­ sang: sie ist ihm durch die Rücksichtslosigkeit (unfuoge) und durch das minnefeindliche verhalten der Gegenwart aufgezwungen worden, wer abwarten kann, der wird die Wiederkehr von Sang und Frohsinn erleben: er selbst wüßte den rechten Zeitpunkt und den rechten Ton wohl zu finden. Strophe III erklärt den gegen­ wärtigen freudlosen Zustand: das weibliche Geschlecht unterscheidet nicht mehr zwischen guten und schlechten Männern; durch solche Gleichmacherei wird den Männern fröide und ere geraubt (was früher die (Quelle für frohen Gesang war). Würde das weibliche Geschlecht wieder wie früher zu unterscheiden wissen und wollten auch sie selbst sich wieder unterscheiden lassen, so wäre das für beide Geschlechter ein Gewinn, vaher sollen die edlen Vertreterinnen diesen standesbewußten, den überhtren(49,24), bei denen et keinen gruoz verdienen kann, setzt et, wenn auch ein bloßer dienestman, seinen eigenen Hochmut entgegen, daher nennt er sich mit einem getstoollen Oxymoron einen hirschen man. Für die Richtigkeit dieser Deutung von frowe auf den vornehmen Rang spricht auch das bekanntlich verwandte Lied Hartmanns 217, 29, in dem ritterliche frouwen hinter den armen wtben zu­ rückstehen müssen, aber auch kurzweg frowen hinter den wtben. Die Be­ ziehungen dieses Liedes mit unserem und mit Walther 57, 23 behandelt zu­ letzt halbach 23 f.

47, 36

169

ihres Geschlechtes bedenken, datz auch die Männer sich auf etwas verstehen (nämlich auf das Singen *), das jetzt verstummt ist, da die Stauen für die Guten keinen Lohn haben). Wenn die Männer alle wip gleich behandeln, so sind die edlen dadurch herabgesetzt. In der Strophe IV vollzieht nun Walther die angekündigte Schei­ dung unter den Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, indem er die Benennungen scharf scheidet. Frowe, — das ruft er denen zu, die nicht wip genannt sein wollen (weil es ihnen zu wenig vor­ nehm ist) — ist eine zweifelhafte Ehrung, weil tmwip darunter sind: das zielt auf die schlechten (vgl. 48, 27), auf die überhören (49, 24) und wohl auch aus die manlichen wip (80, 20); dagegen kann ein wip niemals* 2)* ein 4 unwip sein (scherzhast). Oer Name wip und weibliche Persönlichkeit sind etwas überaus holdes. Wie immer die frowen in ihrer Gesamtheit beschaffen sein mögen, sie alle sollen echt weiblich sein. wip ist das Wort, das sie alle adelt2). In der letzten Strophe vergleicht er wieder (wie in Str. II) Vergangenheit und Gegenwart: einst hat er von den frowen freundliche Worte für seine Lieder geerntet. Ietzt möge ein anderer sie preisen, wenn ihm selbst solcher Lohn versagt bleibt. Er will sich von diesen über­ hören (frowen) abwenden und seinen preis wiben weihen, die ihm dafür zu danken wissen*). *) daz ouch die man waz kunnen: das ouch bedeutet, daß nicht nur die Stauen den Männern fröide und he bringen oder nehmen können, sondern auch umgekehrt die Männer den Stauen. Unter den Worten waz kunnen ist singen zu verstehen, ganz wie 58, 26 man kan noch wunder, war durch das vorhergehende singen unde sagen deutlich erklärt ist: fröide ist, auf Walther selbst bezogen, die Quelle seines Gesanges, he dessen Lohn. Irrig faßt Kotn 68. 82 verlorene $teube als gleichbedeutend mit dem Ver­ lust der he auf. 2) sint si tiure (49, 4) --- 'fehlen sie', wie Wilmanns richtig übersetzt, s. jetzt die Belege bei Alfred Hübner, Die 'mhd. Ironie', palästra 170, S. 102 ff. 8) krcenet — 'ihnen eine Krone verleiht', in Hinblick auf den Vorrang, den die frowe beansprucht, gesagt, also stärker als unser verblaßtes 'krönen'. 4) Aus der entwickelten Gedankenfolge ergibt sich wohl deutlich, daß Lachmann die Strophen IV und V mit Unrecht abgetrennt hat und daß Burdach 151 irrt, wenn er Strophe III isolieren will. 3m übrigen bedeutet jede Abkehr von £.s Reihung einen Rückschritt. Pfeiffer stellte Str. V (wie A) zwischen II und III (worin ihm Schneider 91 s. 211 f. gefolgt ist) und betrachtet IV als ein besonderes Lied. Aoer V seht im Eingang (frowen) und im Schluß (wip) die Scheidurw bereits voraus, die in IV vorgenommen wird, muß also hinter IV stehn. Wenn IV fehlt, bleibt dem Hörer die ganze wohlüberlegte Unterscheidung von wip und frowe versperrt, weil der Schlüssel zu ihrem verständms, und das ist eben IV, verlegt ist. — Paul wiederum hat II (mit e) vor I gestellt. Aber dann platzt der gemeine schade

