Wallenstein: Mensch – Mythos – Memoria [1 ed.] 9783428554287, 9783428154289

Albrecht von Wallenstein gilt als eine der faszinierendsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges. In einem interdisziplin

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Wallenstein: Mensch – Mythos – Memoria [1 ed.]
 9783428554287, 9783428154289

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Historische Forschungen Band 117

Wallenstein Mensch – Mythos – Memoria Herausgegeben von Birgit Emich Dirk Niefanger Dominik Sauerer Georg Seiderer

Duncker & Humblot · Berlin

Wallenstein

Historische Forschungen Band 117

Wallenstein Mensch – Mythos – Memoria

Herausgegeben von Birgit Emich Dirk Niefanger Dominik Sauerer Georg Seiderer

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 978-3-428-15428-9 (Print) ISBN 978-3-428-55428-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85428-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt Einführung  Von Birgit Emich, Dirk Niefanger, Dominik Sauerer, Georg Seiderer  . . . . . . 1 Die Suche nach Wallenstein – Mensch oder Mythos? Von Geoff Mortimer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kriegsalltag Logistik in Zeiten des Krieges: Der Kriegsunternehmer Wallenstein und das Geschäft der Heeresversorgung   Von Horst Carl  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Militärische Gewalt in böhmischen Städten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges Von Jan Kilián  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Trümmer, Gräber, Schlachtfelder – Ein Blick auf die Archäologie des Dreißigjährigen Krieges Von Arne Homann  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Kommentar   Von Marian Füssel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Wallenstein-Bilder Albrecht von Wallenstein in der zeitgenössischen Publizistik. Zu den Rahmenbedingungen und Konjunkturen medialer Kommunikation im Kontext des Dreißigjährigen Krieges  Von Silvia Serena Tschopp  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Wallensteins Tod. Zeitgenössische Wahrnehmungen in Medien und Selbstzeugnissen  Von Hans Medick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 „Gut römisch und ein Mameluck“: Das Wallenstein-Bild in der konfessionellen Auseinandersetzung  Von Arne Karsten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

VI Inhalt Wallenstein oder die Grenzen des allegorischen Theaters – Zur Figur des Friedländers im Drama der 1630er Jahre (Johann Rudolph Fischer und Johann Micraelius)  Von Bernhard Jahn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Kommentar Von Christoph Kampmann  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Wallenstein – Persönlichkeit und Selbstverständnis

Der gewalttätige Student. Wallenstein an der Hohen Schule in Altdorf  Von Wolfgang Mährle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Wallenstein als Politiker und Diplomat  Von Robert Rebitsch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Albrecht von Wallenstein: Der letzte der großen Kriegsunternehmer?  Von Ronald G. Asch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Wallensteins Zipperlein Von Fritz Dross  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“ Von Petr Fidler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Wallenstein als Bildungsmäzen des 17. Jahrhunderts Von Martin Holý  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Kommentar Von Anuschka Tischer   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Wallenstein-Rezeption Wallenstein vor Schiller. Die literarische Darstellung des Generalissimus im späten 18. Jahrhundert Von Daniele Vecchiato  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Die dunkle Seite. Zur Psychologie des Okkulten und Astrologischen in Schillers „Wallenstein“  Von Peter-André Alt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Klassikerkult. Wallenstein in der Musik Von Jörg Krämer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Ganz und gar real. Alfred Döblins Roman Wallenstein Von Ursula Kocher  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373



InhaltVII

Von der Kraft der Geschichte auf dem Theater – Überlegungen zu Wallenstein im Theater der Gegenwart Von Bettina Brandl-Risi  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Kommentar Von Peter Burschel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

Erinnerungskultur und Marketing

Die Erinnerung an Wallenstein in der Familie Waldstein im 17. und 18. Jahrhundert  Von Jiří Hrbek  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Wallenstein auf der Leinwand – Stratege, Politiker, Egomane, Bürgerlicher  Von Victoria Gutsche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Living and Playing History – Wallenstein in der populären Event- und Medienkultur Von Jörg Wesche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Kommentar Von Ulrike Ludwig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

Kulinarische Kultur im Krieg

Kulinarisches aus dem Krieg. Zur Ästhetik der exquisiten Kochkunst des frühen 17. Jahrhunderts Von Josef Matzerath  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Quellenverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

Einführung Von Birgit Emich, Dirk Niefanger, Dominik Sauerer, Georg Seiderer Albrecht von Wallenstein gilt als eine der faszinierendsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges. Seiner schillernden Persönlichkeit, aber auch seinem Mythos im Wandel der Zeiten wollen sich die Beiträge dieses Bandes in einem methodisch multiperspektivischen Zugriff nähern. Er geht zurück auf die Tagung Wallenstein. Mensch. Mythos. Memoria., die vom 6. bis zum 9. April 2017 im Marmorsaal der Nürnberger Akademie stattfand. Das Programm der Tagung war bewusst international wie auch interdisziplinär angelegt; eine Mischung aus NachwuchsforscherInnen und etablierten WissenschaftlerInnen sollte den aktuellen Stand der Forschung abbilden, Desiderate aufzeigen, methodische Schwierigkeiten sichtbar machen und die Diskussionen um eine Zentralgestalt der mitteleuropäischen Geschichte und seine Rezeption in unterschiedlichen Medien und kulturellen Zusammenhängen voranbringen. Dabei sollte der sich ergänzende, wesentlich selbstreflexiv gedachte Zugriff auf Mythos und Erinnerungskultur nicht nur die Ambivalenz jeder historischen Beschäftigung mit der Gestalt Wallenstein sichtbar machen, sondern auch Phänomene seiner künstlerischen Überformung bzw. Ästhetisierung in den Blick nehmen. Denn Wallenstein erscheint den Organisator­ Innen der Tagung als machtvolle historische Größe und als schillerndes Diskursphänomen zugleich. 1. Kriegsalltag Die erste Sektion des Bandes widmet sich dem Alltag des Krieges und seinen vielfältigen Erscheinungsformen. So beleuchtet Horst Carl in seinem Beitrag über Ausrüstung und Versorgung der Armee Wallensteins einen der zentralen Gründe für seinen Erfolg: Indem er seine Herrschaft Friedland in eine Produktionsstätte für Kriegsbedarf vom Zwieback bis zur Kanone ausbaute, sicherte er selbst die Versorgung seiner Truppen. Finanziert wurde sie wesentlich durch das gefürchtete Kontributionssystem, unter dem Freund wie Feind im ganzen Reich zu leiden hatten. Dass Abgaben erpresst wurden, dass, in Wallensteins berühmtem Wort, der Krieg den Krieg ernährte, prägte den Alltag der Menschen.

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Zugleich beschleunigten – wie Jan Kilián am Beispiel böhmischer Städte zeigt – die Erfahrungen erst mit der unkontrollierbaren Soldateska, dann mit den gartenden Söldnern, die nach dem Ende der Schlachten als abgedankte, oft invalide, verrohte Gesellen durch die Lande zogen, schließlich die Hinwendung der europäischen Monarchen zum stehenden Heer mit Drill und Disziplin. Noch aber dominierte das Söldnerheer das Geschehen, auch wenn die schwedischen Truppen anfangs zum Teil aus rekrutierten Einheiten bestanden. Wie wir aus Tagebüchern, Briefen und anderen Selbstzeugnissen von Söldnern wissen, haben viele von ihnen ganz Europa zu Fuß durchquert und dabei mehrfach die Seiten gewechselt. Auch ihren alltäglichen Erfahrungen bzw. deren materiellen Hinterlassenschaften widmet sich diese Sektion: Die von Arne Homann vorgestellte Schlachtfeldarchäologie beispielsweise kann zeigen, was von der Bekleidung bis zur Ernährung über die Lebensumstände der Söldner, über ihre Rituale, Talismane und magischen Praktiken bis hin zu den Todesursachen in der Schlacht in Erfahrung zu bringen ist. 2. Wallenstein-Bilder im 17. Jahrhundert Die zweite Sektion des Tagungsbandes befasst sich mit zeitgenössischen Darstellungen Wallensteins. Naturgemäß kann man je nach Konfession, Stand, Zielgruppe und Involviertheit der Autoren ins Kriegsgeschehen ganz unterschiedliche Facetten des Politikers und Kriegsherrn erleben. In diesem Zusammenhang erscheint es eindrucksvoll, wie verbreitet Abbildungen Wallensteins bereits zu dessen Lebzeiten waren. Der Digitale Portrait-Index verzeichnet allein 111 unterschiedliche Stiche Wallensteins, darunter schon etwa dreißig aus dem 17. Jahrhundert. Zu den ikonographisch einprägsamsten gehören sicher die weit verbreiteten Kupferstiche von Matthäus Merian d. Ä.  – Die Ermordung des Grafen Wallenstein in Eger am 15. Februar 1634 (1644) –, von Peter Isselburg und von Wolfgang Kilian. Auch wenn die einschlägige Forschung noch längst nicht alle Abbildungen erfasst hat, zeigt die bislang bekannte hohe Anzahl von kursierenden Stichen doch die Popularität des Feldherrn. Hinzu kommen Gemälde, die zwar nur relativ wenige Zeitgenossen im Original gesehen haben, die aber bis heute unsere Vorstellung von der äußeren Erscheinung Wallensteins stark beeinflussen, so das berühmte Feldherrnportrait des englischen Hofmalers Anthonis van Dyck (1630) oder dessen Variante durch Pieter de Jode d. J. (ca. 1630). Noch Julius Schnorr von Carolsfeld orientiert sein Portrait (1823) an van Dycks Vorlage. Auch die zeitgenössische Literatur würdigt, kritisiert aber auch Wallenstein immer wieder und trug so zu seiner Bekanntheit im 17. Jahrhundert erheblich bei. Zu nennen sind etwa das anonyme Gedicht Wallensteinius Herodes (1634), die lateinisch verfasste, später von Herder übersetzte Wallenstein-Ode des Jesuiten Jacob Balde als vielleicht tiefsinnigstes Beispiel

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der zeitgenössischen Poesie, dann das streitbare, stark moralisierende Gedicht Als der Herzog von Friedland zu Eger war ermordet (1634) des prote­ stantischen Pfarrers Johann Rist und die zuerst auf Italienisch erschienene Biographie Historia della vita di Alberto Valstain, Duca di Fritland (1643) von Gualdo Priorato. Beachtet werden müssen zudem einige zeitgenössische Volkslieder und vor allem die sehr große Anzahl von kontroversen und zum Teil ausgesprochen polemischen Flugblättern und Flugschriften. Das Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts nennt allein etwa 100 unterschiedliche Titel. An erster Stelle müssen natürlich die den Mord verteidigende Apologia Unnd Verantwortungs-Schrifft (1634) und die darauf reagierende anonyme Flugschrift Über die Einkommende Advisen der Mörderischen Gewaltthat (1634) genannt werden. Diese verschiedenen zeitgenössischen Genres nimmt Silvia Serena Tschopp in ihrem Beitrag zum Ausgangspunkt für weiterführende Aussagen über Mittel, Möglichkeiten und Wege von Flugschriften und Flugblättern im Besonderen und medialer Kommunikation im Allgemeinen. Mit einem Fokus auf der Berichterstattung zu Wallensteins Tod greift Hans Medick dies auf und parallelisiert bzw. kontrastiert seine Beobachtungen inspirierend mit Selbstzeugnissen der Zeit. Arne Karsten wiederum konzentriert sich auf die konfessionelle Aufladung der Zeugnisse zu Wallensteins Lebenszeit und zeigt die Probleme einer konfessionellen Instrumentalisierung des indifferenten Feldherren, der zum Katholizismus konvertierte, sich einem calvinistischen Bankier anvertraute und schließlich auf kaiserlichen Befehl getötet wurde. Ähnliche Beobachtungen macht Bernhard Jahn in seinem Beitrag Wallenstein auf der zeitgenössischen Bühne anhand von vier protestantischen Comoedien und einigen Stücken katholischer Provenienz. 3. Wallenstein – Persönlichkeit und Selbstverständnis Die Persönlichkeit Wallensteins galt bereits seinen Zeitgenossen als rätselhaft und war damit ein Ausgangspunkt der zahlreichen Bearbeitungen des Wallensteinthemas in den unterschiedlichsten Medien und Künsten, führte aber auch in der Forschung zu verschiedenen Deutungen, in denen die politischen Zielsetzungen und Motive Wallensteins, insbesondere die Frage nach seinen politischen Ambitionen und seinem Verrat, immer wieder unterschiedlichen Bewertungen ausgesetzt waren. Dazu trug bereits sein steiler Aufstieg bei, der ihn als kaiserlichen Generalissimus aus dem böhmisch-mährischen Adel in den Stand eines Reichsfürsten führte, der im Herzogtum Friedland eine musterhaft verwaltete Nachschubbasis für seine militärischen Unternehmungen schuf und mit den beiden Herzogtümern Mecklenburg den Ausgangspunkt für weitausgreifende Pläne in Norddeutschland zu besitzen

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schien. Schon bei den Zeitgenossen wurden der maßlose Ehrgeiz und unersättliche Machthunger des zeitweilig überaus erfolgreichen Kriegsunternehmers zu einem Topos, der sich seither in unzähligen Variationen durch die wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Literatur zieht. Vor allem aber beziehen sich die meisten wissenschaftlichen Deutungen auf das zweite Generalat Wallensteins seit April 1632, als sein eigenständiges militärisches und politisches Vorgehen nach der Schlacht bei Lützen am Kaiserhof in Wien Irritationen hervorrief, die schließlich zu seiner Absetzung und Ermordung in Eger führten. Die Frage, ob der Herzog von Mecklenburg und Friedland jenen Verrat am Kaiser beabsichtigt habe, mit dem der Wiener Hof sein Vorgehen zwangsläufig begründen musste, oder ob er, loyal zu Kaiser Ferdinand II. stehend, das Opfer einer Intrige wurde, in der sich unter anderem der Einfluss der Vertreter des spanischen Hofes und der Jesuiten in Wien geltend machte, war ebenso immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen wie die Suche nach im weitesten Sinne psychologischen Erklärungen für sein Zaudern. In der dem Kriegsunternehmer und Feldherrn (Ronald G. Asch), dem Di­ plomaten und Politiker (Robert Rebitsch), schließlich dem Menschen Wallenstein gewidmeten Sektion wird dessen historische Rolle, aber auch seine Persönlichkeit in den Blick genommen. Dabei ist es notwendig, auch jene Aspekte einzubeziehen, die in der Vergangenheit immer wieder als mögliche Erklärungen für das scheinbar widersprüchliche und rätselhafte politische und militärische Handeln Wallensteins herangezogen wurden. Es werden damit zum einen sein Glauben an die Astrologie, insbesondere an die von Johannes Kepler erstellten Horoskope, zum anderen aber auch seine schmerzhaften Krankheiten untersucht, deren vermutete persönlichkeitsverändernden Auswirkungen als Erklärung für sein Verhalten in den letzten Monaten vor seiner Ermordung dienten (Fritz Dross). Zugleich aber werden jene Aspekte behandelt, die eigentlich der Ausgangspunkt und die Grundlage für Wallensteins politisch-militärische Wirksamkeit waren: seine Leistungen als Organisator des Krieges und militärischer Unternehmer, sein Wirken als Politiker und Diplomat, schließlich sein Verwaltungshandeln als böhmisch-mährischer Magnat und Reichsfürst, der seinen umfangreichen Herrschaftsbesitz mit ausgesprochen modernen Mitteln einer ebenso effizienten wie gewinnträchtigen Administration unterwarf (Petr Fidler und Martin Holý): Nicht nur Persönlichkeit und Charakter, sondern vor allem auch die Voraussetzungen seines geschichtlichen Wirkens werden somit beleuchtet – bis hin zu seinem kurzen Studium in Altdorf, das Wolfgang Mährle einer auf umfassender Quellenberücksichtigung beruhenden Betrachtung unterzieht.

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4. Wallenstein-Rezeption Die vierte Sektion befasst sich mit Aspekten der sehr vielfältigen modernen Wallenstein-Rezeption. Kaum eine Figur der mitteleuropäischen Geschichte hat so unterschiedliche Nachbildungen in allen Sparten der Kunst erfahren wie der böhmische Feldherr. So widmet sich André Alt in seinem Beitrag Friedrich Schiller, der sich in gleich zwei großen und wirkungsmächtigen Darstellungen der Wallensteinfigur genähert hat: in seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (1791–93) und seiner berühmten Dramen-Trilogie (1798–99). Die Geschichtsdramen Wallensteins Lager, Die Piccolomini und Wallensteins Tod haben nicht nur die Präsenz des Feldherrn auf der Bühne, sondern überhaupt unsere Vorstellung vom Menschen Wallenstein bis heute geprägt. Dies ist erstaunlich, da zentrale Figuren und Ereignisse – etwa Max Piccolomini und seine Liebe zu Thekla (eigentlich Marie Elisabeth) – von Schiller frei erfunden wurden. Daniele Vecchiato untersucht die Vorgeschichte von Schillers Trilogie anhand einer Reihe heute weitgehend unbekannter Autoren. Zu viel diskutierten kulturellen Ereignissen in Deutschland wurden Wallenstein-Aufführungen nach Schiller: So wurde 1798 mit Wallensteins Lager programmatisch das umgebaute Weimarer Hoftheater unter Leitung Goethes wiedereröffnet. Von Goethe selbst stammten einige Strophen des Soldatenliedes, mit dem das Lager ursprünglich einsetzte, und die Idee, das Drama in mehrere Stücke zu teilen. Ein Musterbeispiel einer historistischen Inszenierung von Wallensteins Lager fand 1881 in Meiningen statt. Später erregten die Wallenstein-Aufführungen von Ulrich Erfurth in Düsseldorf (1953), Leopold Lindtberg im Wiener Burgtheater (1959) oder die Wallenstein-Aufführung während der Ruhrfestspiele 1961 einiges Aufsehen. In jüngster Zeit gilt die textgenaue Berliner Inszenierung von Peter Stein aus dem Jahre 2007 als viel diskutiertes Theaterereignis. Wichtige WallensteinDarsteller waren u. a. Wolfgang Heinz, Klaus Maria Brandauer und Gert Voss. Der Beitrag von Bettina Brandl-Risi rekapituliert die wichtigsten Inszenierungen und ihre unterschiedlichen Akzente, widmet sich dann aber der radikalen ‚Wallenstein‘-Aktualisierung durch das Theaterkollektiv Rimini Protokoll. Schillers Wallenstein war zudem die Grundlage für Hörspiele (Heinrich Koch 1961) und Hörbücher (Peter Stein 2011, Ewald Balser 2004). Auch kann Schillers Trilogie zu den meist übersetzten Texten des Klassikers zählen – bis hin zu Übertragungen in das Lateinische und Japanische. Im Bereich des Romans gehört Alfred Döblins im Ersten Weltkrieg entstandener Wallenstein (1920) zweifellos zu den (freilich auch umstrittenen) Meisterwerken. Dabei stehe – so Döblin – der Name des Feldherrn paradigmatisch für das ganze Zeitalter. Gelesen wurde der einerseits expressionistisch wirkende, andererseits durch seine Detailverliebtheit befremdende Roman aber als Parabel auf die großen Kriege des 20. Jahrhunderts, wie Ursula Kocher

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in ihrem Beitrag aufzeigt. Golo Manns viel beachtete Biographie Wallensteins (1971) hält sich zwar enger an die bekannten Fakten, doch verweist schon die Titelformulierung „Sein Leben erzählt von“ – als Thomas MannZitat – auch bei ihm auf das Dichterische des Unternehmens. Die musikalische Rezeption Wallenstein scheint ebenfalls nicht unwesentlich durch Schillers dramatisches Gedicht inspiriert worden zu sein. Dies gilt etwa für die symphonische Dichtung Wallensteins Lager (op. 14, ca. 1856–61) des tschechischen Nationalkomponisten Bedřich Smetana, für Joseph Gabriel Rheinbergers Sinfonie Wallenstein (op. 10, 1866) oder für die Oper Wallenstein (1937) des Prager Komponisten Jaromír Weinberger. Jörg Krämer untersucht erstmals umfassend die Verwendung des Wallenstein-Stoffes in der europäischen Musik des 19. und 20. Jahrhunderts – bis hin zu Paul Hindemiths Oper Die Harmonie der Welt (1957), die anhand der Antipoden Johannes Kepler und Wallenstein in einer Erzählung von Sinnsuche und Heilsversprechen, Machthunger, Hoffnung und Zerstörung eine Parabel auf die Schrecknisse des 20. Jahrhunderts mit seinen Kriegen und Totalitarismen entwirft. Als Petitesse sei angefügt, dass sich in den 1970er Jahren sogar eine deutsche Rockband um den Musiker Jürgen Dollase nach dem böhmischen Feldherrn Wallenstein nannte (Rockpalastauftritt 1978), nachdem der ursprünglich gewählte Name Blitzkrieg gleichzeitig von einer englischen Band beansprucht wurde. 5. Erinnerungskultur und Marketing Das Gedenken an Wallenstein, die Rezeption, Tradierung und schließlich auch Popularisierung des „Mythos Wallenstein“ entfaltete sich damit immer wieder neu in unterschiedlichen nationalen, regionalen und auch konfessionellen Kontexten: Wie Jens Olesen auf der Tagung gezeigt hat, spielt Wallenstein etwa in der schwedischen Erinnerungskultur keine herausragende Rolle. Umso präsenter war die Erinnerung an den herausragenden Spross eines der bedeutenden böhmischen Adelsgeschlechter in dessen Familie, die von Jiří Hrbek für das 18. Jahrhundert untersucht wird: Ungeachtet der Loyalität gegenüber der Casa Austria stand für die Waldstein (Valdštejn) schon aufgrund des symbolischen Kapitals, das Wallenstein seiner Familie hinterlassen hatte, das Interesse an einer Rehabilitierung des Feldherrn im Vordergrund. Die kommerzielle Nutzung und Verbreitung historischer Stoffe kreiert, transportiert und popularisiert historische Bilder, die nicht zuletzt auf ihre Marktgängigkeit zugeschnitten werden und den historischen Stoff dem oft beliebig wirkenden Zugriff aktueller Sinnstiftungs-, Konsum- und Unterhaltungsbedürfnisse unterwerfen. Die ‚rätselhafte‘ Persönlichkeit Wallensteins, der Wallenstein-Mythos und schließlich die fröhlich leuchtende Farbigkeit

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der Söldnerkleidung reduzieren die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und erweisen sich deshalb in besonderem Maße als geeignet für eine vermarktungsfähige Adaption. Zur touristischen Nutzung der Historie zählen Erinnerungsevents wie die Wallensteinfestspiele in Altdorf und ähnliche Veranstaltungen in Memmingen, Stralsund, Eger (Cheb) und der Wallensteinstadt Friedland in Böhmen (Frýdlant v Čechách), wo 1934 und 2011 Wallenstein-Denkmäler enthüllt wurden, die ebenso wie das Grab Wallensteins in Münchengrätz (Mnichovo Hradiště) und die Benennung von Straßen und Plätzen wie in der ehemaligen Residenzstadt des Herzogtums Friedland Gitschin (Jitschin, Jičín) als Ausdruck der internationalen Erinnerung an den kaiserlichen Generalissimus, aber auch der Kommerzialisierung des Wallenstein-Mythos verstanden werden können. Die Verwendung von WallensteinKonterfeis in der Werbung, die touristische Nutzung des Namens etwa in dem von Marktredwitz nach Eger (Cheb) führenden Wallenstein-Radwanderweg oder die Adaption des Stoffes in Spielen zeigen die ungebrochene Eignung der historischen Gestalt zur Vermarktung und Popularisierung. Jörg Wesche zeichnet anhand einiger Beispiele, wie der Memminger Wallensteinwoche oder des BibBox-Spiels Wallenstein, die vielfältige Präsenz Wallensteins in der gegenwärtigen populären Event- und Medienkultur nach. Wallensteins nach Friedrich Schiller schwankendes „Charakterbild in der Geschichte“ ist damit stets aufs Neue verschiedenartigen Erinnerungen, medialen Vermittlungsformen und Interessen geschuldet. Der einführende Beitrag von Geoff Mortimer thematisiert auf der Basis seiner 2010 erschienenen Biographie Wallensteins das Spannungsfeld von „Mensch“ und „Mythos“. Er verweist damit, in aller epistemologischen Bescheidenheit, auf die Quellen als Grundlage aller historischer Erkenntnis wie aller Entmythifizierung. Dass die hier dokumentierte Tagung stattfinden konnte, ist dem Einsatz zahlreicher Personen und Institutionen zu verdanken. An erster Stelle sind die Stiftung NÜRNBERGER Versicherungsgruppe, der Vorsitzende des Stiftungsrates Hans-Peter Schmidt und die Geschäftsführerin der Stiftung Hannelore Wünsche mit ihrem Team zu nennen, denen die Tagung und der aus ihr hervorgegangene Sammelband zuallererst ihre Realisierung verdanken. Sie haben nicht nur durch ihre großzügige finanzielle Förderung, sondern auch über eine lange Zeit der Vorbereitung hinweg mit ihrem organisatorischen Beistand, ihren Ideen und ihrem überaus großem Engagement zum Gelingen der Tagung beigetragen. Zu danken ist weiterhin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der Kost-Pocher’schen Stiftung und dem Historischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, hier insbesondere unserem Partner Dr. Martin Holý.

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Ganz besonders herzlicher Dank gilt der Stadt Altdorf und ihrem Ersten Bürgermeister Erich Odörfer sowie dem Wallenstein-Festspielverein Altdorf e. V. und seinem Ersten Vorstand Ernst Bergmann, die durch ihre Gastfreundschaft und vielfältige Unterstützung, durch ihre tätige Anteilnahme an der Vorbereitung und durch ihre Spielfreude ganz wesentlich an der Tagung beteiligt waren. Auch das Kulturreferat der Stadt Nürnberg hat uns maßgeblich unterstützt, wofür ihm ebenso herzlich gedankt sei wie dem Verlag Müller Medien GmbH, dem InterCityHotel Nürnberg, Merz Premium Reisen und dem Cinecittà Nürnberg für ihre Unterstützung und Sonderkonditionen. Ohne die professionelle und tatkräftige Mithilfe der Pressestelle der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, namentlich Pressesprecherin Dr. Susanne Langer, der Sekretariate der Lehrstühle für Geschichte der Frühen Neuzeit, Maria Galas, und für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Eveline Böhm, und zahlreicher studentischer Hilfskräfte wäre das Symposium ebenso wenig möglich gewesen. Danken wollen wir auch den Kolleginnen und Kollegen Marian Füssel, Christoph Kampmann, Anuschka Tischer, Peter Burschel und Ulrike Ludwig, die die Sektionen der Tagung moderiert und die Beiträge nun auch kommentiert haben. Maßgeblich bereichert wurde die Tagung außerdem durch eine zwölf Tafeln umfassende Ausstellung, die von den Studierenden des Wallenstein-Hauptseminars an der Friedrich-Ale­ xander-Universität Erlangen-Nürnberg erstellt wurde. Schließlich muss besonders Stefanie Wenisch gedankt werden, die im Vorfeld und auch während des Symposiums unermüdliches Engagement zeigte. Im Nachgang der Tagung beteiligte sie sich außerdem maßgeblich an der Redaktion dieses Sammelbandes. Die Unterstützung solch zahlreicher Förderer ermöglichte ein Rahmenprogramm, das sich mit verschiedenen Formen der Memoria befasste. So zeigten die Mitglieder des Altdorfer Festspielvereins die praktische Umsetzung Schillerscher Theaterstücke und Victoria Gutsche bereicherte ihren Beitrag zu „Wallenstein im Film“, in dem sie sowohl TV-Produktionen wie den auf der Biographie von Golo Mann beruhenden ZDF-Vierteiler von Franz Peter Wirth (1978 mit Rolf Boysen in der Hauptrolle), als auch erstmals gehobene und nur fragmentarisch erhaltene Stummfilme aus den 1920er Jahren analysierte, in einem Kinosaal des Nürnberger Cinecittà in eindrucksvollem Maße visuell. Josef Matzerath konnte schließlich seinen ZuhörerInnen nicht nur theoretisch die kulinarische Ästhetik der Zeit Wallensteins näherbringen, sondern ganz im Sinne des Reenactments auch mit drei Degustationen nachschmecken lassen. Schon zu Beginn der Tagung ließ der Auftritt des BachOrchesters Nürnberg, das die „Battalia“ des böhmischen Geigers und Komponisten Heinrich Ignaz Franz Biber von Bibern (1644–1704) zur Aufführung brachte, die Zuhörer gewissermaßen eine Schlacht nachfühlen. Die Battalia (1673) ist eine einsätzige Suite – ein Schlachtengemälde, das nicht trium-

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phal, sondern mit dem klagenden Lamento der Verwundeten endet und dessen Notenhandschrift den sprechenden Titel: „Battalia / Das liederliche ­ Schwirmen der Musquetirer / Mars / die Schlacht, und Lamento / der verwundten, mit Arien / imitirt“ trägt. Hierfür gilt es besonders Jörg Krämer zu danken, der sich dem Thema „Wallenstein in der Musik“ nicht nur theoretisch mit einem Beitrag näherte, sondern auch die Organisation dieser musikalischen Eröffnung übernommen hat.

Die Suche nach Wallenstein – Mensch oder Mythos? Von Geoff Mortimer Ihr kennet ihn – den Schöpfer kühner Heere, Des Lagers Abgott und der Länder Geißel, Die Stütze und den Schrecken seines Kaisers,

Aber, fuhr der Dichter fort … Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.

So schrieb Schiller vor über zweihundert Jahren, im Prolog zu seinem großen Stück Wallenstein. Schiller hatte Recht, und er hat noch Recht. Das Charakterbild von Wallenstein schwankt bis heute in der Geschichte. Aber hatte Schiller auch Recht, wenn er sagte: „Ihr kennet ihn“? Kennen wir Wallenstein wirklich? Kennen wir den Menschen, oder kennen wir eigentlich nur den Mythos? Besonders beachtenswert im Falle Wallensteins ist die Frage, warum es seit längerer Zeit so viel Interesse für ihn gab und noch gibt. Keine andere Persönlichkeit des Dreißigjährigen Krieges hat so viel Aufmerksamkeit erregt, was an der Zahl der wissenschaftlichen Biografien klar zu sehen ist, die in den letzten hundert Jahren erschienen sind. Die zwei Kaiser, Ferdinand II. und Ferdinand III., haben jeder nur zwei Biografen gefunden, wie auch Tilly, aber für die meisten anderen bedeutenden Generäle gibt es nicht einmal zwei. Herzog Maximilian I. von Bayern hat mit drei Biografien mehr Glück gehabt, aber nur die zehn über Gustav II. Adolf von Schweden kommen an die achtzehn Wallenstein-Studien heran. Das andauernde Interesse an Wallenstein wie auch die unterschiedlichen und changierenden Meinungen über ihn, traten 2009 in der Tagung „Wallensteinbilder im Widerstreit“ deutlich zutage, denn die siebzehn Referate behandelten sowohl die Wallenstein-Historiografie von Gualdo Priorato im siebzehnten bis zu Golo Mann im zwanzigsten Jahrhundert als auch literarische Darstellungen von Schiller bis zu populären Romanen.1 Dieses Interesse beschränkt sich auch nicht auf Historiker, sondern erstreckt sich auf ein breiteres lesendes Publikum. Darum ist die riesige, aber sehr lesenswerte 1  Bahlcke / Kampmann.

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Wallenstein-Biografie von Golo Mann noch immer im führenden populären Buchladen in Berlin zu finden, obwohl sie vor fast fünfzig Jahren erschienen ist.2 Gewiss ist Wallensteins Geschichte faszinierend, sogar erstaunlich, und um ein altes Klischee zu zitieren, man würde es nicht wagen, sie für einen Roman zu erfinden. Natürlich trägt es zu seinem andauernden Ruf bei, dass Friedrich Schiller, der größte Dramatiker der deutschen Sprache, sein Schicksal zum Thema seines berühmten Theaterstücks gemacht hat. Trotzdem genügen weder Schiller noch die erstaunliche Karriere des Generals, um das andauernde Interesse an Wallenstein zu erklären, was meines Erachtens drei Hauptgründe hat. Der erste ist das rätselhafte Geheimnis, das über seinen Taten und deren Motivation in seinem letzten Lebensjahr hängt, zusammen mit der Frage, ob sein Tod in Eger eine legitime und gerechtfertigte, wenn auch unkonventionelle Hinrichtung oder tatsächlich ein kaiserlich sanktionierter Meuchelmord war. Der zweite ist das Gewebe von Mythen und Legenden, das ihn umrankt und den echten Menschen verdeckt, auch unzählige Möglichkeiten bietet, sein Wesen immer wieder neu zu interpretieren. Der dritte ist, dass es die Historiografie über Jahrhunderte unterließ, klar zwischen dem Mythos und dem Menschen zu unterscheiden. Ich will den ersten dieser Faktoren nur kurz erwähnen. Wenn ich mir die Spekulation erlauben darf: hätte Wallenstein nach der Schlacht bei Lützen das kaiserliche Heer wiederaufgebaut und wäre sofort danach wegen Krankheit in den Ruhestand getreten, hätten wir in der Geschichte weniger von ihm gehört. Er würde trotzdem als eine der bedeutenden Persönlichkeiten des Dreißigjährigen Krieges gelten, aber statt als einzigartiges Phänomen auf dem gleichen Niveau wie auch andere. Schiller hätte auch sein Meisterwerk nie geschrieben, denn die Handlung spielt ausschließlich in den letzten dramatischen Monaten von Wallensteins Leben. Die wesentliche Rolle, die diese Monate in den Wallenstein-Studien spielen, rührt nicht nur von der theatralischen Art der Ereignisse her, sondern vor allem von dem bleibenden Problem, genau festzustellen, was damals vorging. Dehnte Wallenstein seine Verhandlungsvollmacht bis an die Grenze aus, um nichtsdestoweniger dem Kaiser treu zu bleiben, oder hatte er in der Tat vor, zum Feind überzulaufen? Ähnliche Fragen liegen anderen anhaltenden geschichtlichen Kontroversen zugrunde. War Jeanne d‘Arc nur ein getäuschtes, aber plausibles Bauernmädchen, oder war sie wirklich eine Botin vom Himmel? War Richard III. ein skrupelloser Verschwörer, wie Shakespeare ihn dargestellt hat, der von Anfang an vorhatte, den englischen Thron an sich zu 2  Mann,

G. (1971).



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reißen, oder wurde er stufenweise dazu gezwungen, um sich gegen seine Feinde zu verteidigen? Und ließ er wirklich seine Neffen ermorden? * Um mich jetzt dem zweiten Grund für das andauernde Interesse an Wallenstein zuzuwenden, möchte ich die Bedeutung der Mythen und Legenden besprechen, die den echten Menschen verschleiern. In der Geschichte sind solche Mythen keineswegs selten, das heißt wohlbekannte, aber unbewiesene Erzählungen, die sich an wirkliche Persönlichkeiten knüpfen. Wilhelm Tell, selber eine schattenhafte Gestalt, soll mit einer Armbrust einen Apfel vom Kopf seines Sohns geschossen haben; Newton soll die Schwerkraft entdeckt haben, als ihm noch ein Apfel auf den Kopf fiel; Archimedes, so wird berichtet, soll nackt aus dem Bad gesprungen sein, „Eureka!“ ausrufend, als er das Verdrängungs-Prinzip begriff. Und man darf nicht vergessen, was jeder englische Schulknabe weiß, dass Napoleon Bonaparte gesagt hat: „Not tonight, Josephine!“ Schilller wusste, dass Wallenstein von Mythen umwoben war, Denn das weiß ja die ganze Welt, Daß der Friedländer einen Teufel Aus der Hölle im Solde hält.

Auch inmitten der Kugeln […] in der blut’gen Affär’ bei Lützen […] Konnt’ ihm keine die Haut nur ritzen.

Und weiter: Sie sagen, er les’ auch in den Sternen Die künftigen Dinge, die nahen und fernen.

Die Legende vom kugelsicheren Kavalier war eine wohlbekannte Soldaten-Geschichte, die noch lange nach Wallenstein kursierte. Der Historiker Hellmut Diwald hat bemerkt, wie einfach es damals war, sogar für Leute im gehobenen Dienst, Zufälle in Mythen zu verwandeln. Im Jahre 1627 brachen kurz nach Wallensteins Ankunft sowohl in Prag als auch in Wien schwere Brände aus, was den Gesandten des Kurfürsten von Brandenburg veranlasste, nach Berlin zu berichten: „Des Herzogs von Friedland Ankunft hat uns Sturm, Feuer und Schrecken mitgebracht und haben es andere observiert, daß nun zum andern Mal, wenn gedachter Fürst anhero kommen, sich ein solch Unglück zugetragen habe. Was ist anderes daraus zu schließen, als daß er viele andere und zuletzt sich selbst konsumieren und verderben werde?“3 3  Diwald

(1984), S. 384.

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Die Legenden über Wallenstein waren weit verbreitet und fest verwurzelt, so dass Gottfried von Pappenheim im Jahre 1630 warnte: „Es ist die gemeine falsche Sage von diesem Herren den Leuten also stark imprimiert, dass ich oft selbst alle dergleichen Zeitungen, welche so umständlich von ihm erzählt werden, zu glauben, mich schwerlich verhindern kann, ob ich auch schon zu selbiger Zeit und Stunde, als man es geschehen zu sein erzählt, bei ihm gewesen bin.“4

Geschichten dieser Art, die durch mündliche Überlieferung, Briefe und Flugblätter ausgestreut wurden, wurden auf Grund der wirklichen, außergewöhnlichen Karriere des Generals immer glaubwürdiger, und darum umgab Wallenstein schon zu Lebzeiten eine Aura aus Mythos und Geheimnis. Solche Volksmärchen mögen für moderne Historiker unwichtig erscheinen, aber nichtsdestotrotz haben viele nicht der Versuchung widerstehen können, sie in ihre Darstellungen einzufügen. Bedeutender ist aber die Wirkung des Bildes von Wallenstein auf seine Zeitgenossen, und vor allem auf Leute in führenden Stellungen. Diese, die Fürsten, Politiker und Beamten, verfassten die Urkunden, die Historiker später als Grundlage für ihre Forschung aus den Archiven benutzten. Meiner Meinung nach war das zeitgenössische Image Wallensteins ein Schlüsselfaktor, der die erstaunliche Leichtgläubigkeit des Kaisers und seiner engsten Geheimräte erklärt, als Piccolominis fantastische Schilderung des angeblichen Meisterplans des Generals, die habsburgischen Erbländer und die kaiserliche Krone an sich zu reißen, in Wien eintraf. Sie verstanden Wallenstein so, dass das Fantastische ihnen möglich, ja sogar wahrscheinlich schien. * Moderne Historiker müssen auch die Mythen über Wallenstein berücksichtigen, die absichtlich von seinen Gegnern ersonnen und verbreitet wurden: sowohl zu Lebzeiten als Versuch, seine Entlassung vom Kommando zu bewirken, als auch nach seinem Tod, um ihn zu diskreditieren und seine Hinrichtung ohne ordentliches Gerichtsverfahren zu rechtfertigen. Die Entwicklung der Legende von seiner Besessenheit durch die Astrologie ist ein gutes Beispiel für die Schaffung eines Mythos, die sich daran verfolgen lässt, wie seine Feinde die Astrologie in ihren Angriffen benutzten. Deren erster war die Arbeit des adligen italienischen Mönchs Valeriano Graf Magni, eines Vertrauten Wallensteins, der dennoch Herzog Maximilian I. von Bayern als Geheimagent diente. In dieser Eigenschaft schrieb Magni anonym die angebliche Insider-Darstellung über die Konferenz zu Bruck an der Leitha im November 1626, und er war auch die „große Persönlichkeit“, die die Aus4  Aretin,

S. 38.



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künfte für die Kapuziner-Relationen vom April und Mai 1628 lieferte. Das Bemerkenswerteste an dem Bericht über Bruck ist allerdings das Fehlen jeglicher Erwähnung der Astrologie, was darauf hindeutet, dass Magni sie zu dieser Zeit nicht für wichtig hielt. Stattdessen wies er besonders auf die Gefahr hin, die der katholischen Seite drohte, weil Wallensteins Soldaten „quasi tutti heretici“ (fast alle Ketzer) und viele der Obersten Lutheraner waren.5 Anderthalb Jahre später erwähnte Magni die Astrologie zweimal in seinen Relationen, aber nur kurz und nicht, um Wallensteins Interesse dafür zu tadeln, sondern als Mittel, andere Aspekte seines Wesens zu kritisieren. Beim ersten Mal benutzte er die Astrologie, um Wallensteins angeblich misstrauischen Charakter zu illustrieren, denn „zu keiner einzigen Person – nicht einmal die eigene Gattin ausgenommen – hätte er so viel Zutrauen, dass er es nicht für nothwendig hielte, ehe er sich mit ihr einlässt, vorerst die Punkte des Mondes mit dem Astrolabium zu beobachten“.6 In der zweiten Relation prangerte Magni Wallensteins Doppelzüngigkeit an, denn dieser sollte für einen Frieden mit Dänemark plädiert haben, angeblich, um mit seinem Heer für einen Krieg gegen die Türken freie Hand zu haben. In Wahrheit aber – fuhr Magni fort – hatte er nicht die geringste Absicht, gegen die Türken zu marschieren, und als Vorwand hatte er „Astrologen kommen lassen, welche verbreiten sollen, daß seine Konstellation nicht gut ist, daß er einen Aszendenten nur für zwei Jahre hat, die jetzt bereits beendet sind“.7 Wie in seinem Bericht über die Konferenz zu Bruck war es für Magni viel beunruhigender als die Astrologie, dass die Soldaten des Generals „fast alle Ketzer oder Ausländer sind“.8 Magni war nicht der einzige, der die Astrologie zu dieser Zeit für eine unbedeutende Sache zu halten schien. Maximilian von Bayern ließ Übersetzungen der Relationen anfertigen, um sie insgeheim unter den katholischen Fürsten herumgehen zu lassen, aber bemerkenswerterweise wurde in der zweiten Relation der Absatz, in dem die Astrologie erwähnt wurde, ganz ausgelassen.9 In ihrem Buch über Wallensteins Astrologie betont Angelika Geiger, dass in diesen beiden Passagen die astrologischen Fachausdrücke keinen Sinn ergeben.10 Folglich waren die Berichte gewiss nicht sachlich fundiert, und es ist wohl möglich, dass sie nur erfunden wurden, um die angebliche InsiderKenntnis des Verfassers ein bisschen glaubwürdig erscheinen zu lassen. 5  Aretin,

S. 2. (1887), II, S. 5. 7  Geiger, A., S. 170. 8  Gindely (1887), II, 8 f. 9  Mann, G. (1971), S. 1030, Anmerkung 435; Hurter, S. 218. 10  Geiger, A., S.  170 f. 6  Gindely

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Zwei Jahre danach, auf dem Kurfürstentag zu Regensburg 1630, bildete die Astrologie noch keinen wichtigen Angriffspunkt für Wallensteins Gegner. Ganz im Gegenteil wurde sie nicht einmal in den langen Beschwerdebriefen erwähnt, welche die katholischen Kurfürsten dem Kaiser schickten. Andererseits kritisierten sie aufs Schärfste die Anmaßung des Emporkömmling-Generals, der „ein solche kostbare, überschwängliche Hofhaltung an reisigem Zeug, Aufwartung, Tractament und andern gesucht, daß dergleichen bei königlichen, ja wohl kaiserlichen Höfen nicht gesehen worden“.11 Überraschend ist es nicht, dass die Astrologie in ihren Klagen keine Rolle spielte, denn bei den damaligen Fürsten und Adligen war ein Interesse für Astrologie nicht ungewöhnlich, und im Falle Wallensteins war es weder bemerkenswert noch jene Besessenheit, als die es später in feindlich gesinnten Schilderungen dargestellt wurde. Beachtenswert ist in dieser Hinsicht die geringe Anzahl von Bemerkungen über Astrologie, kaum ein halbes Dutzend, die Geiger in Wallensteins eigener umfangreicher Korrespondenz gefunden hat.12 Nach dem Konzil von Trient war die Astrologie von der katholischen Kirche verboten worden, obwohl viele katholische Fürsten und auch Bischöfe Astrologen weiterhin beschäftigten. Wallensteins eigenes Interesse wurde wahrscheinlich erst in breiteren Kreisen bekannt, nachdem Kepler im Frühjahr 1628 in seines Dienst getreten und nach Sagan umgesiedelt war; danach erwähnen auch erhaltene Urkunden zunehmend die Astrologie.13 Das Thema rückte erst während Wallensteins zweitem Generalat ins Blickfeld, als seine Gegner mit immer größerer Entschlossenheit alle Mittel benutzten, um den Kaiser zu überreden, ihn nochmals zu entlassen. Ferdinand II. war ultra-katholisch, und daher sahen Wallensteins Feinde in der Astrologie eine Gelegenheit, um ihn gegen den General zu beeinflussen. Ihnen zufolge war Wallenstein nicht nur tief in die Astrologie verstrickt, sondern er benutzte sie regelmäßig, um folgenschwere militärische Entscheidungen zu treffen. Ebenso wichtig war die Anspielung, dass er wegen der Astrologie ein schlechter Katholik, oder, noch schlimmer, ein Atheist sei. Die Nutzung dieses Themas als absichtliche Strategie, um ihn bei dem Kaiser in Misskredit zu bringen, geht am klarsten aus der Instruktion hervor, die Maximilian von Bayern an Bartholomäus Richel, seinem Gesandten am kaiserlichen Hof, am 22. Dezember 1633 schickte: „Du sollest I. M. [Ihro Majestät = den Kaiser] auch ferner zu gemhüet fiehren, […] [wie] doch der Jenige [Wallenstein] […] seine actiones unnd der Cathol. Religion 11  Gindely

(1887), II, S. 267 ff., hier S. 276. (2012), S. 86 f.; 311, Anmerkung 27. 13  Geiger, A., S. 171 f., 190. 12  Mortimer



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wolfahrt mehrer auf die betriegliche Astrologia, alß auf daß verthrauen zu Gott fundiret.“14

Als Ergänzung zu dieser direkten Offensive erschienen zur gleichen Zeit verschiedene verleumderische Angriffe auf den General, anonym und in lateinischer Sprache geschrieben, die mit der klaren Absicht privat in Wien zirkulierten, die Aufmerksamkeit des Kaisers darauf zu lenken. Einer von ihnen war ausdrücklich als eine Exhortatio [Ermahnung] an den Kaiser gerichtet. Die mutmaßlichen Verfasser waren Wilhelm Slavata, der Überlebende des Prager Fenstersturzes und seit langem Gegner Wallensteins, und der Hofprediger Johannes Weingartner, der dem General wegen dessen offener Opposition zum Restitutionsedikt bitterfeind war. Die Schreibart der Exhortatio veranschaulicht gut den hasserfüllten Ton, dessen sich Wallensteins Gegner bedienten: „Ihr habt Euch einen Kriegsführer gewählt, von dem Ihr wisset, daß er rachgierig, excommunicirt, stolz, unsinnig, ja rasend ist, […] der nicht Gott zu Rathe zieht, sondern Magier und Wahrsager um sich her versammelt und nach ihrem Rathschlage und den Deutungen der Astrologen Krieg und Frieden bestimmt.“15

Auch weitere Schmähschriften bedienten sich der Astrologie und warfen Wallenstein vor, dass er in „schwierigen Dingen die nutzlose Inclination der Sterne der untrüglichen Vorsehung des göttlichen Schöpfers“ vorziehe.16 Ein weiteres Schreiben verwies spezifisch auf den Atheismus: „Aber abgesehen davon riecht er eher nach Atheismus, weil er […] Astrologen als Ratgeber von überall her zusammenruft und aus ihrem Rat und der Stellung der Sterne Krieg und Frieden regelt.“17

Diese Dokumente und das Gerede, zu dem sie Anlass gaben, erregten auch die Aufmerksamkeit der Diplomaten, deren Aufgabe es war, Informationen vom kaiserlichen Hof zu sammeln. Richel schickte eine Kopie der Exhortatio nach München, und andere Gesandten leiteten den Inhalt in ihren Berichten weiter, was den Mythos von Wallensteins Besessenheit von der Astrologie auch im Ausland verbreitete.18 Als zum Beispiel der päpstliche Nuntius Rocci Wallensteins Tod nach Rom berichtete, bemerkte er weiter: „Alle seine Unterhaltung fand er im Umgang mit Astrologen; […] in den meisten Fällen ließ er sich von den Sternen leiten.“19 14  Aretin,

S.  51 f. Angeli Provincialis ad Imperatorem, in: Aretin, S. 63; auch in: Schebek, S. 230. 16  An Expediat, in: Schebek, S. 574 ff; auch in: Geiger, A., S. 221. 17  Votum cuiusdam secreti Consiliarii Imperatoris, in: Aretin, S. 54; auch in: Geiger, A., S. 222. 18  Aretin, S.  63 f. 19  Geiger, A., S. 223. 15  Exhortatio

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Als der kaiserliche Hof erst nach langer Verzögerung die Rechtfertigung der Ermordung des Generals bekanntgab, wurde dessen angebliches Vertrauen in die Astrologie als Erklärung dafür benutzt, dass er die unerhört riskante Unternehmung einer Thronergreifung versucht habe: „Welchen muth / und Löwenhertz / Ihme dann seine Astrologi gemacht / welche Ihme eingebildet / daß […] Ihne gleichsamb die Planeten selbsten auff den Königlichen Thron zusitzen / anraißeten.“20

Die Ereignisse in Eger erregten sowohl weitverbreitete Kritik als auch erhebliches Unbehagen sogar unter den Anhängern des kaiserlichen Hofes, und darum wurde es für die Regierung unbedingt erforderlich, die Ermordung von Wallenstein zu rechtfertigen. Es war aber kein sachlicher Beweis vorhanden, den General zu inkriminieren, und folglich lief der Mythenbildungsprozess stattdessen sofort auf vollen Touren. Seine Aufgabe war, die Welt zu überzeugen, dass Wallenstein in der Tat vorgehabt habe, sich auf die andere Seite zu schlagen, die kaiserliche Krone zu ergreifen und viele Länder des Reiches unter seine Offiziere zu verteilen, wie in Piccolominis Bericht behauptet worden war. Diese Anschuldigungen waren meist schon in der kaiserlichen Ächtung des Generals enthalten gewesen, und sie wurden danach oftmals wiederholt, erweitert und an die Öffentlichkeit gebracht.21 Der Feldzug wurde mit Hilfe der Druckerpressen geführt, und als Erste gaben Butler, Gordon und Leslie mit kaiserlicher Unterstützung sofort ihre Selbstrechtfertigung in Druck. Wallenstein wurde am 25. Februar 1634 ermordet, und ihre Apologia trägt ein nur neun Tage späteres Datum. Darin behaupteten sie, dass der General und seine „Rebellischen Adhaerenten […] von etlichen redlich und getrewen Käys. KriegsObristen und Cavaliren“ gebührend hingerichtet worden seien. Überdies gingen sie weiter als die Ächtung selber. Wallenstein und seine Offiziere hätten, sagten sie, „nicht allein die Kayserischen und Oesterreichischen Erbländer, auch gar das Röm. Reich unter sie außzutheilen, gehoffet und sich bemühet“.22 Die Protestanten waren genauso schnell mit ihrem Gegenschlag und gaben sich nun in eigentümlicher Umkehr als Verteidiger Wallensteins, der nur kurz 20  Außführlicher und Gründtlicher Bericht der vorgewesten Fridtländischen, und seiner Adhaerenten abschewlichen Prodition, was es damit für ein aigentliche Beschaffenheit gehabt, und was für boßhafftige Anschläg alberait gemacht worden, Wien 1634, c. 24. 21  Helbig, S.  32 ff. 22  Apologia und Verantwortungs-Schrift, aus was hohen, wichtigen und fürdringenden Ursachen, etliche zu Eger in Böheim anwesende Ihr Käys. May. getreweste Kriegs-Officiri, an den gewesten Käys. Generalissimum Albrechten Herzogen zu Friedland, und andere seine bey sich gehabte Adhaerenten, den 15. (25.), Februarii Anno 1634, Gewaltthätige Hand anzulegen, und zu verhüten höchstes Unheils, denselben vom Leben abzuhelffen, bewegen und gedrungen worden, o. O. 1634, S. 3, 13.



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vorher des Kaisers Generalissimus und ihr eigener Hauptfeind gewesen war. Eine Relation auß Parnasso vom 9. März tat die kaiserlichen Offiziere und ihre „vermeinte Apologiam“ verächtlich ab.23 Das Flugblatt wies ihre exkulpierende Darstellung „der Mörderischen Gewalthat unnd Meuchelmords“ zurück und behauptete weiter, dass ihr wirkliches Motiv sei, Wallensteins „löbliche intention deß Friedens zu hindertreiben“, was dem Wunsch „der Frieden Störern unnd Bayrischen Friedhässige“ entspreche. Es verspottete auch die Behauptung der Offiziere, dass Wallenstein die Krone zu ergreifen beabsichtigt habe, „welches doch nicht erwiesen, viel minder glaubwürdig ein gantzes Königreich und so viel incorporirte Länder under sich so wenig Chavalier zu vertheilen“. Vor allem wurde die Ermordung ohne Umschweife verurteilt; der General und seine Begleiter seien gesetzeswidrig getötet worden, „unverhört, unüberwiesen, unbeklagt, uncondemnirt, ohne gegebene Ursach, […] auch nicht verwarnet oder Zeit gelassen sich zuvor Gott mit einem Vatter unser zu befehlen, und ihre Sünde, zu berewen“.24 Wegen dieser vernichtenden Beschuldigung wurde eine kaiserliche Rechtfertigung der Tötung noch dringender notwendig, und als die Schlachtlinien gezogen waren, hielten beide Seiten die Druckerpresse beschäftigt. Auf der kaiserlichen Seite erschien baldigst noch eine auf den März 1634 datierte lateinische Flugschrift, die „den Verrat Albrechts von Friedland“ auf etwa 78 Seiten für die gebildeten Meinungsführer darstellte.25 Die Protestanten schrieben kürzer und auf Deutsch, aber sie betrieben weiterhin die Schmähung der Verantwortlichen für Wallensteins Tod. Eine Eigentliche Beschreibung verurteilte das Ereignis in Eger als „diese schreckliche Mordthat“,26 und ein Gründlicher Bericht klagte an, dass die Opfer „unversehener und jämmerlicher weiß umgebracht und ermordet worden“ seien.27 Laut dem letzteren Flugblatt sei es immer Wallensteins einziges Ziel gewesen, „daß der so lang gewünschte edle Frieden noch bey seinen Lebzeiten zuwegen ge23  Alle Daten in diesem Aufsatz sind nach dem modernen Gregorianischen Kalender zitiert. 24  Relation auß Parnasso Über die Einkommene Advisen der Mörderischen Gewalthat unnd Meuchelmords verübt an Käyserlicher Majest. Generalissimo Hertzogen von Friedland, … durch Obristen Butler, Johann Gordoun Tertzkischen Obr. Leutenant, Waltern Lesle Tertzkischen Majorn, unnd Adam Gordoun Tertzkischen Capitän, und deroselben außgesprengte vermeinte Apologiam, 1634, S. 6, 12, 13. 25  Alberti Fridlandi Perduellionis Chaos sive Ingrati Animi Abyssus, o. O. 1634. 26  Eigentliche Beschreibung, Was sich mit dem General Wallenstein, beneben etlichen andern Officieren und Obristen den 15. Febr. zu Eger und andern Orthen begeben und zugetragen, o. O., 1634. 27  Gründlicher Bericht, Welcher gestalt der Keys. General, Albrecht, Hertzog von Fridland, etc., neben andern Käyserischen Obersten … zu Eger unversehener und jämmerlicher weiß umgebracht und ermordet … worden, o. O. 1634, c. 3.

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bracht […] werden möchte“, und in ähnlicher Weise berichtete auch ein Warhafftiger und eigentlicher Bericht über das „Egerische Blutbad“.28 Die Rolle von Druckmedien bei der Verbreitung von parteiischen Darstellungen wie der Beeinflussung von Meinungen über politische Themen lässt sich anhand der Aufzeichnungen von Privatpersonen der Zeit gut erweisen. Flugblätter aller Art wurden häufig in persönlichen Tagebüchern abgeschrieben, umgeschrieben oder zitiert, und für viele Verfasser diente deren Schreibstil als Muster für ihre eigenen Texte. Dieses Thema habe ich an anderer Stelle ausführlicher diskutiert, so dass hier zwei spezifische Beispiele als Illustration solcher Vorgänge in Bezug auf Wallensteins Ermordung genügen müssen.29 Schon am 16. März, weniger als drei Wochen nach dem Ereignis, war die Eichstätter Nonne Klara Steiger in der Lage, darüber in ihrem Tagebuch zu berichten und dabei auch genaue Einzelheiten festzuhalten. Allem Anschein nach hatte sie nicht bloß von der Ermordung gehört, sondern fast zweifellos eine Kopie der Apologia von Butler, Gordon und Leslie gelesen. Der Einfluss der Druckschrift zeigt sich gut in ihrer Reaktion, denn sie akzeptierte unkritisch die „falschait“ des Generals, der vor kurzem noch der militärische Hauptverteidiger und Hoffnungsträger der katholischen Seite gewesen war. Nun waren er und seine Offiziere für sie nur „verrether […] welche alle iren wol verdienten lon entpfangen“.30 Der Kaufmann Jakob Wagner trug am 31. März die Ankunft der Nachricht in Augsburg in sein Tagebuch ein, ebenfalls viele genaue Einzelheiten notierend, die erkennen lassen, dass seine Quelle höchstwahrscheinlich ein vollständiger gedruckter Bericht war. Zum Geschehnis aber war er anderer Meinung. Für Wagner, einen Protestanten, wurde sein früherer Feind Wallenstein „jämmerlich ermordet“, was ein klarer Widerhall der Ausdrucksweise der antikaiserlichen Flugblätter ist. Als Epitaph schrieb er weiter: „Das ist der Welt Dank.“31 Beide Seiten führten eine kämpferische Pressekampagne, in der die Wahrheit wenig Bedeutung im Vergleich zu ihren politischen Zielen hatte, aber für die Protestanten war Wallensteins Tötung nur eine taktische Gelegenheit. Umgekehrt bestand für die Kaiserlichen die dringende Notwendigkeit, seine Schuld zu behaupten und wenn möglich auch zu beweisen, denn wenn er unschuldig gewesen wäre, wäre er auf Befehl des Kaisers gesetzeswidrig und tyrannisch ermordet worden. 28  Warhafftiger und eigentlicher Bericht, Wie es mit den Egerischen Blutbad zu und abgangen, den 15. Febr. 1634, o. O. 1634. 29  Mortimer (2000), S.  634 ff. 30  Fina, S. 129. 31  Roos, S. 42.



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In der späteren parteiischen Debatte hielten Historiker, die zur habsburgischen und katholischen Sache tendierten, lange am grundlegenden Axiom fest, dass Wallenstein im Begriff gewesen sei, zum Feind überzulaufen und das Heer mitzunehmen. Folglich ist diese Behauptung durch beharrliche Wiederholung zur Standardinterpretation geworden, und obwohl moderne Historiker gewöhnlich umsichtiger sind, bleiben die alten Einflüsse stark. Insbesondere in allgemeinen Darstellungen jener Zeit wird – selbst wenn es keinen Beweis gibt – gemeinhin behauptet oder angedeutet, dass Wallenstein aller Voraussicht nach vorhatte, die Seite zu wechseln. Es mangelt gewiss an Beweisen, aber nicht, weil keiner ernsthaft genug danach gesucht hätte. Ganz im Gegenteil haben die kaiserlichen Behörden der Zeit äußerst große Anstrengungen gemacht, irgendetwas Belastendes ausfindig zu machen, aber ihre Durchsuchungen und Verhöre enthüllten nichts. Die weitverbreitete Kritik an den drastischen und scheinbar gesetzeswidrigen Taten in Eger ging aber weiter, und darum sah sich die Regierung gezwungen, auf Piccolomini zurückzugreifen. Im Laufe des Jahres 1634 wurden seine Erzählung und alles andere, was gegen Wallenstein gebraucht werden konnte, für ein weiteres Flugblatt ausgearbeitet, den siebzigseitigen Außführlichen und Gründtlichen Bericht, der oben bereits zitiert wurde. Piccolomini aber war nervös und schwer festzunageln. Er lehnte es ab, den Text öffentlich zu billigen, es sei denn, es sei eine Bestätigung darin enthalten, dass der Kaiser selbst die Ermordung Wallensteins genehmigt habe, was damals noch nicht eingestanden worden war. Diese Bedingung wurde widerwillig akzeptiert, doch weigerte sich Piccolomini trotzdem, zu unterschreiben. Schließlich musste diese kaiserliche Selbstrechtfertigung herausgegeben werden, ohne auch nur mit dem Feigenblatt eines prominenten Namens versehen zu sein, um die Nacktheit der anonymen Behauptungen zu decken. Das Beste, das sich dazu sagen ließe, war, dass „Alles auß denen einkommenen Glaubwürdigen Relationibus“ stammte.32 Man sagt aber, dass wenn eine Lüge groß genug ist, die Leute mindestens einen Teil davon glauben, und auf diese Weise trug das Flugblatt zur kaiserlichen Verteidigung bei und unterstützte die Mythen, welche sich um die Ereignisse vom Frühjahr 1634 rankten. *

32  Außführlicher und Gründtlicher Bericht der vorgewesten Fridtländischen, und seiner Adhaerenten abschewlichen Prodition, was es damit für ein aigentliche Beschaffenheit gehabt, und was für boßhafftige Anschläg alberait gemacht worden, Wien 1634, S. 1.

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Oben sprach ich von drei Faktoren, die das andauernde Interesse für Wallenstein stimulieren, und jetzt komme ich auf den dritten zu sprechen, die dauerhafte Unterlassung der Historiografie, klar zwischen dem Menschen Wallenstein und dem Mythos zu unterscheiden. Es ist einfach, dies als ein Problem des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu betrachten, aber sicher hielt es sich noch lange danach und es mag wohl noch anhalten. Ganz gewiss hielt es sich noch in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, wie einige Beispiele führender Historiker zeigen. Manchmal waren die alten Legenden so gut, dass Historiker trotz der Fragwürdigkeit ihrer Authentizität nicht gewillt waren, auf sie zu verzichten. So wiederholten Diwald und Polišenský,33 wie viele ihre Vorgänger, bedenkenlos Khevenhüllers Erzählung über Wallensteins Empfang Questenbergs und seiner Kollegen, die 1630 geschickt wurden, um ihn über seine Entlassung zu informieren. Nach Khevenhüller entgegnete ihnen der General: „Ihr Herren, aus den Astris könnt ihr es selbst sehen“, dass er „die Nachricht schon in den Sternen gelesen habe“.34 Diese sensationelle Anekdote wurde aber nicht von den Gesandten berichtet, die in Regensburg damals Klatsch und Informationen sammelten, auch haben wir Questenbergs eigene und viel prosaischere Darstellung der Begegnung.35 Dieses Beispiel ist bezeichnend für das bleibende Verständnis von Wallenstein als einem von der Astrologie Besessenen, was häufig von Historikern behauptet, aber nur selten mit irgendeiner bestimmten Quelle als Beweis untermauert wird, außer dem Horoskop Keplers oder der Propaganda seiner Feinde. Diese gängige Auffassung hat wegen des Wertes, den sie diesem Kepler-Horoskop beigemessen haben, Historiker in die Irre geführt.36 Es fehlt oft an Beweisen, vor allem wenn Historiker unbedeutende Einzelheiten anbringen, um ihrer Geschichte Farbe zu geben. Man mag solche Abschweifungen für unbedeutend halten, aber nichtsdestoweniger werden sie für den jeweiligen Verfasser Teil seiner Wallenstein-Charakterisierung. Überdies fehlen für die tendenziösesten Behauptungen fast immer die Quellenangaben. Geoffrey Parkers hervorragendes Buch The Thirty Years War ist mit Quellenangaben reichlich versehen, aber man sucht vergebens eine Quelle, als er von Wallenstein behauptet: „In seinem Verhalten gegenüber seinem Gefolge schwankte er zwischen übermäßiger Großzügigkeit und erschreckender Grausamkeit (Strafen wurden sofort von seinem persönlichen

33  Diwald

(1984), S. 439; Polišenský / Kollmann (1997), S. 215. S. 215. 35  Mortimer (2012), S.  160 f. 36  Ebd., S.  80 f. 34  Khevenhüller,



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Scharfrichter vollzogen)“.37 Im auffallenden Gegensatz dazu, aber auch ohne Quelle, beteuert Diwald: „Wallenstein hat in der ganzen Zeit seiner Herrschaft in Friedland nur einen einzigen Mann hängen lassen, einen Wilddieb“.38 Derlei Anekdoten, die oft von Historiker zu Historiker abgeschrieben wurden, nenne ich ironisch „wohlbekannte Fakten“, das heißt: Behauptungen, die als Allgemeinwissen angenommen werden und darum vermutlich keinen Beweis brauchen. Es gibt ein Beispiel in demselben Absatz aus Parker: „So konnte Wallenstein keinerlei laute Geräusche mehr ertragen. Wenn er in einer Stadt ankam, befahl er angeblich als erstes, alle Hunde und Katzen zu töten.“ Die Geschichte über Hunde und Katzen ist häufig wiederholt worden, aber bis jetzt habe ich keine zuverlässige Quelle dafür zitiert gesehen.39 Diese und viele andere Beispiele gehören zum langjährigen Ruf Wallensteins, der von einer amerikanischen Professorin als „ein außerordentlich ehrgeiziger, habgieriger, eigenütziger, arroganter, gestrenger und skrupelloser Mensch, der von wahren religiösen Motiven unberührt war, und der sich von astrologischen Beobachtungen leiten ließ“, bezeichnet wird.40 Dieser Standardruf stammt hauptsächlich von der feindlichen Karikatur, die seine Gegner sowohl vor als nach seinem Tod an die Öffentlichkeit brachten, und diese diente in hohem Grad als Basis für die erste Historiografie über Wallenstein. Seitdem ist dieses Image so häufig und regelmäßig bemüht worden, bis es allgemein akzeptiert wurde, und deshalb halten sogar moderne Historiker es selten für notwendig, diese Darstellung auf primäre Quellen zu stützen. Stattdessen verlassen sich viele, implizit oder explizit, auf das Wallenstein-Image, das frühere Generationen von Historikern geschildert haben. Leider aber zitierten viele Historiker im neunzehnten Jahrhundert nur wenige oder sogar keine Quellen in ihren Büchern, was auch später manchmal der Fall war. Es ist häufig schwierig und nicht selten unmöglich, die Angaben zu bestätigen

37  Parker

(1984), S.  138 f. (1984), S. 319. 39  Silvia Serena Tschopp verdanke ich den Hinweis auf eine sich als Übersetzung eines deutschsprachigen Originals ausgebende italienische Flugschrift, bei der es sich um die früheste ihr bekannte Erwähnung der Legende, Wallenstein habe aufgrund seiner Lärmempfindlichkeit die Hunde und Katzen in seiner Umgebung umbringen lassen, handelt. Der Titel der ohne Angabe des Druckjahrs erschienenen, von Silvia Serena Tschopp auf Ende 1632 datierten, unpaginierten Flugschrift lautet Relatione Delle Heroiche Qvalità […] Del […] Baron di Wolestahim; in der hier interessierenden Passage heißt es: „Doue arriua fa subito ammazzare tutti li Cani, e li Gatti non volendo sentir strepito di sorte alcuna.“ (Übersetzung: Wo er [Wallenstein] hinkommt, lässt er sofort die Hunde und Katzen töten, da er keinerlei Lärm hören will). Flugschriften gelten aber keineswegs als zuverlässige Quellen. 40  Helfferich, S. 648. 38  Diwald

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oder die Deutung des Verfassers zu überprüfen, und darum bleibt der Unterschied zwischen dem Menschen Wallenstein und dem Mythos oft fraglich. * Es bleibt ein zentrales Problem hinsichtlich der Beweisführung in den Wallenstein-Studien zu erwähnen. Im Ganzen haben wir beinahe zu viel Information, aber in bestimmten äußerst wichtigen Bereichen haben wir zu wenig, und Vieles ist unzuverlässig. Wir wissen auch, dass es Lücken in den Akten gibt, die höchstwahrscheinlich teilweise durch „archivalische Säuberung“ verursacht wurden, um ungünstiges Material aus der kaiserlichen Kanzlei oder dem Privatbesitz von Wallensteins Gegnern beiseite zu schaffen. Weiter müssen wir mit großem Bedacht bei Dokumenten vorgehen, die über Wallensteins eigene Persönlichkeit Aufschluss geben, ebenso bei Urkunden, welche die hochpolitischen Auseinandersetzungen über seine Entlassung zu Regensburg, sein zweites Generalat und insbesondere die Ereignisse seines letzten Lebensjahres zum Thema haben. Wallenstein erweckte starke Loyalität und starke Antipathie, es gab wenige Neutrale. Auch wird jeder Zeitgenosse sowohl die Art weitverbreiteter Erzählungen über den General gehört haben, die von Pappenheim geschildert wurden, als auch die Propaganda, welche seine Gegner zirkulieren ließen. Darum darf nie vergessen werden, dass der Urheber fast jeden Dokuments eine eigene und wahrscheinlich nicht unparteiische Meinung über Wallenstein gehabt haben wird, und darum muss man sich bei allen – mit Ausnahme nur der sachlichsten – Informationen der Gefahr tendenziöser Verzerrungen gewahr werden. Was das Problem noch erschwert: abgesehen von Wallensteins Offizieren und den Verwaltern seiner eigenen Herzogtümer hatten nur wenige Zeitgenossen persönlichen Kontakt zum General, vor allem in seinen späteren Lebensjahren. Seine ganze militärische Karriere hindurch vermied er wenn irgend möglich, Wien zu besuchen, und dies von Anfang an. Als er 1620 erst zum kaiserlichen Hofkriegsrat ernannt wurde, entschuldigte er sich und blieb den Sitzungen fern, statt die Gelegenheit zu ergreifen, sich einen Namen zu machen und einflussreiche Kontakte aufzubauen, wie man es von einem angeblich höchst ehrgeizigen Menschen hätte erwarten können. Nach 1627 besuchte er Wien nie wieder. Sein Schwiegervater Karl Graf von Harrach, ein Vertrauter und Berater des Kaisers, war bis zu seinem Tod im Jahre 1628 sein wichtigster Verbindungsmann zum Machtzentrum, aber danach waren die Beziehungen mehr politischer als persönlicher Art, obwohl Wallenstein in Wien noch Fürsprecher hatte. Zur Zeit des Kurfürstentags in Regensburg 1630 hatte keiner von seinen führenden Gegnern, den katholischen Kurfürsten, ihn je persönlich kennen gelernt, und soweit ich weiß, hat ihn mit Ausnahme Maximilians von Bayern auch später keiner getroffen. Diese Begeg-



Die Suche nach Wallenstein – Mensch oder Mythos?

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nung fand erst im Juni 1632 statt, aber nach dem Oktober desselben Jahres haben sie einander nie wieder gesehen, und Kaiser Ferdinand II. und sein erster Minister Eggenberg hatten ihren Generalissimus zur Zeit der endgültigen Krise Anfang 1634 seit fast sieben Jahren nicht getroffen. Merkwürdigerweise wissen auch wir nur wenig über den Menschen Wallenstein, und darum habe ich diesen Aufsatz Die Suche nach Wallenstein betitelt. Angesichts der Fülle an archivalischem Material vergisst man leicht, dass die große Masse nur das letzte Dutzend Jahre seines Lebens betrifft, und das meiste nur die letzten acht. Als er zum ersten Mal während seines Kavalleriedienstes in Gradisca 1617 ein bisschen Aufmerksamkeit erregte, war er schon 34 Jahre alt (in welchem Alter Piccolomini bereits Feldmarschall war), und er war 38, als er eine ziemlich bedeutende Persönlichkeit wurde, nämlich infolge seiner Ernennung zum Obersten von Prag im Jahre 1622. Außer einigen Einzelheiten stehen uns nur wenige Informationen über seinen dazwischenliegenden Militärdienst und noch weniger über ihn persönlich zur Verfügung, was auch für die früheren Jahre gilt. Sogar die reichliche Dokumentation für die Jahre, die Wallensteins öffentliche Karriere umfassten, schließt nur eine begrenzte Menge persönliches Material ein. Seine Korrespondenz mit Harrach ist in dieser Hinsicht wertvoll, und wir haben auch manche Briefe, die ihm seine zweite Frau schrieb. Seine Briefe an sie fehlen jedoch, denn obwohl wir wissen, dass sie diese behielt, verschwanden sie nach ihrem Tod, vielleicht als ein Opfer der „archivalischen Säuberung“. Manche Briefe von Wallenstein an Collalto und Arnim enthalten Persönliches, aber die beiden Beziehungen waren auch professionell, manchmal auch äußerst politisch, und folglich muss man die Korrespondenz besonders sorgfältig lesen. Aus Wallensteins letzten Lebensjahren findet sich leider fast nichts, was ihn persönlich betrifft. Trotz dieses Mangels an persönlichem Material deutet das, was wir haben, auf einen ganz anderen Wallenstein hin als den „Machtmenschen“ der Historiografie.41 Seine frühen Jahre lassen nichts Bemerkenswertes erkennen, denn die Entwicklung vom wilden Studenten zum ehrbaren, aber langweiligen Landbesitzer ist alltäglich. Ferner ist es nicht notwendig, nach Hintergedanken für seine Bekehrung zum Katholizismus zu suchen, die damals auch nichts Außergewöhnliches war, denn die Gegenreformation hatte viel Erfolg, nicht nur auf der politischen, sondern auch auf der persönlichen Ebene. Genauso war es damals eine übliche Ambition für ärmliche Mitglieder des Kleinadels, eine Erbin zu heiraten, und obwohl Wallenstein damit mehr Erfolg hatte als die meisten, gibt es keinen Grund, ihn auf mehr zurückzuführen als auf eine Kombination aus Glück, guten Beziehungen und einem bisschen 41  Rebitsch

(2010).

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persönlichen Charme. Zunächst hatte er das Soldatenleben probiert und danach wurde er Höfling beim Erzherzog Matthias, aber nachdem er reich geworden war, versuchte er weder in dem einen noch in dem anderen Beruf Karriere zu machen. Als Matthias Kaiser geworden war, scheint Wallenstein auch keinen Versuch gemacht zu haben, seine Beziehungen am Hof auszunützen. Tatsächlich deutet alles, was wir über sein ganzes Leben als jungen Mann wissen, eher darauf hin, dass er keineswegs ein höchst ehrgeiziger Mensch war, sondern dass es ihm vielmehr an Ambitionen mangelte. Die erste wirklich überraschende Tat in Wallensteins Leben war seine Entscheidung im Jahre 1617, freiwillig und auf eigene Kosten ein Regiment zu rekrutieren, um Erzherzog Ferdinand in seinem lokalen Krieg bei Gradisca behilflich zu sein; aber warum nur er, als einziger im Reich, diesen merkwürdigen Schritt unternahm, ist nicht bekannt. Meine eigene Interpretation, welche zugegebenermaßen nur eine Hypothese ist, ist, dass dies die erste einer Reihe von Schlüsselhandlungen in Wallensteins Leben war, die durch eine erkennbare Notwendigkeit verursacht wurden, nämlich die, seine persönliche Lage und insbesondere den Besitz seiner Ländereien zu schützen. 1617 waren diese durch die Ansprüche der protestantischen Verwandten seiner verstorbenen Frau gefährdet. Weiter musste er sich aufgrund der immer wachsenden religiösen und politischen Unruhe unter der protestantischen Mehrheit in Böhmen und Mähren bedroht gefühlt haben, war er doch einer der wenigen katholischen Adligen in diesen Territorien. Darum schien es ihm eine gute Vorsichtsmaßnahme zu sein, seine militärische Karriere im Dienst des neuen Königs von Böhmen und voraussichtlichen Kaisers wiederaufzunehmen. Abgesehen von seiner ins Auge springenden, aber letzten Endes unbedeutenden Großtat, als er in Olmütz Geld und Kriegsmaterial für den Kaiser ergriff, war Wallensteins Militärdienst während des böhmischen Aufstands und der folgenden Kriegsjahre nicht besonders bemerkenswert. Wie man hätte erwarten können, erwies er sich als fähiger Offizier, aber wenig deutet darauf hin, dass er irgendeine einflussreiche Stellung anstrebte oder Kontakte pflegte und Gelegenheiten suchte, die ihm zu einem künftigen weiteren Aufstieg behilflich hätten sein können. Der Sonderauftrag, den er 1620 erhielt, auch seine Berufung zum Obersten von Prag 1622, bestätigen seinen guten Ruf, aber sie wurden bestimmt auch beträchtlich von seiner böhmischen Herkunft beeinflusst. Und als er danach Wien besuchte, war er mehr damit beschäftigt, eine neue Frau zu finden, als um Stellung und Einfluss zu rangeln. Dagegen zeigt sein parallel verlaufendes Programm des Grundbesitzerwerbs, dass er Ambitionen anderer Art hatte, die freilich damals völlig normal waren. Nach dem Scheitern des böhmischen Aufstands versuchten fast alle hochgestellten Zeitgenossen in Wien und Prag, Landgüter billig zu kaufen. Wallenstein dachte nur größer und war besser organisiert.



Die Suche nach Wallenstein – Mensch oder Mythos?

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Diese und andere Aspekte seines Lebens vor seiner ersten Ernennung zum General im Jahre 1625 haben zwei Dinge miteinander gemein. Erstens ähnelte Wallenstein damals kaum dem „außerordentlich ehrgeizigen, habgierigen, eigenützigen, arroganten, gestrengen und skrupellosen Menschen“ des obenerwähnten konventionellen Images. Zweitens haben wir nur sehr beschränkte Informationen über diese frühen Jahre, und die relevante Forschung wurde meistenteils vor langem und oft von lokalen Amateuren durchgeführt. Es kann sein, dass es in der Tat keine weitere Auskunft gibt, aber meines Erachtens könnte mehr Forschung in diesem Bereich wertvoll sein. Andererseits ist Wallensteins Rolle als regierender Fürst in Friedland und Mecklenburg ein gut erforschtes Thema. Hier steht mehr an Information zur Verfügung, und obwohl viel davon auch nicht eigentlich persönlich ist, deutet sie trotzdem auf ein Bild von diesem Mann hin, das ebenfalls nicht mit jenem konventionellen Image übereinstimmt. Alles andere als „habgierig“ oder „gestreng“, scheint Wallenstein im Vergleich zu vielen seinen Zeitgenossen ein progressiver Herrscher gewesen zu sein, der einen großen Teil seiner beträchtlichen Kraft für die Entwicklung der Wirtschaft in seinen Besitzungen einsetzte, um nicht nur sein eigenes Wohlergehen, sondern auch das seiner Untertanen zu verbessern, und unter seinen Bauwerken finden sich soziale Einrichtungen, die seiner Zeit weit voraus waren. Es gibt eine klare Unstimmigkeit zwischen dem Erscheinungsbild Wallensteins in seinen Frühjahren wie in denen des regierenden Fürsten, und dem ihm anhaftenden Image, das Historiker von seiner kontroversen Karriere als des Kaisers Generalissimus abgeleitet haben. Wenn man aber auf diese Diskrepanz hinweist, riskiert man, des Versuchs beschuldigt zu werden, Wallensteins Ruf zu „rehabilitieren“, wie es mir geschehen ist.42 Das geht völlig an der Sache vorbei. Für einen Historiker spielt es keine Rolle, ob eine Persönlichkeit aus der Vergangenheit „gut“ oder „schlecht“ war, aber es soll unbedingt eine wichtige Rolle spielen, dass die Darstellung glaubhaft ist, und wenn es scheinbare innere Widersprüche gibt, müssen sie entweder gelöst oder erklärt werden. Die meisten meiner Vorgänger als Wallenstein-Biografen haben keines von beidem getan. Ich wurde aber ursprünglich als Naturwissenschaftler ausgebildet, und mein Ausgangspunkt für Beweismaterial bleibt noch der eines Naturwissenschaftlers. Kritiker mögen meine Schlussfolgerungen als zu positiv Wallenstein gegenüber betrachten, aber ich habe sie direkt aus dem Beweismaterial abgeleitet. Ein besseres Verständnis von Wallensteins Charakter und Motivation ist wichtig, weil wegen des Mangels an maßgeblichen Beweisen viele der bedeutendsten Handlungen in seinen späteren Jahren nur auf der Basis einer 42  Helfferich,

S. 648.

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Arbeitshypothese interpretiert werden können, die rund um ein psychologisch glaubwürdiges Individuum aufgebaut wird. Man mag solch einen Ansatz als Amateurpsychologie statt Berufshistoriografie kritisieren, aber er ist in der Tat genau das, was der Mainstream von Wallenstein-Studien jahrhundertelang geleistet hat. Regelmäßig haben Historiker behauptet, dass Wallenstein nach seiner Entlassung im Jahre 1630 fest entschlossen war, sich am Kaiser zu rächen. In der totalen Abwesenheit von Beweisen ist dies aber eine rein psychologische Einschätzung und tatsächlich nicht mehr als eine unbegründete Annahme bezüglich seiner Denkart. Trotzdem haben Gelehrte diesen vermuteten Rachedurst weiter als Grund interpretiert, weshalb Wallenstein nicht gewillt war, nach dem anfänglichen Erfolg der Schweden das Kommando über das kaiserliche Heer wiederaufzunehmen. Seine Weigerung, Truppen zu entsenden, bevor sein neues Heer kampffähig war, um Bayern gegen die Schweden zu helfen, haben Historiker ebenfalls psychologisch als Rache an Herzog Maximilian verstanden. Ihre Analysen der verwirrenden Friedenshandlungen im Jahre 1633 wurden noch komplizierter als Folge der häufigen Annahme, dass Rache eines der Hauptmotive des Generals gewesen sei. Im Extremfall haben einige Autoren einen unersättlich ehrgeizigen und im wesentlichen irrationalen Menschen erschaffen, um ein unglaubwürdiges Trachten nach der böhmischen Krone wie auch unrealistische Absichten, das Heer zum Feind hinüber zu führen, zu erhärten. Methodologisch ist es genauso stichhältig, einen anderen psychologischen Standpunkt bezüglich Wallensteins Charakter zu vertreten, was aber zu ganz anderen Schlussfolgerungen führt. Auch diese sind hypothetisch, aber meiner Meinung nach logisch besser begründet. * Zum Schluss möchte ich betonen, dass wir mehr Forschung brauchen, die den Menschen Wallenstein zum Schwerpunkt hat, wenn wir diesen jemals vom Mythos trennen wollen. Wie ein Rezensent meines Buches gesagt hat: Solange nicht neue Quellenbestände und innovative Fragestellungen zum Leben des Friedländers herangezogen bzw. entwickelt werden, wird sich die WallensteinForschung gewissermaßen um sich selbst drehen und auf alte Fragen kaum neue Antworten finden.43

Darum geht die Suche nach Wallenstein weiter.44

43  Rohrschneider,

S. 343. danke herzlich Rainhild und Chris Wells, St Edmund Hall, Universität zu Oxford, sowie Georg Seiderer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die mein Deutsch korrigiert und verbessert haben. 44  Ich

Kriegsalltag

Logistik in Zeiten des Krieges: Der Kriegsunternehmer Wallenstein und das Geschäft der Heeresversorgung Von Horst Carl 1. Obsessionen – Wallenstein als Kriegsunternehmer und die militärgeschichtliche Forschung Schon der einschlägige Klassiker der Militärgeschichte, Martin van Crevelds „Supplying War“ von 1977, lässt keinen Zweifel: Wallenstein ist der Erfinder der modernen Kriegslogistik gewesen. Der Untertitel des Werkes ist schlicht „Logistics from Wallenstein to Patton“. Im einleitenden Frühneuzeitkapitel mit dem bezeichnenden Titel „The Tyranny of plunder“1 firmiert Wallenstein allerdings nur kurz als Erfinder des Kontributionssystems, das von zweifelhaftem Wert gewesen sei. Wallensteins Logistik in Kriegszeiten sei im Kern eine Steigerung und systematische Organisation dessen, was für Kriegführung ohnehin charakteristisch ist: Ausbeutung und Plünderung.2 Zwar habe es die direkte Konfrontation des von der Hand in den Mund lebenden Soldaten mit der Bevölkerung, die ihm diese zur Verfügung stellen musste, erspart, und das Verfahren sei damit geordneter „and therefore more human“ gewesen. Aber in der Durchführung habe es so furchtbar (terribly) gewirkt, dass „shocked by its horrors, Europeans everywhere were still mak­ing efforts to avoid its repetition a century and a half later […]“.3 Mit dieser historischen Einordnung Wallensteins und auch der Bewertung des Kontributionssystems reiht sich van Creveld in eine recht lange Reihe von militärgeschichtlichen oder militärgeschichtlich informierten Würdigungen Wallensteins ein, die ihn als exemplarisch für eine bestimmte Phase der europäischen Militärgeschichte sehen. Wallenstein dient als Chiffre, die den Höhepunkt einer Phase markiert, in der Söldnerheere und an ihrer Spitze Militärunternehmer den Krieg führten und damit auch die Art und Weise, wie

1  Van

Creveld, S. 5–17. S. 15–22. 3  Van Creveld, S. 8. 2  Carl / Bömelburg,

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der Krieg zu führen war, definierten – als Geschäft.4 Wallensteins Rolle dabei ist nicht die des Erfinders, sondern des Vollenders dieser Form der Kriegführung, die er ins Extreme steigerte. In dieser Hinsicht hat Wallenstein jedenfalls schon früh die historische Forschung fasziniert, die versucht hat, dieses System – wie bei van Creveld eine Art Faszinosum und Tremendum der modernen Kriegsführung – nachzuvollziehen und zu verstehen. Schon die frühen Wallensteinforscher wie etwa Anton Gindely haben sich daran gemacht, Kriegsfinanzierung und Logistik nachzuvollziehen, die es möglich machten, Armeen in bislang nicht gekannter Größe für eine Kampagne aufzustellen und zu unterhalten.5 Einige der in diesem Zusammenhang entstandenen Forschungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben bis heute noch Referenzstatus wie Moriz Ritters luzide Analyse der Genese von Wallensteins „Kontributionssystem“6 oder vor allem die beiden Werke von Anton Ernstberger zu den ökonomischen Grundlagen von Wallensteins Logistikzentrum Friedland und den europäischen Verflechtungen des Finanzimperiums von Wallensteins Finanzier de Witte.7 In diese Forschungen hat Ernstberger sein Lebenswerk investiert, nicht anders als der in die USA emigrierte Sozialwissenschaftler und Wirtschaftshistoriker Fritz Redlich, dessen grundlegendes Werk zum „German Military Enterpriser and his workforce“ die ökonomischen und finanziellen Grundlagen frühneuzeitlicher Kriegführung analysiert und die spezifisch frühneuzeitliche Ökonomisierung des Krieges herausgearbeitet hat. Auch bei Redlich bleibt Wallenstein eine Art Fixpunkt, gibt es doch eine Zeit vor und nach Wallenstein, der somit weiterhin als Höhepunkt einer epochalen Entwicklung des Kriegswesens firmiert.8 Allerdings ist auffällig, dass diese Forschungen zu Wallenstein in den letzten Jahrzehnten nicht intensiver betrieben worden sind. Dies hängt mit dem bereits erreichten Forschungsstand zusammen, sicherlich darüber hi­ naus auch mit dem Arbeitsaufwand, der nötig ist, wenn man die Verflechtungen von Krieg und Ökonomie zu analysieren sucht. Es bedarf nicht nur der Recherche in europaweit verstreuten Quellenbeständen, vieles haben die Zeitgenossen auch bewusst intransparent gehalten. Erschwerend kam nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch hinzu, dass die Gattung Militärgeschichte zumindest in der deutschen Historiographie gründlich diskreditiert war, was weitere Forschungen in diesem Feld zumindest nicht stimuliert hat. Fritz 4  Grundlegend Redlich, Bd. 1, S. 211–258; Parker (1990), S. 89–92; Parrott, v. a. S. 76–81. 5  Gindely (1886), Bd. 2, passim. Die erste, allerdings unzureichende Spezialstudie zur Logistik der Wallensteinischen Heere hat 1895 Viktor Löwe vorgelegt: Löwe. 6  Ritter (1903), passim. 7  Ernstberger (1929); ders. (1954). 8  Redlich, Bd. 1, S. 155 f.



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Redlich ist mit seinen grundlegenden Studien eher ein anerkannter Außenseiter geblieben, und bezeichnenderweise entschuldigt sich Golo Mann gelegentlich in seiner Biographie, wenn er auf Aspekte der Kriegführung und Logistik näher eingeht: er verstehe ja eigentlich nichts von Krieg und Kriegsgeschäft.9 Erst seit den 1990er Jahren sind auch in Deutschland wieder Forschungsarbeiten entstanden, die zwar nicht Wallenstein selbst ins Zentrum rücken, aber etwa die Verflechtung der Hamburger Rüstungsindustrie in den späten 1620er Jahre oder die Finanzierung der bayerischen Armee thematisieren und damit wichtige Kontexte für die Einschätzung der Wallensteinschen Leistungen bereitstellen.10 Diese neueren Arbeiten demonstrieren freilich auch, wie schwierig und vertrackt die Erforschung dieser komplexen Materie ist. Eine kurze Begriffsklärung vorab: Mit Logistik ist in der Regel die Versorgung eines Heeres gemeint, sei es im Felde, auf dem Marsch oder in Garnison oder Winterquartieren. Auch van Creveld orientiert sich für die Frühe Neuzeit an diesem Begriff.11 Gerade Wallenstein selbst gibt durchaus Argumente dafür an die Hand, die Heeresfinanzierung von der Heeresversorgung kategorial zu trennen, wenn er gegenüber dem Kaiser immer wieder betont hat, er habe ja nur die erste Aufstellung des Heeres finanziert bzw. vorfinanziert, dessen Unterhaltung aber der Kaiser tragen müsse.12 In der Realität gerade des Dreißigjährigen Krieges aber trug eine solche Scheidung nicht weit, denn dass der Kaiser zur Versorgung der Armee genauso wenig wie zu deren Aufstellung in der Lage war, wusste Wallenstein zweifellos am besten. Es gehörte also zum Geschäftsmodell des Kriegsunternehmers, neben der Aufstellung der Armee auch deren Versorgung zu regeln, wobei es Wallenstein mit seinen Unterscheidungen letztlich nur darum ging, den Kaiser nur umso deutlicher an seine Verpflichtungen zu erinnern. Der Kriegsunternehmer Wallenstein stellte sicher, dass er alles auf Rechnung des Kriegsherrn – des Kaisers – tat, wohl wissend, dass dieser über die entsprechenden Mittel nicht verfügte. Im Zeitalter der nicht durch Konskription oder Wehrpflicht aufgestellten Truppen gehörte auch dies zum Kriegsgeschäft und es war folglich nur konsequent, wenn (Vor)Finanzierung und Logistik in einer Hand blieben. In dieser Hinsicht ist Wallenstein in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges keineswegs eine Ausnahme, sondern repräsentativ, denn zum Geschäftsmodell des erfolgreichen Kriegsunternehmers gehörte es, über Verbindungen zum europäischen Finanzmarkt zu verfügen, so dass beides, Aufstel9  Mann,

G. (1997), S. 421 f. Zunckel; Kapser; als wichtige Detailstudie s. auch Pohl. 11  Van Creveld, S. 1; einen Überblick über den gesamten Bereich der Logistik in frühneuzeitlichen Heeren bietet Parker (1990), S. 68–104. 12  Mann, G. (1997), S. 371 f., 423 f. 10  Salm;

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lung und Unterhalt der Armee, gewährleistet werden konnte.13 Mochte Wallenstein mit seinem Finanzier de Witte dabei die Erschließung von Finanzquellen und speziell den Zugang zum niederländischen Finanzmarkt besonders eindrucksvoll bewerkstelligt haben, die anderen bedeutenden Kriegsunternehmer der Zeit verfolgten ganz ähnliche Modelle.14 Auch hier dürften die Spanier die Standards gesetzt haben, lässt sich doch Ambrogio Spinola nach 1605 als eine Art Generalkriegsunternehmer der spanischen Krone in den Niederlanden charakterisieren: Er repräsentierte gleichsam in Person die führenden genuesischen Familien als Staatsfinan­ ziers der spanischen Monarchie, denn es waren vor allem das genuesische Kapital im Allgemeinen und die Investitionen der Familie Spinola im Besonderen, die Spanien die Fortführung des Krieges in den Niederlanden ermöglichten.15 Aber auch Ernst von Mansfeld, Wallensteins militärisch unterlegener Konkurrent und in mancherlei Hinsicht Vorläufer, exerzierte dies vor, indem es ihm immer wieder gelang, niederländisches Kapital für seine diversen Armeen und Unternehmungen zu akquirieren.16 Einige der Nachfolger Wallensteins sind wohl nur aufgrund ihres privilegierten Zugangs zu bedeutenden Rüstungszentren oder zum niederländischen Finanzmarkt an die Spitze der kaiserlichen Armeen gelangt: Melchior von Hatzfeldt etwa brachte es auch aufgrund seiner guten Beziehungen nach Köln,17 dem neben Nürnberg und Hamburg wichtigsten Rüstungs- und Finanzzentrum im Reich, und aufgrund der Tatsache, dass sein Bruder als Bischof von Bamberg die Bischofsstadt zeitweise zum Nachschubzentrum der in Mitteldeutschland operierenden kaiserlichen Armeen machte, in der zweiten Hälfte des Dreißig­ jährigen Krieges bis an die Spitze der kaiserlichen Armeen.18 Wichtigster Kriegslieferant Hatzfeldts und zugleich sein vorrangiger Finanzier war der Kölner Kaufmann Resteau – der General und der Kaufmann wurden zeitweise zu den bedeutendsten Finanziers der kaiserlichen Kriegführung im Westen des Reiches.19 Eklatanter noch ist das Beispiel des letzten kaiserlichen Oberbefehlshabers im Dreißigjährigen Krieg, des aus den Diensten des hessischen Kriegsgegners abgeworbenen Peter Melander. Als Lohn winkte der Aufstieg in den 13  Ernstberger

(1954), S. 227. Bd. 1., S. 239–270; Parrott, S. 101–136. 15  Zu Spinola vgl. Parker (1972), S. 102 f., 130–136, sowie den Beitrag von Ronald G. Asch im vorliegenden Band. 16  Redlich, Bd. 1, S. 211–215, 292–295; Krüssmann, S. 662–673. 17  Detailliert dazu Bergerhausen, S. 83–86, 89, 154–157. 18  Krebs, S. 174  f.; Kriegsarchiv des kaiserlichen Feldmarschalls Melchior von Hatzfeldt, S. 557–573; Salm, S. 111–116. 19  Salm, S. 162. 14  Redlich,



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Reichsgrafenstand mit dem Titel „von Holzappel“, und auch die Tatsache, dass er Calvinist blieb, verhinderte seine Karriere in kaiserlichen Diensten nicht. Melander brachte als Kapital nicht nur seine bisherige erfolgreiche Militärkarriere in Diensten des hessischen Kriegsgegners ein, sondern konkret seine Verbindungen zum niederländischen Kapitalmarkt, mit dem er im vorletzten Kriegsjahr dem Kaiser immerhin noch Aufstellung und Unterhalt einer letzten Armee ermöglichen konnte.20 Alle diese Beispiele für Militärunternehmer im Dreißigjährigen Krieg, die nur die prominente Spitze eines Eisbergs darstellen, belegen, dass Armeefinanzierung und Unterhalt im Feld – also die Logistik – aus einer Hand erfolgten, denn das war Bestandteil des Geschäftsmodells. Nicht anders als im Falle Wallensteins und seines Finanzagenten Hans de Witte funktionierte dieses Modell häufig in der ­ Weise, dass Militärs ihre bevorzugten Finanziers und Kriegslieferanten gleich mit in den Kontrakt mit dem Kriegsherren einbrachten. Ohne solche oftmals feste Geschäftsverbindungen konnte kein Militärunternehmer erfolgreich agieren. So sehr freilich andere Militärunternehmer Wallenstein zu reproduzieren schienen – an das Original reichten sie in den Dimensionen ihrer Unternehmungen nicht ansatzweise heran. 2. Brot – Pulver – Waffen – Transport Wallenstein selbst hat den Zusammenhang von Heeresversorgung und Finanzierung einmal in eine logische Folge gebracht, als er zu Anfang seines Generalats im Sommer 1626 aus Aschersleben an seinen politisch einflussreichen Schwiegervater Harrach nach Wien schrieb: „Ich berichte den Herrn, dass von des Kaisers Getraidt noch kein einzigs Kernle herkommen ist. Das hat sollen das erste sein […] Wird man mir kein Municion herschicken, so hab ich gar auf ein kurze Zeit zu schießen. Wird man aber kein Geld schicken, so ziehe ich nicht allein ins Feld nicht, sondern sich erst zu besorgen, daß die Soldateska ein anders partito wird vor die Hand nehmen.“21

Getreide – Munition – Geld, so lautete folglich die Trias dessen, was für die Armee aufgebracht werden musste, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Alle drei Bereiche liefen im ersten Generalat Wallensteins, das in vielerlei Hinsicht experimentelle Züge trug, über seinen Kriegsfinanzier Hans de Witte, der neben der Heeresaufstellung auch die Heereslieferungen im großen Maßstab organisierte und meist auch vorfinanzierte. Er agierte zeitweise als Generalkriegslieferant der kaiserlichen Armada. Ihm dürfte auch die ökonomische Professionalität, mit der dieses Gesamtkunstwerk im ersten Generalat organisiert wurde, zu verdanken sein; Ernstberger hat dies akri20  Höfer 21  Das

(2004); Leins, S.  352 f.; Schmitz, S. 105–110. Zitat nach Ernstberger (1954), S. 226.

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bisch analysiert.22 Quantität schlug hier in Qualität um, wie dies Wallenstein dem Kaiser schon bei der Aufstellung der Armee angekündigt hatte, denn aufgrund der schieren Größe der Anforderungen ließen sich weder Finanzierung noch Versorgung allein aus dem unmittelbaren Einzugsgebiet der Armee organisieren. Dazu bedurfte es jeweils eines weitgespannten, im Grunde europaweit agierenden Netzwerkes von Faktoren und Kreditgebern, in dessen Zentrum de Witte stand. Um diesen Apparat, war er einmal aufgestellt, am Laufen zu halten, musste zunächst einmal die unmittelbare Aufgabe, die Versorgung der Soldaten mit Nahrung, vor allem mit Getreide und Fleisch sichergestellt werden.23 Welche Anforderungen damit einhergingen, lässt sich beispielsweise an der Reichsstadt Köln aufzeigen, die eine Schlüsselstellung für die Versorgung der spanischen, ligistischen und schließlich auch kaiserlichen Truppen spielte.24 Als die Spanier 1620 ins Reich kamen, wickelten sie die Brotversorgung über Köln ab. Zunächst ließen sie jeweils in den acht städtischen Rheinmühlen akzisefrei Getreide mahlen, das sie im Umland aufgekauft hatten. Wenig später kamen entsprechende Bestellungen ans Kölner Backamt in Gestalt eines Großauftrags für Brotbacken und Lieferungen von Bier und Wein hinzu. Tilly verproviantierte seine Armee 1623 vor dem Marsch nach Nordwestdeutschland ebenfalls aus Köln. Ein einzelnes Korps bestellte gesondert 14.000 Brotlaibe. Als 1629 eine kaiserliche und eine spanische Armee sich gleichzeitig aus den Kölner Speichern mit Mehl und Brot versorgten, musste die Stadt zur Auffüllung ihrer Speicher bis an die Mosel Getreide aufkaufen. Die kaiserliche Armee – also die vormalige Wallensteinsche Armee –, die nach dem Sieg bei Nördlingen 1634 Richtung Norden marschierte, bezog über den Kölner Kurfürsten aus Köln 32.000 Laib Brot. Solche immer wiederkehrenden Großaufträge brachten auch eine so bedeutende Reichsstadt wie Köln, die vom direkten Kriegsgeschehen wenig berührt wurde und keine Feinde innerhalb ihrer Mauern aufnehmen musste, an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, so dass sie ihre Großmühlen zeitweise für die städtischen Abnehmer sperrte.25 Wallenstein stützte sich zu Beginn seines Generalats vor allem auf Böhmen. Zur Unterstützung seiner Armee, die er während der ersten Winterquartiere 1625 / 1626 in Halberstadt und Magdeburg untergebracht hatte, bestellte er 1626 eine große Quantität an Getreide aus Böhmen über die dortigen Statthalter. Als die Lieferungen im Frühjahr nicht in der zugesagten Menge und Frist einliefen, provozierte dies sogleich einen größeren Konflikt mit den 22  Ebd.,

S. 160–293. (1990), S. 101–104. 24  Das Folgende nach Bergerhausen, S. 81–83. 25  Ebd., S. 82. 23  Parker



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habsburgischen Behörden in Böhmen und Wien. Er sei auf diese Lieferungen seines Kriegsherrn aus Böhmen angewiesen, denn der Wiener Hof irre, wenn man dort der Meinung sei, Wallenstein werde nach der Aufstellung der Armee auch für deren Versorgung aufkommen. Einen solchen Krieg vermöge nur „ein groß Potentat und nit ein Privat“ zu führen.26 Trotzdem zog er genau diese Konsequenz aus dieser ersten Versorgungskrise, indem er jetzt auch die Brotversorgung organisierte und dafür vor allem auf sein Herzogtum Friedland zurückzugriff – er handelte also durchaus selbst wie ein „Potentat“. Bereits im Sommer 1626 wurden an das eigene Herzogtum Friedland Großbestellungen für die anstehende Ernte von Korn und Gerste adressiert, im Verlauf des Jahres griff Wallenstein für die Sicherung der laufenden Getreidezufuhr schon zu Notbehelfen, indem er den Untertanen freistellte, ihre Steuern statt in Geld nunmehr in Getreide zu begleichen. Für das Winterlager 1626 / 1627 wurde dann nahezu die gesamte Friedländer Ernte über 70.000 Strich Korn – weit mehr als die im Jahr zuvor von Böhmen zugesagte Menge – für die Versorgung der Armee reserviert. Dies war der Start in die Kriegswirtschaft in seinem böhmischen Herzogtum. Wallenstein setzt diese Lieferungen auch in der Interimszeit nach seiner Absetzung 1630 fort, nunmehr natürlich gegen teures Geld, wusste er doch, dass Tilly die Getreidelieferungen für seine Winterquartiere an der Elbe dringend benötigte. Die Produktionsschraube hat Wallenstein während seines zweiten Generalates eher noch angezogen: Als im August 1632 die Logistikschlacht um die Alte Veste entbrannte und zugleich eine Armee von 20.000 Mann gegen die Sachsen in die Lausitz geschickt wurde, musste das Herzogtum Friedland täglich bis zu 20.000 Laib Brot für die Armeen produzieren.27 Eine solche quantitative Ausweitung der Getreidelieferungen und Brotherstellung ist wohl nur möglich gewesen, weil im Herzogtum Friedland eine rationale Distributionsorganisation aufgebaut wurde, mit deren Hilfe das Getreide von den Produzenten, den Bauern, bis zu den Abnehmern, den Soldaten in der Armee, effizient transportiert und verteilt werden konnte. Diese Organisation von Transport und Distribution von Gütern, bei der das Ineinandergreifen der einzelnen Räder des Getriebes schon einer modernen Systematisierung von Logistik entsprach, war wohl die erstaunlichste Leistung in Wallensteins Kriegsökonomie. An den einzelnen Amtssitzen der Herrschaft wurden Speicher für die lokalen Getreideüberschüsse eingerichtet, die wie­ derum bei Lieferbefehlen nach festgesetzten Sätzen an fünf große Sammelstellen geliefert wurden, wo aus den Getreidelieferungen Brotvorräte gebacken wurden. Von diesen fünf Sammelstellen wurde dann das Brot zur zen­ tralen Erfassungsstelle – für Feldzüge Richtung Norden und Osten war dies 26  Ernstberger 27  Ebd.,

S. 37.

(1929), S. 31.

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beispielsweise Reichenberg an der Grenze zu Schlesien – gebracht. Dort erfolgt die Übergabe an das militärische Proviantamt und dessen Bedienstete.28 Das System von Speichern und Zwischenspeichern war nicht neu, hatten doch beispielsweise im Reich die Reichsstädte für ihr Umland solche auf­ einander abgestimmten Speichersysteme schon lange etabliert, und wurde eine abgestimmte Vernetzung dieser Getreidespeicher auch in Territorien wie Sachsen praktiziert. Aber die Konsequenz und Rigidität, mit der Wallenstein dies in seinen böhmischen Landen handhabte, führte auch hier durch die Systematisierung vorhandener Ansätze zu einer neuen Qualität. Auch während seines zweiten Generalats blieb Wallenstein dieser strikten logistischen Systematik treu. Schon vor dem formellen Beginn seines Kommandos ließ er in ganz Böhmen, vor allem aber an den Grenzen und den für einen Vormarsch strategisch wichtigen Orten wie Eger, Pilsen, Tabor und Reichenberg große Proviantmagazine anlegen, deren Bestückung durch eine Begrenzung des Getreidehandels und ein entsprechendes Ausfuhrverbot gewährleistet werden sollte. Dass Wallensteins Kriegführung und Strategie sich 1633 weitgehend auf Böhmen konzentrierte, war nicht zuletzt seinem Magazinsystem geschuldet, denn die Fixierung auf dieses logistische Rückgrat der Krieg­ führung hatte gerade im Zweiten Generalat eine Einschränkung der Mobili­ tät der Armee zur Folge, die Wallenstein von seinem Kriegsherren wie auch vielen Zeitgenossen zum Teil harsche Kritik einbrachte. Aber auch dies wies schon in die Zukunft, orientierte sich die systematische Kriegführung des späteren 17. und 18. Jahrhundert doch in immer höherem Maße an den Zwängen und Abhängigkeiten einer Verproviantierung der Armeen aus rückwärtigen Magazinen.29 Wallensteins System strategisch geplanter grenznaher Sammelpunkte und Großmagazine verweist schon auf die Weiterentwicklung der Logistik, die die Franzosen seit den 1640er Jahren mit ihrem System der „routes et ètapes“ in Gang setzten. Sie gingen über die Errungenschaften Wallensteins hinaus, weil sie die stetige Versorgung aus Magazinen auch für Armeen auf dem Marsch organisierten.30 Eine weitere Innovation fand nicht im quantitativen, sondern im qualitativen Bereich statt: Ab den 1630er Jahren setzten Wallensteins Experten nicht mehr nur auf die Produktion von Brot, sondern von Zwieback. Für den Aufmarsch von Wallensteins Armee 1633 Richtung Schlesien wurde lange im Voraus eine immense Menge von doppelt gebackenem und somit haltbarem Brot – Zwieback, Bisquits – verfertigt und an die Sammelstellen geliefert: 840.000 Portionen Zwieback, was weit über eine Million Laib Brot entsprach, wurden an die schlesische Grenze im Mai 1633 geliefert, um den 28  Ebd.,

S. 111. Creveld, S. 17–35. 30  Kroener (1979), passim. 29  Van



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überraschenden Vorstoß nach Schlesien schon weit im Voraus zu ermöglichen.31 Zwieback war bislang vor allem als haltbare Brotvariante für Schiffsbesatzungen bekannt gewesen, nunmehr wurde er aufgrund der Haltbarkeit auch für die Bevorratung marschbereiter und marschierender Armeen in großem Maßstab eingesetzt – bis hin zu den Massenarmeen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wo Zwieback den Kern der Eisernen Rationen bildete. Wenden wir uns der zweiten Säule der Heeresversorgung zu, der Ausstattung mit Waffen und weiteren Sachgütern wie etwa den Monturen der Soldaten. Wenn man hier eine Analogie zum Brotgetreide als Grundnahrungsmittel formulieren will, dann war das Grundnahrungsmittel für die Bewaffnung der Armee das Pulver. Auch hier stellte die kurze Haltbarkeit dieses Verbrauchsgutes wie bei Brot und Getreide ein zentrales Problem dar, denn Pulver war feuchtigkeitsanfällig und vertrug längere Lagerzeiten nicht. Im Grunde war Wallenstein auf der Suche nach einer Art Zwieback – um in der Analogie zu verbleiben – und als 1629 an ihn Gerüchte herangetragen wurden, Fürst Eggenberg hüte im Geheimen ein solches haltbares Wunderpulver, setzte er alles daran, hinter das Geheimnis dieses Steins der Weisen zu gelangen. Erfolg war ihm dabei nicht beschieden, in erster Linie wohl deshalb, weil ein solches haltbares Pulver nicht existierte.32 Im Falle der Versorgung mit Pulver kam noch ein weiteres Problem dazu. Der für Explosivstoffe grundlegende Salpeter war in Europa ein knappes Gut, auch die konjunkturbedingte Ausweitung der lokalen Produktion – natürlich auch in Friedland – vermochte dem nur bedingt entgegenzuwirken. Die wohl wichtigsten Lagerstätten für Kaliumnitrat lagen an der Peripherie Europas, vor allem in Galizien, Ungarn und Polen. Erschließung und Ausbeutung der Lagerstätten liefen im Wesentlichen über oberdeutsches und hansisches Kaufmannskapital. In den 1620er Jahren und ab 1635 war Danzig der wichtigste Exporteur von Salpeter, die Distribution lief nunmehr vor allem via Hamburg und Amsterdam. Im Reich selbst waren Nürnberg sowie für Oberdeutschland Augsburg die wichtigsten Zentren für den Salpeterhandel. Als Produktionszentren für Schießpulver aus Salpeter ragten Nürnberg und Hamburg heraus.33 Über de Witte und seine exzellenten Kontakte nach Hamburg und auch Nürnberg konnte Wallenstein in großem Maßstab diese zentrale Ressource sichern, doch traten selbst hier in den Rüstungszentren des Reiches im Verlauf des ersten Generalats aufgrund der hypertrophen Quantität von Wallensteins Bestellungen ab 1628 Lieferengpässe auf.34 Wallenstein reagierte darauf wie bei den Engpässen der Brot- und Getreidever31  Ernstberger

(1929), S. 38. (1954), S. 263. 33  Zunckel, S. 92–109. 34  Ernstberger (1954), S. 257–261. 32  Ernstberger

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sorgung mit dem Versuch, durch die Anlage von Pulvermühlen im Herzogtum Friedland eine eigene Pulverindustrie aufzubauen. Bekannt sind Anekdoten aus diesem Kontext, etwa, dass Wallenstein einen Mönch im Kloster Gitschin (Jičín), der zufällig etwas vom Salpetersieden verstand, sofort aus dem Kloster holen ließ, oder in der Stadt Friedland aufgrund eines zufälligen Salpeterfundes Teile der Innenstadt umgraben ließ, um Salpetergruben anzulegen.35 Im zweiten Generalat waren die Zugänge für Wallenstein zu den hansischen Handelszentren und zum Nürnberger Rüstungsmarkt weitgehend verschlossen, so dass hier direkte Zufuhren aus Osteuropa, namentlich aus Polen und aus den östlichen Gebieten der Habsburgermonarchie die Ausfälle kompensieren mussten – neben den unvermeidlichen Eigenproduktionen des Herzogtums Friedland.36 Das Pulver war der Treibsatz für die Waffen – vor allem die Handfeuerwaffen und Gewehre –, die gleichfalls bei den Produktionsstätten im Reich und auf den großen europäischen Rüstungsmärkten angeschafft werden mussten.37 Auch dazu machte sich Wallenstein die Netzwerke seines Finanziers de Witte zunutze, der Zugang zu allen wichtigen Rüstungszentren in Europa besaß und schließlich nahezu die gesamte Versorgung der Armee mit Rüstungsgütern vorfinanzierte und organisierte. So sind wir für das erste Generalat über Umfang und Reichweite der Wallensteinschen Rüstungsgeschäfte recht gut informiert. Die entsprechenden Aufstellungen Ernstbergers38 dokumentieren, dass Wallenstein seine Armee aus allen größeren zentral- und westeuropäischen Zentren der Rüstungsproduktion versorgte. Über Köln, wo vor allem de Wittes Geschäftspartner Frey-Aldenhoven als Generalverleger für Rüstungsgüter fungierte, besaß man Zugriff auf die in Westeuropa führenden Rüstungserzeuger um Aachen und vor allem um Lüttich, die traditionell wichtigste Produktionsstätte für Waffen aller Art in Westeuropa. Über Hamburg konnte man entsprechende Ressourcen in Nordeuropa anzapfen, bis hin zum Amsterdamer Markt, mit dem Hamburg eng verflochten war. Am wichtigsten aber blieb für Wallenstein wohl Nürnberg, weil dort die Verleger des führenden Produktionsstandortes für Waffen in Mitteldeutschland, Suhl, saßen. Die Suhler Meister hatten sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts eine führende Stellung in der Waffenproduktion im Reich erarbeitet, und diese Stellung konnten sie im Dreißigjährigen Krieg bis zur Zerstörung der Stadt durch kaiserliche Kroaten 1634 behaupten oder gar noch ausbauen. Suhl aber lag im unmittelbaren Einflussgebiet Wallensteins, und dass Verhandlungen mit Wallenstein kein Zuckerschlecken waren, mussten gleich zu 35  Ebd.,

S. 262. (1929), S. 143–145. 37  Zunckel, S. 76. 38  Ernstberger (1929), S. 137–140. 36  Ernstberger



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Anfang des ersten Generalats 1626 sowohl der Nürnberger Generalverleger Bloemaert, der zugleich als Faktor de Wittes vor Ort agierte, wie auch Suhler Meister erfahren: Als sie nachträglich den vereinbarten Kontrakt zum Zwecke der Gewinnmaximierung zu ihren Gunsten zu ändern versuchten, ließ Wallenstein sie arretieren – die terms of trade wollte er nicht zu ihrer Disposition gestellt wissen.39 Als der Kölner Großverleger Anton Frey-Aldenhoven, eine Schlüsselfigur im europäischen Rüstungshandel, Wallenstein und de Witte im Rahmen eines 1628 abgeschlossenen Großgeschäfts über 4.000 Kürasse (Rüstungen), 6.000 Harnische, ebenso viele Landsknechtswaffen (Piken), 2.000 Musketen, 100 weitere Gewehre und 2.000 Pistolen vorschlug, den Aufbau einer Rüstungsindustrie im Herzogtum Friedland zu finanzieren und zu organisieren, ging Wallenstein darauf nicht ein,40 weil dem Kölner Großverleger offenbar eine ähnlich unabhängige Stellung in diesem Geschäft vorschwebte wie sie die Amsterdamer Unternehmer de Geer und Trip einnahmen, die Gustav Adolfs Erzgewinnung und Waffenproduktion in Schweden organisierten und finanzierten.41 Solche enormen Mengen an Versorgungsgütern und Nachschub stellten nicht zuletzt das Transportwesen vor außerordentliche Herausforderungen, und damit sei noch einmal ein kurzer Blick auf das, was heute als Kerngeschäft der „Logistik“ gilt, geworfen. Es bedurfte eines riesigen, oft zu Konvois zusammengefassten Fuhrparks, um die Armeen in ihren Quartieren zu versorgen oder auf dem Marsch zu begleiten. Aufwändig war insbesondere der Transport der Artillerie und Kanonenkugeln. Dabei war den Zeitgenossen völlig klar, welchen Vorteil beim Transport von solchen Massengütern die Wasserwege gegenüber dem Landweg besaßen. Entsprechende Musterrechnungen hatte 1624 der Niederländer Hondius vorgelegt und veröffentlicht:42 Bei Getreide und Futter (Körner) entsprach die Transportkapazität von neun großen Lastschiffen der von 600 Fuhrwagen beim Überlandtransport. Die Auswirkungen von Nachschub auf die strategische Planung der Kriegführung wird bei Wallenstein überdeutlich: Im ersten Generalat wurde das Gros des Nachschubs auf der Elbe transportiert, und auch hier bildeten die Quartiere in Magdeburg und Halberstadt, in denen Wallenstein zu Beginn des Feldzugs seine Armee versammelte, so etwas wie die Blaupause logistischer Fortentwicklungen. Die Quartiere waren bewusst so platziert worden, dass nahezu der gesamte Nachschub aus Böhmen und speziell aus seinem Herzogtum Friedland transportiert werden konnte. Die heimischen Flößer, die diese Transporte bewerkstelligen sollten, waren allerdings von der schieren Masse 39  Ernstberger

(1954), S. 242 f. (1929), S. 130–133. 41  North, S.  152 f. 42  Van Creveld, S. 10. 40  Ernstberger

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des Transportguts bald überfordert, so dass man auf sächsische Flößer, namentlich die Dresdens zurückgreifen musste. Weigerten sich diese, die entsprechenden Aufträge auszuführen – eine Erfahrung, die Wallenstein 1627 machen musste – dann saß die Armee freilich rasch auf dem Trockenen, und es bedurfte intensiver Verhandlungen mit dem sächsischen Kurfürsten, um die Transportflöße wieder flott zu machen.43 Dies zeigt freilich auch, wie sehr Wallenstein für seine Kriegführung gen Norden auf Kursachsen angewiesen war. Der Parteiwechsel des Kurfürsten 1631 ins schwedische Lager versperrte die Elbe als Transport- und Nachschubweg. Dies war der wesentliche Grund dafür, dass Wallenstein im zweiten Generalat die Armee so sehr auf Böhmen konzentrierte und den Radius gegenüber dem ersten Generalat deutlich einschränkte. 3. Kontributionen – Heeresversorgung aus der Logik der Winterquartiere Kommen wir schließlich in aller Kürze auf die Bedeutung des Geldes für Wallensteins Versorgungssystem zu sprechen, das letztlich den Kern seiner exzeptionellen Rolle als Militärunternehmer ausmachte. Dieser Kern wiederum lässt sich mit dem bekannten System der Wallensteinschen Kontributionen identifizieren. Ohne diese wären die Kreditkaskaden des Wallensteinschen bzw. de Witteschen Finanzierungssystems nicht funktionsfähig gewesen, und diese Kreditkaskaden setzten sich auf der nächst niederen Ebene, der der Regimentsinhaber, fort. Wie Kaiser Ferdinand II. als Kriegsherr Wallenstein die Rückzahlung der für die Aufstellung der Armee vorgestreckten Mittel schuldete, so schuldete Wallenstein den zahlreichen Regimentsinhabern das Geld, das sie für die Anwerbung ihrer Soldaten und zum Teil deren Unterhalt vorgestreckt hatten. Diese neue Qualität des kreditfinanzierten Heeresunterhalts zwang zu neuen Formen der Refinanzierung, und dazu dienten die Kontributionen. In einer klassischen Studie hat Moriz Ritter 1903 deren Genese zwischen 1570 und 1626 nachgezeichnet:44 Kontributionen dienten im 16. Jahrhundert im Wesentlichen der Naturalversorgung der Soldaten beim Kriegszug, bereitgestellt aus dem Umland. Dabei hatte der Soldat, so sahen es jedenfalls die entsprechenden Artikel des Reichsabschiedes von 1570 vor, die bereitgestellte Verpflegung aus seinem Sold zu bezahlen. Dieses System war den Wandlungen des Kriegswesens schon vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr gewachsen, doch auf die wichtigste Entwicklung in diesem Zusammenhang ist Ritter sonderbarerweise nicht eingegangen. Es handelt sich um die Erfindung der Winterquartiere, weil der 43  Ernstberger 44  Ritter

(1954), S. 234–236. (1903), passim; allgemein: Carl (2008), Sp. 1161–1164.