170

47, 36

Unser Lied steht bekanntlich mit anderen in mehr oder weniger fester Verbindung. So weist es in seiner letzten Strophe deutlich auf das Preislied 56,14 zurück, s. z. B. Lachmann zu 49,13 und wilmanns zu 49,12. Die Beziehung verdient noch eingehendere Erörterung als ihr m. w. bisher zuteil geworden ist, und so sei die Strophe 49,12 hieher gesetzt: Ich sanc hie vor den frowen umbe ir blozen gruoz: den nam ich wider mime lobe ze löne. swä ich des geltes nu vergebene warten muoz, da lobe ein ander, den si grüezen schöne, swä ich nicht verdienen kan einen gruoz mit mime sänge, dar kör ich vil hörscher man minen nac ode ein min wange, daz kit 'mir ist umbe dich rehte als dir ist umbe mich/ ich wil min lop kören an wip die kunnen danken: waz hän ich von den überhören ? Zu den gesperrten Worten vergleiche man in den ersten beiden Strophen des Preisliedes: Ich wil Huschen frowen sagen ... moere; wirt min ISn iht guot . .. waz woll ich ze löne; (ich) bite si nihtes mer Wan daz si mich grüezen schone; si sint mir ze her1). Die Beziehungen sind also überaus eng, besonders hat Walther die zweite Strophe seines Preisliedes im Sinne gehabt, als er das spätere Lied dichtete. Nun ist dessen Eingang auffallend unklar: Zwö fuoge hän ich dochy swie ungefüege ich si. worin bestand die unfuoge, die man dem Dichter vorgeworfen hat, und warum hat man ihm gerade dieses Wort entgegengehalten? Die Antwort (III 1) ganz unvermutet nach dem Schluß von I herein, während er hinter II wohlvorbereitet kommt. Auch wirkt der Singular (so erkande ich wol) die überaus hart, wenn unmittelbar darauf folgt: Zw6 fuoge (hän ich doch). — plenio 42, 4692 nennt unser Lied mit Satans Terminologie einen 'Strophenkreis'. Kn sich ist gegen den Namen nichts einzuwenden, wenn er nicht dazu verführt, den versuch nach einem genauen Erfassen des Zu­ sammenhanges vorzeitig aufzugeben. 0 schöne grüezen verlangt Walther also hier wie dort. Ich kann daher nicht finden, daß er 'jetzt sein Preislied ausdrücklich widerruft', wie halbach, 75 und 125, mit Bezug auf 49, 12 ff. meint.

gibt der einzige Satz, der in jener zweiten Strophe bisher keine Ent­ sprechung gefunden hat, der Satz: sö bin ich gefüege (und Ute si nihtes mir Wan daz si mich grüezen schöne). Dieses Wort hat man in der Gesellschaft also offenbar aufgegriffen und dem Dichter vorgehalten, daß es sich mit späteren Liedern, die keineswegs dem lobe der frowen dienten, nicht vereinigen lasse. Walther nimmt den Vorwurf zum Ausgangspunkt seiner Erwiderung und zeigt im folgenden, wie unbegründet er sei. Setnet steht mit unserem Liede 47, 36 bekanntlich in enger Verbindung das Lied 58, 21, indem es das Thema vom scheiden der guoten von den bcesen (58, 35 f.) berührt, das in unserem Liede so ausführlich behandelt ist (48, 25 ff.), und denselben Gedanken mit sehr ähnlichen Worten formuliert wie 48, 20 (noch kumpt fröide und sanges tac) und 48, 35 (gedenket, daz och die man waz kunnen) in den Versen: kumpt sanges tac, man hceret singen unde sagen; Man kan noch wunder (58, 25 f.). Eine weitere Ver­ bindung besteht darin, daß auch 58, 21 deutlich aus das Preislied zurückweist, indem Walther die, welche ihm vorwerfen, er habe von guoten wiben schlecht gesprochen, unter Berufung auf eben dieses Preislied mit den Worten herausfordert: (nü dar oder ähn­ lich) swer tiuschen wiben ie gesprceche baz! Schließlich spinnen sich von diesem Liede 58, 21 auch deutliche Süden zu 45, 7 (44, 35). 3n ersterem ist einiges nicht ganz klar. So wenn der Dichter sagt: Die lösen scheltend guoten wiben minen sanc Und jehent daz ich ir übel gedenke (58, 30). Wer sind diese lösen und wie kommen sie zu solchem Vorwurf? Die Antwort geben die Verse 45, 13 ff.: des enhabe deheinen muot, lehn gelobe si niemer alle, Swiez den lösen missevalle, Sine werden alle guot. Auch die Strophe V (59,19) frappiert in ihrem Eingang: Ich wände daz si wäre missewende frt; Nü sagent si mir ein ander meere, Daz niht lebendiges äne wandel si; So ist ouch min frowe wandelbeere. Wie kommen die Leute zu solcher Gehässigkeit gegen Walthers frowe ? Die Antwort gibt wieder 45,7, wo der Dichter gesagt hatte torste ich vor den wandelbaren, Sö lobte ich die ze lobenne waren; alle unterschiedslos werde er dagegen

niemals loben.

Darauf haben offenbar die Nörgler eingeworfen:

daz niht lebendiges äne wandel si, also auch die Herrin des Dichters

nicht, und mit diesem Einwurf setzt er sich in 58,21 auseinander.