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Krieg vor allem in den Niederlanden nicht mehr Saisonarbeitern überlassen wurde. Auch im Winter entließ man nun die Truppen nicht mehr, sondern quartierte die Soldaten bei der Zivilbevölkerung ein.45 Damit wurde eine längerfristige Versorgung der Soldaten nötig, und dies ließ sich nicht mehr mithilfe des „Von der Hand in den Mund Lebens“ in Form okkasioneller Naturalkontributionen bewerkstelligen. Den Zusammenhang von Einquartierung, langfristiger Versorgung und der Genese neuer Formen der Kontribuierung durch die Untertanen kann man anhand von besonders umstrittenen Winterquartieren nachzeichnen. Auf Seiten der ruinierten Untertanen wurden sie häufig als traumatisierende Neuerungen empfunden, die ihre Spuren in der lokalen Erinnerungskultur hinterließen.46 Den Anfang im Reich machten 1598 die Spanier, die nach dem Frieden von Vervins mit Frankreich die freigewordenen Truppen in den Niederlanden nicht versorgen und finanzieren konnten oder wollten und sie deshalb ins neutrale Westfalen zum Überwintern schickten. Die Folge war der tief ins kollektive Gedächtnis eingegrabene „Spanische Winter“47. Schon hier erpressten die Spanier Geld durch Zwangsverhandlungen mit den entsprechenden lokalen Autoritäten, namentlich den städtischen Magistraten und Ständen der besetzten Territorien. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges waren es erneut die Spanier, die bei der Besetzung der Kurpfalz 1620 mittels Kontributionen ihren Feinden den Unterhalt der einquartierten Truppen aufbürdeten, in Form von Naturalkontributionen und zusätzlichen Geldzahlungen. Dass man dies auch mit neutralen Reichsständen praktizieren konnte, exerzierte schließlich Mansfeld mit seiner brutalen Okkupation Ostfrieslands von 1622 bis 1624 vor, und Mansfeld war wohl auch der erste, der regelrechte Kriegssteuern zum Unterhalt der einquartierten Armeen erhob.48 Perfektioniert hat dies dann aber erst Wallenstein, und auch hier fand diese Fortentwicklung bezeichnenderweise in den Quartieren zu Halberstadt und Magdeburg statt, beide jeweils neutrale Reichstände, in die er seine frisch aufgestellte Armee Ende 1625 verlegte. Die Winterquartiere waren also auch für Wallenstein das Experimentierfeld für das Programm einer zielgerichteten Ausbeutung besetzter Territorien. In zwei zentralen Bereichen allerdings erreichten die Wallensteinschen Kontributionen des ersten Generalates gegenüber den Vorläufern eine neue Dimension: Hatten seine Kollegen Tilly oder auch Mansfeld bei ihren Kontributionen immer noch in erster Linie Naturalabgaben zur Versorgung der Armee im Sinn und wurden Geldforderungen allenfalls subsidiär erhoben, so 45  Schmidt

(1972), S. 77 ff. (1895), S.  139 ff. 47  Crecelius, S. 180–185. 48  Krüssmann, S. 465–471. 46  Ritter

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ging es bei den Wallensteinschen Kontributionen von Anfang an nur noch um Geld. Grundlage für die entsprechenden Berechnungen waren die Ordonnanzen, in denen festgehalten wurde, was den Offizieren und Soldaten an Leistungen aus dem Land zukommen sollte. Wallenstein kannte dieses System aus dem „langen“ Türkenkrieg, und er war einer der ersten, die dies im Reich einführten. Aber während Tillys Ordonnanzen für das Ligaheer noch vom Nahrungsbedarf der Soldaten ausgingen, die wahlweise auch mit Geld abgegolten werden konnten, berechnete Wallenstein seine Geldkontributionen von Anfang an so, dass neben der Verpflegung auch der Sold der Truppen von den quartiergebenden Territorien bezahlt werden musste. Die dafür veranschlagten Summen waren auf Seiten der Quartier- und Geldgeber nur mehr durch Erhebung einer außerordentlichen Kriegssteuer zu begleichen.49 Wallensteins Bedeutung liegt also darin, dass er die Logik der mit dem Kontributionssystem verbundenen Ressourcenextraktion quantitativ und qualitativ in neue Dimensionen führte. Zum einen wurde der Kreis derjenigen, die zum Unterhalt der Heere beitragen mussten, über diese Steuern flächendeckend und damit weit über den Kreis der unmittelbar von Einquartierung Betroffenen ausgeweitet. Zur räumlichen Ausweitung trat aber auch eine zeitliche Ausweitung hinzu, wurden diese Steuern doch zunehmend über Anleihen finanziert und damit auf Geld zugegriffen, das eigentlich noch gar nicht vorhanden war. Das Kriegsgeschäft bestand im Wesentlichen aus „Antizipationen“. Voraussetzung dieses durchaus rationalen Modells war jedoch, dass es in den betroffenen Territorien Verwaltungsstrukturen gab, die in der Lage waren, solche Steuern aufzubringen, was nur in den arriviertesten Territorien wie etwa Sachsen wirklich der Fall war. Von daher ist es auch nachvollziehbar, dass dieses Finanzierungssystem als entscheidende Wegmarke auf dem Weg zur modernen Staatsgewalt gilt, weil diese zum Nutznießer des zugrundeliegenden „Coercion-Extraction“-Kreislaufes wurde.50 Dies freilich ist bei Wallenstein noch nicht der Fall gewesen, denn er hat den Bogen bei seinem System der Heeresversorgung letztlich überspannt: Dies begann schon damit, dass die Ansätze für die Offiziere, namentlich für die Regimentsinhaber und Obersten, in Wallensteins frühen Ordonnanzen weit höher lagen als etwa in den zeitgleichen Ordonnanzen Tillys. Dies sollte nicht nur Wallensteins Armee in der Konkurrenz auf dem Werbemarkt attraktiver machen, sondern auch den Obersten zur Kompensation ihrer für die Aufstellung der Regimenter gemachten Vorschüsse dienen. Weil Wallenstein seit 1628 Regimentsinhaber ohne Rücksprache mit dem Kriegsherrn ernennen und ihnen entsprechende Werbungen erlauben konnte und zudem die Regimentsinhaber subventionierte, indem er ihnen die Möglichkeit offerierte, 49  Ritter

(1903), S. 229–243. W., S. 343.

50  Reinhard,



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ihre Kosten über eigene Kontributionen auf die Werbekantone abzuwälzen, forcierte er ein ungebremstes Größenwachstum der Armee, das die Zahlungsmöglichkeiten der Reichsstände überforderte. Hinzu kamen die damit einhergehenden Exzesse wie die bald einsetzenden wilden Profitmaximierungen und ungehemmten Ausplünderungen selbst neutraler Gebiete. Das System kollabierte deshalb schon zu Ende des ersten Generalats – politisch, weil die Reichsstände gerade mit Blick auf die Kontributionen Wallensteins Entlassung durchsetzen, finanziell, weil bei rückständigen Kontributionen irgendwann das gesamte Kreditsystem der Armeefinanzierung zusammenbrach. Wallensteins Finanzier de Witte sah für sich nur noch den Selbstmord als Ausweg.51 4. Alte Veste 1632 – Krieg als logistische Auseinandersetzung Die Heeresversorgung und -finanzierung Wallensteins im zweiten Generalat hat die Forschung in deutlich geringerem Maße beschäftigt und fasziniert, war sie doch weit weniger exzessiv und spektakulär und durchaus vergleichbar mit der Praxis anderer Kriegsherren wie des bayerischen Herzogs.52 Das Rückgrat der Finanzierung bildeten zwar auch hier Kontributionen – also Kriegssteuern –, aber sie stammten aus dem eigenen Herrschaftsbereich, also vor allem Böhmen und Mähren sowie den Erblanden. Die Wallensteinsche Armee war mit bis zu 70.000 Soldaten immer noch groß, aber die Dimen­ sionen des ersten Generalats erreichte sie nicht mehr. Auch die Kriegführung beschränkte sich auf einen viel enger umgrenzten Raum, im Wesentlichen Böhmen und seine Nachbarländer. Trotzdem gibt es eine Episode im zweiten Generalat, in der Wallenstein noch einmal die bislang erprobten Grenzen der Kriegführung sprengte, und es ist nicht nur dem genius loci geschuldet, wenn abschließend auf Wallensteins Lager vor Nürnberg und den Kampf um die Alte Veste eingegangen sei.53 Wallensteins Strategie im Sommer 1632 zielte darauf, den nach Bayern vorgestoßenen Gustav Adolf von seinen rückwärtigen Verbindungen nach Mittel- und Norddeutschland abzuschneiden, war also von vornherein vom Aspekt der Kriegslogistik bestimmt. Dass er sich dazu gerade Nürnberg ausgesucht hatte, lag an der überragenden kriegsökonomischen Bedeutung Nürnbergs, das nicht nur selbst ein bedeutendes Zentrum der Rüstungsproduktion war, sondern auch den besten Zugang zu den bedeutendsten Waffenfabriken im Reich – den schon erwähnten in Suhl und Zella – bot. Nürnberg 51  Zum Zusammenbruch von de Wittes Kreditsystem am Ende von Wallensteins erstem Generalat Ernstberger (1954), S. 360–421. 52  Dazu detailliert die Studie von Kapser, S. 123–200. 53  Mann, G. (1997), S. 844–859; detailliert Mahr, S. 28–67.

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war seit Ende 1631 ins Lager Gustav Adolfs gewechselt, doch machte Wallenstein keinerlei Anstalten, die Stadt förmlich zu belagern oder Gustav Adolf, der mit einem Teil seiner Armee zur Verteidigung herbeigeeilt war, anzugreifen. Stattdessen konzentrierte Wallenstein seine Armee in einem riesigen Heerlager und zwang Gustav Adolf einen Abnutzungskrieg auf, den derjenige gewinnen würde, der seine Armee besser versorgen konnte. Ob dieses Kriegslager Wallensteins, indem er über zwei Monate etwa 50.000 Mann und bis zu 15.000 Pferde konzentrierte,54 das größte der modernen Kriegsgeschichte gewesen ist, sei dahingestellt – in jedem Fall aber wurde hier ein neues Kapitel logistischer Kriegführung aufgeschlagen. Man hat berechnet, dass allein für die Proviantversorgung des Lagers täglich 80 Fuhrwerke benötigt wurden, nicht eingerechnet die Zuführung von Kriegsmaterial (Munition und Pulver), das aus Prag, Friedland, Wien und selbst aus Polen herangeschafft wurde. Die Strategie, das vor Nürnberg stehende Heer Gustav Adolfs systematisch von allen Nachschubrouten abzuschneiden, ging zunächst auf, doch vermochte es der König, im Verlauf des Stellungskrieges, den Spieß fast umzudrehen, als es seinem Reiterführer Taupadel Anfang August gelang, einen großen Nachschubkonvoi Wallensteins von 300 Proviantwagen und 900 Stück Vieh bei Freystadt in der Oberpfalz abzufangen und dieses für Wallenstein zentrale Logistikzentrum zwischen Nürnberg und Böhmen zu zerstören.55 Doch hielt Wallenstein seine Kommunikationslinien nach Süden und Westen erfolgreich offen – vor allem für den Nachschub aus Bayern. Er zwang damit dem Schwedenkönig das Gesetz des Handelns auf. Wallenstein ließ es geschehen, dass schwedische Verstärkungen nach Nürnberg durchbrachen, womit Gustav Adolfs Heer numerisch zumindest gleichstark war. Zu versorgen allerdings war dieses verstärkte Heer dann nicht mehr, zumal im mit Flüchtlingen überbelegten Nürnberg nunmehr katastrophale Verhältnisse herrschten. Gezwungenermaßen also musste Gustav Adolf Wallensteins befestigtes Lager angreifen, was Anfang September in den verlustreichen und vergeblichen Sturm auf die Alte Veste mündete. Gustav Adolf erlitt hier seine schwerste Niederlage. Da die schwedische Stellung vor Nürnberg nicht mehr zu versorgen und damit unhaltbar geworden war und sich zudem aufgrund der immer prekäreren Versorgungslage massive Auflösungserscheinungen zeigten – die schwedische Armee verlor in den 14 Tagen nach der Schlacht weit mehr Soldaten durch Krankheit und Desertion als durch die Schlacht –, musste Gustav Adolf den Rückzug antreten. Dass ihm dabei eine „schöne retraite“ gelang, wusste auch sein Kriegsgegner Wallenstein anzuerkennen.56 Er konnte sich diese professionelle Hochach54  Mahr,

S. 29.

56  Mann,

G. (1997), S. 859.

55  Ebd.



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tung umso mehr leisten, als der strategische Sieger dieses Musterbeispiels logistischer Kriegführung zweifelsfrei Wallenstein hieß, und dies stellt dem Strategen Wallenstein, der 1632 die Logistik einmal mehr erfolgreich zum Dreh- und Angelpunkt seiner Kriegführung gemacht hatte, schließlich wohl das beste Zeugnis aus.

Militärische Gewalt in böhmischen Städten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges Von Jan Kilián Die große Armee Wallensteins zeigte sich gewalttätig und wurde schon deshalb von der zivilen Bevölkerung gehasst. Dieser Hass konzentrierte sich nicht selten auf den Herzog selbst.1 Die Beschwerden über ihn kamen fast von allen Seiten – in nicht geringem Maße wegen der Willkür seiner Soldaten. Die Geschichte von Gewalttaten ist in der Historiografie in keinem Falle ein neues Thema, Überlegungen darüber finden sich schon im späten 19. Jahrhundert, etwa bei Friedrich Engels.2 Dennoch setzte sich das Thema ‚Gewalt‘ vor allem in den letzten Jahren im Zusammenhang mit modernen historiografischen Methoden durch, an erster Stelle sei hier die historische Anthropologie angeführt.3 Grundsätzlich gilt es zu bedenken, dass ‚Gewalt‘ (hier wie im Folgenden im Sinne von lat. violentia verstanden) je nach Kontext, akademischer Disziplin, historischer Situation und persönlichen Wertvorstellungen sehr unterschiedlich gefasst und bewertet werden kann.4 So bestimmt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gewalt als „den absichtlichen Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt“.5 Der Beurteilung von Gewalt widmet sich auch die zeitgenössische juristische Literatur, z. B. hält der böhmische Jurist Kristián Koldín von Koldín diese gemeinsam mit dem Unrecht für den entschiedenen Feind von Gerechtigkeit.6 Allerdings ist juristisch gesehen Gewalt bis heute in militärischen Kollmann (1999), S. 203. etwa seine frühe Studie Die Rolle der Gewalt in der Geschichte. 3  Dazu besonders Dülmen (2002); siehe auch Nodl / Tinková oder Nešpor / Horský. 4  Vgl. etwa: Heitmeyer / Soeffner; Lindenberger / Lüdke. Als wichtige Referenzwerke der gegenwärtigen Gewaltdiskussion gelten: Reemtsma; Arendt; Benjamin; Sofsky und Butler. 5  Die Definition findet sich im Weltbericht Gewalt und Gesundheit des WHO-Regionalbüro für Europa, S. 6. 6  Malý u. a., S. 280–281. 1  Vgl. 2  Vgl.

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Kontexten anders zu bewerten als in zivilen. Unter bestimmten Bedigungen und im Rahmen eines strengen Regelwerks (etwa der ‚Rules of Engagement‘) gilt militärische Gewalt noch in gegenwärtigen Gesellschaften als gerechtfertigt. Auch in der Frühen Neuzeit gab es solche Regeln militärischer Gewalt (niedergelegt in meist öffentlich publizierten Ordonanzen), die allerdings mehr Spielräume (auch hinsichtlich der zumutungen für die Zivilbevölkerung) liessen als heute und – bei insgesamt geringerer Normenkontrolle – vermutlich viel weniger befolgt wurden.7 Gewalt und ihre Legitimation in der Frühen Neuzeit wird besonders in englisch-8 und deutschsprachiger9 Geschichtsforschung analysiert, während sie in Tschechien eher in der Kriminalitätsgeschichte diskutiert wird.10 Reflexionen der spezifischen frühneuzeitlichen Gewalt zwischen zwei wichtigen gesellschaftlichen Komponenten, wie den Soldaten und der Zivilbevölkerung, erhielten angesichts der exemplarischen Relevanz des Themas insgesamt noch zu wenig Aufmerksamkeit.11 In Deutschland widmen sich diesem Thema aber etwa Andreas Klinger,12 Maren Lorenz am Beispiel der dortigen nördlichen Regionen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der in­ struktive Sammelband Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, den Stefan Kroll und Kersten Krüger herausgegeben haben.13 Die vorliegende Studie stellt sich zum Ziel, die an der Zivilbevölkerung verübte Militärgewalt in böhmischen Städten darzustellen. Sie versucht dabei auch, auf einige grundsätzliche Fragen zu antworten. Was waren eigentlich die auslösenden Mechanismen, die zu Aggressionen der Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung führten? Welche konkreten Formen nahm diese an? Und welche Rolle spielten etwa Vergewaltigungen, über die die Quellen so hartnäckig schweigen? Als die drastischste Auswirkung physischer Aggression erscheint zumindest heute Mord oder Totschlag, sei es durch einen feindlichen oder einheimischen Soldaten. Beide Begriffe beinhalten das Töten einer oder mehrerer Personen durch eine oder mehrere andere Personen, wobei im Unterschied zum Totschlag der Mord meist an den Absichten (gewollte Tötung), Motiven (‚niedere‘ Motive) und der Vorgehensweise (Mordplan) festgemacht wird. etwa Meumann (2005), S. 173–188 und Pröve (2005), S. 261–270. Shagan; North / Wallis / Weingast oder Davis, S. 171–209. 9  Siehe z. B. Meumann / Niefanger; Meumann (2004), S. 141–159; Burschel / Marx oder Christadler, S. 231–245. 10  Wohl im historisch-anthropologischen Konzept am instruktivsten und mit Hinweisen auf weitere Literatur Čechura. 11  In Auswahl Ďurčanský, S. 22–38; Šulc, S. 41–78; Kilián (2011), S. 115–122 und ders., (2014), S. 20–34. 12  Vgl. Klinger, S. 107–124. 13  Vgl. Lorenz, M. und Kroll / Krüger. 7  Vgl. 8  Vgl.



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Als Totschlag können wir hier den Tod bei militärischen Kampfhandlungen ansehen, wobei die Liquidierung der besiegten, flüchtenden und oftmals unbewaffneten städtischen Zivilisten schon eher einer Ermordung gleicht. Schon diese einfache und gleichzeitig sehr verallgemeinernde Unterscheidung legt nahe, dass Morde in weit größerem Maße an der Zivilbevölkerung durch feindliche Truppen verübt wurden, die durch den langen Kriegskonflikt verwildert waren, angetrieben durch Straflosigkeit und motiviert etwa durch persönlichen Gewinn. Damit ist nicht in Abrede gestellt, dass es auch kulturelle, ethnische, konfessionelle oder psychologische Gründe für Tötungen von Zivilisten in militärischen Zusammenhängen gab. Das Zivilrecht war in solchen Momenten nicht ohne weiteres applizierbar.14 Besonders bei einer Stadt, die sich wehrte und im Sturmangriff erobert wurde, konnte man bei den Soldaten praktisch mit keinem Mitleid rechnen, und das massenhafte Morden wurde hier zu einer charakteristischen Begleiterscheinung des Krieges. In Hinblick auf die genannten Aspekte ist es verständlich, warum sich besonders kleinere und schwächer fortifizierte Städte lieber rechtzeitig ergaben und sich mit dem Angreifer auf eine der verschiedenen Formen von Kapitulation einigten, obwohl auch diese sie nicht immer völlig vor einer militärischen Aggression schützen konnte. Die südböhmischen Städte und Prag erlebten nach langen Jahren des Friedens den Angriff des Feindes schon während des Einfalls des Passauer Volkes im Jahre 1611,15 Südböhmen wurde damit ebenfalls in der Zeit des Ständeaufstandes stark konfrontiert, als die dortigen Städte für die Kaiserlichen feindliche Stützpunkte bedeuteten. Besonders traurig erging es in dieser Hinsicht der Stadt Pisek, belagert von einem bayerisch-kaiserlichen Heer und erobert wegen einer Unachtsamkeit der Verteidiger in dem Moment, als schon Kapitulationsverhandlungen stattfanden.16 Obwohl der Protestant Pavel Skála von Zhoř in seiner bekannten Arbeit die Anzahl der ermordeten Piseker Männer vermutlich übertrieb, kann das soldatische Töten der männlichen Bevölkerung durch den Feind als Standarderscheinung angesehen werden, die in Böhmen in den 30er und 40er Jahren des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Ein Fall aus dem westböhmischen Horaschdowitz / Horažďovice aus der Zeit der „Rebellion“ illustriert glaubwürdig die Realität gröbster Militärgewalt: „Wer konnte, floh oder versteckte sich; einige von ihnen fielen dabei in die Hand des Feindes, der sie allerdings nicht schonte, sondern erschlug und ermordete, und versuchte, aus ihnen heraus zu Malý u. a., besonders Paragrafen auf S. 281–296. Einfall des Passauer Volkes bisher am ausführlichsten Novák und neu Koldinská, S. 1–20, evtl. auch Pávová, S. 169–183. Eine moderne und ausführliche Bewertung der Problematik mit Orientierung auch auf die Ereignisse in den betroffenen Gebieten fehlt jedoch merklich. 16  Vgl. Janáček (1984), S. 288–289. 14  Vgl.

15  Zum

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bekommen, wo sie ihr Geld versteckt hatten. Dabei riefen sie: Tscheche, gib Geld.“17 Hier wird deutlich: Die Beute spielte eine primäre Rolle, allerdings fanden sich auch Einzelne, die die Zivilbevölkerung vermutlich aus reiner Laune ermordeten. In diesem Zusammenhang gilt es zudem zu bedenken, dass sich unter den Soldaten viele Kriminelle befanden, und dass sie sowohl unter dem Einfluss von Alkohol, als auch in der Anonymität der Masse soziale und kulturelle Hemmungen verloren. In einigen Fällen erfüllten die Soldaten aber auch nur den Befehl ihrer Vorgesetzten, wenn das Schicksal einer niedergemetzelten Stadt zur Abschreckung weiterer sich potentiell verteidigenden Festungen oder global des gesamten feindlichen Lagers dienen sollte.18 Viele ikonografischen Quellen zeigen die Brutalität solchen Verhaltens und bestätigen, dass die Soldaten dabei häufig die kalten Waffen, die für den Nahkampf bestimmt waren, benutzten.19 In Hinblick auf das langwierige Laden von Schusswaffen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist das übrigens auch verständlich. Sicher ist es auch kein Zufall, dass bei den Angriffen und Überfällen gerade die führendsten Bürger der Stadt, die Elite, ermordet wurden. Die Soldateska orientierte sich nach dem Durchbrechen der Stadtmauer vorzugsweise an den ansehnlichsten Bürgerhäusern auf dem Markt und seiner Umgebung, wo sie lukrative Beute erwarten konnte. Mordopfer wurden somit nicht selten in erster Linie die städtischen Honoratioren, Richter und Bürgermeister, nicht selten auch die örtlichen Geistlichen, gegenüber denen sich der Hass der Aggressoren auch noch aus konfessionellen Gründen steigern konnte.20 Dennoch kann man sich nicht vorstellen, dass es das Ziel der feindlichen Armeen war, die Bevölkerung der böhmischen Städte systematisch auszurotten. Sie konnte ihnen nämlich als lebenswichtige Quelle von Kontributionen viel wichtiger sein. Signifikant ist der Wandel des Verlaufs diverser schwedischer Aktionen, die zunächst von Banér und danach von Torstensson und Königsmarck geführt wurden. Während Banér eher eine Taktik des verbrannten Landes bevorzugte, gaben sich seine Nachfolger oftmals mit Drohungen und dem Abschließen von für sie vorteilhaften Verträgen zufrieden. Torstensson z. B. hielt in dem westböhmischen Klattau im Februar 1645 seine Kompanien in Schach und gab sich mit einer Ablösesumme in Höhe von 10.000 Gulden und mit Proviant zufrieden. Noch dazu 17  Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Horažďovice [Archiv der Stadt Horaschdowitz], Schriften, Inv. Nr. 333, Karton N3 – Beschreibung der Eroberung von Horaschdowitz am 22. Juni 1619 aus der Feder des Bürgers Daniel Azaf. 18  Vgl. Puhle. Siehe auch Kaiser (1997), S. 43–64 und Emich (2009), S. 197–235. 19  Siehe z. B. Langer (1978), und zur Ausrüstung Klučina. 20  In Rokitzan ermordeten die Schweden einen katholischen Kaplan, obwohl er krank und hilflos war. Hrachová, S. 84.



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gelang es den Hiesigen, obwohl er das Dreifache verlangt hatte, den Betrag herunterzuhandeln, was nach weiteren drei Jahren auch im Falle von Königsmarck galt.21 Neben den Massenmorden an der städtischen Bevölkerung begingen die Soldaten auch individuelle Morde. Am häufigsten handelte es sich dabei vermutlich um Raubmorde,22 Ausnahmen waren aber nicht einmal solche, die aus Konflikten oder Aversion hervorgingen. Am häufigsten kamen wohl Morde vor, die durch den Feind verübt wurden. Die feindlichen Soldaten konnten, wenn nicht Straffreiheit, so doch zumindest eine gewisse Nachsicht ihrer Vorgesetzten einkalkulieren. Aber auch die kaiserlichen Soldaten mussten mit etlichen gerichtlichen Folgen ihres Verhaltens rechnen. Als im Jahre 1622 einer von ihnen im Dunkel der Nacht einen jungen Graupener Bürger ermordete und dessen Körper ins Feld warf, wurde er nachfolgend gefasst und bestraft, abgeurteilt und erhängt.23 Natürlich wurden nicht immer die Schuldigen gefasst und bestraft, oft konnten sie nicht einmal identifiziert werden; es konnte dabei auch am Willen ihrer Offiziere mangeln. Der Feind konnte im okkupierten oder überfallenen Land ohne sichtliche Gründe, ohne konkrete Vorwände morden, wie das auch schon Zeitgenossen wahrnahmen und aufzeichneten. Jedoch auch in diesen Fällen handelte es sich meist um Raub (obwohl unmotivierte Morde nicht auszuschließen sind), selbst wenn die Beute nur ein Bekleidungsstück, Schuhe oder irgendein Gegenstand des täglichen Bedarfs war. Mitunter ist es schwer, nur anhand der überkommenen Aussagen zu entscheiden, ob es sich in einigen Todesfällen um Mord, um Totschlag oder um eine mehr oder minder legale soldatische Tötung nach dem Kriegsrecht handelte. Immerhin erfordert auch in der Gegenwart die Beurteilung eines gegebenen Tatbestands nicht selten einen langwierigen Beweisprozess.24 Manche männliche Bewohner böhmischer Städte wurden während des Dreißigjährigen Krieges mit der Waffe in der Hand erschlagen, im Kampf gegen den Feind, oft an der Seite der regulären Besatzung. Bei der Verteidietwa Sýkorová (2010), S. 209–210. 1642 wurde ein Müller aus einer Melniker Mühle durch einen Soldaten des Colloredo-Regiments ermordet. Líva, S. 261, 262 und 264. 23  Státní okresní archiv Teplice [Staatliches Kreisarchiv Teplitz], Archiv města Krupka [Archiv der Stadt Graupen], Bücher, Inv. Nr. 56 – Gedenkbuch 1426–1853, Fol. 20. 24  Ein Beispiel für alle sei hier der Sturz eines führenden Graupener Bürgers durch die kaiserlichen Soldaten von einer Böschung oberhalb der Bürgerhäuser, wobei wir die näheren Umstände nicht kennen, die Begebenheit aber mit dem Tode des Bürgers endete. Státní okresní archiv Teplice [Staatliches Kreisarchiv Teplitz], Archiv města Krupka [Archiv der Stadt Graupen], Bücher, Inv. Nr. 56 – Gedenkbuch 1426–1853, Fol. 52. 21  Vgl.

22  Z. B.

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gung ihrer Städte starben böhmische Bürger und auch Angehörige weiterer urbaner Gesellschaftsschichten schon während des Ständeaufstands. In den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts erwartete sie eine Verschnaufpause, bis sie gezwungen waren, ihre Nächsten und ihren Besitz erneut während der nächsten zwei Dekaden auf den Stadtmauern gegen den Feind zu verteidigen. Zu den bekannten Episoden zu Beginn des Krieges gehört die Eroberung der westböhmischen Metropole durch den Söldner-Kommandeur Mansfeld.25 Das katholischen Pilsen, „semper fidelis“, hatte sich nicht den aufständischen Ständen angeschlossen und lehnte es auch ab, vor dem starken Mansfeldischen Heer zu kapitulieren. Dem konzentrierten Angriff konnten sie jedoch nicht standhalten, und dafür mussten mehr als sechzig seiner Einwohner mit dem Leben bezahlen.26 Nicht jeder Angriff musste natürlich zur Eroberung der Stadt führen, vielen gelang es, sie für den Preis von Menschenleben zu verteidigen. Mit den nachfolgenden Jahren waren nur noch wenige Städte zur bewaffneten Verteidigung entschlossen. Die nach heutiger Rechtsvorstellung in der Regel ausdifferenzierte Unterscheidung von Mord, Totschlag und legitimem Töten nach kriegsrechtlichen Regeln resultiert nicht zuletzt aus der langen Geschichte aggressiven Verhaltens von Soldaten gegenüber Zivilisten. Gerade in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges geschah soldatisches Töten nicht selten außerhalb der beruflichen bzw. ständischen Legitimation. Eher als auf der Straße und auf öffentlichen Plätzen kam es zu Mord und Totschlag in der Privatsphäre des Hauses oder an Orten gemeinsamen Vergnügens, vor allem in Gastwirtschaften. Streit oder Rivalität von Soldaten und Zivilisten konnten in physische Aggression auswachsen, die mit verheerenden Verletzungen endeten, denen das Opfer erlag. Eine wichtige Rolle spielte dabei sicherlich der Alkohol. Mit Aggression endete oftmals auch eine lang anhaltende Spannung, die z. B. durch einen zu langen Aufenthalt der Armeeeinheiten verursacht wurde. Einem gewissen böhmischen Bürger zogen die Soldaten während des Schwedeneinfalls die Kleider aus, schlugen ihn und wenn nicht seine Frau (!) einem der Angreifer den Degen entrissen hätte, wäre er wohl auf der Stelle erschlagen worden.27 Ebenso entging auch der Schreiber des bemerkenswerten Graupener Gedenkbuchs Michel Stüeler dem Schuss aus der Pistole eines Soldaten nur durch einen raschen Schritt zur Seite.28 Wenn es um die physische Aggression der Soldaten gegenüber Zivilisten während des Dreißigjährigen Krieges geht, nahm diese außer der zahlreichen Söldnertum ganz allgemein und neu Krüssmann. Janáček (1984), S. 101–109. Zu den Ereignissen ausführlich Douša, S. 157–209. 27  Vgl. Kilián (2013b), S. 171–172. 28  Vgl. Kilián (2013a), S. 147. 25  Zum 26  Vgl.



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Tötungen die Form von Beeinträchtigung der Gesundheit an, was auch immer wir uns unter diesem Begriff vorstellen: dauerhafte Verstümmelung, Folter, Entstellung oder „nur“ Schläge oder auch mildere Formen einer physischen Insultation. Es kann sogar angenommen werden, dass mit solchen Handlungen die überwältigende Mehrheit der böhmischen Bevölkerung während des lang anhaltenden kriegerischen Konflikts konfrontiert wurde, bzw. an eigenem Leibe erlebt hat. Dis gilt umso mehr, als mit militärischer Gewalt als disziplinarischem Mittel Herrscher und Regierung im Rekatholisierungsprozess im Rahmen der sog. Dragonade rechneten.29 Der Soldat wurde schon seit den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil des städtischen Lebens, denn mit den Zivilisten traf er sich hier nicht nur im Stadtgebiet und in öffentlichen Einrichtungen, sondern direkt in ihrer intimsten Sphäre, in ihrem Haushalt.30 Hier wurde er einquartiert, oft mit seiner Gefährtin oder mit der ganzen Familie, die in der regel und oft genug gezwungener Maßen völlig andere Lebensideale verfolgte und moralische Vorstellungen hegte als die Familie des Wirtes, so dass Konflikte zum Greifen nahe waren.31 Dies galt besonders, weil sie gemeinsam die Hausgeräte und Ausstattung nutzten, sich in der Küche und auch bei Tisch trafen, weil es zwischen ihnen auch Sprachbarrieren geben konnte, woraus oft Missverständnisse erwuchsen. So konnte der Zivilist das Gefühl haben, dass der Soldat zu viel oder Illegitimes forderte, während dieser wiederum umgekehrter Meinung sein konnte.32 Dies alles in einer Atmosphäre ständiger Unsicherheit, Gefahr und von einem erhöhten Alkoholkonsum begleitet. Hinzu kam, dass der Soldat im Hause seines Gastgebers öfters stahl, manchmal freilich aus purer Not; Gewalt, einschließlich der erwähnten Folter, erlaubten sich die feindlichen Soldaten nicht selten ohne Skrupel, sei es aus Willkür oder mit dem Ziel, das Opfer dadurch zur Mitteilung zu zwingen, wo sich verborgene Wertgegenstände befinden.33 Eine physische Insultation stellte auch die Form einer persönlichen Demütigung dar und nicht selten betraf diese wieder die führenden Bürger und kommunale Vertreter, die mit ihrem Amt die gesamte Gemeinde vertraten. Neben der ökonomischen Motivation von soldatischen Gewalttaten sind bei Übergriffen auf städtische Repräsentanten und Honoratioren auch symbolische Aspekte anzunehmen. In ihren vornehmen Bürgen wurde oftmals die ‚ganze Stadt abgestraft‘ und gedemütigt. So war einer der Pilsener Bürger in Strakonitz augenscheinlicher Roedl, S. 111–117. besonders Pröve (1996), S. 191–219. 31  Vgl. Lorenz, M., S. 176. 32  Ausführlicher: Kilián (2014). 33  Literarisch reflektiert wird dies in der bekanntesten Passage des Simplicissimus: vgl. Grimmelshausen (2017), S. 24–27. 29  Vgl.

30  Dazu

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Zeuge, wie die kaiserlichen Soldaten (Ungarn) bei ihrer Einquartierung den Primas und auch den Bürgermeister schlugen und sie in den Brunnen warfen.34 Seine Erfahrung mit militärischer Gewalt schildert farbig Klement Král, ein Bürger aus Bergreichenstein (heute Kašperské Hory), der sich dienstlich nach Horaschdowitz begeben hatte. Sein Beispiel zeigt gleich einige typische Momente militärischen Verhaltens. Falls er den von den Soldaten angebotenen Taler angenommen hätte, wäre das in deren Augen damit gleichgesetzt worden, dass er sich dem Kriegshandwerk verschrieben hätte. Dies begriff Král sehr gut, jedoch auch ein Ablehnen der Münze bedeutete für ihn nicht, der Gefahrensituation zu entgehen. Er wurde nämlich wegen Verachtung der kaiserlichen Währung angeklagt und von den Angreifern bis aufs Blut geschlagen. Die Machtlosigkeit des Zivilisten gegenüber der Militärmacht illustriert und bekräftigt die falsche oder zumindest extrem einseitige Schilderung des Ereignisses durch die Aggressoren gegenüber ihren Vorgesetzten und die daraus resultierende Strafe für denjenigen, der eigentlich das bloße Opfer war.35 Die Zivilisten begriffen bald, dass es nicht gut ist, sich mit den Soldaten einzulassen und dass sie selbst im Falle eines Konflikts die meisten Folgen tragen mussten. Davon überzeugte sich bei einem Besuch der Gastwirtschaft auch ein gewisser Melniker Bürger, dem es zwar gelang, in einem provozierten Degenduell mit einem Soldaten erfolgreich zu sein (!), aber dessen Offizier musste er für den verursachten Schaden bezahlen. Ähnliches gilt für einen Gemeindeuntertan dieser Stadt, der seine Frau gegen einen betrunkenen jungen Soldaten verteidigte, der sich später aus eigener Schuld mit seinem Messer verletzte, als er beim Abgang stolperte. Auch in diesem Falle wurde die Schuld auf den Zivilisten geschoben und von ihm Schadenersatz verlangt.36 Beide angeführte Beispiele sind zu keinem geringen Teil auf den Alkohol zurückzuführen, der mit gewissem Recht als häufigster Stimulator der beschriebenen Konflikte angesehen werden kann. Selbst wenn die Soldaten Mangel daran hatten, führte dies oft zu Aggressionen, weil sie diesen Zustand natürlich sofort ändern wollten.37 Verletzungen infolge von Konflikten geben zeitgenössische Quellen in bunter Skala an – Hieb- und Stichwunden, eingeschlagene Köpfe, Knochenbrüche, herausgerissene Augen (und sicher in noch größerem Maße Zähne), abgerissene Gliedmaßen. Diese konnten auch auf andere Art so verletzt werden, dass man sie sofort einer Amputation 34  Archiv města Plzně [Archiv der Stadt Pilsen], RMR I 1, Inv. Nr. IX f 11 / 29  – am 11. August 1635 schrieb aus Lažany Jiří Vojtěch Velenovský seinem Vater. 35  Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Kašperské Hory [Archiv der Stadt Bergreichenstein], Schriften, Inv. Nr. 6143, Karton N56 – am 21. Dezember 1643 Klement Král an einen Bergreichensteiner Ratsherrn. 36  Vgl. Kilián (2013b), S. 185–186. 37  Sýkorová (2010), S. 207.



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unterziehen musste, die der Patient oftmals nicht überlebte.38 Schläge und Ohrfeigen, denen auch die Familie des Hausherrn und dessen Bedienstete nicht entgingen,39 gehörten zu den milderen Formen physischer Gewalt seitens der Soldaten, obwohl sie gerade für einen emanzipierten Angehörigen des Bürgerstandes erniedrigend waren. Viele Soldaten scheuten sich auch nicht, ihre Opfer zu foltern, wenn sie den Eindruck hatten, dass diese dadurch zum Bekenntnis gezwungen wurden, wo sie ihre Wertsachen versteckt haben. Besonders „erfindungsreich“ waren in dieser Hinsicht die schwedischen Söldner, die den Gefangenen ein Seil um den Kopf so stark anzogen, bis ihnen das Blut aus Nase und Ohren floss.40 Verrufen war auch der sogenannte ‚Schwedentrunk‘, meistens Jauche, eventuell mit weiterem Unrat vermischt, den die Soldaten dem gefesselten Opfer in den Mund gossen. Auch eine solche Prozedur musste nicht jeder überleben. Zu den barbarischen Praktiken der Soldaten gehörte auch das Schleifen eines Menschen durch Pferde, ebenso schmerzhaft wie erniedrigend.41 In den Quellen offenbaren sich auch Indizien, dass die Soldaten im 17. Jahrhundert auch gewöhnliche Folterwerkzeuge benutzten (z. B. Daumenschrauben und FolterKorsett), die sie entweder mit sich führten oder zeitweilig in den Städten ausliehen. Am häufigsten wird in zeitgenössischen Dokumenten aber nur über die Folter ohne nähere Spezifizierung gesprochen.42 Die am schwersten dokumentierbare Form militärischer Gewalt während des Dreißigjährigen Krieges ist aus verständlichen Gründen die Vergewaltigung.43 Theoretisch handelt es sich um eine sogenannte Halssache.44 Allerdings war die Rechtspraxis im Krieg und Frieden unterschiedlich. Gewalttaten an Frauen diente den Soldaten während des laufenden bewaffneten Konflikts offenbar als illegitimer, aber oftmals tolerierter Ausgleich für ihre Anstrengungen und als erwünschtes sexuelles Abenteuer. Maren Lorenz, die 38  Kilián

(2013a), S. 155. okresní archiv Mělník [Staatliches Kreisarchiv Melnik], Archiv města Mělník [Archiv der Stadt Melnik], Schriften–Militare, Fol.  1820 (undatiert, nach 1632) – Jan Janáček an einen Ratsherrn. 40  Ebd., Fol. 4003 (19. Oktober 1634). 41  Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Horažďovice [Archiv der Stadt Horaschdowitz], Schriften, Inv. Nr. 333, Karton N3 – Beschreibung der Eroberung von Horaschdowitz am 22. Juni 1619 aus der Feder des Bürgers Daniel Azaf. 42  Vgl. Státní oblastní archiv Litoměřice [Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz], Římskokatolický farní úřad Moldava [Römisch-katholischer Pfarramt Moldau], Kirchenbücher, Sign. 117 / 1 (1608–1665), Fol.  498 (Folterung der Bewohner aus dem erzgebirgischen Niklasberg) oder Hrachová, S. 84 (Folterung der Rokitzaner Ratsherren). 43  Vgl. Jansson, S. 195–225. 44  Vgl. Malý u.a, S. 275. 39  Státní

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ebenfalls eine überraschend geringe Anzahl aufgezeichneter (gemeldeter) Taten feststellte und noch weniger Urteile registrierte, die wohl auf ein solidarisches Schweigen der Beteiligten zurückzuführen ist, macht auf die schwierige Feststellung von Vergewaltigungen natürlich auch im 17. Jahrhundert aufmerksam.45 Problematisch sind ebenfalls Fälle, wenn Frauen zur Beute des Aggressors wurden. Einige der Soldaten machten bald darauf aus ihnen Ehefrauen oder Gefährtinnen, andere entließen sie wieder, nachdem sie diese satt hatten. Nicht anders verhielt sich auch der Autor eines SöldnerTagebuchs, Peter Hagendorf, der sich während kurzer Zeit in den eroberten Städten nacheinander zweier junger Mädchen bemächtigte.46 Wie wiederum Lorenz bemerkte, war schon seit dem Mittelalter in der Armee die Aussicht auf kostenfreie sexuelle Sklavinnen eine verlockende Prämie für den Sieg.47 Grundsätzlich muss zwischen individueller und Massenvergewaltigung unterschieden werden. Die zweite genannte Art gehörte während des Krieges zu einer durchaus gängigen Praxis, es ging sozusagen um eine Selbstverständlichkeit, an der niemand zweifelte, aber die auch nicht sonderlich zur Schau gestellt wurde. Die böhmischen Städte waren einer Massenvergewaltigung vor allem während des Ständeaufstandes und der feindlichen Einfälle in den 30er und 40er Jahren des 17. Jahrhunderts ausgesetzt. Die zeitgenössischen Informatoren sprechen jedoch davon nur allgemein (z. B. dass die Schweden nach der Eroberung der Stadt an der weiblichen Generation schändliche Handlungen begingen)48 oder in Indizien, wie die Melniker Bürgerin Hrušková, die aussagte, dass sie in der eroberten Stadt gemeinsam mit anderen Frauen von Soldaten überfallen und an einen nicht näher genannten Ort verschleppt wurde.49 Sicher ist es nicht nötig zu erklären, zu welchem Zwecke. Die Frage (mit wahrscheinlich positiver Antwort) ist, ob nicht sogar in einigen Fällen die männlichen Verwandten des Opfers (Ehemänner, Väter, Brüder usw.) der Vergewaltigung zusehen mussten, weil es den Soldaten neben der Befriedigung des eigenen sexuellen Bedürfnisses auch um deren Erniedrigung und Demütigung gehen konnte. Nach Lorenz würde nämlich kein Delikt eine größere Macht des Aggressors symbolisieren als die Vergewaltigung im feindlichen Land.50 Lorenz, M., S. 207–209. seine Tagebuchaufzeichnungen in: Peters, S. 109 und 110. 47  Siehe Lorenz, M., S. 208 und 211. 48  Státní okresní archiv Rokycany [Staatliches Kreisarchiv Rokitzan], Archiv města Rokycany [Archiv der Stadt Rokitzan], Schriften, Inv. Nr. B III / 4, Karton 336  – Jiří Kryštof Aulický von  Plešnice und Jan Kryštof Wolfingar von  Wolfspach über den Eifall der Schweden in Rokitzan im Oktober 1639. 49  Aussage von Barbora Hrušková vom 13.  November 1640  – Státní okresní archiv Mělník [Staatliches Kreisarchiv Melnik], Archiv města Mělník [Archiv der Stadt Melnik], Schriften – Militare, Fol. 4290. 45  Vgl. 46  So



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Zudem kam es zu individuellen Vergewaltigungen in den Städten während der Zeit zumindest relativer Ruhe. Der schuldige Einzelne setzte sich dabei einer gewöhnlichen Strafpraxis aus. Diese Taten spielten sich meist im Privaten ab und waren daher schwer nachzuweisen, Wort stand gegen Wort. Und sollten auch Zeugen zur Verfügung stehen, so wurde der schuldige Soldat nicht immer bestraft. Im deutschen Rüthen vergewaltigte ein „einquartierter“ Söldner ein siebzehnjähriges Mädchen vor den Augen ihrer Eltern so brutal, dass es seinen Verletzungen erlag; dennoch entließen ihn seine Vorgesetzten ohne Strafe, mit dem Bedauern, dass das Mädchen ja schon tot sei und sich nichts mehr machen ließe.51 Viele Vergewaltigungsversuche blieben nur dank des rechtzeitigen Einschreitens von anderer Seite unvollendet. In Graupen rettete im letzten Moment der dortige Pfarrer eine junge Bürgerstochter vor der Gewalt eines kaiserlichen Kornetts, der sich hier auf Salva Guardia aufhielt.52 Der Vergewaltigung entging auch Mariana Zahrádková aus Pilsen, die der Stallmeister des Obersten Jean de la Cron begehrte. Als er sein Begehren nicht stillen konnte, bezeichnete er die Geschädigte herabsetzend als „Hure“.53 Auch solchen Handlungen waren die Frauen seitens der Soldaten ausgesetzt, ebenso wie schamlosen Reden und Beleidigungen.54 Militärische Gewalt nahm während des Dreißigjährigen Krieges natürlich auch psychischen Formen an; zu nennen sind etwa Gewaltandrohungen und Erniedrigungen aller Art. Der Zweck war in solchen Fällen meist klar: eine Befriedigung eigener (finanzieller, logistischer, politischer, religiöser, symbolischer u. a.) Bedürfnisse und Ziele. Als sehr zweckdienlich erschienen den Soldaten, bzw. ihren Offizieren gerade jene Gewaltandrohungen, die auch dazu dienten, eine Kapitulation zu erreichen und die Tore der Stadt zu öffnen. Die Soldaten waren für die Offiziere immer wieder eine wertvolle Ware, und falls sie nicht ihre Verluste riskieren wollten, die bei der Eroberung einer Stadt zu erwarten waren, so vermieden sie das auch. Die Bürger hingegen hatten ihre langjährigen tristen Erfahrungen mit den Militärkräften und wussten, dass Gewaltankündigungen keine leeren Drohungen waren. Deshalb schlossen sie nicht selten mit dem Feind schriftlich kodifizierte Vereinbarungen (sogenannte Akkorde), die ihnen gegen eine Zahlung von Schutzgeld (sogenannte Ranzion) den Schutz vor Gewalt garantierten. Das konnte noch durch die Gewährung einer Salva Guardia verstärkt werden (die auch von Lorenz, M., S. 207 und 211. Medick / Marschke, S. 80–81. 52  Vgl. Kilián (2013a), S. 503. 53  Archiv města Plzně [Archiv der Stadt Pilsen], RMR I 1, Inv. Nr. IX f 15 / 71  – 1. Juni 1648, Pilsen. 54  Státní okresní archiv Mělník [Staatliches Kreisarchiv Melnik], Archiv města Mělník [Archiv der Stadt Melnik], Schriften – Militare, Fol. 3990 – 19. Februar 1634. 50  Vgl. 51  Vgl.

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der heimischen Armee gewährt werden konnte), sei es in physischer oder schriftlicher Form, wofür die Stadt natürlich auch bezahlen musste.55 Zu Androhungen von militärischen Exekutionen, womit die gewaltsame Beschlagnahme von Besitz unter militärischer Assistenz zu verstehen ist, griffen gegenüber den böhmischen Städten sowohl die Feinde (eine potentielle Gewalt unter Verwendung der Termine „Feuer“ und „Schwert“ betonend),56 als auch die Kaiserlichen. Auch daraus geht die traditionelle Behauptung hervor, dass die Zivilisten bald aufhörten, zwischen „einheimischen“ und feindlichen Einheiten zu unterscheiden. So ganz entsprach diese Behauptung jedoch nicht der Wahrheit, denn besonders die Schweden erweckten ein stärkeres Grauen.57 Die Soldaten griffen noch dazu nicht selten auch zu einem weiteren bewährten Mittel, um von der Stadt die geforderten Gelder oder Viktualien zu erzwingen. Sie entführten Einwohner und nahmen diese als Geiseln, natürlich vor allem die führenden städtischen Vertreter, besonders beliebt waren dabei auch Geistliche.58 Es existierten allerdings auch zahlreiche Fälle von willkürlichen Drohungen von Truppen, die eigentlich die einheimische Bevölkerung schützen sollten.59 Androhung von Gewalt praktizierten nicht nur die Offiziere an der Spitze der Bataillone, ebenso betätigten sich auf diesem Gebiet auch einzelne Soldaten. Ihre Drohungen gegenüber den Hausherren waren in den Städten, wo sie kürzere oder auch längere Übernachtungen fanden, sozusagen an der Tagesordnung. Das Ziel war immer eine bessere Versorgung auch mit ausgewählten ‚Delikatessen‘ und Alkohol.60 Die Soldaten dienten während des Dreißigjährigen Krieges, besonders in der ersten Phase der Rekatholisierung nach der Schlacht am Weißen Berg, den Machthabern auch als exekutives Instrument. Der Druck auf protestantische Haushaltungen, die auf einmal eine größere Anzahl von Soldaten versorgen mussten, war stark; vielen Betroffenen wurde sowohl die Psyche ge55  Siehe z. B. „Sammlung“ dieser Salvae Guardiae in: Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Kašperské Hory [Archiv der Stadt Bergreichenstein], Schriften, Inv. Nr. 88–125, Kartons N2 und N3. 56  Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Horažďovice [Archiv der Stadt Horaschdowitz], Schriften, Inv. Nr. 1369, Karton N14. 57  Vgl. Kilián (2013b), besonders S. 183–186. Ein stärkeres Grauen erweckten die Schweden wegen ihrer Grausamkeit (Folterung, Schwedentrunk), die noch propagandistisch (z. B. in Flugblättern) aufgebauscht wurde. Vgl. z. B. Tschopp (1991). 58  Vgl. Kilián (2013a), S. 159. 59  Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Kašperské Hory [Archiv der Stadt Bergreichenstein], Schriften, Inv. Nr. 5858, Karton N55  – 17.  Juli 1619 die Bergreichensteiner an Jáchym Novohradský z  Kolovrat betreffs des bei ihnen einquartierten ungarischen Bataillons. 60  Státní okresní archiv Mělník [Staatliches Kreisarchiv Melnik], Archiv města Mělník [Archiv der Stadt Melnik], Schriften–Militare, Fol. 1663.



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brochen (was zur Flucht oder zu Selbstmord führte) als auch ihre religiöse Bindung in Frage gestellt. Konnten sie sich doch im Falle einer Konvertierung der ungebetenen Gäste entledigen. Der kaiserliche Oberst Huerta konnte sich in diesem Kontext damit brüsten, dass er mehr Seelen zum katholischen Glauben bekehrt hätte, als Christus mit allen Aposteln.61 In den Leibgedingestädten der böhmischen Königinnen eroberte sich Oberst Breuner einen ähn­ lichen Ruf, dessen Männer sich etwa zur gleichen Zeit bei protestantischen Bürgern einquartierten, besonders gerne und intensiv bei „verstockten Ket­ zern“.62 Eine ähnliche Rolle konnten verschiedene Schmähungen und Erniedrigungen spielen, um militärische Ziele und Befriedigung der Bedürfnisse in den Städten zu erreichen. Einige davon erweckten aber Widerstand, erschütterten die Psyche der Zivilisten und erweckten Unwillen auch bei den Vorgesetzten. Zu nennen ist zum Beispiel die Gewalttätigkeit gegenüber den sterblichen Überresten des verstorbenen Klattauer Primas Daniel Korálek von Těšín, dessen Sarg die kaiserlichen Soldaten ausgehoben und den Leichnam bestohlen hatten, u. a. um eine massive Goldkette. Nach Intervention des Vorgesetzten kamen sie zwar um ihre Beute und es drohte ihnen die höchste Strafe,63 die Bürger jedoch sahen anschaulich, dass die Soldaten praktisch vor nichts Halt machten und ihnen nichts heilig war, nicht einmal Gottes Tempel mit der Grabstätte. Erniedrigt und in ihrer Ehre verletzt waren also auch in diesem Fall die Vertreter der Elite, besonders die städtischen Honoratioren und Geistlichen. Die Soldaten befriedigten an ihnen ihre, vielfach sozial bedingten, Gelüste. Ehemalige Bauernsöhne und Angehörige der niederen bürgerlichen Schichten erwarben, gedeckt vom Militärdienst, während des Krieges eine Übermacht über die in der Gesellschaftsschicht höherstehenden Menschen. Nicht nur um die Kleidung zu stehlen, entblößten sie diese, banden sie an ihre Pferde und ließen sie hinter sich herlaufen wie Hunde und dachten sich für sie beschämende Spiele aus. Ziel war immer wieder eine symbolische Demütigung des sozialen Standes oder der städtischen Herrschaft. Einen alten Rokitzaner Dekan setzen die schwedischen Soldaten auf ein Pferd, setzten ihm die Mitra auf den Kopf und unter Gelächter führten sie ihn so durch die Stadt.64 Weil Ehre und Ruf zu dem führenden frühneuzeitlichen Kapital gehörten,65 zielten die Angriffe der Soldaten darauf. Durch solche Demütigungen fügten die Soldaten den Betroffenen nicht weniger Schaden zu als durch physische Aggression. Roedl, S. 116. (2013b), S. 150–151. 63  Vgl. Sýkorová (2010), S. 205. 64  Vgl. Hrachová, S. 83. 65  Vgl. z. B. Schwallerová, S. 26–45. 61  Vgl.

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Zu den wohl am meisten verbreiteten und gleichzeitig in den Quellen am besten dokumentierten Fällen militärischer Gewalt gegenüber Zivilisten gehörte das Plündern, Niederbrennen, Rauben und Beschädigen des Besitzes. (Ebenso häufig war auch Diebstahl, bei dem jedoch keine Gewalt angewendet, aber Unaufmerksamkeit, Sorglosigkeit oder zufällige Situationen ausgenutzt wurden, z. B. bei der Einquartierung von Soldaten in Bürgerhäusern.) Buchstäblich zu einem Symbol des Dreißigjährigen Krieges wurden Plünderungen und Raubzüge in den Städten; die Aussicht auf Beute motivierte nicht nur einzelne Männer, die sich zum Armeedienst werben ließen. Nach geltendem Kriegsrecht stand auch dem einfachen Soldaten ein ganz legitimer Anteil an der Beute zu, meist in Form von Mobilien.66 Von der Beute profitierten am meisten die Kommandeure, die sich hauptsächlich die reichen Häuser in den bemächtigten Städten vorbehielten, was in der Praxis so aussah, dass sie an den ausgewählten Gebäuden zuverlässige Wachen aufstellen ließen. Diese konnten aber auch einigen weiteren Häusern zugeteilt werden, die aus den verschiedensten Gründen geschont werden sollten (wichtige Persönlichkeiten, Kollaborateure u. a.).67 Die Kommandeure entschieden auch über die einzelnen Anteile. Schon in der damaligen Legislative wurde vor allem in Hinblick auf die Plünderung in den Städten zwischen strafbarer Gewalt und tolerierter, ja sogar mitunter von höchster Stelle angeordneter Gewalt unterschieden.68 Jede Stadt, die sich entschieden hatte, sich gegen den Angreifer zu wehren, musste damit rechnen, dass sie ihm im Falle des Misserfolgs zum Plündern freigegeben würde. Solche Plünderung dauerten unterschiedlich lang und fielen unterschiedlich intensiv aus: Mitunter handelte es sich um ein paar Stunden,69 ein andermal um ganze Tage. Bestandteil der Plünderung waren Mord und Vergewaltigung, das Hauptziel aber blieb – neben symbolischen Demütigungen – die Beute. Verlockend waren deshalb besonders die stattlichen Bürgerhäuser, das Rathaus und natürlich auch die Kirchen, in denen die Bürger oft ihre Wertsachen in der falschen Hoffnung versteckten, dass diese dort in Sicherheit seien. Am Raubzug in der eroberten Stadt beteiligten sich die Angehörigen des Trosses, Begleiterinnen der Soldaten und Pferdeknechte, die in der sogenannten zweiten Kolonne nach Gegenständen suchten, die in ihrer Feldküche brauchbar oder an anderer Stelle verkäuflich waren. Zu den begehrten Waren gehörten auch große Braupfannen oder Gerbereibottiche. Belegt sind selbst Beispiele, wo eine Stadt nicht vom Feind geplündert wurde, sondern von der eigenen oder alliierten Armee.70 66  Vgl. Peters, S. 109 (Hagendorf gewann bei der Plünderung Landshuts nicht nur Geld, sondern auch Kleider und Weiβzeug). 67  Vgl. Kilián (2007), S. 123–134. 68  Dazu Pröve (1997), S. 4–42. 69  In Klattau des Jahres 1641 hatten die Schweden die Stadt in vier Stunden geplündert. Sýkorová (2011), S. 120.



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Nach bzw. noch während der Plünderung wurde manche Stadt von den Soldaten absichtlich in Brand gesteckt. Allein bei den böhmischen Städten handelt es sich um Dutzende bekannter Fälle. Das Feuer stellte eine ganz fatale Katastrophe dar, ein Unglück, das schon zu Friedenszeiten schwer zu beherrschen war, geschweige denn im Krieg, wo die Einwohner von den Soldaten am Löschen des Feuers absichtlich gehindert wurden.71 Zum Verbrennen eines Teils der Stadt, vor allem der Vorstadt, griffen unter Umständen auch diejenigen Offiziere, die diese eigentlich schützen sollten, damit sich hier der Feind nicht verbergen konnte. Um die betroffene Bevölkerung aus den entsprechenden Häusern zu evakuieren, musste auch hier oft Gewalt ausgeübt werden. Außerdem konnte die Durchführung einer solchen Aufgabe völlig unproduktiv sein, wovon sich in Bautzen der leitende kaiserliche Offizier überzeugen konnte: Nachdem das Feuer aus der Vorstadt hinter die Stadtmauern geriet, erlagen viele Verteidiger und Einwohner den Verbrennungen. Dies führte schließlich zur Kapitulation der Stadt.72 Der Raubbetraf im Unterschied zum Diebstahl nicht nur das Eigentumsdelikt als solches, sondern auch das Recht und die Würde des Menschen. Dabei raubten die Soldaten in dem beschriebenen Zeitraum in einem solchen Ausmaße, dass der Umfang dieser Tätigkeit nicht einmal quantifizierbar ist. Man sollte hier auch nicht die Marodeure vergessen, die raubenden Desserteure und stellungslosen Söldnern, die sich mitunter in Gruppen organisierten und sich zu regelrechten Räuberbanden entwickelten. Auf den Wegen war es wegen der Soldaten so gefährlich, dass die städtischen Kaufleute oftmals lieber auf ihre Tätigkeit verzichteten und sich auf die Sicherheit der Stadtmauern ihrer Stadt verließen.73 Angst ging im Prinzip von allen Soldaten aus, denen die Zivilisten auf den Wegen begegneten. Ein Transport aus Melnik mit dem königlichen Richter und Primas an der Spitze musste sich sogar in einem der Gemeindehöfe vor einem kaiserlichen Korporal und seinen Soldaten verschanzen, die dann von dessen verlassenem Fuhrwerk wenigsten die Flaschen nahmen und auf ihrem Wege noch den Beamten der benachbarten Herrschaft um seinen Hut und seine Pistole beraubten.74 Zu den häufigsten von den Soldaten geraubten Waren gehörten ohne Frage Pferde. Beschwer70  Wie z. B. Rokitzan. Líva, S. 148 – 1. Februar 1641 Hauptmann Kolenec an die Böhmische Kammer. 71  Siehe z. B. das Feuer in Melnik im Jahr 1621. Kilián (2013b), S. 146. 72  Zeidler. 73  Wegen der Angst vor der Gefahr auf den Wegen fuhr man auch im Oktober 1631 nicht aus Pilsen nach Laun. Archiv města Plzně [Archiv der Stadt Pilsen], RMR I 1, Inv. Nr. IX f 10 / 5. 74  Státní okresní archiv Mělník [Staatliches Kreisarchiv Melnik], Archiv města Mělník [Archiv der Stadt Melnik], Bücher, Nr. 138, Fol. 201–202 – Die Melniker am 21. April 1622 an den Obersten Jan Slach von Hřivice.

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den zu diesem Übel, Forderungen um Rückgabe der geraubten Tiere, ja ganze Rechtsfälle finden wir entlang des gesamten Spektrums von Quellen urbaner Provenienz. Falls die Soldaten die Pferde nicht direkt aus den Ställen stahlen, entwendeten sie diese deren Besitzern auf räuberische Art auf den Reisewegen und versetzten sie anschließend für Geld auf den Märkten von näheren oder entfernteren Städten. Während die Soldaten bei dem Handel mit geraubten Pferden praktisch straffrei blieben, konnte die Zivilisten leichter die strafende Hand des Gesetzes erreichen. So wurde eine Bürgerin aus Nachod für einen Aufkauf nicht nur mit Gefängnis, sondern sogar mit einer bedingten Todesstrafe bestraft, falls sie sich in Zukunft einer ähnlichen Tat bewusst schuldig machen sollte.75 Ähnlich erging es einem gewissen Schneider aus Bergreichenstein.76 Anderswo waren aber die Ämter bei weitem benevolenter und es sind auch Fälle bekannt, wo Bürger durch Aufkauf gestohlener bzw. geraubter Waren reich wurden.77 Was sich nicht stehlen oder rauben ließ, das konnte zumindest zerschlagen oder auf andere Weise entwertet werden. Absichtliche Beschädigung von Besitz durch die Soldaten zieht sich durch den dreißigjährigen Kriegskonflikt wie ein roter Faden. An der Spitze standen dabei wieder die feindlichen Soldaten. Während die schwedischen Soldaten bei ihrem Überfall auf Bergreichenstein alle Wertsachen mitnahmen, ließen sie an dem übrigen Inventar ihre Wut aus.78 Bei diesen Gewalttaten gegenüber dem Eigentum konnte es sich auch um Folgen des Alkoholkonsums handeln oder aufgrund von Frustration über eine ungenügende Menge an Beute geschehen sein. Sicherlich gab es auch Fälle, wo eine gewisse Schadenfreude der Soldaten motivierend wirkte, der bedrängten Bevölkerung Augen voller Tränen zu hinterlassen. Neben Möbeln und Kochstellen zerschlugen die Soldaten mitunter gerne Fenster und Türen.79 Sie wurden meist zu Brennholz verwendet, die Bronzeund Bleieinfassungen von Fenstern zu Gewehrkugeln gegossen. Natürlich wurde auch nicht verwendbares Geschirr, in den bürgerlichen Kellern Weinund Bierfässer, nachdem sie diese zuvor geleert hatten, mutwillig zerschlaČesáková, S. 56. okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Kašperské Hory [Archiv der Stadt Bergreichenstein], Schriften, Inv. Nr. 5917, Karton N55. 77  Michel Stüeler aus Graupen wies auch auf den Ursprung des Reichtums seines Verwandten hin, des Kupferschmieds Gorge Janich. Kilián (2013a), S. 433. 78  Státní okresní archiv Klatovy [Staatliches Kreisarchiv Klattau], Archiv města Kašperské Hory [Archiv der Stadt Bergreichenstein], Schriften, Inv. Nr. A5, Karton N1 – 9. Mai 1641 Heřman Cíl von Svojšice und Beneš Fremut von Stropčice bezeugen den Zustand der Stadt. 79  Siehe z. B. ebenda, Inv. Nr. 5883, Karton N55 – Die Bergreichensteiner am 15. August 1620 an den Rittmeister Ferdinand Lažanský von Buková. 75  Vgl.

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gen; in den Rathäusern zerstörten die Soldaten manchmal Stadtbücher und Dokumente. Es gibt allerdings auch Fälle, wo die eigenen Bürger und Bauern diese zerstörten, um die Gelegenheit zu nutzten, Aufzeichnungen über alterhergebrachte Abgaben und Lasten zu vernichten. Nach militärischen Heimsuchungen wurde aus einstmals bürgerlichem Wohlstand in vielen Fällen ein bedauernswerter Notstand. Wenn wir das Bisherige zusammenfassen, können wir militärische Aggression gegenüber den Zivilisten als Mord und Totschlag, gesundheitliche Beeinträchtigung und physische Insultation, Vergewaltigung, psychischen Druck in Form von Gewaltandrohung, Erniedrigung und Gewaltangriffe auf ziviles Eigentum in Form von Plünderung, Brandlegung, Raub und Zerstörung von Immobilien und Inventar unterscheiden. Sie wurden natürlich mitunter kombiniert. Die genannten Gewalterscheinungen konnten sowohl von feindlichen, als auch von ‚einheimischen‘ Aggressoren ausgehen. Das Ziel der militärischen Gewalt, die nicht einmal vor brutaler Folter zurückschreckte, war vielfältig. Zu nennen sind in erster Linie der Gewinn an Besitz, der Profit, die Demütigung des Gegners und die Dokumentation der eigenen Macht. Ebenso konnte die Gewalt aber auch zur Durchsetzung politischer und konfessioneller Vorhaben dienen, zur Beschleunigung fiskaler Ansprüche, ebenso wie zum Kompromittieren des Gegners. Praktisch bei allen genannten Kategorien kann zwischen individueller Gewalt und Massengewalt unterschieden werden. Ein zur Gewalt führender Konflikt zwischen Soldaten und städtischer Bevölkerung war in dem explosiven Milieu des Dreißigjährigen Krieges und der sozialen Unsicherheit potentiell immer möglich, ja wahrscheinlich. Besonders wenn der Soldat in die Intimsphäre des bürgerlichen Haushaltes eindrang, der völlig andere Lebenswerte aufwies als er, kam es zu handgreiflichen Konflikten. Zu den auslösenden Mechanismen gehörte nicht selten der Alkohol, der im Übermaß konsumiert wurde oder dringend beschafft werden sollte. Grundsätzlich führte die Notwendigkeit, sich auch außerhalb der vereinbarten Zuteilungen mit Lebensmitteln versorgen zu müssen, zu Konflikten mit den Bürgern. Eine wichtige Rolle spielte die Anonymität der Masse und eine relative Straffreiheit der Soldaten, aber auch die Sprachbarrieren zwischen den Söldnern und den Zivilisten, die zu zahlreichen Missverständnissen führten. Schließlich sei auch nochmals auf das Bedürfnis, Aggressionen und sexuelles Verlangen abzureagieren und Frustrationen zu bewältigen, verwiesen.

Trümmer, Gräber, Schlachtfelder – Ein Blick auf die Archäologie des Dreißigjährigen Krieges Von Arne Homann 1. Einleitung Vierhundert Jahre sind vergangen, seit im Sommer 1618 in Böhmen jene Kette militärischer Auseinandersetzungen ihren Anfang nahm, die später als der Dreißigjährige Krieg bekannt wurde. All die Verwüstungen und Zerstörungen der folgenden drei Dekaden sind später im Laufe der Zeit zum weitaus größten Teil wieder aus dem Blickfeld der Lebenden verschwunden – manche eher, andere später. Wenn überhaupt, dann erinnern heute obertägig in Städten und Dörfern höchstens hier und da noch eine in eine Hauswand eingemauerte Kanonenkugel, ein fehlendes Fragment der Architektur an einer Stadtmauer oder eine Inschrift an einer Kirche an lang vergangenes Kriegsgeschehen. Dort wiederum, wo auf freier Heide einst große Schlachten tobten, sieht das Auge heute mal geschäftiges dörfliches Treiben, oft friedlich-ruhig wirkende Landschaften, teils regelrecht leere Agrarwüsten. In keinem Fall aber ist auch nur annähernd noch visuell erfassbar, welche Dramen sich einst an den zahllosen Schauplätzen der großen Katastrophe abspielten. Ganz anders stellt sich dies aus dem Blickwinkel der Archäologie dar. Für sie zeugen ungezählte Hinterlassenschaften im Boden alter Kulturlandschaften und Städte von den zahlreichen größeren und großen ebenso wie von den zahllosen kleinen und kleinsten Kriegsereignissen der Jahre 1618 bis 1648. Gleich lang schon verheilten, sorgfältig mit vielen Schichten schöner Kleidung bedeckten Narben wurden die Reste zerstörter Gebäude, die Gräber, all die Scherben und Trümmer mit Erde planiert – um dem Wiederaufbau als feste Basis zu dienen. Der folgende Text versucht einen Eindruck von der Vielfalt all jener Spuren zu vermitteln, die der Dreißigjährige Krieg auch im Archiv Boden hinterlassen hat und an denen sich das Geschehen teils bis heute nachvollziehen und auch konkret wieder sichtbar und begreifbar machen lässt. Im Fokus stehen dabei Funde und Befunde der vergangenen etwa vierzig Jahre aus dem heutigen Deutschland. Diese letztere Beschränkung geschieht indes nicht, weil es an entsprechenden Projekten und Resultaten in europäischen

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Nachbarländern mangeln würde.1 Vielmehr ist es so, dass bereits der Blick in den eigenen „Keller“ genügt, um das ganze Spektrum anhand diverser, gleichsam beeindruckender wie erschreckender Beispiele vorzuführen. 2. Zur Archäologie des Dreißigjährigen Krieges Eine archäologische Beschäftigung mit den Hinterlassenschaften des Dreißigjährigen Krieges durch ausgebildete Fachleute fand in Deutschland, wie anderswo in Europa, lange de facto nicht statt – von den berühmten, meist durch Zufallsentdeckungen ausgelösten Einzelfällen einmal ganz abgesehen.2 Dies ist forschungsgeschichtlich bedingt. Die Archäologie der Neuzeit – oder: Neuzeitarchäologie, zu der auch die Beschäftigung mit diesem historischen Phänomen zählt, wurde von der Mehrzahl der Fachleute, die sich infolge ihrer universitären Ausbildung vorwiegend als Vor- und Frühgeschichtler verstanden, lange nicht als ein mögliches sinnhaftes Betätigungsfeld wahrgenommen. Ursprung und Sinn der Archäologie lagen schließlich, und so sahen es viele noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, primär in einer Erforschung der schriftlosen bzw. schriftarmen Zeiten.3 Gerade noch akzeptabel erschien die Beschäftigung mit dem Frühmittelalter. Hinzu kam eine Geschichtswissenschaft, die diese Sichtweise im Wesentlichen unterstützte, indem sie den ja unbestrittenermaßen vorhandenen, oft sogar größeren inhaltlichen Wert der Schrift- und Bildquellen gegenüber den Sachzeugnissen häufig überbetonte. So musste zunächst die Mittelalterarchäologie etabliert werden, damit sich schließlich auch die Neuzeitarchäologie durchsetzen konnte. In die archäologische Erforschung des Dreißigjährigen Krieges kam so erst im späteren 20. Jahrhundert zunehmend Bewegung.4 Während zu man1  Vgl. etwa zu solchen Forschungen in der Tschechischen Republik: Grabolle u. a.; Matoušek. 2  Zu nennen sind besonders die an späterer Stelle vorgestellten Untersuchungen zur Belagerung Heidelbergs 1622. 3  Auf Sonderentwicklungen wie die Provinzialrömische Archäologie wird hier nicht näher eingegangen. 4  Deutlich zeigt sich dies an der Entwicklung bei Ausstellungen zum Dreißigjährigen Krieg: Laut der Kataloge spielten archäologische Funde 1998 in der 26. Europaratsausstellung „1648. Krieg und Frieden in Europa“ (Bußmann/Schilling) noch ebenso wenig eine Rolle wie in dem im selben Jahr eröffneten „Museum des Dreißigjährigen Krieges“ in Wittstock/Dosse (Hinz/Winter). Dagegen wurden im Zuge der Bayerischen Landesausstellung 2003 „Der Winterkönig. Friedrich von der Pfalz“ bereits die Spuren der Belagerung und Zerstörung Heidelbergs 1622 breit thematisiert (Ludwig u. a.). Zwei kleinere lokale Schauen 2007 und 2012 behandelten auch die Untersuchungen bei Lützen (1632) (Reichel/Schuberth; Schuberth/Reichel). Ganz wesentlich fußten dagegen die großen Ausstellungen „1636 – ihre letzte Schlacht“ 2012



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chem Aspekt dieser Zeit, vor allem im Zuge stadtarchäologischer Untersuchungen, nun bereits geforscht wurde, rückten andere Themen erst mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts in den Fokus. Hierzu zählen auch die Schlachtfelder des Dreißigjährigen Krieges. In Deutschland begann ein erstes größeres Projekt im Jahr 2006. Die Schlachtfeldarchäologie ist ein noch junges Forschungsgebiet – und umfasst doch schon ein sehr weites Feld:5 Wie im Falle anderer archäologischer Teildisziplinen, die sich mit grundlegenden Phänomenen menschlicher Kultur beschäftigen – etwa der Siedlungsarchäologie – firmieren unter einem Sammelbegriff zahlreiche Projekte, die einen relativ langen Zeitraum abdecken.6 Zum Teil, und auch dort, wo sie Schauplätze des Dreißigjährigen Krieges erforscht, fällt die Schlachtfeldarchäologie, wie die Archäologie des Dreißigjährigen Krieges insgesamt, in den Bereich der historischen Archäologien. Dies bedeutet, dass hier tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits im Vorfeld von Untersuchungen auf eventuell vorhandene historische Quellen zugreifen. Bei der Zuordnung und Interpretation von bei Ausgrabungen oder Prospektionen gemachten Funden und dokumentierten Befunden wird dann kritisch auf die Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft bzw. die in den historischen Quellen enthaltenen Aussagen zurückgegriffen. Außerdem wird nach Möglichkeit eng mit anderen Nachbarwissenschaften, vor allem mit den Naturwissenschaften, zusammengearbeitet. Durch diese stark interdisziplinäre Arbeit kann es in der Gesamtschau möglich werden, historisch Bekanntes zu bestätigen bzw. um eine greifbare Dimension zu ergänzen – mangels erhaltener Quellen historisch vielleicht nicht ganz sichere Tatbestände archäologisch zu untermau(Eickhoff/Schopper 2012) und „Krieg – eine archäologische Spurensuche“ 2015 (Meller/Schefzik) auf den Resultaten der schlachtfeldarchäologischen Projekte bei Wittstock (1636) bzw. Lützen (1632). 5  Zur Entwicklung der Schlachtfeldarchäologie allgemein vgl. Brock/Homann. Unter den mittlerweile doch zahlreichen wissenschaftlichen Tagungen im In- und Ausland, die sich bisher mit dem Thema befasst haben, ist vor allem die bereits im Jahr 2000 begonnene, laufende „Fields of Conflict“-Reihe relevant. Maßstäbe für den deutschsprachigen Raum setzten der 1. Mitteldeutsche Archäologentag 2008 in Halle (Saale) (Meller) und die Tagung „Schlachtfeld und Massengrab – Spektren interdisziplinärer Auswertung von Orten der Gewalt“ 2011 in Brandenburg an der Havel (Eickhoff/Schopper 2014). 6  Das bisher älteste, in Deutschland archäologisch untersuchte „Schlachtfeld“ stammt aus der Bronzezeit, die jüngsten datieren aus dem Zweiten Weltkrieg. Vgl. ausführlich: Brock/Homann; Meller/Schefzik. Die zur Erforschung dieser, durch den Wandel in Heeresgrößen, Kriegstechnik und Kriegführung insgesamt sehr heterogenen Fundplätze genutzten Methoden sind teils gleich, teils unterscheiden sie sich – etwa in Abhängigkeit von örtlichen Gegebenheiten und der (Nicht-)Verfügbarkeit historischer Quellen. Die Frage nach der Entstehung des Phänomens Krieg – und damit auch der Schlachtfelder als Schauplätze organisierter kriegerischer Gewalt – soll hier, wie die Frage der Anwendbarkeit des Begriffes Schlachtfeldarchäologie auf vorgeschichtliche Fundplätze, nicht diskutiert werden. Vgl. dazu Beiträge in: ebd.

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ern oder zu widerlegen, oder sogar unserem Bild von der Vergangenheit den ein oder anderen ganz neuen Aspekt hinzuzufügen. Es versteht sich von selbst, dass die Archäologie auf einem anderen Feld arbeitet als die Geschichtswissenschaft. Wohl nirgendwo fällt dies so klar ins Auge wie bei den Schlachtfeldern. Es sind die Schauplätze kurzzeitiger, dabei aber großflächiger und massenhafter, organisierter Gewalt und Zerstörung. Hiervon blieb aber nur wenig Fassbares zurück – oft lediglich grob datierbare Gräber sowie Streuungen von Geschossen. Im Fall der Schlachtfelder wüsste man also ohne eine schriftliche Überlieferung und allein anhand der archäologischen Funde in vielen Fällen nicht viel mehr, als dass es sich um Orte massenhafter Gewalt handelt. Das ganze Ausmaß eines Geschehens, seine politischen und gesellschaftlichen Hintergründe und seine Folgen würden weitgehend verborgen bleiben. Und doch öffnet die Archäologie über die kritische Ausei­ nandersetzung mit den materiellen Relikten der Geschichte zahllose neue Fenster in die Vergangenheit. Ihre große Stärke liegt, wie erwähnt, im Hinterfragen und Ergänzen vorhandener historischer Quellen, gegebenenfalls sogar im Hinzufügen ganz neuer Erkenntnisse, etwa dort, wo das geschriebene Wort nicht die (ganze) Wahrheit berichtet oder wo es, weil vernichtet oder nie geschrieben, schweigt. Aus ihren bescheidenen Anfängen heraus hat die Archäologie des Dreißigjährigen Krieges vor allem seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine durchaus rasante Entwicklung genommen. Im vorläufigen Fazit mit Stand 2018 darf – erfreulicherweise – festgehalten werden: In den letzten etwa drei Dekaden sind in Deutschland zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden, die insgesamt wohl sämtliche, heute archäologisch greifbaren Aspekte der Jahre von 1618 bis 1648 abdecken. Erforscht wurden die Überreste ziviler und militärischer Bauten, Gräber, Depots, Schlachtfelder und vieles mehr. So ist eine Fülle zum guten Teil auch interdisziplinär erforschter Funde und Befunde zusammen gekommen, die uns heute tiefgehende archäologische Einblicke in die komplexe und aus gegenwärtiger Sicht zum Teil so anders erscheinende Lebenswelt der Menschen während dieser langen Krisenzeit gestatten. Dieser Beitrag will vor allem Eindrücke vermitteln: Eindrücke von all dem, was moderne Archäologie leisten kann, wenn es darum geht, vergangene Kriegsrealitäten zu rekonstruieren. Der Fokus liegt auf jenen Spuren, die der Dreißigjährige Krieg dort hinterließ, wo er in erster Linie ausgetragen wurde: zu Lande.7 Betrachtet werden: Relikte der Zerstörungen in Städten und Dörfern, Reste von Feldlagern, Schlachtfelder und Gräber. Damit sind aus archäologischer Perspektive die wesentlichsten Aspekte abgedeckt. Der 7  Nicht behandelt werden die Hinterlassenschaften von Kampfhandlungen der Zeit auf dem Wasser.



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Bereich Befestigungswesen wird aus Gründen des Umfangs nur punktuell gestreift.8 Bei alledem kommt den archäologischen Hinterlassenschaften der großen Schlachten und Feldlager eine zentrale Bedeutung zu. Doch bevor dadurch die Söldner und ihr Gefolge, also die – dies darf man wohl so sagen – „Täter“ in den Fokus rücken, soll zunächst die andere große Gruppe von Protagonisten des Konflikts betrachtet werden. Es sind jene, die man, auch wenn die Grenzen bekanntlich teils verschwammen, sicher im Wesentlichen als „Opfer“ bezeichnen kann: die Zivilisten. 3. Der Krieg und die Stadt Die großen Feldschlachten waren ebenso wie die zahllosen kleineren und kleinsten Gefechte der Kriege der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stets in lange und zerstörerische Feldzüge eingebettet. Für damalige Verhältnisse sehr große Heere aus teils mehreren zehntausend Soldaten durchzogen mit riesigen Trossen das Land. Sie lebten aus ihm, bis nichts mehr da war, und ließen immer wieder weite Gebiete vollkommen verwüstet und entvölkert zurück. Eine zentrale Rolle spielten in der damaligen Art der Kriegführung teils lang andauernde Belagerungen befestigter Städte. Diese gingen häufig mit einem großen Maß an Gewalt und Zerstörung einher, vor allem wenn ein Sturmangriff erfolgreich verlief. Nicht zuletzt deshalb haben sie üblicherweise eine große Zahl von Spuren im Boden hinterlassen: vor der Stadt die Feldlager und Schanzen; in der Stadt dagegen Brandhorizonte und Planierschichten, mit Kriegsschutt verfüllte Brunnen, Latrinen und Keller, darin die kläglichen Reste zerstörter, einst prächtig ausgestatteter Haushalte – und auf beiden Seiten Gräber. Im Folgenden wird zunächst ein Blick auf die Situation innerhalb der Mauern geworfen. Über die Archäologie lässt sich unter anderem ein Ereignis fassen, das aufgrund seiner beispiellosen und katastrophalen Ausmaße noch heute überregional bekannt ist: die Zerstörung Magdeburgs (Sachsen-Anhalt) infolge der Erstürmung durch die Kaiserlichen unter Tilly und Pappenheim am 20. Mai 1631. Mit wohl mehr als 20.000 Menschen fiel ein großer Teil der Bewohner der mehrtägigen zügellosen Gewalt der Sieger und den verheerenden Bränden, die die Metropole in Schutt und Asche sinken ließen, zum Opfer. Davon zeugen Reste zerstörter Gebäude ebenso wie das Fragment eines verbrannten menschlichen Unterkiefers und die Überreste der zugrunde gegangenen Werkstatt eines Herstellers von Ofenkacheln. Doch auch die Zeit 8  Vgl. dazu (Auswahl): Biermann u. a.; Biermann/Gebuhr; Brüggemann; SommerScheffler; Hüser.

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danach ist greifbar: Vom langen Wiederaufbau künden mit Schutt abgebrochener Ruinen und zerstörtem Hausrat verfüllte Brunnenschächte und in neuen Bauten wiederverwendete alte, dem Trümmerschutt entnommene Architekturteile.9 Vergleichbare Befunde wurden bei Grabungen in diversen anderen eroberten und (teil-)zerstörten, meist aber deutlich kleineren Städten dokumentiert. Die Ereignisse, auf die sie zurückgehen, wurden zeitgenössisch allerdings weitaus weniger intensiv medial kommuniziert als die schnell berühmt-berüchtigte so genannte „Magdeburger Hochzeit“. Auch deshalb sind diese Katastrophen im Kleinen heute weitgehend vergessen – und in der Regel selbst vielen gegenwärtig an eben diesen Orten lebenden Menschen nicht mehr bekannt. Dessen ungeachtet erlebten die damals Betroffenen das Geschehen ebenso katastrophal wie jene, die in den Strudel des auf europäischer Ebene wahrgenommenen Großereignisses von Magdeburg gerieten. Eine kleine Auswahl weiterer Beispiele wird genügen, um Häufigkeit und Dramatik auch all der kleinen „Hochzeiten“ des großen Krieges zu verdeutlichen. Zu den häufigsten Überresten zählen Brandhorizonte, Reste vernichteter Bauten und die Überreste der Ausstattungen von Haushalten. Fundmaterial aus dem besonders 1631 stark zerstörten Frankfurt an der Oder (Brandenburg) vermittelt einen Eindruck von der Ausstattung zeitgenössischer Haushalte (Abb. 1).10 Hier sind allerdings nur jene Dinge vertreten, die von ihren Besitzern zurückgelassen wurden und anschließend den Plünderern entgingen – etwa, weil man sie schlicht übersah, weil sie nicht (mehr) zu gebrauchen waren oder weil ihr Wert zu gering erschien. Darunter fanden sich kleine, rautenförmige Glasscheiben von bleiverglasten Fenstern. Jedoch fehlten die Ruten aus Blei, die sie einst zum großen Ganzen verbanden. Diesem Material kam in den Wirren der Zeit, ganz im Gegensatz zu seinem heute geringen Wert, tatsächlich große Bedeutung zu: Es war unverzichtbarer und häufig knapper Rohstoff zur Herstellung der Geschosse (Bleikugeln) für die Handfeuerwaffen der Zeit. So ist es durchaus denkbar, dass auch die Frankfurter Bleiruten in den großen Materialkreislauf des Krieges eingingen – und dass ihr Weg vielleicht schließlich auf irgendeinem fernen Schlachtfeld endete. Planiert wurden auch Teile von Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) infolge der Beschießung durch die Kaiserlichen 1637. Am Pferdemarkt brach man die Ruinen zahlreicher Häuser ab und verfüllte Latrinen und Keller mit Trümmerschutt. Es entstand eine weite Brachfläche. In den Boden gelangten bei diesen Arbeiten, neben zahlreichen zivil genutzten Gegenständen, unter 9  Vgl.

Grothe u. a., S. 451–452. Eickhoff/Schopper (2012), S. 36–37.

10  Vgl.



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Abb. 1: Überreste der Ausstattung eines Haushalts aus Frankfurt (Oder): Eine Schale aus bemalter Irdenware, diverse Fragmente gläserner Becher und Pokale, ein Messer und eine rhombische Scherbe von einem bleiverglasten Fenster, rechts eine vermutlich als Artilleriegeschoss genutzte Steinkugel. (Bildnachweis: „Keramikensemble, Frankfurt (Oder)“. © Detlef Sommer, BLDAM)

anderem Teile von Waffen und militärischer Ausrüstung sowie eiserne Artilleriegeschosse.11 Aus Heidelberg (Baden-Württemberg) sind zahlreiche Funde bekannt, die auf die Belagerung und Plünderung der Residenzstadt durch Tilly 1622 zurückgeführt werden.12 Neben mit Schutt und Resten, teils einst hochqualitativen Hausrats, verfüllten Kellern und Latrinen fanden sich einige Objekte, die aus dem üblichen Fundspektrum herausstachen. So enthielt eine der Fäkalgruben eine leere eiserne Geldkassette. Man hatte sie aufgebrochen und dabei mit Bleikugeln beschossen.13 Ganz andere, ebenfalls einzigartige Ergebnisse erbrachte in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) die Ausgrabung14 der Trümmer eines nicht wieder aufgebauten Anbaus, wohl die Sakristei, der Marienkirche. Diese war Fries (2009), S. 144–145, 162–163, 165. Ludwig u. a., S. 138–140. 13  Vgl. ebd., S. 139. 14  Vgl. Adler/Ansorge. 11  Vgl.

12  Vgl.

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während der mehrtägigen Zerstörung – und praktischen Vernichtung15 – der Stadt und ihrer Bevölkerung durch kaiserliche Truppen 1630 ausgebrannt. Im Brandschutt lagen ca. 100 bis 110 teils stark beschädigte Kupfermünzen, die als ehemaliger Inhalt eines Kollekten-Kastens erklärt werden können.16 Daneben fanden sich auch einige Dutzend, zum Teil verschmolzene Verschlüsse und Beschläge von Büchern – darunter Stücke, bei denen es sich wohl um die letzten Fragmente einer einst infolge der Reformation in die Kirche verbrachten Klosterbibliothek handelt.17 Nicht mehr zu klären dürfte dagegen sein, ob ein an anderer Stelle in der Stadt aus einem verfüllten Graben geborgener Degen der Zeit um 1620 / 30 ebenfalls im Jahr der Katstrophe in den Boden kam.18 Weitere, über das Fundmaterial meist gut datierbare Spuren von Verwüstungen und Bränden, die bei Belagerungen, Plünderungen und Zerstörungen kleinerer Städte und größerer Ansiedlungen entstanden, sind etwa aus Bremervörde19 (Niedersachsen), Barntrup20 und Soest21 (Nordrhein-Westfalen), Pasewalk22, Laage23 und Plau am See24 (Mecklenburg-Vorpommern) bekannt. Es ist eine Liste, die sich schier endlos und für weite Teile Deutschlands weiterführen ließe. Die menschlichen Opfer der massiven Gewalthandlungen bei Erstürmungen und Plünderungen von Städten wurden offenbar meist, wie auch auf dem Schlachtfeld üblich, aus praktischen Gründen ebenso wie aus der reinen Not heraus in Massengräbern verscharrt. Entsprechende Befunde konnten bisher jedoch erst in geringer Zahl archäologisch dokumentiert werden. In Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) wurde 1991 ein Massengrab entdeckt, das Gebeine von mindestens 13 Männern enthielt. Die Knochen weisen Spuren schwerster Verletzungen auf, die auch von Blank- und Schusswaffen verursacht worden waren. Vermutlich handelt es sich um Kämpfer, die bei der Erstürmung der Stadt im Jahr 1631 durch Kaiserliche

15  Allgemein zur Vernichtung Pasewalks vgl. etwa: Schäfer, S. 203–204; Brüggemann, S. 434–435. 16  Vgl. Krüger, S. 581–582; Adler/Ansorge, S. 155; Schäfer, S. 204. 17  Vgl. Adler/Ansorge, S. 156; Schäfer, S. 204. 18  Vgl. Brüggemann, S. 433–434. 19  Vgl. Bachmann; Scherf. 20  Vgl. Hohenschwert. 21  Vgl. Heinze. 22  Vgl. Hoffmann, S. 182; Fries (2009), S. 144–145, 162–163, 165; Brüggemann, S. 433–435; Fries/Zach-Obmann. 23  Vgl. Konczak, S. 165. 24  Vgl. Jänicke, S. 180.



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unter Tilly zu Tode kamen.25 Auf welcher Seite sie standen, ist allerdings unbekannt. Ebenso unklar ist, ob in einem 1985 untersuchten Massengrab in Höchstadt an der Aisch (Bayern) Angreifer und / oder Verteidiger begraben wurden. Sicher ist aber, dass die etwa 30 Personen entweder bei oder infolge der Erstürmung der Stadt durch die Schweden und ihre Verbündeten 1633 und den darauf folgenden Gräueln an Garnison und Zivilbevölkerung zu Tode kamen.26 Das zeigen vor allem bei den Knochen gefundene Münzen, deren jüngste von 1628 stammt. Nur allgemein in die Zeit von 1618 bis 1648 kann dagegen mancher schlecht dokumentierte Altfund gestellt werden – wie drei Schädel mit Schuss-, Hieb- und Stichverletzung aus Bremervörde (Niedersachsen).27 Das Sterben endete bekanntlich nie automatisch mit dem letzten Schuss. Ganz im Gegenteil zogen häufig Seuchen mit den Heeren durch das Land. Besonders in erstürmten Städten waren die oft schwer durch Gewalt geschädigten, schlimmsten Mangel leidenden, zwischen Leichen und Kadavern (über-)lebenden Menschen dieser Gefahr praktisch schutzlos ausgesetzt. Gab es dann keine regulären Bestattungsplätze mehr bzw. waren sie schwer erreichbar, kam es zu Notbestattungen – wie im 1630 durch Kaiserliche eroberten und danach in Brand gesetzten Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern). Bei Ausgrabungen fanden sich irregulär in den Ruinen von Rathaus und Markthalle beigesetzte Tote.28 Organisierter ging man 1638 in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) vor. Dort herrschten infolge der Belagerung des Vorjahres nun Seuchen, an denen nach und nach wohl zwei Drittel der Stadtbevölkerung starben. Auf dem bei der Beschießung 1637 zerstörten und dann planierten Gelände am Pferdemarkt wurde daher ein großer Notfriedhof angelegt.29 Die meisten der 303 Gräber ordnete man in grob von Südwest nach Nordost verlaufende Reihen an. Diese Ordnung löste sich jedoch stellenweise völlig auf. Diverse Bestattungen erfolgten nachlässig; einige wurden in Kellern planierter Gebäude angelegt. Manche Grablege weicht ganz von der damals gültigen Norm ab: Anstatt wie üblich von West nach Ost, waren ­einige Gräber fast von Nord nach Süd ausgerichtet. Zwei Kinder hatte man gemeinsam in einer mit einem Kastenschloss versehenen Holztruhe begraben. Schwierig ist es, jene zu greifen, in denen man die „Täter“ des Krieges zu sehen hat. Im Tod sind sie nur schwer oder auch gar nicht mehr von denen Jungklaus/Prehn. Plum (2012a), S. 393–396; ders. (2012b). 27  Vgl. Hesse/Grefen-Peters. 28  Vgl. Hoffmann, 182. 29  Vgl. Fries (1996); ders. (2009), S. 145, 148, 151–152. 25  Vgl. 26  Vgl.

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zu unterscheiden, die unter ihnen zu leiden hatten. Ein Einzelfall, in dem dies wahrscheinlich möglich ist, stammt aus Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern). Bei Grabungen auf dem Friedhof der Jacobikirche fand sich das Skelett eines Mannes, dem man drei auf ca. 1620 bis 1630 datierte Tonpfeifen und einen katholischen Rosenkranz mitgegeben hatte. Das Gebiet war zeitgenössisch jedoch protestantisch, weshalb angenommen wird, dass dieser Tote einer jener zeitweilig mehr als 2000 fremden kaiserlichen Söldner war, die die Stadt von 1627 bis 1631 besetzt hielten.30 Ungeklärt ist jedoch, woher er kam und wann und woran er starb. Zwar nicht aus dem Inneren einer Stadt, dafür allerdings aus ihrem unmittelbaren Vorfeld kommt ein absoluter Ausnahmebefund. Er stammt von der – erfolglosen – Belagerung Stralsunds (Mecklenburg-Vorpommern) durch Truppen Wallensteins 1628.31 Am Boden eines Laufgrabens lagen die Skelette zweier Männer, Kopf an Schulter und auf den Bäuchen, der linke Arm des einen unter dem Oberkörper des anderen (Abb. 2). Ihre Knochen weisen verschiedene Verletzungen auf. Eine aufgrund ihrer Größe wohl aus einer Pistole verschossene Bleikugel im Brustkorb des ersten Toten sowie eine vermutlich von der Spitze einer Pike verursachte Stichverletzung an einem der Brustwirbel des zweiten Toten zeigen die wahrscheinlichen Todesursachen der beiden auf. Teile ihrer Schuhe und geringe Reste der übrigen Bekleidung haben sich ebenso erhalten wie wenig persönlicher Besitz. Nahe der Skelette und um sie herum lagen zudem unter anderem sieben Blankwaffen, sieben Stangenwaffen, zu denen auch ein Morgenstern zählt, zwei praktisch komplette Handfeuerwaffen (Musketen) und diverse Bleikugeln. Vermutet wird, dass die beiden 1628 im Zuge einer von zwei größeren, historisch überlieferten Kampfhandlungen den Tod fanden. Ob es sich bei ihnen um Belagerer oder Belagerte handelte oder ob sie zu unterschiedlichen Lagern gehörten, ist bislang aber ebenso unbeantwortet wie die Frage, warum niemand die zahlreichen Waffen aus dem Graben barg. Dass er in diesem Zustand verschüttet wurde, ist jedenfalls ein seltener Glücksfall für die Archäologie. So erhielt sich eine dramatische Momentaufnahme, die unmittelbar und ohne jede propagandistische Beschönigung die Härte und die Folgen des Belagerungskrieges vor Augen führt.

Ansorge, S. 188–193. Konze/Samariter, S. 208–216; daneben kamen im Umfeld weitere menschliche Überreste und Relikte der Belagerung zu Tage, vgl. ebd., S. 204–205; Vgl. weiter: Brinker u. a.; Vogel u. a. 30  Vgl. 31  Vgl.



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Abb. 2: Der Laufgraben von der Belagerung Stralsunds durch Truppen Wallensteins 1628, Blick nach Osten. Am Boden die bäuchlings, jeweils Kopf an Schulter liegenden Skelette zweier Männer. Weiterhin sind unter anderem mehrere Blank- und Stangenwaffen, darunter ein Morgenstern, zu erkennen. (Bildnachweis: „Hansestadt Stralsund. Im Laufgraben verschüttete Söldner“. © Renate Samariter, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern – Landesarchäologie)

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4. Der Krieg auf dem Land Auch im ländlichen Raum haben die zerstörerischen Bewegungen der Heere Spuren hinterlassen. Immer wieder, jedoch bisher nicht im gleichen Maße wie in den besser erforschten Städten, sieht sich die Archäologie hier mit Zeugnissen von Verwüstung und Krise konfrontiert. Vor allem von zeitgenössisch besonders lohnenden bzw. strategisch bedeutenden Zielen wie Klöstern und Burgen sind Spuren großer Brände und Zerstörungen bekannt.32 Bislang singulär ist der archäologische Nachweis von Kampfhandlungen um eine Waldglashütte bei Grünenplan (Niedersachsen).33 Während Städte, größere Ansiedlungen und Wirtschaftsbetriebe in der Neuzeit nach einer kriegerischen Zerstörung in aller Regel wieder aufgebaut wurden, führte diese bei kleinen Dörfern und Weilern, ebenso wie ein Aussterben der Bevölkerung durch kriegsbedingte Seuchen und / oder Hungersnöte, gelegentlich zu ihrer kompletten Aufgabe, zum Wüstfallen. Ein solcher Fall liegt wahrscheinlich mit der Ortswüstung Goldberg bei Lödderitz (Sachsen-Anhalt) vor. Das umfangreiche Fundmaterial datiert den nur teilweise ausgegrabenen Fundplatz vom 13. bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Vor allem eine starke Brandschicht deutet an, dass die mit Wall und Graben gesicherte Anlage wohl ein gewaltsames Ende im Dreißigjährigen Krieg nahm.34 Bislang noch nicht durch eine Ausgrabung untersucht, wurde eine weitere Ortswüstung nahe Anklam (Mecklenburg-Vorpommern).35 Lokalisiert wurde sie mittels einer systematischen Kartierung von mit Metallsuchgeräten gemachten Oberflächenfunden. Schriftquellen und Fundkonzentrationen deuten auf drei Gehöfte hin. Das Material enthält sowohl Gegenstände ziviler Nutzung als auch gemeinhin mit einer Anwesenheit von Militär assoziierte Objekte. Darunter sind eine Musketengabel, zwei Eisenspitzen von Piken, ein Degenknauf, ein Kugelzieher, Bleikugeln für Handfeuerwaffen und eine Kanonenkugel. Angesichts des Münzspektrums und der Verteilung der Münzen wird eine Zerstörung bzw. Aufgabe des Ortes nach / um 1625 vermutet. Leid, Not und Tod der Landbevölkerung spiegeln sich, wie bei allen Menschen, in den Knochen wider. Sie zeigen Spuren von Stress, Krankheiten, 32  Auch hier ist die Liste entsprechender Funde lang. Das ganze Spektrum der Zerstörungen kann nur angerissen werden. Für verschiedene Beispiele vgl. Hesse, S. 344–345; Kollmann (2005); Platz, S. 205. 33  Vgl. Leiber, S. 284–288. 34  Vgl. Paddenberg. 35  Freundliche Auskunft Dr. C. Michael Schirren, LAKD MV, 10.07.2017. Der Fundplatz (Jargelin Fpl. 2, Ldkr. Vorpommern-Greifswald) ist noch nicht umfassend publiziert. Vgl. Schirren (2010); Konze/Samariter, S. 228.



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Hunger oder Verletzungen, selbst wenn es sich um Personen handelt, die „ordentlich“ und auf einem regulären Friedhof bestattet wurden. Von der Auflösung sozialer Strukturen und wohl auch von Durchzügen Ortsfremder künden dagegen, wie in den Städten, Bestattungen außerhalb der üblichen Gräberfelder. Manchmal zeugen Beigaben und eine sorgfältige Beisetzung von einer Wertschätzung solcher Toter, wie etwa bei einem Grab aus Karstädt-Postlin (Mecklenburg-Vorpommern). In ihm fand sich, am Rand der Dorfstraße und abseits des modernen Friedhofs, das ordentlich in gestreckter Rückenlage liegende, Nord-Süd ausgerichtete Skelett eines ca. 40 bis 50-jährigen Mannes. Bei ihm lagen unter anderem: die Beschläge eines vergangenen Kästchens, der Einsatz (Drehküken) eines Zapfhahns, sechs Löffel, jeweils aus einer Kupferlegierung, und neun kleine Silbermünzen mit der Schlussmünze von 1625.36 Wer er war und woher er kam, das verraten diese Objekte, wie bei dem vermutlichen katholischen Söldner aus Greifswald, indes nicht. Ganz allgemein bleiben in so manch derartigem Fall nur Spekulationen über die mögliche Hintergründe seiner Entstehung, etwa bei einem Skelett aus Holleben (Sachsen-Anhalt).37 Es war ebenfalls Nord-Süd ausgerichtet und außerhalb des Friedhofes verscharrt worden. Allerdings lag es mit dem Gesicht nach unten und der Schädel zeigte zwei als Verletzungen interpretierte Schäden. Ein kleiner Münzschatz mit auf 1629 datierter Schlussmünze lag neben dem Kopf. In der Literatur findet sich die Ansprache als „Landsknecht“ oder „Soldat“.38 Anhand des Befundes dürfte dies aber wohl nur schwer zu belegen sein. Noch problematischer ist es, wenn datierende Funde fast bzw. komplett fehlen39, denn auch die Archäologie kennt Grenzen. 5. Verborgene Dinge – Schätze und Depots Eine besondere Gruppe archäologischer Funde sind Anhäufungen von Dingen, die von ihren Besitzern einst versteckt, aber nicht mehr geborgen wurden. Sie finden sich in Städten ebenso wie im ländlichen Raum, meist zufällig und nur selten im Zuge archäologischer Ausgrabungen40, öfter etwa bei Erd- und Bauarbeiten. Umfang, Zusammensetzung und Wert dieser Schätze bzw. Depots variieren stark, auch abhängig von dem, was für die Lüders. Das Fundmaterial ist dort zum Teil falsch identifiziert. Mertens, S. 35–37. 38  Vgl. ebd., S. 37; Puhle, S. 185; Dräger, Abb. 2 auf S. 478. 39  Wie im Fall eines ohne Beigaben vergrabenen Skeletts nahe Nienburg (SachsenAnhalt). Etwa 2,5 Meter davon entfernt lag ein Pferdeskelett mit einem Tonpfeifenrest. Für einen Deutungsvorschlag vgl. Fahr. 40  Vgl. etwa Fürstenberg, wohl nach 1633 (Poremba); Anklam, wohl nach 1629 (Fries [2009], S. 167–188). 36  Vgl. 37  Vgl.

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verbergenden Personen gerade individuell einen besonderen Wert besaß. So kann ein Schatz schon aus nur drei zusammen gefundenen Münzen be­ stehen, aber auch relativ große Mengen Geld und wertvollen Schmuck umfassen. Kleidung, Haushaltsgerät, Lebensmittel und andere, auf den ersten Blick wohl eher unspektakulär wirkende Dinge wurden in Krisenzeiten ebenso verborgen – eben alles, was man als wertvoll empfand und vor unbefugtem Zugriff schützen wollte.41 Geld und Gut wurden im Erdboden vergraben, in Gewässern versenkt und in Mauernischen verborgen. Die Antriebe dafür waren vielgestaltig: Auch im Frieden, in guten Tagen, versteckte man seinen Besitz. Allerdings geschah dies in Krisenzeiten wohl gehäuft. Auf jeden Fall wurden auffallend viele Schätze und Depots, für die ein solcher Kontext anzunehmen ist, nicht mehr geborgen. Dies zeigen etwa zahlreiche, mit Kriegen des 17. Jahrhunderts verbundene Funde aus Dänemark.42 Die Frage, warum wertvolle Dinge versteckt blieben, muss ohnehin meist unbeantwortet bleiben, denn ihre ehemaligen Besitzer sind fast nie ermittelbar. Dass die Ursache oft deren Tod infolge von Kriegseinwirkung war, etwa durch Gewalt, Hunger oder Seuchen, ist für jene Schätze und Depots, die man im Dreißigjährigen Krieg verbarg, allerdings begründet anzunehmen.43 So deuten diese visuell beeindruckenden Funde auch indirekt menschliche Schicksale an. Natürlich stechen wertvolle Schätze mit prächtigem Schmuck und Münzen44 aus Edelmetallen hervor. Für die Archäologie sind allerdings auch anders zusammengesetzte Depots mindestens ebenso interessant, denn sie erlauben rare Blicke auf vergangenes Alltagsleben. Ein Beispiel ist der Fund von Gützkow (Mecklenburg-Vorpommern):45 Bei einer archäologischen Untersuchung fanden sich in einem heute verlandeten Mühlenteich sieben zusammen und teils ineinander stehende Metallgefäße: zwei große Kessel aus Kupferblech, drei kleinere Gefäße aus Messingblech sowie zwei Grapen aus Zinnbronze (Abb. 3). Es handelt sich wohl um den metallenen Teil der Gefäßausstattung der Küche eines Haushalts. Ob er 1627 vor durchziehenden Kaiserlichen oder zu einem späteren Zeitpunkt versteckt wurde, ist aber unklar. Ein zweiter Depotfund stammt aus der Torfschicht eines verlandeten natürlichen Sees bei Behren-Lübchin (Mecklenburg-Vorpommern):46 Zwei Thema vgl. etwa: Eickhoff/Schopper (2012), S. 36–41. Lindahl. 43  Besonders augenfällig ist dies bei dem wohl als Diebesgut anzusehenden, im Keller eines zerstörten Hauses versteckten, großen Schatzfund von Anklam (zerstört 1637). Vgl. Fries (2009), S. 170. 44  Für Funde aus Mecklenburg-Vorpommern vgl. mit weiterer Literatur: Konze/ Samariter, S. 224–228. 45  Vgl. Schirren (2015). 46  Vgl. Kruse. 41  Zum 42  Vgl.



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Abb. 3: Depotfund von Gützkow (Mecklenburg Vorpommern): Zwei Kessel aus Kupferblech mit ca. 50 cm Durchmesser und etwa 60 Liter Fassungsvermögem, drei kleinere Gefäße aus Messingblech mit 6 bis 8 Liter Fassungsvermögen und zwei Grapen aus Zinnbronze mit je drei Beinen. Die Henkel wurden aus Eisen geschmiedet. (Bildnachweis: „Gützkow, Ldkr. VorpommernGreifswald, Fpl. 58. Gefäßensemble“. © C. Michael Schirren, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern – Landesarchäologie)

mittelgroße, ineinander gestellte Kupferkessel enthielten 28 Teller und 18 Schüsseln aus Zinn. Mehrere der Stücke zeigen die Namen ehemaliger Besitzer. Die jüngsten Herstellerzeichen stammen von 1622. Auch aufgrund der Vielfalt unterschiedlicher Namen ist nur zu vermuten, auf welchen Wegen das teure Gut einst erst zusammen und dann ins Wasser kam. Vielleicht besteht ein Zusammenhang mit regionalem Kriegsgeschehen von 1637, dem Jahr der Zerstörung Anklams.47 6. Feldlager und Feldbefestigungen Wann immer jene durchs Land ziehenden Heere, vor denen die Menschen Hab und Gut verbargen, ihren Weg unterbrachen, entstanden zwangsläufig 47  Vgl. ebd., S. 178–179. Für ein drittes Depot metallenen Küchengeräts aus einem weiteren verlandeten See bei Großziethen in der Uckermark (Brandenburg) vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 37. Zu einem vierten Fund vgl. ebd., S. 38.

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Feldlager.48 Diese Orte sind ein ganz eigenes archäologisches Forschungsfeld, das aufs engste mit der Schlachtfeldarchäologie verbunden ist. Denn Feldlager gewähren wertvolle Einblicke in Alltag, Leben und Tod sowie die materielle Kultur von Söldnern und Trossangehörigen abseits der Kampfplätze. Damit erlauben sie Vergleiche mit dem auf Schlachtfeldern geborgenen Fundmaterial und den dort angetroffenen menschlichen Überresten und helfen dabei, beides zu identifizieren und einzuordnen. Bei kürzeren Aufenthalten hatten Feldlager einen eher flüchtigen Charakter. Es waren Anhäufungen zahlloser Zelte mit dabei stehenden Wagen samt Tieren. Eventuell am Standort vorhandene zivile Gebäude wurden ebenfalls genutzt – sie genügten jedoch immer nur für den geringsten Teil der samt Tross schnell mehrere zehntausend Personen umfassenden Heere. Feste Bauten blieben aber, außer bei überreichem Angebot, meist wohl ohnehin hohen und höchsten Offizieren vorbehalten. Wenn möglich, lagerte man, auch zugunsten der einfacheren Versorgung, bei größeren Siedlungen oder Städten. Einen anderen Charakter nahmen Feldlager an, wenn mit feindlichen Angriffen zu rechnen war oder wenn sie für einen längeren Zeitraum errichtet wurden – etwa bei Belagerungen oder über den Winter, wenn der Krieg weitgehend ruhte. Diese monatelang bestehenden Zeltstädte mit einem Netz von Wegen, Kochplätzen, Latrinen usw. bedeckten leicht mehrere Quadratkilometer Fläche. Sie waren oft deutlich größer als jene Städte, in deren Nähe sie lagen. Im Zentrum befand sich meist der besonders gesicherte Komplex des Feldherrn. Das Ganze umgaben ausgedehnte Erdwallanlagen mit zahlreichen Bastionen, Palisaden und tiefen Gräben. Hinzu kamen Brückenköpfe und vor allem bei Belagerungen vorgeschobene Geschützstellungen.49 Ein bekanntes Beispiel ist das stark befestigte schwedische Lager von 1631 bei Werben an der Elbe (Sachsen-Anhalt).50 Gewaltige Dimensionen erreichten auch die beiden 1644 von Schweden und Kaiserlichen in direkter Nachbarschaft auf gegenüberliegenden Ufern der Saale angelegten Lagerkomplexe bei Bernburg (SachsenAnhalt).51 Bekannt sind heute in aller Regel nur noch die ehemaligen Standorte solch besonders großer, länger genutzter Feldlager, vor allem wenn sie zeitgenössisch im Bild festgehalten wurden.52 Obertägig haben sich oft lediglich in bewaldeten Gebieten Reste von Wällen und Gräben erhalten.53 Auf beackerten Flächen sind auch sie meist lange verschwunden, nur gelegentlich zeigen sich dann noch im Luftbild Strukturen.54 allgemein: ebd., S. 97–102; Straßburger, S. 157–165; Grothe. Thema Feldbefestigungen vgl. auch allgemein: Jenisch, S. 168–169. 50  Vgl. Gebuhr/Biermann; Klamm/Stahl. 51  Vgl. Fahr u. a. (2015). 52  Wie auch die hier genannten Beispiele. Vgl. auch etwa: Kerscher (1994); ders. (2005). 53  Vgl. etwa: ders. (1994); Straßburger, S. 147–152. 48  Vgl.

49  Zum



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Bisher wurden nur wenige Feldlager umfangreicher archäologisch untersucht. Zu erwähnen ist, auch als frühes Beispiel für die Archäologie des Dreißigjährigen Krieges, ein von 1962 bis 1984 bei Heidelberg (BadenWürttemberg) geborgener, als „Tilly-Fund“ bezeichneter Fundkomplex.55 Er umfasst mehr als dreitausend Objekte, darunter große Teile von Waffen, Munition, Münzen, Keramik und verschiedenste Alltagsgegenstände. Sie wurden, auch mit Metallsuchgeräten, im Bereich von bei der Belagerung 1622 um die Stadt herum angelegten Schanzen geborgen und daher mit diesem Ereignis assoziiert. Von 2007 bis 2011 erfolgte eine Neuordnung und Bestimmung des Materials.56 Zudem dokumentierte man erkennbare Reste der Feldbefestigungen im Gelände. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass Heidelberg allein im Dreißigjährigen Krieg vier Belagerungen erlebte. Dementsprechend muss die traditionelle, auf das Geschehen von 1622 fixierte Zuordnung des Komplexes kritisch hinterfragt werden. Die Lager bzw. Schanzen um Heidelberg und der „Tilly-Fund“ sind gute Beispiele dafür, wie komplex sich die archäologische Untersuchung solcher Plätze gestalten kann, wenn sich dort zu verschiedenen Gelegenheiten Heere aufhielten.57 Ganz anders stellt sich die Situation bei nur einmal genutzten Lagerplätzen dar. Großflächig ausgegraben wurden Teile des schwedischen Lagers von 1644 bei Latdorf nahe Bernburg (Sachsen-Anhalt).58 Unter anderem konnten auf fast 550 Metern Länge Reste der Lagerbefestigung in Form eines Grabenabschnitts und einer Bastion dokumentiert werden. Dies erlaubte eine genauere Verortung des Gesamtkomplexes, als es zuvor durch die wenigen vorhandenen zeitgenössischen grafischen Darstellungen möglich war. Im Inneren des Lagers fanden sich Reste von Behausungen, Werkstätten, Brunnen und Öfen. Dabei offenbarte sich gelegentlich der Luxus der höheren Ränge. In einem Grubenhaus kamen Ofenkacheln zu Tage. Vermutet wird, dass ein anderswo erbeuteter Kachelofen im Lager aufgebaut wurde. Doch solcher Komfort war eine Ausnahme. Die große Masse der Menschen und Tiere lebte und starb im Krieg bekanntlich unter miserablen Bedingungen. Davon zeugten in Latdorf 17 innerhalb der Befestigung entdeckte Gräber. Die in ihnen bestatteten 21 Toten starben größtenteils jung und wohl an Seuchen, die vier jüngsten wurden nur 11 bis 15 Jahre alt. Im Befestigungsgraben fanden sich die Skelette mehrerer Pferde. Die Kadaver der verendeten Tiere 54  Eine über Luftbilder lokalisierte quadratische Anlage bei Niedernjesa (Niedersachsen) wurde als das Feldlager Christians von Braunschweig-Wolfenbüttel von 1623 gedeutet (Grote). Eine Bestätigung durch weitere Untersuchungen steht bislang aber noch aus. Freundliche Mitteilung Dr. Klaus Grote, 14.08.2017. 55  Vgl. Benner; Ludwig u. a. 56  Vgl. Straßburger. 57  Vgl. dazu ausführlich: ebd., vor allem S. 162–163. 58  Vgl. Fahr u. a. (2009); dies. (2015).

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verscharrte möglicherweise erst nach dem Abzug der Schweden die ortsansässige Bevölkerung. Wahrscheinlich auch im Zusammenhang mit Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges stehen mehrere als Kochstellen gedeutete Gruben mit durch Hitzeeinwirkung verziegelten Wänden bei Sarstedt (Niedersachsen).59 Sie ent­hielten eine Münze des 17. Jahrhunderts, eiserne Nägel und Türangeln sowie Scherben von Keramikgefäßen und Reste von Tonpfeifen. Eine größere Abfallgrube enthielt neben Eisenobjekten, Keramik und dem Fragment eines Tonpfeifenstiels den Schädel und die Hinterhand eines Pferdes. Vermutet wird, dass am Ort Truppen lagerten – vielleicht nach einem Gefecht von 1634. Das Tier wurde geschlachtet und in den Kochstellen verfeuerte man auch aus dem nahen Ort geholte hölzerne Gegenstände samt Eisenteilen. Wahrscheinlich im selben Jahr 1634, im Zuge der schwedischen Belagerung von Minden, entstanden mehrere Abfall- und Feuerungsgruben bei Porta Westfalica-Barkhausen (Nordrhein-Westfalen).60 Letztere zeigten ebenfalls Anzeichen starker Hitzeeinwirkung. Die Füllungen enthielten Eisen­ objekte, Knochenfragmente, Keramik, Reste von Tonpfeifen und Holzkohlen. Eine Zuordnung gelang über eine Münze von 1625 aus einer Abfallgrube. Mit dem Metallsuchgerät wurden in der obersten Erdschicht des Fundplatzes zahlreiche weitere Objekte geborgen. Neben mehreren Münzen, die jüngste geprägt 1631, untermauern 225 Bleikugeln für Handfeuerwaffen und die Fragmente von zwei Radsporen die Datierung und den militärischen Charakter des Platzes. Immer wieder, das zeigen besonders die Funde von Heidelberg, blieben an solchen Orten beim Abmarsch eines Heeres selbst hochwertige und größere Objekte in gewisser Zahl zurück. In aller Regel wurde das zurückgebliebene Brauchbare zum Großteil abgesammelt und wiederverwertet. Ein Fall, in dem dies nicht umfassend geschah, liegt im Waldgebiet „Benz“ bei Malchin (Mecklenburg-Vorpommern) vor.61 Hier konnte ein Feldlager nur über Streuungen von Funden lokalisiert werden. Insgesamt kamen mehrere hundert Objekte zu Tage. Sie lagen in fünf Bereichen konzentriert. Es handelt sich überwiegend um metallene Gegenstände und wenig Keramik. Auffällig sind große Teile von Waffen (Läufe von Handfeuerwaffen, Schlossteile) und Reitausrüstung (Steigbügel, Sporen, eine Kandare, Hufeisen). Hinzu kommen unter anderem Teile von Wagen und Rädern, Werkzeuge und kleinere Objekte wie Zapfhähne, Schnallen und Münzen. Die Fundstreuungen werden als Relikte eines großen kaiserlichen Feldlagers von 1639 gedeutet. Cosack. Best. 61  Vgl. Schoknecht (2006); Eickhoff/Schopper (2012), S. 69–71. 59  Vgl. 60  Vgl.



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Bei alledem ist zu bedenken, dass viele der Gegenstände, die sich an solchen ehemaligen Lagerplätzen finden, dorthin als Ergebnisse all jener Plünderungen und Gewalttaten kamen, unter denen die Zivilbevölkerung permanent litt, wenn sich in ihrer Nähe Truppen aufhielten. Insbesondere nach der erfolgreichen Eroberung von Städten dürften die Feldlager der Sieger vor Beute, auch an Menschen, für die man etwa Lösegeld nahm, regelrecht übergequollen sein. Dort wurde das Raubgut gesammelt, geteilt, aufgebraucht oder verhandelt. Hierhin wanderte Jenes, was nicht zerstört, übersehen oder zu gut versteckt worden war – all das, was heute im archäologischen Fundmaterial der geplünderten und zerstörten Städte und Dörfer fehlt. Gelegentlich kommen Objekte zu Tage, die sehr wahrscheinlich als Beutegut identifiziert werden können. Einige davon stehen im Zusammenhang mit der Produktion von Bleikugeln für Handfeuerwaffen: etwa eine nur 7 cm hohe, teils zerhackte Metallfigur von Barkhausen62 oder bleierne Einfassungen von Fensterglas aus Latdorf, teils noch mit anhängenden Scherben63 – Funde, die unweigerlich an die losen Glasscheiben von Frankfurt erinnern. 7. Orte des Todes – Schlachtfelder Große Feldschlachten blieben auch während des Dreißigjährigen Krieges eher selten. Oft wich ein Heer dem anderen aus oder die Feldherren belauerten sich gegenseitig in der Hoffnung, Ort und Zeitpunkt des Kampfes zum eigenen Vorteil beeinflussen zu können. Den Alltag bestimmten dann kleine Scharmützel zwischen Vorhuten und Streiftrupps, nur gelegentlich stießen größere Verbände im Gefecht aufeinander. Kam es tatsächlich zur Schlacht, so übertrafen diese Großereignisse in aller Regel und in vielerlei Hinsicht alle übrigen Arten von Kriegshandlungen. Obwohl sie stets nur kurze Zeit andauerten, gingen mit ihnen Maxima an Gewalt, Leid und großflächiger Zerstörung einher. Paradoxerweise hinterließen jedoch selbst die größten Schlachten dieser Zeit stets nur eher wenige größere Spuren im Boden, die sich sinnvoll mittels einer Ausgrabung fassen lassen. Zwar gibt es Gräber von Menschen und Tieren, teils auch Reste von Feldbefestigungen.64 Die wissenschaftlich vielleicht bedeutendsten, sicher aber in ihrer Zahl umfangreichsten Relikte des Kampfes liegen allerdings in der obersten, meist vom Pflug durchmischten Erdschicht. Es sind ungezählte kleine Objekte aus Metall: Knöpfe, Münzen, Best, S. 155. Fahr u. a. (2009), S. 158. 64  Zu Feldbefestigungen aus der Schlacht bei Nördlingen (1634) vgl. Engerisser   Hrnčřík, S. 177–184. Vgl. auch Beispiele aus der Tschechischen Republik bei: Grabolle u. a.; Matoušek. 62  Vgl. 63  Vgl.

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Waffenteile und vor allem Bleikugeln für Handfeuerwaffen. Sie sind über weite Flächen verstreut und höchst anfällig für eine illegale Entnahme mit Metallsuchgeräten oder eine unerkannte Zerstörung durch Erdarbeiten. Gerade über sie lässt sich aber historisches Geschehen fassen und im Idealfall auch rekonstruieren. Schlachtfelder mit ihrer charakteristischen, komplexen Mischung verschiedener Arten von Funden und Befunden, die über außergewöhnlich große Flächen verteilt liegen, sind also sehr spezielle Bodendenkmale. Sie effektiv zu schützen und zu erforschen stellt Bodendenkmalpflege und Archäologie vor Herausforderungen. Wie eingangs erwähnt, wird zu Kampfplätzen des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland erst seit kurzer Zeit von Fachwissenschaftlern archäologisch geforscht. Der Begriff Schlachtfeldarchäologie bezeichnet zunächst nicht mehr als die archäologische Beschäftigung mit den materiellen Hinterlassenschaften von meist nur einige Stunden, maximal wenige Tage lang andauernden, beweglich im offenen Gelände ausgetragenen großen kriegerischen Auseinandersetzungen – eben Schlachten – zu Lande.65 Der Name der archäologischen Teildisziplin ist dabei ebenso prägnant wie irreführend, denn sie erforscht auch Schauplätze kleinerer kriegerischer Auseinandersetzungen (Gefechte etc.). Und: Im Fokus steht dabei zwar stets das konkrete Ereignis. Für ein möglichst komplettes Bild werden aber auch andere, in Verbindung mit einem Kampfgeschehen stehende Relikte, wie etwa Reste von Feldlagern oder zerstörter ziviler Gebäude, wann immer machbar untersucht.66 a) Das einsame Grab – Schlachtfeldbestattungen Massengräber zählen zu den eindrücklichsten Funden. Natürlich wurden aber nicht alle Toten so begraben. Viele verscharrte man einzeln oder zu zweit dort, wo man sie fand. Höhere Offiziere wurden häufig in lokalen Kirchen begraben und Heerführer brachte man unter großem Aufwand heim. Das vielleicht bekannteste Beispiel dafür ist die Überführung des Leichnams Gustav II. Adolfs nach Schweden infolge seines Todes bei Lützen (1632).67 65  Folglich zählen Schlachten zu Wasser und in der Luft oder Belagerungen fester Plätze etc. eigentlich nicht zu den Forschungsgegenständen der Schlachtfeldarchäologie, wenngleich die Grenzen punktuell verschwimmen und die angewandten Methoden in Teilen identisch sind. 66  Da Konfrontationen großer Heere in Feldschlachten stets die Höhepunkte – bzw. Tiefpunkte – der Kriege der Vergangenheit darstellten und die Orte, an denen sie stattfanden, die bevorzugten Forschungsgegenstände der Teildisziplin darstellen, erscheint es dennoch sinnvoll, die archäologische Beschäftigung mit Schauplätzen von Kampfhandlungen im skizzierten Sinne allgemein mit dem Begriff Schlachtfeld­ archäologie zu umreißen. 67  Zu einigen damit assoziierten archäologischen Funden vgl. Wittkopp.



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Die meisten Getöteten wurden aber aus rein praktischen Gründen anonym in größerer Zahl in Gruben auf dem Schlachtfeld begraben. Meist geschah dies relativ schnell nach einer Schlacht, oft durch die zu diesem Dienst gezwungene Zivilbevölkerung. Solche Massengräber verraten eher wenig über den Verlauf eines Kampfes. Höchstens gestatten sie es, Zonen zu identifizieren, in denen viele Menschen zu Tode kamen, wo also vermutlich auch intensiv gekämpft wurde. Teils ermöglichen Verletzungen an Knochen und im Grab liegende Bleikugeln Schlüsse darauf, ob am Ort etwa Fußsoldaten gegen Berittene kämpften. Welche Einheiten beteiligt waren und zu welchem Zeitpunkt dies geschah, bleibt aber zwangsläufig meist Vermutung. Denn im 17. Jahrhunderts gab es zum Beispiel noch nicht die mit Regimentsnamen oder -nummern beschrifteten Uniformknöpfe späterer Zeiten. Massengräber ermöglichen dafür aber wertvolle Einblicke in Leben und Tod jener, die in ihnen die letzte Ruhe fanden. Das Massengrab von Wittstock (1636) wurde beim Kiesabbau entdeckt und teils beschädigt. Die noch auf 4,80 Meter erhaltene Grabgrube maß insgesamt einst wohl etwa 6 mal 3,5 Meter. Sie enthielt, in vier Bestattungslagen übereinander, Skelette von 125 Toten (Abb. 4).68 Das komplett erhaltene Grab von Lützen war mit 4,6 mal 3,5 Metern nur wenig kleiner. In ihm lagen 47 Tote, mehr oder weniger in zwei Schichten.69 Beide Befunde weisen Pa­ rallelen auf: Sie enthielten überwiegend gut erhaltene und komplette Skelette, deren Knochen noch im anatomischen Verband lagen. Diese Toten waren schnell unter die Erde gekommen. Auch fanden sich kaum weitere Objekte. Die Leichen wurden geplündert und weitgehend nackt begraben. In Wittstock barg man nur bei einem Bruchteil der Skelette kleinere metallene Kleidungsbestandteile wie Knöpfe, Haken und Ösen. Bei den Knochen lagen 24 Bleikugeln, die zum überwiegenden Teil zu Reiterpistolen gehören.70 Im Lützener Grab fanden sich, neben ebenfalls 24 Bleikugeln, nur eine kleine Silbermünze und ein Buntmetallfragment.71 Doch es zeigen sich auch Unterschiede: Die Wittstocker Skelette lagen ordentlich „in Reih und Glied“. In Lützen ging man deutlich unsystematischer vor: Die Toten wurden nur grob geordnet, einige lagen regelrecht kreuz und quer. Vermutlich rühren diese Unterschiede daher, dass in Wittstock die schwedischen Sieger Freund und Feind sorgfältig begruben.72 Bei Lützen übernahmen hingegen wohl Zivilisten gezwungenermaßen diese Arbeit.73 68  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 165–170. Die Gesamtzahl von 125 Toten wurde hochgerechnet, in situ erhalten waren 88 Skelette. Vgl. ebd., S. 166. 69  Vgl. Friederich/Schröder, S. 399–402. 70  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 156. 71  Vgl. Friederich/Schröder, S. 402–403. 72  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 166, 180. 73  Vgl. Friederich/Schröder, S. 402.

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Abb. 4: Massengrab von Wittstock (1636): Die noch 21 von ursprünglich wohl etwa 25 Skeletten umfassende, dritte Bestattungslage der beim Kiesabbau beschädigten Grabgrube. Die in zwei Reihen begrabenen Toten liegen mit ihren Köpfen links bzw. rechts am Grubenrand. (Bildnachweis: „Wittstock, Skelettlage 3“. © Anja Grothe, BLDAM)

Dass nicht immer eine schnelle Bestattung der Toten erfolgte, zeigt die Knochengrube von Alerheim (Bayern).74 Über Funde wurde sie der Schlacht bei Alerheim (1645) zugeordnet.75 Die Gebeine von „mindestens 50, aber nicht mehr als 80“76 Männern lagen in einer 2,7 mal 2,35 Meter kleinen, rechteckigen Grube.77 Anthropologische Untersuchungen ergaben, dass die schlecht erhaltenen Knochen häufig nicht mehr im anatomischen Verband lagen. Die Leichen waren längere Zeit Witterung und Tierfraß ausgesetzt ausführlich: Misterek; Misterek/Lutz. als in den Massengräbern von Lützen und Wittstock fanden sich in Alerheim neben 42 Bleikugeln und zusätzlichen Kugelfragmenten zahlreiche weitere Funde, darunter Schnallen, Teile von Rosenkränzen und eines Degengehänges sowie ein Louis d’or (französische Goldmünze) von 1641. Ursächlich ist wohl, dass die Toten hier wegen des schnellen Abzugs der Heere nur teilweise geplündert worden waren. Vgl. Misterek, S. 371–379. 76  Es handelt sich um einen Schätzwert der Ausgräber. Die Gesamtzahl der Toten ist offenbar nicht präziser ermittelbar. Vgl. Misterek/Lutz, S. 327–328. 77  Vgl. ebd., S. 325, 329. 74  Vgl.

75  Anders



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gewesen, bevor man sie verscharrte. Die Frage nach dem Warum beantwortet eine zeitgenössische Korrespondenz zum obrigkeitlichen Umgang mit diesen Folgen der Kämpfe.78 Nach der Schlacht zogen die Heere schnell ab und ließen viele Tote unbegraben in der Sommerhitze zurück. Die Bevölkerung weigerte sich, sie zu bestatten. Erst nach mindestens sechs Wochen fanden sich vier Männer gegen Bezahlung dazu bereit. Sie sammelten nach eigenen Angaben die Überreste von 1965 Menschen stückweise ein und vergruben sie.79 Das Alter der Toten aus der Knochengrube lag bei durchschnittlich nur 21 bis 25 Jahren. Viele hatten noch nicht das 20. Lebensjahr erreicht, als sie starben und liegen blieben. Die Gesamtschau der archäologischen und historischen Quellen und der Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Anthropologie offenbart das in der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges alltäglich gewordene Grauen der Schlachtfelder und die Erschöpfung der Bevölkerung. So entsteht ein Bild, das nur interdisziplinär erlangt werden kann. Die naturwissenschaftliche Anthropologie kann solchen Knochen aber noch weitere Informationen entlocken. So lässt sich über das Verhältnis von Strontium- und Sauerstoffisotopen im Zahnschmelz oft relativ genau ermitteln, in welcher Region ein Toter aufgewachsen war. Die Werte der Wittstocker Toten zeigen als mögliche Herkunftsgebiete im Wesentlichen Schottland, das heutige Deutschland, Italien sowie Spanien, Südschweden und die damals schwedischen Gebiete Lettland und Südfinnland. Sichere Aussagen sind indes, aufgrund von Überschneidungen bei den Werten mancher Herkunftsgebiete, nur für einen Teil der Toten möglich: elf Schotten, zwei Schweden, drei Finnen und sechs Letten.80 Da die Schotten im schwedischen Heer und nur als Fußsoldaten dienten, erlaubte dies unter anderem den Rückschuss, dass das Massengrab im Bereich des Zentrums der Infanteriekämpfe lag. Die meisten der 47 Toten von Lützen stammten offenbar aus dem heutigen Deutschland, nur in fünf Fällen kamen sie mehr oder weniger sicher aus Skandinavien.81 Auch Aussagen zur Zusammensetzung der Ernährung und zu Lebensumständen wie Krankheiten, Hungerphasen und verheilten Verletzungen können getroffen werden.82 Selbst die Art und Weise, auf die ein Mensch zu Tode kam, lässt sich manchmal nachvollziehen. Besonders eindrücklich wurde dies für einige Fälle aus Wittstock grafisch rekonstruiert.83

ebd., S. 332–333; Misterek, S. 365–366. Misterek/Lutz, S. 333; Misterek, S. 366–367. 80  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 178–180; vgl. dazu auch: Grupe u. a. 81  Vgl. Nicklisch u. a. (2015), S. 415 und 418. 82  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 153–159; Jungklaus u. a.; Nicklisch u. a. (2015); dies. (2017). 83  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 154–156. 78  Vgl. 79  Vgl.

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Aus diesen Informationen können Körper-Lebensläufe rekonstruiert werden, von der Herkunft eines Menschen bis zu seinem Ende. Wie für einen Schotten, der bei Wittstock mit 21 bis 24 Jahren starb:84 Im fünften Lebensjahr hatte er eine Hungerzeit oder eine schwere Krankheit überlebt. Später litt er unter Entzündungen und Mangelerscheinungen. Der Zustand seiner Zähne und des Zahnfleischs war schlecht, seine Schienbeine hatten sich aufgrund von Vitamin D-Mangel verbogen. Die Hüft- und Schultergelenke waren, wohl infolge von Überlastung, degeneriert. In seiner letzten Schlacht erlitt er einen Pistolenschuss in den rechten Oberarm, einen Hieb mit einer Hellebarde an die rechte Schläfe, einen Dolchstich in die Kehle und einen doppelten Bruch des Unterkiefers. Einen Eindruck davon, wie der namenlose Tote zu Lebzeiten vielleicht aussah, vermittelt eine Gesichtsrekonstruktion (Abb. 5).85

Abb. 5: Gesichtsrekonstruktion eines aus Schottland stammenden Mannes, der im Alter von 21–24 Jahren in der Schlacht bei Wittstock (1636) zu Tode kam. Zu Lebzeiten litt er unter Mangel und Krankheiten, im Kampf wurde er mehrfach schwer verwundet, bevor er starb. (Bildnachweis: „Ausstellung 1636, Gesichtsrekonstruktion“. © Detlef Sommer, BLDAM) 84  Vgl.

ebd., S. 159–160 und 163. ist auf S. 160 und 163 ein früher Arbeitsstand abgebildet. Diese Version weicht von der hier gezeigten, auch in der Ausstellung „1636 – ihre letzte Schlacht“ präsentierten Endfassung ab. Freundliche Mitteilung Dr. Sabine Eickhoff, BLDAM, 3.07.2017. Zum Thema forensische Gesichtsrekonstruktion vgl. ebd., S. 161–163. 85  Ebd.



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b) Streuungen von Schlachtrelikten – Fingerabdrücke des Kampfgeschehens Vom Kampfgeschehen auf den Schlachtfeldern sind heute archäologisch meist nur noch die kleinen Bleikugeln für Handfeuerwaffen zu fassen. Jede Schlacht des Dreißigjährigen Krieges erzeugte einen Schleier aus teils hunderttausenden dieser Geschosse. Hinzu kamen all jene anderen Dinge, die zu Boden fielen. Allerdings wurde Kanonenkugeln, Waffen, Münzen und Ausrüstungsteile aufgrund ihres Wertes und auch, weil sie durch ihre Größe leicht auffindbar waren, in aller Regel schon bald nach dem Ende der Kämpfe zum größten Teil wieder eingesammelt.86 Ganz anders ist dies bei den meist nur ca. ein bis zwei cm großen, leicht zu übersehenden Bleikugeln. Da sie zudem in großen Mengen umher lagen und verglichen mit anderen Objekten einen sehr geringen Wert besaßen, blieb ein großer Teil von ihnen auf dem Schlachtfeld zurück. Bei schlachtfeldarchäologischen Untersuchungen werden diese Bleikugeln auf großen Flächen mit Metallsuchgeräten geborgen. Jeder Fundpunkt wird genau eingemessen.87 Eine Kartierung aller Fundpunkte zeigt dann Verbreitungsbilder, die es erlauben, Ausdehnung und Schwerpunkte von Kämpfen einzugrenzen. Denn die Geschosse der Vorderlader-Handfeuerwaffen des Dreißigjährigen Krieges flogen, auch weil das genutzte Schwarzpulver häufig minderer Qualität war, in der Regel wohl nicht allzu weit – selbst wenn sie hoch über ihre Ziele hinaus schossen. Außerdem verformten sich die Bleikugeln materialbedingt stark, wenn sie mit sehr hoher Geschwindigkeit, also auf kürzere Distanzen, auf ein Hindernis trafen.88 Schließlich ist es möglich, Bleikugeln über ihre Größen bestimmten Waffentypen zuzuweisen, die Läufe mit unterschiedlichen Innendurchmessern besaßen. So kann ein Teil der 2019 Geschosse von Lützen (1632), der kleine (Pistolen) und mittlere (Karabiner) Durchmesser aufweist, der Reiterei zugeordnet werden, der größere Teil der Lützener Kugeln gehört aufgrund der 86  So konnten etwa bei den Schlachtfelduntersuchungen bei Lützen (1632) und Wittstock (1636) kaum große, aus Geschützen abgefeuerte eiserne Vollkugeln und Granaten (Hohlkugeln) bzw. Fragmente davon geborgen werden. Dasselbe gilt für größere Bleikugeln, die man einzeln aus leichten Geschützen (Doppelhaken) oder zu Dutzenden in Paketen (Kartätschen) aus schwereren Geschützen verschoss. Die Aussagekraft dieser Objekte ist daher, im Vergleich mit den zahlreich vorhandenen Bleikugeln für Handfeuerwaffen, natürlich eingeschränkt. Vgl. ebd., S. 84–85; Schürger, S. 192–196. 87  Zur Methodik vgl. etwa: Eickhoff/Schopper (2012), S.  145–146; Schürger, S. 116–123. 88  Für die Verformung von Bleikugeln können allerdings noch weitere Faktoren Rollen spielen: Eickhoff/Schopper (2012), S. 79; Schürger, S. 171.

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großen Durchmesser aber zu den Musketen der Infanterie.89 Für die ca. 900 Bleikugeln von Wittstock (1636) wurde ähnlich verfahren.90 Die Aussagekraft solchen Materials ist potentiell groß, doch es gibt Einschränkungen. So wurden in der Ackerkrume liegende Funde im Laufe der Zeit vom Pflug über gewisse Distanzen bewegt. Und das, was man heute noch auf einem Schlachtfeld archäologisch fassen kann, ist nur ein Teil von dem, was nach dem Kampf umher lag. Viele Objekte wurden im Laufe der Zeit abgesammelt. Gegenwärtig ist das größte Problem das unkontrollierte, oft illegale Entfernen großer Mengen von Schlachtrelikten durch Menschen mit Metallsuchgeräten, die ihr Tun meist unreflektiert als harmloses Hobby sehen.91 Aus Sicht der professionellen Schlachtfeldarchäologie handelt es sich schlicht um völlig sinnlose und zerstörerische Plünderungen. Die entnommenen Funde stehen nicht der Forschung zur Verfügung, sie wären aber ohnehin meist nicht mehr zu gebrauchen, da regelhaft keine Dokumentation der Fundumstände und -punkte erfolgt, die modernen wissenschaftlichen Standards genügt. So werden nach und nach auch noch all jene schwachen, leicht zu zerstörenden, letzten Spuren historischer Ereignisse entfernt, die über Jahrhunderte hinweg alle Veränderungen am Ort überstanden haben – und künftige Forschung wird unmöglich gemacht. Insgesamt ist es so heute für Schlachtfelder des Dreißigjährigen Krieges in aller Regel nicht mehr möglich, auf archäologischem Wege metergenau zu ermitteln, welche Einheit wann genau an welcher Stelle kämpfte oder wo ein Heerführer starb. Für solch detaillierte Aussagen sind Bodenfunde üblicherweise ungeeignet. Und doch: Insgesamt bilden diese Schlachtrelikte bis heute den Verlauf eines Ereignisses ab und erlauben teils überraschend weitgehende Blicke auf vergangenes Kampfgeschehen. Entsprechende Kartierungen wurden bisher für die bei Untersuchungen auf den Schlachtfeldern von Lützen (1632)92 und Wittstock (1636)93 geborgenen Bleikugeln und weitere Funde vorgelegt. In der Gesamtschau mit den in historischen Quellen enthaltenen Informationen, den Fundstellen der Massengräber und auch Rekonstruktionen des Geländes zur Zeit der Ereignisse94 konnten verschiedene Fragen beantwortet werden – etwa, welche Ausdehnung diese Schlachtfelder hatten und wo Schwerpunkte Schürger, S. 137–140. Eickhoff/Schopper (2012), S. 77; Eickhoff, S. 262 und 267. 91  Zu illegaler Fundentnahme während der Untersuchungen bei Wittstock (1636) vgl. Eickhoff, S. 262. 92  Vgl. Schürger, vor allem S. 225–229 und 263–349. 93  Vgl. Eickhoff/Schopper (2012), S. 142–152; Eickhoff, S. 263–269. 94  Für ein historisches Geländemodell des Schlachtfelds bei Wittstock vgl. Eickhoff, S. 249–259. 89  Vgl. 90  Vgl.



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der Kämpfe lagen. So gelang es anhand von Aufschlagschäden an den Bleikugeln von Lützen, Zonen besonders intensiver Infanterie- und Reitergefechte herauszuarbeiten.95 Bei Wittstock konnten vermutliche Anmarschwege der Heere bestimmt und Lagerplätze verortet werden.96 Insgesamt resultierten beide Projekte in einer erheblichen Verbesserung des Wissensstandes zum jeweiligen Ereignis. c) Das Projekt Lutter am Barenberge (1626) An dieser Stelle sei noch kurz auf ein Projekt zur Schlacht bei Lutter am Barenberge (Niedersachsen) hingewiesen. Dort unterlagen am 27. August 1626 die Truppen König Christians IV. von Dänemark einem kaiserlichen Heer unter Tilly. Das historische Gelände erstreckt sich zwischen Hahausen im Südwesten und Lutter im Nordosten. Beide Orte liegen gut 5 Kilometer auseinander, verbunden werden sie von der B 248. Diese verläuft über einen flachen, von Bächen eingefassten Höhenrücken. Seit 1626 wurden Teile des heute überwiegend landwirtschaftlich genutzten Geländes durch Baumaßnahmen verändert, auch der Bewuchs hat sich gewandelt. Im Kern entspricht sein Zustand aber noch jenem zum Zeitpunkt der Schlacht, vor allem wurde es kaum überbaut. Die historischen Quellen allein erlauben keine sichere Verortung des Schlachtfelds. Bekannt ist nur: Es lag irgendwo zwischen Hahausen und Lutter und zwischen den beiden verfeindeten Heeren verlief offenbar eine sumpfige Bachniederung. Christian IV. hatte dabei angeblich mit einer Anhöhe zwar zunächst die bessere Stellung inne – indes unterlag er den Kaiserlichen am Ende doch, sein Heer löste sich auf und floh in Panik nach Nordosten, in Richtung Lutter. Dieser Mangel an sicherem Wissen führte im Laufe der Zeit zu einigen, teils stark voneinander abweichenden Versuchen, die Positionen der Heere zu rekonstruieren.97 Vor diesem Hintergrund rief die Bezirksarchäologie Braunschweig 2011 zusammen mit der Interessengemeinschaft Ostfalensucher (IG) das Projekt Lutter ins Leben. Ziel war vor allem eine Klärung der Ausdehnung des Schlachtfeldes durch eine Ermittlung der Streuung von Relikten der Kämpfe, um das historische Gelände künftig noch besser schützen zu können. Zu diesem Zweck untersuchten Mitglieder der IG mit Metallsuchgeräten bislang mehr als 2 km2 Fläche. Sie Schürger, S. 174–178. Eickhoff/Schopper (2012), S. 150–152; Eickhoff, S. 263–266 und 269. 97  Dieser Punkt soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Ähnlich gravierende Abweichungen verschiedener Rekonstruktionen von Positionen und Schlachtgeschehen wurden auch für die Schlacht bei Wittstock (1636) festgestellt. Vgl. Eickhoff, S. 259– 260 mit Abb. 12. 95  Vgl. 96  Vgl.

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bargen mehr als 451 Bleikugeln und zahlreiche weitere, teils von der Schlacht stammende Funde.98 Die Resultate des laufenden Projekts können hier nicht detailliert vorgestellt werden.99 Doch lässt sich an den Fundkartierungen bereits einiges zum Verlauf des Ereignisses ablesen: Die weite Streuung der von den Kämpfen herrührenden Funde, vor allem der Kugeln, zeigt, dass sich die Schlacht entlang der Landstraße über weite Teile des Geländes zwischen Hahausen und Lutter erstreckte. Eine ausgedehnte Häufung verschossener Kugeln zeigt, dass ihr Schwerpunkt wohl näher an Hahausen lag. Weiter nach Nordosten, in Richtung Lutter, können vermutlich Rückzugsgefechte und die Flucht des Heers Christians IV. gefasst werden. Drei nahe beieinander geborgene, wohl zusammengehörende, große Silbermünzen dürften im Zuge dieser teils sicher panisch verlaufenen Absetzbewegungen verloren gegangen sein (Abb. 6). Eine ausgedehnte Konzentration von in der Größe sehr einheitlichen, nicht verschossenen Kugeln bezeugt vielleicht die Plünderung eines Munitionswagens. Bei dem westlich des Kernschlachtfelds gelegenen Ort Nauen belegt eine weitere Konzentration verschossener Kugeln, dass man auch dort kämpfte – vielleicht ein kaiserlicher Umfassungsversuch? Dazu könnten Skelettfunde in Nauen passen, bei denen sich auch eine Münze aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fand.100 Das Fundmaterial lässt weitere interessante Schlüsse zu. Dieser kurze Blick mag aber bereits genügen um aufzuzeigen, wieviel Potential auch hier in unscheinbaren Bleikugeln steckt. 8. Abschließende Betrachtung Die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges hinterließen ein weites Spek­ trum an Spuren im Erdboden. Manche sind leicht zu erkennen und einfach zu deuten, in anderen Fällen sind ein größerer Aufwand und langwierige Recherchen erforderlich, um sie dokumentieren und wirklich verstehen zu können. Gemein ist all den Trümmern, Gräbern und Schlachtfeldern, dass durch sie eine lange Krisenphase heute wieder unmittelbar erfahrbar wird. Das zerbrochene Fensterglas, der eingeschlagene Schädel und die verformte Bleikugel führen zurück in eine Zeit größter Unsicherheit. Sie konfrontieren mit massenhaftem Tod, ungezügelter Gewalt und allgemeiner Angst. Zugleich wird aus heutiger Sicht an ihnen aber auch klar, dass all das schließeinen Vorbericht zum Projekt vgl. Rodehorst. ausführlichere Publikation in den Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte (NNU) ist in Vorbereitung. 100  Ein Dank für den Hinweis auf diese Funde geht an Dr. Michael Geschwinde, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Bezirksarchäologie Braunschweig. Vgl. Geschwinde. 98  Für

99  Eine



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Abb. 6: Drei nahe beieinander gefundene Silbermünzen vom Schlachtfeld bei Lutter am Barenberge (1626). Links oben: ½ Taler, Braunschweig-Stadt, 1624; Unten: ½ Taler, Baronie Reckheim, Herman van Lynden, wohl 1594–1603; Rechts oben: Taler, Niederlande, Provinz Friesland, 1609. (Bildnachweis: „Drei Münzen von Schlachtfeld Lutter“. © Martin Oppermann, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Bezirksarchäologie Braunschweig)

lich doch irgendwann endete. Es ist die Unmittelbarkeit des historischen Objekts, die jene archäologischen Funde besonders macht. Ihren wahren Wert entfalten sie jedoch erst bei einer Kombination mit historischen Quellen und, wenn vorhanden, Resultaten naturwissenschaftlicher Analysen. So werden lang vergangene Ereignisse wieder lebendig, erhalten Tote Gesichter – und gelegentlich gelingt es, sicher Geglaubtes zu korrigieren oder sogar um ganz neue Aspekte zu ergänzen.101

101  Neben den bereits in Fußnoten Genannten dankt der Verfasser: Dr. Jörg Ansorge für Unterstützung beim Beschaffen von Literatur, Renate Samariter M. A. für Auskünfte zu den Stralsunder Funden sowie – für das freundliche Bereitstellen der Abbildungen – dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM), dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern – Landesarchäologie (LAKD MV) und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, Bezirksarchäologie Braunschweig.

Kommentar Von Marian Füssel Das Thema ‚Wallenstein‘ kann schnell zu einer Chiffre für Thematisierungen des Dreißigjährigen Krieges in verschiedensten Dimensionen werden. Alternativ könnte man auch von ‚Wallenstein im Kontext‘ sprechen. Letzteres trifft dann auch auf die drei Beiträge dieser Sektion zu, die auf den ersten Blick wenig von einer gemeinsamen Fragestellung oder Forschungsagenda haben: Gewalterfahrung und Schlachtfeldarchäologie weisen zumindest als Paarung einige Gemeinsamkeiten auf. Im Beitrag von Carl spielt Versorgung in ganz unterschiedlicher Perspektivierung eine Rolle, in den Beiträgen von Kilián und Homann geht es um die Rekonstruktion von militärischer Gewalt auf Grundlage unterschiedlicher Überlieferungen, den Bodenfunden der Archäologie und den archivalischen Schriftquellen. Wallenstein tritt als Akteur am deutlichsten bei Carl in Erscheinung, in den anderen Beiträgen rückt er eher in den Hintergrund. Das muss gewiss kein Nachteil sein, stellen doch alle drei Artikel substantielle Forschungs- und Diskussionsbeiträge zur Alltagsgeschichte des Dreißigjährigen Krieg dar. Alle Beiträge setzten sich auf ihrer Weise mit den Rekonstruktionsproblemen einer abwesenden und un­ sicheren Vergangenheit auseinander und gehen dabei sehr unterschiedliche methodische Wege. Horst Carl beleuchtet die Logistik-Legende Wallenstein exemplarisch entlang der Bereitstellung von Brot, Pulver, Waffen und Transportkapazitäten und zeigt, wie sehr die funktionierende Logistik einerseits von „europaweit agierenden Netzwerken von Faktoren und Kreditgebern“ abhängig war, andererseits von rationaler lokaler „Distributionsorganisation“. Ähnlich wie auch bei dem Beitrag zur Archäologie treten hier bedeutende materielle Faktoren zu Tage, wie etwa die Herstellung von Zwieback nicht nur für Seesondern auch für Landstreitkräfte, oder die Möglichkeit, Flüsse als Transportwege nutzen zu können. Am Beispiel der Schlacht an der Alten Veste 1632 zeigt Carl, dass Wallenstein nicht nur ein fähiger Logistiker bei der Organisation von Feldzügen war, sondern auch eine regelrechte ‚Materialschlacht‘ zu führen wusste, bei der die Logistik schließlich zum ausschlaggebenden Element für den Sieg wurde. Für Historiker stellt die Rekonstruktion der Wallensteinschen Logistik angesichts zerstreuter Quellen und schon zeitgenössisch intransparent gehaltener Vorgänge selbst eine forschungslogis-

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tische Herausforderung dar, die wie im Falle Anton Ernstberger zur Lebensaufgabe werden konnte. Die Möglichkeiten und Grenzen der Auswertung materieller Überreste „ziviler und militärischer Bauten, Gräber, Depots [und] Schlachtfelder“ führt Arne Homann anhand der Archäologie des Dreißigjährigen Krieges vor Augen. Die Kriegs- bzw. Schlachtfeldarchäologie der Neuzeit und insbesondere der Frühen Neuzeit ist ein, wie Homann betont, noch sehr junges Forschungsfeld in der Archäologie, auf dem allerdings in den letzten 30 Jahren bereits viel geleistet worden ist. Gerade im Zeichen eines vielbeschworenen „Material Turn“ in der Geschichtswissenschaft lag eine engere Kooperation mit der Archäologie im Grunde nie näher als gegenwärtig.1 Wie die zahlreichen Beispiele Homanns vom Massengrab über Gewehrkugelstreuungen bis zum Schatzfund zeigen, ist der analytische Ertrag meist dort am höchsten, wo die ErforscherInnen schriftlicher und bildlicher Überlieferung mit denen nichtschriftlicher materieller Zeugnisse interdisziplinär zusammenarbeiten. Ein einzelner Waffen- oder Skelettfund bleibt meist recht stumm, wenn man ihn nicht mit den Operationen und Präsenzen entsprechender Akteure kontextualisiert. In die andere Richtung gilt jedoch ähnliches, kaum kommt man angesichts geringer Schriftlichkeit bei einfachen und noch dazu sehr jungen Soldaten so nah an die körperliche Leidensgeschichte schon vor dem Schlachtentod, wie bei der detaillierten, mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden durchgeführten Auswertung des Massengrabes von Wittstock. Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit das Potential archäologischer Forschung für die Alltagsgeschichte des Dreißigjährigen Krieges. Auch Schlachtkarten und Kupferstiche können oftmals nur einen sehr ungefähren Eindruck davon vermitteln, wo ein Ereignis im heutigen Raum zu lokalisieren ist. Die Erhebung der Streuung von Gewehrkugeln kann hier zu einer genaueren Verortung beitragen. Auch zum in dieser Sektion von Carl behandelten Thema der Logistik und Kriegsbeute kann die Lager- und Schlachtfeldarchäologie einiges beitragen, etwa wenn in einem Lager bei Bernburg (Sachsen-Anhalt) offenbar ein ganzer Kachelofen im Lager wiedererrichtet wurde. Für die Gewaltforschung, wie sie Kilián betreibt, sind Knochenfunde einschlägig, die Hieb-, Stich- und Schusswunden genauer zu analysieren erlauben. Über die Rekonstruktion der „Schatten der Schlacht“ im Boden gelangt Homann auch zu allgemeineren Aussagen über den ephemeren Charakter von Schlachten. Sie stellten „Großereignisse“ von kurzer Dauer dar, die ein „Maximum“ an „Gewalt, Zerstörung und Leiden“ brachten, deren Orte heute aber meist nicht mehr als eine unscheinbare Wiese, einen Acker oder ein Naherholungsgebiet darstellen. Die archäologische Spurensuche kann dazu beitragen, dieser heuristisch herausfordernden Ereignishaftigkeit neue Erkenntnisdimensionen abzugewinnen. Eine Besonderheit der 1  Vgl.

als Überblick Füssel (2015).

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Archäologie insbesondere von Schlachtfeldern gegenüber anderen Überlieferungsformen ist dabei, wie Homann zu Recht betont, dass ihr Quellenmaterial stets von Hobbyarchäologen mit Metallsuchgeräten bedroht ist und sich auch physisch weiter verlagert und verändert. Die meisten methodischen Fragezeichen weist für mich der Beitrag von Jan Kilián zur Gewalt in den böhmischen Städten auf. Kilián operiert von der herangezogenen Forschungsliteratur her im Feld der Erfahrungsgeschichte und der historischen Anthropologie, vom entwickelten Narrativ her jedoch eher auf dem Gebiet der älteren Culturgeschichte. Er entwirft ein Panorama von Gewaltpraktiken, das vor allem als Phänomenologie gelesen werden kann: Es geht um Mord und Totschlag, Massaker, Vergewaltigungen, Gewaltandrohungen, Plünderung, Brandschatzung, Sachbeschädigung oder Geiselnahme. Das Panorama beruht auf einer Vielzahl von Quellen, thematisiert aber kaum deren jeweilige Schreibintention oder Genreregeln. Würde man heute über einen Zeitraum von zehn Jahren die Nürnberger Lokalpresse auf Gewaltpraktiken durchforsten, würden sich wahrscheinlich hunderte von Zeilen finden, wie „Mann nach Streit mit Samuraischwert erschlagen“, „Studentin in ihrer Wohnung vergewaltigt“, „Ältere Dame bei Raubüberfall erstochen“. Dennoch würden wir nicht dazu tendieren, Nürnberg am Beginn des 21. Jahrhunderts als einen rechtsfreien Raum entgrenzter, ubiquitärer Gewalt zu begreifen. Das soll keine Relativierung der unvorstellbar grausamen Verhältnisse während des Dreißigjährigen Krieges darstellen, sondern ganz im Gegenteil die Gewaltforschung gerade angesichts der nur schwer vorstellbaren Praktiken methodisch sensibilisieren. So wäre zunächst das Wann und das Wo genauer zu spezifizieren: Welche Orte und Räume wurden Schauplatz besonderer Gewalt und wann – zum Ende eines Feldzuges, einer Belagerung oder während einer längeren Zeit der Einquartierung? Zwar geht Kilián immer wieder auf die Funktionalisierung von Gewalt ein, etwa um den Gegner zu demoralisieren, zu entehren oder konfessionspolitisch zu übermächtigen, doch bleiben die sozialen Logiken der Gewalt letztlich amorph. Gewalthandeln erscheint als ubiquitär, ungebremst und unentrinnbar. Gewalt ist immer und überall, und ihre Akteure werden mit pejorativen Labels versehen, die auch gar nichts anderes erwarten lassen: „verwilderte“, „zweifelhafte Existenzen“ ohne jegliche Moral. Die Schwierigkeit in der Analyse lassen sich am Faktor Alkohol auf den Punkt bringen. Kilián macht die Alkoholisierung wohl nicht zu Unrecht immer wieder für Gewaltexzesse verantwortlich, kommt aber auch an einen Punkt, wo er gerade den Mangel an Alkohol für Gewalt verantwortlich macht. Das heißt im Endeffekt: auf der Suche nach Alkohol wurde endlos gemordet, mit Alkohol erst recht. Insbesondere die wiederholt herangezogene strafrechtliche Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag scheint mir für kriegerisches Gewalthandeln gerade gegenüber der Zivilbevölkerung nicht zielführend. Erst ganz am Schluss kommt Kilián

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zu einigen differenzierenden Faktoren von Gewaltpraktiken, wie sprachlichen „Missverständnissen“, „relativer Straffreiheit“ oder der „Anonymität der Masse“, die es sich konsequenter zu verfolgen gelohnt hätte. Inzwischen stehen mit den Arbeiten von so unterschiedlichen Denkern wie Randall Collins, Jan Philipp Reemtsma, Heinrich Popitz oder Jörg Baberowski zahlreiche Angebote zur Verfügung, sowohl alltägliche wie außeralltägliche Gewalt zu deuten als auch auf ihre Ursachen, Funktionsweisen, Logiken, Wahrnehmungs- und Repräsentationsweisen zu befragen.2 Wie der Soziologe Wolfgang Knöbl vor kurzem zu Recht angemerkt hat: Es gibt mittlerweile genug Gewalttheorien, es kommt darauf an, sie überzeugend empirisch anzuwenden.3 Eine rein phänomenologische Sammlung von dokumentierten Praktiken kann hierzu nur ein erster Schritt sein, ersetzt aber nicht die Analyse. Insgesamt zeigen die Beiträge einerseits, dass sich gerade das Forschen im weiteren historischen Kontext einer Person wie Wallenstein jenseits ausgetretener biographischer Pfade als enorm produktiv erweisen kann, andererseits welche methodischen und heuristischen Schwierigkeiten sich einer von diversen kulturwissenschaftlichen Wenden geprägten historischen Forschung nach wie vor auch in der Alltagsgeschichte des Dreißigjährigen Krieges auftun. ‚Wallenstein‘ kann damit als eine Sonde in die vergangenen Lebenswelten einer so hochkomplexen Ereigniskette dienen, wie der, die wir unter dem Dreißigjährigen Krieg zu fassen gewohnt sind. Das birgt aber auch die Gefahr, wie die Auseinandersetzungen mit der historiographischen Tradition ebenso wie heutige Gedenkveranstaltungen zeigen, dass die Figur als historisches ‚Etikett‘ zu einer Art von ‚Abkürzung‘ wird. Eine Abkürzung, die den langen Weg über die empirische Analyse des überlieferten Materials umgeht, und schnell zu stereotypen Vorstellungen von sittenlosen Söldnern, gewieften Kriegsunternehmern und bühnenreifen Ereignissen übergeht. Hier sollte die historische Forschung „aus der Nähe“ immer wieder kritisch ansetzen, um auch das Andere und Fremde der Vergangenheit stets angemessen zu würdigen und zu historisieren.4

2  Collins,

R.; Popitz; Baberowski; Reemtsma (2016). Knöbel (2017a) und Knöbel (2017b). 4  Vgl. Krusenstjern/Medick. 3  Vgl.

Wallenstein-Bilder

Albrecht von Wallenstein in der zeitgenössischen Publizistik. Zu den Rahmenbedingungen und Konjunkturen medialer Kommunikation im Kontext des Dreißigjährigen Krieges Von Silvia Serena Tschopp Dass Albrecht von Wallenstein zu den „prominentesten Persönlichkeiten“ nicht nur des Dreißigjährigen Krieges, sondern „der frühneuzeitlichen europäischen Geschichte überhaupt“ zählt, gilt noch in der neueren Forschung zu dessen Wirken und Wirkung als kaum zu bestreitendes Faktum.1 Und tatsächlich scheinen das unmittelbar nach dem Tod des kaiserlichen Generalissimus einsetzende, durch eine riesige Zahl von Einzelstudien2 dokumentierte Interesse an einer geschichtlichen Gestalt, die gleichermaßen die Aufmerksamkeit der Historiker und der Literaten erregte, und die kontroversen Deutungen, die das Bild Wallensteins bis in die Gegenwart bestimmen, dessen außerordentliche Signifikanz zu bezeugen. Umso bemerkenswerter ist da der Befund, dass eine in der Wahrnehmung der Nachwelt derart herausragende Figur zu Lebzeiten kaum nennenswerte publizistische Resonanz gefunden hat. Im Unterschied zu Gustav II. Adolf, dem in zahllosen Flugblättern und Flugschriften als Verteidiger des protestantischen Glaubens und der ständischen Libertäten gefeierten schwedischen Monarchen, oder Johann Tserclaes von Tilly, dem Oberbefehlshaber des Heeres der Katholischen Liga und zeitweiligen Generalleutnant der kaiserlichen Truppen, bildet Wallenstein nur selten den Gegenstand publizistischer Stellungnahmen; die Zahl der Drucke, die sich mit ihm befassen, bleibt bis zu Beginn des Jahres 1634 gering. Dies änderte sich schlagartig, nachdem der böhmische Feldherr des Hochverrats beschuldigt und am 25. Februar 1634 durch kaiserliche Offiziere in Eger exekutiert worden war: Der Tod Wallensteins und seiner engsten Vertrauten wurde nicht nur in Zeitungsmeldungen berichtet, innerhalb kürzester Zeit 1  Bahlcke / Kampmann,

S. 9. von Georg Schmid begonnene, von Victor Loewe fortgesetzte bibliographische Erfassung der sich Wallenstein widmenden Veröffentlichungen in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen umfasst allein in den Bänden 17 (1879) bis 49 (1911) über 2500 Titel. 2  Die

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erschienen außerdem zahlreiche Flugblätter und Flugschriften, die das Geschehen entweder als rechtmäßige Hinrichtung eines Schuldigen legitimierten oder als politischen Mord denunzierten. Zwar hielt die öffentliche Anteilnahme nicht lange an – die überlieferten publizistischen Quellen stammen größtenteils aus der ersten Hälfte des Jahres 1634 –,3 während einiger Wochen und Monate jedoch avancierte das ruhmlose Ende des hochverdienten kaiserlichen Heerführers zu einem europäischen Medienereignis. Es ist die hier angedeutete Diskrepanz zwischen den publizistischen Reaktionen auf Wallensteins Leben und jenen auf seinen Tod, die im Fokus meiner folgenden Ausführungen stehen soll, bietet sie doch einen Ansatzpunkt für die Analyse der Funktionsweisen öffentlicher Kommunikation im Kontext des Dreißigjährigen Krieges. Am Beispiel des kaiserlichen Generalissimus lässt sich nämlich besonders plastisch veranschaulichen, unter welchen Vo­ raussetzungen ein historischer Akteur zu einer Figur öffentlichen Interesses werden konnte; sein Fall verdeutlicht, welchen strukturellen Gegebenheiten und politischen Konstellationen die Protagonisten der kriegerischen Ausei­ nandersetzungen, die im Gefolge des böhmischen Aufstands weite Teile Europas erfasst hatten, ihren bisweilen prekären publizistischen Ruhm verdankten. Bevor ich meine diesbezüglichen Beobachtungen und Überlegungen zur Diskussion stelle, gilt es allerdings zunächst, die überlieferten publizistischen Quellen, die einen Bezug zu Albrecht von Wallenstein aufweisen, zu sichten und zu beschreiben. Dabei werde ich mich auf nichtperiodische Drucke beschränken, weil diese in weit höherem Maße als die zu einer tendenziell sachlichen Berichterstattung neigende Nachrichtenpresse auf Meinungsbildung zielten und für die Analyse der Genese eines Medienereignisses und der Signifikanz, die diesem Medienereignis für die Wahrnehmung durch die Nachwelt zukommt, besondere Relevanz beanspruchen dürfen.4 Nach einigen knappen Hinweisen auf den aktuellen Forschungsstand zur Publizistik von und über Albrecht von Wallenstein nehme ich deshalb in einem ersten Schritt jene Flugblätter und Flugschriften in den Blick, die bereits vor den Vorfällen in Eger erschienen sind, und bemühe mich um eine Einschätzung ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung, bevor ich mich zweitens in der gebotenen Kürze dem umfangreichen Korpus der publizistischen Verlautbarungen zu Wallensteins Tod zuwende. Im dritten und letzten Teil meines Beitrags schließlich wird die Frage im Mittelpunkt stehen, wie die eingangs benannte Differenz zwischen dem geringen medialen Interesse an Wallenstein zu dessen Lebzeiten und der ungewöhnlich umfangreichen publizisti3  Dass das Schicksal Wallensteins bereits kurz nach dessen Tod zu einem „Nebenthema“ wurde, betont auch Kampmann (2010b), S. 112. 4  Vgl. dazu etwa Weber, J., hier S. 44, wo es Flugblätter und Flugschriften sind, die als „Ort des politischen Meinungskampfs“ identifiziert werden.



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schen Produktion anlässlich seines Todes zu erklären ist bzw. welche Schlüsse sich daraus für das Verständnis der Rahmenbedingungen und Konjunkturen politischer Kommunikation um 1600 ziehen lassen. 1. So uferlos die wissenschaftliche Literatur zu Wallenstein sich gegenwärtig präsentiert, so übersichtlich ist die Zahl jener Forschungsbeiträge, welche die publizistische Überlieferung zu Wallensteins Leben und Sterben thematisieren. Dass letzterer lange eine tendenziell marginale Bedeutung zugeschrieben wurde, belegen nicht zuletzt umfangreiche Quellensammlungen wie etwa die von Hermann Hallwich in vier Bänden edierten Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins (1630–1634), die so gut wie ausschließlich handschriftlich überlieferte Korrespondenz bzw. Akten enthalten.5 Einer historisch-kritisch verfahrenden Geschichtswissenschaft mussten die als parteigebunden einzuschätzenden Flugblätter und Flugschriften notwendig suspekt erscheinen, galt deren Quellenwert für die möglichst objektive Rekonstruktion geschichtlicher Ereignisketten doch als gering.6 Dem österreichischen Historiker Heinrich von Srbik ist es zu verdanken, dass die die Liquidierung des Herzogs von Friedland thematisierenden Flugschriften doch noch für die Wallensteinforschung fruchtbar gemacht werden konnten. In seiner erstmals 1920 veröffentlichten Untersuchung Wallensteins Ende. Ursachen, Verlauf und Folgen der Katastrophe geht von Srbik ausführlich auf die sich für und gegen Wallenstein positionierenden zeitgenössischen Druckschriften ein und vermittelt erstmals einen Einblick in den Umfang und die Relevanz der öffentlichen Stellungnahmen zu den Ereignissen in Eger.7 Wie von Srbiks Studie konzentrieren sich auch die anderen Forschungsbeiträge, in denen die auf Wallenstein bezogene Publizistik im Zentrum steht, auf die Reaktionen, welche das blutige Ende des kaiserlichen Generalissimus auslöste. Dies gilt nicht nur für ältere Veröffentlichungen,8 sondern auch für einen 1997 er5  Hallwich (1912). Zu den Wallensteineditionen um 1900 vgl. Kersken, S. 263– 278. Noch die 1987 von Gottfried Lorenz besorgte Quellenedition stützt sich weitgehend auf ältere Sammlungen handschriftlicher Quellen und verzichtet auf die Wiedergabe von Flugblättern und Flugschriften (vgl. Lorenz, G.). 6  Immerhin finden sich in Leopold von Rankes Geschichte Wallensteins quellenkritische Ausführungen zu zwei die kaiserliche Position verteidigenden Flugschriften zum Tode Wallensteins (Ranke [1869], S. 485 ff. und S. 497 ff.). 7  Die Studie erschien 1920 in Wien (Srbik [1920]); eine zweite Auflage ging kurz nach von Srbiks Tod in Druck (Srbik [1952]). Zu von Srbiks Auffassung des böhmischen Generalissimus vgl. Schulze, S. 313–329. 8  Dies gilt – mit Blick auf die ältere Forschung – nicht nur für die Erörterungen von Friedrich Steuer (Steuer), sondern auch für die Dissertation von Helga Gottwald (Gottwald).

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schienenen, erstmals die Flugblätter zu Wallensteins Tod analysierenden Aufsatz aus meiner Feder,9 sowie einen Beitrag von Hans Medick, in dem neben Flugblättern und Flugschriften auch Zeitungsberichte aus den ersten Monaten des Jahres 1634 erörtert werden.10 Kann hinsichtlich der publizistischen Reaktionen auf Wallensteins Tod demnach von einem relativ entwickelten Forschungsstand ausgegangen werden, bleibt die wissenschaftliche Befassung mit den vor seinem Ableben erschienenen Druckschriften weiterhin ein Desiderat. Mir ist keine Studie bekannt, in der die vor 1634 veröffentlichten Flugblätter und Flugschriften, die sich mit Wallenstein beschäftigen, den Gegenstand einer systematischen Untersuchung bilden. Dies ist insofern kaum überraschend, als publizistische Zeugnisse zu Wallensteins Rolle und Aktivitäten als kaiserlicher Feldherr nur in geringer Zahl vorliegen und die Ergiebigkeit der wenigen überlieferten Quellen zudem fraglich erscheint. Wenn wir zunächst versuchen, uns einen Überblick über die vor 1634 zu datierenden Flugblätter zu verschaffen, fällt auf, dass derartige Flugblätter so gut wie gar nicht existieren. Schon Michael Schilling hatte bemerkt, dass Wallenstein zu jenen Protagonisten des Dreißigjährigen Kriegs zählt, die ungeachtet ihres politischen und militärischen Gewichts nur ein schwaches publizistisches Echo auslösten.11 Und tatsächlich stößt man im Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts sowie in den aktuell verfügbaren Editionen frühneuzeitlicher Einblattdrucke nur vereinzelt auf Titel mit einem Bezug zum böhmischen Generalissimus. Ein genauerer Blick auf besagte Einblattdrucke zeigt außerdem, dass kaum einer jene dreigliedrige, aus Titel, Graphik und Text bestehende Struktur aufweist, die für die frühneuzeitliche Bildpublizistik als konstitutiv gelten darf.12 In der Hauptsache handelt es sich um Schutzbriefe13 sowie um Mandate, in denen Wallenstein ausstehende Kontributionsleistungen einfordert oder bei den kaiserlichen Offizieren und Soldaten die bessere Einhaltung der Heeresdisziplin anmahnt. So beklagt er sich in einem Mandat vom 13. Mai 1628 darüber, dass „annoch viele / sowol von vnsern Emptern / alß auch den vom Adel vnd Städten / vnd anderern [!] Vnterthanen verhanden / welche […] jhre gebührnis an Gelde / Korn vnd Fourage […] nicht beygebracht“

Tschopp (1997), S. 25–51. Medick, S. 111–130. 11  Vgl. Schilling (1990), S. 178. 12  Zur Definition frühneuzeitlicher Flugblätter vgl. z. B. Tschopp (1996), Sp. 375– 383. 13  Vgl. beispielsweise den Abdruck einer Salva Guardia in: Schuhmann, Nr. 105, S. 53. 9  Vgl.

10  Vgl.



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hätten, und fordert die von seinen Truppen besetzten norddeutschen Territorien unter Androhung von Sanktionen dazu auf, die ausstehenden Geld- und Naturalleistungen innerhalb von acht Tagen zu erbringen.14 In einem Patent vom 1. Februar 1632 wiederum konkretisiert Wallenstein Vorkehrungen gegen eine kaiserliche Soldateska, die, wie es im Schriftstück heißt, eine Situa­ tion herbeigeführt habe, in der „weder die Wirthe in den Häusern / noch auff den Strassen die Raisende gesichert seyn / sondern aller orthen plündern / auffschlagen Kisten und Kasten / hinweg nehmung der Pferde vnd deß Viechs / außlauffen / außreutten / Spolirungen vnd andere dergleichen gantz vnverantwortliche Excesse gleich ohne scheüh verübet werden“.15

Mögen die erwähnten Mandate insofern von Interesse sein, als sie die Widerstände gegen das maßgeblich von Wallenstein implementierte, der Kriegsfinanzierung dienende Kontributionssystem belegen und einmal mehr verdeutlichen, wie schwierig es offenkundig war, frühneuzeitliche Söldnerheere zu disziplinieren, sind sie dennoch in erster Linie als Belege für Aufgaben und Maßnahmen zu werten, wie sie für militärische Akteure in vergleichbarer Position während des Dreißigjährigen Kriegs üblich waren. Als zeittypisch dürfen auch einige wohl auf das Jahr 1625 zu datierende Porträtdarstellungen gelten, die in Form eines Kupferstichs Verbreitung fanden.16 Und jene Schlachtbeschreibungen schließlich, in denen der Name Wallensteins als eines der beteiligten Kombattanten fällt, unterscheiden sich nicht von Darstellungen anderer Gefechte, in denen die Truppen des Friedländers nicht in Erscheinung traten. Beispielhaft sei hier ein Flugblatt mit dem Titel Abbildung / neben kurtzem Bericht / welcher gestalt den 15 April. Anno 1626. 14  Vgl. Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17 28:722802W) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SR CHA&IKT=8002&TRM= %2728:722802W %27]. 15  Vgl. Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17 12:676316N) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SR CHA&IKT=8002&TRM= %2712:676316N %27]. 16  Ein vom Augsburger Kupferstecher und Verleger Wolfgang Kilian stammendes Porträtblatt findet sich im Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17 12:671507C) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD ?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2712:671507C %27]. Von Peter Isselburg, einem mehrheitlich in Nürnberg tätigen Kupferstecher, ist ebenfalls ein Porträtblatt überliefert (als Digitalisat verfügbar [https: /  / upload.wikimedia.org / wikipedia / commons /  8 / 85 / Arolsen_Klebeband_01_399_3.jpg]); ein weiteres stammt aus der Offizin des niederländischen Kupferstechers Hendrik Hondius (als Digitalisat verfügbar ­[https: /  /  commons.wikimedia.org / wiki / File:Wallenstein_Hondius_1625.JPG]). Ein ver­mutlich ebenfalls um die Mitte der 1620er Jahre entstandener Kupferstich zeigt den Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen hoch zu Ross [https: /  / commons.wikimedia. org / wiki / File:Wallenstein_Reiterbild.JPG]. Zu den zeitgenössischen Porträts Wallensteins vgl. Ottomeyer (2011), S. 75–94.

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der Hertzog zu Friedland / die Manßfeldische Armee von der Elbbrucken zu Dessa abgetrieben / zertrennt / vnd guthen teils erlegt hat genannt, das eine tendenziell nüchterne Beschreibung der Niederlage bietet, die ein protestantisches Heer unter der Führung Ernst von Mansfelds gegen von Wallenstein befehligte kaiserliche Truppen bei Dessau erlitt.17 Die vorgängig genannten Einblattdrucke zeichnen alles in allem das Bild eines militärisch erfolgreichen Generals, eines gleichermaßen strengen und effizienten Sachwalters der vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen mit dem dänischen König etablierten Kriegs- und Finanzordnung sowie eines um die Heeresdisziplin bemühten Kommandanten; eine Glorifizierung oder Dämonisierung Wallensteins scheint nirgends intendiert. Interessanter sein dürfte da Abconterfeytisch Wunderzeichen / welches den 29. Novemb. 1628. vmb 8. vnd 9. Vhr Vormittag zu Schwerin im Mechelburger Land / von Jhr Fürstl. Gnaden Hertzogen von Friedland / etc. neben viel hundert Personen / am Himmel gesehen worden, ein illustriertes Flugblatt, dessen Graphik eine Himmelserscheinung zeigt, die im Begleittext beschrieben und mit den Worten kommentiert wird: „Was nun solches bedeutet / ist Gott allein bekannt.“18 Die explizite Nennung Wallensteins an prominenter Stelle wirft allerdings die Frage auf, ob das dargestellte Lichtphänomen – es handelt sich um eine Nebensonne – nicht doch in Bezug zum kaiserlichen General zu setzen ist. Die durch ihre Hörner dem Bereich des Diabolischen zugeordnete Nebensonne, die der „Natürliche[n] Sonne“ den Rang streitig macht, und der aufgrund seiner langen Ohren eher an einen Esel gemahnende gekrönte „Ochsen- oder Büffels Kopff“ können durchaus als Kritik am Machtanspruch und am sozialen Aufstieg Wallensteins interpretiert werden, zumal auch der Begleittext eine Spitze gegen den 1623 in den Reichsfürstenstand erhobenen Herzog von Friedland enthält. Dessen abschließende Worte lauten: „GOtt befreye vns von allen wolverdienten Landplagen / vnnd gebe vns den lieben Frieden / vmb deß rechten Friedfürsten Jesu Christi vnsers Heylands vnnd Erlösers willen / Amen.“ Deutlich pointierter argumentiert Wahre Historie Des Wallensteinischen Gelächters, ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Flugblatt protestantischer Provenienz, in dem das Konkurrenzverhältnis zwischen den kaiserli17  Ein Abdruck des Flugblatts findet sich in Hofmann-Randall, S. 122 [Signatur: A III 65]. Abbildungen und Transkriptionen weiterer Flugblätter, die Schlachten des Dreißigjährigen Krieges beschreiben, an denen die Truppen Wallensteins beteiligt waren, finden sich in Hempel (vgl. die Abbildungen 28, 31 und 33 im Anhang; S. 308–310, 316–322, 328–337). 18  Das Flugblatt befindet sich u. a. in der Universitätsbibliothek Frankfurt (Sammlung Gustav Freytag) und ist digital verfügbar [http: /  / sammlungen.ub.uni-frankfurt. de / freytag / content / titleinfo / 4360106].



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chen Generalen Wallenstein und Tilly satirisch beleuchtet wird.19 Der Bildteil stellt den von zwei stehenden Figuren flankierten Wallenstein dar, sitzend auf jenem prächtigen Stuhl, den er, wie der anonyme Urheber des Textteils verrät, anlässlich seiner Absetzung auf dem Kurfürstentag von Regensburg anfertigen ließ. Nach der Niederlage seines Rivalen Tilly gegen ein schwedischsächsisches Heer vor Leipzig habe Wallenstein in diesem Stuhl vierzehn Tage gelacht, aus Genugtuung darüber, dass nun nicht er, der beim Kaiser in Ungnade gefallene ehemalige Generalissimus, sondern sein Konkurrent Tilly sich mit Schande bedeckt habe. Ungeachtet der Tatsache, dass es der Friedländer ist, der im Titel genannt und in der Graphik porträtiert wird, richtet sich das Flugblatt allerdings in erster Linie gegen den kaiserlichen Feldherrn Tilly, der nach der verlorenen Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631 zur Zielscheibe von Spottliedern und Schmähschriften kursächsischen und schwedischen Ursprungs avancierte, die der Verfasser des Flugblatts gleich zu Beginn mit den Worten „Der Spott folgt auff den Schaden“ rechtfertigt.20 Zwar dürften Formulierungen wie „Sathan vnd Anhang“ auch auf Wallenstein gemünzt sein, und wenn der Autor reimt „Thut doch ein Hänger selbst den andern wol außlachen“, macht er deutlich, dass zwischen dem aus den spanischen Niederlanden stammenden Grafen und dem böhmischen Herzog in moralischer Hinsicht kein Unterschied besteht. Dennoch ist es, wie die den Text beschließenden Verse bestätigen, Tilly, der im Zentrum der Attacke steht, heißt es dort doch mit Blick auf den amtierenden Generalleutnant des kaiserlichen Heeres: „Wann man in Klugheit sich so närrisch hat bethan So lacht ja Freund vnd Feind / es lacht wer lachen kann.“ Die vorgebliche Rivalität zwischen den kaiserlichen Generalen bildet übrigens auch den Ausgangspunkt von Extract […] Eines Schreibens Von dem […] Hertzogen zu Mechelnburgk […] An […] den General Tylli, einer 1631 gedruckten Flugschrift, in der Tilly von Wallenstein auf obszöne Weise angegriffen wird.21 In einer angeblich von einem kaiserlichen Offizier versifizierten fiktiven Epistel beschimpft dieser seinen Kontrahenten als „alte[n] FotFlugblatt ist abgedruckt in Harms/Paas u. a. (1983), Nr. 56. diesbezüglichen Argumentation des Flugblatts vgl. Schilling (1990), S. 168. 21  Der Titel der Flugschrift lautet: Extract vnd Summa Eines Schreibens Von dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Alberto, Hertzogen zu Mechelnburgk / Friedland vnd Sagan / deß Oceanisch: vnnd Baltischen Meers Generaln, An Sein Hochgräffliche Excellentz den General Tylli geschrieben / Worin jhre Durchl. Sein Excellentz Jhres wiederfahrnen Vnglücks beklagt / Jhm die Importantz remonstriret, auch theils etwas beschuldigt vnd verweiset / durch einen wohl affectionirten Röm. Käyserl. Mayest. hohen Officirern außgeschrieben vnd in folgende Reimen verfasset. Beneben Der Päbstischen Armee vnter Deß Alten Corporals GeneralGraffn von Tylli Commando Zugk vnd Flugk. Jm Thon: Zeug Fahle zeug / etc. Jm Jahr vnd Tag TILLIsChe Crafft / Der Tag RegIn / Von SChVVeDn aVCh SaChsn / brIngt In RVIn. 19  Das 20  Zur

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zenhut“ und „ScheißMatz“, stellt Tillys Hilflosigkeit angesichts der militärischen Erfolge Schwedens heraus, die er mit der in der zeitgenössischen protestantischen Publizistik verbreiteten Formel eines Laufs durch die „PfaffenGasse“ in Erinnerung ruft, erwähnt die eigene demütigende Absetzung durch die katholische Liga, und hält schließlich triumphierend fest: „Nun langt man wieder bey mir an / Jch soll doch mein Bests darzu than“. Dass dasselbe Pamphlet ein weiteres Spottlied enthält, in dem Tilly in Andeutung an die Niederlage bei Breitenfeld als durch „das [Sächsische] Confect […] vergifftet“22 und als Mitglied des „Hasen Ordn“ verhöhnt wird, macht deutlich, dass die verbalen Angriffe sich auch in diesem Fall vor allem gegen den zunehmend glücklos agierenden Tilly richten. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass Extract […] Eines Schreibens Von dem […] Hertzogen zu Mechelnburgk […]An […] den General Tylli insofern singulär ist, als die zu Lebzeiten Wallensteins erschienenen Flugschriften überwiegend der Information ihrer Adressaten dienten und sich demzufolge einer tendenziell sachlichen Diktion befleißigten. Wie im Bereich der Bildpublizistik überwiegen innerhalb der auf Wallenstein bezogenen Flugschriftenliteratur vor 1634 Drucke, die in Zusammenhang mit dessen militärischen Kampagnen stehen. Im Wesentlichen handelt es sich um Kompilationen von Zeitungsberichten über militärische Operationen der Wallensteinischen Truppenverbände,23 Beschreibungen von Kampfhandlungen im Zuge des Niedersächsisch-dänischen Krieges,24 von Wallenstein veröffentlichte kaiserliche Mandate,25 Abdrucke von Verträgen zwischen den 22  Die sinnbildliche Umschreibung der Niederlage bei Breitenfeld als ‚sächsisches Confect‘, mit dem sich Tilly die Zähne verdorben habe, findet in der gegen den kaiserlichen General gerichteten Publizistik wiederholt Verwendung. Vgl. dazu Wang, S. 97–116. 23  Vgl. z. B. Gründlicher vnd Warhafftiger Bericht / Vom jetzigen Kriegswesen / so sich im Anfang des Monats September zu Wasser vnd zu Lande / Auff beyderseits begeben verlauffen vnd zugetragen: Item / wie der Herr General Hertzog zu Friedlandt sey vmb Eger vffgebrochen / vnd mit der gantzen Armada vff Schmalkalten vnd Hessen / dem General Tyllen zuzuziehen; Auß den Franckfurdischen Zeitungen vnd Wöchentlichen Avisen gedruckt / Erstlich zu Franckfurdt am Mayn / Bey Sigmund Latomo / Im Mont. Sept. 1625. (VD17 23:322100K) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD ?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2723:322100K %27]. 24  Vgl. z. B. Warhaffte Relation, Der stattlichen vn[d] namhafften Victori, welche Ihr Fürstl: Gna: Hertzog von Friedlandt den 25. Aprill / wider den Manßfelder gantz glücklich erhalten / dene er auffs Haupt erlegt. Gedruckt zu Augspurg / durch A­ndream Aperger / 1626. (VD17 14:003789D) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?A CT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2714:003789D %27]. 25  Vgl. z. B. Mandatum Avocatorium. Welches die Röm. Keys: Auch zu Hungarn vn[d] Böheimb / Königl. Mayest. […] Publiciren lassen: Hernacher aber […] Herr Albrecht Hertzog zu Friedland, Röm: Kays: Mayest: KriegsRath […] vnd General vber dero Armee zu mennigliches Wissenschafft in Druck zugeben gnädigst an bevoh-



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Kriegsparteien,26 Ordonnanzen27 oder Meldungen aus den Feldzügen gegen den schwedischen König und seine Armee.28 Darüber hinaus dokumentieren die überlieferten Flugschriften wichtige Stationen der wechselvollen Karriere Wallensteins: So erschien 1629 eine Flugschrift, in welcher der Kaiser Wallensteins Belehnung mit dem Herzogtum Mecklenburg bestätigt und die Reichsstände unter Androhung von Strafmaßnahmen dazu auffordert, den sich daraus ergebenden Rang seines Generals und die mit diesem Rang verbundenen Privilegien zu respektieren.29 Auch der Konflikt zwischen Wallenstein und den Reichsfürsten anlässlich des Regensburger Kurfürstentages im Jahr 1630 bildet den Gegenstand einer Flugschrift, in der von der Entlassung des kaiserlichen Generals allerdings noch nicht die Rede ist.30 Und schließlich wird auch die am 14. April 1632 zwischen dem Kaiser und dem Herzog len. Gedruckt zu Magdeburgk bey Wendelin Pohln / im Jahr 1626. (VD17 14:003844V) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2714:0038 44V %27]. 26  Vgl. z. B. Abdruck der Zwischen dem Durchl. Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Albrecht / Hertzog zu Friedland und Sagan / der Röm: Kays: […] Mayst: bestellten GeneralFeldHauptmans […] vnd der Statt Rostock / Wegen der / den 27. Oct. dieses 1628. Jars / eingenommen Kays: Quarnison / getroffenen Puncten vnd versicherungen. Rostock / im Jahr / MDCXXVIII. (VD17 23:260441M) [http: /  / gso. gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2723:260441M %27]. 27  Vgl. z. B. Wahrer Abdruck der Ordinantien, So der Durchläuchtige / Hochgeborne Fürst vnd Herr / Herr Allbrecht / Hertzog zu Friedland / und Sagan […] vor S. Fürstl. Gn. Soldatesca / so in der Chur vnd Marck Brandenburg einquartiret / publiciren lassen: Nach dem rechtem Besiegeltem / vnd Unterschriebenem Original […] nachgedruckt. Gedruckt im Jahr 1628. (VD17 39:162031Q) [http: /  / gso.gbv.de / DB= 1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2739:162031Q %27]. 28  Vgl. z. B. Schlesischer Zustand / Das ist Relation, Was von den 27 Maii biß anhero sich in der Schlesien begeben / wie beyderseits Armeen / die Keys. vnd ChurSächß. Brandb. vnd Schwedische an einander gerathen / vnd welcher gestalt ein Stillstand auff 14 Tage ist bewilligt vnnd beschlossen worden: Ingleichen / Die Friedens Puncta so Wallenstein vorgeschlagen vnnd was darbey vor allerhand Reden vnd Discurse vorbracht worden. MDCXXXIII. (VD17 3:626677K) [http: /  / gso.gbv.de / DB =1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %273:626677K %27]. 29  Vgl. Copia Der Confirmation Vber die von der Röm: Käys: auch zu Hungarn vnd Böheimb Königl. Majestat ertheilte vnd geschehene Belehnunge / Dem […] Herrn Albrechten / Hertzogen zu Friedland vnd Sagan / [et]c. Mit dem Hertzogthumb Mecklenburg / Fürstenthumb Wenden / [et]c.: Gegeben zu Wien / den 16.  Junii / im 1629. Jahr. (VD17 14:077951Z) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA& IKT=8002&TRM= %2714:077951Z %27]. 30  Vgl. Extract Schreibens auß Regenspurg / Was in Pfaltzgräffischen / Mecklenburgischen vnd andere ReichsSachen / biß dato Tractiret vnd gehandelt worden. Nebenst Etliche Petitiones an Ihre Kay. Maytt. vom Hertzogen zu Friedlandt vbergeben / vnd darauff erfolgte Churfürstliche Resolution. Gedruckt Jm Jahr 1630. (VD17 28:719453S) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM=  %2728:719453S %27].

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von Friedland getroffene Vereinbarung von Göllersdorf, welche die Vertragsgrundlage für Wallensteins zweites Generalat bildete, gleich mehrfach im Druck veröffentlicht.31 Der bereits mit Blick auf die eingangs beschriebenen Flugblätter erhobene Befund gilt demnach auch für die zu Wallenstein überlieferten Flugschriften: Die publizistischen Reaktionen erweisen sich als insgesamt überschaubar, zeichnen sich durch ihren tendenziell berichtenden Charakter aus und verfolgen primär pragmatische Zielsetzungen. Ausnahmen bilden – neben dem bereits erwähnten Extract […] Eines Schreibens Von dem […] Hertzogen zu Mechelnburgk […]An […] den General Tylli – immerhin eine 1626 unter dem Pseudonym M[agister] L[iborius] V[ulturnus] T[annebergensis] veröffentlichte Sammlung von Soldatenliedern, welche die Siege kaiserlicher Armeen im Niedersächsisch-dänischen Krieg besingen,32 sowie eine auf das Jahr 1631 datierte Flugschrift mit dem Titel Höff- vnd zierliche Werbung Hertzog Albrechten von Friedlandt / An Jungfraw Magdeburg.33 Erstere spart nicht mit spöttischen Seitenhieben auf die gegen die kaiserlichen Heere kämpfenden Offiziere und Soldaten,34 rühmt insbesondere Tillys militärische Erfolge, erwähnt jedoch auch Wallenstein, der im metaphorisch als Jagd beschriebenen Feldzug gegen den Dänenkönig dem „alten Fuchse“ Tilly „mit einem grossen Grim / gleich einem Wilden Schweine“ zu Hilfe geeilt sei und dazu beigetragen habe, dass mancher gegnerische „Jagthund auff dem Platz“

31  Vgl. z. B. Abtruck / Vnd Verzeichnuß deren Puncten / vnd Articuln / auff welche Ihrer Fürstl. Gnad. Herrn Albrechten / Hertzogen zu Friedland / [et]c. Röm. Käys. Mayestät Generaln / das Generalat vber die Käys. Armada vernewert vnd versichert: Anjetzo gemeinem Vatterland Teutscher Nation zum Spiegel vnd Warnung in Truck gegeben. Getruckt im Jahr Christi / MDCXXXII. (VD17 14:004901F) [http: /  / gso.gbv. de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2714:004901F %27]. Dass die Flugschrift eine zuverlässige Wiedergabe des Vertragsinhalts bietet, findet eine Bestätigung in Michael, v. a. S.  393 f. 32  Vgl. Ein new Lied / Darinnen gemeldet wird / Welcher gestalt den 5 / 15. Aprilis Anno 1626. der Käyserliche General / Hertzog zu Friedland / die Mannsfeldische Armee von der Elbbrücken zu Deßaw abgetrieben / zertrennt / vnd guten Theils erlegt. Verfasset durch / M. L. V. T. (VD17 39:126684G) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 /  CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2739:126684G %27]. 33  Höff- vnd zierliche Werbung Hertzog Albrechten von Friedlandt / An Jungfraw Magdeburg. Außm Niederländischen ins Teutsch versetzt entleihet. Vff Roßwurms weise oder Melodey. Nachgedruckt Anno M.DC.XXXI. (VD17 3:636011V) [http: /  / gso. gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %273:636011V %27]. 34  So enthält das erste Lied über die Schlacht bei Dessau in der 10. Strophe eine antifranzösische Spitze („manch Frantzosch Cavalier / folgete dem HasenPanier / vnd rissen weidlich auß“), während das zweite Lied über die Schlacht bei Lutter in der 12. Strophe mit Blick auf den Gegner ironisch festhält: „Da wurd denn mancher Praver Heldt / in dem Holtze gefunden / vnd wider rauß geführt ins Feld“.



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blieb.35 Letztere wiederum inszeniert die nach wenigen Monaten aufgehobene Blockade Magdeburgs durch Wallensteinische Truppen im Jahre 1629 in Anspielung auf den Namen der alten Hansestadt aus protestantischer Perspektive als erfolglose Brautwerbung des Herzogs von Friedland. Als Belege für eine in die Zeit des ersten Generalats zurückreichende Genese des für die spätere Überlieferung charakteristischen, durch Ambivalenzen geprägten Wallensteinbildes, taugen allerdings auch diese Flugschriften nicht. Zwar tritt der kaiserliche Generalissimus in der zeitgenössischen Publizistik – und dies gilt gleichermaßen für die mir bekannten Flugblätter und Flugschriften – keinesfalls als strahlender Held in Erscheinung: Wenn etwa in einer späteren Version des Wallsteinischen Gelächters behauptet wird, Wallenstein habe befohlen, den „Postillon“, der ihm die Nachricht von der tödlichen Verletzung seines Rivalen in der Schlacht bei Rain am Lech überbrachte, aufzuhängen, weil dieser Tillys Ableben bedauernd als „böse Post“ gewertet habe,36 erinnert dies an die im späteren biographischen und historiographischen Schrifttum kolportierte Vorstellung von der besonderen Grausamkeit des Friedländers. Die Inszenierung Wallensteins als Urheber ehrverletzender Kritik an seinem Konkurrenten Tilly und der Hinweis auf die von seinen Truppen praktizierten illegitimen militärischen Gewaltmittel in Extract […] Eines Schreibens Von dem […] Hertzogen zu Mechelnburgk […]An […] den General Tylli37 wiederum beschädigen nicht nur den durch die militärische Intervention Schwedens in Bedrängnis geratenen Befehlshaber der kaiserlichen Armee, sondern bekräftigen zugleich das Bild Wallensteins als einer groben, grausamen und rachsüchtigen Persönlichkeit. Und wenn die von ihrem Kavalier als „Amazoninn“38 charakterisierte Jungfrau Magdeburg in Höff- vnd zierliche Werbung Hertzog Albrechten von Friedlandt ihren Verehrer als „Newgemachte[n] Herr[n]“39 und „Tyrannen“40 tituliert, während dieser beteuert, ihm gehe es nicht um den Reichtum der Umworbenen, denn „Das Römisch Reich thut vns vorhin Jhr Schätze all herleihen / Die Käyserliche Mayestath / Wegn vnsre tapffer Thaten / Für andern vns erhoben 35  Vgl. die Strophen 6 bis 9 des dritten Liedes, das sich in der Flugschrift Ein new Lied (siehe Anm. 32) findet. 36  Vgl. Waare Histori / Deß Wallsteinischen Gelächters. Vgl. Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17 12:676819N) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2712:6768 19N %27]. 37  Vgl. Extract vnd Summa (siehe Anm. 21), Aij verso: „Wie hette es können ärger werden / Wann all mein Schiefer auff der Erden / Gehenckt / gebrandt vnd graubet hetten / Ja Sathan selbst loß von den Ketten Wer kommen […]“. 38  Höff- vnd zierliche Werbung Hertzog Albrechten von Friedlandt, Aiij verso. 39  Ebd. Aij recto. 40  Ebd. Aiij recto.

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hat / Mit Land vnd Leuthen berathen“,41 ist dies zwar primär der in der Flugschrift imaginierten allegorischen Konstellation geschuldet, wirft jedoch kein gutes Licht auf den als Brautwerber auftretenden Wallenstein. Zu bedenken ist allerdings die durchwegs protestantische bzw. antikaiserliche Provenienz der eben zitierten kritischen Einschätzungen. In jenen Flugschriften, deren Verfasser die Position des Wiener Hofes vertreten, werden denn auch vor allem Wallensteins militärische Meriten gewürdigt.42 Aus den auf den noch lebenden Wallenstein reagierenden Publikationen sticht nun allerdings eine Flugschrift heraus, der wir eine ebenso anschauliche wie komplexe, bis in die jüngere Wallenstein-Biographik hineinwirkende Charakterisierung des böhmischen Generalissimus verdanken. Sie trägt den Titel Relatione Delle Heroiche Qvalità […] Del […] Baron di Wolestahim und gibt sich als italienische Übersetzung eines ursprünglich deutschen Originals aus.43 Die Flugschrift ist deshalb so bemerkenswert, weil sie ein spannungsreiches, durch Widersprüche gekennzeichnetes Porträt Wallensteins entwirft und dabei Beschreibungsmuster antizipiert, an die die kaiserliche Publizistik nach dem Tod des Friedländers anknüpfen konnte. Wallenstein 41  Ebd.

Aij verso und folgende Seite. beispielsweise die Flugschrift Zweyfacher SoldatenSpiegel, in welcher Wallenstein als fähiger Feldherrn gerühmt wird, etwa mit dem ironischen Hinweis „Was des Generals von Wallenstein Bettelbuben vnd Pfaffenknechte konten / ist der Manßfelder abermals bey der Dessawischen Schantz innen worden“ (Zweyfacher SoldatenSpiegel / Das ist: Trewhertziger Discurs: Darinnen Vrsachen angezeiget werden: Warumb in dem zehenjährigen teutzschen Kriege die Catholischen den Evangelischen gemeiniglich obgesieget / vnd numehr fast die Oberhand bekommen. Allen Teutzschen Evangelischen zur Nachricht verfasset vnd mitgetheilet / Durch einen Fried- vnd Freyheitliebenden Teutzschen Soldaten. Gedruckt im Jahr M.DC.XXIX., hier Diij recto (VD17 3:005658E [http: / / gso.gbv.de/DB=1.28/CMD?ACT=SRCHA& IKT=8002&TRM=%273:005658E%27]). 43  Vgl. Relatione Delle Heroiche Qvalità Dell‘Altezza Serenissima Del sempre inuito, & Trionfante Sig. Baron Di Wolestahim, Duca di Fridlandia, di Mechelemburg,&c. Generalissimo delli vittoriosi, inuincibili esserciti dell’Augustissima, & Sacratissima casa d’ Austria per tutta l’Europa. Direttore del Romano Imperio; Estipatore dell’ [unleserlich]; Domatore, & estirpatore del fiero Mostro Settentrionale. Tradotta dall’idioma Thedesco nell‘Italiano. Stampata in Ingolstadio, & ristampata in Trento. (VD17 3:702768U) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002& TRM= %273:702768U %27]. Die Datierung der Flugschrift ist mit Schwierigkeiten verbunden. Da der Text vermuten lässt, dass der Autor über gute Beziehungen zum Wiener Hof verfügte, die Tötung Wallensteins jedoch nirgends erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass der Druck vor 1634 erfolgte. Da außerdem mit dem im Titel genannten ‚Monster aus dem Norden‘ der schwedische König gemeint sein dürfte, spricht einiges dafür, dass die Flugschrift in den Wochen oder Monaten unmittelbar nach der Schlacht bei Lützen im November 1632 in Druck gelangte. Eine Veröffentlichung, die als deutschsprachige Vorlage der italienischen Flugschrift gelten darf, habe ich im Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts nicht eruieren können. 42  Vgl.



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wird als ein Feldherr beschrieben, den seine Soldaten verehren, der gleichermaßen streng bestraft und großzügig beschenkt, dem der Aufstieg von einem „pouero Caualliere“ zu einem der mächtigsten Fürsten des Reichs gelungen ist, der an seinem prächtigen Hof bedeutende Gelehrte um sich versammelt und dessen Unbestechlichkeit die Zeitgenossen beeindruckt. Der „Duca di Fridlandt“, so das Fazit, „e vno de più heroichi Principi del mondo, seuero, e liberale, superbo, e benigno, e magnanimo, e d’vna estrema sagacità, buon soldato, Eccellente politico, & in buona parte della seta de Machiauelisti.“44

Die grundsätzlich positive Darstellung Wallensteins wird nun allerdings konterkariert durch Aussagen, die dessen Persönlichkeit in einem problematischeren Licht erscheinen lassen. Wenn der anonyme Autor behauptet, Wallenstein habe von seinen Untergebenen absoluten Gehorsam verlangt und keinen Widerspruch geduldet, er habe sich von astrologischen Voraussagen leiten lassen, habe aufgrund seiner Lärmempfindlichkeit die Hunde und Katzen in seiner Umgebung getötet und all jenen, die ihn durch lautes Sprechen oder durch das Geklirr von gespornten Stiefeln belästigt hätten, grausame Strafen auferlegt, birgt dies zweifellos bereits den Keim der durch die spätere Wallensteinkritik gesponnenen ‚schwarzen Legende‘ in sich. Dennoch gilt eben gerade nicht, dass, wie noch jüngst ein Biograph behauptete, die zeitgenössischen „politischen Flugschriften“ das eindimensionale Bild des böhmischen Feldherrn als eines „allmächtige[n] und ehrgeizige[n], ungläubige[n], arrogante[n], grausame[n] wie auch tobsüchtige[n] Ratgeber[s] Ferdinands […], der die Reichspolitik nach Belieben völlig willkürlich kontrollier[t]e“ zeichneten;45 die Darstellung Wallensteins in der zu seinen Lebzeiten erschienenen Publizistik erweist sich bei näherer Betrachtung ungeachtet der sie leitenden Interessen vielmehr als tendenziell nüchtern und nur in Ausnahmefällen dazu geeignet, den ‚Mythos Wallenstein‘46 zu befördern. Bis zu jenem Moment, in dem das Reichsoberhaupt den Herzog von Friedland als Hochverräter brandmarkte und töten ließ, scheint in der öffentlichen Wahrnehmung, soweit sie durch Flugblätter und Flugschriften dokumentiert ist, die Auffassung Wallensteins als eines begabten und erfolgreichen, wenn auch strengen Heerführers, als eines durch eigene Leistung und kaiserliche Gunst zu höchsten Ehren gelangten sozialen Aufsteigers und als eines effizienten Kriegsunternehmers und -verwalters dominiert zu haben. 44  Die Übersetzung des Zitats lautet: „Diese meine Darstellung zusammenfassend, behaupte ich, dass der Herzog von Friedland einer der heldenhaftesten Fürsten der Welt ist, streng und großzügig, stolz, wohltätig und hochherzig, mit außerordentlichem Scharfsinn begabt, ein guter Soldat, ein äußerst fähiger Politiker und zu einem wesentlichen Teil der Sekte der Machiavellisten zugehörig“. 45  Rebitsch (2010), S. 42. 46  Vgl. Rebitsch (2012), S. 53–69.

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2. Erst mit dessen gewaltsamem Tod wandelte sich die publizistische Perzeption Wallensteins auf fundamentale Weise. Nachdem der Kaiser seinen General am 24. Januar 1634 für abgesetzt erklärt und am 18. Februar die Reichsacht über ihn verhängt hatte,47 erfolgte am 25. Februar die Exekution Wallensteins durch kaiserliche Offiziere. Die Liquidierung des Herzogs von Friedland löste im In- und Ausland ein Echo aus, das vom Wiener Hof so wohl kaum vorausgesehen worden war. Es kann in den folgenden knappen Ausführungen nicht darum gehen, die Flut von Drucken, welche die Vorkommnisse in Eger zum Thema haben, in ihrer Gesamtheit zu erfassen, zumal die öffentliche Resonanz auf Wallensteins Tötung in der Forschung bereits eine Würdigung erfahren hat und im vorliegenden Band an anderer Stelle behandelt wird.48 Ein kurzer Blick auf die in- und ausländische Berichterstattung muss genügen, um deutlich zu machen, wie sehr sich die publizistischen Reaktionen auf Wallensteins Tod nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht von jenen zu dessen Lebzeiten unterscheiden.49 In Anbetracht der Tatsache, dass Wallenstein entscheidend zum Ausbau und zur Konsolidierung der politischen und militärischen Macht Ferdinands II. beigetragen hatte, mag es überraschen, dass er nach seinem Tod von protestantischen Autoren sowie den politischen Gegnern Habsburgs Sukkurs erhielt. Dies hängt, woran zuletzt Hans Medick erinnert hat, maßgeblich mit Wallensteins Geheimverhandlungen 1633 zusammen, die auf protestantischer Seite als Versuch, im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation den Frieden herbeizuführen, gedeutet und zugunsten des kaiserlichen Generals ins Feld geführt werden konnten.50 Die Tatsache wiederum, dass es dem Wiener Hof auch Monate nach der Exekution des kaiserlichen Hinrichtungsbefehls nicht gelungen war, den Vorwurf des Hochverrats überzeugend 47  Vgl. hierzu die entsprechenden in Form von Flugschriften vorliegenden Mandate im Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts: Absetzung Wallensteins (VD17 14:005552D) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 /  CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2714:005552D %27] sowie kaiserliche Achterklärung (VD17 14:005577E) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCH A&IKT=8002&TRM= %2714:005577E %27]. 48  Zur Forschung zu den publizistischen Reaktionen auf Wallensteins Tod vgl. S. 105f. meines Beitrags. Ausführlicher äußert sich im vorliegenden Band Hans Medick zum publizistischen Echo, das die Tötung Wallensteins auslöste. 49  Die folgenden Ausführungen basieren auf Tschopp (1997), S. 26–29. 50  Hans Medick verweist auf bereits kurz vor Wallensteins Tötung erschienene Zeitungsberichte, aus denen deutlich wird, dass dessen Verhandlungen mit Vertretern Kursachsens und Schwedens im protestantischen Lager offenbar die Hoffnung auf einen baldigen Friedensschluss weckten (vgl. Medick, S. 114–117).



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zu belegen, spielte den Verfechtern einer antikaiserlichen Position in die Hände und so sind denn auch zahlreiche Publikationen aus Frankreich, aus Italien und vor allem aus dem Reich überliefert, die ein tendenziell positives Bild des Verstorbenen vermitteln und das Vorgehen des Kaisers ausdrücklich missbilligen: In französischen Berichten wird Wallenstein als Persönlichkeit dargestellt, die bei aller Strenge und Grausamkeit die politische und militärische Situation klug analysiert und die richtigen Folgerungen daraus gezogen habe, jedoch durch die Intrigen der kaiserlichen Höflinge, die seinen Aufstieg nicht dulden wollten, in den Untergang getrieben worden sei.51 Auch ein Großteil der in Italien erschienenen Publikationen schließt sich der Verurteilung Wallensteins durch den Wiener Hof nicht an, sondern kritisiert im Gegenteil das Vorgehen der an der Beseitigung Wallensteins beteiligten kaiserlichen Offiziere.52 Die ersten, ausführlichsten und schärfsten Verurteilungen der Ereignisse in Eger stammen allerdings aus der Feder deutscher Protes­ tanten und gelangten, wie Heinrich von Srbik in seiner Studie über Wallensteins Ende nachzuweisen vermochte, bereits ab Anfang März 1634 auf den Markt.53 Legen die frühen Flugblätter und Flugschriften zur ‚Causa Wallenstein‘ das Hauptgewicht auf die Vorgänge in Eger, die sie detailreich, wenn auch nicht immer der Wahrheit verpflichtet, schildern, so rücken die publizistischen Stellungnahmen, die ab Ende März erscheinen, die Schuldfrage in den Mittelpunkt. Als Verantwortliche für die Katastrophe werden neben einigen kaiserlichen Offizieren in erster Linie die Jesuiten und die Spanier ausgemacht, diejenigen angeblichen und tatsächlichen Gegner der Protestanten im Reich also, die in der antikatholischen Publizistik immer dann als Feinde in Erscheinung traten, wenn der Kaiser nicht direkt kritisiert werden sollte.54 Die Tatsache, dass zwar in den meisten Veröffentlichungen die Mörder verurteilt, die wahren Schuldigen jedoch am kaiserlichen Hof gesucht werden, offenbart das eigentliche Ziel der protestantischen Angriffe. Es geht in den meist aus der Feder proschwedischer bzw. kursächsischer Autoren stammenden Flugschriften und Flugblättern nicht in erster Linie darum, Informationen zu liefern, die eine zuverlässige Einschätzung der Rolle Wallensteins und des Verhaltens Ferdinands II. ermöglichen, sondern um die Schwächung des Reichsoberhaupts mitsamt seiner Armee und die Legitimation eines entschiedenen Vorgehens gegen den politischen und militärischen Gegner.

Berichterstattung in Frankreich vgl. Siegl (1904), S. 289–310. dazu Srbik (1952), S. 248–250. 53  Zu den Flugschriften protestantischer Provenienz vgl. Srbik (1952), S. 210–220. 54  Die ‚Spanische Rotte‘ und ‚Jesuitische Zucht‘ (Brut) wird sowohl in einigen Flugblättern (vgl. Tschopp (1997) S. 35) als auch in etlichen Flugschriften (vgl. Medick, S. 128) für das Vorgehen gegen Wallenstein verantwortlich gemacht. 51  Zur

52  Vgl.

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Dass derartige publizistische Verlautbarungen nicht ohne Wirkung blieben und der Druck der öffentlichen Meinung in Wien immer spürbarer wurde, belegen jene offiziellen und offiziösen Schriften, die – im Lauf des Frühjahrs und Sommers 1634 in dichter Folge publiziert – zum Ziel haben, das Vorgehen des Kaisers und seiner Offiziere zu rechtfertigen. Wenn man berücksichtigt, dass zwischen 1618 und 1648 die protestantische Publizistik den Markt beherrschte55 und das Ende Wallensteins eines der wenigen Ereignisse des Dreißigjährigen Kriegs darstellt, das eine publizistische Reaktion katholischer Autoren gezeitigt hat, die in ihrem Umfang vergleichbar ist mit derjenigen der protestantischen Parteigänger, wird die Brisanz der Situation, in der sich der kaiserliche Hof nach den Vorkommnissen in Eger befand, evident. Die in großer Anzahl gedruckten und in mehreren Auflagen verbreiteten Flugschriften APOLOGIA Vnd Verantwortungs-Schrifft / Auß was hohen […] Vrsachen / etliche […] Kriegsofficiri / an den […] Hert­ zogen zu Friedland / […] Hand anzulegen […| getrungen worden […] 1634., Außführliche vnd Warhaffte Relation Dessen / was sich […] mit Albrecht von Wallenstein […] Erstlich zu Pilsen […] dann letztlich zu Eger […] zuge­ tragen hat […] M.DC.XXXIIII., ALBERTI FRIDLANDI PERDVELLIONIS CHAOS SIVE INGRATI ANIMI ABYSSVS […] M.DC.XXXIV. und schließ­ lich die offizielle kaiserliche Rechtfertigungsschrift Außführlicher vnd Gründtlicher Bericht Der vorgewesten Fridtländischen […] Prodition […]­ M.DC.XXXIV. sollten denn auch belegen, dass sich Wallenstein des Hochverrats schuldig gemacht habe und demzufolge rechtmäßig hingerichtet worden sei.56 Zugleich galt es, das umstrittene Vorgehen des Wiener Hofes als juristisch korrekt herauszustellen, um dem angesichts der raschen und gründlich durchgeführten Konfiskation und Verteilung der Güter des Toten wiederholt formulierten Vorwurf, den Verantwortlichen sei es um persönliche Bereicherung gegangen, zu begegnen. Der kurze Blick auf die in den ersten Wochen und Monaten nach dem Tod des ehemaligen kaiserlichen Generalissimus erschienenen Flugblätter und Flugschriften dürfte deutlich gemacht haben, dass sich die Publizistik zu Wallensteins Tod nicht nur hinsichtlich ihres Umfangs, sondern auch hin55  Vgl. Tschopp (1991), S. 70 f. Was dort in Bezug auf die Publizistik der Jahre 1628 bis 1635 festgehalten wird, gilt auch für die Publizistik in Zusammenhang mit dem Böhmischen Aufstand und dessen blutiger Niederschlagung, dem ersten großen Medienereignis des Dreißigjährigen Krieges. 56  Zu den genannten Flugschriften vgl. die quellenkritischen Ausführungen in Ranke (1869), S. 485–505; Steuer, S. 4–57; Srbik (1952), S. 145–159 und S. 221–271; Gottwald, S. 48–74 und S. 81–97; sowie Urban, S. 138–140. Im Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts sind verschiedene Fassungen der aus dem Umfeld des Wiener Hofes stammenden Flugschriften bibliographisch erfasst und mit den dazugehörigen Digitalisaten verknüpft.



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sichtlich ihres Charakters von den zu dessen Lebzeiten veröffentlichten Berichten und Stellungnahmen unterscheidet. Im Gefolge der Ereignisse in Eger agierten pro- und antikaiserliche Akteure auf einem „medialen Schlachtfeld“,57 nutzten publizistische Äußerungen als Waffen in einem Meinungskampf, im Zuge dessen das Bild Wallensteins im Modus kontroverser Zuschreibungen jene Konturen gewann, welche die Rezeption des Friedländers auf lange Sicht bestimmen sollten. Konstitutiv für diese Rezeption ist die Wahrnehmung Wallensteins als einer durch scharfe Widersprüche geprägten, rätselhaften Persönlichkeit,58 deren militärische Brillanz durch Eigenschaften wie Grausamkeit, Eigenmächtigkeit, hemmungsloser Ehrgeiz oder moralische und religiöse Indifferenz konterkariert wird. Diese Wahrnehmung nun findet ihren Ursprung primär in der Publizistik des Wiener Hofes, der durch den Tod Wallensteins unter Rechtfertigungsdruck stand, allen Bemühungen zum Trotz keine in den Augen ihrer Gegner überzeugende Begründung für das Vorgehen der kaiserlichen Offiziere in Eger zu liefern in der Lage war und deshalb den publizistischen Angriff als Mittel der Verteidigung wählte. Wallensteins Undankbarkeit dem Kaiser gegenüber, dessen Grausamkeit, Ehrgeiz und Habgier werden von den Verfechtern einer kaiserlichen Position denn auch immer wieder hervorgehoben, der Herzog von Friedland in den Flugschriften katholischer Provenienz mit ‚Konspiration‘, ‚Untreue‘, ‚Meineid‘ oder ‚Prodition‘ (Verrat) assoziiert und mittels rekurrierender Epitheta wie ‚abscheulich‘, ‚boshaft‘, ‚eidbrüchig‘ oder ‚treulos‘ disqualifiziert.59 Wie polemisch kaiserliche Publizisten in diesem Kontext agieren konnten, illustriert eine in verschiedenen Fassungen überlieferte Flugschrift mit dem Titel Walstainivs Herodes, Judas exauctoratus, Der Herodische / Jschariodische außgemusterte Wallstein, die in der älteren Forschung aufgrund ihres begrenzten Informationsgehalts für eine historisch-kritische Analyse der Vorkommnisse in Eger keiner genaueren Betrachtung für wert befunden wurde.60 Dem Pamphlet, dem Heinrich von Srbik, ohne dies allerdings zu belegen oder auf den Inhalt näher einzugehen, weitgehende Übereinstimmung mit der Argumentationslinie und dem Ton der offiziellen und offiziösen Stellungnahmen des Wiener Hofes attestiert,61 ist ein kurzes lateinisches Medick, S. 120 sowie im Untertitel des Beitrags. überschreibt Geoff Mortimer die Einleitung zu seiner Wallenstein-Biographie mit den Worten „Ein Rätsel in einem Geheimnis umschlossen von einem Mysterium“ (Vgl. Mortimer [2012], S. 7–12). 59  Vgl. Tschopp (1997), S. 41. Die hier beschriebene, in der Bildpublizistik zu Wallensteins Tod dokumentierte Strategie findet sich auch in zahlreichen Flugschriften, die die genannten Termini nicht nur im Titel, sondern auch im Text verwenden. 60  Walstainivs Herodes, Judas exauctoratus, Der Herodische / Jschariodische außgemusterte Wallstein. Gedruckt im Jahr / 1634. (VD17 32:667887U) [http: /  / gso.gbv. de / DB=1.28 / CMD?ACT=SRCHA&IKT=8002&TRM= %2732:667887U %27]. 61  Vgl. Srbik (1952), S.  420 f. 57  So 58  So

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Gedicht vorangestellt, das in nuce all jene Vorwürfe enthält, die der anonyme Autor in der Folge über viele Seiten in deutschen Knittelversen ausbreitet: „Intravit ut Vulpes, Superbijt ut Pavo, Vixit ut Tygris, Belliger ut Lepus, Gratus ut Cuculus, Mortuus ut Canis.“ Der als „grausambst Tyran“62 Herodes und verräterischer Judas titulierte Wallenstein, so der Tenor der Invektiven, habe sich über den Kaiser erheben wollen, habe mit List die ihm von Ferdinand II. überlassenen Territorien an sich gebracht, habe seine Soldaten und seine Untertanen wie Sklaven behandelt, habe in seinem Herrschaftsbereich häretischen Gruppierungen freie Bahn gelassen, habe seine Ehefrau und seine Tochter verachtet, habe mit seiner Soldateska Land und Städte verwüstet, habe kaiserlichen Soldgelder unterschlagen, habe sich mit den Feinden des Reichsoberhaupts verbündet und habe die Ermordung der kaiserlichen Familie vorbereitet. Der Tod des ehemaligen kaiserlichen Generalissimus sei deshalb als gerechte Strafe anzusehen, dessen Hinrichtung als die gleichermaßen notwendige und rechtmäßige Konsequenz seines verwerflichen Handelns. Die Flugschrift endet mit der Kontrafaktur eines auf einem zeitgenössischen Flugblatt dokumentierten Epitaphiums,63 in dem Wallenstein noch einmal als Tyrann verunglimpft wird: „HJe liegt vnd stinckt mit Haut vnd Bein / Der Meineydig Albrecht Wallstein / Dann der Ander Keyser Ferdinand, Nidrigr ankunfft in Fürsten standt / Gesetzt hat vnd mächtig gemacht / Solch gnad er gar gering geacht / Jn dem die Böhmische Cron nicht ebn / Jhn mit den Sceptr deß Reichs ward gebn / Drumb er nach selben streben that / Bey Tag / bey Nacht / Morgens vnde spat / Durch übr Barbarisch Tyranney / Deßwegn er endlich Vogelfrey / Erklehrt wardt / vnd Jhm nachgestellt / Biß sein intent vnd Hochmueth gfellt / Vnd wie er Tyrannisch Regirt / Also wardt er Tyransch tractirt, Tyransch er must sein leben beschliessn / Das thet dem Tyrann sehr verdriessn / Recht / billich wahr die Tyranney / Dadurch dem Kaysr erzeigt wardt Trew“.64

3. Das Bild Albrecht von Wallensteins als einer polarisierenden historischen Gestalt gründet weniger in den zu Lebzeiten des Generalissimus kursierenden öffentlichen Darstellungen, als vielmehr in jenen publizistischen Manifestationen, die dessen blutiges Ende zum Ausgangspunkt einer den Herzog von Friedland exkulpierenden bzw. kriminalisierenden Deutung der Vorfälle 62  Walstainivs

Herodes, Judas exauctoratus (siehe Anm. 60), Ciij recto. Flugblatt ist abgedruckt in Paas, S. 103 [P-1963]. Vgl. auch Medick, S. 123, Anm. 34. Die hier interessierende Variante einer Grabschrift auf Wallenstein hat auch außerhalb der geschichtswissenschaftlichen Forschung Aufmerksamkeit gefunden (vgl. z. B. Meid, S.  92 f.). 64  Walstainivs Herodes, Judas exauctoratus (siehe Anm. 60), D verso und folgende Seite. 63  Das



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in Eger wählten. Als Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres oder als Landesherr war Wallenstein – zumindest in publizistischer Hinsicht – offenbar nur von begrenztem Interesse gewesen; zum Medienereignis avancierte er erst durch seinen aufsehenerregenden Tod. Um diesen Befund verstehen zu können, bedarf es eines genaueren Blicks auf das frühneuzeitliche Kommunikationssystem, auf seine Akteure, Institutionen und Dynamiken. Nur mittels einer Analyse der spezifischen Voraussetzungen, welche vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges mediale Aufmerksamkeit ermöglichten oder verhinderten, wird deutlich, weshalb die publizistische Resonanz auf den lebenden Wallenstein so gering und die auf den toten Wallenstein so gewaltig war. In Anbetracht der komplexen Strukturen frühmoderner medienbasierter Interaktion können meine folgenden Überlegungen nicht mehr sein als eine Skizze, deren Absicht vor allem darin besteht, eine Diskussion in Gang zu setzen, die den Blick über den von mir erörterten exemplarischen Fall hinaus weitet. Die Vermutung, die Flut publizistischer Verlautbarungen in Zusammenhang mit Wallensteins Tod sei wesentlich aus der Tatsache zu erklären, dass die Liquidierung des kaiserlichen Generalissimus ein außergewöhnliches, die Zeitgenossen überraschendes und verstörendes Vorkommnis darstelle, erscheint naheliegend und greift doch zu kurz, gibt es in der Frühen Neuzeit doch zahlreiche historisch bedeutende Ereignisse und Individuen, die nicht oder in nur sehr begrenztem Maße zum Gegenstand publizistischer Kampagnen avancierten. Wer betont, historische Anlässe und Akteure hätten aufgrund ihrer Exzeptionalität öffentliche Anteilnahme erregt, übersieht, dass die Signifikanz eines Ereignisses und der mit diesem Ereignis verbundenen Personen nicht allein und nicht einmal primär im Geschehen selbst ihre Ursache findet, sondern das Ergebnis zeitgenössischer oder nachträglicher Zuschreibungen darstellt, die sich spezifischen Konstellationen und Interessen verdanken. Zwar kann man mit Blick auf die Publizistik des Dreißigjährigen Krieges durchaus beobachten, dass die im Kontext eines militärischen Konflikts als ‚normal‘ zu betrachtenden Kampfhandlungen, wenn sie denn überhaupt thematisiert wurden, in der Regel den Gegenstand einer tendenziell deskriptiven und sachlichen Berichterstattung bildeten und nur dann kontroverse publizistische Reaktionen generierten, wenn sie, wie etwa die Eroberung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen im Mai 1631, besonders verheerende Folgen zeitigten. Der Tod eines Feldherrn wiederum erregte vor allem dann mediales Aufsehen, wenn er unter ungewöhnlichen Bedingungen erfolgte, wie die zahlenmäßig unbedeutenden publizistischen Reaktionen auf Tillys Ableben infolge einer während der Schlacht bei Rain am Lech zugezogenen Verletzung oder aber umgekehrt das enorme Medienecho auf die Liquidierung Wallensteins exemplifizieren. Sicher ist es außerdem hilfreich, wenn ein historischer Akteur günstige Voraussetzungen für eine klare publi-

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zistische Profilierung bietet, wie dies bei Gustav II. Adolf der Fall ist. Dass der schwedische König in der protestantischen Publizistik als strahlender Sieger und frommer Lutheraner in Erscheinung tritt, während der kaiserliche General Tilly zum militärisch erfolglosen Feldherrn und fanatischen Katholiken stilisiert wird, mag mit den anfänglichen Erfolgen der schwedischen Kriegsführung und der historisch bezeugten Religiosität beider Kriegsgegner zusammenhängen, gründet allerdings – und das scheint mir hier entscheidend – vor allem in der Einsicht proschwedischer Autoren in den propagandistischen Nutzen einer klaren Kontrastierung der militärischen und konfessionellen Kontrahenten.65 Exzeptionell ist demnach in der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges, was als exzeptionell behauptet wird; die Signifikanz historischer Ereignisse und Akteure ist wesentlich eine medial erzeugte. Wenn es weniger der in der Wahrnehmung der Beteiligten nichtalltägliche Charakter eines Vorkommnisses, sondern vielmehr das Ausmaß der mit diesem Vorkommnis in Zusammenhang stehenden publizistischen Stellungnahmen ist, das aus einem historischen Ereignis ein Medienereignis macht, wenn für Medienereignisse gilt, dass sie als durch öffentliche Kommunikationsakte bewerkstelligte ‚Konstruktionen von Wirklichkeit‘ zu bestimmen sind,66 deren konkrete Gestalt durch die diese Kommunikationsakte leitenden Absichten determiniert wird, muss die Frage nach den die Genese des ‚Medienereignisses Wallenstein‘ ermöglichenden Parametern noch einmal und anders gestellt werden. Konkret geht es darum, das Augenmerk auf jene Voraussetzungen zu richten, die auch im Fall der auf Wallenstein bezogenen Publizistik als Katalysatoren medialer Kommunikation fungierten, d. h. auf die strukturellen Rahmenbedingungen publizistischer Auseinandersetzung, auf zeitgenössische Auffassungen hinsichtlich der Bedeutung öffentlicher Kommunikation und auf die spezifischen militärischen und konfessionspolitischen Zielsetzungen, die sich mit der anti- und prokaiserlichen Propaganda verbanden. 65  Christoph Kampmann hat gezeigt, dass Kontrastbildung ein konstitutives Moment auch der protestantischen Geschichtsschreibung des 17. Jahrhunderts darstellt. Die überragende Persönlichkeit Gustav II. Adolfs gewinnt gerade im Kontrast zur negativ gezeichneten Gestalt Albrecht von Wallensteins ihre Konturen (vgl. Kampmann (2011), S. 27–50). Auch in der Historiographie des 18. und 19. Jahrhunderts dient Wallenstein als Gegenentwurf zum protestantischen Helden Gustav II. Adolf (vgl. Sack, hier S. 234 ff.). 66  Der Begriff ‚Medienereignis‘ wird hier im Sinne der Begriffsbestimmung im Programm des Graduiertenkollegs „Transnationale Medienereignisse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ verwendet. Charakteristisch für Medienereignisse sind demnach nicht nur die Verdichtung gesellschaftlicher Kommunikation mittels gedruckter und vervielfältigter Medien und deren meist transnationale Dimension, sondern auch und wesentlich, dass sie Ereignisse im Modus medienbasierter Kommunikationsverdichtung überhaupt erst als Ereignis konstruieren (vgl. https: /  / www.unigiessen.de / fbz / dfgk / tme / bilder-gkm / Ziele_und_Programm_GKM.pdf [07.07.2017]).



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Zunächst und erstens ist daran zu erinnern, dass eine die lokalen und regionalen Grenzen überwindende, sich des Buchdrucks bedienende öffent­ liche Kommunikation auf technische, institutionelle und personelle Ressourcen angewiesen ist, die im Alten Reich bereits um 1600 in hohem Maße gegeben, jedoch nicht gleichmäßig verteilt waren. In jenen Territorien, die sich der Reformation angeschlossen hatten, waren die Rahmenbedingungen insgesamt günstiger, was die protestantische Dominanz innerhalb der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges zumindest zum Teil erklärt. Zwar konnten auch katholische Autoren auf weit gespannte Nachrichtennetzwerke, technisch gut ausgestattete Druckereien und leistungsfähige Vertriebssysteme zurückgreifen, dennoch befanden sich deren lutherische und reformierte Antagonisten gleich in mehrfacher Hinsicht im Vorteil: Die bisweilen engen Beziehungen zwischen protestantischen Gebieten innerhalb des Reichs und Europas sorgten für einen stetigen Nachschub an Nachrichten, die meisten bedeutenden Druckzentren lagen in protestantischer Hand und die die Städtelandschaften des Reichs verbindenden Postsysteme kamen auch und gerade protestantischen Buchhändlern zugute. Vor allem jedoch konnte die protestantische Publizistik aus einem schier unerschöpflichen Vorrat an Autoren schöpfen und durfte sich eines anhaltenden Interesses ihrer Käufer und Leser sicher sein. Treten als Verfasser von Flugschriften katholischer Provenienz vorrangig Ordensgeistliche – unter ihnen sind Jesuiten besonders prominent vertreten – und Hofjuristen in Erscheinung, finden sich unter den Urhebern protestantischer Flugschriften und Flugblätter neben Theologen und Angehörigen politischer Funktionseliten auch Vertreter anderer sozialer Gruppen, etwa Handwerker oder Betreiber kleiner Druckoffizinen. Außerdem spricht einiges dafür, dass es vor allem im protestantischen Bereich ein Publikum gab, das nicht nur über die Fähigkeit zu lesen und die nötige Kaufkraft, sondern auch über ein ausgeprägtes Bedürfnis nach öffentlicher Interaktion verfügte, und damit den Druck von Flugschriften und Flugblättern kommerziell attraktiv erscheinen ließ. Wenn in der Publizistik um 1630 Gustav II. Adolf in hagiographisch anmutender Weise als alles überragende Figur inszeniert wird,67 während die Protagonisten aus dem katholischen und kaiserlichen Lager nur selten eine öffentliche Würdigung erfahren, hängt dies auch mit den hier angesprochenen strukturellen Divergenzen zusammen. Zu den Konstitutionsbedingungen publizistischer Aktivität zählen nicht nur die dafür notwendigen technischen, institutionellen und personellen Gegebenheiten sowie – auch diesen Punkt gilt es zu erwähnen – die Möglichkeit, sich an ein disperses Publikum zu wenden, ohne von der Zensur allzu

67  Vgl.

dazu Tschopp (1991).

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sehr behelligt zu werden,68 sondern auch und zweitens ein grundlegendes Verständnis für die Signifikanz öffentlicher Stellungnahme und damit verbunden eine stete Bereitschaft, die zeitgenössischen Wahrnehmungen lebensweltlicher Erfahrung im Sinne der eigenen politischen oder religiösen Gruppe zu beeinflussen. Die vorgängig angedeutete protestantische Dominanz innerhalb der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges dürfte nicht zuletzt einer vor allem auf evangelischer Seite verankerten Überzeugung von der Legitimität und Funktionalität öffentlicher Kommunikation geschuldet sein. Dass mehr protestantische als katholische Flugblätter und Flugschriften überliefert sind, hängt demzufolge nicht allein mit unterschiedlichen strukturellen Rahmenbedingungen zusammen, sondern ist auch ein Effekt der besonderen Bedeutung, die publizistischen Stellungnahmen auf evangelischer Seite beigemessen wurde. Konstitutiv dürften hier zum einen das sich von katholischen Auffassungen unterscheidende reformatorische Verständnis bezüglich der Rolle der Kirche und zum anderen eine in den ersten Reformationsjahrzehnten etablierte Debattenkultur, in der vielfältige Formen des Austauschs über religiöse und politische Themen eingeübt werden konnten, gewesen sein: Die streng hierarchische Organisation der Römischen Kirche, eine mit der Präferenz für Arkanpolitik einhergehende Skepsis gegenüber öffentlichen Verlautbarungen und die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts übliche Praxis, die Konfrontation mit abweichenden konfessionellen Positionen an einen kleinen, sorgfältig kontrollierten Kreis von Experten zu delegieren und Laien die Teilhabe an öffentlichen Diskussionen zu erschweren, wenn nicht gar zu verbieten, bildeten eher ungünstige Voraussetzungen für eine dynamische Pressepolitik. Demgegenüber hat das die Emanzipation evangelischer Christen begründende Postulat eines Priestertums aller Gläubigen im protestantischen Kontext die Affinität zu öffentlicher Interaktion und diskursiver Auseinandersetzung befördert, während das Prinzip protestantischer Landeskirchen zugleich dezentrale, eigendynamische Ausprägungen medienbasierter kommunikativer Prozesse ermöglichte. Es ist so gesehen kein Zufall, dass es um 1630 vorrangig protestantische Mächte, allen voran Schweden69 sind, die ihre jeweiligen Positionen durch gezielte Medienkampagnen einem breiteren Adressatenkreis zu vermitteln versuchen. Neben den genannten Ursachen für die protestantische Dominanz innerhalb der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges soll hier noch eine weitere erwähnt werden, die keinesfalls übersehen werden darf, wenn es darum geht, die Funktionsmechanismen frühmoderner Kommunikation auf dem Gebiet des Alten Reichs zu erklären: Im Gegensatz zur katholischen Partei, die mit der Römischen Kirche eine tradi68  Vgl. etwa Michael Schilling, der darauf hinweist, dass nicht nur „die Einrichtung amtlicher Zensur, sondern auch das kalkulierte und vorübergehende Absehen von Zensur“ eine „flexible Medienpolitik“ ermöglichten (Schilling [2004], S. 137). 69  Vgl. Tschopp (1991), S.  62 ff.



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tionsreiche religiöse Institution und mit Ferdinand II. ein Reichsoberhaupt, dessen Politik phasenweise einen dezidiert antiprotestantischen Charakter annahm, an ihrer Seite wusste, standen die Anhänger des sich erst langsam etablierenden, mit dem Ruch des Ketzerischen behafteten lutherischen und reformierten Bekenntnisses unter erhöhtem Legitimationsdruck, zumal die Interessen der protestantischen Fürsten und Reichsstädte nicht selten mit den Absichten kaiserlicher Politik kollidierten. Die Fülle an Flugblättern und Flugschriften protestantischer Provenienz ist deshalb nicht ein Indikator für die Stärke der Evangelischen im Reich; sie offenbart vielmehr die prekäre Situation, der sie sich ausgesetzt sahen. Dass die scheinbar offensiv agierenden publizistischen Manifestationen um 1630 meist aus einer defensiven Position argumentierten, belegt nicht zuletzt die Beobachtung, dass es im uns interessierenden Zeitraum nur zwei Ereignisse gibt, die eine hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Bedeutung mit den protestantischen Pressekampagnen vergleichbare katholische Publizistik hervorbrachten, nämlich die Eroberung Magdeburgs 1631 durch Tilly und die auf kaiserlichen Befehl erfolgte Tötung Wallensteins. Beide Geschehnisse waren dazu angetan, das Verhalten herausragender katholischer Akteure in einem schiefen Licht erscheinen zu lassen und das Reichsoberhaupt zu beschädigen; die kaiserliche Publizistik, die übrigens in beiden Fällen reagierte, d. h. sich erst zu Wort meldete, nachdem protestantische Pamphletisten sich des Themas angenommen hatten, verfolgte denn auch in erster Linie das Ziel, die als gefährlich erkannten Angriffe aus dem gegnerischen Lager abzuwehren und Ferdinand II. mitsamt seinen Offizieren zu verteidigen. Ein auch nur oberflächlicher Blick auf die publizistischen Konjunkturen zwischen 1618 und 1648 zeigt, dass es neben den bereits genannten strukturellen Voraussetzungen und dem Willen zu einer strategischen Nutzung medialer Kanäle weiterer Anreize bedurfte, sich öffentlich zu positionieren. Gerade am Beispiel der Kontroverse um die Tötung des Friedländers lässt sich verdeutlichen, in welchem Maße die im Kontext des Dreißigjährigen Krieges ausgefochtenen Federkriege sich nicht allein einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Popularisierung der eigenen Auffassungen, sondern außerdem und vor allem politischem Kalkül bzw. militärischer Notwendigkeit verdankten. In politischer Hinsicht boten die Vorkommnisse in Eger proschwedischen Autoren einen willkommenen Anlass, die Undankbarkeit und Unberechenbarkeit des Reichsoberhaupts ins rechte Licht zu rücken, nicht zuletzt um den seit 1631 mit Gustav II. Adolf verbündeten sächsischen Kurfürsten davon abzuhalten, sich wieder dem Kaiser anzunähern. Für die katholischen Autoren galt es deshalb, die Integrität Ferdinands II., die Legitimität der vom Wiener Hof gegen Wallenstein in die Wege geleiteten Maßnahmen sowie die kaiserliche Autorität herauszustellen. In militärischer Hinsicht wiederum bot sich mit der Absetzung und Tötung Wallensteins die

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Option, die dadurch im kaiserlichen Heer erzeugte Verwirrung zur Rekrutierung von Offizieren und Soldaten für die protestantischen Truppen zu nutzen. Der in den zeitgenössischen Flugblättern schwedischen und kursächsischen Ursprungs rekurrierende Hinweis auf den erbärmlichen Lohn, den der Herzog von Friedland für seine treuen Dienste erhalten habe, darf auch als Appell an die Angehörigen der kaiserlichen Armee verstanden werden, einen Wechsel ihres Arbeitgebers zu erwägen.70 Dies zu verhindern, ist eines der Ziele der Publizistik des Wiener Hofes, der nicht nur die Absetzung Wallensteins in einer Flugschrift kommunizierte und in diesem Zusammenhang die kaiserlichen Kommandanten und Soldaten auf das Reichsoberhaupt verpflich­ tete,71 sondern die von Ferdinand II. üppig belohnte Beteiligung seiner Offiziere an der Tötung Wallensteins als vorbildlich pries. Die publizistische Produktivität in den März- und Apriltagen des Jahres 1634 antwortet demnach nicht nur auf ein erhöhtes Informationsbedürfnis und die dadurch gestiegene Nachfrage nach Flugblättern und Flugschriften, welche die Ereignisse in Eger thematisieren, sie resultiert auch und vor allem aus der Tat­ sache, dass die Tötung Wallensteins der schwedischen Propaganda Anlass bot, eine eigene politische und militärische Agenda zu vertreten, während der in die Defensive gedrängte Wiener Hof sich in Kenntnis der Unumgänglichkeit einer öffentlichen Stellungnahme darum bemühte, das Vorgehen des Kaisers zu verteidigen. Die Antwort auf die Frage, warum die zeitgenössische Publizistik zu Al­ brecht von Wallenstein durch bemerkenswerte Diskontinuität gekennzeichnet ist, lautet – so das abschließende Fazit meiner Erörterungen –, dass erst dessen Tötung auf kaiserlichen Befehl eine Situation herbeiführte, in der ein durch die überraschenden Vorfälle in Eger erzeugtes Informationsbedürfnis und die Einsicht in die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit gezielter Meinungsbildung eine umfangreiche Produktion von Flugblättern und Flugschriften in Gang setzten. Der Relevanz der von den beteiligten Parteien verfochtenen Interessen im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Liquidierung des kaiserlichen Generalissimus entsprach der Umfang der publizistischen Bemühungen, die für sich in Anspruch nehmen dürfen, eines der bedeutenderen Medien­ ereignisse des Dreißigjährigen Kriegs generiert zu haben. Primäre Adressaten sowohl der die Position des Wiener Hofes verfechtenden als auch der antikaiserlichen Flugschriften und Flugblätter waren zweifellos zeitgenössische Tschopp (1997), S. 37. Mandat Welches Jhre Rämis: Käyserl: Mäy: an alle hohe / vnd nidrige Officirer hat abgehen lassen / auch wie die General Gallas an stadt / dem Walsteiner das Commando ist befohlen worden auch den Soldaten in allen Quartieren ist vorgelesen / wirdt alhie ein jeder berichtet werden. Gedruckt zu Prage bey Antonius Poleman. Jm Jahr 1634 (VD17 14:005552D) [http: /  / gso.gbv.de / DB=1.28 / CMD?ACT=S RCHA&IKT=8002&TRM= %2714:005552D %27]. 70  Vgl. 71  Vgl.