Daher kann er mit Recht sagen: Ich wände daz si wcere missewende fri (59,19), hatte er doch in der dritten Strophe des Liedes 44, 35 Gott wegen der Meisterschaft gepriesen, mit der er Schönheit und Reinheit in ihr zu einer so herrlichen Schöpfung vereinigte. Ruf dieses Lob greift er jetzt zurück, indem er diese ihre zwo tugende nochmals mit Nachdruck nennt: schcene und ere. Die hat si beide vollecliche. hat si ? ja. Und so darf er gegenüber dem Spott seiner stowe in 45, 7 (Min frowe wil ze schedeliche Schimpfen, ich habe üz gelobet) nunmehr getrost schließen: hiest wol gelobt: lobe anderswä. Diese Verbindungsfäden in den Sttophen II und III kommen also noch zu dem in Stt. IV, den man längst beachtet hat (datz auch hier wieder das Thema vom scheiden zwischen wiben [unö Pfaffen] behandelt wird). Ein weiteres Lied gehört in diesen Liederkreis, nämlich 52, 23. Es nimmt einerseits wiederum deutlich Bezug auf das Preislied 56, 14 (f. u. zu 52, 23), anderseits ist es mit 58, 21 verbunden,- denn wenn Walther hier der Geliebten als §ehler vorwirft: si schadet ir vtnde niht, und tuot ir friunden we (59, 25), so stimmt das überein mit dem, was er dort (53, 9) beklagt: Ich gesach nie sus getane Site, Dazs ir besten friunden wcere gram. Swer ir vient ist, dem wil si mite Runen; daz guot ende nie genam. Endlich wird man auch 100, 3 hieher zu stellen haben, da dieses Gedicht doch wohl ebenfalls auf das Preislied 56,14 Bezug nimmt mit den Worten: Frömdiu wip diu dankent mir vil schöne (100, 17), f. u. zu 100, 3. Sucht man all diese Lieder zeitlich zu ordnen, so ergibt sich, von anderen abgesehen1), wohl folgende Reihe, deren Begründung die Zitate liefern, die auf die eben vorhergegangenen Ausführungen zurückweisen. 100, 3 ist vermutlich kur; nach dem Preislied 56,14 entstanden; hierauf folgt 52, 23; sodann 44, 35 (Min frowe wil ze schedeliche Schimpfen, ich habe üz gelobet; jon wart ich lobes noch nie so riche; torst ich vor den wandelbceren; swiez den lösen missevalle; sich krenkent frowen unde pfaffen,Daz si sich niht scheiden länt); nun folgt 47, 36 (noch kumpt fröide und sanges tac; die ausJ) s. zu 70,1, wo hinter das Preislied gesetzt sind: 70,22—96,29—70,1 ; ferner zu 44, 35, wo dieses Lied hinter 72, 31 steht. Übet vorklänge zum Motiv oes scheidens (47, 36) in dem Gedicht 90, 15 s. zu letzterem.

47, 36

173

führliche Auseinandersetzung über das scheiden von mannen, wiben und frouwen; edeliu wip, gedenket daz och die man waz kunnen: Gelichents iuch, r> s£/ gekrenket; swä ich des geltes nü vergebene warten muoz, Da lobe ein ander, den si grüezen schöne; ich wil min lop keren An wip die kunnen danken); schließlich 58,21 (kumpt sanges tac; man kan noch wunder; die lösen scheltent guoten wiben minen sanc; wan daz ich scheide Die guoten von den bcesen. seht daz ist ir haz; nü sagent si mir ein ander mosre, Daz niht lebendes äne Wandel si; So ist ouch min frowe wandelbcere; hiest wol gelobt: lobe anderswä) i). Man sieht, Walthers Preislied nimmt in seinem Dichten eine ebenso beherrschende Stellung ein wie die rede in dem Reimars. Vas Ergebnis, das hier durch die Betrachtung dieser Lieder untereinander gewonnen wurde, stimmt überein mit der Reihung, die ich in meinem Keimar III auf Grund der Vergleichung mit denen von Walthers Rivalen vorgeschlagen habe*). Dort war 56,14 als Nr. 16a angesetzt, 52, 23 als Nr. 23a, 72, 31 (f. o. zu 44, 35) als Nr. 24a und 58, 21 als Nr. 35a3). hierauf folgte wohl bald 115,30, s. zu diesem. Übet die anderen eben behandelten *) Man vergleiche damit Schneiders Reihung (S. 211 f.), die für die oben genannten Lieder ebenso verläuft, nur daß er 44, 35 hinter 47, 36 stellt. Cr ordnet (wenn man von Reimars Liedern absieht): 56, 14—52, 23—72, 31 — Pause — 43, 9—47, 36—44, 35—58, 21—116, 33—90, 15—66, 21. a) es ist Burdachs Verdienst, erkannt zu haben, daß 47, 36 gegen Rei­ mar geht und die Hinwendung zur niederen Minne bekundet (14. 151 s.); der Widerspruch Pauls, Beitr. 8, 174, 175, hat wohl niemanden überzeugt, s. auch Burdach, das. 468. 3) s. auch halbach, der das Lied 47, 36 gleichfalls aus verschiedenen Gründen hinter Reimar Nr. 34 und 35 setzt (72. 78. 74*-* 2), es nebst 44, 35 und 58, 21 als Bekenntnis des walther'schen Ideals gegenüber Reimarscher Galanterie bezeichnet (76 f. 124 f.) und die Klagen, Oie sich darin finden aus das 'herumziehen in der unkünstlerischen Provinz' (128 f.) zurückführt. Gegenüber Schneider, der 47, 36 vor Reimar Nr. 25 und 44, 35 vor Nr. 35 gedichtet sein ließ, so daß nur 58, 21 eine Antwort auf Nr. 35 darstellen würde, erklärt halbach (72. 77 und Schlußtabelle) 47, 36 und 58, 21 für gleichzeitig und setzt beide Lieder zusammen mit 44, 35 hinter Reimars letzterhaltenes Lied Nr. 35. $mr Schneider tritt ein Korn 66. Als festen Termin für alle drei Lieder Walthers nimmt halbach (75. 124 und Register) die Zeit 1204/05 an, wogegen er allerdings an anderer Stelle (118) 44, 35 der 'Spätzeit' zuweist. Singer 456 will das Lied 47, 36 am Hofe Gttos gesungen sein lassen, doch sind seine Gründe nicht überzeugend, wie halbach 23*. 76* dartut.