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Leser, denen eine Perzeption der Geschehnisse nahegelegt werden sollte, die mit den Auffassungen und Zielsetzungen der jeweiligen Partei in Einklang standen. Zugleich jedoch trug die Publizistik zu Wallensteins Tod, wie meine abschließenden Überlegungen zumindest andeuten sollen, zur Stiftung einer Memoria des Friedländers bei, die von jenen Deutungsmustern geprägt erscheint, welche im Kontext der Kontroverse um die Vorkommnisse in Eger erstmals öffentlich artikuliert wurden: Konstitutiv für das der Nachwelt überlieferte Bild Wallensteins, das – wie ich noch einmal betonen möchte – erst in den öffentlichen Reaktionen auf dessen gewaltsamen Tod klarere Konturen gewinnt, ist demnach, dass es das Resultat eines maßgeblich durch Druckmedien bewerkstelligten Konstruktionsaktes darstellt, an dem Autoren mitwirkten, die diametral entgegengesetzte Standpunkte vertraten. Wenn also der Herzog von Friedland den Nachgeborenen als ambivalente, durch Widersprüche charakterisierte geschichtliche Gestalt in Erinnerung geblieben ist, dürfte dies nicht so sehr mit seiner Persönlichkeit zusammenhängen, sondern mit den antagonistischen Perspektiven, die in der zeitgenössischen pro- und antiwallensteinischen Publizistik kollidierten. Welch außerordentliche Bedeutung insbesondere letzteren für den ‚Mythos Wallenstein‘ zukommt, scheint mir evident. Dass, wie Hans Medick postuliert hat, bereits die Zeitgenossen ein „heroisches Erinnerungsbild des Feldherrn und seines Endes“ geschaffen hätten, welches der Nachwelt bis zu Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie erhalten geblieben sei,72 mag durchaus zutreffen, und wie außerdem Daniele Vecchiato jüngst gezeigt hat, manifestiert sich in einigen um 1800 entstandenen Dramen eine bemerkenswert positive Einschätzung Albrecht von Wallensteins,73 zugleich allerdings gilt es zu betonen, dass die in zahlreichen Auflagen erschienenen offiziellen und offiziösen Drucke kaiserlicher Provenienz und die sie sekundierenden, für einen breiteren Adressatenkreis gedachten Reimflugschriften und illustrierten Flugblätter mit ihrer gegen den Friedländer gerichteten Tendenz die Erinnerung an Wallenstein nachhaltig beeinflusst haben. Nachdem Offiziere im Auftrag Ferdinands II. die physische Beseitigung des ehemaligen Generalissimus erledigt hatten, machten sich die Publizisten des Wiener Hofs an die Vernichtung der Fama Wallensteins. Wie erfolgreich sie dabei waren, belegen die bis in die Gegenwart reichenden Imaginationen und Interpretationen des böhmischen Feldherrn.74 Medick, S. 122. Vecchiato (2015b), v. a. S. 193–290, sowie den Beitrag des Autors im vorliegenden Band. 74  Zu den vielfältigen Wahrnehmungen Wallensteins vgl. Bahlcke / Kampmann sowie die knappen, auf eine Ehrenrettung Wallensteins zielenden Darlegungen Geoff Mortimers (Mortimer [2012], S. 293–308). In jüngeren biographischen Veröffent­ lichungen zeichnet sich die Tendenz zu einer günstigeren Beurteilung Wallensteins ab, so etwa auch bei Faber. 72  Vgl. 73  Vgl.

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Die Prägekraft gerade der durch den Wiener Hof popularisierten Deutungsmuster erklärt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Publizistik des Dreißigjährigen Krieges in der zeitgenössischen Historiographie eine intensive Rezeption erfahren hat. Dies gilt auch für die nach den Vorfällen in Eger erschienenen Flugblätter und Flugschriften, die sowohl in den frühesten, aus der Feder des Diplomaten und Historikers Galeazzo Gualdo Priorato stammenden Biographien Wallensteins75 als auch in Geschichtswerken wie Bogislaw Philipp von Chemnitz’ Königlich Schwedischer in Teutschland geführter Krieg (1648 / 1653)76 oder Franz Christoph Khevenhüllers vielbändigen Annales Ferdinandei (1640–1646) ihre Spuren hinterlassen haben. Das Beispiel der Annales Ferdinandei ist in unserem Zusammenhang besonders erhellend, verdeutlicht es doch, in welchem Maße publizistische Quellen sowohl die chronikalische Überlieferung der eigenen, als auch die der gegnerischen (konfessions)politischen Partei modellieren konnten. Wenn Gustav II. Adolf selbst beim im Dienst des habsburgischen Kaisers stehenden Khevenhüller als herausragender Heerführer, als äußerst fähiger Politiker und beeindruckende Persönlichkeit erscheint,77 ist dies ein Indiz für die Wirkmächtigkeit der proschwedischen Propaganda; Wallensteins äußerst kritische Darstellung im selben Kontext wiederum erinnert an die Publikationen des Wiener Hofes, die in den Annales Ferdinandei denn auch ausdrücklich Erwähnung finden.78 Jene Historiker nun, die sich in späteren Jahrhunderten mit Wallenstein befassten, haben die für die ältere Geschichtsschreibung charakteristischen Beschreibungsmodi nicht selten unhinterfragt übernommen und im Verbund mit den das Leben und Sterben des Friedländers beleuchtenden literarischen sowie biographischen Artefakten dazu beigetragen, ein Erinne75  Zu Galeazzo Gualdo Prioratos Verwendung publizistischer Quellen vgl. Strohmeyer, S. 55. 76  Christoph Kampmann hat auf den bemerkenswerten Umstand hingewiesen, dass Wallenstein auch in der protestantischen Historiographie eine tendenziell kritische Einschätzung erfährt. Chemnitz charakterisiert ihn denn auch mit jenen negativen Eigenschaften, die in der kaiserlichen Publizistik des Jahres 1634 immer wieder hervorgehoben wurden (vgl. Kampmann [2011], S. 33 f.). 77  Vgl. Tschopp (1991), S. 315. 78  Vgl. Khevenhüller, wo die publizistischen Reaktionen protestantischer Prove­ nienz – zum Teil mit wörtlichen Zitaten – thematisiert werden (Sp. 1174 f.), bevor der Verfasser festhält: „Also hat Jhr. Kayserl. Maj. für gut geachtet, durch dero ReichsHof-Rath ein Manifestum, denen Leuten ihre ungleiche Gedancken zu benehmen, publiciren zu lassen, darinnen nun der Verlauff ausführlich erzehlt, und demonstrirt worden“ (Sp. 1175) und anschließend die maßgeblichen Argumente der kaiserlichen Apologie zusammenfasst. An anderer Stelle (zwischen Sp. 1162 und Sp. 1163) integriert der kaiserliche Hofhistoriograph eine Matthäus Merian zugeschriebene, auch im Theatrum Europaeum erschienene Abbildung, die sich auf zeitgenössischen Flugblättern findet (vgl. Harms / Rattay, S. 200 f.). Zu Khevenhüllers Wallensteinbild vgl. Strohmeyer, S.  66 f.



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rungsbild Wallensteins zu zementieren, dessen Wurzeln in die publizistischen Kontroversen um dessen Tod zurückreichen. Die Verfasser der pro- und antiwallensteinischen Flugblätter und Flugschriften haben, so gesehen, nicht nur ihre Zeitgenossen in Aufruhr versetzt und für den Meinungskampf mit Argumenten gerüstet, sie haben zugleich Geschichte geschrieben.

Wallensteins Tod. Zeitgenössische Wahrnehmungen in Medien und Selbstzeugnissen1 Von Hans Medick „Nemo ante obitum beatus – niemand ist schon vor seinem Tod für glücklich zu halten.“ Mit dieser Sentenz beschließt Christian II., Reichsfürst von Anhalt-Bernburg, in seinem Tagebuch die Beschreibung seiner persönlichen Reaktion auf den Tod des Feldherrn Albrecht von Wallenstein.2 Was aber bedeutet diese Vanitas-Vorstellung des 17. Jahrhunderts – nach der ein Leben überhaupt erst vom Tod aus, rückblickend, beurteilt werden kann – für die historische Einschätzung Wallensteins, wie sie sich durch die Jahrhunderte hindurch herausgebildet hat? Im Licht dieses Sinnspruchs sind es weniger die Taten als vielmehr der Tod Wallensteins, der eine besondere, ja geradezu die entscheidende Signifikanz erhält. Dennoch fällt diese Bedeutungszuschreibung keineswegs eindeutig aus: am spektakulären Ereignis von Wallensteins Tötung brechen sich unterschiedliche Wahrnehmungsmuster der Zeit, aber auch kontroverse Stränge seiner Beurteilung als einer historischen Figur. Denn es ist nicht nur Wallensteins (gewaltsamer) Tod als solcher, sondern vor allem dessen spezifische Wahrnehmung und Verarbeitung, die durchaus strittige Deutungsräume und Diskursstränge eröffnet – ausgehend von den zeitgenössischen Medien einer periodischen Zeitungsliteratur und Flugschriftenpublizistik, von Literatur und Theater, aber auch von Selbstzeugnissen aus der Zeit unmittelbar nach der Tat. Dieses uneinheitliche Spektrum der zeitgenössischen Reaktionen auf den Tod Wallensteins genauer in den Blick zu nehmen, ist erkenntnisreich. Denn während sich das Bild von Wallenstein seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges bis heute zwischen den ambivalenten Polen eines kriegsunternehmerischen und machtbewussten Erfolgsmenschen und dem eines tragischen 1  Dieser Beitrag ist die gründlich überarbeitete und inhaltlich erweiterte Fassung meines Aufsatzes „Wallensteins Tod. Auf den medialen Schlachtfeldern des Dreißigjährigen Krieges“, in: Daphnis 37.1 (2008), S. 111–130. 2  s. die Erläuterung zu diesem Tagebuch in Anm. 21 und 22 und den Nachweis des Zitats im Kontext der betreffenden Tagebucheinträge in den Anm. 23, 24 und 25.

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Friedenshelden eingependelt zu haben scheint, haben dagegen die zeitgenössischen Medien und Selbstzeugnisse diese Ambivalenz geradezu als ein produktives Spannungsverhältnis offengehalten: durch eine kontroverse zeitnahe Produktion von Wallenstein-Bildern „im Widerstreit“3 – unmittelbar ausgelöst durch Wallensteins Tod, der gemäß der oben erwähnten Vanitas-Sentenz rückprojizierende Urteile freigesetzt hat. Dieser „Widerstreit“ der Einstellungen geht jedoch über eine bloße Wallenstein-Kontroverse hinaus. Er ist zugleich Teil eines Inszenierungsgeschehens, das die zeitgenössischen Medien und Selbstzeugnisse als Mitakteure in eine bemerkenswerte Verschränkung von Politik, Militär und Gewalt einbezogen hat. Welches Bild des Feldherrn und kaiserlichen Generalissimus, seiner Taten und Absichten wurde gezeichnet, aber auch welches Bild von den Mördern und ihren Auftraggebern? Wie wurden die Nachrichten in den unterschiedlichen Druckerzeugnissen und Selbstzeugnissen über ihren Informationsgehalt hinaus als Teil der aktiven politisch-militärischen Auseinandersetzungen der Zeit verfasst, behandelt oder benutzt? Schon die wichtigsten wöchentlichen Zeitungen Mitteleuropas4 vermitteln in ihren Meldungen einen interessanten Befund: bereits bevor sie das „Ereignis“ der Mordtat selbst zur direkten Meldung machen, wird der Feldherr in mehreren Meldungen unterschiedlicher Zeitungen aus der ersten FebruarHälfte 1634 als Anhänger eines sofortigen Friedensschlusses zwischen der katholisch-kaiserlichen und der protestantischen Seite dargestellt. Seine in dieser Zeit geführten Geheimverhandlungen mit der kursächsischen und der schwedisch-protestantischen Seite werden ebenso erwähnt wie der sich abzeichnende Konflikt mit dem Kaiser nach dem sogenannten Pilsener Schluss vom 12. Januar 1634. So heißt es in den Frankfurter „Ordentlichen Wochentlichen Zeitungen“ in einer Meldung aus dem Vogtland vom 3. Februar: „Allhie gehen seltsame Discurß vor, die Papisten seyen mit dem von Wallenstein übel zufrieden, weil er einen Frieden zu stiften gesinnet seyn solle: Unlängst hat er seine Obristen alle vor sich gefordert und sie nachmahls ermahnet, ob sie bey ihm halten und stehen wolten. […] Welches sie alle mit Ja bey hohem Eyd confirmiert und sich unter einem Reverß 141 Obristen unterschrieben [haben].“5 3  So der Titel des von Bahlcke / Kampmann hrsg. Sammelbandes, s. hierzu Anm. 26 und den Text zu dieser Anm. 4  Sie sind in Kopien gesammelt im Zeitungsarchiv der wissenschaftlichen Einrichtung „Deutsche Presseforschung“ an der Universität Bremen, in den folgenden Nachweisen abgekürzt als: ZWDEP. Sie wurden dort an den Original-Faksimiles eingesehen. Neuerdings (seit 2015) sind die Sammlungen in einer digitalen Datenbank der Staatsund Universitätsbibliothek Bremen „Zeitungen des 17. Jahrhunderts“ zugänglich unter: http: / / brema.suub.uni-bremen / zeitungen17 [letzter Zugriff am 6.3.2018]. Da der elek­ tronische Zugang jedoch mit seinen Suchfunktionen nur eingeschränkt nutzbar und verbesserungsbedürftig ist und nicht für alle Zeitungen in gleicher Weise erfolgt, werden in diesem Kapitel die archivalischen statt der digitalen Nachweise zitiert.



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Bemerkenswert ist jedoch das Klima der Nachrichten- und Meinungsunsicherheit, in dem diese Meldungen der ersten Februarwochen des Jahres 1634 erfolgen und in dem – in heutiger Sprache – auch „fake news“ als glaubwürdig erscheinen konnten. Teilweise verschmelzen in den Zeitungsmeldungen „Erwartungshorizont“ und Realitätsdarstellung auf charakteristische Weise. So wird etwa der Übergang des Generalissimus zur protestantischen Seite bereits als vermeintliches „Faktum“ gemeldet, etwa in einem Bericht aus Dresden in der schwedennahen Stettiner (titellosen) Zeitung vom 17. Februar. Hier heißt es: „Der Wallensteiner ist mit 15 000 Mann zu den Schweden gestoßen und ist nunmehr des Kaysers Feind … Daß nun dieses alles wahr ist, schickte am Montage frühe der Wallensteiner einen Trompeter hier, darauff Churfürstliche Durchlaucht lustig die gantze Nacht durch biß gen früh umb 5 Uhr gewesen [.] Jetzo ist man in voller Arbeit, das Werck vollends in rechten Standt zu bringen.“6 Wallenstein wird also als Anhänger eines sofortigen Friedens und als friedenswilliger Überläufer zur protestantischen Seite präsentiert, bevor die ersten Nachrichten von seiner Tötung aus den unterschiedlichsten Orten in die Zeitungen gelangten. Das Bild des tragischen Scheiterns eines friedenswilligen Kriegsherrn und der ruchlosen Mordtat an ihm war damit gewissermaßen bereits vorgeprägt – „pre-mediated“7, wie man heute vielleicht sagen würde – bevor die Tat überhaupt stattgefunden hatte und von den Zeitungen des deutschen Sprachraums als Ereignis gemeldet werden konnte. Die Tat selbst fand in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1634 in Eger statt.8 Die frühesten Meldungen von der Tat datieren vom 27. und 28. Februar 1634, also nur zwei bis drei Tage danach. Sie wurden in den wöchent­ lichen Zeitungen innerhalb der ersten Märzwoche gedruckt und damit öffentlich bekannt. Bei der frühesten Meldung überhaupt handelt es sich um den mehrfach abgedruckten Bericht eines Boten aus dem Vogtland vom 27. Februar, der diesem von einem direkt aus dem Tatort Eger kommenden Infor5  Frankfurt: Ordentliche Wochentliche Zeitungen 1634 Nr. 9 (ZWEDP: Z1 / 1634 / 9). Bemerkenswert im Sinn einer Übertreibung ist in der obigen Meldung die Angabe, dass 141 Obristen den sog. Ersten Pilsener Revers vom 13. Januar 1634 unterschrieben hätten, in welchem Generäle und Obristen des kaiserlichen Heeres Wallenstein ihre Treue versicherten, während die tatsächliche Zahl der Subskribenten bei 49 Personen gelegen haben dürfte. 6  Stettin: Titellose Zeitung 1634–1636, Anno 1634, Nr. 9 Anno 1634 (ZWEDP: Z132 / 1634 / 9). Nach Bogel / Blüm, S. 110, ist diese Zeitung dem Zeitungsunternehmen des David Rhete in Stettin zuzurechnen. 7  Zur „logic of premediation in which the future has always already been pre-mediated“ vgl. Grusin, S. 38–62, hier S. 38. 8  Zum Tathergang und zum politisch-militärischen wie rechtlichen Kontext s. Kampmann (2005) und Srbik (1952), S.  160 ff.

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manten mündlich übermittelt wurde. In dieser Meldung wird die Tat in kurzen dürren Worten als „Mord“ dargestellt.9 Auch eine zweite frühe Meldung wurde nicht von einem professionellen Nachrichten- und Avisenhändler verfasst. Sie entstammt einem Brief, der auf der Grundlage eines mündlichen Berichts aus Eger am 28. Februar gegen 11 Uhr nachts in Stettin eintraf und dort in der ersten Märzwoche u.d.T. „Wunderliche Zeitung aus Böhmen“ gedruckt wurde.10 Die kurz danach einsetzenden professionellen Nachrichten und „Avisen“ kamen aus den Hauptnachrichtenorten Nürnberg, Augsburg und Regensburg, etwa gleichzeitig auch aus dem Tatort Eger selbst, sowie später auch aus kleineren nahegelegenen Orten. Die aus Nürnberg stammende Meldung vom 1. März in der „Straßburger Relation“ zeigt deutlich den zusammengesetzten Charakter der Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen. Sie lässt auch die andauernde Nachrichtenunsicherheit der ersten Woche nach der Tat erkennen, die damals selbst im Bewusstsein der professionellen Novellisten noch herrschte: „Auß Nürnberg vom 22. Februarij [1.März] Es ist von den underschiedlichen Orten Aviso einkommen, das General Fridlandt sampt seinem Secretarius Graff Terzky, Graff Kintzky und General Illo auff des Kaysers Befelch von dem Commmendanten, Jordan genant, mit den bey sich gehabten Soldaten seind zum theyl erschossen, und der Hertzog von Fridlandt mit einer Partisana darnider gemacht worden. Die Particularia können [der] Kürtze der Zeit halben vor dißmahl nicht geschrieben werden…Vom 19. Diß [dh. dieses Monats] hat ein Curier von Regensburg hierher bracht, das allda Bericht einkommen [seien], dass General Fridlandt zu Eger erstochen worden, neben noch etlichen vornehmen Herrn mehr, aber es wird allhier davon wunderlich discuriert. Etliche haltens vor ein apostotiert Werck [dh. eine gezielte Falschmeldung], das solches alles [als Täuschung] auß des Fridländers Befelch geschehen seye …, damit die Evangelischen sicher zu machen, sie dadurch desto besser zu erdappen. Etliche aber haltens vor gewiß und das er durch Antrieb deß Beyerfürsten were vom Keyser dießgustiert worden … Steckt ein Betrug dahinden, so wird er sich bald entdecken müssen, der wird durch die Prob, gleich wie das Ertz am Klang, durch das überauß grosse eingefallene Mißtrawen erkandt werden. NB. Bey Beschluss dieses kompt Bericht ein, daß Obgemeltes mit dem General von Fridlandt und anderen vornehmen Herrn gewiß sein soll, jedoch will man Solchem allhie noch keinen Glauben zustellen [dh. schenken].“11

9  Stuttgart: Zeitungen deß 1634. Jahrs … Stuttgart, Johann Weyrich Rößlin Nr. 9 (auf dem letzten Blatt der Eintrag: „getruckt den 1. Martij“ (ZWEDP: Z10 / 1634 / 9); die gleiche Meldung wurde sehr bald auch in Flugschriften integriert, welche die Zeitungsmeldungen zusammenfassten. Sie ist z. B. die erste Meldung in der Schrift „Ursachen warumb der Generalissimus Hertzog von Friedland sich von der Keyser­ lichen Seiten ab- und zu den Evangelischen Ständen mit seinem Volck begeben wollen … 1634“, abgedruckt bei Wapler, S. XXXIII–XXXV. 10  Stettin: Titellose Zeitung 1634–1636, Anno 1634, Nr. 9 (ZWDEP: Z132 / 1634 / 9).



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Informationssicherheit über die tatsächliche Ermordung des Generalissimus und seiner engsten Vertrauten stellte sich erst im Laufe der ersten Märzwoche ein und wurde dann in der zweiten Woche als Nachricht gedruckt. Bemerkenswert ist, dass jetzt zwar eine vielfache Verbürgung des Ereignisses einsetzte. Doch eine politische Bewertung war damit nicht verbunden. Die Tat wurde als „Mord“ oder – neutraler – als „Niedermachung“ bezeichnet und die unmittelbaren Mörder genannt. Was aber fehlte, waren Hinweise auf Hintergründe der Tat, weder in Direktiven des kaiserlichen Hofes noch in den deutlich protestantisch orientierten Zeitungen, etwa in Zürich und Stuttgart. In den habsburgisch-katholisch orientierten Zeitungen aus Wien hingegen fällt in den ersten zwei Wochen nach der Tat ein beredtes Schweigen auf. Es wurde nur von einer extremen Form der Tatsachenberichterstattung unterbrochen, wie etwa der lapidaren Meldung in den Wiener „Ordentlichen Zeitungen“ vom 11. März über das weitere Verfahren mit den Leichen Wallensteins und seiner ermordeten Gefährten, die freilich eine allgemein verbreitete ‚common knowledge‘ über das Faktum und den Hergang der Tat bereits voraussetzte: „Die todte Körper seyndt von Eger, wie man bericht, nach Miß [Miess] geführt worden, welches Stättlein der Illo pfandschilling weiß (d. h. als Pfandherrschaft) inne gehabt hat.“12

Wie aber sieht die Reaktion im Feld zeitgenössischer ziviler Selbstzeugnisse aus, von solchen Verfassern, die nicht als Militärs oder politische Amtsträger direkt mit der Tat verflochten waren? Hier fällt auf, dass zwei Selbstzeugnisse aus Mitteldeutschland, die ereignisnah niedergeschrieben wurden und von denen eines von einem Protestanten, das andere von einem Katholiken stammt, die Tat bemerkenswert nüchtern und beiläufig erwähnen. So setzte der protestantische Thüringische Hofrat Volkmar Happe in seinem stets ereignisnah niedergeschriebenen „Chronicon Thuringiae“ in einer Niederschrift von Mitte März 1634 die Kenntnis des Ereignisses bereits voraus, wenn er die Folgen der Tat äußerst nüchtern beschreibt: „Wegen des General Wallenstein und anderer vieler vornehmer Keyserlicher Oberst ist noch großer Tumult unter der keyserlichen Armee und sollen das Morden noch täglich starck continuieren.“13 Auch der Erfurter katholische Theologe und Domherr Caspar Heinrich Marx hielt das Ereignis in seinem „Diarium“ für bemerkenswert. Im Unter11  Straßburg: Relation aller Fürnemen und Gedenckwürdigen Historien … Johann Carolus, Anno 1634, Nr.10 (ZWEDP Z 24 / 1634 / 10). 12  Wien: Ordentliche Zeitungen 1634, Nr. 11, gedruckt von M. Formica (ZWEDP: Z 15 / 1634 / 11). 13  Happe, I, f. 30 v.

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schied zu Happe enthielt er sich jedoch einer Bewertung als „Mord“. Er notierte unter dem 26. Februar 1634 vorsichtig in sein Tagebuch: „Ist der kayserliche Kriegs General Albrecht Wentzel von Waldstein Hertzog in Friedtland … zu Eger mit anderen Kriegs Obristen und Officieren umbkommen, soll heimbligen Korrespondentz halber, so er wider den Keyser gehabt haben mag, geschehen sein. Seind auch underschiedlige Kriegsoffizier, hohe und niedrige, in Hafft genommen worden.“14 Von den insgesamt vier thüringischen mitteldeutschen Selbstzeugnissen, die ich in einer digitalen Edition herausgegeben habe15, erwähnen drei das Ereignis. Es sind die Eintragungen eines thüringischen Kollegen des Hofrats Happe in einem benachbarten mitteldeutschen Fürstentum, Michael Heubel aus Rudolstadt, die hier hervorstechen. Er war dort protestantischer Landrichter und Kriegskommissar. Heubel schrieb seinen Text auf der Basis zeitgenössischer Notizen allerdings erst über 40 Jahre nach der Tat und 30 Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges in den späten 70er Jahren des 17. Jahrhunderts endgültig nieder. In bemerkenswerter Weise verbindet sich bei ihm die chronistische Darstellung des Tathergangs (freilich mit einer unrichtigen Jahresdatierung 1633 statt 1634) mit einem Selbstzeugnis des Verfassers. Es verweist auf seine eigene spätere Besichtigung des Tatorts in Eger und würdigt das Ereignis im Stil eines barocken Memento Mori: „Den 25. … Februar ist der Generalissimus Herzog von Friedland Wallnstein samt den Grafen Terzky und Kinski in Eger auf kaiserlichen Befehlt von etlichen Offizieren ums Leben gebracht worden, wegen großer entdeckter Verrätherey… ich habe zu Eger das Zimmer, welches zwei Stubentüren hat, an welchen auch des Wallnsteiners Bludt [klebte], selber gesehen, indem es nicht ausgeleschet werden kann; auch die Stiege, wo er als ein Aas mit den Füßen hienunter geschleppt worden. Und ist also der vor einer Stunden ein großer Herzog war, jetzo der allergeringste und unwürdige Mensch worden, so kann der Herr die Gewaltigen vom Stuhl stoßen.“16

Heubels Würdigung des Ereignisses von Wallensteins Ermordung enthält jedenfalls mehr als die bloße Nachricht. Es ist, aus dem Abstand von 40 Jahren, das emotionalste der drei Thüringischen Selbstzeugnisse und setzt die persönliche Augenzeugenschaft als Beglaubigungsstrategie für die Verbür14  Marx, f.

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15  Mitteldeutsche

Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, hrsg. von Hans Medick und Norbert Winnige in Zusammenarbeit mit Anderen s. http: /  / www. mdsz.thulb.uni-jena.de / sz / index.php. Neben dem Chronicon Thuringiae von Volkmar Happe und dem Diarium von Caspar Heinrich Marx sind dies das Tagebuch des Erfurter Blaufärbers Hans Krafft und das Selbstzeugnis des Rudolstädter Landrichters und Kriegskommissars Michael Heubel. 16  Heubel, f. 105.



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gung einer historischen Tatsache ein. Selbst wenn das Ereignis vergangen ist, gewinnt es Dauerpräsenz – eben durch den unauslöschbaren Blutflecken Wallensteins. Freilich war der Landrichter auch ein eifriger Konsument zeitgenössischer Medien, vor allem des „Theatrum Europaeum“, in das die zeitgenössische Flugblatt- und Flugschriftenliteratur Eingang fand. Hieraus dürfte er die Nachricht von den Details der Tat möglicherweise zunächst bezogen haben. Zwei weitere chronikartige Selbstzeugnisse aus Franken, die in räumlicher Nähe zum Tatort niedergeschrieben wurden,17 bezeugen eine stärkere lokale Verflechtung der Autoren mit dem Tatgeschehen. Aufgrund der unterschiedlichen konfessionellen und territorialen Zugehörigkeiten der beiden Autoren lassen sie zugleich unterschiedliche Einstellungen zum Tatgeschehen erkennen.18 Der katholische Chronist, Ratsherr und spätere Bürgermeister Nikolaus Zitter aus Kronach in Oberfranken, einer Stadt, die zum Gebiet des Hochstifts Bamberg gehörte, erwähnt am Rande seiner 1661 fertiggestellten und publizierten Chronik seine eigene offizielle Entsendung nach Eger drei Wochen nach der Tat. Dort wollte er wegen einer Lieferung Pulver mit dem dortigen Stadtkommandanten John Gordon verhandeln, der an der Tötung Wallensteins und seiner Offiziere direkt beteiligt gewesen war. Zitter schildert in nüchternen Worten, wie er die geforderte Lieferung von Pulver und Granaten von Gordon am Ende bekam, aber vorher vom Hauptbeteiligten an der Tötungsaktion in dasselbe Zimmer in der Burg von Eger zum Gastmahl eingeladen wurde, in dem Wallensteins Offiziere kurz zuvor getötet worden waren: „Johann Niclaus Zitter … umb Munition zu sollicitirn nach Eger geschickt, von Herrn Obristen Gordan wohl empfangen, in der Stuben und [am] Tisch im Schloss gastiert, alwo kurz zuvor der General IIo, der Graff Tertzschci, Rittmaister Newman und andere vom Kayser Abtrinnige ihre blutige Mahlzeit gehalten, [wo er] selbigen Casus erzehlet, auch so er, Herr Gordan, mit Zuziehung seines Landtsmanns, [des] Obristen Butlers, welchen er mit einem Regiment Dragonern in der Nacht heimblich in die Statt gelassen, [den Anschlag] gegen den Hertzog von Friedland und obbemelten Generalspersonen verübt, und hernach mit etlichen Väss­lein Bulffer und 50. Handgranaten abgefertiget worden.“19

Von einer unmittelbaren Verflechtung, nicht ins Tatgeschehen selbst, aber in dessen chaotische Folgen in der lokalen Nachbarschaft berichtet die „Haus-Chronik“ des Georg Leopold, Bürgermeisters von Marktredwitz, einer Landstadt im Gebiet der freien Reichsstadt Eger, in unmittelbarer Nachbarschaft des Tatorts gelegen. Der Protestant Leopold, der sich regelmäßig in 17  Vgl. hierzu auch Ernstberger (1977). Ernstberger stützt sich in seinem „Stimmungsbild“ jedoch weitgehend auf amtliche Korrespondenzen. Er verzichtet auf die Heranziehung von Selbstzeugnissen. 18  Den Hinweis auf diese Zeugnisse danke ich Peter Engerisser. 19  Zitter, S. 53.

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der Burg von Eger aufhielt und über die dortigen Ereignisse vom 25. Februar 1634 mündlich und aus erster Hand unterrichtet gewesen sein dürfte, beschreibt nicht nur den genauen Hergang der von ihm als „Mord“ bezeichneten Tat, er hebt auch deren destabilisierende Folgen für die Stadt Eger, für Marktredwitz und für die ganze Region hervor: „Der Herzog, welcher schon schlafend, sich aus dem Bett erhoben, zu sehen, was vorhanden; wird alsbalden mit der Partisan durchrannt und zu Boden gericht etc. Darauf ging es abermals über und über und setzten wunderliche Händel ein, bis dieser Tumult geschlichtet. Nicht allein in der Stadt Eger, sondern auch im ganzen Königreich Böheimb, wusste kein Teufel, wer Koch oder Kellner war. – Weil denn nun auf dieses kein Mensch wusste, wer Herr oder Knecht war, als hat auch fast ein jedweder getan, was er gewollt; wie dann auch am 19. [29. Februar] dito die Kroa­ ten, so umb Eger gelegen, hier eingefallen, geplündert, das Vieh weggetrieben, die Salva Guardi ausgezogen [und] sehr übel gehauset. Oberster Gordon brachte es zwar dahin, daß wir das Vieh umb eine Summa Geldes wieder bekamen. Eodem die ist das meiste Volk umb Egner aufbrochen und in Böheimb gangen. Die Kroaten aber sind liegen blieben.“20

Unter allen bekannten zivilen Selbstzeugnissen aus Mitteldeutschland nimmt das Tagebuch Christians II., des reformierten Fürsten von AnhaltBernburg, eine besondere Stellung ein. Der Fürst war durch persönlichen Eid und Unterwerfungsverpflichtung gegenüber dem Kaiser zu politisch-militärischer Neutralität verpflichtet, hatte aber als Reformierter eine differenzierte Sympathie für die evangelische Sache. Seine Eintragungen in das wohl gewaltigste chronistische und autobiographische „Schreibwerk“ der Zeit des Dreißigjährigen Krieges21 zeigen eine beobachtende und teilnehmende Nähe zum Geschehen, die über die Zeugnisse anderer Zeitgenossen hinausgeht. Herausragend sind nicht nur die Informationsdichte und Ausführlichkeit, in der dieses Zeugnis mehrfach und zu unterschiedlichen Zeitpunkten22 auf 20  Leopold,

hier zitiert nach der Ausgabe Leopold, S. 38. Tagebücher umfassen 23 Bände und erstrecken sich über den Zeitraum vom 1621 bis 1656. Sie wurden und werden seit Ende 2013 in einer mustergültigen digitalen Edition und Kommentierung gemeinsam an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und am Historischen Seminar der Universität Freiburg unter der Leitung von Ronald Asch und Ulrike Gleixner von Andreas Herz, Arndt Schreiber und Ale­ xander Zirr als wissenschaftlichen Bearbeitern, mit der datentechnischen Umsetzung von Marcus Baumgarten und unter zeitweiliger Mitarbeit von Antoine Odier, ediert und erarbeitet. Als work in progress sind sie unter http: /  / diglib.hab.de / edoc / ed 000228 / start.htm fortlaufend in den Editionsfortschritten einsehbar. Nach Abschluss der Edition werden diese Tagebücher ein zentrales Referenzwerk für die weitere Erforschung der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges sein. 22  Mein besonderer Dank gilt Andreas Herz für die Transkription und Diskussion der bisher unveröffentlichten Passagen aus dem Tagebuchband für das Jahr 1634, die unmittelbar und zeitnah Wallensteins Tod betreffen. Zusätzlich zu diesen Passagen gibt es einen weiteren Textabschnitt im Band des Jahres 1636, der einen persönlichen Besuch Christians II. im Haus und in der Kammer in Eger am 27. August 1636 be21  Die



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Wallensteins gewaltsames Ende eingeht, sondern auch die Dimension reichsfürstlicher, nicht parteinehmender aber doch persönlicher Betroffenheit, die aus den Eintragungen spricht. Sie wurden zumeist, wie Christian II. notiert, aufgrund von mündlichen oder schriftlichen, aber wohl nicht gedruckten „Avisen“ niedergeschrieben, welche er zumeist von Leipzig aus durch Boten oder durch mündliche Mitteilung erhalten hatte. Nach vorhergehenden Eintragungen über den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Wallenstein und dem Kaiser und ab September 1633 der Notierung von Gerüchten über einen Frontwechsel, ja sogar am 27. Dezember 1633 schon eines Gerüchts über Wallensteins Tod, findet sich die erste Nachricht von der „jämmerlichen Ermordung“ des Feldherrn am 5. März (23. Februar) 1634, also acht Tage nach der Tat: Sie wird als Tat an der Frontlinie des Konflikts zwischen Wallenstein und dem Kaiser und von Wallensteins Übergang auf die protestantisch-schwedische Seite dargestellt – in einer Situation, in der Wallenstein dem Kaiser bereits „untreu“ geworden sei und sich mit den „Evangelischen“ und „Schwedischen“ zusammengeschlossen („conjugiert“) habe: „Ein grausamer Avis von Leipzig, wie General H.[erzog] von Fridlandt … dem Kayser untrew worden, undt auf Gallaaß getroffen, Jhm auch etzliche Regimenter zu nichte gemacht, hernacher sich mitt den Evangelischen couniungirt, den Schwedischen Pilsen übergeben, einen Trombter [Trompeter] nach Dresen [Dresden], mitt Avis seines Treffens, geschickt, undt wie es mitt ihme ergangen, &c. auch Eger gleichsfalß tradiren wollen, so ist er alda von einem Obersten zu Gaste geladen, undt neben Ob[rist] Jlo, Obr[ist] Tertzschka undt etzlichen andern jämmerlich ­ermordet worden. NB.- Er hat demselben undt 27 andern [von] seinen Obersten, nichts Böses zugetrawet, denn Sie haben ihm zuvor schweeren müßen, bey ihm zu leben undt zu sterben. Die Schwedischen haben sich zwar vor Eger praesentirt, aber wegen wolbestellter Wache des Breunerischen Regiments nichts ausrichten können. Diese That ist den 15. Februarij [25. Februar neuen Kalenders] Donnerstag die geschehen undt (wo es sich also verhelt) sehr denckwürdig. Die Friedl[ändische] Armée soll numehr in großer Confusion sein, weil niemandt des andern Commando sich unterwerfen will, undt vermeinen die Schwedischen dannenhero eine große Victory zu erhalten.“23

Einschränkende Zweifel am Wahrheitsgehalt der Nachrichten, die in der Eintragung vom 5. März noch in der eingeschobenen Formulierung „(wo es sich also verhelt)“ zum Ausdruck kommen, weichen in der Eintragung zwei Tage später am 7. März angesichts inzwischen mehrfach eingetroffener und trifft, in der Wallenstein getötet wurde. Der Text ist als ein Schreibakt retrospektiver memoria persönlicher und emphatischer gehalten als die unmittelbar auf die Tat folgenden Passagen des Tagebuchs. Er ist digital verfügbar unter: http: /  / diglib.hab. de / edoc / ed000228 / start.htm, Jahr 1636, 27. August, Handschrift 189 v–191 r. 23  Tagebuch Fürst Christian II., Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt / Dessau: Z 18 A 9b Nr. 14, Bd. 12, S. 283 v.

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detailliert wiedergegebener „Avisen“ der Gewissheit von Wallensteins gewaltsamem Tod und der Kenntnis der genaueren Umstände seiner Tötung: „Nochmahliger Avis, daß H.[erzog] von Fridland nur einen Muscketirer zur Schildtwacht gehabt, darauf Graf Tertzschky, Graf Kinsky, Obr[ist] Jllo, undt Rittmeister Newmann aufs Schloß, von den Kayserlichen Affectionirten gebehten, so willig erschienen, unterwegens auch der Subscription ihres gemachten Schlußes gedacht worden. Als es aber tunckel worden, ist eine commandirte Truppe Tragoner, in die Stube aufs Schloß kommen, diese 4 alsobaldt stillschweigend niedergeschoßen, von dar zu des Hertzogs von Fridlandt Quartier geeylet, die Schiltwacht, einen Kämmerling, undt Pagen, so Sie nicht einlaßen wollen, niedergestoßen. Jn diesem Tumult eröfnet der Hertzogk die Stuben, da dann der commandirte Offi­ zirer, ihm alsobaldt mitt der Partisane einen Stoß durch den Leib geben. Als aber der Hertzog sich ermuntert undt nach dem Gewehr greiffen wollen, hat er ihm noch einen Stoß geben, daß er niedergefallen, also daß das Blut in der Stuben herumb gefloßen. Hernach ins Bettuch gewickelt undt also auffs Schloß geschlept worden, da man dann in seinem Losament, in die 6 Tonnen Goldes undt alle Arcana soll gefunden haben.“24

Christians abschließendes Urteil über das Ende Wallensteins ist knapp und nüchtern. Es enthält sich aller emphatischen religiös-politischen Parteinahmen oder Äußerungen menschlichen Mitgefühls und wird vom Tagebuchschreiber in drei barocken vanitas-Sentenzen über ein „schreckliches Ende“ zusammengefasst: „Ô des schrecklichen Endes! Mercket doch ihr Narren vndter dem volck, wann wollet ihr klug werden. Nemo ante obitum beatus!“25

Dieser Verweis auf eine rückwirkende Beurteilung Wallensteins von seinem gewaltsamen Tod aus ist bemerkenswert und außergewöhnlich. Denn die anderen ereignisnahen Selbstzeugnisse von zeitgenössischen Beobachtern zu Wallensteins Tod neigen in der Zeit unmittelbar nach seinem Tod eher zu einer ausgesprochen nüchternen, gegenwartsorientierten Darstellung ohne explizite Bewertung. Die Medien der Flugblätter und Flugschriften dagegen arbeiten bald schon viel prononcierter ein charakteristisches Bild Wallensteins „im Widerstreit“26 aus: nämlich in seiner Ambivalenz sowohl als Verräter wie als tragischer Friedensheld. 24  Ebd.,

S. 288 r–289 r. S. 289 r. 26  Vgl. Bahlcke / Kampmann. Die Beiträge dieses Bandes gehen jedoch nicht ausführlicher auf die Reaktionen in Medien und Selbstzeugnissen in der liminalen Phase unmittelbar nach der Tötung Wallensteins ein, in denen nach Meinung dieses Verfassers diejenigen „Wallensteinbilder im Widerstreit“ bereits ausgearbeitet wurden, die in der Historiographie und Literatur der späteren Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte folgenreich waren. 25  Ebd.,



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Dass die Flugblätter und Flugschriften schneller urteilen und der „offensive Charakter insbesondere der Flugblattpublizistik“ zutage tritt, sei – so Silvia Tschopp – ein Erfordernis des begrenzten Raumes gewesen, der den Einblattdrucken zur Verfügung stand und der deshalb zu argumentativer Zuspitzung genötigt habe.27 Doch auch in den Flugschriften findet sich eine besondere Form solch argumentativer Direktheit, die häufig aus wechselseitigen Bezugnahmen und gegnerischen Frontbildungen gegenüber anderen Texten entsprang. Erst hierdurch wurde ein geradezu mediales Schlachtfeld eröffnet, das Wallensteins Tod erst zu einem Medienereignis werden ließ. Erst durch diese Medialisierung wurde Wallensteins Tod dann auch zu einem signifikanten historischen Ereignis. Sehr bald verbreiteten sich die Nachrichten des Ereignisses auch über Mitteleuropa hinaus – dies vor allem auch mithilfe der Flugschriftenliteratur – so dass sich von Wallensteins Tod durchaus auch als einem grenzüberschreitenden europäischen Medienereignis sprechen lässt. Noch im Laufe des Jahres 1634 erreichte die Kenntnis von Wallensteins Tod auf diesen Wegen jedenfalls England28, Frankreich29, Italien30, Spanien31, Schweden32 und die Niederlande33.

27  Tschopp

(1997), S. 41 Anm. 32. die Druckschrift: The Relation of the death of that great Generalißimo (of his Imperiall Maiestie) the Duke of Meckleburg, Friedland, Sagan, and great Glogaw etc. Together with the cause thereof… London 1634, mit der Wiedergabe des Ersten Pilsener Schlusses vom 13. Januar 1634, des kaiserlichen Absetzungs- und Proskriptionspatents gegen Wallenstein vom 18.12.1634 und mehrerer brieflicher Nachrichten zur Ermordung Wallensteins aus unterschiedlichen Orten Mitteldeutschlands, datiert von Ende Februar bis Ende März 1634. Die fortwährende öffentliche Resonanz auf Wallensteins Tod zeigt auch ein Theaterstück von Henry Glapthorne, das als Text 1640 publiziert und vorher oder gleichzeitig am wohl wichtigsten Londoner Theater der Zeit, dem Globe Theatre, aufgeführt wurde: The Tragedy of Albertus Wallenstein late Duke of Fridland, and Generall to the Emperor Ferdinand the second. Written by Henry Glapthorne. The scene, Egers. And acted with good allowance at the Globe on the Banke-side, by his Majesties Servants, Imprinted at London: By Tho. Paine, for George Hutton, and are to be sold at his shop within Turn-stile in Holborne, 1640. 29  Vgl. Siegl (1904), und die dort abgedruckten Wallensteinfreundlichen Zeugnisse: nämlich zwei Sonderausgaben von Pariser Zeitungsberichten zu Wallensteins Tod vom 16. und 23. März 1634, S. 292 ff. Des weiteren werden zwei Druckschriften von 1634 erwähnt, von denen eine in fiktiv-literarischer Form ein freundschaftliches Treffen und Gespräch Wallensteins mit dem schwedischen König Gustav Adolf in den elysischen Gefilden, dem jenseitigen Aufenthaltsort der Heldenseelen, wiedergibt (Le Rencontre du Walestin et du Roy de Suede dans les Champs Elizées. Paris 1634). 30  Srbik (1952), S.  248 ff. 31  Ebd., S.  228 f. 32  Ebd., S. 218. 33  Ebd., S. 227. Srbik bezieht sich hier allerdings nur auf die Reaktionen in den spanischen Niederlanden. 28  Vgl.

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In engstem Zusammenhang mit der Kommunikation des Ereignisses und mit der Auseinandersetzung darüber in den Flugschriften fand auch eine mediale Grenzüberschreitung zu Formen literarisch-dichterischer und teilweise ausdrücklich fiktiver Darstellung statt. Gerade diese Poetisierung der öffentlichen Darstellung und Auseinandersetzung über Wallensteins Ende war hier imageprägend. Sie stand im Gegensatz zu einer kritischen Sicht Wallensteins in der gelehrten Zeit- und Hofgeschichtsschreibung auf protestantischer Seite, wie sie Christoph Kampmann herausgestellt hat.34 Dieser „poetic mode“ war es, der sehr bald nach seinem Tod ein Bild Wallensteins als tragischem Friedenshelden schuf und dazu beitrug, dieses Bild auf kunstvolle Weise zu „verewigen“. Doch wie sieht es mit der konfessionell-politischen Differenz der Flugschriften aus? Die bereits Anfang März 1634 einsetzende Flugschriftenpublizistik war zunächst völlig von der protestantischen Seite bestimmt.35 Auffällig ist freilich, dass sich die ersten Zeugnisse dieser frühen Phase weitgehend auf die Wiedergabe der Zeitungsmeldungen beschränkten, allenfalls dem Kaiser unter Hinweis auf dessen Proskriptionspatent vom Januar die moralische Verantwortung für den Mord zuwiesen. Eine zweite Welle von protestantischen Flugschriften drängte seit Mitte März auf den Markt. Sie sind nach der Charakteristik Heinrich von Srbiks durch „Evangelische Kampfesstimmung“36 gekennzeichnet: hier wird zum ersten Mal das Bild eines friedenswilligen Wallenstein ausgearbeitet, der „nach der Pfaffen Art und Weise“, vor allem auf Betreiben der Jesuiten und der spanischen Partei am Wiener Hof, von seinen eigenen Offizieren meuchelmörderisch beseitigt worden sei. Wallenstein dagegen wird als Friedensstifter dargestellt, der sich keineswegs gegen den Kaiser gerichtet habe, sondern der im Gegenteil – wie es in einer Druckschrift heißt – „Ursache ist, daß der Kaiser noch Kaiser ist“.37 Sbrik wie auch Silvia Tschopp sehen einen erheblichen Teil dieser Schriften zu Recht als Propaganda-Erzeugnisse und Agitationsmittel kursächsischen oder schwedischen Ursprungs.38 Mit erheblicher Verzögerung gegenüber dieser protestantischen Offensive setzte die publizistische Gegenwehr des Wiener Hofes ein. Sie ist auf die Zeit nach dem 12. März zu datieren. Srbik spricht für die Zeit der ersten beiden Märzwochen 1634 geradezu von „Paniktagen“ des Wiener Hofes.39 Der Hof sei vom protestantischen Medienecho auf die Ermordung Wallen34  Kampmann

(2011). (1952), S.  210 ff. 36  Ebd., S. 212. 37  Zit. ebd., S. 217. 38  Srbik (1952), S.  216 f.; Tschopp (1997), S. 28. 39  Srbik (1952), S. 226. 35  Srbik



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steins völlig überrascht worden und habe sich angesichts fehlender Beweise für Wallensteins Verrat im „Beweisnotstand“ befunden. Ein anderer bedeutender Faktor dürfte die Fixierung des Wiener Hofes auf eine ältere Kommunikationsform repräsentativer Öffentlichkeit gewesen sein. Sie gab der diplomatischen handschriftlichen Information durch ein vertrauliches kaiserliches Manifest, das an befreundete und neutrale Höfe verschickt wurde, Vorrang vor dem schnellen Gang an die Medienöffentlichkeit. Die publizistische Gegenreaktion der habsburgisch-katholischen Seite setzte erst in den letzten Märztagen oder Anfang April mit vier offiziösen Flugschriften ein.40 Sie musste also den bereits durch den protestantischen Diskurs gesetzten Bedingungen folgen. Notgedrungen nahm sie den Duktus der Verteidigung und Rechtfertigung an. Die Verantwortung für die Tat wurde hier allerdings nicht einem kaiserlichen Befehl zugeschoben, sondern der allein verantwortlichen, freilich als „ehrenvoll“ herausgestellten Tat der „ausländischen“ Offiziere Wallensteins. Zwei Druckschriften sind in diesem ­Zusammenhang besonders bemerkenswert. In beiden wird explizit auf den protestantischen Mediendiskurs Bezug genommen. Die erste trägt den Titel „Apologia und Verantwortungsschrift aus welch hohen, wichtigen und fürdringenden Ursachen, etliche … ihr[e]r kais[erlichen] Maj[estät] getreueste Kriegsoffiziere an den gewesenen kais[erlichen] Generalissimus, Albrecht Herzog zu Friedland … gewalttätige Hand anzulegen…bewogen und gedrungen worden“.41 Diese Schrift wendet sich insbesondere gegen die „passionierten und Parteiischen Richter“, welche „ihr judicium und Urtheil ehe und früher als sie deßwegen requiriert werden dörfften, fällen und exerziren möchten“.42 Damit sind wohl die Verfasser von Flugblättern und Flugschriften der protestantischen Seite gemeint. Dem stellt sie die persönliche Aussage der Offiziere entgegen, die an Wallensteins Tötung beteiligt gewesen sein sollen. Diese hätten dem Verrat Wallensteins und seinem Streben nach Herrschaft in Böhmen, ja nach der Habsburgischen Kaiserkrone, als ehrenhafte „Cavaliers“ im Dienste des Kaisers ein Ende setzen müssen.

40  Ebd.,

S.  240 ff. modernisierte und gekürzte Fassung des Titels. Originaltitel: Apologia Und Verantwortungs-Schrifft / Auß was hohen / wichtigen unnd fürdringenden Ursachen /  etliche zu Eger in Böheimb anwesende Ihr Kays. Mayst. Getreweste KriegsOfficiri / an den gewesten Kays. Generalissimum Albrechten Hertzogen zu Friedland unnd andere seine bey sich gehabte Adhaerenten den 15. (25.) Februar. Anno 1634. Gewaltthätige Hand anzulegen unnd zu verhüten höchstes Unheils, denselben vom Leben abzuhelffen bewogen unnd getrungen worden / neben angehengten umbständlichen Verlauff wie solches beschehen und fürgangen o. O. Im Jahr 1634. Im folgenden zitiert nach dem Nachdruck in Wapler, S.  VI ff. 42  Ebd., S. VI. 41  Leicht

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Wie die erste Druckschrift stellt sich auch die zweite: „Alberti Fridlandi Perduellonis Chaos, Sive Ingrati Animi Abyssus“43, eindeutig gegen die protestantischen Texte, die gegenüber dem Verrat Wallensteins die Augen verschließen. Sie bezeichnet die Tötung als die Vollstreckung eines „Gottes­ urteils gegen einen todwürdigen Verbrecher“. Bemerkenswert ist, dass der Verfasser des anonymen Textes mit der Autorität des „Selbstzeugnisses“ einer Person spricht, die sich in der Nähe Wallensteins aufgehalten hatte. 1937 ist es dem böhmischen Landeshistoriker und Archivar Viktor Bergl gelungen, das Geheimnis der Autorschaft zu lüften. Es handelt sich um den böhmischen Kammerherrn Johann Putz von Adlersthurn. Er war als Spitzel in Wallensteins Umfeld tätig und einer der wichtigsten Zuträger von Informationen an den Kaiserhof.44 Doch auch diese Texte, mit der Autorität von tatbeteiligten Augenzeugen verfasst, vermochten den „Federkrieg“ nicht zu stoppen. Schlag auf Schlag folgten die protestantischen Gegenschriften. Sie stellten die Wirkung der Schriften des Kaiserhofs in den Schatten, indem sie die moralisch-ethische Erörterung der Mordtat auf eine neue Stufe hoben. Gleichsam als negative Antwort auf die Argumentation der Wiener publizistischen Bemühungen wird die Tat jetzt im Gegenzug als ein Verbrechen von Privatpersonen dargestellt. Diese hätten sich widerrechtlich in die Rechtsprechungsgewalt und legitime Autorität ihrer Oberen eingemischt. Gleichzeitig wird die Argumentation auf eine höhere, ja höchste Ebene gehoben. Im Wortsinn wie im übertragenen Sinn geschieht dies in der Schrift „Relation auß Parnasso“.45 Sie wurde explizit als Gegenschrift gegen die „vermeinte Apologia“ verfasst, wie es bereits im Titel heißt, und im Sommer des Jahres 1634 zunächst von Nürnberg aus auf den Markt gebracht. Kaiserliche Agenten hielten sie immerhin für so wirkungsvoll-gefährlich, dass sie die erste Auflage der Schrift sogleich nach ihrer Publikation aufzukaufen versuchten, doch ohne durchgreifenden Erfolg, wie die zahlreichen weiteren Auflagen zeigen. 43  Alberti Fridlandi Perduellionis Chaos, Sive Ingrati Animi Abyssus, Cum Licentia Superiorum, o. O. [Wien] 1634. 44  Bergl (1934c). Auf S. 97 f. hier auch ein Auszug aus dem lateinisch geschriebenen Tagebuch des Putz von Adlersthurn, in dem er seine Autorschaft an der Schrift „Perduellionis Chaos“ bekennt. Nachforschungen des Verfassers nach dem Verbleib des Tagebuchoriginals blieben bisher ohne Erfolg. 45  Relation Auß Parnasso, Uber die Einkommene Adisen der Mörderischen Gewaltthat und Meuchelmords verübt an Käyserlicher Majest. Generalissimo Hertzogen von Friedland / General Feldmarschaln Christian von Ilo / Obristen Graff Wilhelm Kintzk / Obristen Land Jägermeistern deß Königreichs Böheimb / Obristen Tertzki /  Ritmeister Nieman. Durch Obristen Budtler / Johann Gordoun Tertzkischen Obr. Leutenant /  Waltern Lesle Tertzkischen Majorn / und Adam Gordoun Tertzkischen Capitän / und deroselben außgesprengte vermeinte Apologiam, o. O. 1634.



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Die „Relation auß Parnasso“ verlagert das Geschehen nach Wallensteins Tod in satirisch-ironischer Form ins jenseitige Reich des Parnass. Hier herrscht Apollo, umgeben von göttlichen Ratgebern und Helfern und beraten von Reichsständen, die auf die Wahrung und Durchsetzung von Recht und Gesetz achten. Die Geschichte beginnt in dem Moment, in dem Frau Fama vor den versammelten Reichsständen die „erschröckliche Neue Zeitung“ vom gerade erfolgten „Meuchelmord“ an Wallenstein berichtet46, der selbst mit „Vorsichtigkeit und Heldenmut“ ein großes „Pacifikationswerk“ zu vollenden suchte, das dann auf Betreiben der „spanischen Rotte“ und „jesuitischen Zucht [Brut]“ durch vier seiner eigenen Offiziere verhindert worden sei.47 Den Hauptteil der Geschichte bildet jedoch – anschließend an den Bericht der Fama – die Schilderung der tumultuarischen bewaffneten Invasion der vier für den Wallenstein-Mord verantwortlich gemachten schottischen Offiziere (Walter Butler, Johann Gordon, Walter Leslie und Adam Gordon) auf dem Parnass. Begleitet von blutbeschmierten Dragonern und einem jesuitischen Ratgeber, der im Text eine zweite Druckschrift „Fernere Apologia und Deduction“48 unter dem Arm trägt, machen sie den Versuch, ihre Taten von den Reichsständen des Parnass „justifiziert“ zu erhalten und überdies von Fama ihren guten Ruf als „cavaliers“ dauerhaft bestätigt zu bekommen. Wie zu erwarten, werden die vier Offiziere im Parnass entwaffnet und dann von den Reichsständen nach einem ausführlichen Verhör als „Meuchelmörder, Verräter und Meyneidige“ verurteilt, weil sie sich „wider aller Völcker Recht zu Anklägern, Richtern und Exekutoren ihrer eignen Obrigkeit“ aufgeworfen hätten.49 Nemesis wird angewiesen, sie aus dem Parnass abzuführen und an einem Ort außerhalb „vom Leben zum Tod“ zu bringen. Fama solle das Urteil unverzüglich „in gantz Europa publiciren“, ja auf „allen Schawplätzen der Welt“50, es somit gewissermaßen zu einer weltgeschichtlichen Begebenheit machen. Diese Verewigung der „guten“ Fama des vorsichtigen Helden und gescheiterten „Pazifikators“ Wallenstein auf dem Parnass, die weltweite Streuung der „schlechten“ Fama seiner Mörder und deren symbolische Exekution durch Nemesis51 steht keineswegs einzigartig dar. Die gute wie 46  Ebd.,

S. 3. S.  5 ff. 48  Ebd., S. 7. In Anspielung auf die erste kaiserliche „Apologia und Verantwortungsschrift“, s. o. S. 143. 49  Ebd., S. 12. 50  Ebd., S. 13, S. 14. 51  Der Schluss der Druckschrift gibt einen interessanten Hinweis auf die mediale Form, in welcher der Autor der Schrift die Publizität der „Zeytungen“ aus dem „Parnass“ über die Verurteilung und Ächtung der Mörder Wallensteins anvisierte. Es war 47  Ebd.,

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die schlechte Fama erreichte bald, wie in der „Relation auß Parnasso“ vorweggenommen, noch im Laufe des Jahres 1634 die europäischen Hauptstädte Paris und London, aber auch Rom, Venedig und Madrid. Bemerkenswert erscheint mir auch dort ihr „poetic turn“. So findet sich in einer in Paris publizierten Druckschrift die literarische Inszenierung einer fiktiven und freundschaft­ lichen Begegnung von „Wallenstein und Gustav Adolf“ auf den jenseitigen Champs Elysées52; und in London wurde in den späten dreißiger Jahren die „Tragedy of Albertus Wallenstein“, verfasst von Henry Glapthorne53, im Globe Theatre aufgeführt. Stets wurde hier Wallenstein als erfolgreicher Feldherr, aber tragisch gescheiterter Friedensstifter dargestellt. So hat Friedrich Schiller als Historiker m. E. nicht ganz Recht, wenn er in seiner „Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs“ 1793 darauf hinwies, „daß es nicht ganz treue Federn [gewesen] sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen Mannes überliefert haben“54 und dass es „ein ­Unglück für den Toten [war], dass ihn…[sein] Feind überlebte und seine Geschichte schrieb“.55 Im Gegenteil: Diejenigen, die Wallenstein bald nach seiner Tötung literarisch auf den Parnass beförderten, haben sein Bild ebenfalls mitgeprägt. Der Ursprung dieses Bildes liegt in der zeitgenössischen medialen Auseinandersetzung des 17. Jahrhunderts unmittelbar nach Wallensteins Tod, die eine Kette unterschiedlicher Textsorten durchlief. Aus dieser Medienkette und in deren spezifischer Plurimedialität wurde Wallenstein als mediale Persona gewissermaßen performativ überhaupt erst herausgebildet. Hier entstand ein Bild, das zwar zeitnah wirksam war, aber im späteren 17. und 18. Jahrhundert, vor allem in einer gelehrten Historiographie, wie sie Christoph Kampmann behandelt hat56, keine Fortsetzung fand. Für sie wurde Wallenstein zum Exempel einer Persona mit unge­ zügelten Leidenschaften, zur „negativen Kon­trastfigur“, vor allem im Gegensatz zu König Gustav Adolf von Schweden, und damit zum „Antihelden“ eines pädagogischen Erziehungsprogramms.57 Erst Friedrich Schiller nicht die Öffentlichkeit gedruckter „Zeitungen“, Flugschriften und Einblattdrucke, sondern die mündliche und akustische Öffentlichkeit von durch Trompetenschall angekündigten und öffentlich verlesenen Nachrichten: „inmittelst hat Nemesis die Execution und Fama die Publication deß allgemeinen Schluß und Urtheils auff sich genommen, auch bereit[s] an unterschiedlichen Orthen solches offentlich verlesen und mit Trompeten ausruffen lassen.“ Relation Auß Parnasso, S. 14. 52  S. o. Anm.  29. 53  S. o. Anm.  28. 54  Schiller, NA VII,2, S. 381. 55  Ebd., S. 382. 56  Kampmann (2011). 57  Ebd. bes. S. 47 f. und S. 49 f.



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der Theaterdichter, mehr als Schiller der Historiker, hat das positivere Bild im erneuten Rückgriff auf die Publizistik des 17. Jahrhunderts später wieder aufgenommen. Es war eine Publizistik, die ihm und seiner Zeit besonders durch das Werk eines bedeutenden Nürnberger Aufklärers, Christoph Gottlieb von Murr und seiner „Beyträge zur Geschichte des dreyßigjährigen Krieges“58, wieder neu geöffnet wurde. Aber das wäre eine andere Geschichte.

58  Murr.

„Gut römisch und ein Mameluck“: Das Wallenstein-Bild in der konfessionellen Auseinandersetzung Von Arne Karsten Der Dreißigjährige Krieg war bekanntlich nicht nur der erste „Weltkrieg“, sondern auch der erste europäische Krieg, in dem Propaganda eine gewichtige, wenn auch gewiss noch nicht kriegsentscheidende Rolle spielte.1 Dass eine Persönlichkeit von Rang und Bedeutung Wallensteins in dieser Ausei­ nandersetzung Prominenz zukam, versteht sich nachgerade von selbst. Nicht minder selbstverständlich erscheint, dass die Wahrnehmung, Darstellung und Instrumentalisierung Wallensteins durch die Zeitgenossen vieldeutig und widersprüchlich war. Das lag zum einen an der vielfältigen Natur der Konflikte, die sich in dem wirren Bündel von Kriegszügen entluden, die als „Dreißigjährigen Krieg“ zu bezeichnen wir gewöhnt sind (womit wir immerhin in einer Tradition stehen, die bis in die Zeit unmittelbar nach dem Krieg selbst zurückreicht): den ständischen Konflikten in Böhmen und im Reich, den staatlichen Auseinandersetzungen, vor allem dem habsburgisch-französischen Gegensatz, aber auch den Expansionsbestrebungen der „Nord-Königreiche“ Dänemark und Schweden; schließlich jenem Konflikt, um den es im Folgenden gehen soll: dem konfessionellen. Wenn das Wallenstein-Bild auch innerhalb dieses konfessionellen Konfliktes changierte, so hängt dies zunächst mit der Persönlichkeitswirkung Wallensteins zusammen, der bekanntlich durch sein Sein und Werden Zeitgenossen wie Nachwelt faszinierte und irritierte wie nur wenige andere Politiker der Frühen Neuzeit.2 Zum anderen ist das Wallenstein-Bild der Zeitgenossen abhängig vom Zeitpunkt seiner Entstehung, und hier ist die große Wasserscheide die Ermordung des Generals in Eger am 25. Februar 1634.3 1  Zu Rolle und Funktionsweise der Flugblattpropaganda während des Dreißigjährigen Kriegs besonders im konfessionellen Kontext exemplarisch Emich (2009), S. 197–235. 2  Vgl. hierzu zuletzt Bahlcke / Kampmann. 3  Zur Vorgeschichte und Verlauf der Ereignisse im Februar 1634 grundlegend Kampmann (1992). Zur Bedeutung dieser Wasserscheide in der Wallenstein-Rezeption vgl. auch den Betrag von Silvia Serena Tschopp im vorliegenden Band. Während Tschopp ein Gesamtbild der nichtperiodischen Drucke zu Wallenstein zeichnet, geht

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Mir geht es im Folgenden um Dreierlei: zunächst darum, anhand ausgewählter Quellen die Hauptlinien herauszuarbeiten, die das Bild Wallensteins zu seinen Lebzeiten einerseits, andererseits nach seinem Tode charakterisieren; sodann soll die Frage nach der Bedeutung der konfessionellen Aspekte in diesem Bild geklärt werden. Schließlich möchte ich eine These entwickeln, warum eben dieser konfessionelle Aspekt im Wallenstein-Bild alles in allem blass, gesucht, man möchte geradezu sagen: beliebig bleibt. Zunächst ein rascher, skizzenhafter Blick auf das, was wir über die Stellung der Person Wallensteins im Konfessionskonflikt wissen. Denn auch im soeben, jedenfalls wenn man den Medien glauben mag, ausgebrochenen „postfaktischen Zeitalter“, in dem mit unübersehbarem Gusto alles revisioniert, relativiert und dekonstruiert wird, bleibt ja festzuhalten, dass auch Mythen ihren wahren Kern haben; haben müssen, um glaubwürdig zu werden und zu bleiben. Bei allen Widersprüchen, die das Leben und Wirken Wallensteins schon in den Augen der Zeitgenossen gekennzeichnet hat, sei deswegen rasch gebündelt, was sich über Wallensteins Verhältnis zur Religion sagen lässt: Der gebürtige böhmische Protestant konvertierte nach dem Studium in jungen Jahren, vermutlich im Laufe des Jahres 1606, zum Katholizismus.4 Sobald ihm die Mittel dazu zur Verfügung standen, nämlich nach seiner Heirat mit der mährischen Witwe Lucrezia von Landeck vier Jahre später begann er, katholische Orden im großen Stil zu fördern, vor allem jene Kongregation, die sich selbst als Speerspitze der Gegenreformation verstand: die Societas Jesu.5 Daneben und darüber hinaus unterstützte er auf dem ­Höhepunkt seiner Karriere in seinem Herzogtum Friedland Ordensniederlassungen der Kapuziner, Franziskaner, Augustiner, Dominikaner und Karthäuser.6 Besonders das Engagement der Jesuiten im Bildungsbereich interessierte ihn, wie sich unter anderem daran erkennen lässt, dass Wallensteins erste geistliche Stiftung in Friedland in der Einrichtung eines Jesuiten-Kollegiums in Gitschin bestand, dem schon bald ein Knaben-Alumnat angeschlossen wurde.7 Ungeachtet dieser ebenso energischen wie großzügigen Förderung katholischer Ordensgemeinschaften, und zwar besonders jener, die sich den Kampf gegen den Protestantismus auf ihre Fahnen geschrieben hatten, war Wallenes mir, der Aufgabenstellung des Tagungsprogramms gemäß, ausdrücklich und ausschließlich um den konfessionellen Aspekt in der Bewertung Wallensteins. Meine Auswahl beschränkt sich daher nicht auf publizistische Quellen. 4  Vgl. Mann (2006), S. 82. 5  Vgl. hierzu nach wie vor grundlegend Duhr SJ. 6  Vgl. Mann (2006), S. 278. Siehe dazu auch die Beiträge von Petr Fidler und Martin Holý in diesem Band. 7  Vgl. Mann (2006), S. 275. Siehe auch hierzu die Beiträge von Petr Fidler und Martin Holý in diesem Band.



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stein bekanntlich alles andere als ein religiöser Eiferer und Überzeugungs­ täter vom Schlage seines kaiserlichen Herrn Ferdinands II. In der Verwaltung seines Herzogtums Friedland beschäftigte der kaiserliche Feldherr Protestanten, solange es ihm gegen den wachsenden gegenreformatorischen Druck in Böhmen irgend möglich war, und bei der Besetzung von Offiziersstellen in seinem Heer nahm er auf die Konfession bis zum Schluss keine Rücksicht. Was ihm Kritik aus den eigenen Reihen eintrug, zugespitzt formuliert etwa in einem Gutachten, das Wallensteins Verwandter und langjähriger Todfeind Wilhelm Slawata 1633 Kaiser Ferdinand II. vorlegte. Darin heißt es, Wallenstein spiele lediglich den guten Katholiken, „im Übrigen aber riecht er nach Atheismus, denn er kümmert sich nicht um Gott, stößt häufig die furchtbarsten Blasphemien aus und stützt sich in seinen Beschlüssen über Krieg und Frieden auf den Rat der Astrologen (…).“ Die scheinbar frommen Stiftungen entsprängen, wie Wallensteins selbst unumwunden eingestehe, keineswegs echter Religiosität, sondern allein dem Wunsch nach dem, was wir heute als „Landesausbau“ bezeichnen.8 Und natürlich war es ihm schon vier Jahre zuvor, noch zu Zeiten des ersten Generalats von den katholischen hard-linern verübelt worden, dass er sich keineswegs für das Hauptziel der kaiserlichen Religionspolitik im Reich, die Zurückdrängung des Protestantismus durch das Restitutionsedikt engagieren mochte, dessen fatale konfliktverschärfende und kriegsverlängernde Folgen er vielmehr vorausgesehen hatte und in der Folgezeit immer wieder beklagte.9 Soweit die Fakten: ein Jesuiten- und Protestanten-Freund zugleich, je nach Gelegenheit: als Landesherr in Friedland konnte er die strenge Gelehrsamkeit der Patres, als Kriegsherr im Reich die tüchtigen evangelischen Offiziere gebrauchen, wie er sie eben fand. Eigentlich, so sollte man meinen, eine geradezu ideale Projektionsfläche für die Bildpropaganda der verschiedenen Parteien im Dreißigjährigen Krieg. Dennoch spielte in den Flugblättern, allgemein in der Polemik um Wallensteins Person, wahrlich vielfältig genug, die konfessionelle Komponente im 8  Zit. nach Mann (2006), S. 280. Vgl. auch in zahlreichen Auflagen: Gründlicher und wahrhafftiger Bericht / von der in Pommern belegenen Heubtstadt Stralsundt: Wie und welcher gestalt / Nachdem die Einquartierung allda begehret und abgehandelt / hernacher dieselbe hart belagert / gestürmet / und andere grosse Gewaldthaten wider sie geübet / aber durch Gottes Gnade und Beystandt endlich davon errettet und entfeyet worden, Stralsund 1631 (VD17 7:691620Z). 9  So berichtete der venezianische Botschafter am Kaiserhof in Wien schon im Erscheinungsjahr des Restitutionsedikts von Wallensteins Forderungen, seine Durchführung auszusetzen, vgl. etwa den Dispaccio di Vienna vom 15.12.1629, in: Archivio di Stato di Venezia, Senato, Dispacci degli Ambasciatori, Germania, filza 72, fol. 527r: Um neue Turbulenzen im Reich zu vermeiden „tra li Prencipi, et Città protestanti, [Wallenstein] consiglia di sospendere il decreto per la restituzione de’ beni usurpati a’ cattolici (…).“

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engeren Sinn eine bestenfalls untergeordnete Rolle. Nach der schließlich erfolglos abgebrochenen Belagerung der Hansestadt Stralsund im Jahre 1628, bei deren Verlauf sich der kaiserliche Feldherr zu dem fatalen Wort hatte hinreißen lassen, die Stadt „müsse herunter, und wäre sie mit Ketten an den Himmel gebunden“10, griffen protestantische Pamphletisten diesen Ausspruch zwar dankbar auf: „Du hast deines Gottes gar vergessen, / Indem du dich so schlecht vermessen, Die gute Stadt umzureißen, / Ja, wenn sie schon am Himmel hoch Mit Ketten gebunden, wollst du doch / Sie schleifen und gar zerschmeißen.“

„Gottesvergessenheit“, Hochmut also, nicht religiöser Eifer für die falsche, katholische, „papistische“ Seite, bildete den Vorwurf in diesem protestantischen Pamphlet, wie in so vielen anderen, die Wallenstein attackierten. Typisch etwa, gerade weil es Wallensteins umstrittene Position auch innerhalb des eigenen, des kaiserlich-katholischen Lagers so überaus anschaulich zum Ausdruck bringt, ist die „Waare Histori des Wallensteinschen Gelächters“, in der die fiktive Reaktion Wallensteins auf die Nachricht vom Tod Tillys im Frühjahr 1632 wie folgt beschrieben wird. Ein Bote trifft ein, „Man läßt ihn ein / Er schnauft gleich wie ein grimmig Schwein Wallstein sprach: Du magst wol ein schlimm Besti sein Die Post legt ab / sprach: Ihr Gnaden, bös Zeitung ich bring Monsier Tyll ist gestorben / leyder ist er hin. Wallenstein sprach: Daß man mir bald den Hencker thuen bring Den schlimmen Schelmen vor mein Auge aufzuhengen Was darffst Du sagen Tylli todt sei böse Post?“11

Der machtgierig-rücksichtlose, durch seinen Zynismus zutiefst unheimliche Egozentriker, dem die Nachricht vom Tode seines Mitstreiters Tilly kein Anlass zur Trauer, sondern im Gegenteil zur Freude ist, ja, der in brutaler Grausamkeit die fromme Fehleinschätzung des Boten zum Anlass für eine Todesdrohung nimmt: Hier haben wir es mit (stereo-)typischen Zügen des Wallensteinbildes der Zeitgenossen zu tun. Genau dieses „Negativ-Image“ blieb nicht ohne Folgen für die Auseinandersetzung in der öffentlichen Meinung. Wallenstein war zu seinen Lebzeiten als „Aufhänger“ für konfessionelle Polemik der Protestanten nicht recht ergiebig, weil ihm auch auf katholischer Seite, vor allem, aber wahrlich nicht allein, von bayerischer Seite so abgrundtiefes Misstrauen entgegengebracht wurde. Die ihm von Golo Mann attestierte „unholde Feengabe, Verdacht selbst dort zu wecken, wo keinerlei Anlass dazu bestand“, kommt emblematisch in einem Brief Gottfried Hein10  Zit. nach Mann (2006), S. 469, der zu Recht mahnt: „Es wäre auch kein so fürchterlicher Fluch, eher eine gängige Formel“, zugleich aber auf die gute Verwendbarkeit einer solchen Formel durch den Feind hinweist. 11  Vgl. Waare Histori / Deß Wallsteinischen Gelächters, o. O. 1632 (VD17 12:676819N).



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rich von Pappenheims an Maximilian von Bayern zum Ausdruck: „Die gemeine falsche Sage über diesen Herren ist den Leuten so stark imprimiert, daß ich oft selbst all dergleichen Zeitungen, welche so umständlich von ihm erzählt werden, zu glauben mich schwerlich verhindern kann, obgleich ich zur selben Zeit und Stund, für welche man das also Geschehene erzählt, bei ihm gewesen bin.“12 Ein weiteres Beispiel für Wallensteins Image in katholischen Hofkreisen, ganz im Tone des bereits erwähnten Slawata-Gutachtens, bietet die „Exhortatio Angeli Provincialis ad Imperatorem et Reges Austriacos“ aus dem Jahre 163313, in der es heißt: „Einen Feldherrn habt Ihr Euch gewählt, von dem Ihr wisst, daß er ist rachsüchtig, von der Kirche verworfen, rasend schier und wahnsinnig, verblendet durch Hochmut, nicht Gottes Ruhm suchend, nein, nur seinen eigenen, der die Religion für nichts achtet, der in Euren eigenen Heerlagern den Afterdienst der Ketzer duldet, der nicht Gott um Rat fragt, sondern die Magier und Wahrsager, der nach den Deutungen der Astrologen über Krieg und Frieden entscheidet (…).“ Die naheliegende Schlussfolgerung aus einem derartig deprimierenden Befund: „Jagt Euren Feldherrn davon (…). Solches hat Gott durch mich, seinen Engel, kundgetan. Führt es aus, schnellstens. Folgt seinem Rat oder geht unter.“14 Der Text, verfasst vom Hofprediger des Kaisers, dem Jesuiten Johannes Weingartner,15 fand weite Verbreitung, auch durch Flugschriften. Wenn Wallenstein, oder besser: das Bild, das sich die Zeitgenossen zu seinen Lebzeiten von ihm machten, der protestantischen Polemik diente, dann nicht aufgrund seiner katholischen Konfession, sondern, nach dem Muster des bereits zitierten Stralsunder Beispiels, wegen der ihm zugeschriebenen Grausamkeit und unerbittlichen Härte. So etwa in einer Flugschrift nach dem „Prager Blutgericht“, der Hinrichtung kaiserlicher Offiziere, die bei Lützen feldflüchtig geworden waren, Anfang des Jahres 1633. Darin wurde Wallenstein der Plan unterstellt, mit Schweden, Sachsen und Brandenburg betrügerische Friedensverhandlungen in die Wege zu leiten, um auf diese Weise den Prinzen Ulrich von Dänemark, den sächsischen Generalleutnant Hans Georg von Arnim und andere protestantische Offiziere ermorden zu lassen. Die Kenntnis dieses Vorhabens, so heißt es in dem „Wallensteinnach Mann (2006), S. 455; dort auch das vorangehende Zitat. Exhortatio, die „am Wiener Hof in der zweiten Hälfte des Dezember [1633 zirkulierte] und „am 28. des Monats von dem bayerischen Gesandten Richel an seinen Kurfürsten eingesandt [wurde]“ vgl. Srbik (1952), S. 90f sowie 350f, Anm. 155 und 156. Nachgewiesen unter VD17 14:005566R: Eigendliche Beschreibung / Was sich mit dem General Wallenstein / beneben etlichen andern Officirern und Obristen den 15. Febr. zu Eger und andern Orthen begeben und zugetragen, o. O. 1634. 14  Zit. nach Mann (2006), S. 846. 15  Zur Person und Karriere Weingartners vgl. Srbik (1952), S. 285–297. 12  Zit.

13  Zur

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sche Mord- und Blutpracktik“ betitelten Pamphlet, rühre von zwei kaiser­ lichen Offizieren, die sich durch den Verrat dafür rächen wollten, dass ihre Freunde, obwohl unschuldig, in Prag hingerichtet worden seien.16 Und nach dem Tod Wallensteins wurde in einer anderen Flugschrift dessen Ende in Eger als verdienter Lohn für die Grausamkeit des „Prager Blutgerichts“ dargestellt, wobei dem Ermordeten als Motto für den Umgang mit den eigenen Soldaten die Worte in den Mund gelegt wurden: „Man henck die Besti zu der Stund.“17 Doch diese Berufung auf die heimtückisch-rücksichtlose Grausamkeit des Generalissimus stellte nach der Ermordung Wallensteins Ende Februar 1634 die Ausnahme dar; sein Bild in der konfessionellen Auseinandersetzung wandelte sich rasch, und es wandelte sich grundlegend.18 Nunmehr wurde er für die Protestanten zur positiven Projektionsfläche. Angesichts der ausschlaggebenden Rolle, die Wallenstein während seines ersten Generalats bei der Durchsetzung des militärischen Übergewichts der kaiserlich-katholischen Partei gespielt hatte, dann, während seines zweiten Generalats, im Kampf gegen die schwedisch-protestantische Allianz 1632, gespielt hatte, könnte das überraschen, worauf Silvia Serena Tschopp hingewiesen hat.19 Doch durch die Art seines Todes ließ er sich zum Opfer katholischer Heimtücke stilisieren. Die ersten Berichte von der Ermordung in Eger waren noch rein deskriptiv-referierend.20 Das sollte sich aber bereits nach wenigen Tagen, in der ersten Märzhälfte 1634 ändern, in der die protestantischen Schriften einen immer leidenschaftlicheren Anklageton bekamen, der dann auch in wachsendem Maß konfessionell konnotiert, und das heißt konkret: antijesuitisch wurde. So etwa in dem „Wahrhafftigen und eigentlichen Bericht, wie es mit dem Egerischen Blutbade den 15. Februarii alten Calenders 1634 zu und abgangen“, der den Friedenswillen des ermordeten Generalissimus scharf abgrenzt gegenüber „der Pfaffen Art und Weise“, nämlich den Jesuiten, die sich bei Tag und Nacht um die Entfremdung der kaiserlichen Offiziere von ihrem Feldherrn bemüht hätten und sich dabei sogar zu Postboten und Postreitern gebrauchen ließen.21 Dieselbe Stoßrichtung verfolgt ein Flugblatt mit dem Titel „Eygentliche Abbildung und Beschreibung des Egerischen Panckets“, mit der rhetorisch Srbik (1952), S. 70. ebd. 18  Vgl. hierzu auch den Beitrag von Hans Medick in diesem Band. 19  Vgl. Tschopp (1997), S. 36. 20  Vgl. Srbik (1952), S. 211. 21  Warhafftiger und eigentlicher Bericht / Wie es mit den Egerischen Blutbat zu und Abgangen / en 15. Febr., o.O 1634 (VD17 32:651544Z). 16  Vgl. 17  Vgl.



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wirkungsvoll an die Überschrift anschließenden Frage „Was wohl von denen zu halten, welche ihre mörderische Hand an ihren Generalissimum (…) gelegt“. Die „meuchelmörderische Schandtat“ stehe in himmelschreiender Weise „gegen Gott und sein Wort“, umso mehr, als die Vorwürfe gegen Wallenstein absurd, seine Verdienste um das Kaiserhaus enorm seien. Vor allem aber habe der Herzog gegen Ende seines Lebens danach getrachtet, „den blutigen Krieg in den blüenden Fried zu verwandeln“, dem jedoch „die Spanische Rott und Jesuitische Zucht“ entgegenstünden.22 Typisch ist hier die Verbindung von Spaniern und Jesuiten, aus deutsch-protestantischer Perspektive die geradezu unersetzlichen Blitzableiter, wenn es galt, die Politik des Kaisers zu attackieren, ohne die Person des Kaisers grundsätzlich in Frage zu stellen. Fassen wir zusammen: Das Bild Wallensteins zu Lebzeiten war geprägt von Misstrauen gegenüber dem Aufsteiger, und zwar auf beiden Seiten des „konfessionellen Grabens“ gleichermaßen. So führen die Wallenstein-Kritiker beider Parteien im Grunde dieselben Argumente gegen den Generalissimus ins Feld: seinen grenzenlosen Ehrgeiz, seine Herrschsucht, seine Verschlagenheit und Tücke, seinen Unglauben allgemein – die Protestanten nicht etwa seinen Katholizismus. Erst mit seinem Tod, vor allem: durch die Art seines Todes wandelte sich das Bild, das die protestantische Pamphletistik von ihm zeichnet: nunmehr wird es möglich, ihn einerseits zum verhinderten Friedensbringer zu stilisieren; um es mit den pathosgesättigten Worten Heinrich von Srbiks zu sagen: „Die Erinnerung an den erbarmungslosen Kriegsfürsten verblaßte, das Bild des großen Friedensanwalts leuchtete in den ­lebendigsten Farben.“23 Die Schuld an der heimtückischen Ermordung des „Friedensanwalts“ ließ sich nunmehr bequem jesuitisch-papistischen Intriganten in die Schuhe schieben. Andererseits bot die „Mordnacht von Eger“ Gelegenheit, den „Dank des Hauses Österreich“ zum Argument gegen den Kaiser auszugestalten, wie es etwa in der „Promemoria eines Ungenannten“ aus dem Jahre 1634 geschah: „Wie manche Armee und fast in einer unglaublichen Eil, mit was großen Kosten hat Wallenstein zu des Kaisers Diensten dressiert und redressiert! Wer brach unseres in Gott ruhenden allergnädigsten Königs und Herrn siegreichste und große bei Nürnberg zusammengezogene 22  Eygentliche Abbildung und Beschreibung deß Egerischen Panckets : Was von denen zu halten / welche ihre Mörderische Händ an ihren Generalissimum Hertzogen Albrecht von Friedland / General Feldmarschaln Christian vom Ilo / Obristen Graf Wilhelm Kintzki / Obristen Land Jägermeistern deß Königreichs Böhmen / Obristen Tertzki / und Rittmeister Nieman / [et]c. gelegt / und wie erbärmlich sie mit ihnen umbgangen; Geschehen den 15. (25.) Februarii in der Nacht / zwischen 10. und 11.  uhr / als sie ihnen ein Gasterey hielten, o. O. 1634 (VD17 23:676218X). 23  Vgl. Srbik (1952), S. 279. Zu verschiedenen Flugschriften mit entsprechendem Tenor vgl. Tschopp (1997), S. 34–36.

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Macht als Wallenstein? (…) Durch Wallenstein haben wir den teuersten Helden, den König verloren (…). Ich finde anders nicht, ob er schon unser Feind gewesen, als daß er einen solchen Ausgang, dazu man ihn durch so vielen disgusto gezwungen (…) nicht verdient.“24 Dass diese antikaiserliche bzw. antispanische Stoßrichtung auch die Berichterstattung in französischen Kommentaren zum Tode Wallensteins prägte, überrascht natürlich nicht.25 Ein bald nach der Ermordung Wallensteins in der „Züricher Wöchentliche Ordinari Zeitung“ gedrucktes Poem bringt die Ambivalenz, mit der die Zeitgenossen den kaiserlichen Feldherren wahrnahmen, vielleicht am Besten zum Ausdruck: „Hier liegt der Friedland ohne Fried, / Des Reiches Fürst und doch kein Glied. War ohne Schiff ein Admiral, / Ohn offene Schlacht ein General, Ein Landsäß in dem Herzogsstand, / Im Kopf ein Herr in keinem Land. Im Krieg, im Sieg ein Friedensmann, / Von süßen Worten ein Tyrann. Gut römisch und ein Mameluck, / Aufrichtig, voll der Untreu Stuck.“26

Keine Wunder, dass eine Persönlichkeit mit einem derartig verwirrend widersprüchlich changierenden Image über Jahrhunderte hinweg nicht nur die Historiker, sondern auch und besonders die Dichter interessierte. Im Kampf um den wahren Glauben ließ sich jedoch damit weit weniger anfangen.

nach Mann (2006), S. 957. hierzu Siegl (1904), S. 289–310. 26  Zit. nach Mann (2006), S. 958. 24  Zit.

25  Vgl.

Wallenstein oder die Grenzen des allegorischen Theaters – Zur Figur des Friedländers im Drama der 1630er Jahre (Johann Rudolph Fischer und Johann Micraelius) Von Bernhard Jahn Für einen Germanisten, der sich im 21. Jahrhundert mit der Frage nach der Darstellung Wallensteins im Drama des 17. Jahrhunderts beschäftigt, ist es vielleicht nicht mehr so sehr Schillers Trilogie,1 die seinen Blick lenkt und auch verstellt, sondern eher sind es kanonisierte Vorstellungen vom Theater des 17. Jahrhunderts, die seine Wahrnehmung der nicht-kanonisierten Literatur und damit auch der frühen Wallenstein-Dramatisierungen behindern. Nun haben Andreas Gryphius und Daniel Casper von Lohenstein, jene Dramatiker, die unsere Vorstellung vom barocken Theater zu Recht oder unrecht maßgeblich geprägt haben, keine Wallenstein-Tragödie verfaßt. Die Wallenstein-Dramen anderer Autoren des 17. Jahrhunderts wie Johann Rist2 und August Adolph von Haugwitz3, die zumindest für den Rand des barocken Dramatiker-Kanons eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, müssen, sofern sie überhaupt je geschrieben wurden, als verloren gelten. Was bleibt, sind eine Reihe von Dramatisierungen, die nahezu alle noch im Jahrzehnt von Wallensteins Tod entstanden sind, die die ganze Bandbreite des Theaters um 1640 abdecken, sich dabei aber dennoch kaum unseren Vorstellungen von barockem Trauerspiel fügen.4 Wir finden auf der Seite des protestantischen Lagers vier „Comoedien“, in denen der Friedländer auftritt, und die im folgenden im Zentrum meiner Ausführungen stehen werden. Auch auf katholischer Seite gibt es zahlreiche Belege für die Dramatisierung der Wallenstein-Figur, vor allem im Theater der Jesuiten, so wurde etwa am 16.8.1635 in Ingolstadt von Thomas Widmann ein Drama de Tillio et Präsenz von Schillers Trilogie vgl. Kampmann (2011), S. 27–50, hier S. 27 f. Johann Rists Wallenstein-Drama vgl. Heins. 3  August Adolph von Haugwitz verspricht in der Vorrede „An den geneigten Leser“ seines Prodomus Poeticus (Dresden 1684) die Fehler, die die dort abdruckten Trauerspiele enthielten, in seinem Wallenstein „sattsam [zu] ersetzen“ (Bl. b4v). 4  Einen ersten Überblick bietet Vetter, S. 94; ferner Wolf. 1  Zur 2  Zu

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Fridlando,5 und schon 1631 in Hildesheim ein Drama über Gustav Adolph und Tilly aufgeführt.6 Das bekannteste katholische Wallenstein-Drama stammt indes nicht von einem Jesuiten, sondern wurde von einem Priester aus den spanischen Niederlanden für das Schultheater in Löwen verfaßt, Nicolaus Vernulaeus’ Fritlandus. Tragoedia von 1637.7 Das Theater der Wanderbühnen brachte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Version von Henry Glapthornes Tragedy of Albertvs Wallenstein8 im deutschen Sprachraum zur Aufführung.9 Glapthornes Tragödie wurde 1639 erstmals gedruckt, aber schon vorher – möglicherweise sogar schon 1634 – auf der Bühne des Globe Theatre aufgeführt.10 Weitere Wanderbühnenaufführungen, die wohl mit dem englischen Drama in Verbindung gebracht werden können, sind seit den 1640er Jahren belegt,11 doch hat sich dazu kein Textmaterial erhalten. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen werden nun vier Dramen stehen, die zwischen 1631 und 1633 gedruckt worden sind, also noch vor Wallensteins Tod. Es sind vier Dramen, die aktuelle Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges aus protestantischer Sicht verarbeiten und deuten, Dramen, die in der Forschung bislang kaum berücksichtigt wurden12 und die sich aufgrund ihrer nicht-aristotelischen Dramenpoetik13 und ihrer allegorischen Anlage14 von den Formen barocken Theaters, wie sie durch die kanonisierten Dramatiker etabliert worden sind, besonders deutlich unterscheiden. Es handelt sich dabei zum einen um Johann Rudolph Fischers Schwedische Comoe­ dia von 1632, die vermutlich in Ulm oder Augsburg gedruckt wurde.15 Fischer war Pastor im heute zu Ulm gehörenden Dorf Grimmelfingen und trat unter anderem mit zwei Dramen über Wucher und Geldentwertung in Erscheinung.16 Valentin, S. 136. S. 129. Zu den späteren Dramatisierungen der Figur Wallensteins im Theater der Jesuiten vgl. Wolf, S. 107–111. 7  Das Werk ist ediert in: Plard. Zu Vernulaeus’ Habsburgischer Perspektive vgl. Janning. 8  Glapthorne. Eine zweite Auflage erschien im folgenden Jahr. Vgl. dazu Wolf, S. 91–106. 9  s. Bolte. 10  Vgl. Zwickert, S.  14 f. 11  So etwa in Bremen, vgl. Vetter, S. 35. 12  Wolf geht auf diese Dramen nicht näher ein. 13  Zur Dominanz des nicht-aristotelischen Theaters in der Frühen Neuzeit vgl. Jahn / Scheitler (Hrsg.). 14  Zum allegorischen Theater in der Frühen Neuzeit vgl. Spanily. 15  Fischer, J. R. 16  s. Scheitler, S.  177 f. 5  s.

6  Ebd.,



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Die drei übrigen Dramen stammen aus der Feder des Rektors der Stettiner Ratsschule, Johann Micraelius, und erschienen im Jahresabstand: 1631 Pomeris,17 1632 Parthenia18 und 1633 Agathander pro Sebasta vincens19. Vermutlich sind die Werke auch in Stettin gedruckt, dort aber jedenfalls von Micraelius und seinen Schülern jeweils im Jahr vor dem Druck aufgeführt worden.20 Obwohl es sich um dezidiert protestantische Literatur handelt, weisen die vier Stücke wenig Gemeinsamkeiten mit dem kanonisierten schlesischen Barockdrama auf. Dies beginnt schon unübersehbar bei der Form. Fischers Comoedia ist, acht Jahre nach Opitz’ Buch von der deutschen Poeterey, in Knittelversen abgefaßt. Man wird dies kaum im Sinne einer Zurückweisung des Opitzschen Programms deuten wollen, sondern am ehesten wohl als Unkenntnis der Reformbemühungen des Schlesiers. Bei Johann Micraelius liegen die Dinge anders. Er experimentierte in seinen Dramen mit antiken Metren, bildete etwa die Chöre nach dem Muster von Strophe, Antistrophe und Epode, verweigerte aber weitgehend die von Opitz vorgeschlagene streng alternierende Metrik, sondern verfuhr nach französisch-italienischem Vorbild silbenzählend unter Wahrung von Schlußkadenzen und präsentierte so, Johann Rist vergleichbar, ein alternatives Modell zur Opitzschen Verslehre. Im Folgenden wird zunächst (I.) der dramengeschichtliche Kontext, in dem die vier Werke gesehen werden können, kurz erhellt, bevor dann (II.) die zunehmend ambivalentere Darstellung der Wallenstein-Figur in den Mittelpunkt rückt. 1. Was die vier Dramen, die „Comedia“, „Tragico-Comodia“ oder „Poëtisch Spiel“ als Gattungsbezeichnung verwenden, inhaltlich eint, ist zunächst die konfessionspolemische Grundhaltung. Fischer wie Micraelius greifen auf die agitatorischen Dramen der 1530er Jahre zurück, vor allem auf Thomas Naogeorgs wirkmächtige Tragoedia nova Pammachius.21 Betrachtet man das Personenverzeichnis der Schwedischen Comoedia (vgl. Abb. 1), ist wie bei Naogeorg eine klar heilsgeschichtlich apokalyptische Deutungsausrichtung der zeitgeschichtlichen Ereignisse erkennbar, wie sie auch für zahlreiche 17  M.[icraelius:]

(1631). (1632). Zu diesem Drama vgl. Schilling (2017). 19  Mic.[raelius:] (1633). 20  Zu dem vor allem auch als Historiker bedeutenden Micraelius vgl. Krickeberg; Scheitler, S. 501–505. 21  Zum Pammachius s. Roloff. 18  M.[icraelius:]

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Abb. 1: Johann Rudolph Fischer: Schwedische Comoedia, Personenverzeichnis. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: A: 107.41 Eth. [3])

zeitgleich erscheinende Flugschriften typisch ist.22 So wird die Partei der Katholiken ohne Binnendifferenzierung von der „Babylonisch Hur: Papst Agnes / sampt jhren Rathgeberin: Als; Lugen / Mord / Unzucht“23 vertreten. Ihr steht die „Confessio Augustana, mit jhren zwo Schwestern; die sein Fides, Der wahre Glaub. Veritas, die liebe Warheit“24 gegenüber. Das heilsgeschichtliche Modell und die Verwendung allegorischer Figuren25 erlaubt eine 22  s. Tschopp 23  Fischer, 24  Ebd.

(1991). J.R., S. 7.



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klare, vereindeutigende Polarisierung, und es gelingt der Comoedia auf diese Weise im besten Fall, die realpolitischen Ambivalenzen der Zeit auszublenden oder weg zu erklären. Die ausgeprägte, zum Teil recht gelungene Konfessionspolemik erweckt bei der Lektüre den Eindruck, man lese Dramen nicht aus den 1630er, sondern aus den 1530er Jahren, so etwa, wenn Fischer seine Comoedia mit einer Polemik gegen den Ablaßhandel eröffnet.26 In den vier Dramen werden die Konfessionsdifferenzen durchdekliniert und damit bei den aufführenden Schülern wie beim Publikum die eigene konfessionelle Position gefestigt. Die konfessionellen Differenzen können szenisch ausgestaltet und aufgrund dieser Visualisierung besonders einprägsam vorgeführt werden, so etwa in einer Höllenszene aus dem Agathander: Die Seelen („Manes“) der Katholiken leiden in der Hölle, glauben dabei jedoch zunächst, sie seien im Fegefeuer. „Man.[es] Heist das Fegfewr? Wird man so rein gewaschen? Wann man so lang sitzt in glühnder Aschen? Ist das ein Gnad Gottes / der sein Gesicht So viele Jahr auff vns nicht hat gericht? Jn jener Welt hat man vns fürgesag[e]t /  Wir würden erst ins Fegefewr gejaget /  Drinn würden wir von Sünd gewaschen rein /  Vnd drauff zu Gott in Himel gehn hinein. Ich bin fürwar nicht reiner / als auf Erden […]“27

Nach und nach werden die katholischen Seelen darüber aufgeklärt, daß sie sich keineswegs im Fegfeuer, sondern in der Hölle befinden. Ein Chor der Seelen fast diese bittere Einsicht am Schluß des dritten Aktes zusammen. Ein weiteres Merkmal, das die vier Dramen gemeinsam haben, ist die Thematisierung des Nachrichtenwesens: Sie stellen auf diese Weise die medialen Rahmenbedingungen des Dreißigjährigen Krieges vor und reflektieren sie. Dies geschieht in der Schwedischen Comoedia mit Hilfe zweier allegorischer Figuren, der „Post“ und der „Fama“, wobei mit der Post die römische, d. h. die päpstliche Post gemeint ist. Die Post verkörpert als allegorische Figur die problematische Seite der Flugblätter und Neuen Zeitungen, sie ist langsam, tendenziös und bringt Falschmeldungen, während Fama schnell und objektiv ist. So berichtet die „Post“ etwa der „Babylonisch Hur“ zunächst positive Nachrichten aus Deutschland: 25  Zum Einsatz allegorischer Figuren, um Sachverhalte oder ideologische Positionen zu verdeutlichen vgl. Spanily, S. 291–301. 26  Fischer, J. R., S. 2. 27  Micraelius (1633), III,6 (Hir).

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„Post. ES ist alles in ewrn Handen. […] Der Tilly so euch grüssen läst Vnd befihlt euch auff das best /  Hat Leyptzig die Statt eingenommen /  Deren Ewer Gnad so ghaß ist /  Die ist in Banden zu der Frist.“28

Fama jedoch korrigiert diese Nachricht wenig später: „Fama. Aber hört was ist weiter gschehen Eh sich der Tilly hat vmbgsehen /  Ist von Mittnacht der Schwed herkommen Hat jm den Sieg auß der Hand gnommen /  Den Tilly gschlagen mit all seim Heer /  Daß ers wird sammlen können schwer […]“29

Als Prolog- und Epilogsprecherin fungiert Fama in der Schwedischen Comoedia außerdem als rahmende Instanz. Die Dramen werden auf diese Weise zu einer Art Meta-Medium, das den Zuschauern nicht nur die Wichtigkeit des Zeitungswesens, sondern auch den richtigen d. h. vorsichtigen Umgang mit den Nachrichten-Medien lehrt. Rund fünfzig Jahre später wird Caspar Stieler in seinem Kompendium zur Zeitungslektüre empfehlen, zunächst mehrere Nachrichtenmeldungen abzuwarten, bevor man sich als Leser eine Meinung bildet.30 Nicht zuletzt stellen die vier Dramen aber auch selbst Nachrichtenmedien dar, greifen sie doch auf Ereignisse zurück, die nicht einmal ein Jahr vergangen sind. Im Zentrum steht dabei jeweils die Belagerung einer Stadt, die Stralsunds durch Wallenstein 1628 in der Schwedischen Comoedia und in Pomeris, die Belagerung und Zerstörung Magdeburgs 1631 in der Parthenia und die Besetzung Augsburgs durch die Schweden 1632 im Agathander. Besonders im zuletzt genannten Drama, in dem die dargestellten Ereignisse nur wenige Monate zurückliegen, finden sich immer wieder umfangreiche Passagen, in der die Post die Kriegsgeschehnisse in Bayern als quasi aktuelle referiert.31

28  Fischer,

J.R., S. 103. J.R., S. 107. 30  s. Stieler, S. 127: „Es muß ein Zeitungs-leser an allem / was in den Avisen stehet / so lange zweifeln / bis eine Sache dreymal nacheinander von unterschiedlichen Orten bekräftiget werde.“ 31  s. Micraelius (1633), V,2 und V,3, in denen die Nürnberger Ereignisse des Jahres 1632 referiert werden. 29  Fischer,



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Die Dramen werden auf diese Weise auch zu Zeitstücken,32 und man kann sie mit Eberhard Werner Happels ab den 1680er Jahren erschienenen „Geschicht-Romanen“ vergleichen, in denen jeweils die historischen Ereignisse eines Jahres zu einem Roman zusammengefaßt wurden.33 2. Wie dem Personenverzeichnis der Schwedischen Comoedia zu entnehmen ist, treten neben den allegorischen Figuren auch historische, bzw. für die damaligen Zuschauer gegenwärtige Personen auf, unter VI. der „Fridländer“. In den Dramen des Micraelius werden die historischen Namen verschlüsselt. Das in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek aufbewahrte Exemplar der Pomeris enthält von einer Hand des 17. Jahrhunderts eine Entschlüsselung (vgl. Abb. 2). Wallenstein tritt in allen drei Dramen des Micraelius verschlüsselt als „Lastlev“ oder „Lastlewius“ auf. Was der Name genau meint, ist schwer zu deuten, er stellt ein ungefähres, aber kein genaues Anagramm des Namens Wal(len)stein dar und könnte Lasterleben bedeuten, oder auch, wenn man das v oder w als u liest: Lastleu: ein Löwe, der die protestantischen Regionen belastet. Wie dem auch sei: An der Bewertung der Figur läßt das Inhaltsverzeichnis der Pomeris keinen Zweifel, er wird als „Tyrannus“ bezeichnet. Entsprechend der vorgegebenen Kategorisierung entsteht in den 1631 und 1632 erschienenen Dramen ein eindimensionales Wallenstein-Bild: Der Feldherr tritt als grausamer und blutrünstiger Belagerer vor Stralsund auf: „Der Friedländer tritt ein / vnnd spricht. Was Teuffels ist in der Statt drinnen /  Daß ich sie doch nit kann gewinnen? O Stralsund du viel böses Nest /  Verflucht sey / der dich gmacht so fest /  […] Nun kein einig Gnad /  Soll dieser Statt erzeiget werden /  Ich will sie gleich machen der Erden /  Es sey gleich Gott Lieb oder Leyd /  Ich zerstör sie bey meinem Ayd! Vnd will als niderhawen lassen /  Das Blut soll fliessen auff all Strassen /  Vnd das Wasser darvon rot werden /  Vnd steh mir drauß w[a]z wol für gfärden.“34 32  Der Terminus „Zeitstück“ wurde in den 1920er Jahren geprägt und bezog sich auf Dramen, die aktuelle politische Fragen der Weimarer Republik aufgriffen. 33  s. Scholz Williams. 34  Fischer, J. R., S. 31 f.

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Abb. 2: Johann Micraelius: Pomeris, Personenverzeichnis. (Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar: 4° XVIII: 79)

Monologe in dieser Art finden sich in der Schwedischen Comoedia und in der Pomeris mehrmals. Wallenstein flucht und droht, seine Hybris äußert sich als Gottferne („Es sey gleich Gott Lieb oder Leyd“) und in einem anderen Monolog als Bewußtsein einzigartiger Unbesiegbarkeit: „Vnd hab all Fürsten in dem Reich /   Einjagt ein Forcht vnd Schreck deßgleich /   Daß ich allenthalb hab antroffen /  An Stätt vnd Vöstung die Thor offen /   Allein diese Rebellisch Statt [Stralsund] Mir bißher widerstanden hat / “35 35  Fischer,

J. R., S. 31 f.



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Dem apokalyptisch ausgerichteten Handlungsschema entsprechend, jedoch abweichend von den geschichtlichen Tatsachen, kommt es am Schluß der Schwedischen Comoedia zu einem Zweikampf zwischen Gustav Adolph und Wallenstein, bei dem der schwedische König siegt. Der schwedische König bezeichnet Wallenstein dabei als „gemachte[n] Fürst[en]“ und Aufsteiger: „Fridland du bist von stoltzen Sitten /   Nach dem alten teutschen Sprichwort Welches du viel mahl hast gehört. Kein Messer ist / das schärpfer schirt /  Dann wann ein Knecht zum Herren wird.“36

An seine Grenzen gerät das Verfahren der Politikdeutung mittels allegorischer Figuren in der letzten der drei Comoediae, in Micraeliusʼ Agathander pro Sebasta vincens, die 1633 gedruckt, Ereignisse aus dem Jahre 1632 behandelt. Es geht in dem Stück um die bikonfessionelle Stadt Augsburg: Maozin, der Bruder Sebastaes, der für die katholische Konfession in Augsburg steht, hat Sebasta, die protestantische Konfession in Augsburg, in den Kerker werfen lassen. Agathander, Gustav Adolf, wird die Stadt schon in der Mitte des Dramas befreien: Die Schweden besetzten Augsburg nach kampfloser Übergabe am 20.4.1632. Die Wallenstein-Figur im Agathander weist nun für ein allegorisches Drama ungewohnt ambivalente Züge auf. Angesichts des Einmarsches der Schweden in Bayern unterhalten sich Jolola, die allegorische Figur, die die Jesuiten darstellt, und Contilius (Tilly), über die militärische Misere und Jolola stellt fest, daß man den Wallenstein nicht habe entlassen dürfen. Darauf antwortet Contilius: „Da warestu auch selbst / Jolola vrsach an /  Weil Lastlew [=Wallenstein] dir nicht war ein gnug geistlicher Mann /  Der allzuviele Lufft den Ketzern vberliesse. Jolola: Ich hab gefehlt mit dir / vnd mich drumb nicht außschliesse /  Der Lastlew aber mus zu seinem Ehrenstand Wiedrumb erhaben seyn […]“37

Hier und an weiteren Stellen wird das Desinteresse Wallensteins an religiösen Fragen sowie seine Kompromißbereitschaft dem protestantischen Lager gegenüber zum Thema. Ein direkter Übertritt Wallensteins ins protestantische Lager, wie ihn einige Zeitungen im Februar 1734 melden,38 erscheint im Drama allerdings nirgends als Denkmöglichkeit.

36  Fischer,

J. R., S. 89. (1633), I,4 (Bl. Ciiiir f.). 38  s. Medick, S. 116. 37  Micraelius

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Sein General Gotlachius, hinter dessen sprechendem Namen sich Johann von Götzen verbirgt, dem es 1630 nicht gelungen war, die Landung der Schweden auf Rügen zu verhindern, bringt im Gespräch mit Wallenstein diese Position auf den Punkt: „Gotl[achius]. Mit der Religion / Wer der Pfaffen Geschrey Hoch hält / den halte ich fürwar wie ein faul Ey. Laß zancken wer da wil von jhres Glaubens Sachen /  Das Schwerdt ist mir mein Glaub / damit mus ichs so machen Das ich zufressen hab […]“39

Wallenstein verteidigt zunächst den Kaiser („Protarchus ist bei mir allzeit vnschüldig funden“40) der nicht an seiner Absetzung schuld gewesen sei, bekennt dann aber noch im selben Dialog mit Gotlachius: „Darin mach ich es so’ / als eine embsig’ Biene /  Die sucht ohn vnterscheid / wie sie die Blumen find /  Vnd fraget nicht darnach / auff wes Wiesen sie sind. Hans / Peter / oder Claus sind jhnen eins geachtet; Also auch / weil mein Sinn nach Ehren stets getrachtet /  Vnd mir nun zweymahl hat einn schönen Hertzogshut Protarchus dargereicht / wer ich bey meinem Blut Ein vnbesonnen Mensch / weil er noch mehr kan geben Wann ich jhm nicht stünd bey / so lang ich hab das Leben.“41

Wallensteins Ehrstreben, seine superbia, bildet den zentralen Antrieb für sein Handeln. In einer Unterredung mit Bojanus, dem bayerischen Kurfürsten, demütigt er diesen (III,3), indem er von ihm eine ausführliche Schilderung der bayerischen Misere und eine Darstellung von Tillys Versagen verlangt, um ihm schließlich seine Hilfe zuzusagen. „Boj[anus]. Der Agathander [Gustav Adolph] thuts: Der lieget mir im Land /  Vnd verheeret dasselb mit Schwerd / Mord / Fewr vnd Brand. Lastl[evius]. Was machet dann Contill [Tilly] / der von euch ward gehalten als ein Gott / der allein alles wol kont verwalten? Lesset derselb wol zu / das der Feind dahin geh /  Da er liegt in Persohn / mit der gantzen Armee? Boj[anus]. Contil wird wol nicht mehr seinen Degen auszücken /  Lastl[evius]. Hui zu! Vielleicht liegt der Leutfresser auff dem Rücken.

(1633), III,2 (Bl. Fiiiir). (1633), III,2 (Bl. Fiiiv). 41  Micraelius (1633), III,2 (Bl. Fiiiir). 39  Micraelius 40  Micraelius



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Boj[anus]. Ach leider ja! Vnd ich weiß nicht / wor aus noch ein /  Mein’ Zuflucht steht zu dir / mein Lastlew / gar allein.“42

Auf dem Höhepunkt seiner Macht zeigt sich Wallenstein dann im vierten Aufzug, als er ein Schreiben mit den Vollmachten des Kaisers erhält: „Last. NJmb diesen Brieff Monsieur; Sih was für Herrligkeiten Mann von Protarchi Hoff eben zu diesen Zeiten Mir auff getragen hat: Liß laut: Die Wort sinds wehrt. Das sie von Jederman hie werden angehört. Gotl. [„]Weil ich Protarchus hab Lastlewen Trew verspühret /  Vnd weil er sich bezeigt / wie es eim Held gebühret /  Geb ich jhm zum Compans [Kompensation] das gantz Generalat Vber die gantz Armee / die man im Reiche hat. Er mag in allem Ding frey schalten vnde walten /  Nichts seinem Willen sol von mir sein vor behalten /  Wo er ist / sol es sein / als wann ich selbst da wer /  Er sol in diesem Krieg mit mir han gleiche Ehr.[“] Das ist brav /  Lastlew: Wirstu doch Herr der Herren /  Für dir hat kein Gewalt Protarch wollen versperren.“43

Sogar die Kurfürsten-Würde bietet der Kaiser Wallenstein an. Wallenstein möchte daraufhin in einem Anfall von Glaubenseifer Augsburg wie ehedem Tilly Magdeburg dem Erdboden gleich machen, besinnt sich dann aber noch darauf, daß er mit Religionsdingen nichts am Hut habe („Doch was mach ich Gotlach? Du selbest noch mit jrrest / “44) und beschließt, Nürnberg zu belagern, um dort einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen. Durch Botenberichte erfahren die Zuschauer dann im fünften Akt, wie Wallenstein vor Nürnberg taktiert: „Er lauschte als ein Fuchs“45. Die letzte Szene vor dem Schlußchor ist ein kurzer Monolog des Friedländers: „Lastlevius. Also wolt ich es han /  So mus man mir die Bahn Anrichten mit Manier /  Eh ich mein Volck aufführ /  Vnd zu eim harten Streit Mich widern Feind bereit. 42  Micraelius

(1633), 43  Micraelius (1633), 44  Micraelius (1633), 45  Micraelius (1633),

III,3 (Bl. Fiiiiv). IV,1 (Bl. Hiiiv). IV,1 (Bl. Hiiiiv). V,2 (Bl. Liiir).

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Nun ich aufführen kann Wol dreissig tausendt Mann Vnd da kaum halb so viel /  Der Feind führet zum Spiel /  Wehr ich nicht Ehren werth /  Wann / was mirs Glück beschert Ich schlüge in die Schantz Vnd wolt nicht an den Tantz. Wolauff / wolauff Lastlew /  Wag es vnd dich nicht schew.“46

Während man nach der Logik nicht nur eines allegorischen Dramas, sondern auch als protestantischer Zuschauer den Umschwung des von Wallenstein beschworenen Glücks und seinen Fall erwartet, endet Micraelius’ Comoedia mit dem Tod Gustav Adolfs, der ganz im Sinne einer Imitatio Christi („So ist mein Stund von hier zugehn gekommen?“47) gestaltet wird. Die Todesszene ist durchwirkt mit protestantischen Chorälen („Erhör uns lieber Herre Gott“ und „Wies Gott gefelt / so nehm mans an“), die die kritische Lage der protestantischen Angelegenheiten anzeigen und den Zuschauern Hoffnung zusprechen sollen. Die Leistung eines allegorischen Spiels, den Zuschauern eine Deutungshilfe zu geben, wird durch die Funktion des Dramas, auch Nachrichtenmedium zu sein, weitgehend außer Kraft gesetzt. Wallenstein auf dem Höhepunkt seiner Macht und der Tod Gustav Adolfs als neueste Nachrichten überlagern die Befreiung Augsburgs und lassen einen Sieg der „confessio Augustana“ nicht erkennen. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Dramen gibt es im Agathander keinen Triumph der protestantischen Seite am Dramenende. Während die aktuellen politischen Ereignisse die Anlage eines allegorischen Spieles auf der Handlungsebene zerstören, höhlt die Anlage der Wallenstein-Figur es sozusagen von innen aus, denn Wallensteins Desinteresse an religiösen Dingen unterläuft die binäre Opposition von Protestantismus und Katholizismus, die in allegorischer Lesart noch drastischer als Gegensatz von „babylonischer Hur“ und „Confessio Augustana“ formuliert wird. Zwar sind Wallensteins und Gottlachius’ religiöse Indifferenz aus protestantischer Sicht negativ als Gotteslästerung zu bewerten, dennoch wird dadurch die binäre Opposition durch ein drittes Element, das sich keinem der beiden Lager zuordnen läßt, irritiert, und das, obwohl die für die spätere Dramatik so wichtige Frage nach dem zunehmend ambivalenten Verhältnis Wallensteins zum Kaiser in den frühen Wallensteindramen gar nicht auf die Spitze 46  Micraelius 47  Micraelius

(1633), V,4 (Bl. Miv). (1633), V,5 (Bl. Miiir).



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getrieben wird. Wallenstein bleibt kaisertreu und wird nicht, wie in den wenig später, aber eben nach seiner Ermordung, entstandenen Dramen von Glapthorne und Vernulaeus als mit den Protestanten paktierender Rebell dargestellt, der die gottgegebene Reichsordnung zerstören möchte. Schon vor seiner Ermordung beginnt also die Karriere der WallensteinFigur auf der Bühne als einer Gestalt, die sich einfachen Einordnungen und Deutungsmustern entzieht. Die Wallenstein-Figur in Micraelius’ Agathander sprengt das allegorische Deutungsverfahren, dem sich die vier hier behandelten Dramen bedienen und zerstört damit auch die heilsgeschichtliche Kontextualisierung. Im Hinblick auf die Darstellung dieser Ambivalenzen sind die frühen Dramen und vor allem der Agathander den wenig später entstandenen Werken von Glapthorne und Vernulaeus überlegen. Diese entsprechen dramentechnisch zwar eher den Vorstellungen späterer Jahrhunderte, zeichnen dabei aber ein recht eindimensionales Bild von Wallenstein als einem Verräter der kaiserlichen Sache.

Kommentar Von Christoph Kampmann „Wallenstein-Bilder“ stehen im Mittelpunkt von gleich zwei Kapiteln des vorliegenden Sammelbandes. Die hier zu kommentierenden Aufsätze konzentrieren sich auf die zeitgenössischen Bilder des Feldherrn, wobei es sämtlichen Beiträgen vorrangig um jene Bilder geht, die in der zeitgenössischen Öffentlichkeit kursierten. Hans Medick wendet sich in seinem Aufsatz zwar auch einzelnen, nicht für die öffentliche Verbreitung bestimmten Selbstzeugnissen zu. Aber auch dies geschieht in der Absicht, Aussagen über die Verbreitungswege und die Verbreitungsgeschwindigkeit der publizierten Nachrichten zu Wallensteins Tod zu machen. Im Sinne der jüngeren Forschungsentwicklung1 sind es unterschiedliche zeitgenössische Öffentlichkeiten, die die verschiedenen Beiträge dabei in den Blick nehmen. Bernhard Jahn untersucht Wallenstein-Bilder im zeitgenössischen Drama; ihm geht es dabei um Dramen, die noch zu Lebzeiten des Generalissimus entstanden sind, während sich die drei anderen Beiträge von Arne Karsten, Hans Medick und Silvia Serena Tschopp im wesentlichen auf die Alltagspublizistik konzentrieren, der sie sich mit jeweils unterschied­licher Akzentuierung zuwenden. Silvia Serena Tschopp unternimmt es, mit Hilfe der Wallenstein-Publizistik zu generellen Aussagen über die Bedingungen und Wege medialer Kommunikation im Dreißigjährigen Krieg zu gelangen. Der Beitrag von Arne Karsten ordnet das Wallenstein-Bild in die publizistischen Kontroversen zwischen den konfessionellen Lagern ein, während sich Hans Medick mit der medialen Aufbereitung von Wallensteins Tod beschäftigt. Grundsätzlich ist die hier behandelte Thematik „Wallenstein-Bilder in der zeitgenössischen Öffentlichkeit“ nicht neu, im Gegenteil: Die Historiographie hat sich mit der zeitgenössischen Flugschriftenpublizistik zu Wallensteins Wirken und vor allem zu seinem Tod bereits zu Zeiten beschäftigt, als die Untersuchung von Publizistik und Medien der Epoche insgesamt auf eher geringes Interesse der „Zunft“ stieß. Unter den frühen einschlägigen Studien zur öffentlichen zeitgenössischen Diskussion über Wallenstein sind hier die 1  Zur Forschungsdiskussion über die Strukturen der segmentierten frühneuzeit­ lichen Öffentlichkeit vgl. zusammenfassend: Schmale; Körber.

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Christoph Kampmann

bis heute sehr nützlichen Arbeiten von Heinrich von Srbik2 (1921 / 52) und Anton Ernstberger3 (1955) zu nennen. Seitdem wurde die Thematik immer wieder unter verschiedenen Perspektiven behandelt. Spätestens seit den 1980er Jahren entfaltete sich mit der Überwindung älterer Forschungsparadigmen Habermasscher Prägung eine intensive Forschung zur frühneuzeit­ lichen Öffentlichkeit, zu ihren medialen Ausprägungen und Kommunika­ tionsformen. Es ist eine wesentliche Stärke der Beiträge dieser Sektion, dass sie die öffentliche Verhandlung der Wallenstein-Causa in den Kontext der allgemeinen Forschungsentwicklung stellen. Einen Aspekt der Thematik stellen alle Beiträge dieser Sektion auf je eigene Weise klar heraus: Für die öffentliche Rezeption Wallensteins markierte sein Tod – und vor allem: die Umstände seines Todes, nämlich sein gewaltsames Ende durch die Hand kaisertreuer Offiziere – die entscheidende Zäsur. Dies gilt in zweifacher Hinsicht: Erst mit den Ereignissen in der Nacht vom 25. und 26. Februar 1634 in Eger rückte Wallenstein überhaupt ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit, und zwar schlagartig. Andererseits veränderte sich mit seinem Tod die Art der öffentlichen Auseinandersetzung. Nun wurde der Generalissimus zum Gegenstand heftiger Kontroversen, von nun an konnte von einer regelrechten „Wallenstein-Diskussion“ in der Öffentlichkeit gesprochen werden. Die öffentliche Wallenstein-Rezeption vor dieser Zäsur, also zu Lebzeiten des Generalissimus, steht im Mittelpunkt der Beiträge von Bernhard Jahn und Arne Karsten. Obwohl sie unterschiedliche Foren und Ausdrucksformen in den Blick nehmen, werden doch klare Konturen des dabei kolportierten Wallenstein-Bildes deutlich: Sowohl in der (konfessionellen) Publizistik als auch in der untersuchten Dramenliteratur erschien Wallenstein als religiös indifferenter Machtmensch, für den geistliche Werke nur frommer Schein gewesen seien, um seine wahren Ambitionen zu tarnen. Entsprechend sei es den konfessionellen Publizisten – so Arne Karsten – schwergefallen, Wallenstein einen Platz in den konfessionellen Kontroversen zuzuweisen. Erst mit seinem Tod, für den von evangelischer Seite die „jesuitisch-papistische Rott“ verantwortlich gemacht wurde, änderte sich dies. Nun konnte der auf Weisung seines kaiserlichen Dienstherrn getötete Feldherr zum Argument im öffentlichen Konfessionsdisput werden. In das zu Lebzeiten sporadisch in der Publizistik auftauchende Bild des machtbesessenen, religionsfernen, skrupellosen „Tyrannen“ fügten sich dann 2  Srbik (1952), S. 210–271, Kapitel 2 (Die öffentliche Meinung besonders im evangelischen Deutschland im März 1634), 3 (Die Anfänge der österreichischen Publizistik), 4 (Die offiziöse Publizistik Ende März-Anfang April) und 5 (Das Bekenntnis des Kaisers und die offizielle Rechtfertigungsschrift). 3  Ernstberger (1977).



Kommentar173

Ereignisse wie das Prager Blutgericht 1633 – die unerbittliche Verurteilung und Hinrichtung fahnenflüchtiger kaiserlicher Offiziere – vorzüglich ein. Sie entsprachen dem offenbar dominierenden Bild eines Feldherrn, dem Mitleid und Gnade ebenso wie tiefere religiöse Regungen fremd seien. So überzeugend dies dargestellt wird, in einer Hinsicht ist doch wohl Vorsicht anzumahnen, nämlich dieses in der Öffentlichkeit kolportierte Bild Wallensteins mit „Fakten“ gleichzusetzen, wozu der Beitrag von Arne Karsten tendiert. In der Wallenstein-Geschichtsschreibung hat dies eine gewisse Tradition: Das zeitgenössisch kursierende Bild von Wallensteins religiöskonfessioneller Indifferenz wurde dort aufgegriffen, nun durchaus (und ­anders als zu Lebzeiten des Feldherrn) auch mit positiver Konnotation: In der Historiographie begegnet uns Wallenstein regelmäßig als eine Art rationaler „Vordenker“ und „Pionier“ der Entkonfessionalisierung der Politik, als eine Art einsamer Rufer in einer Zeit des grassierenden religiösen Fanatismus.4 Neueste biographische Studien argumentieren hier weit zurückhaltender.5 Zunächst fehlen eindeutige Selbstzeugnisse, die authentisch Rechenschaft über die religiöse Gefühlswelt des Generalissimus geben könnten – sie bleibt für den rückschauenden Betrachter doch im wesentlichen eine „black box“, was übrigens auch für viele andere Persönlichkeiten in Militär und Politik im Dreißigjährigen Krieg gilt. Zieht man Wallensteins Handeln in Betracht, nicht nur in Hinblick auf die extrem großzügigen Stiftungen an geistliche Einrichtungen und Orden, gerade an die Jesuiten, sondern auch hinsichtlich seines bis ins hohe Alter frommen Lebensstils als praktizierender Katholik, so entsprach er durchaus den konfessionellen Erwartungen, zum Teil in weit höherem Maße als Persönlichkeiten, deren Rechtgläubigkeit nie in Frage gestellt wurde. Anders formuliert: Es gibt kaum Gründe zu zweifeln, dass Wallensteins Religiosität weniger ernst gemeint war als die anderer katholischer Zeitgenossen.6 Hinzuzufügen ist, dass der Vorwurf, ein religiös indifferenter Machiavellist, also ein „politicus“ zu sein, auch andere prominente Zeitgenossen Wallensteins traf, deren tiefe persönliche Religiosität inzwischen völlig außer Frage steht, etwa Wallensteins „glücklicheren Schicksals­ 4  Prägnant in diesem Sinne Srbik (1952), S. 281: „Er [Wallenstein] starb, da er jenen großen weltgeschichtlichen Prozeß mit ungenügender Kraft beschleunigen wollte, in dem der habsburgisch-katholische Universalismus des Zeitalters der Gegenreformation durch die Idee der Gleichberechtigung christlicher Bekenntnisse und des politischen Selbstbestimmungsrechts der Staaten abgelöst wurde.“ 5  Mortimer (2012). 6  Vgl. den Hinweis Mortimers, dass der Feldherr bis zu seinem Lebensende praktizierender Katholik geblieben ist und auch sonst einen (unter seinen Standesgenossen nicht selbstverständlichen) moralisch einwandfreien persönlichen Lebensstil pflegte, an dem nicht einmal seine zahlreichen Gegner etwas auszusetzen hatten.

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Christoph Kampmann

bruder“,7 den französischen Kardinalpremier Richelieu. Auch dieser sah sich zu seiner Zeit entsprechenden öffentlichen Angriffen seiner Gegner auf protestantischer wie auf streng katholischer Seite ausgesetzt.8 Und auch im Falle Richelieus folgte die ältere Geschichtsschreibung, nicht zuletzt die deutschsprachige, gern solchen Urteilen. Die neuere Historiographie beurteilt dies anders: Die tiefe Religiosität Richelieus steht außer Zweifel, wobei für ihn (genau wie für die meisten politischen Akteure seiner Zeit) Politik keineswegs Vorrang vor Religion hatte, sondern er suchte beides in Übereinstimmung zu bringen.9 Im Falle Wallensteins haben die Urteile von seiner angeblichen Religionsferne zu quellenmäßig unhaltbaren, gleichwohl zäh tradierten Urteilen geführt, etwa dass die Kurie oder die Regierung des Katholischen Königs in Spanien selbstverständlich zu Wallensteins Gegnern gezählt wurden und werden – beides war nicht der Fall, sowohl Rom als auch Madrid standen Wallenstein bis zum bitteren Ende 1634 eher wohlwollend gegenüber.10 Sogar Wallensteins vielzitierte prinzipielle Gegnerschaft zum Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. von 1629 ist quellenmäßig nicht eindeutig zu belegen.11 Schließlich ist auch die Faszination, die die Astrologie auf Wallenstein ausübte, kein Beweis für Religionsferne. Anhänglichkeit an astrologische Vorstellungen und christlicher Glaube bildeten für die Menschen der Zeit mitnichten unüberbrückbare Gegensätze, wie zahlreiche Beispiele streng konfessioneller, zugleich aber astrologisch interessierter Herrscher der Zeit zeigen.12 Hier lebten in der späteren Historiographie in der Tat noch Stereotypen fort, die uns schon in der zeitgenössischen publizistischen Diskussion begegnen. Welch zentralen Wendepunkt Wallensteins Tod bzw. die Umstände seines Todes für sein Bild in der Öffentlichkeit markierten, dies stellen die Beiträge von Hans Medick und Silvia Serena Tschopp heraus. Um es einmal in kontrafaktischer Zuspitzung zu formulieren: Wallenstein wäre wohl weder aus Sicht der Zeitgenossen noch aus jener der Nachwelt eine auch nur annähernd 7  So die Bezeichnung Richelieus bei Mann (1988), S. 532 u. ö. Vgl. zur entsprechenden Einschätzung Richelieus in der älteren Historiographie z. B. Mommsen, S. 443. 8  Vgl. dazu Thuau, S. 103–152. 9  Vgl. Viguerie; Weber, H. (1991), S. 125. 10  Zur positiven Haltung des spanischen Staatsrats gegenüber Wallenstein vgl. zusammenfassend mit weiterer Literatur Kampmann (1993), S. 116; zum Verhältnis des römischen Staatssekretariats zu Wallenstein jetzt viel Material in: Becker; vgl. etwa die noch am 14. Januar 1634 von Kardinalstaatssekretär Barberini an den Wiener Nuntius Rocci gerichtete Weisung, sich um ein vertrauensvolles Verhältnis zu Wallenstein zu bemühen, ebd., S. 307. 11  Vgl. dazu mit Diskussion der Quellen Kampmann (2003), S.  304 f. 12  Vgl. zusammenfassend Brosseder, S.  78 f. u. ö.



Kommentar175

so öffentlich wahrgenommene und kontrovers diskutierte Persönlichkeit geworden, wenn er 1633 / 34 eines natürlichen Todes gestorben und nicht von kaisertreuen Offizieren getötet worden wäre. Doch wie stark haben die mit seinem Tod 1634 unvermittelt einsetzenden publizistischen Kämpfe zwischen den Verteidigern Wallensteins auf protestantischer Seite und seinen Kritikern auf kaiserlicher Seite die spätere Geschichtsschreibung beeinflusst? Sowohl der Beitrag von Hans Medick als auch jener von Silvia Serena Tschopp gehen (mit etwas unterschiedlicher Akzentsetzung) davon aus, dass es deutliche Verbindungslinien zur späteren Geschichtsschreibung mit der Ausprägung des Wallenstein-Mythos und den heftigen Kontroversen um die „Wallenstein-Frage“ gegeben habe. Hier scheinen gewisse Zweifel erlaubt. Gibt es doch Indizien, dass schon eine Generation später die scharfen konfessionell-politischen Frontstellungen, die die 1634 / 35 geführte Debatte um Wallenstein bestimmt hatten, kaum noch eine Rolle gespielt haben. Dies zeigt etwa das Beispiel des berühmten Geschichtsschreibers und kaiserlichen Hofhistoriographen, Galeazzo Gualdo Priorato. Er veröffentlichte 1673 eine Lebensbeschreibung Wallensteins, die im Sinne der „Historia Magistra Vitae“ der allgemeinen Belehrung und darüber hinaus – und dies ist für unseren Zusammenhang entscheidend – unverkennbar einer Ehrenrettung des Friedländers diente.13 Es gibt keine Anzeichen, dass dieses positive Wallenstein-Bild Gualdo Prioratos Stellung am Kaiserhof in irgendeiner Weise geschadet hätte: Wallenstein war offensichtlich schon recht kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg am Wiener Hof keine Unperson mehr.14 Zu gleicher Zeit kamen auf evangelischer Seite höchst Wallensteinkritische Schriften in Umlauf, die den Friedländer zur negativen „Kontrast­ figur“ zum protestantischen Heroen Gustav Adolf stilisierten.15 Insgesamt erscheint es so eher gewagt, direkte Linien zwischen den publizistischen Kontroversen unter den Zeitgenossen und den späteren Geschichtsbildern zu ziehen. Nur in einer Hinsicht ist diese Kontinuität wohl nicht zu leugnen, und dies zeigen die Beiträge der Sektion für ihren Untersuchungsbereich eindrucksvoll: Es war der plötzliche tiefe Sturz, sein jäher Untergang, von dem die eigentliche Faszination für diese historische Persönlichkeit seit 1634 stets ausgegangen ist.

das Lebensbild Wallensteins in Priorato. dazu Strohmeyer, S. 68–74. 15  Vgl. dazu Kampmann (2011). 13  Vgl. 14  Vgl.

Wallenstein – Persönlichkeit und Selbstverständnis

Der gewalttätige Student. Wallenstein an der Hohen Schule in Altdorf Von Wolfgang Mährle „Ein Mosaik, in dem viele Steine fehlen“ – mit diesem Bild charakterisierte Golo Mann die wissenschaftlichen Kenntnisse über die Kindheit Al­ brechts von Wallenstein.1 Das Urteil Manns trifft auch heute noch zu und gilt nicht nur für die Kindheit, sondern ebenso für die Jugendzeit des späteren kaiserlichen Generalissimus. Sowohl das familiäre Umfeld Wallensteins als auch seine schulische und universitäre Bildung lassen sich quellenbedingt nur fragmentarisch rekonstruieren. Ebenso erlaubt es die vorhandene Überlieferung nicht, die für den weiteren Lebensweg des böhmischen Adligen wichtige religiöse Entwicklung in der Zeit als Jugendlicher und junger Erwachsener gesichert nachzuzeichnen. Um im Bild Manns zu bleiben: Zu den Mosaiksteinen, über die wir zur Biografie Wallensteins bis zu seiner erstmaligen militärischen Verwendung im Jahr 1604 verfügen, zählen die Quellen über den etwa halbjährigen Aufenthalt an der Nürnberger Hohen Schule in Altdorf in den Jahren 1599 und 1600. Diese Nürnberg-Altdorfer Mosaiksteine wurden in den vergangenen vier Jahrhunderten vielfach betrachtet, umgewendet und von allen Seiten beleuchtet, und es wurde versucht, aus ihnen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit Wallensteins zu ziehen. Das Studium des Generalissimus in Altdorf ist auf diese Weise Gegenstand einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen und populären Abhandlungen geworden und wird auch in biografischen Darstellungen – in unterschiedlicher Ausführlichkeit – geschildert.2 Die Mehrzahl der Spezialstudien zum Thema ist bereits in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg entstanden; zum Teil enthalten diese Veröffentlichungen auch Abdrucke der im Staatsarchiv Nürnberg sowie in der Universitätsbibliothek Erlangen überlieferten Quellen.3 1  Mann,

G. (1983), S. 7–32. S. 204–210; Will (1762), S. 434–437; Murr, S. 300–304; Palacký, bes. S. 82; Böttiger; Baader; Ranke (1869), S. 7–8; Überhorst; Dvorský, S. 37–45; Siegl (1911); Diwald (2007), S. 27–32; Mann, G. (1983), S. 24–31; Janáček (1978), S. 34–39; Polišenský / Kollmann (1997), S. 18–19; Rebitsch (2010), S. 23; Mortimer (2012), S. 15–16. 3  Vgl. bes. Böttiger, Baader und Siegl (1911). 2  Wagenseil,

180

Wolfgang Mährle

Neben dem wissenschaftlichen gibt es auch ein literarisches Interesse an Wallensteins Aufenthalt in Altdorf. Der Hochschulbesuch ist in Friedrich Schillers „Wallensteins Lager“ erwähnt, dem ersten Teil seiner WallensteinTrilogie.4 Im Jahr 1894 verfasste der Lehrer Franz Dittmar ein Volksschauspiel mit dem Titel „Wallenstein in Altdorf“, das in überarbeiteter Form bis heute regelmäßig in den Räumlichkeiten der ehemaligen Hohen Schule zur Aufführung gelangt.5 Die angedeutete Forschungslage gibt die Zielrichtung meines Beitrags vor. Meine Ausführungen können sich nicht auf neue Quellenfunde größeren Umfangs stützen. Vielmehr sollen die überwiegend bekannten Dokumente zum Studienaufenthalt Wallensteins an der Altdorfer Hochschule im Licht des heutigen Wissens über diese Bildungseinrichtung interpretiert werden. Der hier unternommene Versuch verspricht deswegen neue Aufschlüsse, weil die Forschung über die Altorfina nach Jahrzehnten der Stagnation in den letzten zwei Dekaden zahlreiche Impulse erfahren hat: Drei Monografien, drei Sammelbände, eine DVD sowie eine größere Zahl an Aufsätzen sind in dieser relativ kurzen Zeitspanne erschienen.6 Zu den wissenschaftlichen Publikationen kommen zwei populäre Darstellungen des früheren Altdorfer Stadtarchivars Hans Recknagel.7 Die Mehrzahl der in den letzten beiden Jahrzehnten erschienenen Veröffentlichungen bezieht sich auf die Zeit zwischen der Gründung der Bildungseinrichtung im Jahr 1575 bzw. ihrer Privilegierung zur „Semiuniversitas“ mit dem Promotionsrecht in der philosophischen Fakultät im Jahr 1582 und der 1623 erfolgten Gründung der Universität. Diese Publikationen beschäftigen sich also zumindest auch mit der Zeit, in der Wallenstein die Academia Norica besuchte. 1. Wallenstein in Altdorf 1599 / 1600  – Chronologie der Ereignisse Bevor ich den Studienaufenthalt Albrechts von Wallenstein in Altdorf unter verschiedenen Aspekten analysiere, skizziere ich die Chronologie dieses Hochschulbesuchs. Dies ist notwendig, da die Geschehnisse häufig nicht korrekt dargestellt werden und Wallensteins Altdorfer Zeit auch von einigen Anekdoten umrankt ist, die keine reale Grundlage haben. Solche Erzählungen fanden nicht zuletzt Eingang in die erwähnten literarischen Verarbeitungen. Friedrich Schiller etwa nahm in „Wallensteins Lager“ die bekannteste 4  Schiller,

NA VIII,1, S. 35 und NA VIII,2, S. 476. Vgl. hierzu Becher, bes. S. 85–109. 6  Die wichtigsten Publikationen sind: Mährle (2000); Gaab / Leich / Löffladt; Brennecke / Niefanger / Schnabel; Gaab (2011a); Gaab (2011b); Schnabel; Marti / MartiWeissenbach. 7  Recknagel (1998); Recknagel (2001). 5  Dittmer.



Der gewalttätige Student

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dieser fiktiven Geschichten auf: Demnach habe der junge böhmische Freiherr auf trickreiche Weise vermieden, dass der Altdorfer Hochschulkarzer nach ihm als dem ersten Insassen benannt würde.8 Wallenstein habe, zum Gefängnis verurteilt, seinen Hund vorgeschickt.9 Albrecht von Wallenstein traf Ende August 1599 in der Nürnberger Landstadt ein. Er schrieb sich am 29. August 1599 als „Albertus à Waldstein, Baro Boh[emus]“ gemeinsam mit zwei Begleitern, dem Präzeptor Johannes Heldreich aus Görlitz und dem Famulus Wenzel Metrouski, in die Matrikel der Altdorfer Hochschule ein.10 Nach seiner Ankunft in der Nürnberger Landstadt bezog der knapp sechzehnjährige Student ein Haus am Marktplatz.11 Über die Vorlesungen, die Wallenstein in den folgenden Monaten in Altdorf besuchte, liegen keine Quellen, etwa Selbstzeugnisse, vor. Allerdings wird der spätere Generalissimus während seines Aufenthalts in der Nürnberger Landstadt mehrere Male aktenkundig. Der Grund hierfür sind jeweils Gewalthandlungen, die Wallenstein verübte oder an denen er beteiligt war. Alle diese Vorfälle ereigneten sich im Dezember 1599 oder im Januar 1600. Das erste Aufsehen erregende Ereignis, in das Wallenstein verwickelt war, trug sich in der Nacht vom 6. auf den 7. Dezember 1599 zu, also gut drei Monate nach der Immatrikulation.12 In Altdorf rottete sich in besagter Nacht 8  Die einschlägige Szene findet sich im 7. Auftritt Erster Jäger:  Ja, er fing’s klein an und ist jetzt so groß. Denn zu Altdorf, im Studentenkragen  Trieb er’s, mit Permiß zu sagen, Ein wenig locker und purschikos, Hätte seinen Famulus bald erschlagen. Wollten ihn drauf die Nürnberger Herren Mir nichts, dir nichts in‘s Carcer sperren, ’S war just ein neugebautes Nest, Der erste Bewohner sollt’ es taufen. Aber wie fängt er’s an? Er läßt Weislich den Pudel voran erst laufen. Nach dem Hunde nennt sich’s bis diesen Tag;  Ein rechter Kerl sich dran spiegeln mag. Unter des Herrn großen Thaten allen Hat mir das Stückchen besonders gefallen. (zitiert nach Schiller, NA VIII,2, S. 476).

und lautet:

hierzu bereits ablehnend Wagenseil, S. 207. Erlangen (UBE), Altdorfer Universitätsarchiv (AUA) 3, fol. 42v, Eintrag vom 29. August 1599 (Nr. 2046–2048); Steinmeyer, Bd. 1, S. 71. 11  Wagenseil, S. 207; Murr, S. 301. 12  Zum Folgenden vgl. UBE, AUA 8, fol. 16v–17r; AUA 10, fol. 120r–v; AUA 160, Schreiben der Scholarchen vom 7. und 20. Dezember sowie des Nürnberger Rats vom 9  Vgl.

10  Universitätsbibliothek

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Wolfgang Mährle

eine Gruppe von fünf Studenten vor dem Haus des lutherisch-orthodoxen Theologieprofessors Dr. Jacob Schopper zusammen.13 Die Jugendlichen, unter ihnen Wallenstein, verspotteten den Gelehrten und seine Theologie, randalierten, grölten antitrinitarische Parolen und beschädigten durch Steinwürfe das Haus erheblich.14 Bei dem Krawall handelte sich um eine Wiederholungstat.15 Beim Abzug drohte die Meute, anderntags wiederzukommen und noch größere Randale zu veranstalten, eventuell Schopper auch körperlich zu bedrohen. Die „nocturnas actiones“ vor dem Haus Schoppers wurden zunächst dem akademischen Senat der Hochschule, dann dem Nürnberger Rat gemeldet.16 Der reichsstädtische Magistrat ordnete mit Schreiben vom 8. Dezember 1599 eine Untersuchung der Vorfälle durch den Rektor Nicolaus Taurellus sowie den Altdorfer Pfleger Georg Roggenbach an.17 Die Recherchen sollten „unvermerkt“ durchgeführt werden. Die Ratsherren befahlen Taurellus des Weiteren, die Schuldigen „zu fengklicher verhafft an[zu]nehmen“ und die Studentenschaft per Edikt zur Ruhe aufzufordern.18 In den Fokus der Ermittlungen geriet in den Tagen und Wochen nach der Tat ein gewisser Gottfried Sebisch aus Breslau, der als Anführer der Studentengruppe identifiziert wurde.19 Sebisch bestritt allerdings seine Beteiligung an der Aktion kontinuierlich. Am 22. Dezember beeidete er seine Aussagen sogar vor dem akademischen Senat.20 Wie mit den anderen, an der Aktion gegen Schopper mutmaßlich Beteiligten umgegangen wurde, ist nicht bekannt. Ebenso unklar ist, ob die Tatsache, dass einer der Verdächtigen, der aus Litauen stammende Jarosław Druskj Socoliński (Drutsky-Sokolinsky), im Konvikt des Rektors Taurellus lebte,

8. Dezember 1599; Staatsarchiv Nürnberg (StAN), Reichsstadt Nürnberg (Rst. Nbg.), Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 71, fol. 254v. 13  Vgl. UBE, AUA 10, fol. 120r. Die Täter konnten nur „nach vil gehabter mühe“ ermittelt werden. Es handelte sich um Albrecht von Wallenstein, Gottfried Sebisch, Jarosław Druskj Socoliński (Drutsky-Sokolińsky), Johann Lopes de Villanova und den – in den Akten namenlosen – Famulus von Socoliński, der nach der Tat entfloh. Dass die Täter nur schwer festzustellen waren, spricht dafür, dass sie über Rückhalt in der Studentenschaft verfügten. 14  Vgl. Schoppers Anfang 1600 gestellter Antrag, ein neues Haus zu erhalten in StAN, Rst. Nbg., Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 72, fol. 10v. 15  UBE, AUA 160, Schreiben des Nürnberger Rates vom 8. Dezember 1599. 16  UBE, AUA 10, fol. 120r. 17  Schreiben des Landpflegamts an Roggenbach: StAN, Rst. Nbg., Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 71, fol. 254v. 18  UBE, AUA 160, Schreiben der Scholarchen vom 8. Dezember 1599. 19  UBE, AUA 160, Schreiben der Scholarchen vom 20. Dezember 1599. Sebisch wird als „anfänger“, d. h. Anstifter, der Aktion den Schopper bezeichnet. 20  UBE, AUA 10, fol. 120v.



Der gewalttätige Student

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Einfluss auf den Gang der Ermittlungen hatte.21 In jedem Fall dürfte auch Wallenstein zu den Ereignissen eingehend befragt worden sein.22 Noch bevor die Ermittlungen in der Causa Schopper abgeschlossen werden konnten, wurde die Altdorfer Hochschule von einem weit gravierenderen Ereignis erschüttert.23 Wolff Fuchs, der Sohn eines Altdorfer Schlossers, war in der Nacht vom 23. auf 24. Dezember 1599 auf dem Marktplatz der Nürnberger Landstadt mit einer Gruppe Studenten in Streit geraten. Es kam zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Student Johann Hartmann von Steinau Fuchs erstach. Die in den Streit verwickelte Studentengruppe, der wiederum auch Wallenstein zugehörte, verhalf anschließend dem Täter zur Flucht. Dies war nicht zuletzt deswegen möglich, weil der Pfleger Georg Roggenbach gezögert hatte, die Ermittlungen sofort aufzunehmen und die Wohnungen der Verdächtigen zu durchsuchen.24 Der Nürnberger Rat, der als Träger der Hochgerichtsbarkeit umgehend über die Vorfälle informiert worden war, befasste sich am 24. Dezember mit dem Totschlag. Die Ratsherren tadelten Roggenbach für seine Versäumnisse und ordneten verschiedene Maßnahmen zur Ergreifung des entflohenen Steinau an.25 Unter anderem lobten die Ratsherren für Hinweise, die zur Ergreifung des Totschlägers führten, eine Belohnung von 100 Gulden aus. Hinweisgebern wurde gleichzeitig Anonymität zugesichert. Hingegen sollten Unterstützer Steinaus, die diesen in ihren Häusern verbargen, „am Leib gestrafft werden“. Des Weiteren leitete der Rat Informationen über den Täter an die Altdorf benachbarten Pflegämter in Lauf und Hersbruck weiter, da man mit guten Gründen vermutete, dass Steinau versuchen würde, die von seinem Vater verwaltete, als Enklave im Nürnberger Territorium gelegene Burg Rothenberg zu erreichen. Es war deshalb wahrscheinlich, dass der Fluchtweg Steinaus durch die genannten Ämter führen würde. Taurellus, Praefatio [S. 4]. plausibel erscheint hingegen die Vermutung, im Dezember 1599 seien bereits Karzerstrafen verhängt worden. Hierfür fehlt jeder Nachweis. Für eine Bestrafung des Haupttäters Sebisch erst nach seinen Mittätern gibt es zudem keinen nachvollziehbaren Grund. 23  UBE, AUA 8, fol. 17r–v; AUA 10, fol. 120v–121; AUA 137, Actus II, S. 3–9; AUA 155. 24  StAN, Rst. Nbg., Rep. 27b Briefbücher des Landpflegamts, Bd. 65, fol. 328v, Eintrag vom 24. Dezember 1599. 25  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 5v–6r, 24. Dezember 1599; Rep. 60b Ratsbücher, Bd. 58, fol. 262v–263r; Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 71, fol. 265v, 24. Dezember 1599; 266v–267r, 25. Dezember 1599 (u. a. Anordnung, den Leichnam des Toten begraben zu lassen); 267v–268r, 27. Dezember 1599; Rep. 27b Briefbücher des Landpflegamts, Bd. 65, fol. 328v, 24. Dezember 1599; fol. 331r, 27. Dezember 1599. 21  Vgl.

22  Kaum

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Wolfgang Mährle

Infolge des Ratsverlasses vom 24. Dezember wurden in Altdorf Untersuchungen gegen den Personenkreis eingeleitet, der bei der Tat anwesend war und aus dessen Mitte nach der Vermutung des Rates Beihilfe zu der Bluttat geleistet worden war.26 Um seine Recherchen durchführen zu können, hielt der Pfleger Roggenbach die Altdorfer Stadttore acht Tage lang geschlossen und postierte Wachen an den Toren, auf den Stadtmauern und an verschiedenen Stellen in der Stadt. Rasch waren die möglichen Mittäter Steinaus identifiziert: Es handelte sich um Gottfried Sebisch sowie um Albrecht von Wallenstein, die beide bereits wegen der Vorfälle am 6. / 7.  Dezember den Unmut des Nürnberger Rats erregt hatten. Als Roggenbach die Häuser, in denen die verdächtigen Studenten lebten, durchsuchen wollte, widersetzten sich die Jugendlichen zeitweise gewaltsam seinen Anordnungen.27 Die Ermittlungen Roggenbachs an Weihnachten 1599 und in den Tagen danach wurden ferner dadurch erschwert, dass es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen ihm und dem Hochschulrektor Nicolaus Taurellus kam.28 Hintergrund waren Unklarheiten über die Reichweite der akademischen Gerichtsbarkeit in Altdorf. Die Hochschule wandte sich etwa gegen Roggenbach, als dieser dem der Mittäterschaft verdächtigten Gottfried Sebisch in den Tagen nach der Tat untersagte, die Stadt Altdorf zu verlassen. Der reichsstädtische Rat ergriff bei diesen Kompetenzstreitigkeiten die Partei des Pflegers. In einem Schreiben vom 27. Dezember forderte die politische Führung Nürnbergs Taurellus auf, Roggenbach zu unterstützen.29 In einem Ratsverlass vom selben Tag drohte der Magistrat den Mittätern Steinaus erstmals Konsequenzen an: Wenn diese sich der Nürnberger Obrigkeit nicht unterwarfen, vor allem auch etwaige Strafen akzeptierten, sollten ihre Eltern brieflich zum Rückruf ihrer Kinder aufgefordert werden.30 Zwei Tage später, am 29. Dezember beschloss der reichsstädtische Rat, eine Deputation von drei Personen sowie mehrere Ordnungskräfte (Provisoner) nach Altdorf zu entsenden, um die Ermittlungen sowohl in der Causa Schopper als auch im Fall des Totschlags von Wolff Fuchs zu koordinieren und weiterzuführen.31 Wallenstein sollte durch die Ratsherren eindringlich ermahnt und zum Verbleiben in Altdorf bis 26  UBE,

AUA 137, Actus II, S. 3–9, bes. S. 3–4. Rst. Nbg., Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 276v– 278v, 27. Dezember 1599, hier fol. 277r. 28  Beschreibung der Misshelligkeiten: UBE, AUA 137, Actus II, S. 3–9, bes. S. 5–8; vgl. daneben StAN, Rst. Nbg., Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 72, fol. 3r, 4. Januar 1600. Zum Hintergrund vgl. Mährle (2000), S. 180–183. 29  StAN, Rst. Nbg., Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 276v– 278v, 27. Dezember 1599. 30  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 9r–v, 27. Dezember 1599. 31  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 13r–v, 29. Dezember 1599; Rep. 60b Ratsbücher, Bd. 58, fol. 264v–265r. 27  StAN,



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zum Abschluss der Untersuchungen verpflichtet werden. Härter gedachte man gegen Gottfried Sebisch vorzugehen, dem man neben der Beteiligung an der Bluttat vorwarf, am 22. Dezember einen Meineid geleistet zu haben, indem er die Beteiligung an den nächtlichen Ruhestörungen vor Schoppers Haus abgestritten hatte. Der Breslauer Student sowie der Nürnberger Stipendiat Tobias Wacker, der unter anderem das Altdorfer Wachpersonal geschmäht und die Wachleute beschuldigt hatte, die Täter verraten zu haben, sollten in die Reichsstadt gebracht und dort weiter verhört werden.32 Die Überführung der beiden Studenten in einem verdeckten Wagen nach Nürnberg erfolgte bereits am 30. Dezember.33 Sebisch wurde in Nürnberg ins Gefängnis auf dem Luginsland gebracht, Wacker im Männerschuldturm gefangen gehalten.34 In den ersten Tagen des neuen Jahres brachten die Nürnberger Amtsträger die Ermittlungen in Altdorf und in Nürnberg wegen der Randale vor dem Haus Jacob Schoppers sowie wegen der Bluttat an Wolff Fuchs zum Abschluss. Sie beteiligten dabei auch die reichsstädtischen Ratskonsulenten. Am 11. Januar 1600 verkündete der Nürnberger Rat schließlich die Urteile: Al­ brecht von Wallenstein sollte in Altdorf im Hausarrest gehalten werden, bis er seine Schulden bezahlt habe. Anschließend sollte ihm der Hochschulrektor „sagen und auflegen, sich von Altdorff hinweg zuthun, und sein gelegenheit anderer ortten zusuchen“.35 Sebisch, an dessen Eltern in Breslau bereits durch den Nürnberger Unternehmer Bartholomäus Viatis geschrieben worden war, sollte so lange im Turmgefängnis bleiben, bis eine Antwort von seiner Familie eingegangen war.36 Tobias Wacker hingegen kam gegen Urfehde frei, er sollte seine Studien fortsetzen. Im Fall weiterer Auffälligkeit drohte ihm jedoch der Entzug des Stipendiums. Der Pole Jarosław Druskj Socoliński und der Kölner Johann Lopes de Villanova, die bei dem Krawall vor dem Haus Schoppers beteiligt waren, wurden mit acht Tagen Gefängnis im Turm des Altdorfer Kollegiengebäudes bestraft. Beide sollten nach Verbüßung der Strafe und Bezahlung ihrer Schulden ebenfalls Altdorf verlassen „und andere Academias besuchen“.37 Bei der Festsetzung der Strafe spielte eine wesent­ Wacker vgl. Steinmeyer, Bd. 2, S. 595. hierzu auch UBE, AUA 137, Actus II, S. 3–9, hier S. 8. 34  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60b Ratsbücher Bd. 58, fol. 279v, Eintrag vom 11. Januar 1600. 35  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 37a–38a, 11. Januar 1600; Rep. 60b Ratsbücher, Bd. 58, fol. 279v–281r; Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 291v–292r, 12. Januar 1600 (dort das Zitat). 36  Zu Bartholomäus Viatis vgl. Aubin; Kellenbenz; Seibold; Sporhan-Krempel; Tacke; Diefenbacher (2000); Kubach-Reutter; Diefenbacher (2014a). 37  StAN, Rst. Nbg., Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 291v– 292r, 12. Januar 1600 (Zitat auf fol. 292r). 32  Zu

33  Vgl.

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liche Rolle, dass sie – wie auch Wallenstein – gotteslästerliche, antitrinitarische Reden geführt hatten. Die Propagierung heterodoxer Lehren war in den Augen der Nürnberger Obrigkeit ein besonders kritischer Punkt: Zwar war den reichsstädtischen Ratsherren durchaus bewusst, dass sich in Altdorf verschiedentlich Studenten mit antitrinitarischer Gesinnung aufhielten, doch gebot es die Staatsraison, dieses Faktum nicht zum Teil einer öffentlichen Diskussion werden zu lassen.38 Bereits wenige Tage nach der Festsetzung der Strafen wurden diese nach dem Eingang von Bittgesuchen der betroffenen Studenten abgemildert. Wallenstein, der zwei Studenten nach Nürnberg gesandt hatte, um eine Begnadigung zu erreichen, war es aufgrund eines Beschlusses vom 16. Januar, der einen Tag später in Altdorf bekannt gemacht wurde, wieder gestattet, seine Stube zum Gottesdienstbesuch, zum Studium und zu den Mahlzeiten zu verlassen.39 Sokoliński und Lopes, für die sich der geschädigte Professor Schopper verwendet hatte,40 wurde die förmliche Relegation von der Hochschule erlassen, die Turmstrafe dafür zunächst verdoppelt, anschließend jedoch mit Schreiben vom 17. Januar jede Bestrafung aufgehoben.41 Die rasche Abmilderung der Strafen ist gerade im Fall Wallensteins erstaunlich, hatte sich dieser doch noch während die Ermittlungen liefen bzw. kurz nach der Strafverkündung vom 11. Januar zweier weiterer Gewaltdelikte schuldig gemacht. Am 9. Januar stach der Sechzehnjährige einem gewissen Gotthart Livo in den Fuß, am 14. Januar traktierte er seinen Famulus Johann Reheberger „pessimo modo“ mit Peitschenhieben, weil dieser müßig aus dem Stubenfenster auf den Marktplatz geblickt hatte.42 Es ist möglich, wenngleich nicht allzu wahrscheinlich, dass der Nürnberger Rat vom ersten ­Übergriff keine Kenntnis erhielt, da dieser von Rektor und akademischem Senat im Rahmen der Hochschulgerichtsbarkeit geahndet wurde: Wallenstein 38  Vgl. Zeltner; Braun, K.; Scheurl, S. 150–172; Caccamo; Wollgast, bes. S. 366– 409; Mährle (2010a); Schmeisser / Birnstiel; Sparn; Brennecke; Rémi; Schmeisser (2012); Vollhardt; Schmeisser (2014a); Schmeisser (2014b); Frank; Achermann; Marti; Birnstiel; Balázs. 39  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 47v, 16. Januar 1600; Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 296v–297v, 16. Januar 1600. 40  Jacob Schopper bemühte sich im Januar 1600 um eine Sicherung seiner Entlohnung und versuchte zudem, das leer stehende Haus des Juristen Petrus Wesenbeck, der seine Professur in Altdorf 1598 aufgegeben hatte, zu erhalten, vgl. StAN, Rst. Nbg., Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 72, fol. 8v, 10r–v, 17r; Rep. 27b Briefbücher des Landpflegamts, Bd. 66, fol. 8r, 16v. 41  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 47v, 16. Januar 1600 und Bd. 1707, fol. 2r–v, 17. Januar 1600; Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 296v–297v, 16. Januar 1600 und fol. 297v–298r, 17. Januar 1600. 42  UBE, AUA 10, fol. 122r–v. Zitat: AUA 8, fol. 17v, Eintrag zum 19. Januar 1600.



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musste Livo Schmerzensgeld bezahlen. Nach der Gewalttat gegen den Famulus Reheberger wurde der Geschädigte vom Rektor nach Nürnberg zu den dort amtierenden Scholarchen geschickt. Nachdem diese den geschundenen Körper Rehebergers gesehen hatten, hielten sie – zumindest im internen Schriftverkehr – mit ihrer Meinung über Wallenstein nicht mehr hinterm Berg.43 Als „Unmensch“ und „Verbrecher“ wird er nun in amtlichen Nürnberger Dokumenten bezeichnet. Die Scholarchen bestimmten, dass der junge Freiherr aus Böhmen wegen der Verletzung Rehebergers an den Fiscus academicus 30 Gulden Strafgeld zu entrichten hatte.44 Zudem wurde ihm auferlegt, Schmerzensgeld an den Geschädigten zu bezahlen; Reheberger musste ferner – ungeachtet früherer Abreden – keine Dienste mehr für Wallenstein leisten.45 Nach längeren Verhandlungen zwischen Wallenstein und der Familie seines früheren Famulus einigte man sich schließlich auf die Summe von 45 Gulden Schmerzensgeld, eine Erstattung von vier Gulden für Kleidung sowie die Ausbezahlung des noch ausstehenden Lohns.46 Zunächst war von den Vormündern Rehebergers die Summe von 100 Gulden gefordert worden. Obwohl er insgesamt und auch im Vergleich mit seinen Kommilitonen sehr nachsichtig behandelt worden war, stellte die Bestrafung für Wallenstein einen offenbar nur schwer erträglichen Reputationsverlust dar. In einem Brief vom 20. Januar 1600 an den Nürnberger Rat, den er nicht selbst schrieb, jedoch eigenhändig unterzeichnete, versuchte der junge Freiherr daher, eine vollständige Aufhebung der gegen ihn verhängten Strafe zu erreichen.47 Wallenstein argumentierte, der Ratsverlass vom 11. Januar käme einer „tacitam relegationem“ gleich und wäre ehrenrührig. Der auffällige Student wies auf das Alter und Ansehen seines Geschlechts hin; er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass seine Verwandten Karl und Adam Waldstein hohe Funk­tionen am kaiserlichen Hof bekleideten. Die Nürnberger Ratsherren sollten ihm den Arrest erlassen und den Abschied aus Altdorf förmlich in seinen freien Willen stellen. Wallenstein versprach jedoch, ausstehende Schulden zu bezahlen und den Scholarchen „nit lang vordrißlich [zu] sein“. Der Nürnberger Rat gab dem Antrag Wallensteins am 31. Januar, also mit einer gewissen Verzögerung, statt. Die Ratsherren behaupteten in ihrem Antwortschreiben an den Hochschulrektor Taurellus und den Pfleger Georg Roggenbach, eine Relegation Wallensteins sei weder „tacite noch expresse“ 43  UBE,

AUA 155, Schreiben der Scholarchen vom 17. Januar 1600. Rst. Nbg., Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 72, fol. 28v, 31. Januar 1600. 45  UBE, AUA 155, Schreiben der Scholarchen vom 17. Januar 1600, Postscripta. 46  UBE, AUA 155, Verhandlungen vom 21. Januar 1600. 47  StAN, Rst. Nbg., Rep. 29b Landpflegamt Altdorf, S I L 305, Nr. 14. Vgl. hierzu Fleischmann, S. 252–253 (Nr. 108). 44  StAN,

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ausgesprochen gewesen.48 Vielmehr sei der Arrest verfügt worden, um Wallenstein vor Übergriffen der von ihm Geschädigten zu schützen. Diese Aussage dehnte die Wahrheit über die Maßen, denn tatsächlich war die förmliche Relegation zumindest angedroht worden.49 Nach Anordnung des Nürnberger Rates sollte sich Wallenstein in seiner verbleibenden Zeit in Altdorf „still und eingezogen, und seinem stande gemeß“ verhalten. Wie lange Wallenstein nach der Entscheidung des Nürnberger Rates noch in Altdorf blieb, lässt sich den Quellen nicht entnehmen. Möglich und nicht unwahrscheinlich ist, dass der Böhme die Altorfina bereits Anfang Februar verlassen hat. Am 3. Februar ließ Wallenstein durch seinen Präzeptor Heldreich das Johann Reheberger zustehende Schmerzensgeld beim Rektor der Altdorfer Hohen Schule deponieren; dieses Geld wurde dem Vormund Rehebergers, Christoph Amberger, am 9. Februar (4 Gulden) bzw. am 17. März (45 Gulden) ausbezahlt.50 Mit der Begleichung der Schulden Anfang Februar war die formale Voraussetzung für den Abschied Wallensteins aus Altdorf gegeben. Es ist durchaus möglich, dass der spätere Generalissimus die Nürnberger Hochschule bereits wenige Tage später verließ und damit den für ihn in vieler Hinsicht unbefriedigenden Studienaufenthalt in Franken abbrach. Die Bluttat an Wolff Fuchs vom 23. Dezember blieb letztlich ungesühnt. Nachdem in den Tagen nach dem Totschlag offensichtlich wurde, dass Johann Hartmann von Steinau sich nicht mehr in Altdorf aufhielt und keine Hoffnung auf seine unmittelbare Verhaftung bestand, hatten die Nürnberger Ratsherren durch die reichsstädtischen Ratskonsulenten prüfen lassen, ob Steinau vor das Inzichtgericht zitiert werden könne.51 Dabei handelte es sich um ein Nürnberger Strafgericht, bei dem der Angeklagte (Inzichter) in bestimmten Angelegenheiten (z. B. wenn er Notwehr geltend machte) seine Verteidigung selbst übernehmen konnte. Die Option, Steinau vor das Inzichtgericht zu zitieren, wurde der Familie des getöteten Wolff Fuchs eröffnet, als der Vater des mutmaßlichen Täters, Hans von Steinau, Burggraf auf der ­Ganerbenburg Rothenberg, Mitte Januar 1600 die noch in Altdorf befind­ lichen Utensilien seines Sohnes zurückforderte.52 Zu einem Prozess vor dem 48  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1707, fol. Anhang 7v, 31. Januar 1600; Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 219, fol. 15v–16r, 31. Januar 1600. 49  Relegationen wurden an der Nürnberger Hochschule in Altdorf vergleichsweise selten vollzogen. Vor 1599 waren lediglich zwei Studenten von der Lehranstalt verwiesen worden, vgl. UBE, AUA 140. 50  UBE, AUA 10, fol. 122v; AUA 155. 51  StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1706, fol. 9v, 27. Dezember 1599; fol. 37r, 11. Januar 1600; Rep. 60b Ratsbücher, Bd. 58, fol. 263r, 27. Dezember 1599; fol. 279v–280r, 11. Januar 1600. 52  Hierzu und zum Folgenden: StAN, Rst. Nbg., Rep. 60a Ratsverlässe, Bd. 1707, fol. 8r, 21. Januar 1600; fol. 21r, 28. Januar 1600; fol. 27v, 31. Januar 1600; fol. 44v,



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Inzichtgericht kam es jedoch nicht. Wolff Fuchs’ Vater bestand nicht auf ­einem Rechtsverfahren, sondern stellte das weitere Vorgehen der Obrigkeit anheim. Daraufhin wurde dem Altdorfer Pfleger aufgetragen, die Hinterlassenschaft Steinaus in Altdorf zu inventarisieren. Lediglich der Bruder Steinaus, der auch in Altdorf studiert hatte, sollte sein Eigentum ausgehändigt bekommen. Allerdings gelang es dem Burggrafen offensichtlich, sich „betrüglich“ in den Besitz von einigen Utensilien seines Sohnes zu bringen. 2. Wallensteins Studienaufenthalt in Altdorf im bildungshistorischen Kontext Über die Ausstrahlung der reichsstädtisch-nürnbergischen Hochschule in Altdorf nach Böhmen und über das Studienverhalten des böhmischen Adels in den Jahrzehnten um 1600 sind in jüngerer Vergangenheit mehrere Studien publiziert worden. Vor allem die Forschungsergebnisse von Martin Holý vermitteln ein präzises Bild über die bildungshistorischen Hintergründe der Ausbildung Albrechts von Wallenstein und seines Studienaufenthalts an der Academia Norica.53 Das Studium in Altdorf bildete die vierte Station auf Wallensteins Bildungsweg. In seinem Geburtsort Hermanitz (Heřmanice) hatte der junge Adlige privaten Elementarunterricht erhalten. In der Literatur wird als Lehrer ein gewisser Johann Graf genannt, der vor der Übernahme der Präzeptorstelle als Schreiber und Wirtschafter sowie als Haushofmeister für Albrechts Vater Wilhelm IV. von Waldstein (um 1547–1595) gearbeitet hatte.54 Vermutlich im Alter von knapp zehn Jahren bezog Wallenstein Schloss Koschumberg (Košumberk), das sich im Besitz von Heinrich von Slawata befand, eines Schwagers seiner im Juli 1593 verstorbenen Mutter Margaretha Freiin Smiřziczký von Smiřzicz (geb. 1555).55 Slawata wurde Wallensteins Vormund, nachdem dieser durch den Tod seines Vaters im Februar 1595 Voll12. Februar 1600; Bd. 1708, fol. 3r, 14. Februar 1600; Bd. 1710, fol. 4r–v, 27. März 1600; Rep. 60b Ratsbücher, Bd. 58, fol. 315v–316r, 14. Februar 1600; Bd. 59, fol. 7r, 27. März 1600; Rep. 27a Landpflegamt, Geschäftsmanuale, Bd. 72, fol. 18v, 21. Januar 1600; Rep. 27b Briefbücher des Landpflegamts, Bd. 66, fol. 18r, 21. Januar 1600; fol. 32r, 1. Februar 1600. 53  Vgl. bes. Holý (2010d); Holý (2011d). 54  Diwald (2007), S. 23. 55  Die wissenschaftliche Literatur geht mehrheitlich davon aus, dass Wallenstein im Jahr 1595, also nach dem Tod seines Vaters, nach Koschumberg kam, vgl. z. B. Ranke (1869), S. 38; Diwald (2007), S. 24; Mann, G. (1983), S. 13; Polišenský / Kollmann (1997), S. 18. Einen früheren Wechsel nach Koschumberg, nämlich im Alter von weniger als zehn Jahren, hält Holý (2010d), S. 85 im Anschluss an Janáček (1978), S. 32 für wahrscheinlich.

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waise geworden war. In Koschumberg existierte eine private Schule für Adelssöhne, die von den Böhmischen Brüdern betrieben wurde. Wallenstein besuchte diese Einrichtung bis 1597. Im Herbst dieses Jahres, vermutlich im September, wechselte er an die Lateinschule in Goldberg (heute: Złotoryja) in Schlesien, wo er bis zum Frühjahr 1599 blieb. Im Spätsommer 1599 brach der junge Freiherr dann zum Studium nach Altdorf auf. An dieses sollte sich in den Jahren 1600 bis 1602 noch eine Bildungsreise nach Frankreich und Italien anschließen.56 Der Bildungsweg Wallensteins ist insgesamt als zeittypisch zu bezeichnen. Im böhmischen hohen Adel war die Erziehung der Kinder etwa ab dem siebten Lebensjahr durch einen professionellen Präzeptor verbreitet. Johann Graf könnte Wallenstein also um 1590 als Lehrer zugewiesen worden sein. Auch der Besuch einer Schloss- oder Herrenschule wie derjenigen in Koschumberg war gebräuchlich; eine noch häufiger gewählte Alternative stellte indes die Unterweisung in einer Einrichtung mit kirchlicher Trägerschaft dar.57 Privatschulen wie die von Wallenstein in Koschumberg besuchte waren zumeist keine dauerhaften Einrichtungen, sondern wurden bei Bedarf gegründet, das heißt, wenn in einer Familie (bzw. in mehreren Familien) Kinder vorhanden waren, die unterrichtet werden mussten. Wallensteins Ausbildung im Anschluss an den Besuch der Privatschule in Koschumberg zeigt exemplarisch die Bedeutung, welche akademisches Wissen für Angehörige des böhmischen Adels im Lauf des 16. Jahrhunderts erlangt hatte.58 Der Adel war in Böhmen wie andernorts gezwungen, Kenntnisse der humanistischen Bildung zu erwerben, wollte er seine gesellschaft­ liche Stellung behaupten. Die böhmischen Adligen besuchten dabei sehr häufig bereits in jungen Jahren Bildungsinstitutionen außerhalb ihrer engeren Heimat. Martin Holý konnte in seinen Arbeiten zeigen, dass für die Bildung der politischen und gesellschaftlichen Eliten Böhmens die Schulen und Gymnasien in den nördlichen Kronländern, in Schlesien sowie in der Lausitz, eine wichtige Rolle spielten.59 Ein wesentlicher Grund hierfür war die hohe Qualität des dortigen Bildungswesens.60 Die Stadtschule im niederschlesischen Goldberg, die Wallenstein besuchte, war eine häufig von böhmischen 56  Zum Kontext vgl. Stannek; Leibetseder; Babel / Paravicini. Die Stationen der Bildungsreise Wallensteins sind nicht bekannt. Zu den böhmischen Adligen in Straßburg vgl. Holý (2009b), sowie jetzt Holý (2017). 57  Holý (2010d), S. 76–90, 152–200. 58  Zum Kontext vgl. auch Müller, R.A., (1974). 59  Holý (2009a); Holý (2010d), S. 200–239; Holý (2011a); Holý (2012 / 13). Vgl. daneben Balcke. 60  Vgl bes. Holý (2011a), S. 34. Zum Schulwesen in Schlesien im konfessionellen Zeitalter vgl. bes. Absmeier. Zum Bildungswesen in Böhmen vgl. Holý (2010b); Holý (2012); Holý (2014).



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Adligen frequentierte Institution.61 Die Einrichtung zog vor allem Studierende an, die – wie der spätere Generalissimus – dem Herrenstand angehörten und den Kreisen der Brüderunität zuzurechnen sind.62 Die didaktischmethodische Konzeption der Goldberger Lehranstalt war maßgeblich vom Melanchthonschüler Valentin Friedland, genannt Trotzendorf (1490–1556), geprägt worden.63 In der Reformationszeit hatte die Goldberger Schule sogar einen europäischen Ruf erlangt. Vor der Wende zum 17. Jahrhundert strahlte ihr Glanz allerdings nicht mehr so hell wie zwei Generationen zuvor.64 Der Studienaufenthalt in Altdorf stellt in vieler Hinsicht eine logische Fortsetzung des Bildungswegs dar, den Albrecht von Wallenstein in Koschumberg und Goldberg eingeschlagen hatte. Wie in Goldberg schrieb sich der böhmische Jugendliche an einer Bildungseinrichtung ein, deren pädagogische Konzeption sich maßgeblich an den didaktisch-methodischen Überlegungen Philipp Melanchthons (1497–1560) orientierte.65 Ebenfalls wie in Goldberg wählte er eine Institution, die aufgrund ihres konfessionellen – philippistisch-calvinistischen – Profils für Studenten aus dem Umfeld der Böhmischen Brüdergemeinde attraktiv war.66 Neben diesen pädagogischen und religiösen Motiven dürften für Wallenstein zwei weitere Gründe für die Wahl Altdorfs als Studienort Ausschlag gebend gewesen sein. Erstens verfügte die Altorfina über ein qualitativ überaus hochwertiges Lehrangebot in der Jurisprudenz, das auf die politischen und gesellschaftlichen Eliten anziehend wirkte.67 Zweitens bot sich für Wallenstein ein Besuch der Altdorfer Hohen Schule an, weil diese geografisch nahe an Böhmen lag und weil sie vor allem über enge Beziehungen in das Königreich verfügte. Bekannt sind etwa die intensiven persönlichen Verbindungen, die der in Altdorf lehrende Jurist und Philologe Conrad Rittershausen (1560–1613) zu einem größeren 61  Zur Goldberger Schule vgl. bes. Bauch; Absmeier, S. 87–148; Holý (2012 / 13), S. 450–458. 62  Holý (2012 / 13), S. 456; zum Aufenthalt Wallensteins in Goldberg vgl. ebd., S. 454–458 sowie bereits Bauch, S. 329–333. 63  Zu Trotzendorf vgl. neben den Studien von Bauch und Absmeier bes. Lubos; Michler. 64  Bauch, S. 247–443. 65  Absmeier, S. 279–280; Mährle (2000), S. 203–215; Mährle (2014). Wallenstein dürfte die Entscheidung zum Besuch der Altdorfer Hohen Schule gemeinsam mit seinen Vormündern getroffen haben. Im zuständigen Vormundschaftskollegium hatten sich im Frühjahr 1599 Veränderungen ergeben. Nachdem Heinrich von Slawata Anfang 1599 gestorben war, wurde Wallensteins Tante Jitka von Waldstein zur Vormünderin bestimmt. Dem Vormundschaftskollegium gehörten zudem Christoph Bukovansky von Hustiřany und Adam d. J. von Waldstein an (vgl. hierzu Diwald (2007), S. 30; Mann, G. (1983), S. 24; Polišenský / Kollmann (1997), S. 18). 66  Scheurl; Mährle (2010a). 67  Mummenhoff, G.; Mährle (2000), S. 418–478.

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böhmischen Freundeskreis pflegte.68 Über die gelehrten Kontakte hinaus zeigen Auswertungen der Altdorfer Matrikel, dass die 1575 gegründete, im Jahr 1582 zur Semiuniversitas erhobene Nürnberger Bildungseinrichtung um 1600 ein überaus beliebtes Studienziel böhmischer Studenten war.69 Im letzten Jahrfünft des 16. Jahrhunderts kam ungefähr jeder zwölfte Jugendliche, der sich an der Academia Norica immatrikulierte, aus Böhmen – die Nebenländer Mähren, Schlesien und die Lausitz sind dabei nicht eingerechnet.70 Der Zuzug böhmischer Studenten hatte sich unmittelbar vor der Jahrhundertwende gegenüber den ersten Jahren der reichsstädtisch-nürnbergischen Hohen Schule deutlich erhöht.71 Wie fügt sich Wallenstein in die Gruppe der Böhmen ein, die um 1600 an der Altorfina studierten? Die regionale Herkunft, das soziale Profil und die Bildungsziele der böhmischen Studentenschaft in Altdorf lassen sich wie folgt skizzieren: Die Mehrzahl der Universitätsbesucher stammte im Unterschied zu Wallenstein aus den westlichen Regionen des Königreichs, in denen der Anteil deutscher Bewohner sehr groß war.72 Der Aufenthalt in der Nürnberger Landstadt stand dabei mehrheitlich – dies wie bei Wallenstein geplant – am Beginn der peregrinatio academica, zum Teil bildete er jedoch auch den Abschluss der Studienreise.73 Charakteristisch für die Gruppe der böhmischen Studenten in Altdorf war ein hoher Anteil Adliger.74 Die Altorfina war vor allem ein bevorzugter Studienort von Söhnen aus Ritterfamilien; der Nachwuchs des niederen böhmischen Adels besuchte häufig die auf das Studium vorbereitenden Lateinschulklassen.75 Doch fanden sich auch Angehörige des Herrenstandes, also Standesgenossen Wallensteins, an der Academia Norica ein. Mit großen Ehren war etwa im Jahr 1591 der zwölfjährige Johann Albin Graf Schlick von Passaun in der Nürnberger Landstadt empfangen worden.76 Die Studenten aus dem Herrenstand besuchten zu einem größeren Prozentsatz als die Söhne von Rittern die akademischen Lehrveranstaltungen.77 In der Regel haben sie Vorlesungen in der philosophischen Fakultät belegt oder Jurispru68  Kunstmann, bes. S. 33–86. Zu den überregionalen Verbindungen Altdorfs um 1600 vgl. daneben Mährle (2011). 69  Kunstmann; Kohler; Müller, R. A. (1984); Pešek / Šaman; Mährle (2010b); Holý (2010d), S. 251–258; Holý (2011b). Zum Kontext vgl. auch Hrubý. 70  Mährle (2010b), S. 309. 71  Kohler, S. 80; Mährle (2010b), S. 307–311. 72  Mährle (2010b), S. 304–306, 311–313. 73  Kohler, S. 97–99; Mährle (2010b), S. 320. 74  Kohler, S. 75–81, 112–113, 117; Müller, R. A., (1984), S. 37, 41; Pešek / Šaman, S. 94, 96–97; Mährle (2010b), S. 313–316; Holý (2011b). 75  Holý (2011b), S. 56. 76  Ebd., S. 60–62. 77  Ebd., S. 63.



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denz studiert. Graduierungen strebten die Söhne aus dem böhmischen Adel üblicherweise nicht an.78 Steht Wallensteins Studienaufenthalt in Altdorf insgesamt im Einklang mit den Paradigmen des böhmischen Adelsstudiums um 1600, so gilt dies auch für die organisatorischen Rahmenbedingungen seiner peregrinatio academica. Der junge Freiherr reiste in Begleitung eines Erziehers und eines Famulus. Dass der Erzieher Johannes Heldreich in den Altdorfer Quellen als „Präzeptor“ bezeichnet wird, dürfte darauf hindeuten, dass er in erster Linie die Aufgaben eines Privatlehrers wahrnahm.79 Heldreich oblag es vermutlich, bei der Gestaltung des Studienprogramms mitzuwirken, den Lernfortschritt seines jugendlichen Zöglings zu überwachen und diesen auch selbst in ausgewählten Fächern (z. B. in der deutschen Sprache) zu unterweisen. Da Wallenstein jedoch im Gegensatz zu anderen Studenten aus dem böhmischen Herrenstand keinen eigenen Hofmeister beschäftigte, dürfte sich Heldreich über seine Lehraufgaben hinaus auch um die Angelegenheiten des täglichen Bedarfs seines Studenten, z. B. die Unterkunft, gekümmert haben. Johannes Heldreich (1572–1626) stammte aus einer angesehenen Görlitzer Familie.80 Sein Vater Georg wurde nobilitiert und bekleidete die Funktionen eines Ratsherren und Bürgermeisters. Über den Bildungsweg Heldreichs liegen keine gesicherten Informationen vor. Der Görlitzer Präzeptor trat vermutlich erst 1599 in die Dienste Wallensteins; dieser war in Goldberg noch von einem anderen Lehrer, Georg Walther aus Liegnitz, begleitet worden.81 Beide Privatlehrer des böhmischen Freiherrn waren demnach Deutsche. Dies zeigt, dass ein wichtiges Ziel der Bildungsreisen Wallensteins nach Schlesien und Franken darin bestand, Kenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben bzw. zu vertiefen. Die Wahl eines Präzeptors aus Görlitz, wie sie Wallenstein vornahm, war für einen Angehörigen des böhmischen Adels nicht außergewöhnlich.82 Zwischen Böhmen und der Oberlausitz bestanden in den Jahrzehnten um 1600 enge Bildungskontakte. Häufiger wurden die böhmischen und mährischen Adligen allerdings von einem einheimischen Erzieher oder einem Privatlehrer aus Schlesien betreut. Der Kontakt zwischen der Familie Wallensteins und Heldreich könnte auf das Studium von Jindřich (1574– 1600) und Hannibal (1576–1622) von Waldstein am Görlitzer Gymnasium in

78  Mährle

(2010b), S. 319; Holý (2011b), S. 63. Terminologie vgl. bes. Leibetseder, S. 86–96; Garms-Cornides; Holý (2010a), hier S. 171–174; Holý (2010d), S. 58–61; Holý (2011d), S. 21–26. 80  Zur Biografie Heldreichs vgl. Holý (2009a), S. 41–42, 46. 81  Vgl. Bauch, S. 330–331; Holý (2012 / 13), S. 457. 82  Holý (2010a), S. 174–175; Holý (2011c), hier S. 445. Vgl. auch Holý (2010c). 79  Zur

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den Jahren 1590 bis 1592 zurückgehen.83 Heldreich seinerseits erhoffte sich vermutlich von dem Engagement als Präzeptor, seinen Bildungshorizont erweitern und gemeinsam mit Wallenstein eine größere peregrinatio academica unternehmen zu können. Es ist unklar, ob Heldreich nach dem vorzeitigen Abschied Wallensteins aus Altdorf seinen Zögling noch länger betreut hat. Spätestens 1603 dürfte Heldreich in seine Heimatstadt Görlitz zurückgekehrt sein, da er in diesem Jahr eine Ehe einging. Heldreich avancierte in Görlitz 1617 zum Ratsherrn und wurde drei Jahre vor seinem Tod, im Jahr 1623, in den Adelsstand aufgenommen. 3. Der Nürnberger Rat, die Altdorfer Hohe Schule und die studentische Gewalt im Dezember 1599 und Januar 1600 Körperliche Gewalt gehörte an den Hochschulen der Frühen Neuzeit in stärkerem Maß zum Alltag als in der jüngeren Moderne.84 Auch in den Akten der Altdorfer Hohen Schule finden sich regelmäßig Einträge über gewaltsame Übergriffe verschiedenster Art: Konflikte, die zu Gewalthandlungen führten, gab es zwischen einzelnen Studenten oder zwischen unterschiedlichen Studentengruppen, daneben zwischen Universitätsangehörigen und der Altdorfer Bürgerschaft.85 In Ausnahmefällen waren auch Hochschulprofessoren aus unterschiedlichen Gründen in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt.86 Eine wissenschaftliche Analyse der studentischen Devianz, wie sie inzwischen für einige mitteleuropäische Universitäten geleistet wurde, steht für die Altorfina noch aus.87 Die kursorische Durchsicht der Hochschulakten lässt jedoch erkennen, dass Konflikte mit ernsthaften Folgen Ausnahmen darstellten. Neben der physischen Gewalt, die auf Konflikten beruhte, gab es an der Academia Norica wie an anderen Hochschulen Formen der ritualisierten Gewalt.88 So mussten sich Studienanfänger der Deposition unterziehen.89 Die Deposition scheint in Altdorf im ausgehenden 16. Jahrhundert allerdings eher

83  Zu Hannibal von Waldstein vgl. Sieg. Zum Schulbesuch der Brüder Waldstein in Görlitz vgl. Holý (2009a), S. 34. 84  Müller, R. A. (1996); Krug-Richter / Mohrmann; Rasche (2010); Füssel / Wagner. 85  Zum Kontext vgl. auch Füssel (2006), bes. S. 188–331; Weller, bes. S. 264–297. 86  Vgl. z. B. UBE, AUA 9, S. 205–213, bes. 207–209: Irrtümliche Gefangennahme von Scipio Gentilis (Bericht vom 31. Oktober 1591). 87  Brüdermann; Siebenhüner; Krug-Richter (2004a); Krug-Richter (2004b); Füssel (2004); Füssel (2005c); Liermann; Auge / Schnack. 88  Füssel (2005a), Füssel (2005b); Füssel (2010). 89  Fabricius; Rasche (2005).



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selten Auswüchse nach sich gezogen zu haben.90 Der Pennalismus spielte um 1600 an der Nürnberger Semiuniversitas noch keine bedeutende Rolle.91 Die Grenzen des an der Altorfina Erlaubten waren durch die 1582 erlassenen Hochschulstatuten festgelegt; dort war auch die Sanktionierung von ­studentischen Gewalthandlungen geregelt. Einschlägige Disziplinarvorschriften enthielten vor allem die Leges 12 und 14. Die Lex 12, in der Bestimmungen zu zahlreichen Aspekten des studentischen Lebens niedergelegt waren, umfasste unter anderem Verbote der Unruhestiftung, des Duellierens, der Parteien­bildung und des Waffentragens. Der Ablauf der Deposition wurde genau geregelt. Die Lex 14 enthielt darüber hinaus spezielle Bestimmungen für die Stipendiaten, die im Vergleich zu den anderen Studenten einer strengeren Aufsicht unterlagen. Insgesamt zielten die Statuten auf eine relativ weitgehende Normierung des schulischen und akademischen Lebens an der Altdorfer Semiuniversitas ab. Für viele der aufgeführten Delikte war allerdings im Statutentext kein Strafmaß festgelegt. Die strafrechtliche Anwendung der niedergelegten Normen war damit in das Ermessen der akademischen Entscheidungsträger bzw. der Nürnberger Amtspersonen gestellt. Auch wenn die Altdorfer Hochschulstatuten von 1582 bis zur Universitätsgründung 1623 in Kraft blieben, war ihre normative Relevanz zur Zeit des Studiums Albrechts von Wallenstein de facto bereits erheblich eingeschränkt. Die Nürnberger Schulherren hatten in den Jahren nach 1582 durch anlassbezogene Entscheidungen die Bestimmungen der Statuten zum Teil abgeändert und auf diese Weise das geltende Recht weiterentwickelt. Ein Beispiel hierfür sind die Regelungen zum Waffentragen. Laut Statutentext war das Mitführen von Waffen verboten.92 Nach erheblichen studentischen Protesten gegen diese Bestimmung hatten die Scholarchen jedoch bereits im Februar 1583 den adligen Studenten das Tragen von Waffen gestattet und später auch den bürgerlichen Universitätsbesuchern gewisse Zugeständnisse gemacht.93

90  Vgl. UBE, AUA 9, S. 91: Der Depositor wird entlassen, weil der die Studenten zu schlecht behandelt hat (12. August 1589). 91  Vgl. Hensel (mit ausführlichem Literaturverzeichnis). Zur Entwicklung der Studentenkultur im 17. Jahrhundert: Füssel (2011). 92  UBE, AUA 1, Lex 12, 36. 93  UBE, AUA 9, S. 27, 1. Februar 1583: „Dem hn. rectore ist befohlen, das er bei verlesung der legum academicarum sonderlich das wehrtragen verbiete, jedoch sollen die comites, barones und ihre gesindt, sowohl auch die studiosi, so vor das tor und über land ziehen, verschont werden.“ Die Frage des Waffentragens war in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen, vgl. bes. Stadtarchiv Nürnberg, D16 573 / 1, fol.  245a–246b, 28.  Juli 1583; fol.  249r–251r, 8. August 1583, fol. 265r–266v, 2. August 1583; UBE, AUA 159, 11. September 1585; UBE, AUA 9, S. 191, 9. September 1591.

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Für die Ahndung von Verstößen gegen die Hochschulstatuten war grundsätzlich der Rektor der Altorfina zuständig.94 Dieser konnte jedoch seine Amtshandlungen im Bereich des Disziplinarwesens, sofern es sich nicht um Bagatellfälle handelte, nur in Abstimmung mit den Nürnberger Schulherren wahrnehmen. Darüber hinaus wirkte bei der Unterbindung von Gewalthandlungen durch Hochschulangehörige in vielen Fällen der Altdorfer Pfleger mit. Eine Kooperation zwischen Hochschule und Pflegamt war beispielsweise immer dann erforderlich, wenn sich Gewalttaten zwischen Studenten und Altdorfer Bürgern zugetragen hatten. In Angelegenheiten der peinlichen Gerichtsbarkeit hatten weder der Rektor der Hochschule noch der Altdorfer Pfleger Kompetenzen. Die Zuständigkeit bei Strafen, die Leib und Leben betrafen, lag beim Nürnberger Rat. Wie sind die Gewalthandlungen Ende 1599 / Anfang 1600, an denen Al­ brecht von Wallenstein beteiligt war, im Kontext der Altdorfer Hochschulgeschichte zu bewerten? In der Literatur werden die Ereignisse bisweilen recht lapidar als typisch für das akademische Leben an den mitteleuropäischen Universitäten um 1600 und speziell auch die Zustände in der Nürnberger Landstadt bezeichnet.95 Geradezu ein Topos in diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf die in den Altdorfer Universitätsakten dokumentierten disziplinarischen Schwierigkeiten, welche die Nürnberger Schulherren bisweilen mit dem aus Italien stammenden Rechtsprofessor Scipio Gentilis (1553–1616) hatten.96 Das auf diese Weise in der wissenschaftlichen Literatur gezeichnete Bild geht jedoch an der Realität vorbei. Zwar hat es an der Altdorfer Semiuniversitas von Zeit zu Zeit ernsthafte Probleme mit der studentischen Disziplin gegeben. Man kann für die Jahrzehnte um 1600 einige Zeiträume benennen, in denen man regelrecht von einer „Krise der Hochschuldisziplin“ sprechen kann. Solche Perioden waren etwa die Jahre 1591 / 92 sowie die Jahre 1598–1601, das heißt die Zeit, in die auch Wallensteins Altdorfer Aufenthalt fällt.97 Insgesamt spricht einiges für die Vermutung, dass die Diszi­ plinprobleme in Altdorf gravierender als an anderen Hochschulen waren.98 Gewalttätige Übergriffe auf einen Altdorfer Professor durch Studenten sowie der Totschlag eines Stadtbürgers stellten jedoch Vergehen dar, die sich deutakademischen Gerichtsbarkeit allgemein vgl. Alenfelder (zu Altdorf S. 108). (2012), S. 15. 96  Vgl. z. B. Baader, S. 15–17; Siegl (1911), S. 133; Diwald (2007), S. 29; Mann, G. (1983), S. 25–26. 97  Vgl. die entsprechenden Einträge in UBE, AUA 8–10, 159–161. 98  Vgl. etwa die Klagen des Obertus Giphanius über die im Vergleich zu anderen Hochschulen ungenügende studentische Disziplin in Altdorf, die er bei einer Befragung am 12. Mai 1583 äußert (UBE, AUA 9, S. 28). Vgl. auch die genannten – etwa im Vergleich zu Straßburg liberalen – Bestimmungen über das Tragen von Waffen durch die Studenten. 94  Zur

95  Mortimer



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lich von den üblichen, von Zeit zu Zeit intensivierten Gewalthandlungen an der Hochschule abhoben.99 Die Außergewöhnlichkeit der Vorfälle, die sich unter Beteiligung Wallensteins zutrugen, zeigt sich vor allem daran, dass mehrfach der reichsstädtisch-nürnbergische Rat mit den Altdorfer Angelegenheiten befasst war, dass die Ratskonsulenten in die Konfliktregulierung einbezogen waren und dass im Dezember 1599 sogar eine Ratsdeputation an die Altorfina entsandt wurde, um die Ermittlungen durchzuführen. Es gibt während der Zeit der Altdorfer Semiuniversitas keinen weiteren Zeitraum, in dem der Nürnberger Rat sich wegen studentischen Gewaltdelikten so intensiv mit Hochschulangelegenheiten befasste wie in den Monaten um den Jahreswechsel 1599 / 1600. Für das nachdrückliche Engagement des reichsstädtischen Rates bei der Unterdrückung der studentischen Gewalt im Winter 1599 / 1600 waren mehrere Gründe Ausschlag gebend. Das wichtigste Motiv war die Eskalation der Ausschreitungen an der Hochschule. Spätestens nach der Bluttat an Wolff Fuchs war der Magistrat aufgrund seiner Zuständigkeit für die peinliche Gerichtsbarkeit zum Handeln gezwungen. Doch spielte für das Verhalten des Nürnberger Rats außerdem eine zentrale Rolle, dass die Altdorfer Vorfälle eine erhebliche politische Dimension aufwiesen. Zwei Aspekte sind dabei wichtig: Zum einen stellten die Studenten durch ihr Verhalten die Religionspolitik des Rates öffentlich in Frage. Die Übergriffe auf den lutherisch-orthodoxen Professor Jacob Schopper in der Nacht vom 6. auf den 7. Dezember, bei denen antitrinitarische Schmähreden gehalten wurden, hatten eine lange Vorgeschichte.100 Bereits die Einstellung Schoppers im Juni 1598 war in Nürnberg aus konfessionellen Gründen sehr umstritten gewesen; sie war daher zunächst zeitlich auf ein Jahr befristet worden. In Altdorf hatte das Auftreten Schoppers, der sowohl als Professor als auch – interimsweise – als Pfarrer amtierte, zudem immer wieder Aufsehen erregt und religiös bedingte Konflikte provoziert. Vor allem zahlreiche Studenten aus den ostmitteleuropäischen Ländern, d. h. aus den Ländern der böhmischen Krone und aus Polen, lehnten Schoppers orthodoxes Luthertum ab. Der Rat hatte Schopper zum Teil den Rücken gestärkt, zum Teil aber den von ihm bestellten Gelehrten auch in die Schranken gewiesen, etwa indem er ihm verbot, eine Disputation über das besonders umstrittene Thema der zwei Naturen Christi abzuhal99  In einen Streitfall mit Todesfolge war Anfang August auch der Sohn Nicolaus Friedrich des 1599 amtierenden Altdorfer Hochschulrektors Nicolaus Taurellus verwickelt, vgl. UBE, AUA 9, S. 325, Eintrag vom 22. Juni 1598 und AUA 10, fol. 71v– 72r, Eintrag vom 5. August 1594. Eine korrekte Bewertung der Vorfälle von Ende 1599 / Anfang 1600 findet sich bei Fleischmann, S. 252. 100  Scheurl, S. 117–125; Marti.

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ten.101 Die Ratsherren waren in einer schwierigen Lage, da sie Schopper aus reichsrechtlichen Gründen kaum entlassen konnten – dies hätte die Altorfina als heterodoxe Hochschule exponiert. Auf der anderen Seite war die Person Schoppers ein Quell kontinuierlichen Streits: In den Tagen, bevor es zu den nächtlichen Aktionen vor dem Haus des Gelehrten kam, war die lutherischorthodoxe Theologie des Professors in Altdorf im Brennpunkt hitziger Debatten gestanden.102 Die Übergriffe stellten somit die letzte Eskalationsstufe eines länger andauernden, sich mehr und mehr zuspitzenden konfessionellen Konflikts dar. Zum anderen stand auch der Totschlag vom 23. Dezember 1599 in einem politischen Kontext. Dies hing mit der Person des Täters Johann Hartmann von Steinau zusammen. Bei diesem handelte es sich, wie erwähnt, um den Sohn des Hans von Steinau, Burggraf auf der Ganerbenburg Rothenberg, einer Enklave im Nürnberger Territorium.103 Das Verhältnis zwischen den Burggrafen und der Reichsstadt Nürnberg war aus politischen und juristischen Gründen traditionell angespannt. Auch zur Zeit von Wallensteins Aufenthalt in Altdorf waren mehrere Konfliktfelder zwischen den beiden Parteien offen.104 Die Bluttat des Johann Hartmann von Steinau trat um die Jahreswende 1599 / 1600 zu diesen Auseinandersetzungen hinzu. Die Altdorfer Matrikel sowie die Akten der Nürnberger Scholarchen weisen des Weiteren aus, dass die Gewalttat Steinaus über den nachbarschaftlichen Kontext hinaus eine hochschulinterne Vorgeschichte hatte. Bereits ab 1588 hatte an der Altorfina einige Jahre lang ein Sohn des Burggrafen, Johann Ernst mit Namen, studiert. Er war im Jahr 1589 von zwei Altdorfer Brüdern namens Vestner verwundet worden und hatte anschließend durch Disziplinlosigkeiten und Gewalttätigkeit das Missfallen der Nürnberger Obrigkeit erregt.105 Es ist nicht auszuschließen, dass das Verhalten Johann Hartmann von Steinaus nicht nur durch das gespannte Nachbarschaftsverhältnis zwischen Nürnberg und der Ganerbschaft Rothenberg, sondern auch durch die früheren Altdorfer Erfahrungen Johann Ernst von Steinaus motiviert war.

101  Scheurl,

S. 123. UBE, AUA 10, fol. 120r, Eintrag vom 5. Dezember 1599; AUA 160, ­Schreiben vom 7. Dezember 1599. 103  Schütz; Schieber. 104  Vgl. bes. StAN, Rst. Nbg., Rep. 61a Briefbücher des Inneren Rats, Bd. 218, fol. 256v–258r, Schreiben vom 8. Dezember 1599; fol. 285v–286v, Schreiben vom 7. Januar 1600; Bd. 219, fol. 1r–2v, Schreiben vom 14. Januar 1600; fol. 7r–7v, ­Schreiben vom 19. Januar 1600; fol. 56r–57r, Schreiben vom 6. März 1600; fol. 69v– 70r, Schreiben vom 16. März 1600. 105  Zu Johann Ernst von Steinau vgl. Steinmeyer, Bd. 2, S. 557; UBE, AUA 9, S. 151–152. 102  Vgl.



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In der historiografischen Literatur ist der strafrechtliche Umgang des Nürnberger Rats mit der Randale vor dem Haus Schoppers und mit der Bluttat an Wolff Fuchs vielfach mit Unverständnis kommentiert worden.106 Die Kritik entzündete sich vor allem an der Milde, die der Magistrat gegenüber den gewalttätigen Studenten, gerade auch gegenüber Wallenstein, walten ließ. Letztlich hatten die Vorfälle ja nur für Gottfried Sebisch, der in Haft kam und anschließend sein Studium in Altdorf nicht fortsetzen konnte, ernsthafte Konsequenzen gezeitigt.107 Die anderen Studenten, die unter Anklage gestanden waren, Tobias Wacker, Jarosław Druskj Socoliński und Johann Lopes de Villanova, verbrachten lediglich einige Tage im Gefängnis in Nürnberg bzw. im Karzer in Altdorf, Wallenstein wurde mit Stubenarrest belegt. Wenn man die Vorgehensweise des Nürnberger Rates adäquat beurteilen will, ist es unerlässlich, die geschilderten politischen Konfliktfelder zu berücksichtigen, in denen er agierte. Zu bedenken ist des Weiteren, dass Normen, wie die jüngere Forschung gezeigt hat, in der Frühen Neuzeit eine andere politische und gesellschaftliche Funktion hatten als in der jüngeren Moderne. Sie waren nicht nur häufig – wie etwa die Altdorfer Statuten von 1582 – wenig anwendungsorientiert formuliert, sondern wurden auch anders kommuniziert.108 Vielfach lässt sich beobachten, dass normativen Bestimmungen in erster Linie ein hoher symbolischer Wert zukam, indem sie das Recht auf Normsetzung dokumentierten. Hingegen lag der Obrigkeit häufig wenig daran, die Einhaltung der niedergelegten Regeln konsequent und buchstabengetreu durchzusetzen. In der Nürnberger Geschichte des konfes­ sionellen Zeitalters finden sich zahlreiche Beispiele für ein von der Gegenwart verschiedenes Verständnis von Normen: Ernst Riegg konnte etwa vor einiger Zeit in einer religionsgeschichtlichen Studie zeigen, dass die Nürnberger Bekenntnistexte des konfessionellen Zeitalters, z. B. die Norma doctrinae von 1573, bei konkreten Entscheidungen des Rates nur selektiv berücksichtigt wurden und de facto ein pragmatischer Umgang mit den Glaubensnormen vorherrschte.109 Auch Forschungen zu den Universitäten im ­Alten Reich haben Aspekte eines typisch frühneuzeitlichen Normenverständnisses zutage gefördert.110 Schließlich muss eine angemessene Bewertung des von den Nürnberger Entscheidungsträgern gewählten Umgangs mit der Gewalteskalation in Altdorf auch die sozialen Kontexte frühneuzeitlicher studentischer Devianz in Rechnung stellen. Neuere Studien haben gezeigt, dass von Studenten verübte z. B. Baader, S. 20; Mann, G. (1983), S. 28. AUA 10, fol. 120v. 108  Vgl. bes. Schlumbohm; Landwehr; Rasche (2014). 109  Riegg. 110  Vgl. z. B. Füssel (2004), S. 151–156. 106  Vgl.

107  UBE,

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Gewalt und Kriminalität spezifische Phänomene darstellen, die aufgrund des besonderen sozialen Status der Universitätsbesucher in vielen Fällen anders zu beurteilen sind als das deviante Verhalten anderer Personengruppen.111 Eine Bewertung mit Hilfe strafrechtlicher Kategorien führt zwangsläufig zu unzulässigen Verkürzungen und Fehleinschätzungen. Der Nürnberger Rat verfolgte bei der Konfliktregulierung 1599 / 1600 über die strafrechtlichen Aspekte hinaus mehrere politische Ziele: Erstens sollten die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Altdorf so rasch wie möglich beendet und damit eine Rückkehr zum geregelten Studienbetrieb möglich werden. Zweitens musste durch die spezifische Art der Konfliktregelung aus der Sicht der Nürnberger Obrigkeit die eigene Autorität gegenüber den Studenten – auch gegenüber denen von Adel – unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden. Drittens war unter allen Umständen zu vermeiden, dass durch die Vorfälle in Altdorf Schaden für die reichspolitische Stellung Nürnbergs entstand. Insbesondere eine Belastung des Verhältnisses zum Kaiserhof war abzuwenden. Viertens galt es nach außen den Eindruck zu wahren, dass der Lehrbetrieb an der Altorfina auf der Grundlage des Augsburger Reli­ gionsfriedens stand. Fünftens sollte die studentische Klientel aus dem hohen Adel speziell der ostmitteleuropäischen Länder nicht durch harte, gegebenenfalls als ungerecht empfundene Strafmaßnahmen des reichsstädtischen Rats von einem Besuch der Altdorfer Hochschule abgeschreckt werden. Der Versuch, die politischen und sozialen Eliten Böhmens und Polens an Nürnberg zu binden und auf diese Weise auch wirtschaftliche Kontakte zu festigen, war eines der zentralen Motive bei der Gründung der Altdorfer Hochschule gewesen.112 Sechstens – und damit zusammenhängend – war es unabdingbar, die ständische Qualität der an den Gewalttaten beteiligten Personen zu respektieren. Siebtens waren beim Umgang mit dem Täter Steinau die nachbarschaftlichen Beziehungen mit dem Burggrafen auf dem Rothenberg zu berücksichtigen. Stellt man die verschiedenen, zum Teil allerdings nur schwer zu vereinbarenden Ziele in Rechnung, die der Nürnberger Rat bei der Konfliktregulierung in Altdorf erreichen wollte, erscheint die konkrete Vorgehensweise der Ratsherren sehr verständlich. Beispielsweise erklärt sich dadurch, weshalb der Magistrat bei der Kontaktaufnahme mit den Eltern des Breslauers Gottfried Sebisch Bartholomäus Viatis als Mittelsmann einschaltete, einen Unternehmer, der über exzellente Kontakte nach Schlesien verfügte.113 Ebenso wird die sehr unterschiedliche, aus heutiger Perspektive als ungerecht er111  Füssel

(2004). (2000), S. 59–70, bes. S. 61. Zum Kontext vgl. bes. Diefenbacher

112  Mährle

(2014b). 113  Aubin, S. 150; Kellenbenz, S. 167.



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scheinende Bestrafung der beteiligten Studenten begreiflich. Sie hatte ihre Ursache zum einen maßgeblich darin, dass die Delikte eine verschiedene politische Relevanz aufwiesen: So wurden etwa die religionspolitisch heiklen, antitrinitarischen Schmähreden von Jarosław Druskj Socoliński und Johann Lopes de Villanova vergleichsweise hart bestraft. Noch wichtiger war allerdings zum anderen, dass die Strafen abhängig vom sozialen Rang der Studenten festgesetzt wurden. Während etwa der Stipendiat Tobias Wacker wegen bloßer Injurien ins Gefängnis nach Nürnberg verbracht wurde, blieb Wallenstein lange frei und erhielt mit dem Entscheid vom 11. Januar 1600 lediglich Stubenarrest sowie die (allerdings nachdrückliche) Empfehlung, die Hochschule nach Bezahlung seiner Schulden zu verlassen. Schließlich erklären die Zielsetzungen des Rats auch, weshalb die ausgesprochenen Strafen nach dem Eingang von Bittgesuchen rasch reduziert wurden, im Fall Wallensteins sogar ungeachtet der Tatsache, dass dieser in Altdorf, vermutlich aus Unzufriedenheit über seine Lage, weiter Gewalttaten verübte. Offensichtlich genügten die Bittgesuche der Studenten dem Rat als Beweis für die Anerkennung der eigenen obrigkeitlichen Autorität. Mit der Zusicherung der Jugendlichen, in Zukunft friedlich ihren Studien nachzugehen oder die Hochschule zu verlassen, hatten die Ratsherren ihre Ziele erreicht. Eine weitere Bestrafung, etwa die Verfügung einer förmlichen Relegation, hätte keine Vorteile mehr gebracht, sondern im Gegenteil eher den eigenen politischen Absichten geschadet. Insgesamt entsprach der Verlauf der Konfliktregulierung an der Altorfina im Januar 1600 weitgehend den Zielen des Nürnberger Rates. Allerdings war der Umgang mit den Altdorfer Gewaltexzessen durch die reichsstädtische Obrigkeit kein uneingeschränkter Erfolg. Der entscheidende Makel war die erfolgreiche Flucht des Totschlägers Johann Hartmann von Steinau. Nicht zuletzt durch die nachbarschaftlichen Konflikte mit dem Burggrafen hatten die Nürnberger Autoritäten alles darangesetzt, Steinau zu ergreifen. Durch das Entweichen des Täters und durch die spätere „betrügliche“ Überführung seiner Besitztümer auf die Burg Rothenberg wurde Nürnberg von einem territorialen Nachbarn düpiert. Die entscheidenden Fehler bei der Verfolgung Steinaus hatten die Amtsträger in Altdorf begangen, d. h. vor allem der Pfleger Georg Roggenbach. Da dieser jedoch durch unklare Jurisdiktionsverhältnisse in seinem Handeln behindert war, fiel ein Teil der Verantwortung auf den Nürnberger Rat zurück.

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4. Was blieb von Altdorf? Der Studienaufenthalt an der Academia Norica als Lebensstation Wallensteins Abschließend soll die Frage gestellt werden, welche Kenntnisse Wallenstein während seines Aufenthalts in Altdorf erworben und welche Erfahrungen er gemacht haben könnte, die für seinen weiteren Lebensweg von Bedeutung waren. Die Beantwortung dieser Frage weist bis zu einem gewissen Grad einen spekulativen Charakter auf. Zur Klärung des Problems fehlen zum einen aussagekräftige Quellen; beispielsweise sind aus den Jahren 1599 / 1600 keine Vorlesungsverzeichnisse der Altdorfer Hochschule erhalten. Zum anderen können das Erleben und die Erfahrungen einer historischen Persönlichkeit durch die Analyse ihres Aktions- und Erfahrungsraumes bei Weitem nicht vollständig entschlüsselt werden. Zunächst zum Studium Wallensteins im eigentlichen Sinn, das heißt dem Besuch von Lehrveranstaltungen an der Altorfina. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der sechzehnjährige Freiherr aufgrund der Kürze des Altdorfer Studienaufenthalts und der dargestellten Neigung zu außerschulischen Aktivitäten und zur Gewalt seinen Bildungshorizont in der Nürnberger Landstadt nur in bescheidenem Maß erweitert haben dürfte. Trotzdem könnte Wallenstein einige Anregungen aus dem Altdorfer Lehrbetrieb mitgenommen haben, die ihm später zugutekamen. Aufgrund seines Standes und seiner Vorbildung ist davon auszugehen, dass Wallenstein sich an der Altdorfer Hochschule vor allem für das Lehrangebot in der philosophischen Fakultät, eventuell auch für die rechtswissenschaftlichen Vorlesungen interessierte. Die Goldberger Bildungsanstalt, die der böhmische Adlige zuvor besucht hatte, hatte ihn bereits an das Universitätsniveau herangeführt.114 Die Lehre in der Altdorfer philosophischen Fakultät war zur Studienzeit Wallensteins bereits erkennbar von den Konzepten des Paduaner Aristotelismus geprägt, die der Schweizer Philipp Scherbius (1553–1605) an die Altorfina gebracht hatte und die dort nach 1600 den philologisch-philosophischen Unterricht weitestgehend dominieren sollten.115 Scherbius schied die Philosophie in die Disziplinen der „philosophia theoretica“ (Physik, Mathematik und Metaphysik) und die Fächer der „philosophia humana“ oder „philosophia civilis“ (Ethik, Ökonomie, Politik). Der Vorrang kam der theoretischen Philosophie zu, die nach Scherbius im Unterschied zur praktischen Philosophie der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichtet war. Innerhalb der beiden Bereiche der Philosophie erkannte der Altdorfer Professor der Metaphysik bzw. der Po114  Holý

(2012 / 13), S. 453. (2000), S. 215–227.

115  Mährle



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litik jeweils die höchste Dignität zu. Die Logik begriff Scherbius als „instrumentum philosophiae“. Untergeordnete Disziplinen in seiner philosophischdidaktischen Konzeption waren die Grammatik, die sich mit den sprachlichen Voraussetzungen der Logik beschäftigte, sowie die Rhetorik und die Poesie, die Scherbius als Instrumente der praktischen Philosophie verstand. Um 1600 entsprach die Qualität, welche die einzelnen Disziplinen im Lehrbetrieb der Altdorfer philosophischen Fakultät hatten, bereits zum großen Teil der Wertigkeit, die sie im philosophischen Konzept Scherbius‘ einnahmen.116 Als Wallenstein an die Academia Norica kam, war die Lehre in einigen Fächern, die der führende Philosophieprofessor als weniger bedeutend ansah, wie beispielsweise in den altsprachlichen Fächern, in der Rhetorik, in der Ethik und vermutlich auch in der Poesie wenig profiliert. Hingegen wurde in der Logik, in der Politik, in der Physik und in der Mathematik qualitativ hochwertiger Unterricht angeboten. Auch in der Geschichte, die bei Scherbius keine Rolle spielte, war das Lehrniveau sehr gut. Lehrveranstaltungen über Metaphysik fanden in Altdorf um 1600 vermutlich lediglich im Rahmen von Privatvorlesungen statt. Für Wallenstein könnten an der reichsstädtisch-nürnbergischen Semiuniversitas vor allem die historischen und politikwissenschaftlichen Vorlesungen von größerem Interesse gewesen sein.117 Altdorf stellte eine derjenigen Hochschulen dar, an denen früh neustoizistische Lehren rezipiert wurden. Als Historiker lehrte 1599 Christoph Coler (verm. 1572–1651) an der Altorfina. Coler widmete sich schwerpunktmäßig der Kommentierung von SallustTexten; er war bei den Studenten als akademischer Lehrer überaus geschätzt. Eine politikwissenschaftliche Vorlesung bot im Studienjahr 1599 / 1600 Philipp Scherbius an. Sowohl Coler als auch Scherbius setzten sich intensiv, jedoch vielfach auch sehr kritisch mit den modernen politischen Theorien, vor allem mit den Konzeptionen von Justus Lipsius, auseinander. Scherbius erörterte in seinem Unterricht auch die Staatslehre Jean Bodins, die er allerdings kategorisch ablehnte. Nicht mehr kennengelernt hat Wallenstein durch seinen frühen Abschied aus Altdorf den aus Bremen stammenden Arnold Clapmarius (1574–1604), der ab Juni 1600 an der Academia Norica lehren sollte.118 Clapmarius begründete in Mitteleuropa die sogenannte Arcana-Literatur; sein in Altdorf entstandenes Werk „De arcanis rerumpublicarum“, das im Jahr 1605 posthum veröffentlicht wurde, zählte zu den einflussreichsten politikwissenschaftlichen Publikationen in Mitteleuropa im 17. Jahrhundert.119 116  Ebd.,

S. 261–396. S. 298–315, 328–342. 118  Hegels; Stolleis, hier S. 17–20; Behnen, bes. S. 164–171; Münkler, bes. S. 284– 289; Stiening. 119  Neuedition: Clapmarius. 117  Ebd.,

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Denkbar wäre auch, dass Wallenstein in Altdorf erstmals intensiver mit astronomischen Fragen in Berührung gekommen ist.120 Die Altorfina war um 1600 ein überregional beachtetes akademisches Zentrum der Astronomie. Als Mathematiker wirkte seit 1576 Johannes Praetorius (1537–1616) an der Nürnberger Semiuniversitas.121 Praetorius war ein Anhänger des ptolemäischen Weltbildes, hat sich jedoch in seinen Lehrveranstaltungen eingehend mit den modernen Theorien von Kopernikus und Tycho Brahe auseinandergesetzt. Unklar ist allerdings, ob Praetorius während der Anwesenheit Wallensteins eine astronomische Vorlesung zur Sphärik, zur sphärischen Trigo­ nometrie oder zur Planententheorie angeboten hat. Gesichert ist hingegen, dass der Altdorfer Mathematicus vom 20. November 1599 bis zum 6. Mai 1600 über Sonnenuhren las.122 Sollte Wallenstein in Altdorf rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen besucht haben, so dürfte es sich um eine Institutionenvorlesung gehandelt haben. Es ist jedoch nicht bekannt, ob eine solche Lehrveranstaltung im Herbst 1599 an der Academia Norica stattfand.123 Im Juni dieses Jahres war der bisherige Pandektist Scipio Gentilis von den Schulherren zum Codizisten ernannt worden, der bisherige Institutionarius Conrad Rittershausen rückte gleichzeitig zum Pandektisten auf. Ein Ersatz für Rittershausen wurde offi­ ziell erst im Dezember 1599 bestellt, als der Rittershausen-Schüler Matthias Hübner (um 1572–1614) zum Institutionenprofessor berufen wurde. Hübner, der wissenschaftlich vergleichsweise wenig profiliert war, könnte allerdings bereits in den Monaten zuvor den Institutionenunterricht wahrgenommen haben. In diesem Fall dürfte er vor allem juristisches Grundwissen vermittelt haben: u. a. rechtswissenschaftliche Definitionen, die grundlegenden Argumentationsregeln und die Einteilung des Rechts. Das Interesse auch juristischer Studienanfänger, zu denen Wallenstein 1599 zu rechnen war, könnten eventuell Lehrveranstaltungen von Scipio Gentilis über das ius publicum auf sich gezogen haben.124 Gentilis‘ Unterricht im öffentlichen Recht erschloss an der Academia Norica seit den 1590er Jahren ein neues wissenschaftliches Feld. Der italienische Glaubensflüchtling stellte in seinen öffentlich-rechtlichen Vorlesungen Probleme der römischen sowie der mittelalterlichen Rechts- und Verfassungsgeschichte in den Mittelpunkt. 120  Keine Verweise auf das Altdorfer Studium bei Murr, S. 305–306. Zur Bedeutung der Astrologie für Wallenstein vgl. neuerdings bes. Mortimer (2012), S. 70–88. 121  Klee, S. 83–105; Westman, bes. S. 289–305; Wardeska; Pilz, K., S. 248–251; Müller, U. (1993), S. 29–50; Mährle (2000), S. 358–378; Schmeidler; Gaab (2011a), S. 10–16. 122  Praetorius (UBE, Ms. 824, fol. 2r–54v); vgl. hierzu Folkerts, S. 30, 38. 123  Zum Folgenden vgl. Mährle (2000), S. 443–465. 124  Ebd., S. 449–450.



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Insgesamt bot die Altdorfer Hochschule im Studienjahr 1599 / 1600, in dem Wallenstein die Bildungseinrichtung besuchte, ein interessantes, in einigen Fächern innovatives Lehrangebot, das zumindest zum Teil explizit den Bildungswünschen der politischen und gesellschaftlichen Eliten Rechnung trug. Hinzu kam, dass die Academia Norica über das akademische Angebot hinaus Möglichkeiten der galanten Bildung eröffnete, die wiederum vor allem für die jungen Adligen von Interesse waren.125 Als gesichert kann gelten, dass um 1599 ein Fechtmeister an der reichsstädtisch-nürnbergischen Semiuni­ versitas unterrichtete; es ist sogar durchaus möglich, dass der getötete Wolff Fuchs mit einem Altdorfer Fechtmeister verwandt gewesen ist.126 Ob es darü­ber hinaus im Studienjahr 1599 / 1600 Reit- und Tanzlehrer an der Altorfina gab, lässt sich nicht erweisen. Hingegen hat in Altdorf ein Lehrer der französischen Sprache gewirkt. Daniel Cachedenier trug sich am 11. April 1599 in die Hochschulmatrikel ein und wirkte mindestens bis zum Jahr 1600 an der reichsstädtisch-nürnbergischen Semiuniversitas.127 Möglich wäre also, dass Wallenstein in Altdorf französische Sprachkenntnisse erworben hat. Für den späteren Generalissimus bedeutete der vermutlich erste Aufenthalt außerhalb der böhmischen Kronländer nicht nur eine weitere Stufe auf seinem in Böhmen begonnenen Bildungsweg, sondern auch eine neue Lebenserfahrung. Welche Eindrücke, die er während seines Besuchs der Altdorfer Hochschule aufnahm, könnten Wallenstein dauerhaft geprägt haben? Auf drei Aspekte sei an dieser Stelle hingewiesen: Erstens dürfte der Sechzehnjährige das akademische Milieu der Academia Norica unabhängig vom kleinstädtischen Charakter der Nürnberger Landstadt Altdorf als weltläufiges, „internationales“ Ambiente wahrgenommen haben. Wallenstein musste sich, ähnlich wie in Goldberg, in einer deutsch geprägten Umwelt zurechtfinden. Die Professoren der Altorfina stammten um 1600 aus verschiedenen Teilen Deutschlands sowie aus der Schweiz und aus Italien.128 Noch breiter gestreut war die geografische Herkunft der Studentenschaft. Die überlieferten NachSchöttle; Todte. Fechtmeister wurde bereits nach Gründung der Hochschule von den Nürnberger Scholarchen nach Altdorf geschickt. Der Fechtunterricht blieb jedoch umstritten. Im April 1593 beschloss die Hochschule, dass forthin kein Fechter immatrikuliert werden solle (vgl. UBE, AUA 10, fol. 35r). Im November 1595 gab es erneut Diskussionen über den Fechtunterricht und die Fechtpraxis. Während der Pfleger einem Altdorfer Bürger namens Hans Fuchs das Fechten verbieten wollte, hielt der Mathematikprofessor Johannes Praetorius es für unrealistisch, an einer Hohen Schule das Fechten zu untersagen (vgl. UBE, AUA 10, fol. 90r). 127  Immatrikulationsnummer 1992. Glück / Häberlein / Schröter, S. 209. 128  Aus der Schweiz stammte Philipp Scherbius, aus Italien Scipio Gentilis. Die Zahl der Professoren, die nicht aus einem Territorium oder aus einer Stadt des Heiligen Römischen Reiches kamen, war um 1600 geringer als in den ersten Jahren der Altdorfer Semiuniversitas. 125  Vgl.

126  Ein

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richten geben zu erkennen, dass Wallenstein in Altdorf nicht in erster Linie mit Studenten aus Böhmen Gemeinschaft hatte. Vielmehr scheint er sich bei der Auswahl seiner Freunde an ständischen Kriterien orientiert zu haben. Die Gruppe, die vor dem Haus Schoppers randalierte, bestand außer aus Wallenstein aus einem polnisch-litauischen Adligen und seinem Famulus, einem Angehörigen der Breslauer Führungsschicht sowie einem Kölner mit vermutlich spanischen Wurzeln, dessen Vater aller Wahrscheinlichkeit nach ein hochrangiger spanischer Funktionsträger war.129 Mit Johann Hartmann von Steinau zählte ein weiterer Adliger zu den engeren Bekannten Wallensteins. Eventuell sind zum Freundeskreis auch die Brüder Georg und Johann Wenzel Chotek von Chotkow aus Böhmen und der Schwede Philipp von Scheiding zu rechnen.130 Zweitens erhielt der junge böhmische Adlige, noch stärker als zuvor im schlesischen Goldberg, in Altdorf einen lebhaften Eindruck vom innerprotestantischen Dissens um 1600 und den damit verbundenen leidenschaftlich ausgetragenen Konflikten.131 An der Nürnberger Semiuniversitas waren Repräsentanten verschiedener protestantischer Glaubensrichtungen vertreten: Orthodoxe Lutheraner, Philippisten und Calvinisten bildeten die Hauptgruppen. Daneben dürften zahlreiche Personen in Altdorf studiert haben, die mit antitrinitarischem oder anderem heterodoxem Gedankengut sympathisierten.132 Doch begegnete Wallenstein, der bereits in seiner Jugend unterschiedliche Ausprägungen des Protestantismus kennen gelernt hatte, in der Nürnberger Landstadt auch dem aus Köln stammenden Johann Lopes de Villanova; dieser gehörte aller Wahrscheinlichkeit nach der katholischen Kirche an. War Wallenstein in Schlesien als Calvinist ausgeschrien worden, wogegen er sich gewehrt hatte, so geriet er in Altdorf, vielleicht durch die früheren Vorfälle sensibilisiert, rasch mitten in die konfessionellen Auseinandersetzungen. Inwieweit er dabei selbst innerlich Position bezog, etwa den luthe129  Vgl. Anm. 13. Biografische Informationen bei Steinmeyer, Bd. 2, S. 156, 352, 531. Die Angaben Steinmeyers wurden überprüft. Für Unterstützung bei Recherchen zum familiären Hintergrund von Johann Lopes de Villanova danke ich Herrn Dr. Max Plassmann (Stadtarchiv Köln). Zum Besuch der Altdorfer Hochschule durch polnische Studenten vgl. Pietrzyk (Bemerkungen zu Jarosław Druskj Socoliński auf S. 78). 130  Einer der (niederadligen) Brüder Chotek, beide in Altdorf immatrikuliert seit dem 1. Juni 1597 (Nr. 1713 und 1714), sowie Philipp von Scheiding (1579–1646), immatrikuliert seit dem 31. Juli 1598 (Nr. 1897), begleiteten Ende Dezember 1599 Gottfried Sebisch auf dem Weg zum Pflegamt, vgl. UBE, AUA 137, S. 5. Zu den Brüdern Chotek vgl. Steinmeyer, Bd. 2, S. 99 sowie Holý (2011b), S. 56, 59. Zu Scheiding vgl. Steinmeyer, Bd. 2, S. 490; Sjöberg, hier S. 69; Giese, S. 537 (zu den Schweden in Altdorf S. 534–539). 131  Zu den konfessionellen Konflikten in Goldberg vgl. Dvorský, S. 32–34; Bauch, S. 331–333; Holý (2012 / 13), S. 457–458. 132  Vgl. Anm. 38, bes. Mährle (2010a), S. 225–226.



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risch-orthodoxen Theologieprofessor Jacob Schopper aus religiöser Überzeugung angriff, oder inwieweit die Altdorfer konfessionellen Auseinandersetzungen für Wallenstein in erster Linie ein willkommener Anlass waren, um einem als wenig interessant empfundenen Studienalltag zu entfliehen, muss offenbleiben. Die vorhandenen Quellen sprechen eher dagegen, dass Wal­ lenstein als religiös inspirierter Anführer der Altdorfer Studentenkrawalle agierte. Als Hauptagitator gegen Schopper wurde von den Nürnberger Autoritäten Gottfried Sebisch identifiziert, nicht Wallenstein, dem diese Anführerrolle als dem ständisch höher Stehenden an sich zugekommen wäre. Die antitrinitarischen Polemiken gegen den Lutheraner Schopper, in die unter anderem der – vermutlich katholische – Kölner Johann Lopes de Villanova einstimmte, sind theologisch ohnehin kaum zu erklären. Schließlich war Wallenstein im Zuge der gegen ihn laufenden Ermittlungen wegen der verschiedenen Gewalthandlungen sowie durch die anschließende Bestrafung in eine für ihn völlig neue Lebenssituation gestellt. Die Erfahrungen, die er dabei sammelte, dürften über die Altdorfer Zeit hinausgewirkt haben. Wallensteins Reaktion auf die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zeigt verschiedene Facetten. Die Übergriffe im Januar 1600 gegen Gotthard Livo und Johann Reheberger, die im Kontext des Ermittlungs- und Strafverfahrens stehen dürften, sprechen für ein impulsives, dünnhäutiges Verhalten des Sechzehnjährigen. Im Umgang mit den Nürnberger Autoritäten und bei den Bemühungen um Strafmilderung bewies Wallenstein hingegen nicht nur ein ausgeprägtes Standes- und Selbstbewusstsein, sondern auch diplomatisches Geschick. So sandte er, wie erwähnt, nach dem 11. Januar 1600 zwei Studenten nach Nürnberg, um seine Begnadigung durch den Rat zu erreichen. Wallenstein unterstrich durch diese studentische „Gesandtschaft“ seine gesellschaftliche Führerrolle und inszenierte sich als ernst zu nehmender „Verhandlungspartner“ des Nürnberger Rats. Schließlich ist das von Wallenstein unterzeichnete Schreiben vom 20. Januar überaus geschickt formuliert. Indem der adlige Ehrbegriff, das Alter des eigenen Geschlechts und der aktuelle politische Einfluss der Familie Waldstein am Kaiserhof he­ rausgestellt wurden, rückte Wallenstein wiederum seine eigene Person in das beste Licht. Zudem baute er eine kaum zu übersehende Drohkulisse auf. Darüber hinaus jedoch bot er dem Nürnberger Rat durch Verweis auf die adlige Ehre auch eine praktikable Lösungsmöglichkeit des Konfliktes an, die seinen wesentlichen Zielen Rechnung trug. Wir wissen zwar nicht, welche Anteile Wallenstein an der Konzeption des Schreibens hatte – als eigentliche Urheber wurden in der wissenschaftlichen Literatur der Präzeptor Heldreich, aber auch der Altdorfer Professor Scipio Gentilis vermutet.133 Es ist jedoch 133  Siegl (1911), S. 147; Mann, G. (1983), S. 29. Die Autorschaft Scipio Gentilis’ ist wenig wahrscheinlich, da dieser üblicherweise die lateinische Sprache bevorzugte.

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davon auszugehen, dass die darin enthaltene Argumentation zumindest mit dem Betroffenen abgestimmt war. 5. Fazit In der historischen Forschung ist öfters herausgestellt worden, dass Wallensteins Lebensweg bis 1617 bzw. 1618 in vieler Hinsicht eher unauffällig gewesen sei.134 Demnach habe erst der Ständeaufstand den Machtinstinkt und die militärisch-politischen Fähigkeiten des späteren Generalissimus geweckt und zur Entfaltung gebracht. Dieser Interpretation sei hier nicht widersprochen, doch lassen die Nürnberg-Altdorfer Mosaiksteine, die wir zur Rekonstruktion der frühen Biografie Wallensteins zur Verfügung haben, bereits schlaglichtartig die außergewöhnliche Persönlichkeit Wallensteins erkennen. Der Sechzehnjährige verhielt sich an der Altorfina mehr als unkonventionell und zeigte Charaktereigenschaften und Anlagen, die dem besser bekannten, erfolgreichen Feldherrn des Dreißig­ jährigen Krieges üblicherweise zugeschrieben werden: Impulsivität, manchmal Jähzorn, hohes Stan­ des- und Selbstbewusstsein, aber auch geistige Flexibilität und diplomatisches Geschick.135 Wallensteins Studienaufenthalt in Altdorf war insgesamt ein Misserfolg. Es spricht einiges für die Vermutung, dass der Böhme aus seinen Fehlern gelernt hat. Zwar blieb Wallenstein der impulsive Mensch, als der er sich in Altdorf gezeigt hatte, doch verstand er es in späteren Jahren besser, physische Gewalt kontrolliert einzusetzen.136 Bildung und Wissenschaft hatten für Wallenstein auch in den Jahren seines politischen und militärischen Erfolges keine hervorgehobene persönliche Bedeutung: Als er starb, fand sich in seinem Nachlass kaum ein Buch.137 Interesse hatte Wallenstein lediglich an der Astrologie, die er von Gelehrten seiner Wahl betreiben ließ. Als Fürst und Landesherr erkannte er jedoch die Bedeutung von Bildungseinrichtungen und wurde zum Mäzen und Stifter entsprechender Institutionen.138 Vielleicht waren es spätere Einsichten, die dazu führten, dass Wallenstein gegenüber den Bildungsinstitutionen seiner Jugendzeit keinen Groll hegte. Im Jahre 1626, als er mit seiner Armee durch Schlesien zog, beschenkte er einen früheren Goldberger Lehrer, der ihn streng behandelt hatte, aus Dank134  Vgl. z. B. Ranke (1869), S. 12, 16; Diwald (2007), S. 90; Rebitsch (2010), S. 31; Mortimer (2012), S. 13–32. 135  Vgl. bes. Diwald (2007), S. 308–325; Mann, G. (1983), S. 246–248. 136  Diwald (2007), S. 319–320. 137  Mann, G. (1983), S. 244. 138  Holý (2016), hier bes. S. 115, 123–125, 281, 303–304, 307, 321–322, 324, 334, 336. Vgl. auch den Beitrag von Martin Holý in diesem Band.



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barkeit für die gute Erziehung und stellte ihm eine Wache zu seinem persönlichen Schutz zur Verfügung.139 Auch gegenüber Nürnberg und Altdorf zeigte sich Wallenstein im Jahr 1632, als er als Generalissimus an der Spitze des kaiserlichen Heeres nach Franken zurückkehrte, nicht nachtragend wegen des unglücklichen Studienendes über dreißig Jahre zuvor. Sein Verhalten gegenüber der nunmehrigen Universität erinnert an die noble Geste in Goldberg. Den Rektor der Altdorfer Hochschule Georg Nößler, der vor seinem Eintreffen von Kroaten gefangen genommen worden war, ließ er zwar nicht sofort frei, weil er seine medizinischen Dienste in der Armee benötigte.140 Doch behandelte er ihn mit ausgesuchter Höflichkeit und beschenkte ihn mit einer goldenen Ehrenkette und 500 Gulden. Altdorf blieb während der Belagerung Nürnbergs von Zerstörungen weitgehend verschont.

139  Dvorský, S. 34–35; Siegl (1911), S. 131–132; Diwald (2007), S. 26; Mann, G. (1983), S. 30. 140  Will (1795), S. 244–246; Baader, S. 150–152; Mann, G. (1983), S. 30–31.

Wallenstein als Politiker und Diplomat Von Robert Rebitsch 1. Politiker und Diplomat? Bei Albrecht von Wallenstein drängt sich vornehmlich die Assoziation „Kriegsunternehmer und Feldherr“ auf.1 Als ökonomisch äußerst versierter Generalissimus ging dieser Mann in die Geschichte ein. War er aber auch ein Politiker und Diplomat? Bestimmt war der aus Böhmen stammende Adelige als Herzog von Friedland und Mecklenburg ein Landesfürst, ein Landesfürst mehrerer, nacheinander in seinen Besitz gebrachter Herrschaften. Aber in seiner Rolle als Landesfürst, die freilich auch eine zutiefst politische war, soll er hier nicht vorgestellt werden. Um die Frage gleich vorweg zu beantworten: Natürlich war Wallenstein kein „Berufspolitiker“ so wie seine Zeitgenossen und zum Teil Verbindungsleute am kaiserlichen Hof Gerhard von Questenberg, Johann Ulrich von Eggenberg oder Johann Verda von Werdenberg, um nur einige der kaiserlichen Hofräte zu nennen. Schon gar nicht kann man den Herzog von Friedland als einen „Politicus“ titulieren, wie er in den zeitgenössischen artistischen und rechtswissenschaftlichen Qualifikationsschriften bezeichnet wurde.2 Wie in den entsprechenden akademischen Abhandlungen des damaligen Diskurses ausgeführt, sollte der Berufsstand des Politikers professionalisiert werden. Der Politiker sollte nicht nur ein erfahrener Praktiker und eine moralisch einwandfreie sowie loyale Persönlichkeit, sondern auch ein vornehmlich poli­tikwissenschaftlich ausgebildeter Staatsdiener sein (oft auch wurde die Abgrenzung zum Juristen thematisiert). Wallenstein war auch kein Diplomat, also ein Botschafter, Gesandter oder Resident, wie die verschiedenen diplomatischen Funktionsträger der Frühen Neuzeit betitelt wurden.3 Er war selbst 1  Aus der reichhaltigen, ja beinahe schon unüberblickbaren Literatur über Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein, Herzog von Friedland, Mecklenburg und Sagan, seien hier nur genannt: Diwald (1999); Mann, G. (1971); Polišenský / Kollmann (1997); Kollmann (1999 / 2001); Mortimer (2012); Rebitsch (2010). 2  Zur begriffsgeschichtlichen Verortung des „Politicus“ vgl. die informative Studie von Weber, W. E. J., S. 347–370. 3  Als Überblick zum diplomatischen Dienst der damaligen Zeit vgl. nur Schilling, H. (2007), S. 120–147 und Tischer.

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vor seiner Zeit als General-Oberster-Feldhauptmann und Generalissimus nicht im diplomatischen Dienst des Kaisers tätig. Aber Wallenstein hatte als Militär politische und diplomatische Aufgaben zu erledigen, er wurde vom Kaiser mit politischen und diplomatischen Agenden betraut. Dass Generäle und Obristen für politische Verhandlungen – seien es Waffenstillstandsverhandlungen oder Friedensverhandlungen – eingesetzt wurden, war im Übrigen keine Seltenheit. Hier sollen zwei Aktionsfelder des Verhandelns vorgestellt werden, die Wallenstein in politischen und diplomatischen Missionen zeigen. Die Ereignisgeschichte soll nur in jenem Ausmaß Erwähnung finden, wie sie für das Verständnis der politischen Tätigkeit notwendig ist. Vielmehr soll der Fokus auf die politische Kommunikation, auf die politische Korrespondenz zwischen Kaiser, dem Kaiserhof, den Verhandlungspartnern und Wallenstein sowie auf seine politische Tätigkeit gelegt werden. 2. Aktionsfeld I: Die Verhandlungen zum Lübecker Frieden4 Als Albrecht von Wallenstein im Jahre 1625 mit der neu aufgestellten kaiserlichen Armee in den niedersächsischen Reichskreis marschierte, drang er in eine politisch äußerst komplexe Region ein. Eigentlich wollte dieser Reichskreis mit dem im südlichen Reich sich abspielenden Krieg überhaupt nichts zu tun haben, blieb zu Beginn des Krieges der Protestantischen Union sowie erst recht der Katholischen Liga gegenüber fern und vertrat bis 1623 ein Konzept der bewaffneten Neutralität. Von seiner konfessionellen Färbung her war der niedersächsische Reichskreis fast ausnahmslos protestantisch. Der dänische König Christian IV.5 war als Herzog von Holstein Reichs- und Kreisstand im niedersächsischen Kreis. Kurz vor Kriegsbeginn ließ sich Christian – nicht ganz oppositionsfrei – zum Kreisobersten, also zum militärischen Oberbefehlshaber des Kreises wählen. Damit hatte der Reichskreis einen, wie es schien, starken Rückhalt in der Abwehr gegen die beiden Armeen von Johann t’Serclaes Graf von Tilly, Generalleutnant der Katholischen Liga,6 und Wallenstein. In Niedersachsen fürchtete man sich nicht zu Unrecht vor einer Rekatholisierung im Sinne der Gegenreformation, die man dem habsburgischen Kaiser Ferdinand II., aber natürlich auch seinem Verbündeten Maximilian I. von Bayern durchaus zutraute. 4  Ausführlich mit Literatur- und Quellenbelegen zu Wallensteins Rolle im Vorfeld des Lübecker Friedens Rebitsch (2009), S. 59–88. 5  Zum dänischen König Christian IV. vgl. die Studie von Lockhart, zum niedersächsisch-dänischen Krieg vor allem S. 131–154. 6  Über den Oberbefehlshaber der Katholischen Liga, von den Zeitgenossen oft der „geharnischte Mönch“ genannt, vgl. Junkelmann (2011) und Kaiser (1999).