174

49,25

Lieder konnte dort nichts bemerkt werden, da sie keine Bezüge auf Reimar enthalten. Zu einzelnen Motiven: 47, 37 Frohsinn trotz innerer Trauer um -er Gesellschaft willen auch bei Reimar, s. Burdach 112. 113; Beitr. 8, 468. — 48,26. übet parallelen bei Reimar von Zweier s. Roethe zu 38,1. — 48, 38. Ts ist fast rührend zu sehen, wie Lachmann und Jacob Grimm sich int Jahre 1820 mit dem Druck­ fehler gebenket in Bobmets Minnesingern abquälen (Briefwechsel 5.37. 43). — 48, 4 ff. Zum Streite über wip—srouwe ist besser als auf M5H. 2, 345b (Wilmanns zu 48, 38; vgl. zu 49, 8) auf Ettmüllers Ausgabe des Heinrich von Meißen Nr. 150—164 hinzu­ weisen. — 49, 20 ff. 'Je me toumerai donc ailleurs, car il est

sage et ne merite aucun bläme, celui qui, sans vains murmurs, s’bloigne d’un seigneur cruel et impitoyable’ Peire Vidal bei Jeanrog, Neuphilol. Mitteilungen 1928, t. 29, p. 249. über den Ton s. außer Michels noch plenio 41, 51 und flnm. 2; halbach 64f. und die Berichtigung 135 ff.; heusler § 645 B und 709; Zischet § 84. 87.103. Die Zrage heuslers, ob man die Schlußverse nicht lesen solle: wip dest ein ndtne, ders alle kröenU möchte ich (zum Unterschied von halbach) verneinen: ich kann mich nicht entschließen eine so seltene Zorm da anzunehmen, wo von fünf Versen öiner (48,37), wie heusler selbst gesehen hat, dieser Messung widerstrebt. Ebensowenig scheinen mir die Stollenverse zu ge­ winnen, wenn man sie als vier Langtakte mißt: zwo füoge hdn ich döch, swie üngefuege ich si; diese Messung gibt den Wörtchen ich, daz, swä im ganzen sechsmal (unter zehn Zöllen) einen Nach­ druck» den sie nicht verdienen, verlangt 48,12 die unnatürliche Be­ tonung hie vor st. hie vör und ist 48, 38 überhaupt nicht anwendbar, letzteres obendrein in einem Zalle, wo bei der Betonung wip muoz iemer usw. das ausnahmsweise Fehlen des Auftaktes mit dem Nachdruck, der auf wip hier liegt, ganz natürlich erklärt wird. Ich kann mich also auch der Meinung halbachs nicht anschließen, daß dieser Ton Walthers, obendrein bei dem Zehlen jeder Berührung im Inhalt, auf Morungen 147, 4 gewirkt habe.

49, 25—50,18. Über das Handschriftenverhältnis habe ich mit Rücksicht auf das hinzukommen von G und O in der Zeitschrift für Sievers (Ger-

manica, S. 518 ff.) und in -er Zs. 70,103 gehandelt. An dem an ersterer Stelle gegebenen Text ist darnach nichts zu ändern **) außer sin st. des in 50,14. Das volle Verständnis des Liedes hat uns erst Iellinek, Beitr. 43,4 ff. erschlossen. Über die Beziehungen zu 46, 32 ff. s. zu letzterem, wo die Meinung derer vertreten und gestützt wird, die in diesem Liede eine neuerliche Hinwendung zur hohen Minne erblicken, so daß die der Niederen Minne geltenden Gedichte (und damit auch unseres) den Strophen 46, 32 ff. vorangingen. 'Das Lied wird in -er Überlieferung den Platz behauptet haben, der ihm vom Dichter zugewiesen war,- es schließt sich an das vorher­ gehende gut an' sagt wilmanns in der Vorbemerkung,- vgl. auch Burdach 15; Schneider 114 und halbach 87*. Gewiß haben in einem alten Liederbuch, auf das C und E hier letzten Endes zurück­ gehen, die beiden Lieder unmittelbar beisammen gestanden. Aber Walther hat wohl nach 49, 25 das Lied 92, 9 gedichtet (das C ja aus anderer Quelle bezogen hat) und hierauf erst 50,19 folgen lassen, s. u. zu 92, 9. wenn halbach (121) 92, 9 früher anseht als 49, 25, weil der Dichter in 92, 9 liebe und scheene noch gleichstelle, während er in 49, 25 der liebe den Vorzug gebe *), so ist das mit dem Wortlaut nicht zu vereinen, s. u. zu 92, 93). wegen des glesin vingerlin hat Schönbach, Zs. 39, 352, gemeint, es sei vielleicht an eine Verlobung zu denken. Noch weiter ist Bieget, Zs. 47, 65 gegangen: das Lied bescheinige den Empfang eines Ringes und man sehe auch deutlich, welche höchst reellen Absichten sich damit bei Walther verbänden, der bei minnen an freien denke und so genügsam sei, angesichts des zu gründenden Hausstandes die unbemittelte Geliebte zu versichern: du bist schcene und häst genuoc. Man sieht, auf welche Abwege die biographische Deutung führen konnte! *) auch die Streichung des da 49, 36 ist trotz Braune, Beitr. 40, 216 aufrecht zu erhalten. *) Beck, Beitr. 36, 227 f. findet diesen Gegensatz (wenig überzeugend) vorgebildet in houdencs Meraugis, wo ein Liebeshof entscheidet, ob cortoisie höher zu stellen sei als beattU. *) die Berührungen bei ps.-lvalther ZTC$. 146, 17 f. mit 50, 13 f. und 50,7 (halbach 59*) können vielleicht auf Abhängigkeit weisen, dagegen scheint mir jede Beziehung zwischen 49, 29 f. und Johannsdorf 91, 17 (das. 39) zu fehlen.