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Der König von Dänemark und Norwegen, dessen Kriegspläne von seiner Reichsregierung abgelehnt wurden und der den Kampf somit rein als Kreis­ oberst der niedersächsischen Stände führen musste, trat nicht nur als „defender of the faith“ in den Krieg ein, so moralisch integer und altruistisch waren nun seine Motive doch wiederum nicht. In Norddeutschland galt es schließlich einige Bistümer für das Haus Oldenburg zu sichern und damit politischen Einfluss in der Region zu gewinnen. Diese Motive des Königs spielten auch in den dreißiger Jahren, als er als Mediator zwischen dem Kaiser und den Schweden auftrat, eine beträchtliche Rolle. Neben seiner politischen Ausstrahlung in den Norden Deutschlands war das Königreich Dänemark als „Torwächter“ und „Zöllner“ am Øresund der vorerst wichtigste Anwärter um das Dominium maris Baltici. Schweden, der aufstrebende starke Konkurrent um Handel und Ressourcen im Ostseeraum, stellte sich allerdings schon längst bereit. Der junge König Gustav II. Adolf, Lutheraner und eifriger Organisator militärischer und ökonomischer Reformen, verfolgte ambitionierte und offensive Pläne diesseits und jenseits der Ostsee.7 Vorerst war er jedoch aufgrund eines dynastischen wie auch machtpolitischen Konflikts gebunden; er lag im Krieg mit dem König von Polen, Sigismund,8 ebenfalls ein Vasa, Vetter des Schweden, jedoch katholisch, ausgezeichnet von den Habsburgern mit dem Goldenen Vlies, mit zwei Schwestern des Kaisers verheiratet (zunächst mit Anna und nach deren Tod mit Konstanze) und somit prädestinierter Verbündeter der Kaiserdynastie. Starkes Interesse an der Ostsee hatte auch die dominierende Handelsmacht in Nordeuropa, die Niederlande.9 Dabei waren die Anrainerstaaten der Ostsee nicht nur geschätzte Lieferanten von Pelzen, Wachs, Holz – Güter, die allerdings immer mehr in ihrer Bedeutung abnahmen –, Hanf, Flachs und besonders Getreide, sondern auch geschätzte Absatzmärkte für Salz, Tuche, Wein und Fisch. Im Export von Textilien in die baltischen Länder hatten zudem noch die Engländer ein gewichtiges Wort mitzureden. Es entging dem Ökonomen Wallenstein – so viel nur als Randnotiz – bestimmt nicht, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten sich hier einem Herzog von Mecklenburg und Beherrscher der Ostsee auftaten.10 Doch wieder zurück zum Kriegstheater: Die kaiserlichen und ligistischen Truppen marschierten, separiert durch die Elbe, in den Niedersächsischen Kreis, um die Werbe-, Bereitstellungs- und Ausweichräume der protestantischen Streitmächte in Besitz zu bekommen. Es gelang ein spektakulärer Sieg 7  Zum schwedischen König und seinen Kriegszielen die ausgezeichnete Biographie von Roberts; auch Langer (1988), S. 154–169 und Junkelmann (1993). 8  Zu seiner Person vgl. in aller Kürze Findeisen (1992), S. 97–108. 9  Zum niederländischen Ostseehandel vgl. Israel, S. 140–149. 10  Zu den internationalen Implikationen Kampmann (2008), S. 50–67.

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nach dem anderen. Am 25. April 1626 schlug Wallenstein den Söldnerführer Peter Ernst Graf von Mansfeld an der Dessauer Elbbrücke. Letztendlich musste der organisatorisch ausgezeichnete Söldnerführer, der während seines Kampfes schier unglaubliche Steherqualitäten bewies, die Flucht vor Wallenstein ergreifen, die in der Umgebung von Sarajevo mit dem Tod des gefürchteten Habsburggegners endete. Christian von Halberstadt, der zweite prominente Söldnerführer des protestantischen Deutschlands, fand 1626 in Wolfenbüttel den Tod. Georg Friedrich, Markgraf von Baden-Durlach, der Dritte in dieser bekannten Söldnerführertrias,11 wurde als dänischer General in Holstein besiegt. Am 27. August 1626 schlug Tilly bei Lutter am Barenberge den Dänenkönig. Am 22. August 1628 wurde Christian IV. abermals geschlagen, diesmal von Wallenstein bei Wolgast. Bereits im Herbst 1627 besetzten die Kaiserlichen Holstein, das gesamte Reich war somit weitgehend in der Hand der kaiserlichen und ligistischen Truppen. Noch im selben Jahr besetzte Wallenstein mit seiner Armee Jütland. Die Hansestadt Stralsund, das Tor zur Insel Rügen, unterstützt durch dänische und schwedische Einheiten, blieb der Fels in der Brandung. Wallenstein konnte sie bis zum Ende des Krieges nicht erobern – Stralsund figurierte zum negativen Höhepunkt in Wallensteins Kampfstatistik. So erfolgreich dieser fast synchrone Feldzug der beiden katholischen Heere auch war, christliche Einigkeit herrschte da kaum. Und das hatte nicht nur mit der damals auch in der internationalen Diplomatie üblichen Frage der Präzedenz zu tun.12 Mit Tilly pflegte Wallenstein ein vordergründig korrektes Verhältnis, obgleich die beiden Männer unterschiedlicher nicht sein konnten. Hier der „geharnischte Mönch“, ein frommer Soldat der alten Schule, loyal zum Kriegsherrn Maximilian von Bayern, rein am Militärischen interessiert, trotz seines Alters angriffslustig, da der Feldherr, Kriegsunternehmer und Ökonom, militärisch ein Defensivtaktiker, ein blendender Organisator und strahlender Mäzen, ein Finanzjongleur im großen Stil, rational kalkulierend und durchaus mit eigenen und großen landesherrlichen Ambitionen behaftet. Die Auftraggeber Tillys, die Fürsten der katholischen Liga, hatten im Herzog von Friedland ein regelrechtes Feindbild gefunden. Die Feindschaft zwischen dem Herzog und Kurfürsten von Bayern und Wallenstein ist bekannt.13 Dänemark – nun ohne Jütland – wankte, fiel aber nicht. „The navy, how­ ever, was the ultimate guarantor of Denmark’s survival in 1627–28“, konstatierte Paul Douglas Lockhart, einer der besten Kenner der dänischen Geschichte des Dreißigjährigen Krieges.14 In der Tat, auch Wallenstein erkannte Findeisen (1998), S. 118. Frage des Vorrangs im Oberbefehl vgl. Kaiser (1999), S. 256–261. 13  Dazu vgl. Albrecht, S. 663–691. 14  So Lockhart, S. 190. 11  So

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sehr schnell, dass man mehr benötigen würde als eine Landarmee, um Dänemark niederzuwerfen. Man brauchte eine Flotte. Der Generalissimus konnte sich daher recht schnell für den spanischen Plan einer Ostseeflotte erwärmen.15 Den Habsburgern in Madrid und Brüssel ging es dabei in erster Linie um die Schwächung des niederländischen Ostseehandels. Aus der von den Spaniern konzipierten „bewaffneten Handelsgesellschaft“16 zur Schwächung der Niederlande und zur Besetzung der Mündungsgebiete von Weser, Elbe und Ems sollte eine kaiserliche Invasionsflotte zur Eroberung der dänischen Inseln und zur Kontrolle des Sunds werden. Aber auch für den Handelsraum des Baltischen Meeres interessierten sich die österreichischen Habsburger schon Jahrzehnte zuvor: Hier standen zunächst die Handelsinteressen des Reiches im Vordergrund.17 Wallenstein legte vorerst ein starkes Engagement an den Tag. Für den Sommer 1628 wollte er eine starke Flotte aufstellen.18 Eine neue Dimension bekamen die Ostseepläne für den Herzog von Friedland mit der Übertragung des Herzogtums Mecklenburg im Januar 1628,19 einhergehend mit einer reichsrechtlich in allen Lagern äußerst umstrittenen Absetzung Adolf Friedrichs und Johann Albrechts von Mecklenburg. Die Beförderung zum „General des Ozeanischen und Baltischen Meeres“ geschah fast zeitgleich, die Urkunde wurde jedoch erst am 21. April 162820 ausgestellt. Diese Charge war freilich mehr als nur ein weiterer militärischer Titel für den kaiserlichen Oberbefehlshaber, dieser Rang war Programm und ein Aufsehen erregendes Signal habsburgischer Ambitionen für alle Anrainer des Baltischen Meeres, allen voran Schweden, obgleich man dort wusste, dass die Flottenrüstungen der Kaiserlichen alles andere als bedrohlich waren. Und tatsächlich, der sonst so tatkräftige Wallenstein, der in kürzester Zeit in der Lage war, eine Riesenarmee aus dem Boden zu stampfen, konnte die mariti15  Bei

der Wieden (1979), S. 67–96. Mann, G. (1971), S. 502; vgl. dazu auch die kaiserlichen Instruktionen für Schwarzenberg und Wenzel, Wien 4. September 1627, in: Lorenz, G., Nr. 25, 26 und 27, S. 130–137. 17  Dazu vgl. kurz Ehrenpreis, S.  91 f. 18  Wallenstein an Graf von Schwarzenberg, Wittenberg, 1. November 1627, in: Lorenz, G., Nr. 31, S. 145. 19  Vgl. Diwald (1999), S. 424; Mann, G. (1971), S. 505–522 und zu Wallensteins Ambitionen in Mecklenburg S. 573–600; weiters zu den verschiedenen Belehnungsurkunden Gindely (1886), S. 364–369; Hallwich (1910), II., S. 363–401, kurze Notiz in DBBTI IV, Nr. 596, S. 240. 20  Siehe Bestallung Wallensteins zum „General des Ozeanischen und Baltischen Meeres“, Prag, 21. April 1628, in: Hallwich (1910), III, Nr. 366, S. 331–333; zugleich wurde der Generalissimus zum „General-Obersten Feldhauptmann“ ernannt. Ebd. Nr. 365, S. 329–331, zur Anrede Wallensteins als General des ozeanischen und baltischen Meeres vgl. Kaiserlicher Hofkriegsrat an Wallenstein, Wien 15. Januar 1628, in: ebd., Nr. 303, S. 279 und auch Hallwich (1910), II, S. 375. 16  So

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men Pläne der Casa d’Austria nicht verwirklichen. Die Bilanz war schließlich mehr als ernüchternd:21 Im Jahre 1629 standen um die zwanzig Schiffe zur Verfügung, und davon kam der Großteil vom polnischen König. 40 bis 50 Kampfschiffe sollten es laut Wallensteins Vorstellungen werden, diese Stärke jedoch erreichte die kaiserliche Flotte nie.22 Das Projekt wurde aus verschiedenen Gründen – etwas salopp gesagt – zum Flop. Der Krieg lief sich fest, der Wunsch nach Friede kam auf. Dieser Wunsch war fast so alt wie der Krieg selbst. Friedensinitiativen gab es von vielen Seiten. Vor allem bemühte sich der humanistisch gebildete Herzog Friedrich III. von Holstein-Gottorf um Friedensverhandlungen.23 Im Laufe des Krieges schlugen auch die dänischen Reichsräte Verhandlungen vor,24 die eine Be­endigung des „königlichen Abenteuers“ wollten. Ebenso wollten der Kaiser25 wie auch die Liga26 den Frieden. Aber: Diese Friedensintentionen der verschiedenen Kriegsparteien waren immer mit hohen eigennützigen Forderungen verbunden, die auf wenig Verständnis beim Gegner stießen, sodass es auch die militärische Fortune und das diplomatische Geschick der Unterhändler waren, die den Ausgang der Friedensverhandlungen letztendlich bestimmten. So hatte das durchaus vorhandene Bestreben nach dem „lieben und werthen Fried“, das von Axel Gotthard in einer detailreichen Studie behandelt wurde, seine Grenzen.27 Wallenstein stieß die Friedensdiskussion von kaiserlicher Seite massiv seit Juni 1628 an. Sehr aufschlussreich für die politische Kommunikation Wallensteins mit den Verantwortlichen am Hof sind die von Hermann Hallwich edierten Korrespondenzen wie auch die von Peter Ritter von Chlumecky Bei der Wieden (1979), S. 79. der Wieden (1979), S. 86. 23  Vgl. Wilmanns, S. 1–12. 24  Reichsräthe der königl. Maj. und Cronen von Denemarck und Norwegen, Kopenhagen, 27. Januar 1628, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA), Reichskanzlei (RK) Friedensakten, 8a. Hierbei handelt es sich um ein Schreiben sämtlicher königlich-dänischer Reichsräte an Ferdinand II., in dem sie ihren unbedingten Friedenswillen Ausdruck verleihen. Man sei nun um „gutte corre­ spondenz, so zwischen dem Römischen Reich und insonderheit dem Hause Österreich“ bemüht. Vgl. zusammenfassend darüber hinaus Lockhart, S. 155 f. und S. 159. 25  So z. B.: Wallenstein an Herzog Friedrich von Holstein, Prag, 12. Februar 1628, in: DBBT IV, Nr. 594, S. 242. In diesem Schreiben unterrichtet Wallenstein Friedrich von Holstein, dass er selbst und Tilly auf Wunsch des Kaisers Verhandlungen mit den Dänen einleiten sollen; Ferdinand II. an Maximilian, Prag, 10. Juni 1628, in: Goetz, Nr. 95, S. 84. Zur kaiserlichen Friedenspolitik gegenüber Dänemark vgl. Brockmann, S. 302–320. 26  Zum Friedenswillen der Liga vgl. z. B. die Protokolle zum Ligatag von Bingen, in: Goetz, Nr. 103, S. 91–109. 27  Dazu Gotthard (2014). 21  Dazu 22  Bei



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publizierten Schreiben zwischen Wallenstein und dem Hofkriegsrats-Präsidenten Collalto. An den Kaiser schrieb Wallenstein im Juni 1628: „[…] undt ob ich zwar wenig aparenz zum frieden sehen thue, so ist es doch aus vielen ursachen gutt, die tractacion forth anzufangen, auf das die welt sehen thete, das Euer Matt. nie, was zu ruhe undt einickeitt der Christenheit gereichen sollte, ausschlagen.“28

Wallenstein erwähnte in dieser Korrespondenz bemerkenswerterweise die friedliche einheitliche Christenheit als Idealvorstellung und als Friedensargument für den Kaiser als mittelalterliche Universalmacht. Ferdinand antwortete umgehend: „Wie Wir unns nun von Zeit dieses ohne rechtmessige ursach unns angefangenen unnd bißhero gefürten Kriegs den edlen Frieden all Zeit lieb sein lassen, also der unschuldigen hierunder zuverschönen keine einige mittel so hierzue collimirt, jemals außschlagen wollen, die wapfen auch, zu welchen wir gleichsam genötigt worden, kein anders Zihl nicht haben: Also lassen Wir Unns auch diese bey Unnsern siegreichen progressen gesuechte güetliche Traction unnd darzue benente oder eine andere Dr. L. angenehme unnd gelegene Wahlstatt genedigist wohlgefallen, haben derhalben ehgd. Herczogs zue Holstein L. uff berürt deroselben schreiben nit allein in beandtworttet, […]. Befelhen solchem nach daß ubrige Dr L. Unns bekanndten hohen Vernunft unnd discretion, alß deren genugsam für sich selbst, wie nicht weniger aus den hiebevor gepflogenen handlungen bekannt ist, waß zu einem solchen frieden, dabei zuvorderst unsrer kayserlichen hoheit und der gehorsamen Stände sicherheit in acht genommen werden muß, für conditiones nach ytzigen statu zu proponirn oder auch zu den andern teil anzunemen, die werden unsern zue deroselben gestelten gnedisten Vertrauen nach den sachen, alß solches deß allgemeinen weesens hohe notturft erfordert, recht zu thuen, den lang gewünschten frieden zu befürdern unnd denselben dem heyl. Römischen Reich, Unserm geliebten Vatterlandt teütscher Nation, zue vieler darnach seufzender unschuldig leidender Trost und Erquickhung, doch alles uff unnsere gndste. ratification, zu schließen wissen.“29

Wallenstein bekam, nachdem er die Option der Verhandlungen in seinen Korrespondenzen an den Hof in den Raum gestellt hat, den Auftrag, zu sondieren und die Rahmenbedingungen für den Friedensschluss zu eruieren. Warum aber stellte der Oberbefehlshaber der Wiener Zentrale, die sich jedoch ebenfalls schon Gedanken dahingehend gemacht hatte, Überlegungen zu Verhandlungen anheim? Er hatte mehrere Gründe, diesen Krieg beenden zu wollen: Zunächst erkannte der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Streit28  Eine von vielen Korrespondenzen, in denen der Herzog von Friedland seinen Friedenswunsch äußerte, Wallenstein an Ferdinand II., Friedland, 4. Juni 1628, in: Hallwich (1910), III, Nr. 377, S. 346. Dazu auch Diwald (1999), S. 396. 29  Ferdinand II. an Wallenstein, Prag 10. Juni 1628, in: Hallwich (1910), III, Nr. 382, S. 350 f.

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kräfte die kommende Gefahr im Norden. Der Schwedenkönig Gustav II. Adolf war ihm schon sehr früh suspekt. Im Zusammenhang mit der militärischen Unterstützung Polens schrieb Wallenstein an Collalto 1627: „[…] wirdt der Künig aus Polen von uns nicht zeitlich succurirt werden, so werden wir sehen was der Kayser am Schweden vor ein freindt wirdt haben.“30 Im September des Jahres 1628 warnte der gut informierte Wallenstein Maximilian von Trauttmansdorff eindringlich vor der schwedischen Gefahr: „Man berichtet mir, das der Schwed grosse progressi wieder Polen thuet, auch eine starcke arme auf den beynen hatt. Auf den muß man mehr achtung als auf keinen geben, denn niembt er uberhandt, so wirdt man sehen, was man vor ein nachbaren an ihm wirdt haben.“31

Mag sein, dass diese Einsichten nicht unbedingt von großer prophetischer Gabe waren, aber es spricht doch für die klare Beurteilung der Lage, die der Herzog von Friedland anstellte. Die „Gefahr aus Mitternacht“ erkannten selbstverständlich auch andere, nur haben sie nicht gehandelt. Maximilian von Bayern konnte mit Wallensteins Feindbild wenig anfangen. An den Mainzer Kurfürsten schrieb der Wittelsbacher, „Wallenstein lässt den König von Schweden öffentlich als Feind ausrufen – so provoziert man neue Feinde, ehe man mit den alten fertig ist.“32 Neben der größten Gefahr „Schweden“ fürchtete der kaiserliche Capo schon sehr früh eine internationale antihabsburgische Koalition. Konkret ging es dabei um eine immer wieder in kaiserlichen und ligistischen Kreisen befürchtete mögliche Koalition zwischen Frankreich, England, Holland und Schweden auf der Seite Dänemarks gegen den Kaiser und Spanien.33 Ganz abwegig war die Befürchtung freilich nicht, denn es gab bereits Versuche einer derartigen Allianz: 1625 in der Haager Konvention, in der England und 30  Wallenstein an Collalto, Prag, 21. März 1627, in: Chlumecky, Nr. LXXXVII, S. 48. 31  Wallenstein an Trauttmansdorff, Franzburg, 13. September 1628, in: Hallwich (1910), III, Nr. 431, S. 400. 32  Maximilian an Kurmainz, 17. Oktober 1628, in: Goetz, Nr. 148, S. 152. 33  Vgl. dazu nur die folgenden Korrespondenzen: Wallenstein an Ferdinand II., Wernigerode, 27. Januar 1626, und Ferdinand II. an Wallenstein, Znaim, 28. Juni 1628, in: Lorenz, G., Nr. 15, S. 108; der Kaiser befürchtete zu diesem Zeitpunkt eine Einmischung Englands und der Generalstaaten sowie die Sperrung der Elbemündung; weiters Menzel an Gronsfeld, Hamburg, 19. August 1628, Nr. 420, S. 390–394; sowie Pappenheim an Trauttmansdorff, Gardelegen, 12. Oktober 1628, Nr. 437, S. 407 f., der von einer möglichen Allianz zwischen Dänemark, England, Schweden und Holland berichtete; Wallenstein an Ferdinand II., Güstrow, 26. Februar 1629, Nr. 465, S. 434–436, befürchtete vor Friedensabschluss eine französisch, englisch, schwedische und niederländische Bedrohung, alle in: Hallwich (1910), III; sowie auch Wolkenstein an Trauttmansdorff, München, 17. November 1628, in: Goetz, Nr. 171, S. 184–189.



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die Generalstaaten Subsidien und militärische Unterstützung auch in Form der Armee Mansfelds für Dänemark versprachen und in der Bethlen Gábor, der immer wieder unruhige Fürst Siebenbürgens, Schweden, Venedig, Savoyen und Frankreich auf Seite der Allianz eine Rolle spielen sollten.34 Zudem gab es militärische Gründe, den Krieg zu beenden. Das dänische Festland hatte die kaiserliche Armee unter Kontrolle, die dänischen Inseln jedoch waren aufgrund fehlender Seestreitkräfte nicht in Reichweite. Christian IV. dachte nicht an eine Kapitulation, verschanzte sich auf den Inseln und überfiel von Zeit zu Zeit Wallensteins Truppen auf dem Festland. Der Feldzug geriet so in die Sackgasse. Wallenstein konnte nur auf einen Fehler des Dänen hoffen: „[…] er sauft sich aber alle Tag voll“, schrieb er an den Hofkriegsratspräsidenten über den verrufenen Alkoholiker Christian, „verhoffe zu Gott, das er einmahl im Rausch etwas wagen wirdt, kriecht er heraus aus den wasserigen örtern, so ist er gewiss unser“.35 Im Übrigen hegte Wallenstein bis zum Schluss Zweifel an den Friedensabsichten des Königs,36 da sich Christian auch mit Gustav II. Adolf (in Ulvsbäck Ende Februar 1629) traf.37 Ohne Eindruck blieben diese Unterredungen nicht. So war es nur konsequent, dass Wallenstein allen fremden Gesandten, vor allem den Schweden, den Zutritt in die für die Verhandlungen auserkorene Stadt Lübeck verwehren ließ. Zumindest am Verhandlungsort sollten alle auswärtigen Einflüsse unterbunden werden.38 Interessant war dabei seine Vorgehensweise: Am 26. Februar schlug er Ferdinand schriftlich den Ausschluss aller ausländischen Gesandten vor, wartete die Antwort des Reichsoberhaupts nicht ab und befahl bereits einen Tag später seinen Delegierten in Lübeck, keine Ausländer (ausgenommen Dänen natürlich) zuzulassen.39 Zumindest wurde der Kaiser informiert. Außerdem sah der kaiserliche Feldherr zwei Probleme: Zum Ersten war die „Große Armee“ im Norden schwer zu versorgen.40 Zu große Truppen34  Dazu vgl. Parker (1987), S. 67 und S. 69 und den Text für die Haager Allianz vom 29. November / 9. Dezember 1625, in: Lorenz, G., Nr. 14, S. 99–104. 35  Wallenstein an Collalto, Greifswald, 17. August 1628, in: Chlumecky, Nr. CXXXVIII, S. 78. 36  Wallenstein an Collalto, Güstrow, 29. Mai 1629, in: Chlumecky, Nr. CCXIV, S. 132. 37  Zu den Treffen auf schwedischem Hoheitsgebiet nahe der dänischen Grenze vgl. Lockhart, S.  200 f. 38  Vgl. dazu Hallwich (1910), III, S. 544 f. 39  Wallenstein an Ferdinand II., Güstrow, 26. Februar 1629, in: Hallwich (1910), III, Nr. 465, S. 434 f. und Wallenstein an seine Subdelegierten in Lübeck, Güstrow, 27. Februar 1629, in: DBBT IV, Nr. 743, S. 291. 40  Dazu Wallenstein an Ferdinand II., Güstrow, 26. Februar 1629, Nr. 465, S. 434– 436 und Wallenstein an Trauttmansdorff, Güstrow, 26. Februar 1629, Nr. 466,

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konzentrationen in einer relativ kargen Region bereiteten in der Frühen Neuzeit massive logistische Probleme. Zum Zweiten war die Überwachung der langen Ostseeküste – „indeme ich die Seekannten biß in die 40 oder 50 Meiln in Acht nehmen mueß“41 – mit den im Stand befindlichen geringen infanteristischen Kräften nicht möglich. Noch dazu wollten Ligamitglieder so schnell wie möglich ihre Truppen aus finanziellen Gründen reduzieren. Zudem schwächten die durchzuführenden Sukkurse in der Endphase des Krieges sein Heer: Noch während der Friedensverhandlungen selbst musste er seine Armee in alle Windrichtungen überstellen. Zur Unterstützung der Spanier 17.000 Mann in die Niederlande, nach Magdeburg 5 bis 6.000 Mann, nach Polen 15.000 Mann gegen die Schweden, und mit dem Mantuanischen Erbfolgekrieg tat sich ein neues Kriegstheater für die österreichischen Habsburger auf, das über 20.000 Mann in Oberitalien band, weiters gebot es die militärische Vernunft, wenigstens 12.000 Mann in Pommern und Brandenburg zu stationieren.42 So gingen auch dem großen Heeresorganisator Wallenstein die Kräfte aus. Neben all diesen politisch-militärischen Gründen für den Frieden gab es noch einen Wunschgedanken, der immer wieder in den Korrespondenzen der hohen Generalität und auch bei Wallenstein vorkommt, der aber freilich nie umgesetzt wurde: Ein Feldzug gegen das Osmanische Reich, gegen die Türken, den Erbfeind der Christenheit.43 Zu guter Letzt wollte er in seiner Stellung als Herzog von Mecklenburg, das an der Ostküste noch Kriegsgebiet war, den Frieden.44 Wollte er Mecklenburg gleich Friedland zur terra felix ausbauen, prosperierenden Handel und Produktion fördern, zudem auch die Chancen der Ostsee nutzen, brauchte er stabile friedliche Verhältnisse, zumindest vor der eigenen Haustüre. An S.  436 f., in: Hallwich (1910), III, und ders., II, S. 541. Wallenstein an den Kaiser: „[…] dahie aber muß man nur su la defesa stehen, undt solches auch nicht mehr wirdt geschehen können, dieweil diese länder ganz undt gar ausgezehrt seindt, […]“. Auch der sächsische Kurfürst sah aus diesen Gründen die Notwendigkeit zum Frieden ein und warnte den Kaiser: „[…], es ferner bey den iezigen unseligen kriegen verbleiben und das noch uberige unverderbte kleine restlein des Römischen Reichs auch vollents ruinirt und verwüstet werden, […]“. Johann Georg von Sachsen an Ferdinand II., Wernsdorf, 11. Dezember 1628, HHStA, RK, Friedensakten 8a. 41  So Wallenstein an Ferdinand II., Feldlager Stralsund, 15. Juli 1628, in: Hallwich (1910), III, Nr. 399, S. 369. 42  Vgl. dazu die Korrespondenzen zwischen Wallenstein und Collalto vom Juni 1629, in: Chlumecky, Nr. CCXXXIV–CCXXXVI, S. 154–157. 43  Der Wallenstein-Biograph Diwald, der ihm dabei wohl zu viel an politischer Weitsicht unterstellt, hält diese immer wieder auch von Wallenstein geäußerten Pläne für zentral im Denken des kaiserlichen Generalissimus. Diwald (1999), S. 396–402. 44  Den Friedenswillen Wallensteins allerdings nur auf diesen einen Grund reduzieren zu wollen, würde zu kurz greifen.



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seinen Generalfeldmarschall Arnim schrieb er bereits am 23. Januar 1628: „[…] ich will zum frieden gewis mitt handt undt fus helfen, allein Mechelburg muss ich halten undt dorbey bleiben; denn im wiedrigen begehre ich kein friedt.“45 Ein uneigennütziger Friedensstifter war Wallenstein keinesfalls. Wie erreichte der Feldherr den Frieden? Der Wallenstein-Biograph Hellmut Diwald wertete die politische Leistung des Friedensschlusses seines „Helden“ hoch: „Der Lübecker Friede ist der maßvollste Vertrag des Dreißigjährigen Krieges, er ist die einzige staatsmännische Leistung, zu der es diese Epoche bringt“.46 Nun war der Friede an sich – und das muss zur Relativierung der Leistung des Einzelnen ergänzt werden – bei weitem nicht die alleinige Intention Wallensteins,47 aber die Art und Weise, wie er geschlossen wurde, war zu einem großen Teil das Verdienst des Herzogs. Somit war Wallenstein der Vollstrecker des Friedenswunsches aller oder fast aller, Wallenstein entwarf in der Endphase des Niedersächsisch-Dänischen Krieges den Masterplan zum Friedensschluss. Als Mittelsmann bediente er sich Friedrichs III. von Schleswig-Holstein-Gottorf,48 Neffe des dänischen Königs müt­ terlicherseits, mit besten Beziehungen zum dänischen Hof und stark darauf bedacht, sein Fürstentum von den Kriegswirren fern zu halten. Wallenstein urgierte unaufhörlich den Friedensschluss beim Kaiser und bei den kaiserlichen Amtsträgern. War er im Herbst 1627 noch für eine härtere Gangart gegen Dänemark – soviel als möglich Land zu okkupieren, schrieb er an den Kaiser49 – so stand er Anfang 1629, also zu Beginn der Verhandbei Wilmanns, S. 22, Fußnote 3. nach Diwald (1999), S. 421. 47  Für eine differenzierte Betrachtungsweise des Friedensschlusses plädiert auch Brockmann, S. 302 f., der dezidiert auch auf die Friedensvorstellungen des kaiserlichen Hofes hinweist. 48  Der Herzog von Holstein wurde bereits im Januar 1628 von den dänischen Reichsräten als Vermittler vorgeschlagen. Reichsräte der Königlichen Majestät an Ferdinand II., Kopenhagen, 27. Januar 1628, HHStA, RK, Friedensakten 8a und Friedrich von Holstein an Ferdinand II., Gottorf, 7. / 17. Mai 1628, HHStA, RK, Friedensakten 8a. Friedrich von Holstein berichtet in diesem Schreiben über die Anbahnung der Friedensverhandlungen und Wallenstein an Ferdinand II., Friedland, 9. Juni 1628, HHStA, RK, Friedensakten 8a. 49  Wallenstein an Ferdinand II. am 15. November 1627 aus Fehrbellin: „Jzt hatt sich aber der status rerum mutirt, und ich im Winter die Inseln Fünen wie auch Alsen ocupiren kann, auch alle disposicion darzu gemacht, als bitt ich Euer Majestät wollen mitt dem Künig kein Anstandt machen; denn damahls, wie ich solches proponirt, nicht vermeint hab, noch heuer mich des Jütlandts zu bemechtigen – wirdt nun der Künig lust haben, fried zu machen, so wirdt ers viel eher thun, wenn man ihm mehr landts ocupirt; […].“ Chlumecky, Nr. CXIV, S. 62 f.; zu den ersten sehr umfassenden Friedensforderungen der Kaiserlichen und der Liga vgl. auch Bedingungen Wallen45  Zitiert 46  Zitiert

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lungen, für eine äußerst geschmeidige und kompromissbereite Lösung.50 Der Herzog von Mecklenburg reduzierte die kaiserlichen Friedensbedingungen auf eine Minimalvariante. Selbst als die Friedensurkunden bereits unterschriftsreif auf dem Tisch lagen und Wallenstein die Nachricht erreichte, Christian sei mit militärischen Kräften in Jütland und Schleswig eingefallen, behielt er die Nerven und befahl keine Gegenmaßnahmen.51 Zunächst trachtete Wallenstein, dem gerade die katholischen Reichsfürsten durchgehend mangelnden Friedenswillen unterstellten,52 danach, die Liga und Tilly aus bündnistaktischen Gründen in die Verhandlungen einzubinden.53 Am 19. Dezember 1628 ernannte der Kaiser seinen General und Tilly zu kaiserlichen Kommissaren für die Friedensverhandlungen in Lübeck.54 Die Bezeichnung Kommissar ist eher aus dem Kriegswesen bekannt (z. B. Generalkriegskommissar), sie ist aber auch eine Amtsbezeichnung der damaligen Zeit für Personen mit diplomatischem Auftrag.55 Der Feldherr Wallenstein war damit also offiziell mit einer diplomatischen Agenda ausgestattet. Die wenig verbindliche Sprachregelung der Urkunde verrät den großen Handlungsspielraum, der den Kommissaren eingeräumt wurde. Obgleich der alte, im Laufe des Krieges eher unnachgiebige Feldherr der Liga dem weitläufigen und komplexen Spiel des Friedländers während der Verhandlungen nichts entgegenzusetzen hatte,56 brachte er sich doch ab und zu mit Einwürfen seines Fürsten Maximilian ein. Wallenstein konnte sich mit steins und Tillys für einen Friedensschluss mit Dänemark, Lauenburg, 2. September 1627, in: Lorenz, G., Nr. 24, S. 127–130. 50  Im Detail zu den Friedensverhandlungen von Lübeck vgl. vor allem Wilmanns; Hallwich (1910), II, S. 531–552; auch Mann, G. (1971), S. 607–619; Diwald (1999), S. 402–422. 51  Vgl. dazu Wilmanns, S. 70; Conti an Wallenstein, Friedrichsstadt, 5. Juni 1629, in: DBBT IV, Nr. 776, S. 301; sowie Lockhart, S. 205. 52  Immer wieder behaupteten die Ligafürsten, Wallenstein sei keinesfalls zum Frieden geneigt: z. B. Maximilian an Tilly, München 13. Oktober 1628, Nr. 146, S. 151; sogar noch geäußert auf dem Ligatag zu Heidelberg am 29. Januar 1629, in: Goetz, Nr. 241, S. 253. 53  Dazu Wallenstein an Ferdinand II., Friedland, 4. Juni 1628, in: Hallwich (1910), III, Nr. 377, S. 346 f. 54  Urkunde Kaiser Ferdinands II. vom 19. Dezember 1628 ausgestellt in Wien, HHStA, RK, Friedensakten 8a; zur Sprachregelung der kaiserlichen Vorgaben auch Kaiserliche Vollmacht für Wallenstein und Tilly, Wien, 20. Februar 1629, HHStA, RK, Friedensakten 8a. 55  Kurz zu den verschiedenen Amtsbezeichnung von Diplomaten: Tischer. 56  Im Übrigen schätzte auch der Kurfürst von Köln Generalleutnant Tilly als eifrigen und erfahrenen Mann, jedoch in diplomatischen und politischen Dingen als wenig beschlagen ein, so dass er Unterstützung haben sollte. Kurköln an Maximilian, Bonn, 9. Juli 1628, in: Goetz, Nr. 108, S. 112.



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der Einbeziehung des Generalleutnants auf jeden Fall unangenehme Querschläge aus den Reihen der Liga ersparen und kehrte auch prompt Forderungen der Liga (wie finanzielle Kriegsentschädigungen) an die Dänen unter den Tisch.57 Der Beginn der Verhandlungen war typisch für Friedensverhandlungen jener Zeit: Zunächst gab es diplomatisches Vorgeplänkel und Schuldzuweisungen, dann stellte jede Partei unverschämt hohe, für die Gegner unannehmbare Forderungen. Wallenstein redigierte den ersten maßlosen kaiser­ lichen Friedensentwurf, ließ ihn den dänischen Gesandten vorlegen, die ihn freilich weithin ablehnten, übersandte Ferdinand ein Gutachten, das weichere Bedingungen forderte, und begann in Güstrow, seiner Residenz (von wo aus nun Europapolitik gemacht wurde), Geheimverhandlungen. In der Tat schwächte der Kaiserhof die Forderungen gegenüber Dänemark sukzessive ab.58 Und Wallenstein legte jeweils nach, schlug noch weichere Bedingungen vor, empfahl, die Sundforderung aufzugeben, wie auch den Verzicht auf Kau­ tion und Schadenersatz für den Kaiser. Eine ganz essentielle Überlegung für den positiven Fortgang der Verhandlungen und schließlich für den Abschluss des Friedensvertrages stellte für den Herzog von Friedland, der nun ganz als Politiker und Chefverhandler agierte, die Restituierung der Herrschaften Jütland, Schleswig und Holstein für das Haus Oldenburg dar, wie er Ferdinand II. und Trauttmansdorff wissen ließ.59 Mit der Restituierung der drei Herzogtümer (wobei Schleswig unter dänischer Lehenshoheit stand, Holstein ein Reichslehen war und beide zusammen eine Real- und mit dem Königreich Dänemark eine Personalunion bildeten) werde nicht nur Frieden einkehren, so die Einschätzung des kaiserlichen Generals, sondern das Haus Österreich würde in Christian auch einen Verbündeten gewinnen. Ein weiteres, immer schlagkräftiges Argument gegenüber Ferdinand war der erhöhte Finanzbedarf bei Fortführung des Krieges, denn prall gefüllt waren die Kriegskassen in Wien ohnehin nie. Die Geheimverhandlungen, der direkte Draht an den erstarrten Fronten in Lübeck vorbei, waren aufgrund der dänischen Unnachgiebigkeit und vor allem aufgrund der Unberechenbarkeit Christians IV. für Wallenstein der einzig Wilmanns, S. 30. ebd., S. 37–48. 59  Wallenstein an Ferdinand II., Güstrow, 26. Februar 1629, und Wallenstein an Trauttmansdorff, Güstrow, 26. Februar 1629, in: Hallwich (1910), III, Nr. 465 und 466, S. 434–437. An den Kaiser schrieb Wallenstein: „Ohne restituirung Jutlandt, Schleswick undt Holdtstein wirdt gewis kein Friedt geschehen; ist dies restituirt, so verhofe ich gänzlich, das der Künig nicht allein ein friedt wirdt machen, sondern sich ganz undt gar mit Ewer Matt. Undt dero hochlöblichsten haus confederiren.“ Zudem die drei Briefe an Collalto, in: Chlumecky, S. 105–107. 57  Dazu 58  Dazu

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gangbare Weg.60 „Selbsten aber in secreto secretissimo will ich durch den von Schaumburg sehen ob ein mitl ist friedt zu machen oder nicht […]“, schrieb er an seinen Vertrauten am Hof.61 Wallenstein ließ also über ausgesuchte Mittelsmänner die Lage sondieren und verhandeln. Den Kaiser informierte Wallenstein laufend62 und betrieb Friedenslobbying über Collalto63 und Trauttmansdorff, die am Hof Stimmung für eine maßvolle Lösung machen sollten. Denn unter den Geheimen Räten war offenbar nicht jeder für einen maßvollen Frieden. Freilich berichtete er nicht über alle taktischen Schachzüge an den Hof, handelte auch dann und wann eigenmächtig, traf Entscheidungen selbst schon aufgrund der langen Kommunikationswege, die für jede Entscheidungsfindung im Dreißigjährigen Krieg ein massives Pro­ blem darstellten, ohne die kaiserliche Antwort abzuwarten.64 Dann galt es noch Tilly zu überzeugen, der schließlich den Friedensplänen zustimmte. Und so tat es ebenfalls das Reichsoberhaupt, das am 11. April den empfohlenen Friedensbedingungen nachkam,65 wie auch Maximilian von Bayern mit einigen Vorbehalten. Zu guter Letzt willigte Christian IV. ein. Dieser musste versprechen, sich nicht mehr in Angelegenheiten des Reiches (ausgenommen Holstein) einzumischen und auf die säkularisierten Reichsstifter zu verzichten. Die Kaiserlichen zogen aus den dänischen Gebieten ab und verzichteten ihrerseits auf eine Kriegskostenerstattung. Spanien, Polen, die Infantin in Brüssel, die Liga, Frankreich, England, Schweden und die Generalstaaten sollten in den Frieden miteingeschlossen werden, wenn sie es denn wollten. Zu territorialen Verschiebungen kam es nicht, es war auch kein Wort mehr vom Sundzoll in den Bestimmungen zu finden.66

60  Zu

diesen Geheimverhandlungen vgl. Wilmanns, S. 48–64. an Collalto, Güstrow, 14. März 1629, in: Chlumecky, Nr. CLXXVII,

61  Wallenstein

S. 109. 62  Vgl. dazu die relevanten Berichte Wallensteins an den Kaiser in den Monaten Januar bis Mai 1629 bei Chlumecky; Hallwich (1910), III, S. 429–432; Wallenstein an Ferdinand II., Güstrow, 13. Februar 1629, in: DBBT IV, Nr. 737, S. 289 und HHStA, RK, Friedensakten 8a; Lorenz, G., Nr. 57, S. 202–204. 63  Dazu vgl. nur die Korrespondenzen von Wallenstein an Collalto aus Güstrow den 26. Februar 1629 und 3. März 1629, in: Chlumecky, Nr. CLXXIII–CLXXV, S. 106–108; Wallenstein an Trauttmansdorff, Güstrow, 26. Februar 1629, in: Hallwich (1910), III, Nr. 466, S. 436 f.; sowie auch Wilmanns, S.  36 f. 64  Freilich galt dies nicht für den finalen Schritt, wie der mit umfangreichen Vollmachten ausgestattete Wallenstein dem Kaiser versicherte: „[…] sintemalln ohne Ewr. Kay. Mt. resolution weder Ich, noch Grave Tilly nichts schliessen werden.“ Wallenstein an Ferdinand II. Güstrow, 5. Februar 1629, HHStA, RK, Friedensakten 8a. 65  Wilmanns, S. 60. 66  Zum Friedensschluss selbst vgl. Lübecker Friede, Lübeck, 12. / 22. Mai 1629, in: Lorenz, G., Nr. 58, S. 205–209; Gindely (1886), S. 90–107; Wilmanns, S. 64–71 und S. 80–83.



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Wallenstein hatte somit den Frieden erreicht, der bitter nötig war. Trotz der militärischen Überlegenheit war der Friedensschluss alles andere als ein glanzvoller Erfolg für das Haus Habsburg. Ernst Walter Zeeden nannte ihn sogar einen „Verzichtfrieden“.67 Die kaiserlichen Pläne im Ostseeraum konnten damit zu den Akten gelegt werden. Die „Grande Armée“ musste Wallenstein 1629 aufgrund der Familiensolidarität innerhalb der Casa d’Austria von Nord bis Süd verteilen. Am 6. März 1629, also noch vor dem Abschluss des Friedens, wurde wieder Öl in den konfessionellen Brandherd gegossen. Ferdinand II. erließ aus eigener Machtvollkommenheit das Restitutionsedikt zur Rückführung der seit dem Passauer Vertrag von 1552 säkularisierten geist­ lichen Territorien und Güter.68 Nach Erlass war Wallenstein mehr als skeptisch, dieses Edikt überhaupt umsetzen zu können.69 3. Aktionsfeld II: Die Verhandlungen mit Kursachsen Die Landung des schwedischen Königs Gustav Adolf auf Reichsboden im Juli 1630 stellt eine nachhaltige Zäsur im Dreißigjährigen Krieg dar. Als der Wasa-König an der Ostseeküste bereits seinen Brückenkopf sicherte, entließ der Kaiser auf dem Kurfürstentag zu Regensburg auf Druck katholischer Reichsfürsten – allen voran Maximilian von Bayern – Wallenstein. Tilly, nun Kommandant über die ligistischen und kaiserlichen Truppen, war dem „Löwen aus Mitternacht“ nicht gewachsen. In dieser heiklen Lage versuchten evangelische Reichsstände unter der Führung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., der durch das Restitutionsedikt von der kaiserlichen Politik enttäuscht war, den Weg der bewaffneten Neutralität zu gehen. Der sogenannte Leipziger Konvent (vom Februar bis April 1631) beschloss die Aufstellung einer eigenen Armee. Die Zerstörung von Magdeburg durch Tillys Truppen bestärkte zunächst das Vorhaben der evangelischen Reichsstände, ein eigenes Heer zu unterhalten und neutral zwischen den kriegführenden Mächten zu bleiben. Kurbrandenburg aber schloss mit Schweden einen Monat nach der Katastrophe von Magdeburg einen Bündnisvertrag. Kursachsen hingegen zögerte noch. Erst als Tilly in Sachsen einmarschierte, erfolgte der entscheidende Schritt Johann Georgs. Am 11. September 1631 schloss der Wettiner mit Gustav Adolf den Vertrag von Coswig ab. Zwar einigte sich der sächsische Kurfürst auf eine gemeinsame Kriegführung mit 67  Zeeden,

det.

93. Der Terminus „Verzichtfriede“ wird auch von Brockmann verwen-

68  Zu diesem umstrittenen konfessionellen Programm des Kaisers vgl. nur StröleBühler. 69  Vgl. nur Bericht von einer Unterredung zwischen Wallenstein und Vertretern der Hansestädte, 3. / 13. Oktober 1629, in: Lorenz, G., Nr. 59, S. 209 f.

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Schweden und Kursachsen sollte keinen separaten Frieden mit dem Kaiser schließen, doch ein Bündnis auf Gedeih und Verderb zwischen Schweden und Sachsen wurde in Coswig nicht geschmiedet. Der Vertrag war von seiner Zielsetzung her äußerst zurückhaltend verfasst, in seiner Diktion ging es lediglich um die Aufrechterhaltung der Reichsverfassung und des Landfriedens, nicht explizit um die konsequente Bekämpfung der habsburgischkatholischen Partei.70 Das ist allemal bemerkenswert. Neben der – trotz der konfessionellen Unterschiede – traditionell habsburgfreundlichen Politik der Albertiner seit dem 16. Jahrhundert (sehen wir einmal vom Fürstenaufstand von 1552 ab), ist auch dieser Vertrag in gewisser Weise ein Ausdruck der Reichstreue des sächsischen Kurfürsten, eines Kurfürsten, „der zur Kaiserwahl und Mitregierung des Reiches berufen war“.71 Dem Heilbronner Bund Oxenstiernas trat Johann Georg erst gar nicht bei. Dass man sich daher mit Kursachsen eines Tages wieder vergleichen konnte, wusste man am Wiener Hof. Dennoch: Vorerst stand Johann Georg auf Seite der Schweden. Verstärkt mit sächsischen Truppen fügte Gustav Adolf eine Woche nach Vertragsabschluss der kaiserlich-ligistischen Armee bei Breitenfeld (17. September 1631) eine Niederlage zu. Diese Schlacht markiert den schleichenden Niedergang der katholischen Liga, der bis zum Jahr 1635 währte.72 Die kursächsische Armee konnte im November 1631 Prag einnehmen. Ein halbes Jahr später, in der Schlacht bei Rain (15. April 1632), wurde Tilly schwer verwundet. Er starb zwei Wochen später in Ingolstadt. Der Weg Gustav Adolfs nach Bayern stand frei. Der Schwedenkönig ritt am 17. Mai 1632 in München ein.73 „Oestreich will keinen Frieden: darum eben, weil ich den Frieden suche, muß ich fallen“, sagt Wallenstein bei Schiller in Wallensteins Tod. Den historischen Tatsachen entspricht das freilich nicht, wenngleich diese Legende – einmal mehr, einmal weniger prononciert – in biographischen Werken zu Wallenstein gerne mitschwingt, so bei Arnold Gaedeke, Heinrich Srbik, Pekka Suvanto, Hellmut Diwald und Josef Kollmann, um nur einige zu nennen.74 Der kaiserliche Hof streckte recht schnell die Fühler nach Dresden aus. Die Anbahnung des Friedens war nicht das Konstrukt Wallensteins, kurz Burkhardt, S. 8. 9. 72  Vgl. Kaiser (1999), S. 462–509. 73  Zu den Ereignisse von der Landung Gustav Adolfs bis hin zur Einnahme Münchens vgl. nur im Überblick Wilson (2009), S. 459–494 und Kampmann (2008), S. 73–84. 74  Auf eine ausführliche Auseinandersetzung zu diesem Thema in der Wallensteinbiographik, die freilich hier den Rahmen sprengen würde, wird verzichtet. Es sei lediglich auf die ausgezeichnete Monographie von Mannigel und auf die entsprechenden Beiträge in Bahlcke / Kampmann verwiesen. 70  Dazu 71  Ebd.



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sondern des kaiserlichen Hofes.75 Es war also durchaus nicht so – wie in vielen Wallenstein-Biographien zu lesen –, dass ein friedenswilliger Wallenstein einem dem Frieden abgeneigten, fast schon kriegstreiberischen kaiser­ lichen Hof gegenüberstand. Unter dem Eindruck der Niederlage bei Breitenfeld legten die kaiserlichen Räte ein Gutachten für die weiteren politischen Schritte vor. Thema dieses Gutachtens war „die gütliche Handlung mit Sachsen“.76 Hier wurde in groben Zügen die Zielrichtung des kaiserlichen Konzepts bis hin zum Frieden von Prag 1635 festgelegt. Zuerst den Ausgleich mit Kursachsen zu suchen war – aus den oben bereits angedeuteten Gründen – folgerichtig. Über das konkrete Angebot an Sachsen war man sich noch nicht ganz klar, aber es sollte ein Anfang gemacht und sondiert werden. Zunächst wurde Georg II. von Hessen-Darmstadt als Mittelsmann zu Sachsen in Betracht gezogen. Für den Hessen sprachen mehrere Gründe: Zunächst bemühte sich Georg, der schon von Gustav Adolf als „Reichsfriedenmacher“ tituliert worden ist,77 selbst um den Reichsfrieden – auch aus dynastischen und territorialpolitischen Gründen.78 Durch seine Heirat mit Sophie Eleonore von Sachsen war er der Schwiegersohn des Kurfürsten Johann Georgs, zudem – obzwar Lutheraner – ein durchwegs kaisertreuer Reichsfürst, der im Konflikt neutral zu bleiben versuchte. Zudem hatte er gute Beziehungen zum Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, Anselm Casimir Wambolt von Umstadt, der wieder­um als „eifrigster Verfechter der kaiserlichen Politik im Reich galt“.79 Und noch vor der neuerlichen Bestellung zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee wurde als zweiter Kontaktmann zu Sachsen der Herzog von Friedland vorgeschlagen: „[…], oder auch den Herzog von Mechlburg und Friedland ettwo, alß der auch mit erstg. von Arnhaimb in guetten Vernemben hiebevor gewesen, ein Versuech und 75  Die akribische Studie von Kathrin Bierther zur Vorgeschichte des Prager Friedens hat viel zur Erhellung der Friedensverhandlungen zwischen den Konfliktparteien in den Jahren 1632 bis 1635 beigetragen. Obwohl Bierther nicht explizit auf die Verhandlungsziele und auf die Friedenspolitik des Generalissimus eingeht, kommt doch Wesentliches zur wallensteinischen Politik im Kontext der Friedensverhandlungen der Jahre 1632 bis 1634 zum Vorschein. Bierther (1997), S. *25–*267. 76  Gutachen deputierter Räte, ‚die gütliche Handlung mit Sachsen‘ betreffend, Wien 6. Oktober 1631, in: Hallwich (1912), I, Nr. 376, S. 526–530. In einem zweiten Gutachten vom 18. Oktober bekräftigten die kaiserlichen Räte ihren Vorschlag, mit Sachsen in Verhandlungen einzutreten, wobei sie sich der gegensätzlichen Standpunkte gerade hinsichtlich des Restitutionsedikts natürlich voll bewusst waren. Im gleichen Gutachten wird auch der Vorschlag, Wallenstein wiederum ins Oberkommando einsetzen vorgebracht. Ebd., Nr. 393, S. 563–572. 77  Dazu vgl. Wandruszka, S. 42. 78  Zur seiner Friedenspolitik Bierther (1997), S. 107–124. 79  So Brück, S. 310.

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wenigst ein anfang zue dergleichen guettlichen Handlung gemacht werden köndte, dergestalt, dz ihre Fürstliche Gnaden demselben gleichsamb für sich zugeschrieben hetten, […] ob nicht etwa mittel, den feintädtligkeiten beiderseits einen anstandt zu machen und die sachen güthlich hinzulegen.“80

Wallenstein war einst der Vorgesetzte des kursächsischen Generalleutnants Hans Georg von Arnim-Boitzenburg, der in seiner Zeit als kaiserlicher General ein enger Vertrauter des Herzogs war.81 Wenige Tage nach diesem Gutachten stellte der Kaiser einen sogenannten Passbrief, einen Geleitbrief, für Arnim aus, um mit dem Herzog von Friedland konferieren zu können.82 Noch Ende Oktober 1631 erbat das Reichsoberhaupt ein Gutachten von Wallenstein über seine Einschätzung der Friedensbedingungen seitens der Protestanten. Der Herzog war somit wieder aktiv in die habsburgische Kriegs- und Friedenspolitik eingebunden, er war als politischer und militärischer Ratgeber sowie als Kontaktmann zum Gegner vorgesehen. Schon alleine an diesen beiden Beispielen, Georg II. und Wallenstein, wird deutlich, wie wichtig persönliche Bekanntschaften, also eingespielte Kommunikationskanäle, waren, um eine politische Gesprächsbasis zweier verfeindeter Parteien herzustellen. Zur gleichen Zeit, als man in Wien dieses Gutachten verfasste, wurde Wallenstein in Böhmen von einem Gesandten des dänischen Königs aufgesucht. Christian IV. bot sich als Mediator in der Friedenssuche an. Der dänische König, der Wallenstein mit dem Friedensschluss von Lübeck schätzen gelernt hatte, wollte seine Rolle als Reichsfürst und seinen Einfluss auf den Niedersächsischen Reichskreis wahren (vor allem ging es um die Stifte Bremen und Verden sowie um die Elbzölle) und er musste verhindern, zwischen der kaiserlichen und schwedischen Kriegsmaschinerie zermahlen zu werden.83 Wallenstein versprach, sich für die Anliegen Christians beim Kaiser zu verwenden. Der dänische König ließ mit seinen Vermittlungsversuchen nicht mehr locker und blieb in den nächsten Jahren als selbsternannter Mediator, nicht gerade zur Freude Ferdinands II., im Spiel. Im Dezember 1631 erfolgte die Bestellung Wallensteins als General-Capo der kaiserlichen Armee und im April 1632 wurde der Herzog von Friedland zum Generalissimus ernannt.84 Das Jahr 1632 stand ganz im Zeichen des in Hallwich (1912), I, Nr. 376, S. 528 f. dem aus altadeligen brandenburgischen Geschlecht stammenden Offizier vgl. Gollwitzer, S.  372 f.; Rebitsch (2010), S. 168–171. 82  Kaiserlicher Paßbrief für Arnim, Wien, 13. Oktober 1631, in: Hallwich (1912), I, Nr. 383, S. 538 f. 83  Zu den Friedensvermittlungen Dänemarks in diesen Jahren vgl. Lockhart, S. 217–226. 84  Vgl. hierzu nur Rebitsch (2010), S. 70–89; ausführlich Mann, G. (1971), S. 784– 834. 80  Zitat 81  Zu



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militärischen Duells mit Gustav Adolf, der in der Schlacht von Lützen am 16. November 1632 fiel. Drei Wochen nach diesem Treffen, das alles andere als ein glanzvoller Sieg für den Generalissimus war, legten die kaiserlichen Räte ihrem Kriegsherrn ein ausführliches Gutachten vor. Nach Beurteilung der internationalen Lage und der Lage im Reich kamen die Räte trotz des Todes von Gustav Adolf zum eindeutigen Schluss, dass der Kaiser sich weiterhin mit voller Kraft um den Frieden bemühen müsste.85 Am Weihnachtstag informierte Ferdinand II. Georg von Hessen, dass er die Gesprächskanäle nach Dresden unbedingt offen halten wolle.86 Dass Lützen kein Erfolg war, sondern dass es ganz im Gegenteil nicht besonders rosig um die kaiserlich-katholische Partei im Reich stand, war den Beratern Ferdinands in Wien voll bewusst, wie ein weiteres Gutachten vom 28. Januar 1633 (nur zur Erinnerung: die zweitwichtigste Residenzstadt der österreichischen Habsburger war schon in den Händen der Sachsen) eindrucksvoll unterstreicht.87 In diesem Votum, wie es genannt wurde, wogen die Räte das Für und Wider der Fortsetzung des Krieges ab. Für die Fortsetzung des Krieges wurden elf recht kurz ausgeführte Punkte angeführt, für die Einleitung des Friedensprozesses hingegen sprachen zwölf wesentlich ausführlicher behandelte Gründe, so dass sie zum Schluss kamen: „Auß welchen und andern mehr ursachen dann wir nichts anders befinden khönnen, alß daß der Friden ainmahl nit allein nuzlich, sondern mehr dann hochnottwendig und also demselben mit allen gedankhen nachzutrachten, benebenß aber die Kriegßpraeparatoria gahr nicht auß henden zu laßen“.

Die Folgerung für die kaiserlichen Räte lag klar auf der Hand: „Daß also conclusive die pro continuando bello angezogene motiven unnß gar nit bewegen, daß der Fridt ehender per sola arme, alß per tractatus, so mit den Waffen accompagnirt zu erhalten sein werden, sondern wir sehen vilmehr die eußerste gefahren, so auff solcher allerdings unmöglichen continuation deß Kriegß bestehen.“

Selbst wenn hier ein Autorenkollektiv am Werk war, nach einem übermäßig hohen Anteil an Falken in der kaiserlichen Regierung hörte sich das nicht an. An einen Siegfrieden war bei den überlegenen Ressourcen und Bündnismöglichkeiten des Gegners und bei dem desaströsen Zustand der eigenen Länder und der politischen Opposition im Reich nicht mehr zu denken. Die Anbahnung der Friedensverhandlungen musste daher unbedingt weitergehen, gleichzeitig musste man aber auch militärisch gewappnet sein und die Rüs85  Gutachten deputierter Räte, Wien, 5. Dezember 1632, in: Hallwich (1912), III, Nr. 1637, S. 559–571. 86  Ferdinand II. an Georg von Hessen, Wien 24. Dezember 1632, in: ebd., Nr. 1727, S.  659 f. 87  Votum deputierter Räte, Wien, 28. Januar 1633, in: ebd., Nr. 1801, S. 754–767, Zitat auf S. 761, 765 und 766.

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tungsanstrengungen durch den Generalissimus befördern. An Wallenstein war folgende Überlegung adressiert: „Dahero dann auch vonnötten, bey den Herzogen von Mekhlburg wegen überschikhung seines Guttachtenß auf die ime neulich vorgestellte Fridenß-conditiones anmahnung zu thun und vornemblich, wie und welchergestalt zu der abdankhung deß Volkhs in casum, daß der Fridt erhalten wurde, zu gelangen sein möchte.“

Ziel der kaiserlichen Politik war es nun, die Separation Kursachsens und in Folge auch Kurbrandenburgs von Schweden zu erreichen und mit allen anderen protestantischen Reichsständen, vor allem mit den Reichständen des Leipziger Konvents von 1631, einen Ausgleich zu schaffen.88 In der damaligen Politdiktion wurde das Partikularfrieden genannt. Dabei waren für Ferdinand selbst Zugeständnisse bei der Restituierung katholischen Kirchenguts denkbar. Am Kaiserhof war man also durchaus realistisch und schätzte den Gegner sowohl militärisch als auch politisch als überlegen ein. Alles andere wäre wohl nach dem erfolgreichen Feldzug des Schwedenkönigs in den Süden Deutschlands einer glatten Realitätsverweigerung gleichgekommen. Selbst der Tod des Königs änderte für den kaiserlichen Hof die militärischen Verhältnisse nicht. Es musste also wiederum ein kaiserlich-reichsständisches Übergewicht hergestellt werden. Die Schweden wollte Ferdinand bei Verhandlungen um jeden Preis ausgrenzen, womit er wiederum Kursachsen und Kurbrandenburg in ein diplomatisches und machtpolitisches Dilemma trieb. Wie sich herausstellte, brachte Johann Georg den größeren Willen auf als sein Kurfürstenkollege in Kölln an der Spree, der ängstlich veranlagte Georg Wilhelm, sich von der Schutz- und Invasionsmacht aus dem Norden zu befreien.89 Der erfahrene schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna, ein ausgezeichneter Kenner der Reichsstrukturen, übernahm nach Lützen energisch die Führung der schwedischen Reichspolitik.90 Während der Anbahnung der Friedensverhandlungen im Jahr 1633 betrieb der Reichskanzler reine Obstruktionspolitik. Zur Verfolgung seiner Ziele versuchte Oxenstierna systematisch die protestantischen Reichsstände hinter Schweden zu einigen. Der erste Schritt war der Heilbronner Bund, bestehend aus den evangelischen Ständen des Oberrheinischen, Schwäbischen und Fränkischen Reichskreises, dessen Direktorium der Reichskanzler innehatte.91 Was aber trug Wallenstein zu diesem Friedensprozess bei? Mit der Bestellung zum Generalissimus übertrug der Kaiser seinem Oberbefehlshaber die Vollmacht, mit Kursachsen Friedensgespräche aufzunehmen. Die entscheidiesen Ausführungen Rebitsch (2010), S. 190–200. Politik der beiden Kurfürsten vgl. Bierther (1997), S. 92–106. 90  Vgl. dazu die Biographien von Findeisen (2007) und Wetterberg. 91  Dazu vgl. Langer (1995), S. 113–122. 88  Zu

89  Zur



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dende Frage lautet, wie weit diese Vollmachten gingen?92 Es spricht vieles dafür, dass Ferdinand von seinem Generalissimus in nicht rein militärischen Angelegenheiten, bei den Constitutiones Imperii, jenen Verhandlungsgegenständen konfessionspolitischer und politischer Natur, eine Vorlage erwartete.93 Die Entscheidung über den Umgang mit politischen und konfessions­ politischen Themen behielt sich das Reichsoberhaupt vor und legte die Zielsetzungen der Verhandlungen fest, wie er seinem Generalissimus auch mitteilte. Von einer Vollmacht „in absolutissima forma“ in allen politischen Angelegenheiten wie zum Beispiel das „Recht auf Friedensschluss“ für Wallenstein, kann nach dieser klaren Erwartung des Kaisers nicht die Rede sein. Wallenstein räumte nach einem Schreiben von Matthias Gallas an Eggenberg offenbar selbst ein, „bei den Friedensverhandlungen ohne Wissen und Willen des Kaisers nicht das geringste handeln und ihm stets zuvor referieren und die Resolution“94 abwarten zu wollen. Aber es schadete auch nicht, den Generalissimus an seine Pflichten zu erinnern, wie es Questenberg tat: „[…] massen dan darbei ihre kais. M. auch nit zweiflen, wan es zur rechten Tractation würd gelangen, was alsdann in denen negociis so nit pure allein militärisch sein, sondern die Constitutiones imperii oder was sonst betr[effend] würd fürkommen, das darin E.F.G. ohne Ihrer Vorwissen, Consens und Approbation zu keinem Schluss werden greiffen, sondern alles zuvor an dieselb pro resolutione lassen gelangen.“95

Ein Einzelspieler war, wie auch immer diese Göllersdorfer Abmachungen ausgesehen haben mögen, Wallenstein seitens der kaiserlichen Partei auf keinen Fall. Der Herzog war neben Kursachsen mit Arnim und dem Feldmarschall Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg (sein Stiefbruder Franz Julius von Sachsen-Lauenburg, kaiserlicher Obrist, folgte später als Friedensvermittler), Kurbrandenburg, dem Kaiserhof, dem dänischen Königshof, dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt und anderen Akteuren, ein Teil des Netzwerkes, das Friedensverhandlungen anzubahnen versuchte.96 92  Zu den viel diskutierten und fast schon sagenumwobenen Vollmachten von Schloss Göllersdorf, bei denen nicht klar ist, ob sie jemals verschriftlicht wurden, vgl. nur den Überblick mit kurzer Diskussion des damaligen Forschungsstandes bei Lorenz, G., S. 228–240; Mann, G. (1971), S. 826–834, der die Exklusivität der Bestimmungen für Wallenstein relativiert, und Suvanto, S. 158, der die Meinung vertrat: „Wallenstein erhielt das Generalat «in absolutissima forma». Mit Sicherheit betraf dies die militärischen Fragen, wahrscheinlich war jedoch auch das Recht des Friedensschlusses damit verbunden.“ 93  Vgl. dazu Bierther (1997), S.  67 f. 94  Zitiert nach Bierther (1997), S. 67, Fußnote 162. 95  Questenberg an Wallenstein, Wien 12. Juni 1633, in: DBBTI V, Nr. 504, S. 169 96  Vgl. dazu auch die entsprechenden Korrespondenzen zwischen den oben genannten Akteuren in Hallwich (1879), I, passim.

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Auf alle Fälle blieb Wallenstein eine begehrte Anlaufstation, um über ihn mit dem Kaiser Kontakt aufzunehmen. So für Christian IV., der sich bei Wallenstein für seine Bemühungen bedankte: „Hochgeborener Fürst, besonder lieber freundt. E. L. an Unß bei Unserm Trompettern gethanes schreiben nebenst den überschickten diplomatibus ist Unß wol eingehändiget wordenn. Haben darauß E. Ld. zu Unß und Unßerem Hauß erwiesene und ferner anerbietende freundliche affection sathsam vernommen; sagen deswegen und zufoderst E. Ld. hohen Danck, daß Sie bey Kayßl. Maytt. undt Ld. unsere sache unserm begehren nach expedyret zu werden sich dergestalt bemühen und bearbeiten wollen.“97

Wallenstein vereinigte Ende Mai 1633 ein ca. 45.000 Mann starkes Heer. Die erste Handlung war aber kein Feldzug, sondern Gespräche über einen Waffenstillstand mit der militärisch weit unterlegenen sächsischen Armee unter Arnim. Wallenstein hatte sowohl das Mandat zu Gesprächen und Verhandlungen mit Kursachsen als auch das kaiserliche Einverständnis zum Abschluss des Waffenstillstandes.98 Die beiden Generäle trafen sich am 6. Juni im niederschlesischen Heidersdorf (Łagiewniki). Authentische Nachricht über den Inhalt der Gespräche seitens des Generalissimus gibt es fast keine, dafür umso mehr diskreditierende Nachrichten über Wallenstein.99 Zu dieser Zeit zirkulierten bei den böhmischen Exulanten und bei den Schweden bereits böse Gerüchte über den Herzog: Er hätte die Absicht, sich mit den Schweden zu vereinigen, gegen das Haus Habsburg und Wittelsbach vorzugehen, die böhmische Krone anzunehmen, die Jesuiten zu verjagen, ja das Reich umzustürzen.100 Es waren immer Meldungen aus dritter Hand. Was jedoch kann man von diesen Geschichten halten? Waren es nur erfundene Zeitungen? Gingen sie auf persönliche Gespräche mit dem Herzog zurück, in denen das eine oder andere schnelle unbedachte Wort aus einer Emotion ­heraus fiel? Waren es Überinterpretationen mehr oder weniger seriöser Ge97  Christian IV. von Dänemark an Wallenstein, Glückstadt 15. / 25.  Mai 1633, in: Hallwich (1879), I, Nr. 440, S. 558. Zu den dänischen Vermittlungen auch aufschlussreich Ferdinand II. an Wallenstein, Wien 30. Juni 1633, in: DBBTI V, Nr. 517, S. 172–175. 98  Das bestätigte Gerhard von Questenberg an Wallenstein, Wien 12. Juni 1633, in: DBBT V, Nr. 504, S. 169. 99  Zu den Gesprächen vgl. Mann, G. (1971), 948–952. 100  Vgl. dazu nur die Beispiele in Lorenz, G., Nr. 89, 90, 93, 94, 95, 96 und 97, S. 282–293. Es handelt sich hier um Aufzeichnungen und Korrespondenzen des schwedischen Residenten in Dresden Laurens Nicolai, Antworten des schwedischen Reichskanzlers Oxenstiernas und einer Relation des ehemaligen böhmischen Generals Johann Warleych Ritter von Bubnas, der 1633 als schwedischer Generalmajor Kontakt zu Wallenstein hatte. Diese Aufzeichnungen vom Mai und Juni 1633 dienten u. a. jenen Historikern, die Wallenstein als Verräter sahen, als wichtige Beweisstücke. Einer der härtesten Ankläger unter den vielen HistorikerInnen, die sich mit Wallensteins letzten Jahren beschäftigten, war Pekař.



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sprächsinhalte? Oder meinte er es genau so? Sieht man sich die Korrespondenzen an, so ist auf jeden Fall der Trend ersichtlich, vieles nur anzudeuten, Posi­tionen des Gegners auszuloten, keine konkreten oder definitiven Zusagen zu treffen, sich Optionen offen zu lassen. Auf Seiten der Schweden waren die Nachrichten über Wallenstein von Vermutungen, Unsicherheit und zum Teil aber auch von Wunschvorstellungen getragen – Oxenstierna zumindest war immer skeptisch gegenüber den Absichten des Herzogs.101 Da direkte Aussagen des Generalissimus nicht existieren, ist der Interpretationsspielraum groß. Eines aber ist sicher: Aus diesen Gerüchten konnte trefflich die undurchschaubare, dubiose Figur des Verräters geschmiedet werden. Die weitere Propaganda, Flugschriften, Literatur und Historiographie ließen den Friedländer zwischen Verräter, Justizopfer, Zerstörer des Alten Reiches, Friedensgeneral oder verhinderten Nationalhelden oszillieren.102 Letztendlich aber blieb es beim Waffenstillstand. Wallenstein berichtete am 6. Juli an Ferdinand: „Waß schließlich Euer Majt. von deren zwischen mir und beim Chur Sächsischen General Lieutenant von Arnimb vorgangener Handlung Ihro Bericht zu geben mir gnädigst zu befehlen geruhen, soll darauf dero Ich unterthänigst nicht verhalten, daß Ich nebenst dem von Arnimb hierinnen mein absehen auf nichts anderß alß allein auf die viel berührte tracation gehabt und zu mehrer facilitirung derselben eine suspension der Waffen bewilliget, inmittelst mit bemeltem von Arnimb soviel immer möglich a parte tractiret, und zwar ist solches Armistitium erstlich auf 14 Tage, damit der von Arnimb sich zu beyder Churfürsten Liebden persöhnlich zu begeben“.103

Es blieb die wichtigste Aufgabe Wallensteins, in diesem Anbahnungsprozess über Arnim die Gesprächskanäle zu den beiden Kurfürsten zu öffnen. In Dresden aber traute man Wallenstein nicht über den Weg. Die kursächsischen Räte hatten zu diesem Zeitpunkt keineswegs vor, das Bündnis mit Schweden aufzugeben und auf die kaiserliche Seite zu wechseln. So gaben sie in einer Konferenz mit Arnim zu Protokoll:104 „[…] man hette sich wohl fürzusehen, daß nicht in hoffnung aus einem feindt einen freundt zu machen, man dargegen die itzigen freunde zu feinden bekeme, dan des hertzogs zu Fridlandt begehren zielete dahin, man sollte sich mit ihm conjungiren 101  Vgl. dazu die Ausführungen von Gaedeke, S. 62–77, der jedoch die verräterischen Pläne Wallensteins für wahrscheinlich hielt. 102  Vgl. nur die Zusammenfassung von Mannigel, S. 542–555. 103  Wallenstein an Ferdinand II., Feldlager bei Schweidnitz 6. Juli 1633, in: Hallwich (1897), I, Nr. 509, S. 426. 104  Dazu das Protocollum was bey der mit dem herrn General Lieutenant Hans Georg von Arnim die Pfingst Feyertage über gehaltene Conferenz fürgangen, Dresden 13. Juni 1633, in: Gaedeke, Nr. 60, S. 165–168, Zitat auf S. 167, und auch Bierther (1997), S. 100.

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und diejenigen die das Röm. Reich ferner turbiren wollten, gleichsam verfolgen helffen“.

Nach der Besprechung mit Arnim kamen die kursächsischen Räte zum Schluss, dass der kaiserliche Generalissimus den Plan verfolge, seine Armee mit der kursächsischen zu vereinigen, um sich gegen die Schweden zu wenden. Tatsächlich blieb die Vereinigung der kaiserlichen mit den kursächsischen und kurbrandenburgischen Truppen noch bis in den Herbst hinein ein viel diskutiertes Thema. Doch mit dem Bündniswechsel war man mehr als vorsichtig in Dresden. Wallenstein sollte aber zumindest der grundsätzliche Friedenswille des Kurfürsten kommuniziert werden. Das freilich durch unterschiedliche Interessen und Absichten geprägte Netzwerk der Friedensverhandler vereinbarte für den 23. Juli 1633 eine Konferenz in Breslau,105 deren Termin immer wieder verschoben werden ­ musste – zum Teil auch wegen der schlechten Versorgung der Stadt und einer grassierenden Seuche, wie Wallenstein berichtete.106 Wallenstein musste seinen Teil zur Organisation dieser Konferenz beitragen, in dem er die kaiser­ lichen Geleitbriefe für die Gesandten weiterzureichen hatte und für ein sicheres Geleit durch die kaiserlichen Reihen sorgen musste.107 Die Friedenskonferenz von Breslau platzte schließlich aufgrund der Absagen der katholischen Reichsfürsten, die teils wegen der desaströsen Lage, teils wegen des Ausbleibens der schwedischen Schutzbriefe nicht anreisen konnten. Alle Versuche des Kaisers, diese Konferenz zustande zu bringen, scheiterten. Die Friedensgespräche hatten sich jedoch auch aufgrund der unterschiedlichen Ansätze aller Parteien verfahren. Der Generalissimus war in diesem Prozess nicht nur schriftlich mit dem kaiserlichen Hof in Kontakt, sondern er schickte auch Boten zur mündlichen Berichterstattung nach Wien und wurde im Laufe des Sommers vom Hofkriegsrat Questenberg, vom Hofkriegsratspräsidenten Schlick und vom kaiserlichen Geheimen Rat Trauttmansdorff aufgesucht. Schlick, der zu den Gegnern Wallensteins zählte, war mindestens bei einem von mehreren Ge105  Zur geplanten Friedenskonferenz zu Breslau, die niemals stattfand, vgl. Bierther (1997), S. 135–140; aufschlußreich sind auch die Verhandlungspunkte in der „Kaiserlichen Instruktion für die Gesandten bei dem geplanten Breslauer Friedenskongreß“, Wien 26. August 1633, in: Lorenz, G., Nr. 101, S. 300 ff. U. a. ging es um das Restitutionsedikt mit allen territorialen Restitutionsfragen, um die Pfalzfrage, um die Entschädigung Schwedens, um den Abzug der schwedischen Truppen, allgemein um Kriegskostenerstattung, aber auch um die Territorien Wallensteins. 106  Wallenstein an Ferdinand II., Feldlager bei Schweidnitz, 12. August 1633, in: Hallwich (1879), I, Nr. 617, S. 514 f. 107  Ferdinand II. an Wallenstein, Wien 9. Juli 1633, in: Hallwich (1879), I, Nr. 518, S. 432 f. sowie auch Ferdinand II. an Christian IV., Wien 9. Juli 1633, in: ebd., Nr. 520, S. 435 f.



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sprächen Wallensteins mit Arnim im August im kaiserlichen Feldlager zugegen. Dort wurde am 22. August ein zweiter mehrwöchiger Waffenstillstand mit der sächsischen Armee verabredet.108 Der Geheime Rat sanktionierte in Anbetracht einer noch möglichen Verhandlungsrunde für eine Verlängerung des Waffenstillstandes diese Politik: „[…] auch daß vermittelst solcher tractaten zue ainem sichern, unverweißlichen friden mit dem thail zue gelangen, daß E. Mt. Ihro die prorogation des anstandts sogar biß auf die 3 oder 4 monaten, wan der fride underdeßen zue accommodiren, allergnedigst nicht wollen laßen zuewider sein“.109

Noch im September konnte man sich also in Wien einen Waffenstillstand mit Kursachsen und Kurbrandenburg bis zum Ende des Jahres vorstellen. Dennoch: Dass eine kostspielige Armee in der Kampfsaison wochenlang für Nichtstun unterhalten wurde, irritierte nicht nur offensiv denkende Generäle wie Piccolomini und Aldringen, sondern auch gewisse kaiserliche Räte beträchtlich. So soll es laut Johann Stücklin, Agent Maximilians in Wien, im August zu einem Meinungsumschwung zuungunsten Wallensteins gekommen sein: Selbst der Bischof von Wien und Questenberg gingen auf Distanz, Trauttmansdorff konnte der Taktik Wallensteins ohnehin nichts mehr abgewinnen und Aldringen beklagte sich bitterlich über den Generalissimus beim Bischof von Wien.110 Für die Einhaltung von Waffenstillständen war das Heer von 1633 in der Tat eine teure Investition, zumindest aus der Sicht des Kriegsherrn. Aus der Sicht des Vertragsnehmers hingegen entsprach es wohl eher einer Schonung wertvollen Kapitals. Der Einbruch des kaiserlichen Korps von Henrik Holk, dem Adjutanten Wallensteins, in Sachsen, der die Friedensgespräche wieder ankurbeln sollte und bei dem immerhin Leipzig eingenommen wurde, war freilich mit einem sogenannten Hauptstreich nicht zu vergleichen. Die Diversion des Dänen war mehr eine „Begleitmaßnahme“ der Friedensbemühungen:111 „Aldieweiln nun zu besorgen, das bey angehender Friedens handlung vor allen dingen wegen bewilligung eines armistitii, wie ich denn insonderheit in denen gedanken, das der Chur Sächsische General Leuttenantt von Arnim, weil er dahier sehr bedrangt, darauf gehen werde, begriffen, vom gegentheil werde tractiret werden, auf welchen fall er dahier im Vortheil liegen bleiben würde: Alls erinnern wir zweiten Waffenstillstand vgl. Bierther (1997), S. 146–168. deputierter Räte, Wien 17. September 1633, in: Hallwich (1912), IV, Nr. 2033, S. 319. 110  Dazu vgl. Stücklin an Maximilian, Wien 10. August 1633, in: Bierther (1982), II / 8, Nr. 170, S. 301–303 (und die Schreiben in den Fußnoten). 111  Zu den Befehlen und strategischen Überlegungen Wallensteins, Meißen und das Vogtland zu überfallen, vgl. Wallenstein an Holk, Feldlager bei Schweidnitz, 4. August 1633, in: Hallwich (1897), I, Nr. 596, S. 498; sowie auch Wallenstein an Ferdinand II., Schweidnitz, 12. August 1633, in: ebd., Nr. 618, S. 516 f. 108  Zum

109  Gutachten

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den herrn, unserer voriger Ihme zugeschickter ordinantz gemeß keinen Augenblick zu versäumen, besondern seinen Zug im Voigtland und Meissen ohne einige dila­ tion fortzustellen“.112

Und an den Kaiser schrieb Wallenstein zur Diversion nach Sachsen: „[…] und verhoffentlich also die Ungelegenheit des Krieges in Meissen transferiret auch der Churfürst zue Sachsen desto ehender den frieden zu suchen verursachet werden wirdt.“ Diese Diversion sollte zudem den Vorteil haben, dass zumindest ein Korps des kaiserlichen Heeres die Winterquartiere nicht in Böhmen, sondern in Sachsen nehmen konnte. Die eigene Armee im Lande zu haben, wollte man sowohl in Böhmen als auch in Wien tunlichst vermeiden. Die letzte dieser Verhandlungen mit Arnim und Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg fand im kaiserlichen Feldlager bei Schweidnitz /  Trhové Sviny Ende September statt und wurde ergebnislos abgebrochen. Darauf folgte Wallensteins Angriff auf Thurn bei Steinau. Definiert man politische Kommunikation als „Beziehung zwischen allen sprachlichen und zeichenhaften Äußerungen und politischer Wirklichkeit“,113 so war das Treffen von Steinau an der Oder in Schlesien (eigentlich eine Überraschungsaktion der kaiserlichen Armee, in der Thurn bewies, dass er nicht zu den militärischen Größen des Dreißigjährigen Krieges zählte) nicht nur ein militärisches Ereignis, sondern auch ein klares politisches Statement. Wallenstein griff nicht die – allerdings auch größere – sächsische Armee von Arnim an, sondern das schwedische Korps von Thurn. 6.000 Mann des schwedischen Korps wechselten nach diesem Coup die Seiten, Thurn wurde gefangen genommen, aber von Wallenstein wieder auf freien Fuß gelassen114 – vermutlich hätte auch keiner ein Lösegeld für den böhmischen Exulanten mehr ausgelegt. Diese Offensivaktion Wallensteins, das Zurückweichen der sächsischen Armee und der Verlust der Truppen Thurns löste natürlich eine Reaktion der schwedischen Führung aus. Oxenstierna befahl dem militärisch äußerst versierten, im schwedischen Dienst stehenden Bernhard von Weimar die Belagerung der taktisch enorm wichtigen Stadt Regensburg. Die Eroberung der Donaustadt läutete den letzten Akt im Drama um Wallenstein ein.115

112  Wallenstein an Holk, Feldlager bei Schweidnitz, 10. August 1633, in: Hallwich (1879), I, Nr. 610, S. 507. 113  Schorn-Schütte, S. 11. 114  Zur Einkesselung des schwedischen Korps bei Steinau vgl. Wilson (2009), S. 534 f. sowie auch zu den Folgen des militärischen Aktionen Arnims und Thurns in Kürze Ritter (1908), S. 563–569. 115  Vgl. dazu die Ausführungen bei Rebitsch (2010), S. 201–225.



Wallenstein als Politiker und Diplomat

237

4. Schlussbemerkungen Wallenstein war gewiss nicht der Initiator der Friedensbemühungen im Niedersächsisch-Dänischen Krieg, aber er kam im Laufe des Krieges immer mehr zur Erkenntnis, dass militärisch die Grenzen – im wahrsten Sinne des Wortes – ausgereizt waren. So legte er Ferdinand und seinen Räten in zahlreichen Stellungnahmen den Friedensschluss nahe. Der Oberbefehlshaber der Armee traf dabei nicht auf unüberwindliche Hürden, denn auch in Wien kam man zu ähnlichen Schlüssen, aber im Detail musste er doch Überzeugungsarbeit leisten und gute politische und militärische Argumente für eine tatsächliche Umsetzung des Friedens einbringen. Schließlich wurden er und Tilly als kaiserliche Kommissare für die Friedensverhandlungen bestellt. Wallenstein legte die Roadmap zum Frieden fest und führte geschickt die Verhandlungen, auch über Mittelsmänner. Somit war der Herzog von Friedland ohne Zweifel die bestimmende politische Kraft hin zum Frieden von Lübeck, der freilich ein Kompromissfrieden, ja sogar ein Verzichtfrieden war. Im Gegensatz zu den Lübecker Verhandlungen gab es 1633 auf jeder Seite mehrere Hauptakteure. Die Strategie des Friedensprozesses wurde jedoch vom Reichsoberhaupt und dem kaiserlichen Geheimen Rat geprägt. Wallenstein trat als Vermittler in einem äußerst sensitiven und komplexen Friedensprozess auf. Seit dem Sommer 1631, also nach der Konstituierung des Leipziger Bündnisses, lässt sich ein roter Faden der kaiserlichen Politik zur Lösung der konfessionspolitischen Fragen erkennen, bei der auch die Suspendierung des Restitutionsedikts immer mehr zum Thema wurde. Diese Politik wurde durch Gespräche mit Kursachsen in Leitmeritz (Litoměřice) 1634 fortgesetzt. Die gewonnene Schlacht von Nördlingen im September 1634 kann als Katalysator betrachtet werden, woraufhin in Pirna ein Vorvertrag vereinbart wurde, so dass in Prag 1635 ein Reichsfrieden geschlossen werden konnte – allerdings ohne die Schweden.116 Warum aber fiel Wallenstein? Wie drückte es ein guter Kenner des Dreißigjährigen Krieges aus: „Waldstein stolperte nicht über seine Untaten (die zu diesem Zeitpunkt bestenfalls schemenhaft bekannt waren), sondern über seine Untätigkeit.“117 Der Generalissimus, der sich dem Hof schon längst entfremdet hatte und der keineswegs in das alltägliche Regierungsgeschäft eingebunden war,118 verstand sich nicht auf vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber Wien. Der Herzog von Friedland besiegelte sein Schicksal, indem zum Weg hin zum Prager Frieden Kampmann (2008), S. 109–111. (2007), S. 282. 118  Zur Intensität des Einflusses Wallensteins auf den kaiserlichen Hof vgl. Kampmann (2003). 116  Kurz

117  Höbelt

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er – trotz heftigster Hilferufe Maximilians von Bayern und eindeutigen Befehlen Ferdinands II.119 – weder dem belagerten Regensburg, noch General Aldringen, dem Kommandant der Katholischen Liga, sowie dem spanischen Korps unter dem Duque de Feria, das ebenfalls in Bayern und in den angrenzenden Gebieten operierte, zu Hilfe kam. Die Folgen waren fatal: Wallenstein zog sich den Hass der spanischen Gesandten, des Conde de Oñate und des Marqués de Castañeda,120 sowie auch den Hass seines Generals Aldringens (der keine unerhebliche Rolle bei der Liquidierung Wallensteins spielte121) zu. Mit Maximilian von Bayern und einigen anderen Persönlichkeiten des habsburgischen Establishments hatte der Friedländer ohnehin schon genügend Feinde in den eigenen Reihen.

dazu Rebitsch (2010), S. 202–216. Verhältnis zu Spanien vgl. Höbelt (2009), S. 45–62. 121  Zur Rolle der kaiserlichen Generalität bei der Liquidierung Wallensteins vgl. Rebitsch (2004), S. 325–378. 119  Vgl.

120  Zum

Albrecht von Wallenstein: Der letzte der großen Kriegsunternehmer? Von Ronald G. Asch Im März 1637 schrieb Christian II. von Anhalt, der Sohn des pfälzischen Statthalters in Amberg, in seinem Tagebuch einige Notizen nieder, in denen er eine Unterhaltung mit dem Grafen Schlick, dem kaiserlichen Hofkriegsratspräsidenten, festhielt. Thema der Unterhaltung war das Ende Wallensteins; dieses lag zu diesem Zeitpunkt zwar schon drei Jahre zurück, aber kleinere Reichsfürsten wie Anhalt beschäftigte das Schicksal des kaiserlichen Generalissimus offenbar nachhaltig. Anhalt nahm auch Anstoß an der Behandlung des Freiherren von Schaffgotsch, eines schlesischen Adligen, hohen Offiziers und entfernten Verwandten von Anhalt, der wegen der Unterzeichnung des Pilsner Reverses und seiner vermuteten Verwicklung in die Pläne Wallensteins gefoltert wurde, was bei Adligen normalerweise nicht üblich war, und schließlich in Regensburg öffentlich hingerichtet wurde, obwohl er kein Geständnis abgelegt hatte. In diesem Kontext schrieb Anhalt, der Hofkriegsratspräsident habe ihm erzählt, „wie herr Schafgotzsch peccirt, vndt bekennen müßen, weil er nicht gutwillig gewoltt, ia er hette keine gute intention wieder Jhre Mayestät gehabt. […] Er hette in 22 artickeln, wieder den Kayser gesündigett. Gallaaß, vndt Piccolominj, hetten auß befehl, vndt permission des Kaysers vndterschrieben. Piccolominj hette befehl gehabtt, auf Wien zu gehen, den Kayser vndt König vmbzubringen, wie auch den Ertzhertzogk, ingleichem die Königinn wo ferrne sie Schwanger wehre, sonst nicht, die Kayserinn allein sollte man leben laßen, aber alles waß Männlich, vom hauß Oesterreich in Deützschlandt, (darundter auch Erzherzog Leopolds söhne zu Jnspruck) hinrichten wie Phocas mitt Kayser Mauritio vmbgegangen. […] Jhne Graf Schlicken, vndt Obersten Löbel, weil Sie sich in Wien doch wehren würden, sollte man laßen am Marcktt aufhencken vndt hat sie beyde Narren genennet.“1 Was immer man von dieser Geschichte halten mag, sie zeigt, was der Kaiserhof über den einst fast allmächtigen Feldherren verbreitete und was man 1  Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599–1656), 3. März 1637, (fol. 372v und 373r), http: /  / diglib. hab.de / edoc / ed000228 / start.htm [August 2017].

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ihm in gewissen Kreisen zumindest postum wohl wirklich zutraute. Wallenstein erscheint hier nicht einfach als ein Kriegsunternehmer, der außer Kon­ trolle geraten war, sondern als ein Verschwörer und Verräter, dem die Ausrottung des gesamten Erzhauses zuzutrauen war. Das Thema dieses Beitrages sind nicht die politischen Pläne des Friedländers während seines zweiten Generalats, aber wenn man seine Rolle als Feldherr richtig einschätzen will, dann kommt man an einer Auseinandersetzung mit den Beziehungen zu seinem obersten Kriegsherren, dem Kaiser, nicht vorbei. Die Figur des Kriegsunternehmers hat in der Forschung lange Zeit eine schlechte Presse gehabt und der Fall Wallenstein hat viel zu dieser Bewertung beigetragen, da Wallenstein als der Kriegsunternehmer schlechthin galt und gilt. Die Regimentsinhaber und Kommandeure, die für Monarchen, Fürsten und Städte ganz oder teilweise auf eigene Kosten Truppen anwarben, schienen für eine Privatisierung des Krieges zu stehen, die aus diesem ein reines Geschäft machte. Wer aber für Geld Soldaten aushob und in die Schlacht sandte, konnte der wirklich loyal sein? Bestand nicht jederzeit die Gefahr, dass er seine Truppen an den Höchstbietenden gewissermaßen verkaufte und seine eigene Loyalität dazu; Wallenstein wurde Anfang 1634 ja genau das vorgeworfen? In der Epoche des Dreißigjährigen Krieges gehörten ohne Zweifel Wallenstein und der Graf Mansfeld zu den bekanntesten Kriegsunternehmern, die diesem Bild zu entsprechen schienen. Der eine, Mansfeld, 1626 bei Sarajevo gestorben, wird üblicherweise als der Discounter unter den militärischen Impresarios gesehen, mit den geringst möglichen Kosten habe er immer neue Heere ausgehoben, die sich dann freilich ebenso rasch wieder auflösten, sei es durch Desertion, Krankheit oder schlicht durch Hunger.2 Wallenstein hingegen betrieb das gleiche Geschäft zunächst auf sehr viel soliderer Grundlage, hatte aber nach seiner ersten Absetzung Grund, dem Kaiser zutiefst zu misstrauen und habe in seinem zweiten Generalat zunehmend versucht, seine eigenen Schäflein ins Trockene zu bringen. Beide, Mansfeld ebenso wie Wallenstein, waren natürlich Ausnahme­ erscheinungen. Normalerweise hob ein Kriegsunternehmer vielleicht ein oder zwei Regimenter aus, aber nicht eine ganze Armee, über die er dann relativ frei verfügen konnte. Allerdings, es gab für diesen Typus des militärischen Großunternehmers mit scheinbar unbegrenzten Kreditreserven doch ein gewisses Vorbild, das war der Marchese Ambrosio Spinola, der faktische und später auch offizielle Oberbefehlshaber der spanischen Truppen in den süd­ lichen Niederlanden zwischen 1603 und 1628, der 1630 einige Jahre vor Wallenstein starb. Darauf wird zurückzukommen sein.

2  Zu

Mansfeld s. Krüssmann.



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Aber zunächst zur Einschätzung der Rolle des Militärunternehmers in der Forschung. Während das Auftreten von Männern wie Wallenstein und Mansfeld, aber auch einfacher Obristen, die auf eigene Kosten ein Regiment aushoben, dessen Inhaber sie dann waren, lange Zeit eher als Krisensymptom galt und als Zeichen dafür, dass der Staatsbildungsprozess in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eben noch nicht weit genug fortgeschritten war – denn wie konnte man eine Kernaufgabe des Staates, den Krieg, Privatleuten überlassen? – ist dieses Bild in jüngerer Zeit korrigiert worden. Unter den jüngeren Historikern, die die Rolle der Kriegsunternehmer ganz anders bewerten als die ältere Forschung, ist vor allem David Parrott zu nennen, der vor wenigen Jahren ein Buch mit dem Titel The Business of War publiziert hat, das das altetablierte Narrativ von einer Modernisierung des Militärwesens durch mehr staatliche Kontrolle im Laufe des 17. Jahrhunderts energisch zurückweist.3 Parrott verweist zu Recht darauf, dass der gesamte Staatsbildungsprozess in der frühen Neuzeit heute ganz anders gesehen wird, als vor 20 oder 30 Jahren. Wir sind uns bewusst, wie sehr dieser Prozess im Grunde genommen fast immer, wenn auch in je unterschiedlicher Form, auf dem beruhte, was man heute „private-public partnership“ nennen würde. Das galt nicht nur bis weit in das 18. Jahrhundert hinein für den militärischen Bereich, mochte hier auch die Rolle des klassischen Militärunternehmers tatsächlich nach 1650 stärker eingeschränkt werden, sondern natürlich auch für die Verwaltung der Steuern und Zölle oder das Kreditwesen. Auch die starke Verbreitung des Ämterkaufs, gerade im scheinbaren Musterland des Absolutismus, Frankreich, erlaubt die These, dass die partielle Verstaatlichung des Heerwesens ihren Preis hatte und einherging mit einer weiter fort bestehenden Patrimonialisierung der Verwaltung insgesamt.4 Insgesamt sieht Parrott das Militärunternehmertum der frühen Neuzeit sehr viel weniger negativ als dies ältere Darstellungen tun; zu Recht betont er, dass ein Seitenwechseln von Regimentsinhabern oder gar von Feldherren größerer Armeen eher eine seltene Ausnahme war. Offiziere und Generäle, die als ­illoyal galten, konnten ja kaum damit rechnen, noch einmal ein wichtiges Kommando zu erhalten und selbst ein Feldherr wie der berüchtigte Mansfeld, das hat auch die jüngste Biographie von Walter Krüssmann nachdrücklich gezeigt, legte Wert darauf, sich ein gewisses Prestige als heroischer Heerführer im Kampf gegen die katholischen Mächte und das Haus Habsburg zu 3  Parrott,

von der älteren Literatur muss weiter genannt werden: Redlich. S. 315: „Resources to boost the war effort were bought through selling out on conventional notions of state-formation through the centralization and concentration of authority and the erosion of autonomous rights and privileges.“ Zum frühmodernen Staat in Frankreich s. Collins, J. B.; vgl. Nagle und Beik, S. 134–146. 4  Parrott,

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erarbeiten, vorübergehend in diesem Fall auch mit Erfolg.5 Wenn Mansfeld zeitweilig wirklich auf eigene Faust operierte, ohne einen fürstlichen Kriegsherren, der hinter ihm stand, dann war dieses Verhalten aus der Not geboren und nicht der Versuch, unterschiedliche Auftraggeber gegeneinander auszuspielen, um den höchsten Preis für die eigenen Dienste zu erzielen. Man darf ohnehin nicht vergessen, dass die meisten Kriegsunternehmer adlig waren. Mansfeld als unehelicher Sohn eines gefürsteten Reichsgrafen war hier sogar ein Sonderfall, aber Wallenstein stammte aus einer alten Familie des böhmischen Herrenstandes; die Tätigkeit als Feldherr und Kriegsunternehmer war von daher oft auch Teil einer dynastischen Strategie, die den Ruhm der eigenen Familien mehren, aber auch ihren sozialen Status absichern sollte.6 Es ging zwar um den Krieg als Geschäft, aber auch um Prestige und Ehre. Verrat wäre kaum ein geeignetes Mittel gewesen, um diese Ehre zu verteidigen, auch wenn es im frühen 17. Jahrhundert durchaus noch vorstellbar war, dass ein adliger Heerführer in den Dienst einer fremden Macht trat, wenn ihm in seinem eigenen Land jede Chance auf eine Karriere genommen wurde oder er dauerhaft in Ungnade fiel. Man denke etwa an den Grand Condé, der bei Rocroi die Spanier 1643 vernichtend schlug, später gegen Ende der Fronde in den 1650er Jahren aber in ihren Dienst trat, da sich ein Kompromiss mit dem leitenden Minister Ludwigs XIV., Mazarin, und mit der Regentin als unmöglich erwies. Condé blieb das Schicksal Wallensteins erspart, er war zwar zum Tode verurteilt worden, entkam aber und kehrte 1659 nach Frankreich zurück und trat in den 1670er Jahren noch einmal an die Spitze der Armeen Ludwigs XIV.7 Allerdings greift der Vergleich mit Wallenstein hier auch nur begrenzt. Condé war nicht in erster Linie Militärunternehmer, sondern vor allem ein ruhmreicher, allenthalben heroisierter Feldherr und noch dazu ein Prinz von königlichem Geblüt, damit konnte Wallenstein nicht aufwarten. Eher bietet sich der Vergleich zu einem anderen prominenten Militärunternehmer der Epoche an, zum Marchese Spinola. Spinola stammte aus einer der vornehmsten und mächtigsten genuesischen Familien und verfügte über ein enormes Vermögen – zu Anfang des 17. Jahrhunderts waren es ja vor allem die genuesischen Bankiers, die die spanische Kriegsmaschine finanzierten. Unter diesen nahm das von den Spinola geführte Finanzkonsortium um 1600 einen besonders prominenten Platz ein. Eine jüngere Studie konnte im übrigen nachweisen, dass Bankiers wie die Spinola trotz der gelegentlichen spanischen „Staatbankrotte“ (faktisch handelte es sich um Umschuldungen, so 5  Krüssmann,

S. 389–395 und 650–654, sowie 672. galt auch für einen weiteren wichtigen Feldherren und Kriegsunternehmer, Bernhard von Weimar. s. dazu: Thoma. 7  Zu Condé siehe Bertière; Drévillon, S. 119–140 sowie Béguin, S. 53–64. 6  Das



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auch in den Jahren 1596 / 97) über die Jahre hinweg dennoch einen recht ordentlichen Profit erzielten. Gegen Zahlungsausfälle sicherte man sich unter anderen dadurch ab, dass man innerhalb des Konsortiums das Risiko auf möglichst viele Subkontraktoren verteilte, an die die Spinolas und andere leitende Finanziers Anteile an den jeweiligen Schuldverschreibungen verkauften.8 Dennoch war der fiskalische Spielraum der spanischen Krone um 1600 sicherlich enger geworden als in der Vergangenheit. Die Silberproduktion in Südamerika ließ sich nicht weiter steigern und die Stände von Kastilien, von denen der Monarch zunehmend abhängig war, drängten auf eine Begrenzung der militärischen Ausgaben. In dieser kritischen Situation hatte Ambrosio Spinola sich entschlossen, selbst in Flandern Einfluss auf die Kriegführung zu nehmen, gewissermaßen um die Investitionen des Bankhauses abzusichern. Er hatte ein Kontingent von insgesamt rund 9000 Mann auf eigene Kosten in der Lombardei angeworben und diese Truppen in die spanischen Niederlande geführt.9 Schon sehr bald erhielt er während der Belagerung von Ostende den Befehl über die in den Niederlanden stationierte Infanterie – der Kommandeur der Kavallerie war ein Spanier, der Graf Salazar – und übernahm faktisch als Stellvertreter des Erzherzogs Albrecht, der nominell der Generalkapitän des Heeres war, ab 1603 / 04 auch die Leitung der gesamten militärischen Operationen. 1618 wurde er selber zum Generalkapitän ernannt, ein Amt, das er sich freilich mit dem Erzherzog und später mit dessen Witwe, der Infantin Isabella, nominell teilte. Zusätzlich, und das ist nicht ganz unwichtig, war er auch Generalschatzmeister der Streitkräfte – „Superintendente del Tesoro Militar“ – in Flandern, kontrollierte also deren Finanzen; faktisch garantierte er mit seinem Vermögen die Kreditfähigkeit Spaniens respektive der Regierung in Brüssel gegenüber den Bankiers und Heereslieferanten, ohne die der Krieg gegen die Republik der Niederlande gar nicht hätte geführt werden können. In der Tat hatte er schon Anfang der 1590er Jahren einen Asiento, einen Kreditvertrag mit der Krone über 2,5 Millionen Dukaten abgeschlossen. Diese Summe schoss er für die Besoldung des Heeres vor.10 Im Jahre 1612 schuldete die spanische Krone Spinola unter Abzug diverser Abschlagzahlungen in Form von langfristigen Zinspapieren (juros) und Herrschaftsrechten immer noch die nicht gerade kleine Summe von rund einer Million Dukaten. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in den Niederlanden auf Grund des Waffenstillstands von 1609 Frieden. Dieser Frieden war nicht zuletzt deshalb zu Stande gekommen, weil Spinola darauf bestanden hatte; 8  Drelichmann / Voth,

bes. S. 194–203. Villa, S. 31–32. 10  Rivero Rodríguez, S. 354. 9  Rodríguez

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eine weitere Fortführung der militärischen Auseinandersetzungen hätte vermutlich die spanische Krone, auf jeden Fall aber Spinola selber ruiniert.11 Der Einfluss Spinolas auf die Politik Spaniens in den Niederlanden war somit gewaltig. Das stieß durchaus auf Kritik. Anfang der 1620er Jahre warf man ihm vor, dass er mit den Holländern 1609 einen ungünstigen Waffenstillstand abgeschlossen habe, nur um das Geld, das er der Krone vorgeschossen hatte, zurückzuerhalten,12 und als er 1628 schließlich das Kommando in den Niederlanden aufgab, geschah das auch deshalb, weil er nicht mehr die Rückendeckung des wichtigsten spanischen Ministers, Olivares, besaß. Olivares glaubte, dass in den Niederlanden ein Siegfrieden erreichbar sei, übrigens auch deshalb, weil er hoffte, die kaiserliche Armee unter Wallensteins Oberbefehl zum Eingreifen in den Krieg gegen die Niederlande bewegen zu können. Spinola hielt das für unrealistisch und war offenbar auch nicht bereit, eine solche Politik weiter selber mitzufinanzieren.13 Wie immer man die Bilanz der Tätigkeit Spinolas als „banquero-asentista“, als Bankier und Finanzier beurteilen mag,14 zeitweilig war er durchaus auf seine Kosten gekommen, so hatte er das Herzogtum Sesto im Königreich Neapel und größere Besitzungen in Kastilien erworben. Dort hatte ihm die Krone auch wichtige Steuereinkünfte überlassen.15 Der Schlüssel zu Spinolas Machtstellung in den südlichen Niederlanden war seine Kontrolle über die Heeresfinanzen. Die Tatsache, dass er in Flandern alle Zahlungsanweisungen an Offiziere und Kommandeure des Heeres dank seiner Position als Schatzmeister der Armee kontrollierte, erlaubte es ihm, ein ausgedehntes Klientelsystem im Heer aufzubauen, denn er entschied letztlich, wer seine Soldrückstände ausbezahlt bekam und wer nicht;16 auch hier gab es Parallelen zu Wallenstein. Gerade bei den höheren spanischen Offizieren, die sich durch Spinola in den Hintergrund gedrängt sahen, machte der Genuese sich allerdings dadurch nicht unbedingt beliebt. In dem Augenblick, als die Niederlande wieder in den direkten Besitz der spanischen Krone übergingen, 1621, versuchte Madrid die ungeheure Machtfülle Spinolas ein11  Ebd.,

S. 339–341. S. 73. 13  Elliott, S. 346–357. 14  Rivero Rodríguez, S. 341: „Spinola, inmortalizado por Velásquez como general victorioso en La rendición de Breda, no podía escindir su personalidad de banqueroasentista y la de general-tesorero de lo ejércitos des su majestad.“ 15  Ebd., S. 342. Die Krone schuldete nach einer Berechnung von Javier de Carlos Morales Spinola 1612 sogar insgesamt 12,2 Millionen Dukaten, für die er dann mit „juros“ (langfristigen Schuldverschreibungen der Krone) und durch Abtretung von Jurisdiktions- und Besteuerungsrechten in königlichen Städten abgefunden wurde, s. de Carlos Morales, S. 816. 16  Esteban Estringana, S. 149. 12  Elliott,



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zuschränken. Versuche dazu hatte es gelegentlich auch schon in den vorherigen Jahren gegeben, aber sehr weit war man damit nicht gekommen, zumal Spinola auch protokollarisch mit Erfolg auf einem Status-Vorrang gegenüber dem spanischen Botschafter in Brüssel und anderen Würdenträgern bestand. Erst von dem Moment an, in dem die spanische Krone sich neben den genuesischen Bankiers auf eine zweite Gruppe von Finanziers stützen konnte, die portugiesischen Neuchristen, also etwa seit 1626 / 27, konnte man auch die Machtposition Spinolas eindämmen.17 Diese Reformmaßnahmen waren mit ein Grund dafür, dass Spinola seinen Abschied als Oberbefehlshaber in den Niederlanden nahm. Was Spinola und Wallenstein verband, war der Umstand, dass ihre Zukunft als Militärunternehmer in hohem Maße von politischen Rahmenbedingungen abhing, die sie selber aktiv zu beeinflussen versuchten, was naturgemäß ein einzelner Regimentskommandeur nicht vermochte. Zudem waren beide bis zu einem Grade Außenseiter, Spinola als Genuese an der Spitze eines spanischen Heeres, der überdies nicht den üblichen cursus honorum durchlaufen hatte, sondern Seiteneinsteiger war, Wallenstein als Adliger aus Böhmen, der den Status eines Reichsfürsten beanspruchte und im Reich zeitweilig wie ein Diktator auftrat. Wallensteins Position war nie so stabil wie die von Spinola, der seinen Aufstieg ganz wesentlich auch dem Umstand verdankte, dass der Regent der Niederlande, dem die Krone diese Besitzungen nach dem Tode Philipps II. überlassen hatte, Erzherzog Albrecht, in ihm einen Mann seines Vertrauens sah, den er gerade deshalb stützte, weil er kein Spanier, und weniger stark als andere von Madrid abhängig war.18 Die Friedenspolitik Spinolas deckte sich überdies nach 1606 mit den Plänen des Erzherzogs. Es kam noch hinzu, dass Spinola Truppen eines Reiches kommandierte, das ein Minimum an Kohärenz besaß, was für das Heilige Römische Reich deutscher Nation so nicht galt. Wallenstein saß bis zu einem gewissen Grade von Anfang an zwischen allen Stühlen, auf der einen Seite der Kaiser, auf der anderen die Reichsfürsten, die auch dann, wenn sie offiziell mit dem Kaiser verbündet waren, den übermächtigen Militärunternehmer mit Misstrauen und Hass und die Einquartierungen seiner Truppen als unzumutbare Belastung ansahen. Spinola konnte sich überdies auf eine eingespielte militärische Maschinerie stützen, sowohl für die Versorgung der Truppen als auch die Re­ krutierung neuer Soldaten. Diese Maschinerie mochte überlastet und unter­ finanziert sein, aber sie musste jedenfalls nicht von Null aufgebaut werden, wie das für das kaiserliche Heer Mitte der 1620er Jahre dann doch galt.

17  Esteban

Estringana, S. 181–197, 227–228, 260–261. Rivalität zwischen den Spaniern und anderen Nationen in der FlandernArmee s. González de León, S. 100–105. 18  Zur

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Andererseits hätte Spinola auch kaum Chancen gehabt, falls er versucht hätte, das von ihm kommandierte Heer gegen seinen Kriegsherren einzusetzen. Dafür gab es in dieser Armee doch zu viele spanische Offiziere, die enge Bindungen an die spanische Krone besaßen, abgesehen davon, dass die Elitetruppen des Heeres nun einmal die spanischen Tercios waren, also keine reinen Söldner, sondern Soldaten, die der spanischen Krone durch eine besondere Loyalität verbunden waren. Spinolas Druckmittel war letztlich die Finanzierung der Streitkräfte, die lange Zeit nur er selber mit seinen exzellenten Verbindungen zur Finanzwelt Norditaliens verbürgen konnte,19 kein anderer. Wallensteins Position war zugleich prekärer und deutlich unabhängiger. Was jedoch wiederum beide auszeichnete, war der Verzicht auf eine Vernichtungsstrategie gegenüber dem militärischen Gegner. So wie dies Spinola wiederholt vorgeworfen wurde,20 so noch viel stärker dem Friedländer. Schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt, im Jahr 1626, warf man ihm Untätigkeit gegenüber der Streitmacht des Grafen Mansfeld in Schlesien vor. In einem Bericht des Rates Esaias Leuker an den Kurfürsten von Bayern, Maximilian, hieß es auch, Wallensteins eigene Offiziere würden ihm Unentschlossenheit vorwerfen. Im Heer herrsche Konfusion, ohne Austauschung des Oberbefehlshabers sei keine Besserung zu erwarten. Ein Höfling wurde mit der Meinung zitiert, auch wenn Wallenstein mit 100.000 Mann einer feindlichen Streitmacht von 10.000 Mann auf freiem Felde gegenüberstünde, würde er nicht angreifen, da er sich immer nur defensiv verhalte.21 Waren dies einzelne Vorwürfe von Personen, die Wallenstein nicht günstig gesinnt waren, so wurde diese Kritik noch einmal zugespitzt in dem Bericht, den der Kapuzinerpater Magni im November 1626 über die Unterredung zwischen Wallenstein und dem Obersthofmeister Eggenberg in Bruck an der Leitha anfertigte. Wallenstein soll demnach geäußert haben, dass man das kaiserliche Heer auf keinen Fall unnötig in großen Schlachten oder bei Belagerungen aufs Spiel setzen solle. Wallenstein, so Magni, habe eher auf eine Strategie gesetzt, durch die bloße Masse seiner Truppen und durch die Einquartierung seiner Soldaten im Reich auf alle Reichsfürsten, Freund wie Feind, Druck auszuüben. Die Logik dahinter sei auch die gewesen, dass der Kaiser, der ja keine Reichslehen einziehen könne, um damit seine Erblande territorial zu erweitern, sich auf andere Weise für die Kriegskosten schadlos halten müsse, um zugleich seine Gegner zu schwächen. Den Krieg könne der Kaiser überdies nur gewinnen, wenn er sich an das Reichsrecht halte, das schließe radikale 19  Herrero

Sánchez, S. 97–134. Elliott, S. 347–354 zu den späten 1620er Jahren. 21  Gindely (1886), S. 113, Esaias Leuker an Kurfüst Maximilian von Bayern, 9. September 1626, der zitierte Offizier ist Montecucolli. 20  s. etwa



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gegenreformatorische Maßnahmen aus, zumal im kaiserlichen Heer viele Protestanten dienten, es bleibe also nur die Strategie, durch die bloße dauerhafte Präsenz einer übermächtigen Streitmacht im Herzen des Reiches die Ziele des Kaisers gegen die protestantischen Gegner gleichermaßen wie gegen Bayern und die Liga durchzusetzen.22 Der Bericht Magnis über die Gespräche in Bruck an der Leitha deutete natürlich alle Maßnahmen ins Negative um, und Wallenstein hatte auch seine Verteidiger, die die Dinge ganz anders darstellten.23 Auch diejenigen Historiker, die Wallenstein überwiegend in einem positiven Licht darstellen, wie Hellmut Diwald etwa, sehen seine Kriegführung allerdings eher als eine defensive an. Eher abwartend, scheinbar passiv, versuchte er den Gegner dazu zu verlocken, einen Fehler zu machen, schlug dann aber mehr als einmal auch entschlossen zu, wie z. B. bei der Einnahme von Steinau in Schlesien im Herbst 1633.24 Einer seiner größten militärischen Erfolge, die Verteidigung der Alten Veste bei Nürnberg 1632, die Wallenstein zumindest einen Sieg nach Punkten brachte und den Siegeszug der schwedischen Armee beendete, war auch eine defensive Operation, einer Entscheidungsschlacht wich Wallenstein hier bewusst aus.25 Letztlich setzte er darauf, dass die zahlenmäßige Überlegenheit seiner Streitkräfte und die daraus resultierende Fähigkeit, die Rückzugs- und Versorgungsräume gegnerischer Armeen zu okkupieren oder den Gegner von diesen abzuschneiden, ihm den Sieg sichern würden, ohne dass er dafür sein ganzes Heer aufs Spiel setzen musste. Allerdings, darauf hat Parrott im Anschluss an die ältere Literatur noch einmal aufmerksam gemacht, war dieses System auf andere Weise mit erheblichen Risiken behaftet war. Nicht nur Wallenstein selber respektive sein Bankier Hans de Witte mussten sich erheblich verschulden, um die Kriegskosten vorstrecken zu können, auch die Regimentskommandeure nahmen entsprechende Kredite in enormer Höhe auf. Manche, wie Hans-Georg von Arnim, die mehrere Regimenter kommandierten, hatten am Ende gegenüber dem Kaiser Forderungen von 200.000 bis 300.000 Gulden.26 Wir haben hier 22  Lorenz, G., S. 116–117, Bericht von Valeriano Magni über die Unterredung zwischen Wallenstein und Eggenberg in Bruck an der Leitha, 25. / 26. November 1626. 23  Ebd., S. 120–121, Bericht über die Unterredung zwischen Wallenstein und Eggenberg von einem wallensteinschen Offizier, November 1626. 24  Diwald (1969), S. 343–354, bes. das Urteil S. 347: „Wallenstein sieht alle taktischen Erfolge der Militärs als Fehlschläge an, wenn sie auf Kosten politischer Vorteile zustande kommen.“ und S. 353: „Gerade dadurch, daß Walleinstein dem Gegner scheinbar die Initiative überläßt, behält er sie de facto für sich.“ s. auch ebd. S. 513 zu Steinau. Zu Wallenstein als Feldherr ferner Rebitsch (2010), S. 51–96 und Schmidt, H., S. 241–260. 25  Wilson (2009), S. 502–506. 26  Parrott, S. 119.

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also ein System der Begrenzung des finanziellen Risikos für den Einzelnen durch Aufteilung der Lasten innerhalb eines größeren Konsortiums von Investoren, dessen Chef Wallenstein selber war, ähnlich wie die Spinola an der Spitze eines Konsortiums genuesischer und oberitalienischer Finanziers und Kaufleute standen. Wallenstein war für diese Subunternehmer des kaiserlichen Heeres wichtig, weil man ihm zutraute, dass er in der Lage sei, auf Grund seiner Machtstellung und seiner Unentbehrlichkeit für den Kaiser das Geld auf diese oder jene Weise einzutreiben, sei es durch Kontributionen in den besetzten Gebieten, durch Zugriff auf die Steuereinnahmen der kaiserlichen Lande, besonders in Böhmen, Mähren und Schlesien, oder eben durch Konfiskationen. Kaltblütig plante Wallenstein daher auch solche Konfiskationen im ganzen Reich zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsmaschinerie mit ein und scheute sich auch nicht, geistliche Territorien, namentlich solche, die vor 1625 von protestantischen Administratoren regiert worden waren, mit besonders harten Kontributionen zu belegen.27 Von den Konfiskationen ganzer Territorien profitierte Wallenstein auch selber. Er wurde bekanntlich 1628 durch die Übertragung des Herzogtums Mecklenburg für seine Forderungen an den Kaiser partiell schadlos gehalten.28 Aber auch andere Kommandeure des Wallensteinschen Heeres sowie der Liga sollten durch vom Kaiser eingezogene Fürstentümer und Herrschaften Ende der 1620er Jahre für ihre Dienste belohnt werden. Für Tilly, den Kommandeur der Armee der Liga, waren Braunschweigisch-Calenbergische Ämter gedacht, für Gottfried Heinrich zu Pappenheim, der auch in bayerischen Diensten stand, das ebenfalls welfische Fürstentum Wolfenbüttel.29 Diese Pläne wurden dann doch nicht umgesetzt, weil Maximilian von Bayern dagegen protestierte, aber sie zeigen, wie sehr die Kriegführung der 1620er Jahren mit den gewaltigen Kosten, die sie mit sich führte, zumindest implizit die Fundamente der Reichsverfassung in Frage stellte. Der Kaiser verfügte eben über kein Silber aus Peru wie der spanische König, dadurch wurden die Konfiskationen fast alternativlos. Genau dies war der Grund, warum Wallenstein nicht nur bei Maximilian von Bayern, sondern auch bei anderen Reichsfürsten so verhasst war. Seine Neigung, durch eine verschwenderische Hofhaltung auch noch mitten im Krieg seine Statusansprüche zu unterstreichen,30 machte ihn auch nicht beliebter und Anstoß erregte er – schon vor seiner umstrittenen Erhebung zum Herzog von Mecklenburg – auch mit seinem Insistieren auf der Anrede „Herr 27  Ernstberger

(1954), S. 194–195. der Wieden (2010), S. 125–158. 29  Ebd., S. 136–137. 30  Ernstberger (1954), S. 273–277. 28  Bei



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und Freund“ durch die alten Reichsfürsten, selbst durch die Kurfürsten, die sich darauf freilich nicht einlassen wollten, um den Statusunterschied zu den sogenannten „neuen Fürsten“ in Böhmen und den Erblanden nicht zu verwischen.31 Man kann in Wallensteins Neigung zu demonstrativer Verschwendung in der Hofhaltung – sein zeitweilig mehrere Hundert Pferde umfassender Marstall war dem Pferdenarren Wallenstein besonders wichtig32 – das Renommiergehabe des sozialen Aufsteigers erkennen, darf aber nicht vergessen, dass es für einen Mann mit den gigantischen Schulden Wallensteins (gegenüber seinen militärischen Subunternehmern und diversen Geldgebern) lebenswichtig war, Kreditfähigkeit zu demonstrieren. Sparsamkeit in der persönlichen Lebenshaltung wäre hier kontraproduktiv gewesen und auch das Beharren auf immer neuen Titeln und Würden diente wohl zum Teil dem Zweck, das Vertrauen der Gläubiger in die Zahlungsfähigkeit des Kriegsunternehmers zu stärken, denn wer immer neue sichtbare Gunstbeweise vom Kaiser erhielt, dem konnte man auch Geld leihen. Gerade dieses Renommiergehabe des Friedländers musste von den Reichsfürsten freilich als Provokation gesehen werden. Der Druck der Reichsfürsten auf den Kaiser führte bekanntlich 1630 zur Entlassung Wallenstein, die wiederum den Bankrott und Selbstmord seines Bankiers Hans de Witte nach sich zog. Die Bedingungen, unter denen Wallenstein dann 1632 erneut den Oberbefehl übernahm, sind umstritten. War ihm wirklich die Verpfändung eines der österreichischen Erblande als Absicherung für seine finanziellen Forderungen an den Kaiser in Aussicht gestellt worden? Oder war ihm die Vollmacht eingeräumt worden, nach Belieben Herrschaften im Reich zu konfiszieren und darüber zu verfügen, auch ohne Einschaltung des Reichshofrates und des Reichskammergerichtes?33 Das ist durchaus umstritten und solche Behauptungen können bereits Teil der schwarzen Legende sein, die sich um Wallenstein rankte. Klar ist aber, dass er sich in militärischen Angelegenheiten weitgehende Entscheidungsfreiheit erbeten hatte und auf dieser Bedingung auch bestand, als man ihn am Kaiserhof zu Maßnahmen und Truppenbewegungen zwingen wollte, die er ablehnte, sei es nun eine engere Zusammenarbeit mit spanischen Truppen oder 1633 / 34 ein Winterfeldzug in Bayern, der auch den Zweck gehabt hätte, die Einquartierungslasten in Böhmen und Schlesien zu verringern.34 31  Lorenz, G., S. 141–144, Auszug aus dem sächsischen Protokoll des Mühlhauser Kurfürstentages, Oktober 1627. 32  Ernstberger (1954), S. 275. 33  Lorenz, G., S. 228–240, hier bes. S. 237–238, Göllersdorfer Absprache, 14. April 1632; vgl. Wilson (2009), S. 492–493. 34  Zum zweiten Generalat s. Diwald (1969), S. 467–496, bes. S. 478–480 zu den Göllersdorfer Vereinbarungen. Vgl. aber Rebitsch (2010), S. 58–59, der Diwalds Deutung für falsch hält.