176

50,19. 176,1

stuf die große Ähnlichkeit des Tons *) mit dem Hartmanns 211,20 und Engelharts von Adelnburg 148,25 hat Wilmanns I 346 mit Recht hingewiesen,- 'Keinmal' 191, 34 (Burdach 20 f. 169; Plenio 42, 475 und Anm. 1) ist nicht Vorbild, sondern Nachahmung durch einen Pseudo-Reinmar (rote auch 202,25, gleichfalls bei Burdach). Sievers 202 erklärt auf Grund des 'Huerindex' unser Gedicht für das allerälteste von Walthers Liedern; allerdings hat es nach ihm mit drei anderen (116, 33; 117, 1 und 20, 31) die Besonderheit singstimmig und doch kein Tanzlied zu sein. Diese Besonderheit hat hier wohl zu einem solchen Zeitansatz verleitet, der mit allem» was wir über die Entwicklung von Walthers und sonstiger Liebeslgrik aus gewichtigen Gründen annehmen, in Widerspruch steht. Schon Burdach 169 hat unser Lied mit Recht zu denen der Niederen Minne gestellt, also in die Zeit, da der Dichter neue Lahnen einge­ schlagen hatte, Schneider (113) ist ihm darin gefolgt, auch halbach setzt es zwischen 1198 und 1203 (121), nach plenio (42, 4783) gehört es in die Meißner Zeit, und auch Nickel, Liebesproblem (241) spricht wegen der parallele 50,12—Trist. 16874 von einer vermutlichen Einwirkung Gottfrieds auf den älteren Walther (während ich aller­ dings Walther für den Gebenden halte). Eine bestimmte Jahrzahl zu nennen, müssen wir uns versagen; aber eines der Jahre von Walthers Reife hat das Gedicht sicherlich gezeitigt. 50,19—51,12 und 176,1—8. Das Verhältnis der Handschriften in den beiden auch in B über­ lieferten Strophen hat Michels (in den Lesarten) insofern richtig beurteilt, als er eine enge Berührung zwischen B und E erkennt: zwei von den drei Fällen erweisen BE wegen der elenden Wieder­ holung eines benachbarten Ausdrucks ohne weiteres als falsch: 50, 25 selbe (C, grosse BE) liebe an grözen schulen; 51, 8 ist niht guot (C, entouget niht B, entauc niht E) ... minne entouc niht; die dritte (51,12) hat um einen Takt zu wenig. Dagegen scheint *) über ihn s. außer Michels in der Vorbemerkung noch Saran, Vers­ lehre S.282f.; plenio, Arch. 136, 171; Beiti. 42, 4761; heusler § 645 D. 658. 796. Während Günther Müller, vvierteljschr. 1, 101, die da capoJjorm im Einzelnen nachweisen will, erklärt Fischer § 26. 39 es für unmög­ lich zu sagen, welcher Ltollenreihe die Abgesangsglieder nachgebildet sind.

50,1». 176,1

177

mir die Verwandtschaft von C mit E nicht erwiesen, denn -er Aus­ fall der Worte sS gemeine hinter dem unmittelbar vorhergehnden gemeine (51,11) kann sehr leicht unabhängig erfolgt sein. Daher bleibt es 50,22 und 51,10 bei Lachmanns Text (gegen Wackernagel, Pfeiffer, die B gegen CE bevorzugen) und ebenso 51,8, wo diu durch die Übereinstimmung von BC gegen die enger verwandten Handschriften Es gestützt wird (für letztere wackernagel, Pfeiffer, Bartsch, Paul). Wo C gegen BE steht (50, 26 bin—hon*)) oder gegen B allein (51, 5 du—mm), wird man gleichfalls mit Lachmann C vorziehen, da sie sonst besser ist. Und so wird man vorsichtiger tun, auch dort, wo C gegen Es steht, die Lesart C mit Lachmann in den Text zu setzen (50,28 und 29). E hat bekanntlich eine Strophe (66), die allen andern Hand­ schriften fehlt und die auf 50, 34 folgt (bei Lachmann 5.176). Sie lautet: Sie beginnent alle miner frauwen fuezze nemen war mitten in dem schaUe so sich frauwe auch under wilen dar 5 timme die merkere la dir sin ummere den griffe ich wol naher baz daz versueche alrerst so denne daz. wilmanns (und nach ihm Paul) haben im 2. Vers frouwe, Aber wenn die Strophe auch für Walther zu schlecht ist (s. u.), so sind die Zusätze in E doch sonst nicht so banal wie diese Verse wären,- auch kommt die Anrede frouwe im über­ nächsten Vers ohnehin vor. Ich möchte also vermuten, daß miner friundes grüeze zu lesen sei: die in E unmittelbar vorhergehende Strophe hatte ja mit dem Reimpaar fuoz: gruoz geschlossen, und so geriet der Schreiber von gruezze auf fuezze, worauf die Änderung von friundes notwendig wurde. So ergibt sich auch ein guter Zusammenhang, vorher hatte Walther die Geliebte gebeten, wenn sie es schon aus Vorsicht unterlasse, ihm in die Augen zu sehen, mtner füeze geändert.

l) bin bringt die Belastung durch die Liebe, die ja durch eine höhere Gewalt erfolgt, besser zum Ausdruck,- auch 69, 15 hat der Dichter den ob­ jektiven Ausdruck ich trage ein teil ze sweere gewählt. Araus, Walther von der Vogelweide.