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Wallenstein bemerkte selbst zu Maximilian von Trauttmansdorff noch kurz vor seinem Tode im Dezember 1633, wenn man ihn entlasse oder er seinen Abschied nehme, ohne dass die finanziellen Forderungen seiner Obristen und ihrer Soldaten erfüllt worden seien, „so müste hieraus ein große Meuterei erfolgen, dann auf sein, des Herzogs, credit seien die meisten geworben worden.“ Würde er jetzt sterben, dann würde das Kriegsvolk keinen Gehorsam mehr leisten, sondern auseinanderlaufen. In solchen Bemerkungen wie Wallenstein sie gegenüber Trauttmansdorff machte, konnte man durchaus eine Drohung sehen; jedenfalls betonte Wallenstein seine Unentbehrlichkeit wohl auch, um einer erneuten Absetzung ohne entsprechende finanzielle Satisfaktion wie 1630 vorzubeugen.35 Die Reaktion des Hofes darauf war allerdings die Entscheidung, ihn ganz aus dem Weg zu räumen und durch loyale Offiziere umbringen zu lassen. Letztlich war das Heeressystem Wallensteins nur aufrecht zu erhalten, wenn immer neue Provinzen besetzt werden konnten, in denen noch relativ hohe Kontributionen einzutreiben waren; das wurde in dem Maße, wie der Krieg fortschritt, ohnehin schwieriger. Die starke Belastung der kaiserlichen Erblande, aus denen die Truppen des Herzogs während seines zweiten Generalats im wesentlichen, wenn nicht ausschließlich finanziert wurden, musste aber am Kaiserhof dazu führen, dass man sich fragte, ob die Kosten des Wallensteinschen Heeressystems nicht generell zu hoch waren, zumal große und durchschlagende Erfolge nach der Schlacht von Lützen, die ja eigentlich, wenn man vom Tod Gustav Adolfs absieht, auch mit einem Patt geendet hatte, ausblieben, und sich die Verhandlungen über einen möglichen Frieden mit Kursachsen und Schweden, die Wallenstein führte, ergebnislos hinzogen. Nach der Beseitigung Wallensteins konnte zunächst mit Hilfe Spaniens bei Nördlingen ein zumindest für den Moment entscheidender Sieg erfochten werden. Man könnte auch sagen, Wallenstein wurde in dem Moment entbehrlich, in dem sich ein stärkeres militärisches Engagement Spaniens im Reich abzeichnete, das Wallenstein selber wiederum weitgehend ablehnte. In den Jahren nach Wallensteins Tod ging man, wie David Parrott betont hat, zu einem System über, das von den beteiligten Militärunternehmern, also den Regimentsinhabern, einen geringeren finanziellen Einsatz verlangte, und für sie mit weniger Risiken verbunden war, allerdings auch die Chance, durch einen Sieg enorme Gewinne zu machen, einschränkte. Die Armeen nach 1635 waren kleiner als zu Zeiten Wallensteins, aber auch beweglicher, sie mussten nicht ständig neue Territorien besetzen, um überhaupt unterhalten werden zu können.36 35  Lorenz,

G., S. 341–342, Trauttmansdorff an den Kaiser, 16. Dezember 1633. S. 120–125, bes. S. 124: „The appartently vast returns of a limitlessly exploitable contribution system had proved an illusion which had left too many colo36  Parrott,



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Wenn man noch einmal auf den Vergleich zwischen Wallenstein und Spinola zurückkommt, so scheiterten beide am Ende, wenn auch Spinola sehr viel weniger spektakulär als Wallenstein. Allerdings ging man mit dem Andenken Spinolas in Spanien ganz anders um als im Reich und der Habsburgermonarchie mit der Erinnerung an Wallenstein. Während Wallenstein in der Tat, das machen ja auch die anfangs zitierten Bemerkungen Anhalts deutlich, zur Hauptfigur einer schwarzen Legende wurde, wurde Spinola trotz seiner Differenzen mit Olivares postum als ritterlicher Feldherr heroisiert. Bekanntlich steht er im Mittelpunkt des vielleicht spektakulärsten Bildes von Velazquez, der Übergabe von Breda, dem ein Ehrenplatz in der Sala de Reinos im Buen Retiro zugedacht war.37 Von den Konflikten mit Olivares und der Krone lässt dieses Bild nichts ahnen. Wallenstein hingegen musste auf Schiller warten, um einigermaßen rehabilitiert zu werden. Immerhin wurde ihm dann nach 1848 doch ein Platz unter den Feldherren der Habsburgermonarchie auf dem Heldenberg nördlich von Wien (der eigentlich dem Andenken an den Sieg über die Revolution von 1848 gewidmet war) zu teil, auch wenn seine Büste dort nur aus Blei, nicht aus edler Bronze ist.38 Interessant ist allerdings, dass nach der Absetzung Wallensteins die Übertragung höchster Kommandostellen über die kaiserliche Armee an Offiziere, die aus dem erbländischen oder böhmischen Herrenstand stammten, für lange Zeit eher die Ausnahme als die Regel wurde. Im Offizierskorps der kaiser­ lichen Kriegsvölker dominierten für Jahrzehnte, ja eigentlich weit bis ins 18. Jahrhundert hinein, Adlige, manchmal auch Nobilitierte, die aus dem Reich, aus Italien, aus Lothringen, aus Savoyen und manchmal auch aus anderen Teilen Europas stammten. Man denke an den Feldmarschall Walter Leslie zur Zeit Wallensteins (einen Schotten) oder später an Gideon von Laudon oder Franz Moritz von Lacy (die Lacy waren ursprüngliche irische Katholiken, der Vater des Feldmarschalls hatte in Russland gedient).39 Die großen österreichischen und erbländischen Herrenstandsgeschlechter zogen meist eine Karriere am Hof, in den obersten Landesämtern oder auch in der Kirche vor, wenn sie nicht ganz auf ihren Gütern blieben. Zu vermuten ist aber auch, dass die übermächtige Stellung, die Wallenstein in den 1620er und frühen 1630er Jahren erlangt hatte, unangenehme Erinnerungen zurückließ, so dass es ratsam erschien, nicht zu viele Männer mit hohen und höchsten nels and senior officers crippled with heavy debts which drove them out of military service. The overly large armies which were both a cause of heavy contribution demands and the only means by which they could be enforced were threatened on all sides with the collapse of credit and consequent failures of supply, equipment and the ability to provide basic pay.“ 37  Brown / Elliott, S. 164. 38  Mader / Mader. 39  Asch, S. 211–212; Göse, S. 118–153, bes. S. 147–148.

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Kommandostellen zu betrauen, die über eine große Hausmacht in den Erblanden der Monarchie verfügten. Die Entwicklung in der spanischen Armee nach 1630 hätte übrigens nicht unterschiedlicher sein können. Olivares versuchte zunehmend hohe Adlige aus Kastilien, aber auch aus Portugal und Aragon dazu zu bewegen, Kommandostellen zu übernehmen und an die Stelle von Berufsoffizieren aus dem niederen Adel oder von kühl kalkulierenden Militärunternehmern, die zugleich als Finanziers tätig waren, traten jetzt stolze Aristokraten, denen ihr persönliches Prestige oft wichtiger war als rein militärische Überlegungen.40 Allerdings konnte auch ein Francisco de Melo, Marques de Tor de Laguna, ein hoher portugiesischer Adliger, 1643 die Niederlage von Rocroi als Kommandeur der Flandernarmee nicht abwenden, genauso wenig wie seine Standesgenossen den militärischen Niedergang Spaniens in den 1640er und 50er Jahren zu verhindern wussten, aber das ist eine andere Geschichte.

40  Gonzales

de Léon, S. 185–187 und 169–170.

Wallensteins Zipperlein Von Fritz Dross Dem Nachdenken über historische Persönlichkeiten unter dem Dreiklang „Mensch – Mythos – Memoria“ darf und soll ein Beitrag über deren Leibesverfassung in Gesundheit und Krankheit nicht fehlen. Dies kann allerdings kaum im Rahmen einer herkömmlichen Pathographie erfolgen, einer Diszi­ plin, die ihrerseits zur Mythenbildung neigt – insbesondere, wenn charakter­ liche Eigenschaften auf in der Regel dürftiger Quellengrundlage psychopathologisiert werden, etwa im Zeichen des Cäsarenwahnsinns.1 Die Funktion von Krankengeschichten großer Männer – genau dort tauchten und tauchen sie noch stets am häufigsten auf – scheint mir die mal stillere, mal deutlicher ­ausgesprochene Hoffnung zu sein, genau den Mensch präziser treffen zu können. Im Angesicht des Kranken, Leidenden, zuweilen Gequälten scheint sich die Möglichkeit zu eröffnen, vom (vorgeblich) vorurteilsfreien Blick der Geschichtswissenschaft ins Menschliche (Allzumenschliche) zu geraten, um als sympathische – im Wortsinne mit-leidende – den Heroen gleichsam von Mensch zu Mensch unter leidenden (die wir ja alle sind) die Hand zu reichen. Dies scheitert bereits an der Quellenlage, birgt aber noch weitergehende Probleme. Denn mindestens ebenso schwierig wie die Einigung darüber, was denn der Mensch eigentlich wäre, der sodann Gegenstand einer historischen Betrachtung würde, ist die Festlegung, was eigentlich Krankheit ist. Dies ist eines der schwierigsten und gleichzeitig zentralen Probleme der Medizin­ theorie.2 Mit dem Benennen einer Krankheit ist von dem Leiden daran nichts verstanden. Eine Krankheitsbezeichnung verweist in der Hauptsache auf ein medizinisches Konzept, wie eine wie auch immer geartete „Störung“ zu erklären, zu erkennen und nach Möglichkeit zu behandeln ist. Das Problem verschärft sich, wenn nun Krankheiten Gegenstand von historischen Betrachtungen werden sollen. Denn was Krankheit ist – und was nicht – ist offenbar historisch und kulturell variabel und insbesondere von Konventionen abhängig, die innerhalb von Medizin und Gesellschaft für bestimmte Zeiträume und innerhalb eines spezifischen soziokulturellen Rahmens gültig sind.3 Es Holl / Kloft / Fesser. Hucklenbroich; Rothhaar. 3  Vgl. Arrizabalaga (2002), Nr. 1, S. 51–70; Leven (1998), S. 153–185. 1  Vgl. 2  Vgl.

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wird also auf völlig fremde Vorstellungen von der körperlichen und geistigen Verfasstheit des Menschen verwiesen, sobald vormoderne historische Zeiträume angesprochen sind. In diesem Sinne wird im Folgenden nicht in einem positivistischen, und damit für das 17. Jahrhundert völlig ahistorischen, Verfahren ermittelt, welche Krankheiten (im heutigen Sinne) Wallenstein „wirklich“ hatte, sondern versucht zu ermitteln, auf welche Bedeutungsräume innerhalb der seinerzeitigen Medizin und darüber hinaus das Quellenmaterial verweist. Es wird untersucht, was unter welchen Umständen, von wem und an wen adressiert über Wallensteins Krankheiten gesagt wurde; es geht um den Versuch zu verstehen, was damit gemeint gewesen sein könnte. 1. Keplers Horoskop und Wallensteins Krankheiten Die medizinhistorisch aussagekräftigste Schriftquelle zu Wallensteins Krankheiten findet sich ausgerechnet in dem schwierig zu deutenden Horo­ skop, das Wallenstein im Jahr 1608 als 25-jähriger bei dem kaiserlichen Hofmathematicus Johannes Kepler in Prag in Auftrag gab.4 Wie um den bereits berühmten Johannes Kepler zu prüfen, hatte Wallenstein seinen Auftrag anonym über den Arzt Stromair an den kaiserlichen Mathematicus gelangen lassen. Bereits an dieser Stelle tauchen erste Zweifel auf, immerhin bezeichnet Kepler das in seinem Besitz gebliebene und edierte Exemplar mit „ ‚Walt­ stein‘ [in einer Geheimschrift Keplers] a stromero [für den unmittelbaren Auftraggeber Stromair]“. Bereits Golo Mann rätselte: „Es ist behauptet worden, Kepler hätte gleich anfangs gewußt, wessen Horoskop er stellte. Wirklich schrieb er auf die Copie, die er für sich behielt, in seiner Geheimschrift den Namen ‚Waltstein‘. Aber kein Mensch kann sagen, wann er ihn schrieb; und es ist notorisch, daß er später, nämlich seit 1614, in der Tat wußte, um wen es sich handelte“.5 Zudem ist das ursprüngliche Horoskop für die Geburtszeit um 4 Uhr 30 um neun Minuten auf 4 Uhr 21 handschriftlich korrigiert, eine weitere Version datiert 4 Uhr und 1 ½ Minuten; darüber hinaus ist ein Horoskop – ungewisser Entstehungszeit – für die Geburtszeit 4 Uhr 42 überliefert.6 Schließlich scheint Kepler seine Arbeit dem Friedländer nicht unmittelbar zukommen lassen zu haben, sondern vermutlich erst einige Jahre später Anfang 1615, nachdem er durch den Leutnant von Taxis im Dezember 1614 daran erinnert wurde.7 4  Vgl. Kepler (2009), S. 445–475. Siehe dazu auch: Höyng (1990), Nr. 2, S. 142– 156, hier S. 145–147. Vgl. Mann, G. (1971), S. 104–115; Rebitsch (2010), S. 45–48, um nur auf eine ältere und eine neuere Wallenstein-Biographie zu verweisen. 5  Mann, G. (1971), S. 110; Kepler (2009), S. 445. 6  Vgl. Kepler (2009), S. 445 f., 455 f. 7  Vgl. Mann, G. (1971), S. 112.



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Spätestens bis zum Mai 1615 jedenfalls hatte Keplers Horoskop seinen Auftraggeber erreicht, der es nicht allein mit Interesse las, sondern verschiedentlich kommentierte. Wallenstein beließ es nicht bei der Kommentierung, sondern ließ diese erneut über von Taxis im Dezember 1624 Kepler – wiederum anonym – zustellen. Von anderen „Mathematicis“ sei ihm gewiesen worden, er werde „ex apoplexia sterben, auch […] sollte er extra patriam officia vnd gueter erlangen, dorten extra patriam sterben“; darüber hinaus möge Kepler „runt auß seine meinung ohne schew erkleren“.8 Daraufhin gab Kepler im Januar 1625 eine „Anderte Ercklärung“ zu seinem 17 Jahre zuvor erstellten Horoskop ab, nicht zuletzt, „auf das ich dem Gebornen den Wahn beneme, als ob so gar die Particularia aus dem Himmel vorzuesagen seyen“.9 Ganz offenbar bestanden zwischen dem Astronomen und dem Feldherrn recht unterschiedliche Auffassungen darüber, was ein Horoskop leisten könne. Gleichwohl ist die Darstellung Wallensteins als eines ins krankhafte reichenden abergläubischen Menschen eine krasse Überzeichnung.10 Ebenso wenig soll es im Folgenden darum gehen, ob Kepler in dem Horoskop ein zutreffendes Charakterbild des kommenden Feldherrn gezeichnet habe; erst recht nicht, ob bzw. inwiefern die Berechnung der Nativität dazu ein probates Mittel darstellt. An nur vier Stellen bezog sich Kepler in seinem ersten Horoskop für Wallenstein explizit auf gesundheitliche Fragen. Dabei argumentiert das Horo­ skop in einem Rahmen, der erhebliche medizinische Kenntnisse verrät. Von Wallenstein finden sich fünf Kommentare zum Eintreffen bzw. nicht-Eintreffen der Vorhersage Keplers. Davon bezieht sich einer auf Wallensteins Heiraten und das Schicksal seiner ersten Frau, alle vier weiteren auf (mögliche) Erkrankungen. Wallenstein kommentierte also sämtliche Stellen des Horo­ skops, die sich auf Gesundheitsangelegenheiten beziehen, darüber hinaus nur eine einzige, die über seine beiden Heiraten Auskunft gibt – alles Weitere blieb unkommentiert. Im Unterschied zu Kepler hielt es Wallenstein offenbar geradezu für eine herausragende Eigenschaft des Horoskops, auf die gesundheitliche Entwicklung hinzuweisen und darauf vorzubereiten. Medizinhistorisch sind die Kommentare von besonderem Belang, weil sie, wie keine vergleichbare Stelle in der umfangreichen Überlieferung zu Wallenstein, Selbstauskünfte über seinen Gesundheitszustand vermitteln. Generell war die Astrologie des 16. und 17. Jahrhunderts eine akzeptierte Wissenschaft, und als Teil des universitären Programms der artes gerade nicht trivial, sondern gemeinsam bzw. als Teil der Astronomie mit Geome­ trie, Arithmetik und Musik Teil des Quadriviums der mathematischen Diszi­ 8  Kepler

(1959), S. 218 f. (2009), S. 459. 10  So auch Rebitsch (2010), S. 48 nach Geiger. 9  Ders.

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plinen. Kepler hat die Astrologie mit der Medizin verglichen, insofern sie mit der ärztlichen Praxis gemein habe, hinsichtlich der Zukunft (wenn auch begründet) spekulativ zu sein.11 Auch die Medizin war kosmologisch verfasst, insofern die vier elementaren Grundfeuchtigkeiten des Leibs Wasser / Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle und Blut als Analoga zu den Elementen Wasser, Erde, Luft und Feuer, der menschliche (und im Prinzip auch der tierische) Leib mithin als Mikrokosmos aufgefasst wurde, der in vielerlei Hinsicht mit dem Makrokosmos in Verbindung stand. Dies galt im Besonderen für die großen Seuchen, allen voran die Pest. Wenn viele Menschen an einem Ort oder einer Region gleichzeitig erkrankten und ggf. starben, lag es nahe, eine gemeinsame Ursache anzunehmen. Diese wurde in „verdorbener Luft“ ausgemacht, die alle Betroffenen eingeatmet hatten und der alle Betroffenen ausgesetzt waren. Die Zusammensetzung und Beschaffenheit der Luft war sodann einerseits durch Ausdünstungen aus dem Erdreich, andererseits durch Klima- und Wetterverhältnisse beeinflusst, was weitreichende Seuchenzüge erklärbar machte. Besondere astronomische Konstellationen und astrologische „Ereignisse“ wiederum konnten die Luftbeschaffenheit verändern. Analog zum berühmten Pestgutachten der Pariser Medizinischen Fakultät angesichts des „Schwarzen Todes“ in der Mitte des 14. Jahrhunderts war es durchgängig plausibel, dass entsprechend ungünstige klimatische und Luftbedingungen jedenfalls auch durch besonders ungünstige astronomische Konstellationen begünstig wurden.12 Auch abseits vom gelehrten Diskurs finden sich einschlägige Erklärungsmuster im ausgehenden 15. Jahrhundert regelmäßig. Das Testament mit der Stiftungsurkunde des Nürnberger Pestlazaretts aus dem Jahr 1490 erklärte, dass durch diese Stiftung „Got der allmechtig in der vergenglichen welt am maisten als durch ein vernunftige creatur geeret wirdet, in leben zu enthalten und darauf zu herczen genommen, das zu den zeiten, so auß der verhencknuß des allmechtigen Gottes durch die wurckung der cörper des himmels sich in disen landen vergiftung des luftes und regirung der pestilenz begeben, als sich dann gemainklich in zehen oder zwelf jaren ungeverlich einmal erewget in diser loblichen stat Nurmberg“.13

Unter den nicht-individuellen Krankheitsrisiken spielte für die Medizin der gesamten Vormoderne eine verdorbene, „böse“ Luft die größte Rolle. Wo immer viele Menschen gleichzeitig erkrankten (und ggf. verstarben) lag es nahe, die Luft als dasjenige, was von allen Menschen an einem Ort durch die Atmung zwangsläufig geteilt wird, als „verdorben“ zu bezeichnen. Ebenfalls in Begriffen der Astrologie verbargen sich individuell wirksame mediziniHammer, Nr. 2, S. 113–135; Boner, Nr. 1, S. 7–20. Bergdolt, S. 21–26 (Pesttheorien im Spätmittelalter) und S. 65–75 (Die Pest in Frankreich). 13  Zit. nach Caesar, S. 1–213, S. 73 f., vgl. Mummenhoff, S.  98 f. 11  Vgl.

12  Vgl.



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sche Umstände. Die zwölf Sternzeichen wurden von der nachantiken Medizin jeweils in Dreiergruppen den vier Temperamenten zugeordnet und in entsprechenden Graden als heiß oder kalt bzw. trocken oder feucht klassifiziert. Daraus ergaben sich im Einzelfall komplexe individuelle Konstellationen, in denen unsere Grenze zwischen Astrologie und Astronomie als Bedingungen für die Leibesverfassung und die Körperzustände einzelner Personen und größerer Gruppen wenigstens undeutlich werden. Vor diesem Hintergrund sind Keplers an vier Stellen in dem Horoskop für Wallenstein geäußerte Bemerkungen zu den gesundheitlichen Entwicklungen seines Auftraggebers wenig dramatisch und durchaus unspektakulär. Für dessen 21. Lebensjahr – also einem 1608 bereits zurückliegenden Zeitpunkt! – beschreibt Kepler eine Konstellation, „da soll er mit dem leben gar khummerlich darvon khomen sein“, ohne irgendeine Krankheit konkret zu benennen.14 Für das 23. und 24. Lebensjahr solle sich „die gesundtheidt wider verbessert“ haben, im 28. Lebensjahr würde „er vermuettlich zue einem Kriegsbevelch oder sonst Politischer Dignitet befürdert werden, Er mag aber zuesehen, das er nicht zue hizig oder draz seye, das ers nicht mit der hautt bezahlen mueß, Oder felt er sonsten etwa in eine hize Kranckheidt“.15 Für das 39. oder 40. Lebensjahr erwähnt Kepler eine gefährliche Konstellation, die von einem Astrologen als Todeszeichen gedeutet würde, von der Kepler – und sich damit von den Astrologen beherzt distanzierend – lediglich befindet, der Auftraggeber möge nicht unbesonnen sein, um nicht „in gefahr der Ruhr oder Venerischen Kranckheidt“ zu geraten.16 Ab dem 67. Lebensjahr werde das Leben gesundheitlich schwierig („bringt flüsse“) und wohl im 70. Lebensjahr sei zu vermuten, „ihme werdt ein Viertäglich Fieber anstossen, oder ein kalter fluss, wölchen er bey diesem Alter schwährlich überwinden wierdt“.17 Einem etwa 25-jährigen wohlhabenden und wohl aufstrebenden jungen Mann aus dem höfischen Umfeld – soviel wohl durfte Kepler bei Erstellung des Horoskops über seinen Auftraggeber annehmen – noch gut 40 Jahre Lebenszeit vorauszusagen, dürfte in etwa der allgemeinen Erfahrung entsprechen. Dass ein Mensch des 17. Jahrhunderts jenseits der 65 Lebensjahre eine Fiebererkrankung kaum überleben würde, setzte ebenfalls keinerlei prophetische Gaben voraus. Auch die besondere Gefahr, die Kepler für Wallensteins 40. Lebensjahr voraussagt, ist nach dem Material aus der historischen Demographie hoch 14  Kepler

(2009), S. 451 f. S. 452. 16  Ebd., S. 454. 17  Ebd., S. 455. 15  Ebd.,

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plausibel. Wer sich mit 40 Jahren und darüber hinaus Aufgaben unterzog, die mit 30 noch leicht von der Hand gingen, oder sich benahm wie ein Halbstarker, „es sey mit fallen, springen, Kempfen, oder auch mit überfluß an essen vnd trinckhen“,18 der ging in der Tat ein zunehmend erhöhtes Verletzungs-, aber auch Erkrankungs- und damit Sterblichkeitsrisiko ein. Jeder Arzt seiner Zeit hätte Ähnliches geraten, nämlich ab etwa 40 sich darauf einzustellen, dass das kraftstrotzende Lebensalter zu Ende geht. Das Missverständnis zwischen Auftraggeber Wallenstein und seinem Sternendeuter Kepler lässt sich am besten an Keplers Vorhersage für das Jahr 1611 und Wallensteins Bemerkung dazu veranschaulichen. In diesem Jahr – astrologisch spielt Mars eine besondere Rolle – solle Wallenstein „zue einem Kriegsbevelch oder sonst Politischer Dignitet befürdert werden“;19 Kepler setzt hinzu, dieser möge aufpassen, nicht zu hitzig oder trotzig darüber zu werden, dann nämlich drohe eine hitzige Krankheit. Wallenstein annotierte dazu, indem er der gerade umgekehrten Logik folgte. In diesem Jahr 1611 sei er weder krank gewesen, noch zu einem Kriegsbefehl erhoben, aber ergänzt dazu: „Anno 1615 im Septemb(er) bin ich krankh worden, und gar khümmerlich mit dem leben darvon khomen, in diesen Jahr etlich wenig Monat vor meiner Kranckheidt bin ich zue einem Kriegsbevelch promovirt worden“.20

Während Kepler also aus einer besonderen Konstellation des Mars auf den Krieg, und daraus wiederum auf eine „Politische Dignitet“ Wallensteins schließt, in deren Zusammenhang – lege artis medicinae, wohlgemerkt – die Gemütsbewegungen leicht überhitzten, woraus die Gefahr einer „hitzigen“ Krankheit entstehen könne, argumentiert Wallenstein genau umgekehrt: Er sei in diesem Jahr weder erkrankt, noch habe er einen Kriegsbefehl erhalten, um dann hinzuzusetzen, vier Jahre später sei er schwer erkrankt, kurz nachdem er den Kriegsbefehl erhalten habe. Abseits der Beurteilung von Keplers im engeren Sinne astrologischen Fähigkeiten ergibt sich aus dem Horoskop dessen medizinische Kenntnis und Wallenstein bestätigte ihn darin. Zwei namentlich erwähnte und verschiedentlich umrätselte Krankheiten spielen eine besondere Rolle, denen ich mich im Folgenden widmen möchte: dem Podagra, zuerst aber der Ungarischen Krankheit.

18  Ebd.,

S. 454. S. 452. 20  Ebd., S. 453. 19  Ebd.,



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2. Die Ungarische Krankheit Die berüchtigte „Ungarische Krankheit“21 wird zweimal von Wallenstein in seinen Annotationen zum Keplerschen Horoskop erwähnt. Kepler erwähnte in seinem dem 25-jährigen Wallenstein erstellten Horoskop bereits rückschauend, in seinem 21. Lebensjahr sei Wallenstein schwer erkrankt („da soll er mit dem leben gar khummerlich darvon khomen sein“). Wallenstein ergänzte später dazu, erst im Jahr darauf „habe ich die Vngrisch Kranckheidt, vnd die Pest gehabt.“ Für einen 15 Jahre späteren Zeitpunkt bemerkt Wallenstein „Anno 1620. in Julio bin ich auf den Todt kranckh gewest, vnd die Kranckheidt vermein ich, das ich miers mit trinckhen causirt hab, hatt auch sollen die Vngerisch Kranckheidt werden, aber die Experienz vnd fleiß des Medici ist dem balt bevorkhomen.“22

Es fällt zuerst einmal ins Auge, das Kepler die „Ungarische Krankheit“ nicht erwähnt, schon gar nicht vorhersagt. Selbst in der Rückschau auf das zum Zeitpunkt der Horoskoperstellung bereits zurückliegende 21. Lebensjahr seines Auftraggebers ist zurückhaltend von einer erheblichen Gefährdung die Rede, ohne dass Kepler etwa eine Erkrankung beim Namen nennt. Erst in seiner „Anderten Ercklärung von Januar 1625“ erläuterte Kepler den eben zitierten Kommentar Wallensteins, „die Directio Ascendentis ad Corpus Saturni hab hierzue anleittung geben“, nämlich den Versuch des Körpers, sich einer „bößen feuchtigkheidt zuentladen, aus welchem außtrib ein Vngerische Kranckheidt worden.“23 Allein aus der Parallelisierung von Ungarischer Krankheit und Pest geht hervor, dass Wallenstein mit Ungarischer Krankheit eine offenbar sehr gefährliche Erkrankung bezeichnet, die leicht zum Tod führen kann und darüber hinaus leicht übertragbar ist. Gleichzeitig aber ist ein Krankheitsgeschehen bezeichnet, über dessen mögliche Ursachen in der Lebensführung („das ich miers mit trinckhen causirt hab“) Wallenstein durchaus im Bilde war, während Kepler 1625 die Ursache medizinisch-theoretisch („böse Feuchtigkeit“) präzise einordnet. Schließlich aber handelte es sich nach Wallenstein um eine behandel- und vor allem heilbare Erkrankung. Sie war bereits in einem Vorstadium erkennbar („hatt auch sollen die Vngerisch Kranckheidt werden“)24 und dann durch erfahrene Ärzte in ihrer Entwicklung durchaus zu verhindern („aber die Experienz vnd fleiß des Medici ist dem balt bevorkhomen“).25 21  Eine aktuelle Interpretation der „ungarischen Krankheit“, der ich weitgehend folge, bei Bähr (2013), S. 260–295; vgl. ders. (2005), S. 359–373. 22  Kepler (2009), S. 454. 23  Ebd., S. 457. 24  Ebd., S. 454, Hervorhebung FD. 25  Ebd., S. 454.

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Die Ungarische Krankheit gehörte zu den von der Medizin des 16. und 17. Jahrhunderts viel beklagten neuen Krankheiten. Nach den im Zuge der Renaissance im Laufe des 16. Jahrhunderts erstmals im Druck und damit in neuer, im Wortlaut vergleichbar vorgelegten autoritativen Schriften der antiken Medizin (1525 Galen bei Aldus und Asulanus in Venedig, 1526 Hippokrates ebd.) gerieten Krankheitsbilder zum ernsthaften Problem, deren Dia­ gnose und Therapie keiner der autoritativen Vorlagen der Antike folgen konnten. Bekanntestes Beispiel ist die Franzosenkrankheit, für die Girolamo Fracastoro ersatzweise im antikisierenden Mythos vom Schafhirten Syphilos gleichzeitig die moderne Krankheitsbezeichnung lieferte.26 Entsprechend detailliert waren die Versuche, medizinisch-wissenschaftlich der Ungarischen Krankheit Herr zu werden. Bereits die uneinheitliche Nomenklatur fällt auf. Im Auftrag des Rats der Stadt Nürnberg haben die dortigen Stadtärzte 1572 ihre „Anzaig vnd bericht […] die jetztregierende geuer­ liche Haubtkranckheit belangend“ im Druck ausgehen lassen. Dort heißt es: „Dise ietzt schwebende Kopff oder Vngerische kranckheit ist nichts anders / dann ein böß / gifftig / vnartig / hitzig Pestilentzisch Fieber / welches seinen vrsprung hat / auß innerlicher böser feulung des geblüts“.27 Annemarie Kinzelbach hat im Quellenmaterial des frühen 17. Jahrhunderts zu den Reichsstädten Überlingen und Ulm die allgemeinere Beschreibung „hitziges Fieber“ sowie die Bezeichnungen „Hauptsucht / Heuptkrankheit“, „Hauptwee“ sowie „Ungarische Krankheit“ gefunden und tabellarisch zusammen gestellt.28 In Überlingen sind alle vier für das Jahr 1634 verzeichnet, ein Auftreten einer „Ungarischen Krankheit“ und eines „hitzigen Fiebers“ nur in diesem Jahr. Dagegen finden sich Quellenbelege für die „Hauptsucht“ überdies noch für 1626 und 1627, für das „Hauptwee“ für die Jahre 1603, 1623, 1627. Noch unübersichtlicher ist die Situation für Ulm, wo die „Hauptsucht“ gar nicht, dagegen das „Ungarische Fieber“ für 1611, 1627, 1638 und 1639 erwähnt wird, während sich eine Belegstelle für ein „Hauptwee“ bereits 1610, für „hitzige Fieber“ dagegen 1610, 1611, 1633, 1635, 1638, 1639 sowie regelmäßig in den 1670er- bis 1690er-Jahren finden. Der ehemalige Gießener Medizinprofessor, seit 1622 Ulmer Stadtarzt Gregor Horst(ius)29 fasste die seines Erachtens wesentlichen Punkte in einer 26  Vgl. Fracastoro. Vgl. Kinzelbach (1995a); Arrizabalaga / Henderson / French; Stein, C.; Henderson, S. 175–194. 27  Anzaig und Bericht der Statt Nürnberg verordenten unnd geschwornen Doctorn der Artzney, die jetztregierende geuerliche Haubtkranckheit belangend, Nürnberg 1572 (np). 28  Kinzelbach (1995b), S. 156–158; danach die Aufstellung in diesem Absatz. 29  Zur Biographie vgl. Koch, H.-T., S. 25–38.



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Abhandlung aus dem Jahr 1633 (die einer kürzeren Schrift aus dem Januar 1622 folgt) zusammen: „Betreffendt jetzo weit vnnd breit regirende genandte Hitzige Kranckheit / von etlichen die Vngerische Fiebersucht / oder ansteckende Hauptkranckheit genennet / ist solche ein Stettwehrendes Hitziges böß ansteckendes Fieber / welches innerlich vervrsachet eine versamblete Schleimige Pflegmatische / mit etwas gallen / jetzt mehr / jetzt weniger / vermischte Feuchtigkeit / die sich vmb den magen / ingewayde / gekröß / vnd umbliegende dawungsglieder vberheuffet / vnd zur sonderlich verderbten fäulung angesetzt hat / […] Dessen feule auffwallende schädliche dünste vnd dempfe / das Geblüt einnemmen / vnd nicht / wie in gemeinen Fiebern / baldt von der Natur vberweltiget vnd vertheilet werden können / sondern sich hier vnd da / so wol in eusserlichen / als auch innerlichen gliedern gleich wie ein gerunnene milch / oder der Weinstein in dem Vaß / oder ein gebrochner Harn sich coaguliren / samlen / vnd allerley vngemach anrichten“.30

Außer den vier humores, den elementaren Grundfeuchtigkeiten Schleim, Blut, gelbe und schwarze Galle, die von dem Ulmer Stadtarzt und der Me­ dizin seiner Zeit para-materiell vorgestellt werden, existierten mithin im menschlichen Körper abgeleitete, tatsächlich materielle, vermischte Feuchtigkeiten, die sich an bestimmten Stellen im Körper ungut ansammeln konnten und komplizierten biochemischen Prozessen („Fäulung“) ausgesetzt waren, deren „aufwallende schädliche Dünste und Dämpfe“ im Körper allerlei Unheil anrichteten. Im Falle der Ungarischen Krankheit, die deswegen als Krankheit des Kopfes („Hauptkrankheit“) bezeichnet wurde, insbesondere, wenn diese Dünste aus dem Bauch in den Kopf der Betroffenen stiegen. Das Ganze wird darüber hinaus als „böß ansteckend“ bezeichnet, kann also durch ungünstige Umstände, die außerhalb des Körpers herrschen, in den bzw. die nächsten Körper gelangen. Schließlich konnten die Seuchenerkrankungen auch mehr oder weniger gleichzeitig auftreten, wie für 1635 aus Ulm berichtet, als „die Pestilenz, die Hitzig, und auch die Gallen Kranckheit“31 wüteten. Oder aber eine präzisere Unterscheidung lohnte kaum, weil sie sich einander ähnelten, wie – ebenfalls in Ulm – 1638, als der Ausbruch einer Seuche befürchtet wurde, die „einer ungarischen Krankheit und einem pestilenzischen Fieber gleich“32 käme. Jedenfalls sticht ins Auge, dass die ungarische Krankheit regelmäßig mit der Pest – ebenfalls regelmäßig im übertragenen Sinne gebraucht –33 im engen Zusammenhang genannt wird. Weder die Nomenklatur noch die im engeren Sinne medizinisch-wissenschaftliche Fachliteratur des 17. Jahrhunderts erlauben also eine sinnvolle 30  Horst

(1633), S. 1 f.; vgl. ders. (1624), S. 99 f. nach Kinzelbach (1995b), S. 159 f. 32  Ebd. 33  Dies., S. 155–165. 31  Zit.

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Übersetzung von Ungarische Krankheit in Begriffe der Medizin des 20. oder 21. Jahrhunderts. Außerhalb des Körpermodells der Vormoderne kann nicht sinnvoll über eine Ungarische Krankheit gesprochen werden. Im Unterschied zur Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts, die die Ungarische Krankheit gerne als Fleckfieber interpretiert hat, war die Medizin der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus vorsichtiger. Ein achtseitiger Artikel in Band 17 des „encyclopädischen Wörterbuchs der medicinischen Wissenschaften“ zum Lemma „Hungaricus Febris“ spricht zurückhaltend von einem „Typhus von eigenthümlicher Form“ und paraphrasiert auf knapp drei Seiten die bereits 250 Jahre alte Beschreibung des Krankheitsbildes durch Thomas Jordan im Jahr 1576.34 Obwohl der Autor des Artikels, Prof. Hecker aus Berlin, Jordans Angaben nur wenig vertraut, da dieser nur eine einzige Leichenöffnung erwähnt, seien Obduk­tionen späterer Autoren aufgrund „der grossen Unkunde der Anatomie“ erst recht durch „mancherlei sonderbare Ansichten“ wenig Vertrauen erweckend.35 So etwa wenn der Befund der Obduktion von am Ungarischen Fieber Verstorbenen für „eine Fäulnis des Gehirns, die der Erzeugung von Würmern günstig sei“, gedeutet, Entwurmungsmittel dagegen verordnet und das Synonym „der Hirnwurm, cerebri vermis“ vorgeschlagen worden sei.36 Zu Grunde liegen allen detaillierteren medizinischen Beschreibungen die 1576 erschienenen „Pestis Phaenomena“ des Klausenburger Arztes Thomas Jordan. Dort ist das Kapitel 19 der „Lues Pannonica“ gewidmet.37 Ganz offenbar war die Krankheitsbezeichnung indes bereits vorher gebräuchlich, wie die eben zitierte Denkschrift der Nürnberger Stadtärzte aus dem Jahr 1572 belegt.38 Jordan war als Generalarzt der Armee Kaiser Maximilians II. während der Feldzüge gegen Süleyman 1566 Augenzeuge im Lager von Komorn an der Donau, wo er einen grausamen Ausbruch der seither so genannten Ungarischen Krankheit erlebte und zahlreiche Erkrankte noch nach ihrer Rückkehr in Wien behandelte.39 Zu den Begleiterscheinungen gehört ein brennender Durst, den die Soldaten mit literweise miserablem Wasser, die 34  Encyclopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften, Bd. 17 (Homoplata-Iliacus musculus), Berlin 1838, S. 159–167. 35  Ebd., S. 162. 36  Ebd. 37  Thomae Iordani Medici Pestis Phaenomena Sev De ijs quae circa febrem pestilentem apparent, exercitatio, Francofurti 1576. Cap. 19: De Lue Pannonica, S. 219– 239. 38  Anzaig und Bericht der Statt Nürnberg verordenten unnd geschwornen Doctorn der Artzney, die jetztregierende geuerliche Haubtkranckheit belangend, Nürnberg 1572 (np). 39  Thomae Iordani Medici Pestis Phaenomena Sev De ijs quae circa febrem pestilentem apparent, exercitatio, Francofurti 1576. Cap. 19: De Lue Pannonica, S. 219– 239.



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Offiziere mit ebenso viel schlechtem Wein gestillt haben – darauf könnte Wallensteins Bemerkung „das ich miers mit trinckhen causirt hab“40 zurückzuführen sein. Mit den zurückkehrenden Truppen erreichte die Seuche bald Wien, wo sie ebenfalls unzählige Opfer hatte, und breitete sich zum Ende des 16. Jahrhunderts in ganz Kontinentaleuropa aus – die Ungarische Krankheit wurde die Soldaten-, Feld- und Lagerseuche des Dreißigjährigen Krieges. Dies ging bis in die Titel der medizinischen Fachliteratur, wie 1684 bei Johann Georg Sartorius „De Morbo Militari Seu Castrensi, Vngarico communi Nomine dicto“.41 Die zitierten Empfehlungen des Gießener Medizinprofessors und Ulmer Stadtarztes Gregor Horst(ius) sind ausdrücklich „dem nohtleidenten armen Mann / vnnd auch hin vnd wider hülffloß liegenden gemeinen Krancken Soldaten“42 gewidmet. Allein während des Stellungskriegs an der Alten Veste im Jahr 1632 sollen gut 30.000 Menschen daran zu Grunde gegangen sein.43 Die Ungarische Krankheit, und das sollten wir immer mitlesen, wenn im 16. oder 17. Jahrhundert davon die Rede ist, war wie keine andere eine Krankheit von Krieg und Gewalt. Das beginnt mit ihrem Ursprung, der nicht zuletzt besagt, dass diese Seuche Reichsheere vernichtet habe, wie es die osmanischen Truppen militärisch nie vermocht hätten; sie wurde, wie es im 18. Jahrhundert hieß, „der Teutschen Kirch=Hof“.44 Dies wiederum wurde in der medizinischen Literatur zum Ungarischen Fieber seit Thomas Jordan thematisiert, indem die Furcht als wesentliche Ursache der Faulungsprozesse im Körper betrachtet wurde.45 Bei dem Münsteraner Stadtarzt Bernard Rottendorf heißt es 1628 dazu: „[…] das in den Kriegslägern vnd Belägerungen die Pestilentz vnd andere giffitge Fieber / nicht allein auß der feule / auch nicht auß den Gestanck der erschlagenen Cörper / sonder offt vnd vielmahl auß angsthafftigkeit / schrecken / zittern vnnd forcht des Todtes / entspringen: dann diese vnnd dergleichen Anmühungen / regen vnd bewegen / rüren vnd führen / verenderen vnnd betrüben das Geblüt / vnnd andere feuchtigkeiten / gleich wie die grosse Hitz / wenn die Sonn in Syrio hauset / den Wein in den Fässeren trüb vnd vnrein macht. Setzet hinzu das die Todtengräber / Kranckenpfleger / vnnd andere welche den sterbenden gemeinlich beywoh40  Kepler

(2009), S. 454.

41  Sartorius. 42  Horst

(1624), S. 127 f. (2017), S. 600–606, geht von „mindestens 29.000“ menschlichen Todesopfern allein in Gustav Adolfs Lager aus (S. 604); vgl. Beyerstedt; Lammert, S. 127– 159. 44  Bähr (2005). 45  Vgl. ders. (2013), S. 266: „Vermittelt über das Ungarische Fieber erlitten die Soldaten eine tödliche Gewalt, indem sie sich vor tödlicher Gewalt fürchteten; und dies war vornehmlich jene der Türken.“ Die Thematisierung der Furcht vor der Pest spielt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine vergleichbare Rolle, vgl. Dross, S. 303–324, speziell S. 320 f. 43  Wilson

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nen vnnd außwarten / (ohnangesehen sie offt leibig vnnd voll böser feuchtigkeiten sein) gar selten von Fiebern vnd Pestilentzen angetastet vnd behafftet werden / dero vrsachen; weiln sie sich zum öffteren mit einem guten Trunck erfrischen vnd erfrewen / wa durch sie mütig vnnd behertzt werden / vnd also aller forcht vnnd angst (welche die Kranckheiten vervrsachen / ) vergessen“.46

Gleichzeitig konnten „Schwermutigkeit / furcht / wiederwillen deß Gemühts“ als Symptome der Ungarischen Krankheit gelten;47 Gemütszustände konnten also sowohl als Ursache wie auch als Folge bzw. Zeichen der Erkrankung gedeutet werden. Wenn es also für Wallenstein darum gegangen war, eine tödliche Bedrohung in termini der Medizin zu formulieren, lag die Ungarische Krankheit auf der Hand. 3. Wallensteins Zipperlein Völlig anders verhält es sich mit dem Zipperlein. Neben mehreren Erwähnungen im Corpus Hippocraticum und bei Galen war die als dauerhaft-chronisch und äußerst schmerzhaft beschriebene „Gicht der Füße“ bereits in der Antike auch Gegenstand der Literatur, nicht zuletzt der Satire.48 Die deutsche Bezeichnung „Zipperlein“ scheint in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zuerst in Nürnberg aufgetaucht zu sein und erlebte seit dem 16. Jahrhundert allergrößte Beliebtheit. Der Artikel „Zipperlein“ im Grimmschen Wörterbuch umfasst ganze fünf Spalten.49 Für das 16. und 17. Jahrhundert ist das Zipperlein die konkrete deutsche Bezeichnung für das Podagra, zuweilen wird da­ runter auch die (seltenere) Gicht der Hände, das Chiragra gefasst; erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert kommt es vorerst noch langsam zu einer Verallgemeinerung; bei Adelung ist unter dem Lemma von einer „im Hochdeutschen größten Theils veraltete Benennung, sowohl des Podagra, als des Chi­ ragra“ die Rede.50 Der aktuelle Duden (online) verzeichnet zu der in der Vormoderne als äußerst unangenehm und schmerzhaft dargestellten Erkrankung „1. Gicht, 2. Gebrechen, Wehwehchen“.51 Aus einer seit der Antike als ganz außerordentlich schmerzhaft geschilderten Erkrankung wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts eine alltagssprachliche Verballhornung im Sinne eines Leidens von Menschen, die eigentlich nichts zu beklagen hätten. 46  Rottendorf,

S.  13 f. (1633), S. 1 f. 48  Stamatu, S. 356–358. 49  Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961; „Zipperlein“ Bd. 13, Sp. 1564–1569 http: /  / www.woerter buchnetz.de / DWB?bookref=31,1564,66 (31.10.2017) 50  Adelung, Sp. 1724 http: /  / www.woerterbuchnetz.de / Adelung?bookref=4,1724,16 (29.10.2017). 51  https: /  / www.duden.de / node / 676586 / revisions / 1313495 / view (29.10.2017). 47  Horst



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Anklänge dieser inzwischen fast ausschließlich gemeinten Bedeutung finden sich ebenfalls bereits seit der Antike, denn das Podagra war sozial präzise verortet: Es war die Krankheit der Fürsten und Herrscher und wird etwa auch von den byzantinischen Kaisern des Hochmittelalters berichtet.52 Die Stoßrichtung der Satire ist daher klar. In Hans Sachs „gesprech der Götter ob der Edlen vnd Burgerlichen Kranckheit des Podagram oder Zipperlein“ heißt es: „Das Podagra der Bawren schont / Nur bey reychen vnd edlen wont“.53 Im Unterschied zur Ungarischen Krankheit sprach der Horoskopsteller Kepler die Erkrankung Podagra in seinem Horoskop unmittelbar an. Wenn ab dem 47. Lebensjahr Reichtum, Macht und Ansehen des Auftraggebers dermaßen zunehmen, habe er in Kauf zu nehmen, dass er „darneben das Podagra [weill er sonsten starckher Complexion, vnd nicht villen Kranckheitten vnderworffen] zuer zuebueß bekhomen“ werde.54 Dazu reklamierte der Feldherr und Kriegsunternehmer Wallenstein in einer Anmerkung, er habe das Podagra bereits „Anno 1620. im April bekhomen, aber gehet biß dato noch gar gnedig darmit zue, vnd schier ohne schmerzen“.55 Wallenstein betont damit nicht zuletzt, dass er bereits ein Jahrzehnt früher als von Kepler angedeutet, mächtig, reich und einflussreich geworden sei. Für die Medizin des frühen 17. Jahrhunderts will ich aus der Unmasse der medizinischen Spezialliteratur den späteren Stadtarzt in Breslau, Martin Pansa, anführen.56 Sein 1613 publiziertes „Consilium Antipodagricum“ erklärt das Zipperlein mit der Ansammlung überflüssiger phlegmatischer Materie in und um das Gehirn, die nach und nach in die unteren Gliedmaßen absackt. Dazu komme eine hitzige Leber, die als das Blut produzierende Organ die Adern mit zu viel Blut versorge, das, wenn es keinen anderen Ausgang findet, ebenfalls in die unteren Gliedmaßen absackt, die dort bereits ungut angesammelte Materie erhitzt und damit im Wortsinne entzündet.57 Ein besonderes Problem war die Möglichkeit, dass sich Krankheiten, insbesondere miteinander verwandte, ineinander verwandeln konnten. So hat Ulrich von 52  Vgl.

Leven (1991), S. 73–104. Vgl. die zahlreichen satirischen Belegstellen im Grimmschen Wörter-

53  Sachs.

buch.

54  Kepler 55  Ebd.

56  Pansa.

(2009), S. 455.

57  Vgl. ebd., S. 39 f.: „Der rechte Vrsprung deß Zipperleins ist nicht allein das Gehirn / in dem sich viel vberflussiges phlegmatisches wesens samlet / beydes in des Gehirns Substantz / so wol auch ausserhalb der Hirnschalen / vnd nachmals in die vntern Gliedmassen von sich scheubet: Sondern auch eine hitzige Leber / so wol die Blutadern / in welchen das Blut vberheuffet / lufft vnd außgang suchet / vnd so denselben nicht findet / pflegt es in Schenckeln / dahin sichs heuffiger begeben / auff einander zuerhitzen / vnd die vmbliegenden Gliedmassen auszuspannen.“

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Hutten die Möglichkeit erörtert, dass aus der Franzosenkrankheit ein Podagra entstehen könne.58 Entsprechend erklärte auch Kepler zu Wallensteins Bemerkung, er habe 1605 die „Ungarische Krankheit und die Pest gehabt“, dass die astrologische Zuordnung durchaus mehrdeutig ausfallen könne: „Aber vor beschehener Sach ist es kheine nottdurfft gewest, das es eben hette müssen die Vngerische Kranckheidt und die Pest sein, dann es werden dem ­Saturno auch sonsten andere mehr Kranckheidten zugeschriben als da ist Quartana, dem Mercurio auch scharfe Flüß, der vermüschung Jovis und Mercurij auch corruptio humorum, Putredines, Lungsucht, oder auch Morbus Galli­cus“.59

Pansas „Consilium Antipodagricum“ betont aber durchaus auch die sozial differenzierende Funktion des Zipperlein: „Denn gleich wie die Vogel sich auff dem vogelherd lustig machen / sich allda etzen vnd fretzen / vnnd sich keines vnglücks vnd gefahr besorgen: Jn dem sie aber am sichersten sein / vnd sich wol gefüttert haben / werden sie vnversehens im Netz also gefangen / daß sie sich daraus nicht extriciren oder expediren können. Also gehet es auch den Podagricis, wenn nu dieselbige in allerley Wollüsten also fortfahren / derselben gewohnet / vnd nu sein angekörnet worden / so werden sie mit dem Podagra gar plötzlich vnd vnversehens vberfallen / das sie nicht wissen / wofür sie es halten sollen / vnd müssen das tantzen eine zeitlang einstellen“.60

Allerdings transponiert Pansa das Motiv auf eine moralische Ebene: „Da­ rumb der Cyprian nicht allein eine Herrnkranckheit ist / sondern auch der Knechte / die dem Baccho vnd dem Bauch mit fleiß gedienet haben / wiewol sie ehe beym Bürger / als beym Bawer einzeucht / dieweil es jener legt auff Küssen / dieser aber achtet es so hoch nicht / sondern tritt es in Koht vnd Mist mit füssen“.61 Belegt wird dies mit der Geschichte eines Podagrischen, der schließlich seinen Reichtum verfressen und versoffen hatte, und als armer Landkrämer seinen Lebensunterhalt zu besorgen hatte, worauf ihn auch das Zipperlein wieder verließ: „Da sihet man / was meßigkeit / vnd die bewegung in verzehrung allerley vberflusses vnd in vertreibung der Kranckheiten vermöge / vnd was dargegen trägheit vnd füllerey verursachen können“.62

Zu der herrschaftlichen Verortung des Zipperleins passt nicht zuletzt die Differenz zwischen dem armen Landkrämer, der seine weiten Wege schlecht bekleidet zu Fuß geht, und der Schuhmode der gehobenen Kreise, vor allem aber der Bewegung hoch zu Ross: „Vnd dieses [die Erkrankung an Podagra, FD] kan desto ehe vnd mehr geschehen / wann der Mensch mit engen Schuhen / oder engen Stiffeln die füsse krenStein, C., S. 81, S. 243. (2009), S. 458 f. 60  Pansa, S.  57 f. 61  Ebd., S.  50 f. 62  Ebd., S. 54. Zur moralischen Deutung der „ungarischen Krankheit“ vgl. Kinzelbach (1995b), S. 197. 58  Vgl.

59  Kepler



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cket / vnd martert / die Strümpffe gar zu hart bindet / im reitten sich zu hart mühet / vnd in die Steichreiff zu fest anstemmet. Wie denn auch etliche reitende vber dieses mit engen Steichreiffen / vnd mit eingebogenen gekrümmten Zehen die Nerven vnd Banden an füssen also zu schanden bringen / das sie desto ehe vnd mehr Podagrisch werden / Ob zwar solches von den Politicis gelobet wird“.63

Der Söldner Peter Hagendorf kannte solche Sorgen nicht: nach seinem Tagebuch hatte er vielmehr allergrößte Mühe, überhaupt an Schuhe zu kommen, und ist größere Teile seines Dienstes im Dreißigjährigen Krieg mit Märschen zwischen Modena und Stralsund von insgesamt etwa 25.000 Kilometern vermutlich barfuß gelaufen. 1641 war er kurzfristig in den Besitz eines Pferdes gekommen, um seine schwer erkrankte Frau nach Ingolstadt bringen zu können. Dort hatte er das Pferd verkaufen müssen, um deren Kur bei einer Henkersfrau zu bezahlen.64 Um Wallenstein entspannen sich 1632 Gerüchte, ob dieser angesichts seines Zipperleins überhaupt noch stehen könne oder seine Tage während der Schlacht bei Lützen in einer Sänfte zubringe – der Gegenbericht dazu lautet, er habe sich in einer Sänfte zur Aufmunterung seiner Truppen tragen lassen, dann aber doch sein Kampfross bestiegen, dessen Steigbügel mit Seide umwickelt waren.65 Ein bei Wittstock gefallener schottischer Kämpfer war nach Ergebnissen der Schlachtfeld­ archäologie erst Anfang / Mitte Zwanzig und hatte vor seinem Tod auf dem Schlachtfeld bereits mehrfach Hunger und Krankheiten überlebt.66 Für die Kur der Podagra wurden – wie bei allen Erkrankungen, die nicht ohnehin von Brechdurchfällen begleitet waren – starke Purgationen empfohlen, um „allerley vnrath aus dem Leib zu schaffen“.67 Von den Behandelten wurden allerdings Brechmittel üblicher Weise als sehr viel unangenehmer empfunden als Abführmittel, so dass solche dann für unsere Verhältnisse ziemlich hochdosiert eingenommen wurden. Der Nürnberger Humanist Willibald Pirckheimer, der seinerseits dem „zarten Fräulein auß Cypern [eine 63  Pansa,

S. 53. Peters. 65  Vgl. Wilson (2017), S. 609: „Oft kolportierte Berichte, wonach Wallenstein den Tag in einer Sänfte verfrachtet zugebracht habe, sind Produkte schwedischer Propaganda. Trotz seiner Gichtschmerzen bestieg er sein Pferd, um einen energischen Abwehrkampf zu leiten.“ Mann, G. (1971), (S. 881: „Der Leidende [Wallenstein] verlässt seine Sänfte und sitzt auf samtumwickelten Steigbügeln. Nach den einen soll er von Gruppe zu Gruppe geritten sein mit Worten der Ermutigung; nach den anderen nur stumme, dunkle Blicke auf die Reihen der Gladiatoren geworfen haben.“ Vgl. Klein, S.  91 f. 66  Vgl. dazu auch den Beitrag von Arne Homann in diesem Band. 67  Pansa, S. 55: „So kan auch das Podagra bey denjenigen einziehen / welche zu gewisser zeit allgemeine purgationes gebraucht / allerley vnrath aus dem Leib zu schaffen / vnd also vor Kranckheiten sich zubewahren / so sie die purgationes vbergangen vnd aus nachlessigkeit hindan gesetzt.“ 64  Vgl.

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Fritz Dross

gängige Anspielung auf das Zipperlein] […] ein zeit lang zu Hoff [hat] auffwarten müssen“, tauschte sich mit seinem Freund Lorenz Behaim in Bamberg über einschlägige Purgiermittel aus. Von einer Rezeptur – „Huppelein“ – berichtet Behaim, er habe davon zwei genommen und acht sedes – an einem Tag! – gehabt.68 In diesen Maßstäben gilt es, über Wallensteins letzte Apothekerrechnung69 nachzudenken. Sowohl im „ungarischen Fieber“70 als auch zur Prävention und Behandlung des Zipperleins wurden kräftige Abführmittel empfohlen. Aus der Verordnung, dem Kauf und der Einnahme starker Abführmittel kann daher kaum unmittelbar darauf geschlossen werden, dass Verstopfungen behandelt werden sollten. Wallenstein war, das können wir aus der Bemühung um Arzneimittel und den dafür aufgewandten Mitteln schließen, in Sorge um seine Gesundheit und er besorgte sich Abführmittel zur Reinigung des Leibs und Räuchermittel zur Reinhaltung der Luft.71 Da das Zipperlein allerdings nicht wesentlich als ansteckend und über die Luft vermittelbar eingeschätzt wurde, scheint sich Wallenstein dermaßen geschwächt gefühlt zu haben, dass auch anklebige, durch die Luft übertragbare, Krankheiten ihn sehr viel schneller würden anfallen können. Einigermaßen zuverlässig können wir aus der Verordnung von Abführmitteln jedoch darauf schließen, dass der Generalissimus eine ebenfalls weit verbreitete Erkrankung, speziell unter Männern im gehobenen Lebensalter, nicht hatte: die Hämorrhoiden. Einerseits würde er unter diesen Umständen vielleicht doch eher Brechmittel bevorzugt haben, andererseits und vor allem aber machte die in der Medizin der Zeit durchaus geschätzte „güldene Ader“ starke Purgationen und häufige Aderlässe überflüssig, da sie eine analoge Wirkung auf die Reinigung des Geblüts hatte.72 68  Eckert / von

Imhoff, S. 184–218, hier S. 194 f. G. (1971), S. 1180–1184 („Fragment zu Wallensteins letzter Krankheit“). 70  Horst (1624), S. 109: „Betreffend nun die Curation / wenn einer von dieser Kranckheit angegriffen wird / ist vor allen Dingen nöthig / daß alßbald ein Purgation gebraucht werde / welche die pflegmatische Versamblung vmb den vntersten Leib hinweg nehme“; Horst empfiehlt überdies schweißtreibende Arzneien. 71  Vgl. Pansa, S. 69: „Jn summa so ist das erst hülfsmittel 1. eine gute diaet. 2. das Brechen. 3. das purgiren durch stulgäng. 4. die Aderlässe. 5. das schrepffen. 6. die schweistreibende mittel. 7. die warmen bäder. 8. die sterckungen / zum Haupt / Schenckel vnd gantzen Leib gehörig / darzu gleichsfalls die warmen bäder können gerechnet werden. 9. die mittel / so eigentlich vors Podagram dienen / vnd specifica genennet werden.“ 72  Ebd., S. 55 f.: „Ebener massen kan das Podagra die jenigen vberfallen / welche schrepffen vnd aderlassen wegen des vberheufften Bluts gebraucht / dieselbige aber nachmals ohne erhebliche Vrsach vbergangen / vnd eingestellt. Denn in solchem fall kan das Blut / wenn es seine gewöhnliche außgeng / entweder durch die gülden Ader / oder Gebermutter etc. nicht finden mag / vnruhig gemacht / vnd in den Adern hin vnd wieder zu fliessen angetrieben.“ 69  Mann,



Wallensteins Zipperlein

269

So, wie in der Ungarischen Krankheit die Furcht gefährlich oder als Anzeichen der bereits eingetretenen Erkrankung gedeutet werden konnte, war beim Zipperlein der Zorn zu vermeiden. „Zum sechsten sol ein jeder / der sich vor dem Podagra praeserviren wil / die bewegungen des Gemüts im zaum halten / vnd denselben nicht zu viel nachhengen / sonderlich sich für zorn hüten: Denn der zorn beweget das Geblüt mit gewalt in einem augenblick / treibet also gutes vnd böses in die glieder. Eben dieses vermag auch die vielfeltige sorg vnd traurigkeit zu thun / weil es gewiß / das wir keinen ergern Feind haben / der vnserm leben mehr zu wieder sey / als eben die sorg / traurigkeit vnd bekümmerniß / dadurch der natürliche safft vnd krafft dermassen ausgetrucknet vnd abgemattet wird / das er bey zeiten verwelcken vnd vergehen / vnd in mittelst allerley rohes wesen vnd melancholisches geblüt zunemen muß“.73

Auch dies ist mitzulesen, wenn das Zipperlein dem zumindest politisch zunehmend vereinsamten und schließlich ermordeten Wallenstein insbesondere in seinen letzten Lebensjahren zugeordnet wird. Gegen Zorn half nicht zuletzt gelassene Ironie, wie sie im Unterschied zum Friedländer etwa ein Jahrhundert zuvor Willibald Pirckheimer – selbst betroffen – mit seiner zuerst 1522 erschienenen „laus podagrae“ an den Tag legte.74 Bereits 1570 war die kleine Schrift in eine humanistische Sammlung von satirischen PodagraSchriften unter dem Titel „In podagram concertatio“ eingereiht worden;75 1610 wurde sie erneut monographisch verlegt und erschien 1617 in englischer Übersetzung.76 Dem Band ist eine Widmung an Jakob de Bannissis vorgestellt, in der es heißt: „denn weit gefehlt, daß ich das Podagra für eine Wohltat erkennen sollte, finde ich es vielmehr täglich lästiger; Du müßtest denn unter die glücklichen und nicht vielmehr belachenswerten Umstände rechnen wollen, daß ich Tor, von törichten Ärzten überredet, mich sieben Jahre lang des Weines vergebens enthielt, [und zwar auf den vielen Reisen und beständigen Gesandtschaftsposten, als ich unseren höchstseeligen Kaiser Maximilian zuweilen durch Gegenden begleiten mußte, wo auch ein Trunk Wasser schädlich war]; aber endlich bin ich klüger geworden. Du aber hüte Dich, wenn Du nicht ausgelacht werden willst, daß du nicht einmal in einen ähn­ lichen Irrtum gerätst“.77

73  Ebd.,

S. 77.

74  Pirckheimer

(1522).

76  Pirckheimer

(1610); ders. (1617). nach Eckert / von Imhoff, S.  203 f.

75  Toxites / Ballista / Lucianus / Pirckheimer. 77  Übersetzung

Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“ Von Petr Fidler Eines Tages, im Jahre 1630, bot sich den staunenden Bürgern des verschlafenen Städtchens Memmingen ein Schauspiel, das sie nicht so schnell vergessen würden. In das kaiserliche Feldlager vor den Stadttoren zog der Oberbefehlshaber, Generalissimus Albrecht von Waldstein ein. Aus dem Staubwirbel tauchte vor den Augen der Zaungäste ein endloser Zug von Kutschen, Wägen mit Dienern und Lakaien in der waldsteinschen Livree auf. Hufgetrappel und Gewieher kündigte die berittene fürstliche Leibwache an, sechsmal hundert an der Zahl und nicht weniger als 1.500 Leibpferde des Generalissimus und seiner Generäle in wohlgeordneten Reihen. So etwa sah es der Fürst Hohenlohe in seinem Bericht an die Reichsfürsten nach Regensburg. Ein Seufzer entfuhr ihm: das alles müsste doch jährlich mehr als 200.000 rheinische Gulden kosten. In Regensburg schüttelten die Kurfürsten die Köpfe und in den Couloirs wurde geflüstert, dass so eine Pracht sich kein König, ja nicht einmal der Kaiser leisten könne.1 Nicht umsonst lautete die Devise von Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, Herzog von Mecklenburg, Friedland, Sagan und Glogau: „Invita invidia“, dem Neid zum Trotz! Diese Devise Invita invidia sollte auch auf seine Münzen geprägt werden.2 Wollte der einstige Sprössling der unbegüterten Linie eines altehrwürdigen böhmischen Adelsgeschlechts in Memmingen seine neue gesellschaftliche Stellung und seinen sagenhaften Besitz zur Schau stellen? Wohl nicht! Die Stellung eines reichsunmittelbaren Fürsten, eines Generalissimus und kaiserlichen Bevollmächtigen im Reich erforderte von Waldstein ein Auftreten mit entsprechendem Dekorum. Noblesse oblige! Großmut, grandezza, lusso, magnificenza, ostentazione oder splendore gehörten im 17. Jahrhundert mit Berufung auf die Ethik des Aristoteles zu den ultimativen Tugenden jedes Fürsten. Als Jacopo Soldani 1  Ernstberger

(1954), S. 274 ff. 31. Juli schrieb der Herzog aus dem Feldlager vor Zerbst nach Jitschin, dass ihm zwar das Prägeeisen für die neue Münze gefällt, wer jedoch auf die Idee gekommen sei, statt seiner Devise „invita invidia“ die Inschrift „dominus protector meus“ zu verwenden. Vgl. Förster, S.  88 f. 2  Am

272

Petr Fidler

im Jahre 1609 in seinem Nekrolog den verstorbenen toskanischen Großherzog Ferdinand von Medici würdigte, verwendete er die Begriffe im Sinne von der „Tugend der aristotelischen Ethik“ und sah diese beim Verstorbenen „im Glanz seines Lebensstils, im Prunk seiner Bauten, in der Großzügigkeit des Fürsten den talentierten Männern und in seiner Wohltätigkeit allen gegenüber“.3 Für die Angehörigen der gesellschaftlichen Elite war der demonstrative Konsum, die Veblen´sche „demonstrative Mittelverschwendung“, sogar eine persönliche Verpflichtung und seine Vernachlässigung hätte ein schlechtes Licht auf die ganze Familie geworfen.4 Im Sinne des adeligen Ethos der frühen Neuzeit gehörte der Edelsinn bzw. die Großmut zum zeitgemäßen Dekorum, d. h. zu dem, was sich gebührt. Die Großzügigkeit zeigte sich einerseits in demonstrativem Konsum, andererseits in Wohltaten. Und damit kommen wir zum zweiten Anlass für frühneuzeitliche adelige Investitionen, dem Mäzenatentum. Ein anderer Italiener, Vittorio Siri, hat Albrecht von Waldstein bewundernd „il grande economo“ genannt.5 „Oeconomico“, bzw. „oeconomus“ bedeutet in der frühen Neuzeit noch nicht wie heute eine für den wirtschaftlichen Gang eines Herstellungsprozesses verantwortliche Person, sondern einen für das Wohl der Familie verantwortlichen Wirt, wobei die Familie im zeitgenössischen Verständnis einen breiten Kreis von der Fürsorge und Verantwortung anvertrauten Personen umfasste. Die zeitgenössische deutsche Literatur hat für den Begriff „oeconomus“ den Ausdruck „Hausvater“ geprägt, denn der Begriff des Hauses deckte sich mit dem der Familie, zu der auch das Gesinde und, im weiteren Sinne des Wortes, auch die gesamte unter der Jurisdiktion des Hausherrn stehende Bevölkerung gehörten. Den Rechten und Pflichten eines „Hausherrn“ widmet sich in der frühen Neuzeit die umfangreiche Gattung der sog. „Hausväterliteratur“.6 Bis zur Entstehung der volkswirtschaftlichen Theorie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts galt die „Hausväterliteratur“ als verbindliche Lehre der frühneuzeitlichen Ökonomie. Die meisten Werke der „Hausväterliteratur“ erschienen allerdings erst nach dem Dreißigjährigen Krieg und somit ist ihnen die gelebte Oeconomia Albrecht Waldsteins Jahrzehnte voraus!

3  Burke,

S. 112. Veblen. 5  Ernstberger (1929), S. 105. 6  Vgl. Neuber, S.  481 ff.; Brunner (1980); Frühsorge (1978), S. 110–127; Früh­ sorge (1982), S. 41ff.; Richarz. 4  Vgl.



Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“

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Florinus, Autor eines „Hausväterliteraturbestsellers“, belehrte seine Leser im Jahre 1701, dass die Sorge für den Haushalt nicht nur bedeute, „die Güter zu erwerben, sondern sie auch instand zu halten und weiter zu pflegen und seinen Leuten alles Nötige zum Leben zu gewährleisten“.7 Denn sowohl der, der beherrscht wird, als auch derjenige, der herrscht, stehen in einer wechselseitigen Verantwortung zueinander. In diesem Punkt identifiziert sich die Philosophie der „Hausväterliteratur“ mit der staatsrechtlichen Lehre Jean Bodins über den Sinn des Staates als „suprema salus populi“. In diesem Zusammenhang bekommt die Bewunderung Waldsteins durch seine Zeitgenossen einen neuen Aspekt: Waldstein als „il grande economo“, mehrfacher Herzog als guter Herr seiner Häuser, als auf ihr Wohl achtender Hausvater. Nicht von ungefähr galt das Herzogtum Friedland in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges lange Zeit als terra felix! Laut Erasmus von Rotterdam hat „Ein guter Hausvater […] immer etwas, wofür er sorgen muss – in einem einzigen Haus- und für einen Herrscher soll es in einem weiten Regierungsbereich nichts zu tun geben? […] etwa Städte in der Absicht zu bereisen, alles zu verbessern: die zu wenig befestigten sind zu befestigen, mit öffentlichen Gebäuden zu schmücken, ebenso mit Brücken, Säulenhallen, Tempeln, Uferpromenaden und Wasserleitungen; ungesunde Gegenden müssen entweder durch Verlegung von Gebäuden oder durch Trockenlegung von Sümpfen unschädlich gemacht werden; ungünstig fließende Ströme sind abzuleiten; gegen das Meer sind zum Nutzen der Allgemeinheit Dämme zu bauen […]“.8

Die letztgenannte Forderung von Erasmus wusste Waldstein umzusetzen, als er sich ernsthaft 1626 im Zusammenhang mit den Bemühungen eine kaiserliche See- und Flussflotte aufzubauen mit einem Projekt befasste, die Moldau durch Kanäle mit der Donau zu verbinden.9 Das ehrgeizige Projekt wurde nach der Ermordung Waldsteins dann nicht mehr verfolgt. Bei der Erfüllung anderer Hausvaterpflichten hatte er mehr Glück. Die Befestigungen der ihm anvertrauten Städte sowie der Städte in seinen Herzogtümern gehörten ohnehin zu den Dienstpflichten des Generalissimus. So wurde unter seiner Ägide die Befestigung Prags nach Plänen des Festungsingenieurs und Architekten Giovanni Pieroni modernisiert, ebenso wie jene von zahlreichen Orten in Böhmen und im Reich.10 In seinen Herzogtümern widmete sich Waldstein mit einem für ihn charakteristischen Eifer dem Städtebau. Mit der Erweiterung der friedländischen 7  Florinus,

zitiert nach Richarz, S. 162. S. 333. 9  Vgl. Slavík, S. 305. 10  Vgl. Fidler (2015), S. 8 f. 8  Erasmus,

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Petr Fidler

Abb. 1: Nicolò Sebregondi, Erweiterungsprojekt für Jitschin. NA Prag, VL, sg. F 67 / 52. Archiv des Verfassers

Residenzstadt Jitschin beschäftigte sich der Herzog bereits in den 1620ern.11 Die Realisierung seines Vorhabens nahm er jedoch erst in der Zeit seines „erzwungenen“ Urlaubes zwischen den beiden Generalaten in den Jahren 1630 – 1631 in Angriff. Er beschäftigte in Jitschin fast 500 (!) Maurer und setzte eine Lawine von Baumateriallieferungen in Gang, die die Jitschiner Kammer förmlich erdrückte. Alte Pläne wurden revidiert und manche, schon fertige Bauten abgerissen (die Münze aus den Jahren 1625–1626, die Gerberei usw.); die Straßen der Stadt wurden gepflastert, neue Wasserleitungen gelegt. Das städtische Bad und der Schlachthof wurden jenseits der Mauern angesiedelt, wo eine Art „Industriezone“ mit Gerberei, Textil- und Schuh­ manufakturen entstand. Für die Handwerker und Arbeiter wurden neue Vorstädte angelegt. Am Jahresende 1633 hatte der Baumeister und Architekt Nicoló Sebregondi einen Generalplan zur Erweiterung und zum Ausbau von Jitschin ausgearbeitet (Abb. 1).12 Das neue Jitschin sollte in Form eines unregelmäßigen Polygons mit niedriger einstöckiger Bebauung entstehen, wobei das Schloss und die Sakralbauten als Höhendominanten die südwestliche Achse der Stadt Uličný, (2017a), S. 480–489. Sebregondi s. Carrai.

11  Vgl. 12  Zu



Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“

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im Sinne eines antiken Dekumanus bildeten. Der großzügige Plan rechnete zusätzlich mit weiterem Wachstum der Stadt in der Zukunft und ließ deswegen ganze Stadtviertel in Form von Gärten unbebaut – sozusagen eine „grüne Lunge“ Jitschins. Die „Citta nuovà“ östlich der alten Stadt sollte Jitschin flächenmäßig mehr als verdoppeln. Die bisherige Siedlung der Handwerker im Norden sollte durch die Vorstädte im Westen und Süden der Stadt ein Gegengewicht erhalten. Am Stadtring nahm Sebregondis Plan vom Abriss der Stadtmauern und von der Entstehung neuer Häuserblocks mit orthogonalem Straßennetz und einem rechteckigen Platz seinen Ausgang. Ausgedehnte Plätze sollten auch vor den neuen Stadttoren entstehen. Die stadtplanerische Dominante des Westteiles der Stadt bildete ein Komplex von jesuitischen Bauten mit der geplanten Ordenskirche. Er bildete den westlichen Pol der DekumanusAchse, gewissermaßen ein Rückgrat der Stadt, das über den Platz entlang des Schlosses und der Propsteikirche und mitten durch die „citta nuovà“ zum Osttor verlief. Die „citta nuovà“ war an der Stelle der Walditzer Vorstadt geplant, die im Jahre 1632 der Spitzhacke zum Opfer gefallen war. In der ersten Aufbauphase des neuen Jitschin war man vom Bau von Häusern entlang der „strada nuova“ ausgegangen – die wegen des „schönen Prospektes“, wie sich Sebregondi äußerte, mit Arkaden versehen sein sollten. Der Plan beinhaltete auch eine neue Wasserleitung mit Wasserbecken und Reservoir auf dem Berg Zebín. Sebregondi rechnete Ende 1633 mit der Umsetzung seines Planes innerhalb von 4 oder 5 Jahren. Wie konnte er ahnen, dass der Bauherr in Pilsen nur noch einige Wochen zu leben hatte! Das Bild von Jitschin veränderte sich in den Jahren 1630 – 1633 rapide. Die strenge Bauordnung bestimmte kompromisslos die Verwendung von festen Materialien bei allen Bautätigkeiten in der Stadt. Mit Rücksicht auf Brandgefahr und Ästhetik wurde nur mit Steinen und Ziegeln gebaut, für die Dächer waren nur gebrannte Dachziegel zulässig. Verstöße gegen die Anordnung duldete der Herzog nicht. Die Friedländer Kammer belieferte die Bauherren mit Bauplänen und half mit Material sowie auch finanziell aus (Abb. 2). Im Jahre 1630 erhielt auch der Baumeister Vincenzo Boccacci die Anordnung, das Aussehen von Sagan mit Zierfassaden aus Stein und Ziegeln zu verschönern, und am 7. März 1632 informierte sich Waldstein beim Jitschiner Hauptmann, ob die schon vor einem Jahr geplante Erweiterung der Stadt Reichenberg um 30–40 Häusern stattgefunden habe. In Mecklenburg plante Waldstein zuerst seine Residenz in Schwerin oder Wismar zu errichten, letztendlich entschied er sich für Güstrow.13 13  Vgl.

Weingart; Fidler (2015).

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Petr Fidler

Abb. 2: Jitschin, Hauptplatz. Detail aus der Stadtansicht von Josef Sykora von 1756. RMaG Jitschin. Archiv des Verfassers

Die Stadterweiterung von Reichenberg ist auch aus einem anderen Grund für die Hausvaterstrategie des Ökonomen Waldstein charakteristisch.14 Der Herzog war stets bemüht, Ausrüstung, Waffen, Uniformen und Proviant für die Soldaten sowie das Futter für die Pferde, mit denen er seine Armee versorgte und für die er anschließend dem Kaiser Rechnung stellte, in seinem Herzogtum zu produzieren. Reichenberg war für ihn ein wichtiger Umschlagsplatz für den Getreidehandel, vor allem aber ein Zentrum der Tuchmacherei. Um die Tuchproduktion für das Heer zu steigern, lud er Tuchmacher aus den angrenzenden ­Regionen ein. Während die Reichenberger Tuchmacherei 1620 20 Meister zählte, waren es 1632 schon 100 Tuchmachermeister, und diese Tendenz blieb bis zum Mord von Eger steigend. Für die Handwerker, die vorwiegend aus Sachsen eingewandert und dazu noch protestantisch waren, gründete er in Reichenberg einen neuen Stadtteil, schenkte ihnen Grundstücke und Baumaterial und befreite sie für sieben Jahre von sämtlichen Abgaben (Abb. 3). Mit der gleichen, jedoch sicherlich nicht nur uneigennützigen Großzügigkeit beherbergte und begünstigte er die Handwerker in seiner Rüstungsindustrie. Nicht die Religion der Bevölkerung, sondern ihre fachliche Qualifikation war von Belang. 14  Vgl.

Mohr.



Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“

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Abb. 3: Die Neustadt von Reichenberg im 19. Jahrhundert, Severočeské muzeum v Liberci. O B92. Mohr, Jan: Bauaktivitäten in Reichenberg unter Albrecht von Waldstein. Das erste planmäßig errichtete Stadtviertel. In: Eliška Fučíková / Ladislav Čepička (Hrsg.), Albrecht von Waldstein – inter arma silent musae, Praha 2007, Abb. II. 40

Dies zeigte sich auch im Umgang des Herzogs mit seinen kirchlichen Stiftungen. Die Aufgabe der gegenreformatorischen Orden der Jesuiten, Augustiner und Benediktiner bestand für ihn vor allem in ihrer pädagogischen Tätigkeit, jegliche Missionstätigkeit sah er auf dem Gebiet seines Herzogtums nur ungern oder verbot sie sogar.15 Dies sollte jedoch keinesfalls als konfessionelle Gleichgültigkeit des Herzogs verstanden werden. Obwohl Albrecht von Waldstein Konvertit war, konnte niemand an seinem katholischen Glauben zweifeln. Seine kirchlichen Stiftungen sprachen davon Bände. Schon ihre Auflistung allein im Herzogtum Friedland ist respektabel. Obwohl der Herzog bei seinen Stiftungen vor allem seine Schul- und Sozialpolitik vor Augen hatte, dachte er dabei auch an die Ewigkeit (Familiengruft in der Walditzer Kartause) sowie an die Fürsprache des Himmels (Stiftung von Kapellen als Dank für erfolgreiche 15  Vgl.

Klipcová (2007).

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Petr Fidler

Abb. 4: Giovanni Pieroni, Projekt für das Jesuitenseminar in Jitschin. SOkA Jitschin, AM Jitschin. Kart. č. 3, inv. 122, sg. J-90b. Archiv des Verfassers

Schlachten).16 Waldstein war zu seiner Zeit nicht nur ein sorgsamer Hausvater, sondern sicherlich auch ein frommer Christ. 16  Vgl.

Uličný (2017c); Pohřební.



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Abb. 5: Kartause in Valdice im 18. Jarhundert. Kathause in Mauerbach. Archiv des Verfassers

Am 16. Oktober 1624 gründete Waldstein in Jitschin ein Jesuitenkollegium für 60 Patres und beauftragte sie mit dem Unterricht in vier Klassen (Abb. 4).17 Im selben Jahr, am 4. November 1624, evtl. noch einmal am 27. März 1627, stiftete er in der verwahrlosten Burg Bösig zum Andenken an die Schlacht bei Dessau ein Augustinerkloster mit der Kirche Maria Himmelfahrt und eine Kapelle des heiligen Markus.18 Im Jahre 1632 beschloss der Herzog, die Augustiner nach Weisswasser / Bělá pod Bezdězem zu versetzen und unterhalb von Bösig / Bezděz ein Kloster für die spanischen Benediktiner von Montserrat zu stiften. Es handelte sich dabei um die Einlösung eines Gelöbnisses des Herzogs an die Muttergottes vor der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632.19 Das zweite Augustinerkloster in Böhmisch Leipa /  Česká Lípa, in dem die Mönche die Jugend in Latein und Religion unterrichten sollten, wurde im Jahre 1627 gegründet. Die Klosterkirche Allerheiligen Klipcová (2007), S. 216–219. Klipcová / Uličný. 19  Vgl. ebd. 17  Vgl. 18  Vgl.

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Petr Fidler

wurde dabei ein Votivbau zur Erinnerung an die Schlacht am Weissen Berg. Ebenfalls im Jahre 1627, am 8. Dezember, stiftete Waldstein die Kartause in Walditz / Valdice und errichtete den Mönchen einen Klosterkomplex mit Kirche und Familiengruft, wohin er die sterblichen Überreste seiner ersten Gemahlin sowie die ursprüngliche Kartäuserstiftung aus dem mährischen Stiep / Štípa übertragen ließ (Abb. 5).20 Die Stiftungsurkunde für das Jitschiner Spital ist auf den 30. Mai 1628 datiert. In Welisch sollte ein Minoritenkloster entstehen (Stiftungsurkunde vom 1.3.1628), in Jitschin selbst sollten Kapuziner und Dominikaner bzw. Karmeliter die Jesuiten in ihrer Pastoral­ tätigkeit unterstützen. Alle diese Vorhaben, wie auch die Anordnung des

Abb. 6: Giovanni Pieroni, Projekt des Domes in Jitschin. Florenz, Uffizzi 4478A. Archiv des Verfassers 20  Vgl.

Fidler / Klipcová / Uličný.



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Herzogs, bei jeder Pfarrkirche ein Spital für die Alten und Kranken zu gründen, verhinderte aber der Mord in Eger im Februar 1634.21 Das ehrgeizigste „Heilsprojekt“ des Herzogs von Friedland sollte zweifellos eine Bistumsgründung in Jitschin sein.22 Das Projekt wurde mit Unterstützung des Prager Erzbischofs Ernst Adalbert Harrach schon im Jahre 1624 geplant. Die neue Diözese sollte aus acht Dekaneien und 39 Pfarreien bestehen, jede mit einer eigenen Schule. Das Projekt fand weder am Hof in Wien noch beim Papst in Rom Zustimmung, und so musste sich der Herzog vorläufig nur mit der Stiftung einer Jitschiner Propstei begnügen und einen günstigeren Moment abwarten (Abb. 6). Die oben angegebenen kirchlichen Stiftungen wurden finanziell großzügig abgesichert und mit Gütern beschenkt. Der Stifter übernahm zugleich die Baukosten der Wohn- und Kultbauten und kümmerte sich um die Bauorganisation. Seine Architekten zeichneten Pläne, und das Waldsteinsche Bauamt in Jitschin lieferte das Baumaterial.23 Was galt aber die Herrlichkeit des Hofes, der Dienerschaft, der edlen Gespanne und der Kutschen, wenn das einzige, was die eines Fürsten würdigen Kosten rechtfertigt, die Bauten sind, die das ewige Gedenken des Bauherrn garantieren, schrieb in seinem Traktat über Architektur Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein.24 Sicherlich dachte auch Waldstein nicht anders, deshalb war seine Bautätigkeit ein bedeutender Bestandteil der Erfüllung der fürst­ lichen repräsentativen „Pflichten“. Auf dem Höhenpunkt seiner Macht schmückte er sich mit den Titeln des Herzogs von Friedland, Sagan, später Glogau, aber insbesondere jedoch des Herzogs von Mecklenburg. Durch sein mecklenburgisches Lehen gehörte er zu den Reichsfürsten. Die Souveränität eines Herrschers verpflichtete ihn zur Errichtung von repräsentativen Sitzen in allen genannten Herrschaftsgebieten. Neben den Residenzen und Höfen in Jitschin, Sagan, Glogau und Güstrow musste sich Waldstein als primus inter pares des böhmischen Königreiches auch in Prag mit einem honorablen Palais präsentieren. Den bereits geplanten Bau der Mecklenburger Residenz in Schwerin, Wismar, bzw. Güstrow hat die Besetzung des Landes durch die Schweden verhindert (Abb. 7 und 8). Der Bau der Schlossresidenz in Sagan wurde durch den Tod des Bauherrn verzögert. Die Prager Residenz des Herzogs von Friedland auf der Kleinseite war zu ihrer Zeit kein typisch städtisches Palais, sondern konnte in Prunk und Ausmaßen mit der Wiener Residenz „Favorita“ der Kaiserin Eleonora oder mit der Münchner Residenz der Wittelsbacher wetteifern. Klipcová (2007), S. 223–224. ebd., S. 222–223. 23  Vgl. Klipcová; Albrecht. 24  Vgl. Fleischer, S. 93. 21  Vgl. 22  Vgl.

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Petr Fidler

Abb. 7: Giovanni Pieroni, Umbauprojekt des Schlosses Wismar. BUB Bologna 935. Archiv des Verfassers

Das Palais Waldstein in Prag bestand ähnlich wie das Jitschiner Schloss aus zwei Höfen, vom Platz aus durch Portale zu betreten.25 Der linke, repräsentative Hof diente dem Herzog und seiner Familie, und die Anordnung 25  Vgl.

Fidler (2003); Uličný (2017d).



Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“

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Abb. 8: Das Schlosssaalprojekt für Güstrow, Schwerin, Landeshauptarchiv, Hofstaatssachen, Fürstliche Schlösser und Häuser, Güstrow, Nr. 356

seiner Enfiladen entsprach sowohl den zeremoniellen Zwecken als auch den Ansprüchen an das Private (Abb. 9). Der rechte, kleinere Hof war ursprünglich für den Wirtschaftsbetrieb des Palais gedacht. Später wurde er Wohnsitz des Vetters und Erben des Herzogs, des Grafen Maximilian von Waldstein, und dessen Familie. Im piano nobile begegnet uns eine für kaiserliche oder fürstliche Behausungen verbindliche Raumaufteilung mit dem sog. Trabantensaal, mit der Ritterstube, wo der Herzog auf dem Thron mit Baldachin Gruppenaudienzen gewährte oder gesellschaftlich rangniedrigere Besucher empfing. Es folgte die ante camera, einer Art „cordon sanitaire“, aus dem ein Kammerdiener die herzoglichen Intimi und gesellschaftlich höher gestellte Gäste in die Au­ dienzstube am Ende der Enfilade führte. Ein langer Gang mit Stuckverzierung und Fresken mit mythologischen Szenen, die Galerie, verband die Audienzstube mit einer Flucht privater und

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Petr Fidler

Abb. 9: Prag, P. Waldstein, Herzogshof. Fidler, Petr: Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein – Bauherr und Mäcen, In: Eliška Fučíková / Ladislav Čepička (Hrsg.), Albrecht von Waldstein – inter arma silent musae, Praha 2007, Abb. I. 46

amtlicher Räumlichkeiten.26 Das Appartement bestand aus Kanzleien, Schlafzimmer, Garderobe und der Retirade. Die Zimmerflucht führte durch den mittels einer Wendeltreppe mit der Küche verbundenen Speisesaal in das herzogliche Oratorium und die dem heiligen Wenzel geweihte Hauskapelle. Eine Wendeltreppe in der Mauer verband das herzogliche Schlafzimmer mit dem Schlafzimmer der Herzogin im zweiten Obergeschoss. Aus der Wohnung der Herzogin führte eine Galerie, der sog. astronomische Gang, zu den Zimmern der Tochter Waldsteins. Zum Garten mit allegorischen Statuengruppen von Adrian de Vries hin öffnete sich das Palais Waldstein mit der dreiachsigen Arkade einer monumentalen Loggia (Abb. 10). Im Gartenflügel und im Erdgeschoss des herzoglichen Hofes platzierte der Architekt des Palais schattige Kabinette, eine sala 26  Die jüngste Untersuchung und Deutung der stuckierten Dekorationsmotive in den Gängen des Palais untermauerten die Vorstellung über die Kaisertreue des Herzogs; s. Bažant.



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Abb. 10: Prag, Loggia des P. Waldstein. Archiv des Verfassers

terrena sowie Grotten mit Bädern, die im Garten um eine Voliere ergänzt wurden. Im Mantel der Gartenmauer sparte er Platz für einen diskreten Gang aus, der den ganzen Garten zwischen dem Palais und der Reitschule umlief. Mit ähnlichem, bis dato nie gesehenem Prunk sollte auch die Residenz Waldsteins in Jitschin ausgestattet werden.27 Als ihm im November 1627 der ersehnte Erbe Albrecht Karl geboren wurde, befahl er in väterlicher Euphorie, das Bautempo am Schloss zu vervierfachen. Der kränkliche Säugling Albrecht Karl starb jedoch am 13. Januar 1628 und ein paar Monate danach auch der Jitschiner capo maestro Andrea Spezza. Die Bauarbeiten wurden erst 1629 wiederaufgenommen und bis Waldsteins Tod mit Eifer fortgesetzt (Abb. 11). Mit der gleichen Energie betrieb der fürstliche Bauherr die Bau­ arbeiten an der neuen Schloss- und Probsteikirche des Hl. Jakobus.28 In Walditz bei Jitschin wuchs der ausgedehnte Komplex der Kartause mit Gruft, und neben dem „ewigen Refugium“ entstand auch ein weltliches Refugium – ein Wildgehege mit Garten, piscina, Fontänen und einem Lustschloss mit monumentaler Loggia, inspiriert durch das kaiserliche Neugebäude bei Wien.29 Die Ausführung der oft geographisch weit voneinander entfernten Bauten wurde vor Ort von erfahrenen italienischen Bauleitern beaufsichtigt. UnterFidler (2011); Uličný / Klipcova. Fidler (1997); Uličný (2017d); Proboštský. 29  Vgl. Lietzmann. 27  Vgl. 28  Vgl.

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Petr Fidler

Abb. 11: Giovanni Pieroni, Das Schloss in Jitschin. Florenz Uffizzi 4478A. Archiv des Verfassers

stellt waren sie dem Jitschiner Bauamt mit einem Direktor an der Spitze, der des Herzogs Hofbaumeister war. Die Pläne lieferten italienische Architekten mit Giovanni Pieroni an der Spitze. Die letzte Entscheidung oblag dem Herzog, der beträchtliche Fachkenntnisse und ein scharfes Urteil besaß.30 30  Über die Architekturkenntnisse des Herzogs und seine Mitwirkung an der Planung und Ausführung der herzoglichen Bauten vgl. Fidler (2007b).



Waldstein als Bauherr, Mäzen und „Hausvater“

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Aus all dem folgt, dass sich Waldstein auch an der Wahl und Gestaltung der ikonographischen Programme der Ausstattung seiner Bauten beteiligte; besonders wenn wir bedenken, welchen Wert er seiner Präsentation und Repräsentation beimaß. Waldstein war nämlich nicht nur Politiker und Ökonom, sondern nach heutiger Terminologie wohl auch ein tüchtiger Werbetexter und -stratege. In der Wahl seines Prädikates „Friedland“ (Land des Friedens) hat er ein suggestives „Firmenlogo“ geschaffen, auf das sich mit der Zeit die Hoffnungen des vom Krieg geplagten Europa richteten, wie es ihm in Anspielung an das Friedland-Prädikat am 15. April 1632 der Wiener Bischof und kaiserliche Intimus Anton Wolfradt mitteilte.31 Beging Waldstein Hochverrat oder wurde er verraten? Ohne dass wir in die Lösung dieses Problems einzugreifen versuchen würden, erlauben wir uns zum Schluss unserer Abhandlung über Waldstein als Hausvater und Bauherr, die Frage zu stellen: Können wir uns den rational und pragmatisch denkenden Waldstein im Winter 1634 im Pilsener Feldlager als Hochverräter beim Überlaufen zum Feind vorstellen, mit dessen Hilfe er einen schleppenden und riskanten Krieg gegen den Kaiser führen sollte, um zugleich auch weiterhin enorme Mittel und persönlichen Willen in die Bau- und Kunsttätigkeit in seinen Herrschaftssitzen zu investieren, die im Falle des Krieges mit dem Kaiser unmittelbar dem Schicksal der „verbrannten Erde“ anheim gefallen wären? „Fürstliche Magnificentz: und dieses, vermeine ich, sei der unerschöpfliche Schatz seines Fürsten, vermittelst welches er ein wohlthäter der armen, eine zuflucht der bedrängten, ein erbauer schöner Städte, festungen, ein Stifter vieler kirchen und schulen werden kann; dieses ist der Schatz, mit welchem er ein Fürst seinen Hofstaat mit qualificirten leuten versehen und seine magnificentz mit köstlichen libereyen, schönen Pferden, prächtigen comödien und allem pomp an tag geben kann, mit welchem allem doch nicht des gemeinem mannes meinung nach das land ruiniert, sondern vielmehr verbessert wird“.32

31  Vgl.

Förster, S. 179. zitiert nach Berger, S. 13.

32  Schröder,

Wallenstein als Bildungsmäzen des 17. Jahrhunderts Von Martin Holý Der aus Böhmen stammende Adelige Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein war nicht nur Politiker und bedeutender Heerführer, der dank seinen Fähigkeiten, sozialen Kontakten und den außerordentlichen Umständen seiner Zeit als erster Angehöriger des böhmischen Adels nach und nach bis zum unmittelbaren Reichsfürsten aufgestiegen war. Er war zudem eine Persönlichkeit, die durch ihr Mäzenatentum die Kultur- und Bildungsgeschichte geprägt hat. Während Wallenstein auf dem erstgenannten Gebiet nicht gänzlich unbekannt ist (ich habe dabei vor allem seine Initiierung von Bauten in Prag und Jičín vor Augen), wurde der andere Bereich – bis auf Ausnahmen – bislang von der Forschung fast beiseitegelassen.1 Der vorliegende Beitrag geht vor allem von administrativen Quellen aus und konzentriert sich gerade auf den Bildungsbereich. Dabei sollen mehrere Ebenen des Bildungsmäzenatentums verfolgt werden, die mit der Persönlichkeit Albrechts von Waldstein verbunden waren. Unter Bildungsmäzenatentum2 wird die Förderung der Entwicklung des zeitgenössischen Bildungsstands verstanden, und zwar bei Weitem nicht nur auf individueller Ebene. Die Zuwendungen von einzelnen Personen oder verschiedenen zeitgenössischen Körperschaften, besonders in Form von Studienstiftungen, kamen nämlich nicht nur Einzelpersonen bzw. im Vorfeld verschiedentlich abgegrenzten Gruppen (die beispielsweise geografisch, sozial, altersmäßig oder konfessionell definiert waren) zugute, sondern auch Einrichtungen, die für deren Bildung Sorge trugen – sowohl Elementarschulen, als auch partikularen Lateinschulen und natürlich Universitäten.3 1  Von der bisherigen Literatur zu dieser Persönlichkeit vgl. mindestens aus den letzten vier Jahrzehnten: Mann, G. (1971); Janáček (1978); Polišenský / Kollmann (1995); dies. (1997); Kollmann, J. (1999); Kalista; Fučíková / Čepička; Rebitsch (2010); Bahlcke / Kampmann; Mortimer (2012). Zu den gennanten Ausnahmen zähle ich vor allem folgende Studien: Čornejová und Klipcová (2007). 2  Zum Begriff Mäzenatentum vgl. Kocka; Frey; Kettering; Dieterich, S.  18 f.; Roeck; Oevermann / Süßmann / Tauber; Flöter; Holý (2016). 3  Zum Bildungsmäzenatentum in den Ländern der Böhmischen Krone, also in Böhmen, Mähren, den Lausitzen und Schlesien, vgl. vor allem Holý (2016), hier auf S. 19–25 auch eine Analyse der älteren Forschung zu diesem Phänomen; auf S. 485– 558 dann ein komplettes Literaturverzeichnis.

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Neben den genannten Formen des frühneuzeitlichen Bildungsmäzenatentums, die überall in Mitteleuropa überwiegen, können aber auch einige weitere Ausprägungen des vormodernen Mäzenatentums festgehalten werden, beispielsweise auf Dauer angelegte Lehrerstiftungen oder die einmalige Förderung von Schulen bzw. Studierenden, die in unterschiedlicher Form geleistet werden konnte, sowie Schenkungen von Büchern und ganzen Büchersammlungen an Schulen verschiedener Art.4 Im Falle Albrechts von Waldstein handelte es sich vor allem um die ersten beiden Formen des Bildungsmäzenatentums. Schauen wir sie uns nun genauer an. Von den Schuleinrichtungen können vor allem zwei Gründungen von Jesuitenkollegien als grundlegend betrachtet werden. Die wichtigste Motivation für ihre Gründung war zweifelsohne die Rekatholisierungsmission, die Wallenstein den Jesuiten in den bis dahin zumeist nichtkatholischen Gebieten anvertraute. Dabei kam dem Schulwesen eine zentrale Rolle zu. Dies gilt nicht nur für Wallensteins Herrschaften in Nord- bzw. Ostböhmen, sondern auch für einige weitere Territorien, die er während des letzten Jahrzehnts seines Lebens erworben hatte – vor allem für das Herzogtum Sagan.5 Bezüglich der böhmischen Dominien spielte die Stadt Gitschin eine grundlegende Rolle. Sie war das Zentrum des allmählich entstehenden Herzogtums Friedland. Gitschin, bis 1620 im Besitz des nichtkatholischen Herrengeschlechts Smiřický von Smiřice, ist im Rahmen der Konfiskationen zusammen mit weiteren Städten und Herrschaften in die Hände Albrechts von Waldstein geraten. Dank dessen außerordentlichen Stellung erlebte die Stadt während der, wenn auch nur kurzen, Herrschaft Wallensteins einen großen baulichen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung. Es entstanden zahlreiche neue kirchliche und weltliche Bauten, viele Gebäude wurden umgebaut.6 Eines dieser neuen Gebäude war auch das Kollegium der Societas Jesu. Seine Anfänge reichen in die Jahre 1622 und 1623 zurück. Die erste Gründungsurkunde wurde vom Gründer am 16. Oktober 1624 ausgestellt. Neben der materiellen Absicherung in Form von zahlreichen Gütern (unter anderem Miltschowes, ein Teil der Herrschaft Kumburk und Veliš) versprach er auch, ein neues Gebäude für das Kollegium und dessen Schulen zu bauen – dabei rechnete man nicht nur mit dem üblichen Gymnasium, sondern auch mit dem Studium der Philosophie und Theologie. Für den Bau, an dem mehrere be4  Ebd.,

S. 418–442. Rekatholisierung in den böhmischen Ländern sowie in Schlesien nach 1620 vgl. mindestens Francek (1995); Deventer; Mikulec; Catalano; Louthan; Bireley. Zu Sagan vgl. Hinweise in Anm. 10. 6  Wagner, S. 14–18; Fidler (1997); ders. (1999); ders. (2007a); Pieroni; Chodějov­ ská / Semotanová; Francek (2010), S. 111–141; Klipcová / Uličný (2011). 5  Zur



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deutende italienische Architekten einschließlich Niccolò Sebregondi und Andrea Spezza beteiligt waren, sollten ab 1625 und über zehn Jahre hinweg jährlich 4000 Schock Meißner Groschen aus den Renten der Herrschaften des Gründers Verwendung finden.7 Am 26. Dezember 1627 stellte Wallenstein eine zweite Konfirmations­ urkunde aus, in der gegenüber der ersten Urkunde einige Änderungen standen. Sie betrafen vor allem die Absicherung des Baus des Kollegiumgebäudes, mit dem 1627 angefangen wurde, ferner betrafen sie die neue Pfarrkirche und schließlich auch das Seminargebäude für die studierenden Knaben, mit dem der Herzog von Friedland von Anfang an gerechnet hatte. Das Jesuitengymnasium in Jičín wurde als solches bereits 1623 eröffnet. Es wird angeführt, es sei im Herbst jenes Jahres bereits von 150 Schülern besucht worden. Obwohl das Gymnasium angesichts der provisorischen und unzulänglichen Unterrichtsräume wiederholt umziehen musste, stieg die Anzahl der Klassen kontinuierlich. Die Situation wurde erst besser, als der bereits erwähnte Bau des neuen Kollegiumgebäudes begann, der im Jahr der Ermordung Wallensteins in Eger, also 1634, vollendet wurde.8 Trotz der Konfiszierung von Wallensteins Besitz und der Tatsache, dass die Gründung des Kollegiums nicht zuvor vom böhmischen Herrscher bestätigt worden war, entschied Ferdinand II., dass jene Güter, die vom Herzog von Friedland den Jesuiten in Jičín zur Verfügung gestellt worden waren, diesen erhalten bleiben sollen. Zugleich regte er das Verfassen einer neuen Stiftungsurkunde an. Im Jahre 1636 erweiterte er den Besitz des Kollegiums um die Einkünfte aus den Gütern Choustníkovo Hradiště / Gradlitz bei Königinhof und Heřmanice / Hermanitz, die dem Verbündeten Wallensteins, Jan Rudolf Trčka von Lípa, konfisziert worden waren. Die Ausstellung der neuen Stiftungsurkunde dauerte jedoch mehr als zwanzig Jahre und erfolgte erst am 21. Februar 1654 unter Ferdinand III.9 Das zweite der erwähnten Kollegien der Gesellschaft Jesu entstand im schlesischen Sagan, dem Zentrum des Herzogtums Sagan, das der Friedländer Herzog Albrecht von Waldstein im Jahre 1627 erhielt. Zu jener Zeit war der Großteil des Gebietes einschließlich der Stadt Sagan lutherisch. Auch 7  Eine Fundationsurkunde wurde im folgenden bilingualen Band herausegegeben: Studien-Stiftungen im Königreich Böhmen, S. 90–93. Siehe auch Kroess, S.  218 ff.; Bílek (1893), S. 67 ff.; Čornejová; Jičínské gymnázium 1624–1999, Almanach k 375, výročí, Jičín 1999. Die Geschichte des Gitschiner Kollegs wird auch ausführlich in der lateinischen handschriftlichen Chronik behandelt – Historia collegii Giczinensis Societatis Iesu (in der Bibliothek des Nationalmuseums zu Prag; Sign. VIII D 22). 8  Studien-Stiftungen im Königreich Böhmen, S. 93–96; Kroess, II / 1, S. 221, 223 f.; Čornejová, S. 27. 9  Studien-Stiftungen im Königreich Böhmen, S. 96–100; Kroess, II / 1, S. 340 f.; II / 2, S. 426 f.

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deshalb beschloss der neue Eigentümer, neben weiteren Maßnahmen, noch im selben Jahr mehr als dreißig Knaben aus dem Herzogtum zur Erziehung nach Jičín ins Jesuitenkolleg zu schicken, wo sie im Dezember 1627 eintrafen. Den Großteil der mit ihrem Studium und dem Aufenthalt in Jičín verbundenen Kosten sollte der Stadtrat von Sagan und nicht Albrecht von Waldstein tragen. Bereits im Jahr 1628 rief jedoch der Saganer Herzog die Jesuiten direkt in die Stadt Sagan.10 Als Basis für das neue Saganer Kollegium der Gesellschaft Jesu diente das einstige Franziskanerkloster, das während der Reformation säkularisiert worden war, sowie die Renten, die mit der ebenfalls lutherischen Peter- und Paulskirche verbunden waren, bzw. die für einige nichtkatholische Pfarrer bestimmten Abgaben und die mit der dort bis dahin funktionierenden Lateinschule verbundenen Stiftungen. Wallenstein ließ auch weitere Immobilien kaufen, die später abgerissen wurden. Ihre Fläche sollte dem Bau des künf­ tigen Kollegiums dienen. Zugleich bestimmte er, dass die Einkünfte der ­St.-Hedwig-Schlosskapelle, die sich jedoch mit der Zeit sehr stark verringerten, sowie weitere Jahreszinse und zahlreiche Abgaben in Natura – Getreide und Anderes – für das Kollegium zu verwenden. Er schenkte den Jesuiten auch die Einkünfte von zwei Pfarreien in der Nähe von Sagan und das ganze Gut Küpper (heute das polnische Stara Kopernia).11 Die ersten Jesuiten kamen Anfang 1629 nach Sagan. Obwohl ihre mate­ rielle Lage am Anfang nicht leicht war und sie natürlich von den Bürgern, die den katholischen Glauben nur langsam und äußerlich annahmen, angefeindet wurden, begannen sie bereits während des ersten Jahres ihrer Anwesenheit mit dem Unterricht in den niederen und später auch in den höheren Klassen. Albrecht von Waldstein hat jedoch den Bau des Kollegiums, das vom italienischen Architekten Vincenzo Boccaccio entworfen worden war und dessen Bestandteil auch das übliche Seminar sein sollte, nicht mehr erlebt. Infolge des Verlaufs des Dreißigjährigen Krieges, der auch Schlesien beträchtlich in Mitleidenschaft zog und die Jesuiten wiederholt dazu zwang, Sagan zu verlassen, wurde der Bau erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter der Herrschaft des böhmischen Geschlechts Lobkowicz realisiert. Im Jahre 1646 hatte nämlich Fürst Wenzel Eusebius von Lobkowicz das Fürstentum Sagan gekauft.12

10  Worbs, S. 210–217, 256–262; Leipelt, S. 124–135; Heinrich; Hoffmann, H., v. a. S. 5–16, 211–214; Lec (1993); ders. (2012), S. 94 f.; Kundmann, S. 564. 11  Schmidl, passim (nach einzelnen Jahren); Hoffmann, H., S. 7 ff. Zur Geschichte des Saganer Franziskaner Kloster vgl. Worbs, S.  298 ff. 12  Hoffmann, H., S. 9 ff., 33 f., 104–108 und 128 f. Vgl. auch weitere Literaturhinweise in Anm. 10.



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Dank Albrecht von Waldstein haben aber nicht nur Gymnasien im Rahmen von Kollegien der Societas Jesu das Licht der Welt erblickt. Auch in weiteren Besitzungen machte sich der kaiserliche Generalissimus um die Entwicklung des Schulwesens verdient. Dies gilt beispielsweise für die nordböhmische Stadt Česká Lípa (Böhmisch Leipa), die Wallenstein 1622 kaufte. Bald darauf begann er mit dem Orden der Augustiner-Eremiten über die Errichtung ihres Konvents an der Allerheiligenkirche zu verhandeln. Die Augustiner verpflichteten sich zugleich, in Česká Lípa eine Lateinschule zu eröffnen.13 Der Grundstein des neuen Konvents wurde 1626 gelegt. Die Gründungsurkunde besiegelte Albrecht von Waldstein erst am 12. März 1627. Unter anderem widmete er den Augustinern-Eremiten sowohl Flächen für das Kloster und weitere Immobilien in der Stadt, ferner drei Dörfer (Dubice / Klein-Eicha, Bořetín / Tiefendorf und Stráž u České Lípy / Schönborn) mit allen Einkünften sowie einen einmaligen Betrag von 4.050 Gulden und schließlich 1.000 Gulden jährlich, die von der Stadt Leipa zu bezahlen waren. Für den Bau des Klosters, der Kirche und der Schule sollten ferner zehn Jahre lang jährlich je 2.000 Gulden von Wallensteins Herrschaften aufgewendet werden, sowie Holz, Steine und weiteres benötigtes Baumaterial. Der Gründer legte auch Naturalleistungen von seinen Gütern (Fische, Holz etc.) für das Kloster und die Schule – die ausdrücklich nach dem Vorbild der Jesuiten errichtet werden sollte – fest. Bald darauf wurde für die Bedürfnisse dieser beiden Einrichtungen im Konvent auch eine Druckerei eingerichtet. Nach dem Tod Albrechts von Waldstein war die Gründung nicht gefährdet, da die Herrschaft von Kaisers Gnaden im Besitz von Wallensteins Witwe Katharina Isabella von Harrach blieb.14 Neben den Jesuitenkollegien mit Seminaren für arme Alumnen und weitere Studierende, für die auch eine Reihe von Stipendien zur Verfügung standen, und neben der erwähnten Schule in Česká Lípa initiierte Albrecht von Waldstein auch viele verschiedene Studienstiftungen, die wiederum vor allem mit Jesuitenkollegien verbunden waren. Schauen wir uns nun zwei von ihnen, die er im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts in Böhmen gegründet hat, genauer an. Die erste Stiftung war an das bereits erwähnte Kollegium der Societas Jesu in Jičín gebunden, konkreter gesagt an sein Seminar. Es wurde bestimmt, dass von den insgesamt 100 Stipendienplätzen 20 Plätze Knaben aus alten Adelsgeschlechtern des Herren- bzw. des Ritterstandes zukommen sollten. Die Auswahl der konkreten Stipendiaten behielt sich Albrecht von Waldstein 13  Krompholz, S. 14–23; Watzel; Ernst; Bílek (1863), S. 563; Pierer; Macek, S. 171– 173; Klipcová (2007), S.  221 f. 14  Krompholz, S. 16–18; Ernst, S. 23–25; Bílek (1863), S. 772. Siehe auch weitere Hinweise in vorheriger Anmerkung.

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selbst vor, später sollte sie von seinen Erben durchgeführt werden. Weitere 10 Stipendiaten sollten sich im Seminar auf eine geistliche Laufbahn vorbereiten. Die übrigen 70 Plätze sollten durch geeignete Knaben besetzt werden, die aus den Herrschaften Wallensteins stammten. Um die Alumnen sollten sich ein Präzeptor, ein Arzt (medicus) und ein Apotheker (pharmacopolius) kümmern. Der Gründer bestimmte zugleich, dass die adeligen Stipendiaten nicht nur freie Künste am Gymnasium in Jičín studieren sollen, sondern auch Unterricht in Fächern erhalten sollen, die für den Adel üblich waren („Exerzitien“). Dabei legte er explizit fest, dass sie Vokalmusik, Arithmetik und Kalligrafie lernen sollen. Der Gründer bestimmte auch einen besonderen Lohn für den speziellen Lehrer der beiden letztgenannten Fächer. Nach der Ermordung Wallensteins hörte zwar die Stiftung nicht auf zu existieren, es wurde aber nach zwei Jahrzehnten im Namen Ferdinands III. eine neue Gründungsurkunde ausgestellt.15 Eine weitere Stiftung wurde von Wallenstein 1626 auf eine etwas sonderbare Art und Weise gegründet. Das Grundkapital in Höhe von 10.000 Rheinischen Gulden sollten bereits 1622 auf Anordnung Wallensteins, der damals kaiserlicher Heerführer in Prag war, die Ältesten der Prager Jüdischen Gemeinde als Lösegeld dafür zahlen, dass ein zum Tode verurteilte Jude aus ihren Reihen, der angeblich gegen die damals von Wallenstein angeordneten Handelsregeln verstoßen hatte, nicht hingerichtet wurde. Von dem so erhaltenen Betrag entschloss sich Albrecht, „aufgrund besonderer Gunst und Freigiebigkeit, auch aus Inbrunst zur Vermehrung […] des katholischen christlichen Glaubens, zum ewigen […] Gedenken seines Namens, der Erben sowie der Nachkommen und des gesamten Geschlechts der Herren von Waldstein“ eine Studienstiftung zu gründen, die an das Prager Jesuitenkolleg Klementinum gebunden war. Die Prager Altstadt hatte die Pflicht, das Grundkapital ordnungsgemäß zu verwalten und zweimal im Jahr – am Tag des heiligen Georgs und am St. Gallustag, bzw. spätestens in den darauffolgenden 14 Tagen, 300 Rheinische Gulden an den Rektor des Klementinums zu entrichten.16 Die Zinsen dienten primär der Absicherung der Erziehung von ursprünglich jüdischen Knaben, die kurz zuvor zum katholischen Glauben konvertiert waren und getauft wurden. Sie sollten sich bei den Altstädter Jesuiten nicht nur bilden, sondern bei ihnen auch wohnen und verköstigt werden. Sollte es nicht genug solcher Alumnen geben oder sollten sogar gar keine vorhanden sein, konnten auch nichtjüdische Knaben als Stipendiaten dieser Wallenstein15  Studien-Stiftungen im Königreich Böhmen I, S. 93–96; Holý (2016), S.  124 f., 304 und 336. 16  Studien-Stiftungen im Königreich Böhmen I, S. 109–112; Holý (2016), S. 307, 321 f., 324 und 334. Zur Situation der Juden in Böhmen im 17. Jahrhundert vgl. mindenstens Pěkný, S. 72–91 und Prudková-Veselá, passim.



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Stiftung aufgenommen werden, sie mussten sich aber verpflichten, Priester im Königreich Böhmen zu werden. Zugleich ermöglichte ihnen aber auch der Stiftungsgründer, „einem jedweden anderen vom apostolischen Stuhl bestätigten geistlichen Orden aufgrund des Rates des Paters Rector beizutreten und darin Gott, dem Herrn, zu dienen“. Falls sie jedoch in Zukunft aus solch einem Orden austreten würden, mussten sie in die geistliche Verwaltung zurückkehren, wobei der Prager Erzbischof das Recht hatte, sie dazu zu zwingen.17 Abschließend möchte ich nur noch ein paar Anmerkungen anführen. Wie auch immer Albrecht von Waldstein von seinen Zeitgenossen sowie von der späteren Forschung gewertet wurde, gehört zu seiner Persönlichkeit auch die Rolle des Mäzens. Sein Mäzenatentum berührte neben weiteren Bereichen auf deutliche Art und Weise den Bereich der Bildung, und zwar nicht nur in Bezug auf die Gebiete, die ihm kurze Zeit gehörten und die nach seiner Ermordung zumeist in die Hände anderer Geschlechter gerieten. Obwohl Wallensteins Motivation zur Unterstützung des Schulwesens und verschiedentlich definierter Gruppen von Schülern und Studierenden nur zum Teil freigelegt werden kann, scheint sie nicht deutlich vom Kontext jener Zeit abgewichen zu sein. Gerade in den ersten Jahrzehnten nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) war in den Ländern der Böhmischen Krone das Mäzenatentum des Adels, des Herrschers sowie der Geistlichen außerordentlich intensiv, unter anderem durch die großen Vermögensverlagerungen, zu denen es damals im Rahmen der Konfiskationen kam. Neben der Aufgabe der Rekatholisierung, bei der die geförderten Einrichtungen eine zentrale Rolle für das eigene Seelenheil sowie das ewige Andenken an den Förderer selbst und an dessen Familie spielten, hatten die einzelnen Mäzene mit Sicherheit auch ganz praktische Aspekte vor Augen. Im Falle des Herrschers und des Adels ist somit das Bestreben ersichtlich, beispielsweise Nachwuchs für die eigenen Dienste, sowohl für die Obrigkeitsämter als auch beispielsweise für die Verwaltung der Pfarreien auf dem Gebiet der eigenen Herrschaften zu sichern. Die gewährten Subventionen (im Rahmen der Studienstiftungen) sollten in einigen Fällen auch zur Bekräftigung der sozialen Bindungen führen und so könnten sie auch eine wichtige Rolle in dem vormodernen Klientelsystem gespielt haben. Das war auch bei Wallenstein nicht anders. Man muss zudem auch mit den individuellen Charakterzügen jeder Persönlichkeit rechnen, die mehr oder weniger das Objekt ihrer Förderung prägten. Obwohl das für die hier besprochenen Subventionen aufgewendete Eigentum auch im Kontext der Konfiszierungen nach der Schlacht am Weißen Berg und weiterer Prozesse auf eine Art und Weise erhalten blieb, die auch von den Zeitgenossen Albrechts von Waldstein als 17  Studien-Stiftungen

im Königreich Böhmen I, S. 110.

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problematisch angesehen wurde, diente dessen Ertrag vielen Generationen von Schülern und Studenten bis in die moderne Zeit hinein. So funktionierten beispielsweise die beiden oben erwähnten Stiftungen nach Anpassungen, die vor allem durch die Auflösung des Jesuitenordens in Böhmen im Jahre 1773 erzwungen wurden, noch am Anfang des 20. Jahrhunderts. Die von Wallenstein gegründeten Gymnasien wurden von Tausenden Schülern besucht.

Kommentar Von Anuschka Tischer Der Mensch steht im Mittelpunkt der Geschichte. Geschichtswissenschaft beginnt erst dort, wo Menschen ihr Handeln dokumentiert und schriftliche Quellen hinterlassen haben. Doch aus den Quellen tritt uns nicht das unbefangene Individuum entgegen.1 Der historische Mensch, von dem wir Quellen besitzen, gehörte bereits einer – zumeist privilegierten – Minderheit an. Ein Albrecht von Wallenstein gehörte in seiner Zeit zu jener kleinen Gruppe von Menschen, die nicht nur lesen und schreiben konnten, sondern auch ihre Umwelt in einer Weise gestalteten, dass Zeugnisse von ihnen erhalten sind und über sie berichtet wurde. Dennoch ist die Frage nach der Persönlichkeit und dem Selbstverständnis Wallensteins keine einfache und sie ist mit Missverständnissen behaftet. Die Menschen des frühen 17. Jahrhunderts haben kaum Selbstzeugnisse hinterlassen.2 Selbst wenn sie Zeugnisse ihres Denkens, ihrer Gefühlswelt und ihrer individuellen Einordnung in die Welt, die sie umgab, verfassten, so waren diese in überkommenen rhetorischen Formen ausgedrückt und überfrachtet von dem, was den Einzelnen prägte: Herkunft, sozialer Stand, materielle Grundlagen, Geschlecht, Bildung, Konfession oder auch Krankheiten. Die Quellen zur Persönlichkeit Wallenstein sind Quellen zu seinen lebensweltlichen Prägungen, zu verinnerlichten Rollenerwartungen sowie zu Darstellungen und Handlungen, die ein bestimmtes Bild von ihm bei den Zeitgenossen und in der Nachwelt evozieren sollten. Das zeigen die Beiträge in dieser Sektion, welche die Persönlichkeit und das Selbstverständnis Wallensteins genauer in den Blick nehmen. Die Frage, wie eine historische Persönlichkeit als Mensch gewesen sei, mithin als Persönlichkeit, der wir wie einem Zeitgenossen begegnen und ihn erleben, können Fachhistoriker aus der zeitlichen Distanz wissenschaftlich kaum beantworten. Zwar hat die historische Biographie in der Geschichtswissenschaft durchaus wieder Konjunktur, aber es geht dabei primär nicht um die Darstellung einer individuellen Persönlichkeit als vielmehr eines für 1  Zur frühneuzeitlichen Quellenproblematik siehe grundlegend Emich (2006) und Maurer. 2  Siehe dazu von Krusenstjern.