178

50, io. 176,1

so möge sie wenigstens mit niedergeschlagenen Augen auf ihn blicken: sich nider an minen fuoz: daz st din gruoz. Nun fährt er fort: %alle (die anderen Krauen: alle ganz wie 50, 35) werden ja auf meine liebenden Grütze aufmerksamx): so blick' auch Du, Ge­ liebte, mitten in dem Lärmen bisweilen dorthin (an minen fuoz)*. Die nächste Strophe schlietzt nun gut an: 'wenn ich alle (die anderen Krauen), die mir mit Kug gefallen sollen (wegen ihrer Vorzüge, v. 51, 1 ff.) ansehe, so bleibst doch du meine Herrin*2) (obwohl du allein meine liebenden Grütze nicht beachtest).' Nun folgt die Schlutzstrophe: 'darum sollst auch du zeigen, datz du mich liebst' (und nicht mehr an mir vorbeisehen),- 'denn eines friundes minne* (wie miner friundes griieze in jener Zusatzstrophe) 'diust niht guot, da ensi ein ander hi*. Der Zudichter klagt also: all die fremden, ihm gleichgültigen Krauen bemerken es, datz er die Geliebte als friunt grützt, nur sie selbst nicht, die es unmittelbar angeht. 3m Abgesang fährt er dann mit Bezug auf die zweite Strophe (Sol daz sin din huote ... tuost du daz ze guote) fort, um die Werker brauche sie sich nicht zu kümmern, denen werde er schon zusetzen: mache die Probe nur erst mit dem (nämlich meine Grütze in jener zurückhalten­ den weise zu erwidern), wie sodann mit dem (nämlich, ob ich den Merkern nicht gehörig heimleuchte). Diese Deutung der Worte: daz versuoche alrerst, so denne daz 3)4 scheint mir mit Rücksicht auf die analoge Stelle 190, 4 geboten *), wo es heitzt: daz verwize ich dir abist, so denne daz; auch hier beziehen sich die beiden daz aus verschiedene Sätze: das erste darauf, datz die Geliebte ihm nicht *) so versteht man auch, wie der Zudichter auf die merkcere kommt: weil er eben (abweichend von Walther) annimmt, daß seine liebende Huldi­ gung von den übrigen Krauen doch schon bemerkt worden sei. 2) gegen Zellineks geistreiche Vermutung, frouwe habe hier (wie anderwärts) die Bedeutung 'Kreude' (Beth.43, 12 ff.) scheint mir die von ihm selbst (15; vgl. auch halbach 60) angeführte Stelle aus Morungen 140, 29 f. zu sprechen: hier klagt der Dichter über die Hartherzigkeit der Geliebten und erklärt: so ist siz doch diu frouwe min. Auch hier liegt keines­ wegs ein gewisses rüemen darin, datz er sie seine frouwe nennt (gegen 13). Sobald einer der Dame dienet, kann er sie als seine frouwe betrachten: mehr will Walther nicht sagen, dies aber kann er äne rüemen sagen. 3) wackernagel setzt das Nomina hinter so; wilmanns erklärt: 'das Pronomen ich fehlt wie 82, 15; aber das patzt weder in den Zusammenhang noch für die analoge Wendung 190, 4; Michels endlich meint, der Schluh sei sinnlos, wenn nicht noch etwas anderes folgte, oder eine Gebärde die Worte begleitete. 4) auf die Michels schon verwiesen hat.

50,1». 176, l.

179

dankt, obwohl er ihr so schöne Lieder weiht, das zweite, daß sie es nicht tut, obwohl die Menschen und er selbst ihr scelde wünschen (während sie süeze siuret, s. den Eingang der folgenden 5trophe). Jene Zusatzstrophe (L. 176) ist nur in E überliefert, diese (L. 190) außer in E nur in den ihr verwandten Handschriften F und O, von denen jede auch sonstige Zusätze nur mit E gemein hat h. Die eben besprochene sonderbare Wendung ist wie ein §abrikstempel. Auch sonstiges spricht gegen beider Echtheit: in 66 E eine unverkennbare Anlehnung an die echten Strophen: das Si... alle wie s(i) alle 50, 35, die grüeze (oder wenn man doch dabei bleiben will: fuezze) wie 34 (bzw. 33), so sich .... dar wie sS... sich nider 33, der Vokativ frouwe wie 51, 4, lä dir sin unmoere wie bin ich dir unmcere 50, 19: das genügt wohl für eine Strophe von acht kurzen Dersen. Weniger Anlehnung findet sich in 160 E; aber der Eingang ist 69, 20 f. nachgebildet» und der verdächtige Reim immer: nimmer, den Walther nicht hat (Michels II 435), kehrt in der gleichfalls nur in E überlieferten Strophe 177,9 wieder; gedankliche Anlehnungen verzeichnet Michels im ersten Anhang zu XVIII. Daß unser Lied unmittelbar vor 69, 1 ff. gehört, hat wilmanns in den Vorbemerkungen zu beiden mit guten Gründen angenommen,- Ergänzungen der Bezüge hat halbach 59. 60. 871. 89 gegeben, unter richtiger Betonung der Einflüsse Morungens2); s. auch Korn 65. Das einstige Beisammenstehen läßt sich wohl auch durch ein äußeres Zeugnis erweisen. Jetzt fteilich sind die Lieder in den Handschriften, die beide überliefern, von einander weit getrennt: 50, 19 steht in C 171—174, in E 63—66, in s aus Blatt 22; dagegen 69, 1 in C 240—243, in E 157—161, in s auf Blatt 14. Aber in einem alten Liederbuch müssen sie beisammen­ gestanden haben, nicht nur weil jedes vom gleichen Dichter eine Zusatzstrophe erhalten hat (s. o.), sondern auch weil 50, 26 die Hs. E st. (ich bin) ze vil geladen schreibt (ich hart) ein teil zuo sere geladen, was aus 69, 15 stammt: ich trage ein teil ze swcere: J) s. IDilmanns II 33 mit Bezug auf F sowie Zs. 70, 87 f. mit Bezug auf O. *) Den Beziehungen, die halbach (39. 59. 86 s.) zwischen unserem Lied (nebst dem vorhergehenden) und Johannsdorf finden will, steh ich sehr zweifelnd gegenüber. Auch der Zaden zwischen ersterem und ITTg. 146, 29 (S. 59h scheint mit zu dünn.

180

51,i$

man könnte das sere geradezu 'bessern' in swere! Solche Einwirkung der einen Stelle auf die andere erklärt sich wohl am einfachsten, wenn die Lieder einst beisammen standen, vgl. o. zu 28, 1. Trotz alledem scheint mir aber für die Entstehungszeit von 69, 1 eine andere Einordnung geboten, s. zu diesem. Gegen eine frühe Ansetzung des Liedes hat sich schon Burdach 15. 154 ausgesprochen. So setzt es auch Schneider (114) in die Gruppe der Niederen Minne und Haibach, wohl besser, in die erste Wanderzeit (59 und flnm. 1; 39); bei Sievers 199 wird es als Tanz­ lied betrachtet, u. z. als das eilste, wodurch es allerdings von 69, 1 (Nr. 30) weit getrennt wird. Die Rhgthmisierung wird verschieden behandelt, s. plenio 41, 54; 43, 59 s.; halbach 39. 59. 86 f. und, nach Kenntnis von heuslers Auffassung (§ 776*. 788. 806), noch einmal 134 f.; s. auch Ascher § 76. Ich vermag mich nur für durchgehend geraden Takt zu entscheiden. lvhne ihn, der ja auch an sich näher liegt, scheint mir das pausenlose Zorthasten durch die ganze Strophe unschön. 51, 13—52, 22.

Lachmann hat unser Lied in zwei zu je drei Strophen zerlegt, ebenso Simrock, der die drei ersten der niederen Minne, die drei letzten der hohen zuwies, wilmanns (Zs. 13, 235 f. und ähnlich Zu 51, 37) meint, daß 51, 13. 29; 52, 15 das ursprüngliche Lied ausgemacht hätten und daß Walther später im Dortrag wechselte, indem er bald diese drei Strophen vortrug, bald die drei ersten als Zrühlingslied, bald die drei letzten als Liebeslied. Demgegenüber hatte schon Bartsch die Zusammengehörigkeit aller sechs Strophen dirz vertreten (Germ. 6, 204), und ihm sind alle späteren Heraus­ geber gefolgt: sicherlich mit vollem Rechte. Der Schluß muget ir urhbe sehen weist deutlich auf den Eingang Muget ir schouwen sowie auf seht an pfaffen, seht an leien zurück *). Auch bleibt der Ausruf owe sö verlorner stunde (IV) unbestimmt und unbegründet, wenn nichts vorhergegangen ist, erhält dagegen volle Bedeutung, wenn er auf die eben gepriesene Zeit -es Mais mit ihrer Pracht *) was allein schon die Vermutung von wilmanns, Str. VI gehöre hinter III, trotz Schönbach II, 55 widerlegt; gegen diese Ansicht ist auch Wood, Antet. Journ. of Phil. 11 (1890), 236 f., der erklärt, daß III und IV (welche beide in die Carmina Burana Aufnahme gefunden haben) zu­ sammengehörten.

51, 13

181

deutet; ebenso gewinnt liebet mir die ztt (VI) einen ganz anderen Inhalt, wenn der bestimmte Artikel auf die Maienzeit zurück­ weist 1). Schließlich ist auch der Satz sich fröit al diu, weit gemeine (VI) eine willkürliche Behauptung für jeden, der diese Zrende nicht hat schildern hören, und daß der Dichter an fröiden borgen kann (das.), glaubt der Hörer auch leichter, wenn er schon aus I. II weiß, daß alle Menschen in der Lage sind, von ihrem Krohsinn abzugeben. Umgekehrt gewinnen auch die ersten Strophen an Bedeutsamkeit durch Verbindung mit den letzten: nicht absichtslos wird die beseli­ gende Wirkung des Mais gepriesen: sie wird allen Menschen zuteil, nur dem Einen nicht; nicht absichtslos ertönt die Krage: we wer wcere unfrö ? (II): die Antwort geben die Strophen IV—VI; und wieder nicht absichtslos wird der Mai gepriesen als der, der alles in Krieden schlichtet (III): er soll auch die Verstimmung der beiden Liebenden sänftigen. Und so erfährt man auch aus der zweiten Hälfte des Liedes erst, daß hinter dem wir und uns der zweiten Strophe nicht die Menschen im Allgemeinen stehn (deren zauber­ hafter Verwandlung ja schon in der ersten Strophe gedacht ist), sondern der Dichter und seine Geliebtez), und daß die Aufforderung am Schlüsse von Str. II tuon wir ouch alsd! eine tiefere Beziehung erhält: statt daß die Geliebte unminne und ungendde zeigt (IV. V) und er ihr vorwürfe macht (das.), sollen sie beide es den anderen Menschen gleichtun, hinzufügen kann man vielleicht noch, was Wood a. a. G-, S. 205 zugunsten der Einheitlichkeit aller sechs Strophen angeführt hat. Die Worte scharn dich daz du mich an lachest Näch dem schaden min faßt er als eine Variation des Sprich­ worts 'wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen': schade sei erklärt durch die Worte owe s6 verlorner stunde, und der Spott sei durch das Lachen ausgedrückt. Die Art fteilich, wie er dieses 'bisher etwas rätselhafte' Lachen der Herrin erklärt, scheint mir etwas gezwungen 3). Auf alle Källe aber heißt es eine ebenso x) wie bei Lichtenstein (429,16) diu ztt auf den kurz vorher genannten tneien weist.

*) der Einwand: 'denn wie verträgt sich mit dem Zrohsinn, der sich 51, 25 ausspricht, die Klage 52, 15 ff.?' (wilmanns, Zs. 13, 236) über it dies, indem er die hypothetische §assung, die in teil (21) und wir suln sin gemeit (22) angedeutet ist, ebensowenig würdigt wie den Vers tuon wir ouch alsd (28), bet doch eine Aufforderung enthält, nicht einen für den Dichter bestehenden Zustand schildert. 3) et meint, man müsse annehmen, die Herrin sei aus ihrem Gleichmut

planmäßige wie künstlerisch feine Komposition zerstören, wenn man die sechs Strophen in zwei Teile zerschlägt: hier ist eins unendlich viel mehr als zwei! Das haben auch Nachahmer erkannt: nicht nur Gottfried von Reifen (Schröder Nr. IV), sondern selbst der poesie­ lose Wizlaw (HINS. III 83, Nr. XI) benutzen für ihr Lied alle sechs Strophen, ebenso wie Konrad von Landegge (s. u.). Gbendrein verketten auch formale Künste sie alle miteinander, wie sich im Zeigenden noch ergeben wird, und schließlich zeugt Walther selbst für die Einheitlichkeit, indem er sich in dem Liede 114, 23 ff. auf das Ganze zurückbezieht, s. zu diesem. A bringt das Lied bekanntlich unter dem Namen des Leutold van Seven. Und so hat Pfeiffer es aus seiner Waltherausgabe verbannt, und bei wackernagel muß man es auf S. 268 ff. mit ein paar anderen Unglücksgefährten unter den harmlosen Nichtigkeiten dieses schwächlichen Nachahmers suchen **). was es mit den Zu­ weisungen van A an Leutold für eine Bewandtnis hat, zeigt die Anmerkung Lachmanns zu 85, 342). wackernagel (p. XXII) glaubte auch die Wiederkehr des Nlativs vom Wettstreit zwischen Blumen und Klee in dem Liede 114, 23 als Entlehnung deuten zu müssen, da es am unwahrscheinlichsten sei, daß Walther in der einen oder andern Stelle ein eigenes Nlativ solcher Art abermals sollte gebraucht haben2). Dagegen hat schon wilmanns (Zs. 13, 235) richtig eingewendet, daß Walther nicht auf Leutold, sondern auf sich selbst anspiele4), sonst hätte die Beziehung: miner frowen seit ich disiu mcere (114, 29) gar keinen Sinn. In der Tat: mit demselben Rechte könnte man 117, 29 mit A dem Niüne zuweisen, weil Walther hier beginnt: Nü sing ich als ich e sanc ' Wil abeiemen herausgerissen durch die Schilderung in der dritten Strophe und lache nun über diese höchste Kapriole von Walthers Phantasie ’more in a beauty’s petulance than in disdain* (205 f.). Aber hätte der Dichter solch ein Lachen als unminne bezeichnet? wenn sie nach dem schaden sin lacht, so lacht sie sicherlich nicht über die Schilderung des Mais, sondern über seine sorge, über seine beweglichen Klagen: nur dieses Lachen ist eine unminne, die Abweisung, die darin liegt, ist ungenmdiclich und veranlaßt all die Bitten und weiteren Klagen, von denen die drei letzten Strophen so voll sind. *) s. auch Bartsch, LD. XXVIII 46; ebenso für Leutold Bruinier, Zs. f. d. Unt. 28, 159 f. a) s. noch Roethe, Reinmar von Zweier, 5. 182; Burdach, flüB. 34, 73; Plenio 42, 424». 8) so auch schon Z. Grimm (bei Lachmann 5.211 f.) und Simrod (I 188). *) ebenso Wood 204.

wesen frS?\ weil damit auf 42, 31 hingewiesen wird, oder man müßte all die anderen Lieder, in denen unser Dichter sich auf frühere rückbezieht, ihm absprechen. Auch hätte Leutold mit diesem einen Liede auffallendes Glück gehabt: Walther, Neifen, der Landegger und selbst der späte und entfernte Wizlaw haben es benutzt! viel umstritten ist das Verhältnis, in dem unser Lied zu zwei lateinischen in den Carmina burana steht *). Bekanntlich folgt die Strophe III hier unmittelbar auf das Gedicht Nr. 114 2) (als 114a) und die Strophe IV (als 131») unmittelbar auf Nr. 131. Ich glaube, mit R. M. Ztteyer, Zs. 29, 178, daß man die schwierige Krage nicht allgemein entscheiden kann, sondern daß die Unter­ suchung für jedes einzelne Lied gesondert geführt werden muß. Was das Verhältnis von 114 zu Walthers Lied anlangt, so zeigt der Inhalt große Ähnlichkeit und der Strophenbau ist in beiden der gleiche, nur daß die zweiten Takte der Verse 1. 3 sowie 6 (letztere aber nicht in Str. I) mit dem Endreim der gleichen Verse gebunden sind,- nur in der letzten Strophe ist auch noch v. 7 mit einem solchen Zäsurreim geschmückt. Ähnliches findet sich nun auch in Walthers Gedicht, aber hier sind die im zweiten §uß der genannten Verse stehenden Silben (oder auch Wörter) meist mit Endreimen ver*) s. für die Priorität Walthers Bartsch, Germ. 6, 204; Burdach 159. 165 f.; wallensköld, M6moires de la soci6t6 n6ophilologique ä Helsingfors, 1893, 5. 83. 84. 86. 88. 103; vgl. Literaturblatt, 1895, Sv. 264 f.; für die des Lateiners Martin, Zs. 20, 51. 53. 63; wilmanns m der Vorbemerkung sowie I 39; plenio 42, 487; 43, 67»; woll 79 ff. Ehrismann, Zs. f. d. Phil. 36, 402. 403. 408 scheint nur für Walther 94, 11 und 39, 11 em lateinisches Vorbild anzunehmen, und Schumann, Germ.-rom. Monatschr. 14 (1926), 5. 436 bemerkt: 'Daß irgend eine der im Buranus enthaltenen Strophen bekannter Dichter lateinischen Vorbildern nachgedichtet worden ist, ist nicht einmal wahrscheinlich. Eher ist in mehreren Süllen das Gegenteil anzunehmen'. Brinkmann 154. 157 läßt es offen, ob gerade jene oben genannten lateinischen Lieder aus Walther gewirkt haben. Gsterdell, Johanne, Inhaltliche und stilistische Übereinstimmungen der Lieder Neidharts mit den vagantenliedern der C. Bur., Köln 1928, gibt in den Anmerkungen zahlreiche lateinische Parallelen unter der allgemeinen An­ nahme ihrer Priorität. Ganzenmüller 280 erinnert für den Wettstreit zwischen Blumen und Klee an den zwischen Rose und Lilie bei Sedulius Scottus und betrachtet den Mai als Schiedsrichter, der alles in Stieben schlichtet, als Motiv geistlicher oder wenigstens gelehrter Herkunst. Ältere Literatur bei Lundius, Zf. f. d. Phil. 39, 330 ff., wallensköld, S. 74 ff. und Schumann a. a.