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weitere Entwicklungen relevanten Akteurs in einem historischen Gesamtzusammenhang. Eine historische Biographie ist immer auch – und oft sogar vor allem – die Präsentation eines Zeitalters und einer fernen Lebenswirklichkeit.3 Albrecht von Wallenstein war das Produkt seiner Zeit und der Umstände, in die er hineingeboren wurde und in denen er sich bewegte. Das Individuum ist überlagert von seinen historischen – nicht zuletzt auch anthro­ pologischen – Bedingungen. Das Individuelle der Persönlichkeit scheint dabei nur vorsichtig durch und muss sorgfältig von den anderen Faktoren getrennt werden. Dies wird deutlich an dem Studenten Wallenstein, der wegen seiner Gewalttätigkeit von der Hochschule in Altdorf verwiesen wurde. Wolfgang Mährle, der diese Begebenheit, die einen Eckstein jeder Biographie und biographischen Deutung Wallensteins bildet, analysiert, zeigt auf, dass gewalttätige Studenten grundsätzlich den Normalfall darstellten. Physische Gewalt war ein Teil der Gesellschaft und auch der akademischen Alltagskultur. Das Besondere an dem Fall Wallenstein war, dass er über das Maß an ritualisierter und akzeptierter Gewalt hinaus ging und dafür sein Studium abbrechen musste – eine Tatsache, die ihn allerdings im Weiteren biographisch weder besonders prägte noch beeindruckte, zumal adelige Studenten einen akademischen Abschluss oft gar nicht anstrebten. Das vermeintlich Individuelle, das die Persönlichkeit ausmacht, lässt sich vielfach in einen weiteren historischen Kontext einordnen. Das gilt selbst für vermeintlich messbare und bestimmbare Phänomene wie Krankheiten. Mit der Illusion einer medizinischen Diagnose aus historischen Quellen räumt Fritz Dross auf. Einerseits prägten Krankheiten das historische Individuum und sein Handeln stärker als es uns oft bewusst ist, andererseits waren aber die Wahrnehmung von Krankheiten und insbesondere die Aussagen über sie zugleich Teile zeitgenössischer Diskurse oder Mittel der Kommunikation. In Begriffen wie Modekrankheit oder diplomatische Krankheit kommt diese Dimension noch immer zum Ausdruck. Krankheiten unterliegen einer bestimmten Selbst- und Fremdwahrnehmung und neben physischen auch psychischen Prozessen. Die Krankheitsaussagen eines Wallenstein müssen in ein Konglomerat zeitgenössischer Theorien eingeordnet werden, das von der Klimatheorie bis zur Astrologie reicht, und es ist nicht unbedingt möglich, sie in eine moderne Diagnose zu übersetzen, wie Fritz Dross am Beispiel von Wallensteins „Ungarischer Krankheit“ erläutert. Wallenstein war mit seiner Persönlichkeit ein Repräsentant seiner Zeit und darüber hinaus der gesellschaftlichen Elite, der er entstammte. Das zeigt sich über die Herkunft als böhmischer Adeliger hinaus an zahlreichen Aspekten seiner Biographie, die in dieser Sektion beleuchtet werden. Auch seinen Sta3  In dieser Hinsicht stilbildend war die Biographie des französischen Landadeligen Enguerrand VII. de Coucy von Tuchman.



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tus verriet sein Krankheitsbild, denn das Podagra, an dem er wie viele seiner Zeitgenossen litt, kann man eher als Wohlstandskrankheit bezeichnen. Wallensteins Herkunft machte seinen Lebensweg erst möglich. Er gehörte zum Typus des adeligen Kriegsunternehmers, als den ihn Ronald G. Asch untersucht, und aus dieser Funktion heraus wurde er zum politisch-diplomatischen Akteur, ohne im eigentlich Sinn Politiker oder Diplomat zu sein, ein Phänomen, das Robert Rebitsch beleuchtet. Dass Wallenstein kein professioneller Politiker oder Diplomat war, entsprach dabei durchaus den zeitgenössischen Gepflogenheiten, und sein Agieren bei den Verhandlungen zum Frieden von Lübeck 1629 war sogar ausgesprochen erfolgreich. Was ihm aber zum Verhängnis wurde, war eine Unabhängigkeit im Planen und im Handeln, mit der er sich immer mehr vom Kaiser und dessen Umfeld entfernte. Wallensteins Handeln bekam eine historische Bedeutung durch die größeren Zusammenhänge der Zeit, die langen und zähen Kriege wie den Dreißigjährigen Krieg, die den Typus des politisch-gesellschaftlichen Akteurs begünstigten, der sich im elitären Kontext bewegte, aber über seinen eigenen Status hinaus strebte. Friedrich V. von der Pfalz, der den Dreißigjährigen Krieg mit der Annahme seiner Wahl zum Gegenkönig in Böhmen ins Rollen brachte, stellte von Anfang an das Modell dieses Typus dar und wurde gleichsam zum Modell des Scheiterns. Diesem Modell der Grenzüberschreitung und des Scheiterns folgte auch der Typus des adeligen Kriegsunternehmers, den die Kriegsintensität und das Militärwesen aus dem zeitgenössischen System heraus hervorbrachten. Diese Kriegsunternehmer scheiterten, wenn sie ihre sozialen Grenzen zu stark überschritten wie Wallenstein mit dem Versuch, sich als Reichsfürst zu etablieren, oder wenn sie wie der spanische Heerführer Ambrosio Spinola, den Ronald G. Asch als Parallelfall zu Wallenstein untersucht, politische Einflussnahme anstrebten. Wallenstein war mit diesen Versuchen und seinem Scheitern somit ein, wenn auch besonders dramatischer, Typus seiner Zeit. Das Reichsherkommen und die ständische Gesellschaftsstruktur, welche die Kriege zu sprengen drohten, erwiesen sich als beharrlich, wobei Wallenstein wie viele andere seine Möglichkeiten überhaupt erst aus diesem System erhielt. Es zu zerstören, lag nicht in seinem Interesse. Maximilian von Bayern, der Tradition und Ambition auf der Basis besserer Voraussetzungen geschickt auszubalancieren verstand, oder Johann t’Serclaes von Tilly, der seinen Ehrgeiz in eine gelungene Kriegführung für den Kaiser und die katholische Sache steckte, sind Beispiele für Repräsentanten des Systems, die erfolgreicher waren als Wallenstein. Zu ihnen stand er, wie Robert Rebitsch zeigt, auch dann im Gegensatz, wenn sie für eine gemeinsame Sache kämpften. Dabei war Wallenstein kein Abenteurer, der aus dem Nichts kam, sondern ein ökonomisch versierter Kriegsunternehmer, dessen Handeln an seinen adeligen Ethos und eine dynastische Strategie rückgekoppelt waren.

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Als Adeliger war Wallenstein in besonderem Maße das Produkt einer Erziehung, die weit über seine missglückte akademische Ausbildung hinausging. Adelig war man nicht nur durch seine Herkunft, sondern durch eine Formung, die es erst erlaubte, die zugedachte Rolle auszufüllen. Dynastien entwickelten im Idealfall Strategien, die ihren Mitgliedern bereits durch die Erziehung vermittelt wurden und so die Differenz zwischen Repräsentation und Persönlichkeit minimierten.4 Auch wenn wir nicht wissen, inwieweit das auf Wallenstein zutraf, so zeigt sein Handeln doch, dass er sich auf das ­Instrumentarium der Herrschaft verstand. Petr Fidler und Martin Holý zeigen das beeindruckende Spektrum von Wallensteins Mäzenatentum in Architektur, Verwaltung und Bildung, die ihm sein neu geschaffenes Herzogtum erschließen sollten. Wallenstein beherrschte die kulturelle und administrative Repräsentation seiner Herrschaft und war ein guter katholischer Landesvater wie er im Buche stand. Vom Habitus her vermochte er seine neue Herrschaft auszufüllen. Was er nicht zu überbrücken vermochte war, dass sie ihm nicht zustand respektive nicht zugestanden wurde. Er repräsentierte somit etwas, was er für seine Zeitgenossen nicht war. Wallenstein scheiterte also nicht, weil er alles falsch machte. Trotz einer offensichtlichen Neigung zum Jähzorn war er fähig zum konsensuellen Handeln, das den erfolgreichen Diplomaten ausmacht, und trotz seiner Karriere als Militär entwickelte er eine Friedensstrategie. Sein Erfolg aber brachte Wallenstein in Widerspruch zu den eigentlichen Grundlagen dieses Erfolgs: Der Kaiser brauchte ihn als dienstbaren Heerführer, aber Wallenstein hatte spätestens als Landesherr eigene Interessen. Als Kriegsunternehmer brauchte er den Krieg, aber als Landesherr den Frieden. Politisch, diplomatisch und schließlich auch militärisch agierte er immer eigenständiger und wurde damit untragbar. Es bleibt die Frage, welche erfolgreichen Handlungsoptionen Wallenstein überhaupt hatte. Sein Scheitern aber war eher das eines bestimmten Typs des ambitionierten adeligen Kriegsunternehmers als das des Individuums Wallenstein. In seiner Persönlichkeit sind Erfolg und Scheitern untrennbar verbunden.

4  Idealtypisch waren hier die Habsburger. Siehe dazu Hoffman, M. K. Grundlegend zur historischen Bedeutung frühneuzeitlicher Dynastien ist nach wie vor Weber, H. (1981).

Wallenstein-Rezeption

Wallenstein vor Schiller. Die literarische Darstellung des Generalissimus im späten 18. Jahrhundert Von Daniele Vecchiato 1. Vom „unentwickelten Charakter“ zum populären literarischen Helden In der „Vorerinnerung“ zu seinem Wallenstein-Drama von 1786 beobachtet der Oldenburger Aufklärer Gerhard Anton von Halem: „Wallensteins Character ist einer der unentwickeltsten in der neuern Geschichte, und schwerlich wird er je mit Sicherheit entwickelt werden, da seine Feinde mehr wie einen Grund hatten, alles, was dazu dienen könnte, aus dem Wege zu räu­ men.“1

Aus heutiger Sicht mag dieser Satz verwunderlich klingen, da Albrecht von Wallenstein zu den bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen (Literatur-)Geschichte zählt, über die mittlerweile eine kaum mehr überschaubare Flut von Schriften erschienen ist. Doch im ausgehenden 18. Jahrhundert war die literarische Wallenstein-Rezeption noch nicht zur Blüte gelangt: Mitte der 1780er Jahre waren weder Friedrich Schillers Geschichte des Drey­ ßigjährigen Kriegs (1790–1792) noch seine Wallenstein-Trilogie (1800) er­ schienen und das kontroverse Leben des Herzogs von Friedland sowie die Verschwörung, die zu seinem blutigen Ende führte, waren beim breiteren Publikum noch relativ wenig bekannt. Unbestreitbar verdankt der Generalissimus seine anhaltende Popularität jenem Bild, das Schiller von ihm gezeichnet hat – ein Bild von außerordentlicher Komplexität und Anziehungskraft, das Generationen von Autoren fasziniert und inspiriert hat. Dank Schiller hat sich der Mythos Wallenstein so stark in das Bewusstsein der Deutschen eingeprägt, dass sich die Grenze zwischen Geschichte und Fiktion gelegentlich verwischt: In einer kuriosen Umfrage aus dem Jahr 1985 gestand mehr als die Hälfte der Befragten ein, dass sie nicht wussten, dass Wallenstein außerhalb der schillerschen Dich-

1  Halem,

S. 9.

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tung wirklich existiert hat.2 Allerdings diente die Wallensteintrilogie nicht nur als Ausgangspunkt für viele Annäherungen an den Stoff, sondern sie bildete zugleich den letzten Ring einer längeren Kette von literaturgeschichtlich weniger prominenten Auseinandersetzungen mit Wallenstein, die gerade im ausgehenden 18. Jahrhundert Konjunktur hatten. Anhand ausgewählter Beispiele aus dieser kaum erforschten Linie der literarischen WallensteinRezeption vor Schiller wird auf den kommenden Seiten nachgezeichnet, wie sich die Figur des Feldherrn vom „unentwickelten Charakter“ – wie es bei Halem noch heißt – hin zum beliebten literarischen Helden entfalten konnte. Insbesondere wird aufgezeigt, wie heute in Vergessenheit geratene Autoren zwischen den späten 1780er und den frühen 1790er Jahren einerseits die historische Thematik funktionalisierten, um an dominanten Diskursen ihrer Zeit teilzunehmen, und andererseits durch die Infragestellung des tradierten Wallenstein-Bildes zu einer nuancierten und historisch plausibleren Darstellung des Generals beitrugen, die nicht zuletzt Schillers Trilogie beeinflusst haben dürfte. 2. Die Rezeption des Dreißigjährigen Kriegs und Wallensteins Charakterbild im ausgehenden 18. Jahrhundert Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts setzte in den deutschsprachigen Ländern eine Wiederentdeckung des Dreißigjährigen Kriegs ein, die von der Übersetzung grundlegender historiographischer Studien angeregt wurde, um sich dann progressiv auf die florierende Geschichtsschreibung und historisch tingierte Belletristik der Zeit auszuweiten.3 Die Aktualität des historischen Themas lässt sich vor allem dadurch erklären, dass die Erfahrung des Siebenjährigen Kriegs (1756–1763) einerseits und der Französischen Revolution andererseits das Bewusstsein einer politischen Krise in Europa intensivierte und viele Spätaufklärer zu einer Auseinandersetzung mit der Katastrophe des 17. Jahrhunderts anspornte, die trotz ihrer traumatischen Zerstörungen eine nach damaligem Empfinden produktive Wirkung auf den historischen Prozess ausgeübt hatte.4 2  Vgl. Bei Wallenstein müssen viele passen. Historische Bildung höherer Schulen oft mangelhaft – Das Ergebnis einer demoskopischen Umfrage, in: Südkurier Kon­ stanz, Nr. 158, 12.07.1985, S. 3. 3  Hierzu vgl. Vecchiato (2015b), passim. 4  Diese Meinung vertritt auch Schiller am Anfang seines Geschichtswerks (vgl. NA XVIII, 9; Schillers Werke werden nach der Nationalausgabe [Sigle: NA] mit römischer Band- und anschließender arabischer Seitenzählung zitiert). Der teleologische Optimismus des Autors, der noch die universalgeschichtlichen Positionen seiner Jenaer Antrittsvorlesung (Mai 1789) widerspiegelt, erfährt im Laufe der Arbeit an der Geschichte eine entschiedene Entkräftung. Hierzu vgl. Dann (2005).



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Bereits um 1760 begann die Rezeption ausländischer Werke wie die ­ istorie des dreyßigjährigen Krieges von Guillaume-Hyacinthe Bougeant H (1727–1744 erschienen, 1758–1760 übersetzt), Das Leben Gustav Adolphs von William Harte (1759 erschienen, 1760 übersetzt) oder die Lebensgeschichte Albrechts von Waldstein von Galeazzo Gualdo Priorato (1643 erschienen, 1769 übersetzt), die im damals anschwellenden Buchmarkt massenhaft zu zirkulieren begannen. Diese und andere Texte gaben ihrerseits mehreren deutschen Geschichtsschreibern Impulse für die Arbeit an groß angelegten Werken über den Dreißigjährigen Krieg, die zwischen den 1770er und den 1790er Jahren entstanden, unter anderen Georg Philipp Anton Neuburs Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (1774), Michael Truckenbrots Geschichte des dreißigjährigen Kriegs und westphälischen Friedens. Ein Lesebuch für den deutschen Bürger (1786) oder Christoph Gottlieb von Murrs Beyträge zur Geschichte des dreyßigjährigen Krieges (1790). Schillers Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs, die zwischen 1790 und 1792 verfasst wurde,5 positioniert sich in dieser Welle von Schriften und in der regen historiographischen Debatte der Zeit. Ihre Veröffentlichung in Georg Joachim Göschens populär ausgerichtetem Historischen Calender für Damen ist ein Beweis für das im späten 18. Jahrhundert ansteigende Interesse der Leser – und vor allem der Leserinnen – für die Geschichte,6 die besonders im blühenden Medium der Periodika (Zeitschriften, Broschüren, Almanache) eine entschiedene Popularisierung erfuhr.7 Im Rahmen dieses – auch patriotisch begründeten8 – Neuinteresses am verheerenden Konflikt des 17. Jahrhunderts nahm die Beschäftigung mit der Figur Wallensteins eine prominente Stelle ein. Angesichts der gewaltigen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umwälzungen, die sich in den Jahrzehnten vor 1800 vollzogen, bestimmte eine besondere Mischung aus Sorge und Optimismus, Bewahrungsbedürfnis und Veränderungswillen den Diskurs in Deutschland und ließ ambivalente ‚Helden‘ wie Wallenstein besonders interessant erscheinen. Das Faszinosum des Friedländers lag vor allem in der ungelösten Frage nach dessen Schuld oder Unschuld in Bezug auf den angeblichen Verrat an Kaiser Ferdinand II.: Hatte Wallenstein tatsächlich die Absicht, sich mit den 5  Schillers Darstellung ist zeitgleich erschienen mit den Werken von Michael Ignaz Schmidt (Geschichte der Deutschen, Bde. 9–11, 1789–1791), Johann Christian Herchenhahn (Geschichte Albrechts von Wallenstein, des Friedländers, 1790–1791) und Johann Georg August Galletti (Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs und westphälischen Friedens, 1791–1792). 6  Vgl. Dainat. 7  Hierzu vgl. Dann (1976); Vierhaus. 8  Vgl. Cramer, passim.

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Feinden zu verbünden, oder fiel er einer Verschwörung seiner neidischen Gegner zum Opfer? Um diese Frage herum haben sich die verschiedensten Interpretationen des Generals herauskristallisiert, die ihn mal heroisiert, mal verteufelt haben.9 Während zum Beispiel auf der einen Seite Anton Edler von Klein in seinem Artikel Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland aus dem Sammelwerk Leben und Bildnisse der grossen Deutschen (1785– 1805) den Generalissimus dezidiert negativ darstellt und als moralische Kontrastfigur verwendet, um die Verdienste der anderen historischen Helden umso heller erscheinen zu lassen,10 geht Gottlob Benedikt von Schirach im Wallenstein-Porträt seiner sechsbändigen Biographie der Deutschen (1770– 1774) mit vorschnellen Urteilen vorsichtiger um und macht auf die Unzuverlässigkeit und Parteilichkeit der Quellen aufmerksam.11 Und wenn einige Historiker den Friedländer eindeutig als stolz, herrschsüchtig und gewissenlos darstellen und – wie Johann Christian Herchenhahn es in seiner Geschichte Albrechts von Wallenstein (1790–1791) tut – ihn sogar als „des Teufels Verlobten“12 dämonisieren, so verflechten andere, etwa Erdmann Friedrich Bucquoi in seiner Biographie Leben und Thaten des General Wallenstein (1783), die Kritik an den negativen Aspekten des wallensteinschen Charakters mit einem Lob seines militärischen „Genies“.13 Durch die Anerkennung der Größe der historischen Gestalt wird eine Rehabilitierung derselben oder zumindest eine Problematisierung ihres politischen Handelns in die Wege geleitet, die bei von Murr – und später bei Schiller – ihre reifere Form erreichen wird. Solche polarisierenden Darstellungen in der Geschichtsforschung, die auf die ideologische Spaltung früherer verteidigender bzw. kondemnatorischer (Flug-)Schriften zurückgehen,14 prägten auch die literarischen Bearbeitungen der Geschichte Wallensteins, die bereits kurz nach dessen Tod im Februar 1634 zu zirkulieren begannen.15 Beschränkt man sich auf das Drama, die bevorzugte Gattung für die Behandlung des Wallenstein-Stoffes, so findet man in der Barockzeit mehrere Tragödien zum Thema, darunter Nicolaus Vernulaeus’ Fritlandus und Henry Glapthornes Tragedy of Albertus Wallenstein, die im Jahr 1636 ihre Uraufführung hatten, sowie zahlreiche jesuitische 9  Vgl. u. a. Mannigel, insbesondere S. 61–71 und S. 86–123, sowie Bahlcke / Kampmann, passim. 10  Vgl. Klein. 11  Vgl. etwa Schirach, S. 202. 12  Herchenhahn, Bd. 2, S. 117. 13  Bucquoi, S. 17. 14  Vgl. den Beitrag von Silvia Serena Tschopp im vorliegenden Band. 15  Vgl. insbesondere Irmer (1891); Harzen-Müller; Schweizer; Davies (2010), S. 1–57.



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Dramen, die mit moralischen Absichten in Schultheatern aufgeführt wurden.16 Diese erste Welle von Schriften endete um die Mitte des 17. Jahrhunderts: Aufführungen von Wallenstein-Dramen sind zwar bis Anfang des 18. Jahrhunderts nachzuweisen, aber man muss die Jahre um 1780 abwarten, um literarische Neubearbeitungen des Stoffes zu finden. Neben dem bereits ­ ­erwähnten Stück von Halem sind mindestens zwei weitere vorschillersche Wallenstein-Dichtungen zu nennen: das Drama Albrecht Waldstein, Herzog von Friedland (1789) des böhmischen Schauspielers und Gelegenheitsautors Johann Nepomuk Komareck und der Dialogroman Albrecht der Friedländer Hochverräther durch Cabale (1794) des jakobinischen Aufklärers Georg Friedrich von Rebmann. Zwei weitere Schauspiele, Albrecht Waldstein (1781) von Karl Franz Guolfinger und Albrecht Wenzel von Waldstein, Herzog von Friedland (1790) von Václáv Thám, gelten als verschollen. 3. Die Rehabilitierung des historischen Wallenstein in der Literatur a) Psychologisierung und Vermenschlichung des ‚Verräters‘ Gemeinsamer Nenner der Werke von Halem, Komareck und Rebmann ist eine gründliche Revision des herkömmlichen Wallenstein-Bildes: Statt den Friedländer als einen ehrgeizigen Führer und Machtusurpator zu porträtieren, wie es im größten Teil der Literatur bis zum Ende des 18. Jahrhunderts üblich war, schildern ihn Halem, Komareck und Rebmann als einen gemischten Charakter und stellen seine Rolle als Verräter radikal infrage. Dabei weisen sie die einseitig verdammende habsburgische Geschichtsüberlieferung zurück und stützen sich auf jene Minderheit apologetischer Quellen,17 die Wallensteins Tat problematisieren und seine Figur in chiaroscuro darstellen. In diesen Texten wird Wallensteins Rebellion als die natürliche Folge wiederholter Erniedrigungen präsentiert und sein Anspruch auf Autonomie gegenüber dem Kaiser als verständliche Reaktion auf die Beleidigung seines Stolzes nach der zweiten Absetzung gedeutet.

16  Vgl. Wolf, S. 10–111. Siehe auch den Beitrag von Bernhard Jahn im vorliegenden Band. 17  Zu nennen sind hier beispielsweise Samuel von Pufendorfs Commentarii de rebus Suecicis (1686), die Halem in der Vorrede neben den Werken von Hyacinte Bougeant und Michel le Vassor als historiographische Quellen anführt (vgl. Halem, S. 9). Eine besondere Resonanz muss auch der Gründtliche und wahrhaftige Bericht (1635) von Jaroslav Sezima Rašín gefunden haben, durch welchen sich die Legende verbreitete, dass sich Wallenstein nach der Demütigung von Regensburg durch die verräterischen Unterhandlungen am Kaiser rächen wollte.

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Bei der Verschiebung der Aufmerksamkeit von dem angeblichen Verrat hin zur Psychologie des Verräters greifen die Dichtungen von Halem, Komareck und Rebmann den anthropologischen und seelenkundlichen Diskurs der Spätaufklärung auf. Ihre erklärte Absicht ist es, „nicht de[n] Feldherr[n], nicht de[n] Politiker, nur de[n] Mensch[en] Wallenstein“18 zu Wort kommen zu lassen und die geheimen Triebfedern seines Agierens genauer zu ergründen. In allen drei Texten wird Wallenstein als ein treuer Kaiserdiener dargestellt:19 Die Gespräche, die er mit den Feinden führt, werden als gut gemeinte Versuche der legitimen Kooperation zwecks Waffenstillstand und Frieden geschildert. Deshalb stellt die Acht, mit der Ferdinand ihn belegt, eine noch bitterere Enttäuschung für den Generalissimus dar, der sich nach der am Regensburger Kurfürstentag von 1630 beschlossenen Absetzung zum zweiten Mal verraten fühlt. Im Zuge der unerwarteten Entmachtung begreift Wallenstein seinen Bund zum Kaiser als aufgelöst („Zerbrochen ist die Bande, die mich an Oesterreich kettete“)20 und ab diesem Moment fordert er nur Rache und Kompensation für die erlittene Kränkung: „Meine Ehre steht auf dem Spiel, nur mit einer Krone kann ich sie einlösen, und bei Gott! ich will sie einlösen. Ich bin gebrandmarkt vor ganz Europa, und nur der Thron adelt Verbrechen zu Grosthaten und Schandmahle zu Lorbeern. […] Meine Losung heist von nun an Tod und Rache.“21

Es ist also Wallensteins verlorene Ehre, die ihn zum Verräter werden lässt. Wie Rebmann in Anlehnung an Schillers Geschichte zusammenfasst, „[fiel] Wallenstein nicht, weil er rebellirte, sondern er rebellirte, weil er fiel“.22 Der Feldherr wird somit zu einem idealistischen Verbrecher, der die Verletzung seines Rechtsgefühls und seiner Würde zum Ausgangspunkt nimmt, um die eigene Diskreditierung zu rächen. Selbst wenn sein Verratsplan keine völlige Rechtfertigung findet, so wird er doch vor diesem Hintergrund verständlicher, wodurch Wallenstein auch eine gewisse moralische Entlastung erfährt. Ein vergleichbarer Fokus auf den ‚Menschen‘ (und nicht den ‚Mythos‘) Wallenstein zeigt sich ebenso in Benedikte Nauberts zweibändigem Bestseller Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn (1788), aus dem Schiller mit aller Wahrscheinlichkeit die Inspiration für seine Thekla-Figur bezog. In diesem Roman, der durch die fiktive Haupthandlung einerseits auf die Unter18  Rebmann

(1794), S. 22. ruft zum Beispiel Komarecks Wallenstein aus: „Die Majestät ist mir heilig – und bei Gott! der Gedanke sie zu beleidigen, kam in meine Seele nie“ (Komareck, S. 29). 20  Halem, S. 53. 21  Rebmann (1794), S. 123 f. 22  Ebd., Vorrede (ohne Seitenzahl). Bei Schiller heißt es: „[S]o fiel Wallenstein, nicht weil er Rebell war, sondern er rebellirte, weil er fiel“ (NA XVIII, 329). 19  So



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haltung des Publikums abzielt und ihm mittels des historischen Erzähl­ rahmens andererseits rudimentäre Geschichtskenntnisse zu vermitteln sucht, reist die Titelheldin durch Europa, wird auf ihrer abenteuerlichen Reise Augenzeugin der wichtigsten Ereignisse der frühen Phase des Dreißigjährigen Kriegs und lernt unter anderen historischen Persönlichkeiten auch Wallenstein kennen. Obwohl Naubert nicht direkt auf die Psychogenese von Wallensteins Verrat eingeht, bemüht sich ihre Darstellung darum, den Generalissimus in ein positives Licht zu rücken: Durch die Augen der Protagonistin, die den Alltag in der Familie Wallenstein miterleben darf, werden die Stereotype, die sich um den Charakter des Friedländers ranken, auf wenigen Seiten geschickt dekonstruiert. Schon bei ihrer ersten Begegnung in Pilsen ist Thekla von der königlichen Pracht, in welcher der Herzog lebt, ebenso überrascht wie von seiner Menschlichkeit: Sie hat sich ihn als eine „Art von Götzen“ voller „Stolz und Uebermuth“ vorgestellt und findet stattdessen einen ungezwungenen, überaus freundlichen „Mann“ vor sich.23 Thekla verweilt eine Zeit bei den Wallensteins, freundet sich mit der Frau des Generals an und folgt dem Ehepaar bei der Flucht nach Eger. In der Nacht seiner Ermordung, als der Astrologe Seno sein Horoskop erstellt und die Sterne nichts Gutes zu verheißen scheinen, wird Wallenstein in der Stunde der Angst und der höchsten Verzweiflung gezeigt. Er geht „unruhig und schwankend im Zimmer auf und ab“ und schämt sich für die Misere seiner Lage: „Der, den die ganze Welt einen Helden nennt, der nächstens eine Krone zu erkämpfen hoft, der den Tod in tausendfacher Gestalt ohne Zittern, oft auf sich zueilen sah, der bebt jetzt vor einem Schatten.“24

Der große Heerführer, der in den meisten Biographien der Zeit als ein Ungeheuer porträtiert wird, zeigt bei Naubert einen schwachen Persönlichkeitskern und wirkt fast zerbrechlich in seiner Menschlichkeit. Ähnlich wie das Bestehen auf die verlorene Ehre als Hauptmotiv für Wallensteins Rebellion bei Halem, Komareck und Rebmann dient die Akzentuierung der menschlichen Charaktereigenschaften des Generals bei Naubert darstellungsstrategisch der Umwertung seines traditionellen Bildes als Verräter und Despot. Zum ersten Mal wird der Generalissimus nicht als ein nimmersatter Machtmensch porträtiert, sondern als ein Opfer von Erniedrigungen und Machenschaften, als eine vielschichtige, ambivalente Figur, die in ihrer Komplexität bereits moderne Züge aufweist.

23  Naubert, 24  Ebd.,

Bd. 2, S. 322 f. S. 357.

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b) Wallenstein als politischer Märtyrer Die programmatische Rehabilitierung des historischen Wallenstein durch seine Gestaltung als Opfer wird in den Dichtungen von Halem, Komareck und Rebmann durch explizite Anklänge an die Evangelien christologisch aufgeladen: Wallenstein teilt mit Jesus ein autoritäres Charisma, das besonders auf seine Offiziere und Soldaten – seine ‚Jünger‘ – ausstrahlt, und seine Umgebung spaltet sich in unerbittliche Gegner und verehrende Anhänger, in Skeptiker und Sympathisanten. Vor allem aber in der Darstellung von Wallensteins Tod sind die Ähnlichkeiten zu Christus frappierend: Die Parallelen zu den Passionsberichten sind an manchen Textstellen so zahlreich, dass man quasi von einer Kontrafaktur, von einer weltlichen Umdichtung des religiösen Modells sprechen könnte: So wie der Herr gelitten und sich erniedrigt hat, um die Menschheit zu retten, so setzt sich Wallenstein für große Ideale ein und opfert sich körperlich zum Wohle seines Volkes. Durch die Demütigung des einst Mächtigen wird die Empathie des Lesers bzw. Zuschauers auf die Leiden des Verfolgten gelenkt. Indem Wallenstein als ein zu Unrecht ermordetes Opfer dargestellt wird, erfährt er eine sakrale Überhöhung, die ihn verherrlicht und sein historisches Ansehen rehabilitiert. Bei Halem wird der Generalissimus als ein „Märtyrer[]“ und „Retter des Reichs“25 konturiert, der sein Leben für das Wohl seines Landes aufopfert.26 Ikonographisch wird die Assoziation zu Christus in der Schlussszene evident, als Wallensteins Frau, in ein weißes Nachtgewand gekleidet, auf den Leichnam ihres Geliebten niedersinkt und um ihn trauert wie eine Pietà.27 Auch bei Rebmann lässt sich eine Aneignung narrativer Muster aus der Passionsgeschichte erkennen, etwa als Wallenstein behauptet, dass seine Augen überall auf „Ischariothsblick[e]“ treffen, „Minen die mir gerade so aussehen, als hätte ihr Innhaber Lust, dich an den ersten besten zu verkaufen, der ein gutes Gebot legt“,28 oder als ihm nach dem Tod die Beine gebrochen werden, weil seine Leiche in einen zu kleinen Sarg gelegt wird,29 was eine Anspielung auf die in den Passionsberichten erwähnte Praxis des crurifragium darstellt, die Christus jedoch erspart bleibt.30 Eine noch explizitere Verwendung christologischer Motive erfolgt in Komarecks Drama, besonders in der Beschreibung der letzten Stunden Wallen25  Halem,

S. 76 und S. 56. will es thun, ich will mich darbringen zum Opfer“ (ebd., S. 26); „Daran erkenn’ ich die Krieger, für die ich mein Gut, mein Leben aufopferte“ (ebd., S. 53). 27  Vgl. ebd., S. 86. 28  Rebmann (1794), S. 170 f. 29  Vgl. ebd., S. 214. 30  Vgl. Joh 19, 31–34. 26  „[I]ch



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steins.31 Die Schwurszene zum Beispiel, in welcher der Feldherr die Treue und Unterstützung seiner Offiziere fordert, gemahnt sowohl in der Wortwahl des Protagonisten als auch hinsichtlich der Bühnenanweisung an das letzte Abendmahl,32 während in der wie eine weltliche via crucis aufgebauten Todesszene Wallenstein die sieben letzten Worte Jesu aufgreift, um zum Schluss den Blick emporzuheben und auszurufen: „Vater! in deine Hände befehl ich meinen Geist!“.33 Die an die immolatio Christi angelehnte Schilderung der Passion Wallensteins zeugt nicht nur von der Intention der Autoren, diesen durch eine sa­ krale Aura zum Nationalhelden zu erheben und seine Gestalt ins Positive, wenn nicht ins Vorbildliche umzuwandeln; vielmehr wird mit der Heiligsprechung eines politischen Charakters aus der Realgeschichte die Funktion der Politik selbst nobilitiert: In einem Kontext von Intrigantentum und diffuser Korruption wird der General zum säkularen Erlöser, zur Hypostase höchster politischer Ideale. c) Wallenstein als Aufklärer ante litteram Die Nobilitierung Wallensteins als politischer Führer erfolgt am eindrucksvollsten in den Dichtungen von Halem und Rebmann, die von zeitgenössischen gesellschaftspolitischen Überlegungen und aufklärerischen Wertvorstellungen durchdrungen sind. Beide Autoren lehnen die althergebrachte Darstellung des Feldherrn als eine finstere, rückständige Figur ab, eine Darstellung, die nicht zuletzt mit dem Sternglauben des historischen Wallenstein zusammenhing34 und vor allem in der protestantischen Geschichtsschreibung Bestand hatte, die Wallenstein häufig als eine Kontrastfigur verwendete, um das ‚Aufgeklärtsein‘ des Schwedenkönigs Gustav Adolf umso rhetorischer hervorzuheben.35 In Gegentendenz zu dieser Tradition konturieren Halem und Rebmann den General als einen Aufklärer ante vgl. Wolf, S.  184 f.; Höyng (2003), S. 191–193. […] (Giebt Buttlern die Rechte, Terzka’n die Linke, und die Umstehenden fassen einander an der Hand, so daß sie von Waldstein an, welcher in der Mitte steht, einen halben Mond bilden, und also durch dieses Bündniß an einander gekettet sind. Mit empor gehobenen Augen.) Erhalter der Menschen, und allerschaffner Dinge! Du erhieltest mich so lange, bist mein Vater, sieh herab! Segne uns, segne jedes einzelne Glied dieses festlichen Bundes – und dein heiliger Donner zermalme den, der Falschheit im Herzen hegt!“ (Komareck, S. 29). 33  Ebd., S. 92. 34  Vgl. Vecchiato (2015a). 35  Zum Kult Gustav Adolfs in der Geschichtsschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. Oredsson, S. 30–41. 31  Hierzu

32  „Waldstein.

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litteram, der sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in seinem Lande engagiert.36 So streift Halem in seinem Drama Themen wie die politische Eudämonie oder das Gleichgewicht zwischen Individualismus und Gemeinwillen. Sein Wallenstein ist bestrebt, „Frieden zu geben; zu herrschen über ein glückliches Volk“,37 und muss dabei mit seinen eigenen Ambitionen und dem inneren Streben nach Ruhm und Glorie kämpfen. Als ein leidenschaftlicher Leser der Werke Jean-Jacques Rousseaus38 greift Halem auf dessen Begriff des ‚sozialen Pakts‘ zurück, der eine Zusammenführung von dem Wunsch des Einzelnen nach individueller Selbstentfaltung und den Interessen der Gesamtheit ermöglicht. Sein Wallenstein ist der einzige, der „die sich kreuzenden Interessen zu Einem großen Zweck […] vereinen“ kann:39 Er gilt als Träger der volonté générale und nur als solcher ist er legitimiert, politisch zu agieren und das Wohl seines Volkes zu verfechten. Darüber hinaus wird Halems Wallenstein in einem Zeitalter religiös begründeter Konflikte anachronistisch als ein Vertreter der Toleranz vorgestellt, der – wie in den Friedensschriften der europäischen Aufklärung postuliert – den gegenseitigen Respekt zwischen antagonistischen Parteien als die Grundsäule für die Herstellung eines „bestehen[den]“, eines ewigen Friedens betrachtet.40 Auch Rebmanns Wallenstein ist ein unzeitgemäßer Held der Aufklärung.41 Sein Hauptziel ist es, „Deutschlands Denk- und Glaubensfreiheit […] in ­einem von ihm entworfenen Friedensschluß [zu] gründen“42 und der Welt das „Beispiel eines Fürsten zu geben, der […] blos seines Volkes Glück sich zum Ziel machte, seine Sicherheit nur darauf, und nicht auf armselige Regentenkünste, und Priesterschauspiele gründete, und keines Betrugs bedürfte um zu herrschen.“43 36  Eine aufklärerische Interpretation der Figur Wallensteins gibt ebenso von Murr in seinen Beyträgen von 1790: „Im übrigen war er unendlich viel aufgeklärter, als damals bey Adelichen gewöhnlich war, und verlachte heimlich alles Pfaffengeschwätz“ (Murr, S. 306). Laut von Murr dachte Wallenstein „damals schon so aufgeklärt […] wie jetzt man denkt“ (ebd., S. 311). Hätte er seine politischen Pläne durchsetzen können, so würden „das Mönchswesen, und andere aus den Finsternissen der mittlern Zeiten sich herschreibende Vorurtheile, Aberglauben und Volkstäuschungen wohl schon im vorigen Jahrhunderte, mit dem Religionszwange, größtentheils aufgehöret haben“ (ebd., S. 352 f.). 37  Halem, S. 65. Vgl. hierzu Wolf, S. 128–133. 38  Vgl. Müller, K.-P., S. 63. 39  Halem, S. 13. 40  Ebd., S. 50–53. 41  Vgl. Kawa, S. 172–177; Wolf, S. 145–172. 42  Rebmann (1794), S. 20. 43  Ebd., S. 49.



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Rebmanns Wallenstein ist also ein Anti-Machiavell, der seinen Lands­ leuten Glückseligkeit und Prosperität ohne Intrigen und ohne Blutvergießen schenken möchte. Er will nicht die Macht usurpieren, sondern die Anerkennung des Volkes durch eine progressive Politik erobern, die anhand durchgreifender Reformen das Gemeinwohl etablieren soll.44 Aus dem Kampf gegen die Engstirnigkeit von Priestern und Politikern kann aber Wallenstein nur als Verlierer hervorgehen: „Wäre ich ein Jahrhundert später gebohren worden“, seufzt er, „dann vielleicht möchten meine Wünsche weiter gehen, […] aber diese Zeit paßt noch nicht für meine Hofnungen, und sie mögen mit mir zu Grabe gehn, mit mir verwesen.“45

Dennoch liegt Wallensteins Scheitern nicht ausschließlich an äußeren Umständen: Bei Halem wie bei Rebmann wird der Stolz des Helden, sein übermütiges Ich, zum Mitauslöser seiner Tragödie. Denn gerade in dem Moment, in welchem der Friedländer das Gemeinwohl seiner Mitmenschen vergisst und nur aus dem Wunsch nach persönlicher Glorie heraus agiert, implodieren seine Friedens- und Freiheitsbestrebungen und verwandeln sich in Macht­ ergreifungspläne. Die Größe der Ideale kann also nicht nur aufgrund der historischen Gegebenheiten, sondern auch angesichts einer individuellen Tugendschwäche nicht eingehalten werden. Die Botschaft ist eindeutig: Der Mächtige darf sich nicht in die eigene Macht verlieben, sondern er muss im Interesse der Gemeinschaft handeln. Die didaktische Funktion der Texte von Halem und Rebmann ist somit eine doppelte: Zum einen bedienen sich beide Autoren des literarischen Mediums, um politische Grundprinzipien der Aufklärung beim großen Publikum zu verbreiten; zum anderen verwenden sie Wallensteins „Schwungsucht“46 als negatives exemplum, um machtgierige Politiker vor den Gefahren egoistischer Ambitionen zu warnen, die ihre fortschrittlichen Reformentwürfe zu vereiteln bedrohen. d) Wallenstein und die Jesuiten Als Held der Aufklärung, der in einer unaufgeklärten Zeit handeln muss, sieht sich Wallenstein ständig mit Aberglauben und Obskurantismus konfrontiert. Sein tragischer Fall wird in den Dichtungen von Halem und Rebmann 44  Die Frage der Alternative von Reform oder Revolution stellt ein Leitmotiv in der postrevolutionären Produktion Rebmanns dar: In seiner Schrift Wahrheiten ohne Schminke (1794) zum Beispiel kommt der Autor immer wieder auf das Thema der Reform als Präventionsmaßnahme gegen Volksaufstände zurück und betont, wie die Französische Revolution durch die Einführung besserer Gesetze hätte vermieden werden können. Vgl. Rebmann (1990), I, S. 233–285. 45  Rebmann (1794), S. 110. 46  Halem, S. 44 und 85.

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durch die Machinationen mächtiger Höflinge und noch mächtigerer Priester begründet. Der Friedländer muss insbesondere gegen die im Reich sehr gut vernetzten und politisch einflussreichen Jesuiten kämpfen, auf welche sowohl im 17. Jahrhundert als auch in der Spätaufklärung der Verdacht fiel, sie seien an einem Komplott zur Welteroberung beteiligt. So wird bei Halem ausdrücklich gesagt, dass am Hof „die Gewissensräthe […] mehr gelten, als die Minister“,47 und dass Wallensteins Friedensentwürfe zum Missglücken verurteilt sind, weil sie mit dem „großen Plan“ zusammenstoßen, „zu dem die Pfaffen des Kaisers Sinn aufschroben“.48 In Halems Darstellung werden verschiedene Geistliche vorgeführt, die emsig an der Verschwörung gegen den General arbeiten, wie der jesuitische Kardinal Caraffa, dessen Name an Vincenzo Carafa, den General der Societas Jesu in der Spätphase des Dreißigjährigen Kriegs, erinnert. Dank seiner raffinierten Beredsamkeit gelingt es dem Kardinal, die Entscheidungen des Kaisers zu beeinflussen und Wallenstein zu diffamieren. Laut Caraffa ist Wallenstein zu neutral, zu „unpolitisch“,49 und – noch schlimmer – er hat einen „geringe[n] Eifer für den katholischen Glauben“ und eine allzu große Leidenschaft für die Astrologie.50 Eine weitere heimtückische Priesterfigur ist der Pater Quiroga, der dem Kapuzinerorden angehört, aber aufgrund seiner Hinterlist der Gesellschaft Jesu zugeschrieben wird.51 Quiroga, der in Wallensteins Lager spioniert und Caraffa alle verdächtigen Bewegungen des Generals meldet, ist mit dem historischen Diego de Quiroga, dem spanischen Beichtvater der Königin von Ungarn, zu identifizieren. Caraffa und Quiroga verkörpern eine käufliche Kirche, die keine Botschaft von Frieden und Brüderlichkeit predigt, sondern sich ausschließlich weltlichen Angelegenheiten zuwendet. Gegen solche Priester polemisiert Halems Wallenstein vehement: „Ich hasse die Aftermönche, […] denen Politik angelegener ist, als Religion“,52 ruft er im Rahmen einer Invektive aus, und an anderer Stelle wünscht er sich ausdrücklich, dass die Jesuiten, die mit ihrem Fundamentalismus einen Dialog mit den Protestanten und letztendlich das Ende der Hostilitäten unmöglich machen, „gänzlich aus dem Reiche geschaffet werden“.53 47  Ebd., 48  Ebd.

49  Ebd.,

S. 51.

S. 45. S. 48. 51  „Der Gauner? Es ist ein Kapuziner. Aber er verdiente, ein Jesuit zu seyn“ (ebd., S. 52). 52  Ebd., S. 76. 53  Ebd., S. 51. Halem spielt hier auf die Zeitgeschichte an: einerseits auf die Vertreibung der Jesuiten aus den europäischen Staaten in den 1760er Jahren, andererseits auf das Breve zur 1773 angeordneten Aufhebung des Ordens, in dem Papst Clemens  XIV. die Jesuiten als tatsächliches Friedenshindernis apostrophiert (vgl. Breve 50  Ebd.,



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Auch in Rebmanns Version wird die These vertreten, Wallenstein sei einer jesuitischen Verschwörung zum Opfer gefallen. Bereits auf den ersten Seiten wird deutlich gemacht, dass „[d]ie klügsten und schädlichsten aller Mönche, die Jesuiten“,54 den „bigotte[n] Kaiser Ferdinand“ manipulieren und den Krieg führen, um „die Menschheit auf[zu]reiben“ und „sich fester zu grün­ den“.55 Unter den politisch militanten Patres, die bei Rebmann vorkommen, finden wir den spionierenden Quiroga wieder, „fein, wie eine Schlange, und geschmeidig, wie ein Aal“,56 an dessen Seite der „schlaue[] Jesuit[]“ Lemmermann57 und der Pater Ignatius Wallensteins Ermordung vom Hof her aktiv vorbereiten: Ersterer stellt das literarische Pendant zu Wilhelm Lamormaini, dem historischen Beichtvater von Ferdinand II., dar, während Letzterer eine fiktive Figur ist, deren Name jedoch provokatorisch auf den Gründer der Gesellschaft Jesu, Ignatius von Loyola, verweist. Sowohl Halem als auch Rebmann erkennen in den Jesuiten die Mandanten der Tötung Wallensteins: Der Friedländer wird aus dem politischen Schachspiel entfernt, weil seine ‚aufklärerischen‘ Ideale und seine neutrale Position gegenüber den protestantischen Feinden in den Augen des römischen Klerus ein Hindernis für die Etablierung der katholischen Kirche als weltliche Macht darstellen. Es ist historisch nachgewiesen, dass die Jesuiten zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs tatsächlich über große politische Macht verfügten, was ihre Involvierung in die Ermordung des Generals relativ wahrscheinlich macht.58 Halem und Rebmann übernehmen also die historische Möglichkeit einer „Pfaffencabale“59 gegen Wallenstein und verstärken sie durch typische Argumente der antijesuitischen Polemik ihrer Zeit,60 um Stellung zu nehmen gegen eine Idee von Politik, die von Machenschaften und fremden Interessen – zumal konfessionellen – gesteuert wird.

Clementis  XIV.  P.M. De Suppressione Ordinis Societatis Jesu / Breve Clemens des XIV. wegen Aufhebung des Ordens der Gesellschaft Jesu, Juxta Exemplar Romanum, Rom 1773, S. XXIII f.). 54  Rebmann (1794), S. 1. 55  Ebd., S. 11. 56  Ebd., S. 28. 57  Ebd., S. 93. 58  Vgl. Bireley (2003), vor allem S. 153–157. 59  Rebmann (1794), S. 18. 60  Zur Jesuitenfeindlichkeit im späten 18. Jahrhundert vgl. u. a. Dülmen (1969) und Vogel.

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4. Schillers Konturierung des Generals vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Wallenstein-Literatur Wie aus diesem skizzenhaften Überblick ersichtlich wird, war die literarische Rezeption der historischen und mythologischen Gestalt Wallensteins im späten 18. Jahrhundert facettenreich und diskursiv vielfältig. Obgleich jede der besprochenen Dichtungen ihr Augenmerk auf diese oder jene Eigenart des wallensteinschen Charakters legt, teilen sie alle ein gleichermaßen starkes Bedürfnis nach Apologie oder zumindest nach einer Problematisierung der traditionellen Charakterisierung Wallensteins als eindeutig ‚böse‘. Dieses Bedürfnis äußert sich einerseits in der psychologischen Vertiefung der Figur und ihrer Vermenschlichung, durch die beim Leser bzw. Zuschauer Empathie geweckt werden soll. Andererseits erfährt Wallenstein auf politischer Ebene eine Rehabilitierung, indem er an die Ideale der Zeit angepasst und zum Verfechter aufklärerischer Werte stilisiert wird. Man kann durchaus behaupten, dass die hier besprochenen Werke mit ihren innovativen Zügen der schillerschen Darstellung des Generals den Weg bereitet haben. Zwar ist es auf der Grundlage von Schillers Briefen nicht immer möglich, festzustellen, ob er die Dichtungen der erwähnten auctores minores gelesen hat;61 bei einer komparativen Textanalyse jedoch fallen thematische Konvergenzen auf, die sehr wohl auf seine Kenntnis der Texte schließen lassen. Zum Beispiel verleiht auch Schiller dem Machtstreben Wallensteins eine psychologische Basis, die den persönlichen Ehrgeiz des Generals mit dessen Wunsch nach Rache nach der Enttäuschung der Absetzung von 1630 kombiniert. Bereits in der Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs erkennt Schiller in diesem Moment der Degradierung einen Wendepunkt im Schicksal des Helden: 61  Dies ist in einigen Fällen plausibler als in anderen. Es ist zum Beispiel nicht zu ermitteln, ob Schiller Komareck gelesen oder überhaupt gekannt hat. Im Gegenteil hat er Halem durch den gemeinsamen Freund Karl Ludwig von Woltmann kennengelernt und ihm 1796 erlaubt, in den Horen einen Einakter zu veröffentlichen, wofür sich Halem Jahre später mit einem Epigramm bedankte (vgl. NA  XL / 2,  273). Da Halems Wallenstein in den Schriften Schillers nirgends erwähnt wird, kann man nicht von einer direkten Kenntnis des Stückes sprechen. Wohl aber muss er Notiz von dem Drama genommen haben, da Christoph Gottlieb von Murr im Vorwort zu seinen Beyträgen, die Schiller als Quelle verwendete, darauf verweist. Rebmann, der 1789 als Student in Jena die Möglichkeit hatte, Schiller als Professor zu erleben (vgl. Rebmann [1990], I, S. 231 f.), zitiert in seiner Wallenstein-Dichtung längere Stellen aus Schillers Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Es ist allerdings nicht zu eruieren, ob Schiller seinerseits Rebmanns Text während der Arbeit an der Trilogie gelesen hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er jedenfalls Benedikte Nauberts Thekla von Thurn rezipiert, wie es die Ähnlichkeiten der Figuren Thekla und Eggenberg des Romans mit den Protagonisten Thekla und Max der Trilogie erahnen lassen (vgl. hierzu Finmann).



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„[D]er Raub, der an ihm selbst verübt wurde, machte ihn zum Räuber […]; erst nachdem man ihn gewaltsam aus seinem Kreise stieß, verwirrte er das System, dem er angehörte, und stürzte sich zermalmend auf seine Sonne.“62

Dass die Absetzung Wallenstein traumatisiert hat und sie den Ausgangspunkt seiner Tragödie bildet, wird auch in der Trilogie an mehreren Stellen deutlich.63 Ähnlich wie Halem, Komareck und Rebmann stellt Schiller den Generalissimus also als einen Verräter aus gekränktem Stolz dar; doch anders als die minores, die eine Rehabilitierung des lange verdammten Friedländers beabsichtigen, verfolgt Schiller keine rechtfertigende, sondern eine ausgleichende Absicht: Er entlastet den historischen Wallenstein nicht von seiner Schuld, sondern versucht, die entgegengesetzten Urteile über ihn in der dramatischen Gestalt zusammenzufassen und auszubalancieren.64 Wallenstein wird somit in seiner Vieldeutigkeit präsentiert, nämlich als eine schwer zu durchschauende Figur, die auf äußere Umstände reagiert und sich infolge des Ereignisverlaufs auf der Bühne allmählich entfaltet.65 Anders als die minores, die behaupten, sie hätten den historischen Wallenstein in seinem Wesen geschichtstreu dargestellt,66 entwirft Schiller nur Hypothesen über den mög­ lichen Wallenstein: Von seiner Widersprüchlichkeit gereizt, verleiht er ihm Konturen, die die dürftigen historischen Quellen bereichern und die charakterliche Ambiguität der Figur noch verstärken. Im Bereich des Politischen kommt die Ambiguität von Schillers Wallenstein in noch verschärfterer Form zum Ausdruck: Auf der einen Seite wird der Friedländer als ein „Friedensfürst[]“ und „Stifter neuer goldner Zeit“67 präsentiert, der sich für das Ende des Krieges und das Glück seiner Mitmenschen, für die Einheit Deutschlands und eine politische Neuordnung in Europa einsetzt.68 Auf der anderen tritt er als ein „großer Rechenkünstler“69 auf, der die böhmische Krone anstrebt und das Friedensziel nur als taktisches Mittel zum eigenen Vorteil ins Feld zu führen scheint.70 Seine Äußerungen lassen sich je nach Situation mal seinem idealistischen Schwung, mal seiner nüchternen Staatsklugheit zuordnen, sodass von ihm ein changierendes Bild 62  NA XVIII, 234.

etwa NA VIII N / 2, 545 f. und 667. Hierzu vgl. Heftrich, S. 119. u. a. Hinderer, passim; Sharpe, S. 76–92; Staiger, S. 300–318; und Pikulik, S. 198–204. 65  Bei Schiller „[schafft] die Tat den Charakter […] und nicht der Charakter die Tat“ (Kommerell, S. 185). 66  Vgl. beispielsweise Halem: „[I]ch glaube, daß der historische Wallenstein ungefähr der gewesen ist, den ich darzustellen versucht habe“ (Halem, S. 9). 67  NA VIII N / 2, 746. 68  Vgl. Müller-Seidel, S. 122–146. 69  NA VIII N / 2, 729. 70  Vgl. etwa Frenzel. 63  Vgl. 64  Vgl.

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als Politiker entsteht. Darüber hinaus verhält er sich keineswegs wie ein homo politicus, der konsequent seine Ziele verfolgt und für die Durchsetzung seiner Ideale kämpft, sondern wie ein homo ludens, der mit verschiedenen Eventualitäten spielt und zögert, bis er durch externe Ereignisse in Zugzwang gerät.71 Anders als in den Dichtungen der minores, in denen Wallenstein als ein selbstbewusstes Subjekt in Erscheinung tritt, als ein kühner Tatmensch, der sich nach der Demütigung sofort für den Verrat entscheidet, auch wenn seine Umgebung ihn davon abhalten will, ist Schillers Wallenstein unentschlossen, melancholisch, gelähmt. Auch das Thema des Antijesuitismus wird von Schiller filigran entfaltet,72 zum Beispiel durch flüchtige Hinweise auf Quiroga und Lamormain,73 die allerdings nie auf die Bühne treten, durch die Anspielung auf die Ermordung von Heinrich IV.,74 die zu Schillers Zeiten als ein Werk der Jesuiten galt, oder im Gespräch mit dem Bürgermeister von Eger, als der General sein religiöses Desinteresse zum Ausdruck bringt: „[…] Ich hasse Die Jesuiten – Läg’s an mir, sie wären längst Aus Reiches Grenzen – Meßbuch oder Bibel! Mir ists all eins.“75

Hinter den Anspielungen auf das Komplott der Kirche gegen Wallenstein steht jedoch weniger die Absicht, sich in militanter Weise an der gegenwärtigen Debatte um die Gefährdung durch die Jesuiten, die Schiller übrigens ziemlich grotesk fand,76 zu beteiligen. Vielmehr reizte ihn das dichterische Potenzial der Verschwörung. Im Gegensatz zu Halem und Rebmann streift er den antijesuitischen Diskurs also in verschleierter Weise, ohne jenen pamph71  „Bey’m großen Gott des Himmels! Es war nicht / Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie. / In dem Gedanken bloß gefiel ich mir; / Die Freyheit reizte mich und das Vermögen“ (NA VIII N / 2, 619). Zu diesem Aspekt vgl. insbesondere Guthke (2005), S. 165–206 und Schmidt, J. 72  Bereits in der Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs heißt es: „Durch Mönchs­ intriguen verlor er zu Regensburg den Kommandostab, und zu Eger das Leben; durch mönchische Künste verlor er […] seinen ehrlichen Namen und seinen guten Ruf vor der Nachwelt“ (NA XVIII, 329). In diesem Zusammenhang wird Wallenstein ebenso als ein verfrühter Aufklärer präsentiert, dessen „freyer Sinn und heller Verstand […] ihn über die Religionsvorurtheile seines Jahrhunderts [erhob]“ und der gegen die Rückständigkeit seines Jahrhunderts kämpfen musste (ebd.). 73  Vgl. NA VIII N / 2, 528; 548; 582. 74  Vgl. NA  VIII  N / 2,  760. Eine Parallele zwischen Wallenstein und Heinrich  IV. stellt bereits Komareck her, indem er eine Stelle aus Voltaires Henriade (1723) als Motto für sein Wallenstein-Stück wählt (vgl. Komareck, S. 2). 75  NA VIII N / 2, 718. In diesen Zeilen lässt sich ein möglicher intertextueller Bezug auf Halems Schauspiel vernehmen (vgl. Anm. 52 und 53). 76  Vgl. Robertson.



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letistischen furor, der dem ästhetischen Gehalt der Trilogie wohl zuwidergelaufen wäre. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich Schillers Wallenstein-Bild durchaus aus Diskursen und Charakterisierungen speist, die bereits seit ein paar Jahrzehnten in der Historiographie und Unterhaltungsliteratur seiner Zeit präsent waren. Besonders bei einem „marktabhängige[n] Schrift­ steller“77 wie Schiller, der sich trivialliterarischen Tendenzen gegenüber äußerst rezeptiv verhielt, ist es daher höchst interessant, danach zu fragen, welche Themen, Motive und Figuren er möglicherweise von den zeitgenössischen Wallenstein-Dichtungen übernommen und bis zu welchem Grad er diese bearbeitet und dank der eigenen historischen, anthropologischen und ästhetischen Sensibilität bereichert hat. Allerdings ist eine Auseinandersetzung mit diesen Texten auch abgesehen von der anzunehmenden Rezeption durch Schiller lohnenswert. Denn als ideengeschichtliche Dokumente verraten sie ebenso viel über die Entfaltung zentraler Problemkonstellationen der Spätaufklärung wie über die Rezeption, Darstellung und Deutung des Dreißigjährigen Kriegs in einem „nachhaltig kriegerische[n], mit Kriegsgeschehen lebende[n] Jahrhundert“.78 Als kulturelle Produkte zeugen sie zugleich von der außerordentlichen Faszination, die der Charakter Wallensteins noch vor seiner Konsekration durch den Klassiker auf die literarische Welt ausübte, und geben Aufschluss darüber, durch welche Aspekte diese Konsekration überhaupt möglich werden konnte.

77  So

Dau, S. 166. S. 7.

78  Birgfeld,

Die dunkle Seite. Zur Psychologie des Okkulten und Astrologischen in Schillers „Wallenstein“ Von Peter-André Alt 1. Motivierung durch astrologisches Wissen. Wallensteins Porträt in der Geschichtsschrift In einem vom 10. / 11. Dezember 1788 stammenden Brief an Caroline von Beulwitz unterscheidet Schiller zwischen der ‚inneren‘ und der ‚historischen‘ Wahrheit als zwei gleichberechtigten Kategorien. Die ‚innere Wahrheit‘, die er auch als „Kunstwahrheit“ bezeichnet, entstehe durch den Einblick in die Empfindungen des handelnden Menschen; sie müsse der Romancier ebenso wie der Dramatiker schildern, wenn er historische Stoffe bearbeite, wobei die Quellentreue hier sekundär sei (NA 25, 154).1 Schillers Wallenstein-Tragödie zeigt exemplarisch, dass die Verknüpfung beider Ebenen gelingen kann. Das Terrain, das sie dabei beschreitet, ist jenes der astrologischen Symbolik und Deutungspraxis. Die Trilogie verbindet astrologisch-okkulte Motive, wie sie aus den historischen Wallenstein-Bildern überliefert sind, mit einer psychologischen Konstruktion, die für die ‚innere Wahrheit‘ der dramatischen Anlage sorgen soll. Schon Schillers Wallenstein-Porträt in der Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs (1790–92) beleuchtet die im späten 18. Jahrhundert fremdgewordenen Formen und Mythen eines anderen, nicht-rationalen Wissens astrologischer Provenienz. Eingebettet ist der Astrologie-Topos hier in die Darstellung von Wallensteins Lebensgeschichte, in das Auf und Nieder einer nicht nur militärischen Karriere. Das zweite der fünf Bücher, die für ein weibliches Lesepublikum – Göschens Historischen Calender für Damen – geschrieben wurden, erzählt den Aufstieg des Helden bis zur von den katholischen Kurfürsten forcierten Absetzung auf dem Regensburger Reichstag im Juli 1630; das dritte behandelt seine Rehabilitierung, das Anwachsen seiner Armee und den 1  Schiller wird im fortlaufenden Text unter der Sigle „NA“ mit Bandnummer und Seitenzahl zitiert nach: Nationalausgabe, begr. v. Julius Petersen, fortgeführt v. Lieselotte Blumenthal u. Benno v. Wiese, hg. im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik und des Schiller-Nationalmuseums Marbach v. Norbert Oellers, Weimar 1943 ff.

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Sieg über Gustav Adolf in der Schlacht von Lützen am 6. November 1632; das vierte Buch schildert Wallensteins Abfall vom Kaiser und seine Ermordung in Eger, ehe es mit einem ‚resümierenden Porträt‘ schließt.2 Erstmals erwähnt Schiller Wallensteins Affinität zu den okkulten Wissenschaften im Zusammenhang mit der schmachvollen Degradierung in Regensburg. Der mächtige General, der ein Heer mit hunderttausend Mann kommandiert, nimmt die ihm verkündete Absetzung äußerlich gefasst zur Kenntnis. „Von der Zukunft“, schreibt Schiller, „erwartete er Genugthuung, und in dieser Hoffnung bestärkten ihn die Prophezeiungen eines Italienischen Astrologen, der diesen ungebändigten Geist, gleich einem Knaben, am Gängelbande führte. Seni, so hieß er, hatte es in den Sternen gelesen, daß die glänzende Laufbahn seines Herrn noch lange nicht geendigt sey, daß ihm die Zukunft noch ein schimmerndes Glück aufbewahre.“ (NA 18, 133) Den Hinweis auf die Neigung zur Astrologie weitet Schiller zu einem nuancierten Porträt Wallensteins aus. Es arbeitet mit der schon in der älteren Geschichtsschreibung verbreiteten, später auch von Golo Mann herangezogenen Charakteristik des dunklen, schattigen Gemüts, das durch Machtgier, Ernst und Misstrauen geprägt ist.3 Der Politiker Wallenstein zeigt sich als Stratege, der, den Klugheitslehren des spanischen siglo d’oro gemäß, niemanden in seine Pläne einweiht und nach außen undurchsichtig agiert. „Finster, verschlossen, unergründlich, sparte er seine Worte mehr als seine Geschenke, und das wenige, was er sprach, wurde mit einem widrigen Ton ausgestoßen. Er lachte niemals, und den Verführungen der Sinne widerstand die Kälte seines Blutes.“ (NA 18, 134) Schon hier wird sichtbar, dass die Hinwendung zur Astrologie Element eines spannungsreichen Charakterbildes ist, das für den Weg des Helden in der Geschichte entscheidende Bedeutung gewinnt. Wenn Schiller seinen Wallenstein im dritten Buch wieder auf die Szene des historischen Geschehens führt – es ist Frühjahr 1632 –, lässt er keinen Zweifel an dessen düsteren Rachegelüsten. Nur zum Schein akzeptiert Wallenstein hier die nochmalige Berufung durch den Kaiser, während er im Hintergrund schon Verrat und Vergeltung plant. In Schillers Geschichtsschrift ist er der zum Frontwechsel Entschlossene, der mit gezinkten Karten spielt: „Der Plan zur künftige Empörung war entworfen“, so heißt es unmissverständlich (NA 18, 245). Die Wallenstein-Tragödie wird dieses Bild einige Jahre später korrigieren und den General als Zaudernden vorführen, der vor der letzten Konsequenz des Eidbruchs lange zurückschreckt, ehe er durch die selbstgeschaffenen Tatsachen keinen anderen Weg mehr gehen kann als den des Verrats – eine Deutung, der heutige Wallenstein-Biografen skeptisch ge2  Pestalozzi, 3  Mann,

S. 189. G. (1986), S. 92 ff.



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genüberstehen.4 Der Historiker Schiller kommt zwar auf den geplanten Abfall im dritten Buch nicht wieder zu sprechen und konzentriert sich auf die farbig-drastisch ausgemalte Schilderung der Schlachten zwischen Kaiserlichen und Schwedischen (wobei Gustav Adolf durchaus kritisch bewertet wird). Aber es bleibt der Schatten des Verdachts, der über dem Feldherrn liegt: Kein Loyaler erscheint hier, sondern ein mit okkulten Mächten spielender Spekulant, dem nicht zu trauen ist. Das vierte Buch erwähnt dann erneut einen „Plan“, den Wallenstein „Jahre lang in geheimnißvoller Stille“ ausgebrütet habe. Er zielt auf die Vereinigung mit den Schweden und die Rückansiedlung der protestantischen Exilanten, wofür er selbst die Krone Böhmens beansprucht (NA 18, 304).5 In eigentümlicher Spannung zum Motiv des Verrats steht Wallensteins obsessive Abhängigkeit von der Astrologie, die Schillers Geschichtsschrift immer wieder hervorhebt. Bereits die Darstellung in der historischen Studie lässt die tragisch-ironische Dimension von Wallensteins Sternendeutung sichtbar werden. Wiederholt verstrickt sich der General in einem Wunschdenken, das seine strategischen Fähigkeiten einschränkt. Weil er den Sternen vertraut, übersieht er die objektiven Zeichen der Gefahr. Während der letzten Nacht seines Lebens, in Eger, spitzt sich dieser Gegensatz in Schillers Darstellung dramatisch zu. Die Mehrheit der Offiziere – Octavio Piccolomini, Buttler – hat seinen Tod beschlossen, indessen sich Wallenstein noch falschen Hoffnungen hingibt: „Indem der Herzog, von Eger aus, die Unterhandlungen mit dem Feinde lebhaft betrieb, die Sterne befragte und frischen Hoffnungen Raum gab, wurde beynahe unter seinen Augen der Dolch geschliffen, der seinem Leben ein Ende machte.“ (NA 18, 323) Dass Wallenstein mit Gewalt zu erzwingen sucht, was ihm genehm ist, verrät auch der folgende Passus. Der Astrologe Seni warnt ihn während der letzten Nacht in Eger vor der ungünstigen Himmelskonstellation, stößt aber auf Unverständnis: „ ‚Die Gefahr ist noch nicht vorüber‘, sagte der Astrolog mit prophetischem Geiste. ‚Sie ist es‘, sagte der Herzog, der an dem Himmel selbst seinen Willen wollte durchgesetzt haben.“ (NA 18, 326) Schon die Geschichtsschrift verweist hier auf die besondere Dialektik des Astrologiemotivs. Indem Wallenstein die Zeichen fehldeutet, bereitet er seinen eigenen Untergang vor; nicht die Frage, welche Objektivität das astrologisches System hat, sondern die Konsequenz der bornierten Falschinterpretation steht hier im Mittelpunkt. Schiller untersucht nirgends die Evidenz der Astrologie, 4  Diwald (1969), S. 749 ff. (mit dem Hinweis, dass den General zum Schluss eine ehrliche Friedenssehnsucht, geboren aus Erschöpfung und Melancholie, getrieben habe; S. 754). 5  Zum Spielmotiv Guthke  (1994), S. 172 ff., ferner Oellers (2013), bes. S. 132 ff. und Honold (2013), bes. S. 77 ff.

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denn ihn interessieren allein die psychologischen Effekte der Hybris, der Wallenstein verfällt. 2. Verblendung durch Prophezeiung. Astrologische Deutungsspiele in der Trilogie Auch in der 1800 veröffentlichten Tragödie verknüpft Schiller den historisch überlieferten Sternenglauben Wallensteins mit einer psychologisch ausgeklügelten Dramaturgie. Er tut das nach einigem Zögern, weil er dem astrologischen Motiv zunächst misstraut und den ganzen Komplex als „abgeschmackten Gegenstand“ ansieht (NA 30,9). Das entspricht dem zeitgenössischen Verständnis der Astrologie, wie es sich in den verbreiteten Lexika von Adelung bis zu Zedler bekundet.6 Auf Anraten Goethes verschafft sich Schiller dann jedoch über seinen Freund Christian Körner im März 1797 die nötigen Grundkenntnisse auf astrologischem Feld. Er rezipiert die einschlägigen Traktate des 16. Jahrhunderts, die das seit den Chaldäern geläufige System der Sterndeutung in eine umfassende Kosmologie überführten. Zu seinen Quellentexten gehören Agrippa von Nettesheims De occulta philosophia (1531) – eine Lektüreempfehlung Körners – und Leone Ebreos Dialoghi d’amore (1535).7 Rasch wird ihm klar, dass die Astrologiethematik bei richtigem Gebrauch Gelegenheit bietet, den Helden mit einer gewissen Ambivalenz auszustatten. Das Wallenstein-Porträt kann auf diese Weise eine eigene Spannung entfalten, indem es die Ansicht des zupackenden politischen Machtmenschen durch eine irrationale Komponente ergänzt. Gegenüber Goethe, der auf okkultem Terrain seit seinen Frankfurter Studienzeiten durch den Klettenberg-Kreis bestens orientiert ist, erklärt Schiller am 7. April 1797 zu Leone Ebreos Schrift: „Die Vermischung der chemischen, mythologischen und astronomischen Dinge ist hier recht ins Große getrieben und liegt wirklich zum poetischen Gebrauche da.“ (NA 29, 58) Schillers Ziel bleibt es dabei, seinen eher nüchternen, realistisch-machtbewussten Helden durch das astrologische Motiv in eine Welt der Zweideutigkeit und Dunkelheit zu tauchen.8 Die „Kunst Symbole zu gebrauchen, wo die Natur nicht kann dargestellt werden“, preist er an Shakespeares „Richard III“; sie soll mit Hilfe des astrologischen Motivkanons auch im Wallenstein praktiziert werden (NA 29, 162).9 6  Adelung, Sp. 456; Zedler, Sp. 953 ff. („unnütze und abergläubisch“; Sp. 954). Vgl. zu Adelung Vecchiato (2015a), hier S. 88 f., 90 ff. 7  Dazu die vorzügliche Arbeit von Borchmeyer (1988), S.  58 ff. 8  Sinn hat versucht, dieses Wirkungskonzept auf verschiedene Facetten des Spielbegriffs – Glücksspiel, Taktikspiel und Orakelkunst – zu übertragen, die den drei Teilen der Tragödie in unterschiedlicher Weise als Organisationsprinzip zugrunde lägen. 9  Vgl. zur poetologischen Wirkungsdoktrin die Bestandsaufnahme bei Stachel, S.  252 ff.



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Die Gerüchte über mögliche Allianzen mit dem Bösen kommen schon im „Lager“ zur Sprache, wenn die Soldaten leise und hinter vorgehaltener Hand über Wallensteins vermeintlichen Teufelspakt, aber auch seinen Sternenglauben sprechen – ein Motiv, das im Schlussteil der Tragödie wieder erscheinen wird: „Wer unter seinem Zeichen tut fechten, | Der steht unter besonderen Mächten. | Denn das weiß ja die ganze Welt, | Daß der Friedländer einen Teufel | Aus der Hölle im Solde hält.“ (L v. 350 ff., 611 f., T 793 ff.) Der Bezug zu Goethes „Faust“-Projekt, dessen Fortführung Schiller beim Freund während der Arbeit am „Wallenstein“ nachdrücklich einfordert, ist hier mit Händen zu greifen. Der Herzog verfügt über ein geheimes Wissen, das ihm aus dunklen Quellen zufließt. Die Loyalität der Truppen entspringt materiellen Motiven – man gestattet ihnen großzügig das Marodieren –, und verrät daneben blindes Vertrauen in die scheinbar mysteriöse Übermacht des Feldherrn. Im Verlauf der Tragödie erweist sich nun gerade dieser Zusammenhang als brüchig und unzuverlässig. Die Nähe zum Okkulten erzeugt den Wallenstein-Mythos im Heer, aber zugleich die Abhängigkeit von den ‚finsteren Mächten‘ und damit die Schwäche eines Feldherrn, der nicht autonom entscheidet. In seiner Rezension der „Piccolomini“-Uraufführung, die am 30. Januar 1799 in Weimar stattfand, schreibt Goethe dazu: „Ein astrologischer Aberglaube nährt seinen Ehrgeiz, er hört Wahrsagungen begierig an, die ihm seine künftige Größe versichern, betrachtet sich gern als einen besonders Begünstigten des Schicksals, und überlässt sich ausschweifenden Hoffnungen, um so zuverlässiger, da ihm sein Horoskop die Gewährung derselben zu verbürgen scheint, und manche himmlische Aspekte, von Zeit zu Zeit, ihm günstige Ereignisse prophezeien.“10 In den „Lager“-Szenen wird zunächst die Angst der einfachen Soldaten vor Wallensteins Bündnis mit den dunklen Mächten vernehmlich. Das Motiv setzt Schiller in den „Piccolomini“ leicht abgewandelt fort, wenn die Bediensteten einen Saal beim Herzog für die anstehenden politischen Beratungen vorbereiten. Seni, nicht nur Astrologe, sondern auch Chiromant und Symboldeuter, rät davon ab, elf Stühle aufzustellen, weil die „böse Zahl“ Unglück bringe. Stattdessen rät er zur Zwölf, die den Tierkreis spiegele und heilig sei (P, v.620 ff.). „Laß dich mit diesem nicht ein“, warnt ein Bediensteter den anderen. „Muß ihm der Herr doch selbst zu Willen sein.“ (P, v. 618 f.).11 Wallensteins Abhängigkeit von der Astrologie wird hier durchaus kritisch notiert, als Zeichen der Schwäche, nicht als Indiz für seine Vertrautheit mit okkulten Kräften. Dass sich Wallenstein auf seinem Schloss mit dem Astrologen Seni in einem Turm einsperrt, um die Sterne zu beobachten, wissen seine engsten Vertrauten. Je häufiger das geschieht – bisweilen „Tag 10  Goethe 11  Dazu

(= MA 6.2), S. 671. auch Immer (2008), S.  312 ff.

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für Tag“ –, desto deutlicher sind die Indizien für schwierige Entscheidungslagen (P 1346). Die Entourage erkennt hier die Gefahr des Zauderns und Zögerns, denn der Herzog wagt keinen klaren Entschluss weil die Zeichen uneindeutig sind. Nachdrücklich sucht der bodenständige Illo die strategischen Prioritäten zurechtzurücken: „In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne. | Vertrauen zu dir selbst, Entschlossenheit | Ist deine Venus!“ (P v.962 ff.) Als Terzky ganz im Sinne Wallensteins darauf verweist, dass am Himmel „etwas Großes, Langerwartetes“ vorgehen werde, erwidert Illo lakonisch: „Wenns hier unten nur geschieht.“ (P 1351 ff.) Peter von Matt hat diese Verse zu den „Existenzformeln der Intriganten“ gezählt, die auf die „Immanenz von Schicksal und Vorsehung“ pochen, indem sie den Vorrang der Selbststeuerung allen Handelns betonen.12 Ursprünglich sah Schiller vor, dass Wallenstein in der Seni-Szene ein magisches Pentagramm mit dem zweideutigen Buchstabenorakel des fünffachen ‚F‘ erscheinen sollte: „Fidat Fortunae Friedlandus Fatae Favebunt“. Schillers Übersetzung des Orakels lautete: „Friedland traue dem Glück! Die Verhängnisse werden ihm hold sein.“ (NA 8, 466 ff.) In diesem Sinne hätte das Pentagramm als Vorbote eines vermeintlich günstigen Schicksals gelten dürfen, wohingegen durch eine genauere Übertragung der Formel wohl die Abhängigkeit von der Macht der Fortuna hervorgetreten wäre.13 Entscheidend fand Schiller zunächst, dass das Pentagramm dramaturgisch wirkungsvoller als die astrologische Erörterung sei, die den Zuschauer zu langweilen und, wie es am 4. Dezember 1798 gegenüber Goethe heißt, zur bloßen „Fratze“ zu verkommen drohte (NA 30, 8). Mitte Dezember 1798 meldet sich der in Fragen der hermetischen Naturphilosophie versierte Goethe jedoch mit einem klaren Votum zu Wort. Er warnt vor dem Einsatz von Elementen eines „moderne(n) Orakel-Aberglaube(ns)“ und findet gerade den spekulativen Grundzug des Pentagramm-Motivs durch eine „incurable Trockenheit“ gekennzeichnet. Die Astrologie hingegen beruhe „auf dem dunkeln Gefühl eines ungeheuren Weltganzen“, das auch für die dramatische Aktion des Entwurfs nutzbringend verwendet werden könne (NA  38 / I, 14). Schiller folgt dieser Einschätzung, verzichtet auf das Pentagramm und bemüht sich statt dessen, aus dem Komplex der Sternenkunde jenen tragischen Funken zu schlagen, der für die gesamte Konstruktion des Dramas zwingend sein sollte. Die Methode, die zum Ziel führt, ist ein psychologisches Verfahren, das die astrologische Kulisse zum Rahmen für eine Tragödie der Fehlinterpretationen werden lässt. Diese Perspektive erlaubt es Schiller, die astrologiekritischen Vorbehalte des aufgeklärten Rationalismus beizubehalten, ohne das Sujet prinzipiell aufgeben zu müssen. Allerdings geht seine Verwendung des 12  Matt, 13  Vgl.

S. 124. Oellers (2005), S. 115.



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Motivs weit über die wenig subtilen Wertungen hinaus, mit denen spätaufklärerische Autoren wie Gerhard Anton von Halem oder Andreas Georg Friedrich von Rebmann in ihren Wallenstein-Texten das Astrologiethema als Auswuchs des Aberglaubens charakterisieren, zumal die Zweideutigkeit der astrologischen Befunde Schiller Material für sein psychologisches Drama liefert.14 Wallenstein interpretiert die Himmelskonstellationen im Gefolge seines Wunschdenkens, voluntaristisch, ungeduldig, rabiat. Typisch ist hier sein Vertrauen in Octavio Piccolomini, das er damit begründet, dass sie beide „unter gleichen Sternen“ geboren seien (P v.889). Wie sehr gerade das Grund zum Misstrauen bieten müsste, weil er selbst ein Verräter ist, wird von Wallenstein übersehen. Der Herzog von Friedland misst mit zweierlei Maß, seine astrologische Interpretation ist in Wahrheit Manipulation und damit Ausdruck jener Hybris, in deren Zeichen er der Welt seinen Willen aufzuzwingen sucht. Schiller erwähnt die astrologische Fehlspekulation schon in der Geschichtsschrift, und er greift sie in der Tragödie wieder auf (NA 18, 313). Als erster hat vermutlich Johann Christian v. Herchenhahn in seiner 1790 / 91 veröffentlichten, von Schiller gründlich rezipierten „Geschichte Albrecht von Wallensteins, des Friedländers“ auf die Missdeutung der Octavio-Konstellation verwiesen: „Wallenstein konnte leicht in den Aspekten viele Ähnlichkeit finden, beide, er und Piccolomini waren, auf sehr verschiedene Weise, Verräter.“15 Die hier sichtbare Fehldeutung weist zurück auf das Motiv der Selbsttäuschung. In seinen „Beiträgen zur Philosophie des Lebens“, die erstmals 1780 erschienen, schreibt Karl Philipp Moritz, den Schiller schätzte, diesbezüglich: „Es ist der düstre umnebelte Blick, welcher den reichen Fond von Anlässen zu allem Großen und Schönen, der in der Menschheit schlummert [,] nicht wahrnimmt, weil er nur auf sein Individuum sich beschränkt, und über dessen Grenzen nicht hinausgeht.“16 Das leuchtet die psychologische Spannung aus, in der sich Wallenstein als Held der Selbsttäuschung bewegt. Er missversteht die Zeichen und verschenkt damit die Möglichkeit, eine realistische Einschätzung seiner Lage zu gewinnen. Immer wieder ist es die Sternenkunde, an der Schiller dieses Dilemma aufzeigt. Zu Beginn des dritten Teils der Tragödie sieht man Wallenstein astrologisch operieren. Im Turm verfolgt er während der Nacht die Bewegung der Gestirne, aus der er eine positive Botschaft ableitet. Zwei Befunde stehen dabei im Zentrum, und beide werden sich bald als irrig erweisen. Zunächst konstatiert er, dass Mars hier das aufschlussreiche Material bei Vecchiato (2015a), S. 93 ff. S. 174 f., vgl. Borchmeyer (1988), S. 116 (in NA 8, 482 ist der Herchenhahn-Passus nur verkürzt wiedergegeben). 16  Moritz, S. 82. 14  Vgl.

15  Herchenhahn,

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von Venus und Jupiter blockiert sei. Sie „zwingen | Den alten Schadensstifter mir zu dienen. | Denn lange war er feindlich mir gesinnt, | Und schoß mit senkrecht- oder schräger Strahlung | Bald im Gevierten, bald im Doppelschein | Die roten Blitze meinen Sternen zu, | Und störte ihre segensvollen Kräfte.“ (T v. 13 ff.) Da Wallenstein aber selbst ein Profiteur des Krieges ist, von Mars regiert und durch ihn groß geworden, bleibt die Blockierung desjenigen Planeten, der Gewalt und Konflikt anzeigt, zumindest ambivalent für ihn. Zwar erkennt er, dass Mars ihm dienen müsse, wenn seine Pläne aufgehen sollen; aber ob das durch seine Ausschaltung gelingt – „Jetzt haben sie den alten Feind besiegt | Und bringen ihn am Himmel mir gefangen“ –, dürfte fraglich sein, weil das auch seine eigenen Handlungsspielräume beengte. Denn Wallenstein steht und fällt mit dem Krieg, dessen Geschöpf er in jeder Hinsicht ist (T 20 f.). Noch offensichtlicher wirkt die Fehldeutung im Fall des zweiten Befunds. „Saturnus’ Reich ist aus, der die geheime | Geburt der Dinge in dem Erdenschoß | Und in den Tiefen des Gemüts beherrscht, | Und über allem, was das Licht scheut, waltet.“ (T 25 ff.) Jupiter ist jetzt der dominierende Planet, er „zieht das dunkel zubereitete Werk | Gewaltig in das Reich des Lichts.“ (T 31 f.) Es sind unfreiwillig doppelsinnige Formulierungen, die Wallensten hier verwendet. Wenn Jupiter das im Verborgenen ausgebrütete Verbrechen des Abfalls vom Kaiser ins Helle rückt, so heißt das gerade nicht, dass er es begünstigt. Vielmehr signalisiert der astrologische Befund die Aufdeckung der dunklen Intrige und die Offenbarung des ruchlosen Spiels, in das sich der Feldherr verstrickt hat. Hinzu kommt, dass Wallenstein selbst kein JupiterKind, sondern ein Produkt des Saturn ist, desjenigen Planeten, der nach spätantiker Überlieferung mit Schwermut und Verschlossenheit assoziiert bleibt. In einem arabischen Traktat des neunten Jahrhunderts werden Saturn unter anderem folgende menschliche Eigenschaften zugeordnet: „Verblendung, Verderbtheit, Haß, List, Verschlagenheit, Betrügerei, Treulosigkeit, Schädlichkeit“, außerdem verweise der Planet „auf ein In-sich-Zurückgezogensein, auf Einsamkeit und Ungeselligkeit, auf Großmannsucht, Machtsucht, Stolz, Hochmut und Prahlsucht“, nicht zuletzt auf eine Nähe zu „Zauberei und Empörung“.17 Saturn, so formuliert der Heidelberger Philologe und As­ trologiekenner Franz Boll – ein wichtiger Gewährsmann in Walter Benjamins Trauerspielbuch (1928) – sei „der versteckte, trübe, oft graue Planet“, der „für den in Vergessenheit und Einsamkeit versunkenen und verdüsterten Gott einer fernen Vorzeit“ stehe.18 Dass die saturnischen Züge von Verschlossenheit und Düsternis Wallensteins Gemüt beherrschen, hatte schon Schillers Geschichtsschrift hervorge17  Zit.

18  Boll

nach Klibansky / Panofsky / Saxl, S.  207 f. (mit Bezold), S. 58.



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hoben (NA 18, 134). Zwar sieht er sich, wie er gegenüber Illo und Terzky betont, als im Zeichen von Licht und Heiterkeit geborenes Kind des Jupiter, dessen Pläne durch die Stärkung dieses Planeten Unterstützung erfahren (P v.970 ff.). Hätte Wallenstein jedoch sein astrologisches Credo ernstgenommen, so wäre ihm diese Fehldeutung nicht unterlaufen. Das von Johann Kepler zuerst 1608 erstellte, dann nochmals 1625 revidierte Horoskop sucht einen starken Einfluss des Saturn aufzuzeigen. Gemeinsam mit Jupiter bilde er in der Geburtsstunde eine Conjunctio Magna im ersten Haus, was zwei „hochwichtige Zeichen“ zusammenführe und eine bedeutende „Nativität“ erzeuge.19 Zugleich verweise diese Konstellation auf einen besonderen „Aberglauben“, verbunden mit demagogischen Fähigkeiten („eine große Menge Volks an sich ziehen“, sich „zu einem Haupt- und Rädelsführer aufwerfen lassen“).20 Über den Saturn-Charakter liest man bei Kepler, der die Identität Wallensteins zum Zeitpunkt, da er das erste Horoskop errechnete, nicht kannte: „Und weil der Mond verworfen steht, wird ihm diese Natur zu einem merklichen Nachteil und Verachtung bei denen, mit welchen er zu conversieren hat, gedeihen, so daß er für einen einsamen, lichtscheuen Unmenschen wird gehalten werden. Gestaltsam er auch sein wird: unbarmherzig, ohne brüderliche oder eheliche Lieb, niemand achtend, nur sich und seinen Wollüsten ergeben, hart über die Untertanen, an sich ziehend, geizig, betrüglich, ungleich im Verhalten, meist stillschwiegend, oft ungestüm, auch streitbar, unverzagt, weil ͽ und Mars beisammen, wiewohl Saturnus die Einbildungen verderbt, so daß er oft vergeblich Furcht hat.“21 Schiller kannte das erst 1852 von Karl Gustav Helbig publizierte Horo­ skop nicht aus eigener Lektüre, sondern durch seine Quellenautoren, Gottlieb Benedict Schirach und den schon erwähnten Herchenhahn.22 Gemäß der im 17. Jahrhundert vielfach verbreiteten Temperamentenlehre, die übereinstimmend mit der antiken Humoralpathologie vom Zusammenhang zwischen Gestirnskonstellation und Gemütsbeschaffenheit ausging, entsprach Wallensteins Mentalität nach Überzeugung zahlreicher Historiker den Charaktermerkmalen des unter saturnischer Dominanz geborenen Melancholikers mit introvertierten, düster-unfreundlichen Zügen.23 Die durch zeitgenössische Quellen überlieferten Charaktereigenschaften Wallensteins verraten, im Gegensatz zu seinem Selbstbild, ein saturnisches Temperament, und dieses wird durch die vorherrschende Konstellation gehemmt, keineswegs, wie er an19  Abdruck des ersten, 1608 gestellten Horoskops in: Strauss / Strauss-Kloebe, hier S. 225. 20  Strauss / Strauss-Kloebe, S.  227 f. 21  Strauss / Strauss-Kloebe, S. 227. 22  Schirach, S. 206; Herchenhahn, S. 9 ff.; vgl. Borchmeyer (1988), S.  44 f.; Gille, S. 103–118. 23  Borchmeyer (1988), S. 63 ff.; vgl. Ranke (1872), S. 347 ff.

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nimmt, gefördert. Wilhelm von Humboldt betont Anfang September 1800 in seinem langen Brief an Schiller mit kunstvoller Astronomie-Metaphorik die psychologisch-tragische Dimension, die in Wallensteins falscher Selbsteinschätzung steckt: „Er zählt sich (wie er selbst in den Piccolomini’s sagt) den hellgebohrnen Joviskindern zu, und gehört doch (wie er Max nicht abläugnet) der Erde an. Wer, wo und wie es geschehen mag, die Sphären verwechselt, der kann keine gränzenlose Bahn verfolgen, sondern muß früh oder spät untergehen.“ (NA 38 / I 326) Thomas Mann hat des Herzogs Handeln im Zeichen des ihn dominierenden Planeten „saturnische Politik“ genannt.24 Diese Formulierung umschreibt auf vertrackte Weise, dass Wallensteins astrologische Rücksichten und Bedenklichkeiten den Zeitpunkt für die richtige Entscheidung vorübergehen lassen. Die saturnische Politik steht im Zeichen des Abwartens und lenkt von den wichtigen strategischen Prioritäten ab.25 Sehr kunstvoll gerät die tragische Ironie, mit der Schiller Wallensteins Fehldeutung entlarvt, indem er sie an den Fakten misst. Der Morgen ist eben angebrochen, der Herzog und Seni haben den astrologischen Turm noch nicht verlassen, da kommt Graf Terzky mit der Nachricht, dass Sesin, der Unterhändler, von General Gallas abgefangen und dem Kaiser überantwortet wurde. Weil sich in seinem Gepäck geheime Vollmachten zur Verhandlung mit den Schweden befinden, ist nunmehr in Wien bekannt, dass Wallenstein den Verrat plant. Die astrologische Botschaft erfüllt sich schneller als erwartet: Jupiter „zieht das dunkel zubereitete Werk | Gewaltig in das Reich des Lichts“. Der Betrug ist ruchbar geworden, Jupiter kein Helfer für das Saturnkind Wallenstein, sondern eine Kraft, die ihm entgegenwirkt. Die Sterne lügen nicht, aber der Herzog zeigt sich außerstande, ihre wahrhaft bedrohlichen Zeichen angemessen zu deuten. Er agiert gleichzeitig ‚planvoll‘ und ‚planlos‘, wie es Goethes Rezension der Weimarer „Piccolomini“-Uraufführung vom 30. Januar 1799 konstatiert.26 Im Jahr 1624 versuchte Wallenstein über Vermittlung seines Oberleutnants Gerard von Taxis bei Kepler besondere Details des ersten Horoskops zu erfahren. Er führte eine Liste mit zehn Fragen auf, die den Umständen seines Todes, seinem Kriegsglück, den Orten seiner Erfolge, seinem künftigen Besitz und möglichen Feinden galten. Kepler antwortete, indem er die Konstellationen nochmals präziser erläuterte, fügte aber auch eine unwirsche Warnung an. Wer mehr über spezifische Zukunftsereignisse wissen wolle, sei bei der Astrologie falsch und verkenne ihre Möglichkeiten. In schroffem Ton heißt es dazu: „Welcher Mensch, gelehrt oder ungelehrt, Astrologus oder Philosophus, in Erörterung dieser Fragen die Augen von des Geborenen eig24  Mann,

T., S. 330. Glück, S. 146. 26  Goethe, MA 6.2, S. 684. 25  Vgl.



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ner Willkür abwendet, oder sonst sein Verhalten und Qualitäten gegen(über) den politischen Umständen betrachtet, und will dies alles bloß allein aus dem Himmel haben, es sei gleich jetzt zwangs- oder nur inclinations- und neigungsweise, der ist wahrlich noch nie recht in die Schul gegangen und hat das Licht der Vernunft, das ihm Gott angezündet, noch nie recht geputzet; und wenn er der Sach nur mit Fleiß nachsinnet, wird er finden, daß diese Fragen, beides zu erörtern und auch vorzulegen, eine recht unsinnige Weise sei.“27 Kepler rekurriert hier auf eine alte, geradezu topische Unterscheidung, die schon das Mittelalter kannte. Hugo von St. Viktor und Petrus Abaelardus verwenden sie, wenn sie zwischen seriöser und spekulativer Astrologie unterscheiden. Den ersten Typus repräsentiert eine Deutungspraxis, die natür­ liche Prozesse wie Klimatemperatur und Fruchtbarkeit aus der Stellung der Gestirne ableitet: den zweiten eine Haltung, die aus den Himmelskörpern Einsichten in die Zukunft zu gewinnen sucht – diese Spielart nennt Kepler das ‚närrische Töchterlein der Astronomie‘.28 Noch im Spätmittelalter verwirft man solche Bemühungen um die Astrologie als Orakelkunst sehr entschieden, ehe der Hermetismus des 16. Jahrhunderts sie, vorbereitet durch den Renaissanceplatonismus, wieder belebt.29 Marsilio Ficino und Pico della Mirandola kritisieren die antike Sternendeutung noch explizit, obgleich sie, wie Franz Boll schreibt, „tief in die astrologische Mystik verstrickt“ waren.30 Vor allem Agrippa von Nettesheim und Paracelsus sind es dann, die den in der Scholastik durchweg verketzerten „Gestirnsfatalismus“ hoffähig machen und in den Dienst eines naturmagischen Weltbildes stellen.31 Mit seiner abschätzigen Äußerung über die Spekulationswut der Orakelmeister trifft Kepler die auch bei Schillers Wallenstein sichtbare Neigung zum Missbrauch der Astrologie, deren aus der Antike stammende kosmologische Dimension in den Dienst vermeintlich prophetischer, letzthin okkult-magischer Praktiken tritt. Anstelle einer abwägenden, die jeweiligen Planetenkonstellationen auslotenden Betrachtungsweise folgt er einem in jeder Hinsicht willkürlichen Verfahren, das Klibansky, Panofsky und Saxl in „Saturn und Melancholie“ als Kennzeichen einer für die Frühe Neuzeit konstitutiven mystischen Eingemeidnung der Astrologie beschrieben haben.32 Leitend ist hier nicht das ‚Licht der Vernunft‘, sondern ‚Zwang‘ oder auch ‚Neigung‘. Das Wollen beherrscht den Blick auf die Gestirne, so dass es zu forcierten Auslegungen 27  Strauss / Strauss-Kloebe,

S.  240 f. (mit Bezold), S. 51. 29  Vgl. die Belege bei Klibansky / Panofsky / Saxl, S. 272. 30  Boll (mit Bezold), S. 44. 31  Klibansky / Panofsky / Saxl, S. 284. 32  Ebd., S.  283 f. 28  Boll

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kommt. Wallenstein manipuliert die Astrologie, indem er die Sterne selektiv und beliebig interpretiert. Insofern liefert Keplers kritische Anmerkung zur mangelhaften Vernunft der Astrologiegläubigen den Kontext für jene prekären intellektuellen Einstellungen, um die es in Schillers Tragödie geht.33 3. Psychologische Hintergründe einer Fehlsteuerung. Wallensteins Sturz und Ende Als politischer Intrigant handelt Wallenstein im Sinne eines modernen Kalküls der Selbststeuerung, während er als Sterngläubiger am traditionellen System der Providenz festhält. Er operiert, wie Peter von Matt mit Shakespeares Iago formuliert hat, „ ‚by wit‘ und kann doch von der ‚witchcraft‘ nicht lassen“.34 Der gesamte Planungshorizont, in dem sich Wallenstein bewegt, ist durch Spekulationen über die Rolle der Vorsehung geprägt, die ursprünglich auch das Pentagramm-Motiv hätte unterstreichen sollen.35 Das entspricht dem Denken des 17. Jahrhunderts, der Fixierung auf die FortunaDynamik, die providentielle Regie und die Dominanz eines zumeist christlich gedeuteten Fatums. Aber Schiller lässt auch durchblicken, dass Wallenstein sich mit seiner Ausrichtung an den Übermächten des Himmels selbst blockiert. „Frohlocke nicht!“ ruft er Terzky zu, nachdem er endlich den Entschluss gefasst hat, die Verhandlungen mit dem schwedischen Gesandten Wrangel aufzunehmen. „Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte. | Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.“ (T v.659 ff.) Wallenstein sieht überall geheime Kräfte am Werk, und nichts ist für ihn beliebig oder willkürlich. Die göttliche Providenz erscheint ihm als Ausdruck einer unsichtbaren spirituellen Energie, die den Menschen auf geheimnisvolle Weise treibt: „Es gibt keinen Zufall; | Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt | Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.“ (T v.943 ff.).36 Psychologisch leitet die Tragödie Wallensteins Glauben an solche undurchschaubaren Kräfte der Vorsehung aus seinem melancholischen Gemüt, biographisch aus einer frühen Erfahrung als Page am Hof von Burgau in Bayerisch-Schwaben her: nach einem Sturz aus dem zweiten Stock der Burg, wo er im Fensterbogen eingeschlafen war, trug der junge Wallenstein wie durch phantastische Fügung keinerlei Verletzungen davon. „Tiefsinniger wurd er“, so resümiert Gordon als damaliger Wegbegleiter, „er wurde | Katholisch. Wunderbar hatt ihn das Wunder | Der bereits Koopmann. S. 215. 35  Zur Verflechtung von Politik und tragischem Schicksal im Sinne der Schillerschen Wirkungskonzeption Schings, S.  293 ff. 36  Über die im Hintergrund stehenden Krise des teleologischen Zeitbegriffs vgl. Alt (2008), S. 157 f. 33  Dazu

34  Matt,



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Rettung umgekehrt.“ (T v.2565 ff.). Golo Mann nennt diese Geschichte mit schönem common sense „ein „Märchen“ und „Unsinn“, weil kein Erwachsener im Schlaf aus dem Fenster falle, geschweige denn nach seiner Rettung „die Religion wechselt.“37 Für Schillers Drama gehört die zweifelhafte Überlieferung zum Reigen jener symbolisch aufgeladenen Motive, die dem allzu unidealistischen Helden die erforderliche Tragödientauglichkeit verschafften, indem sie seiner Geschichte einen – nach Goethes Formulierung – „phantastischen Geist“ geben konnten.38 Dass dieser Aspekt der Konstruktion auch wohlwollende Zeitgenossen herausforderte, zeigt übrigens Humboldts Reaktion: Er, der die Tragödie für ein einzigartiges Kunstwerk hielt, dessen erschütternder Wirkung sich niemand entziehen könne, merkte kritisch an, dass die „Neigung zur Sterndeuterei“ manchmal übertrieben betont sei (NA 38 I 327). In den letzten beiden Aufzügen der Tragödie bietet Schiller erneut eine Reihe von astrologischen Motiven, die sich nun zu Momenten auf der Kurve des tragischen Untergangs verdichten. Es beginnt mit dem Gespräch über die Himmelskonstellation, das Wallenstein mit dem Bürgermeister von Eger führt. Zu sehen waren in den zurückliegenden Nächten „drei Monde“, von denen sich „zwei in blutge Dolchgestalt | Verzogen und verwandelten. Nur einer, | Der mittlere blieb stehn in seiner Klarheit.“ Während der Bürgermeister das als düsteres Vorzeichen für den Sieg der osmanischen Großmacht deutet („Wir zogens auf den Türken“), erklärt Wallenstein die Konstellation anders: „Zwei Reiche werden blutig untergehen, | Im Osten und im Westen, sag ich Euch, | Und nur der lutherische Glaub wird bleiben.“ (T v.2611 ff.) Für ihn verrät das seltene Ereignis des geteilten Mondschattens, dass katholisches und osmanisches Imperium ihren Einfluss verlieren, der Protestantismus aber triumphieren werde. Auch hier offenbart der Sternenglauben weniger die Dominanz irrationaler Kräfte als ein Wunschdenken, das an künftigen politischen Verhältnissen ausgerichtet ist. Der Blick an den Himmel gilt nicht den Sternen, sondern irdischen Sehnsüchten, und je weiter die Tragödie fortschreitet, desto leichtsinniger werden beide Bereiche miteinander verwechselt (Goethes Rezension der Weimarer Uraufführung hat die Astrologie und die „Ansicht des politischen Himmels“ denn auch parallelisiert39). Kurz vor dem Ende, nach dem Selbstmord-Ritt 37  Mann,

G. (1986), S. 67. MA 6.2, S. 689. Neben dem astrologischen Motivkomplex tritt hier der Komplex der idealistisch klingenden Friedensrhetorik, den der Held heranzieht, um seinen Frontwechsel zu begründen (NA 8, 469 f.). Dass Wallenstein gleichwohl nicht zum Idealisten wird, sondern sein moralisches Vokabular allein dem Zweck der Realpolitik unterwirft, zeigt Schings, S. 295. 39  Goethe, MA VI.2, S. 671. 38  Goethe,

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des Max Piccolomini, blickt Wallenstein in den Abendhimmel und bemerkt, dass Jupiter von aufziehenden Gewitterwolken verdeckt wird: „Mir deucht, wenn ich ihn sähe, wär mir wohl. | Es ist der Stern, der meinem Leben strahlt, | Und wunderbar oft stärkte mich sein Anblick.“ Die melancholische Abschiedsstimmung bedeutet eine Allusion des Todes, der sich unaufhaltsam nähert – die Mörder halten sich zu diesem Zeitpunkt für ihren Anschlag schon bereit. „Du wirst ihn wiedersehen“, so tröstet die Gräfin Terzky, was Wallenstein missversteht: „O niemals wieder“, lautet seine Antwort, die sich nicht auf Jupiter, sondern auf Max bezieht, dessen Tod den eigentlichen Stern über seinem Leben gelöscht hat. Die „tiefe Zerstreuung“, in die Wallenstein gerät, zeigt die psychische Spannung an, die ihn beherrscht (T v.3415 ff.). Die rationalistische Psychologie des Wolffianismus beschrieb die zerstreute Gemütserfassung als Merkmal einer seelischen Erkrankung, als Ausdruck mangelnder Aufmerksamkeit und intellektueller Schwächung aufgrund von Ängsten, Einbildungen oder Phantasmen. Die spätaufklärerische Psychologia empirica und die Erfahrungsseelenkunde der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sahen das bereits anders. Autoren wie Johann Georg Sulzer, den Schiller als Medizinstudent gründlich las, betonten die Ambivalenz abwesender Zustände, in denen unsere Ratio zwar ausgeschaltet, die Möglichkeit zur Produktion klarer Vorstellungsinhalte aber dennnoch gegeben ist.40 „Es geschieht öfters“, schreibt Sulzer 1764, „daß man träumerisch über etwas nachdenket, oder wohl gar spricht, ohne auf das, was man saget, Acht zu haben, und daß man sich dessen, was um uns her vergeht, so wenig bewußt ist, daß man von Dingen, wovon man doch Zeuge gewesen ist, nicht das geringste Andenken behält.“41 Während die rationalistische Psychologie Zustände der Absenz mit der Eintrübung von Urteilskraft und Vorstellungsvermögen verband, ist man nun der Auffassung, dass, wie Sulzer sagt, „Fälle von starken Zerstreuungen“ im Bereich des Verstandes „tiefsinnige Schlüsse“ durchaus ermöglichen.42 Auch Wallenstein zeigt sich im Stadium der Zerstreutheit zu intuitiven Schlüssen in der Lage. Seine Trauer um Max schließt für einen Moment eine realistische Einschätzung seiner hoffnungslosen Lage ein. Im Zustand der für ihn ganz untypischen Geistesabwesenheit manifestiert sich nicht nur eine psychische Konfliktlage, wie sie ihn seit der Entscheidung zum Verrat beherrscht. Zugleich offenbart sich ihm für einen kurzen Moment über den Umweg der ‚Zerstreutheit‘ jene ganze Verzweiflung, die eine Situation ohne 40  Vgl. zu Schillers Sulzer-Rezeption, die durch den von Jakob Friedrich Abel an der Hohen Karlsschule erteilten Philosophieunterricht vermittelt wurde, die Angaben bei Riedel, S. 381 ff.; außerdem: Alt (2000), I, S. 127 ff. 41  Sulzer, S.  202 f. 42  Sulzer, S. 212.



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echte Alternativen auslöst. Die nicht ganz freiwillig vollzogene Wende zu den Schweden, die mangelnde Rückendeckung durch eine nennenswerte Zahl von Offizieren, der Verlust des Ziehsohns Max – das alles sind die Zeichen eines zunehmenden Verlusts an Sicherheiten, die Wallenstein erahnt, ohne sie wirklich anzuerkennen. Die Befragung der Sterne bildet vor diesem Hintergrund nur den Versuch, Ordnung ins Chaos zu bringen und dort Klarheit zu schaffen, wo alles zu zerbrechen droht. Aber Wallenstein findet in den Gestirnen nichts, das ihm diese Klarheit brächte, denn sie sind nur ein Spiegel, der seine eigenen Verirrungen reflektiert.43 In seiner Rezension des Schillerschen Dramas merkte Goethe dazu wunderbar lakonisch an: „Wer die Sterne fragt was er tun soll? ist gewiß nicht klar über das was zu tun ist.“44 Wenn Seni den unwilligen Wallenstein im fünften Akt auf die unheilvollen Sterne hinweist, dann ist das nur der letzte, vergebliche Versuch, ihn zur Einsicht zu führen.45 In kunstvollem Arrangement ergänzt Schiller die astrologische Warnung durch die pragmatische des Kommandanten Gordon („O noch ists Zeit, mein Fürst“) (T v.3614 ff., 3636). Aber weder die realpolitische Option, die Gordon nahelegt, noch die spekulativ-metaphysische des Astrologen bringen Wallenstein zum Schwanken.46 Auf Senis Befund – „Ein greulich Zeichen steht im Haus des Lebens“ – antwortet er nur mit dem Spott des Hybriden: der Astrologe sei im Herzen katholisch und wolle sein neues Bündnis nicht gutheißen (T v.3614, 3621 f.). Was er Seni vorhält, praktiziert er selbst ständig: er schiebt der Gestirnskonstellation einen politischen Gehalt unter, der seinen Wünschen entspricht. Die Psychologie der Macht korrumpiert alle Zeichensysteme, die der Vernunft ebenso wie jene, die sich aus einem anderen Wissen jenseits der Schulweisheit speisen. 4. Dramentheoretisches Resümee Schiller lädt den Topos der Gestirnsdeutung mit drei Funktionen auf, die sich ergänzen: er unterwirft das Sujet der tragischen Damaturgie, indem er es zum Sinnbild einer letzthin ambivalenten Zukunft werden lässt; er überträgt die Astronomie-Skepsis des rationalistischen Zeitalters auf die Welt der Politik; und er integriert seine Diagnose in eine Porträtkunst, die Tragödie und Vecchiato (2015a), S.  103 f. MA VI.2, S. 684. 45  Borchmeyer (1988), S. 110, verweist darauf, dass bei Schiller in der Mordnacht nur noch Seni über die astrologische Konstellation spricht, wohingegen Wallenstein, anders als die historischen Quellen berichten, kein Interesse mehr an Sternendeutung zeigt. 46  Was die Forschung zuweilen psychologisch verkürzend als Zeichen für die innere Blockierung des Helden las und nicht als Spiegelung zweier widerstreitender Handlungskonzepte in einer Figur; vgl. Wertheimer, S. 106. 43  Vgl.

44  Goethe,

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Psychologie mit atemberaubender Konsequenz verbindet. So gelingt es ihm, jene tragische Form hervorzubringen, die er in seinen theoretischen Studien seit Beginn der 1790er Jahre als Grundmuster einer auf das ästhetische Interesse zielenden Dramaturgie gefordert hatte.47 Wallensteins Sturz steht nicht in den Sternen, sondern resultiert aus seinen astrologischen Fehldeutungen. Damit ist er, anders als Hegel annahm, kein Zeichen des Fatalismus, vielmehr das Element einer sehr modern anmutenden Psychologie der Selbsttäuschung.48 In den unveröffentlichten Vorstudien zum „Laokoon“, die zwischen 1763 und 1765 fixiert wurden, erläutert Lessing seine Grundsätze einer perfekten Gestaltung des poetischen Stoffs. Seine Wortwahl verrät dabei, dass er zumal das Drama im Blick hat, wenn er von der allgemeinen Ökonomie der Darstellung spricht: „Das Ideal der Handlung bestehet 1) in der Verkürzung der Zeit 2) in der Erhöhung der Triebfedern, und Ausschließung des Zufalls 3) in der Erregung der Leidenschaften.“49 Der Modellcharakter des Dramas beruht auf einer systematischen Konzentration seiner Architektur, die wesentliche Elemente des Schöpfungsplans hervortreten lassen soll. Die kunstvolle Fokussierung der Geschehensszeit, das Herausarbeiten der Handlungsmotive und die Beseitigung kontingenter Motive dienen dazu, das durchgreifendvernünftige Telos aller weltlichen Ereignisprozesse zu veranschaulichen. In diesem Sinne hatte die „Hamburgische Dramaturgie“ mit einer berühmt­ gewordenen Formulierung vom literarischen Werk gefordert, es solle „ein Schattenriß von dem Ganzen des ewigen Schöpfers sein; sollte uns an den Gedanken gewöhnen, wie sich in ihm alles zum Besten auflöse, werde es auch in jenem geschehen (…)“.50 Erst wenn die objektive Grundlegung der dramatischen Struktur durch Konzentration, Schwerpunktsetzung und Evidenz erreicht ist, kann es zur Mobilisierung der Affekte kommen, die Lessing für ein wesentliches Ziel des Dramas hält. Es ist bezeichnend, dass die ‚Erregung der Leidenschaften‘ am Schluss der hier entfalteten Reihe von Formbegriffen steht. Sie setzt nur ein, sofern die Konstruktion des Stoffs durchdacht und kausal begründet ausfällt. Schillers Theater geht anders zu Werke, als Lessing es hier mit normativem Anspruch beschreibt. Seine künstlerische Leistung beginnt dort, wo sich die wirkungspoetische Konstruktion der dramatis personae, an der Lessing noch festhält, in nuancierte Seelenanalyse übersetzt. Effekte will auch Schil47  Vor allem: „Ueber die tragische Kunst“ (1792), NA 20, bes. 164 ff.; „Ueber das Pathetische“ (1793), NA 20, bes. 199 ff. Vgl. Alt (2000), II, S. 92 ff. Immer noch grundlegend: Reinhardt. 48  Hegel, S.  618 f. 49  Lessing, VI, S. 603. 50  Lessing, IV, S. 600 (79. Stück), dazu: Alt (2012), S. 237 f.



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lers Theater zeitigen, indem es überwältigt und dem Publikum den Kopf „warm“ macht, wie es während der Niederschrift des „Wilhelm Tell“ heißt (NA 32, 68). Aber dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn das Psychogramm der Figuren das nachhaltige Interesse der Zuschauer findet. Die Bühne gerät idealiter zum Schauraum des Inneren, zur Demonstrationslandschaft, auf der seelische Prozesse mit dramaturgischen Mitteln inszeniert werden. Wallensteins Astrologie ist somit ein Topos, der die alte Providenz, welche in Lessings Theodizee- und Schattenriß-Poetik noch fortlebt, ins Psychologische übersetzt. Sie bildet kein Ornament im tragischen Gesamtkunstwerk, sondern eine Triebfeder im meisterhaften Gefüge seiner Motivationstechnik.51

51  Dieses ist zugleich die metapoetische Dimension des Astrologie-Komplexes, wie sie Klaus Weimar aufzeigt; Weimar, bes. S. 100 f.

Klassikerkult. Wallenstein in der Musik Von Jörg Krämer „Eigentlich hätte ich Wallenstein spielen sollen […], aber daraus ist nichts geworden, gottseidank, muß ich jetzt sagen.“ (Thomas Bernhard, Holzfällen)

Die Rezeption Wallensteins in der Musik ist ein spezielles Thema. Generell gilt etwa in der Operngeschichte, dass historische Feldherren (im Gegensatz zu mythologischen Heerführern wie Achill oder Odysseus) selten ein Thema wurden – und dann meist nur dort, wo sie zeitlich oder räumlich möglichst weit von der Gegenwart entfernt waren, wo es sich also um Befehlshaber bzw. Herrscher der Antike (wie in der metastasianischen opera seria), des Mittelalters (etwa Karl der Große oder Richard Löwenherz) oder mit exotischem Flair (wie Tamerlan, Kara Mustafa, Cortés, Montezuma oder Attila) handelt. Ausnahmen gab es allenfalls dort, wo es um direkte dynastisch-genealogische Ableitungen (wie etwa in den Braunschweiger Welfenopern, in der schwedischen Nationaloper des späten 18. Jahrhunderts oder in Meyerbeers preußischer Auftragsoper Ein Feldlager in Schlesien) oder um eine direkte Indienstnahme des Musiktheaters für konkrete Zwecke der Politik und Diplomatie1 ging. Der historische Wallenstein jedoch stieß bei Musikern genauso wenig auf Interesse wie andere historische Heerführer, etwa Tilly oder Prinz Eugen, Don Juan d’Austria oder Lord Nelson. Dennoch gibt es eine beachtliche Rezeption Wallensteins in der Musik; sie ist jedoch fast ausschließlich eine Rezeption von Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie. Der historische Wallenstein wurde offenkundig erst durch Schillers dramatisches Charakterbild für die Musik des 19. und 20. Jahrhunderts interessant und anschließbar. Damit handelt es sich bei der musikalischen Wirkungsgeschichte Wallensteins um eine doppelte und zugleich perspektivisch verengte Rezeption, bei der sich Schillers wirkungsmächtige Kunstfigur vor die historische Gestalt des Albrecht von Waldstein schiebt.

1  Vgl.

dazu die Hamburger Fallstudie von Schröder.

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Diese musikalische Rezeption Wallensteins über Schiller erfolgte nun in charakteristischen Grenzen und auf sehr unterschiedliche Weise. In der deutschen Musik des 19. und 20. Jahrhunderts etwa wurde die Wallensteinfigur nahezu nie ein Thema; hier wirkte sich der Klassikerkult um Schiller und Goethe offenbar geradezu blockierend aus. Bert Brechts Wort von der „Einschüchterung durch Klassizität“,2 wiewohl anders gemeint, scheint mir diesen Sachverhalt gut zu treffen. Opern nach den großen klassischen Dramen kamen im deutschen Verständnis des 19. und frühen 20. Jahrhunderts anscheinend einem Sakrileg gleich; so gibt es keine deutschen Opern zu den großen Dramen Goethes oder Schillers. Ludwig Spohrs zeitgenössisches Faust-Singspiel (1813 / 1852) folgt gerade nicht Goethes Drama, und im späten 19. Jahrhundert belegen die heftigen Polemiken in Deutschland gegen Charles Gounods Faust (1859 / 1869) und Jules Massenets Werther (1886 /  1892), dass man Opern nach den großen Werken der Klassiker als Trivialisierung und Herabwürdigung empfand, die man keinem deutschen und schon gar nicht einem „welschen“ Komponisten gestattete.3 Gounods Oper wurde bekanntlich in Deutschland unter dem Titel Margarethe gegeben, um sie von Goethes Faust abzugrenzen. Bezeichnend für die deutsche Operngeschichte ist auch, dass die großen Schiller-Vertonungen aus Italien in Deutschland nur relativ gering rezipiert wurden; selbst die bedeutendste, Giuseppe Verdis Don Carlo, steht bis heute in Deutschland im Schatten weitaus populärer Verdi-Opern (wie Aida oder der Trilogia popolare). Ein zweiter Grund für das Fehlen einer Schiller-Rezeption in der deutschen Oper dürfte in dem heftigen Re-Mythologisierungsschub zu suchen sein, den ­Richard Wagners Konzept des Musikdramas nach 1850 auslöste. Historische Figuren wie Maria Stuart oder Wilhelm Tell, wie sie im von Wagner bekämpften französischen Grand opéra oder in der italienischen Oper gerne gestaltet wurden (etwa von Gaetano Donizetti oder Gioacchino Rossini), oder eben auch wie Wallenstein schieden damit zumindest aus Sicht der ­musikalischen Fortschrittspartei aus. Ganz anders ist die Lage im west- und südeuropäischen Operndiskurs des 19. Jahrhunderts. In den beiden europaweit führenden Opernmodellen des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts, Grand opéra und Melodramma, sind historische Stoffe zentral. Allerdings ist dabei speziell in Frankreich das In-

2  Brecht.

3  So polemisiert Schaefer, S. 37, gegen die unten beschriebene Wallenstein-Oper von Ruiz: „Das Hauptgewicht der Handlung ist in die Liebesepisode gelegt, und diese nach Herzenslust ausgebeutet, bez. für die Oper zurechtgestutzt, ohne die geringsten Gewissensskrupel um das klassische Werk des großen deutschen Dichters.“ Zur deutschen Kritik an italienischen Opern über Dramen deutscher Klassiker vgl. a. Woyke, bes. S.  515 f.



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teresse an deutschen Stoffen relativ gering;4 auch wenn Schiller in Frankreich früh und relativ breit rezipiert wurde (mit Höhepunkt in den 1820er Jahren, insbesondere mit Rossinis Guillaume Tell, 1829),5 wurden Wallenstein und der Dreißigjährige Krieg daher keine relevanten Themen für die französische Oper.6 Anders liegt der Fall in Italien, wo in einer umgekehrten, produktiven Variante des deutschen Klassikerkultes gerade Schillers Dramen als beliebte Vorlagen für Opern entdeckt werden – bekanntlich sind sämtliche SchillerDramen einschließlich von Jugendwerken wie Semele auf der italienischen Opernbühne des 19. Jahrhunderts gegeben worden, oft in mehreren, konkurrierenden Vertonungen. Wallenstein nimmt allerdings auch hier eher eine Randposition ein (s. u.). Im Bereich der osteuropäischen Oper ist seit Modest Musorgskijs Boris Godunov (1869 / 1874) ebenfalls ein wirkungsmächtiges Modell einer historischen Oper über einen Usurpator etabliert, doch ist dies in Osteuropa so stark mit dem Thema des kulturellen „nation building“ verknüpft, dass hier kein Interesse für historische Stoffe aus westlichen Nationen erkennbar ist; zudem bleibt Musorgskijs Modell auch in Russland lange umstritten. Allenfalls in Tschechien wäre somit eine Wallenstein-Rezeption zu erwarten, und sie erfolgt dort auch in der Tat, allerdings auch in sehr begrenzter Weise (s. u.). Ich will im folgenden nach Gattungen getrennt einen Überblick über die Musikwerke geben, die sich auf Wallenstein beziehen, und auf einige Werke näher eingehen. Dabei sind meine Leitfragen einerseits, warum der jeweilige Komponist auf den Wallenstein-Stoff (und das heißt fast ausnahmslos: auf Schillers Trilogie) zugriff, andererseits, wie die komplexe Figur von Schillers Wallenstein dabei gestaltet wird.

4  Meyerbeer etwa rekurriert dann auf die deutsche Geschichte, wenn er für Berlin komponiert (Ein Feldlager in Schlesien, 1843 / 1844). Ansonsten bleibt es bei vagen und historisch meist sehr ungenauen Verweisen (vgl. etwa die theologisch falsche Verbindung der Hugenotten mit dem Luther-Choral Ein feste Burg in Les Huguenots) oder rein oberflächlichen Lokalisierungen von Opernhandlungen in Deutschland ohne weitere Auswirkungen (wie in Halévys La Juive). 5  Vgl. dazu Gier, S. 255–269. 6  Eggli verzeichnet lediglich zwei, bezeichnenderweise nicht aufgeführte Wallenstein-Adaptionen im französischen Sprechtheater (Bd. 1, S. 605 und 612). Hinzukommt die frühe Wallenstein-Übersetzung von Benjamin Constant (Wallstein, Paris und Genf 1809; vgl. ebd. S. 359–377).

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1. Schauspielmusiken und Lieder Theater ist bekanntlich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts grundsätzlich nicht ohne Musik zu denken.7 Dies spiegelt sich meist in den Dramentexten selbst wider: Auch Schiller sah in Wallensteins Lager in erheblichem Umfang die Mitwirkung von Musik vor. Die Musik bildet in diesem Stück geradezu das „entscheidende Medium soldatischer Ausgelassenheit und Gesellig­ keit“.8 In den Piccolomini und in Wallensteins Tod ist der Anteil der Musik dann zwar deutlich geringer, aber auch dort sind musikalische Bestandteile im Dramentext fest vorgesehen. Freilich genoss die Schauspielmusik spätestens seit dem Siegeszug der Autonomie-Ästhetik keinen guten Ruf – als Inzidenz- oder Gebrauchsmusik wurde ihr wenig eigener Wert zugeschrieben, und auch die Komponisten waren häufig Liebhaber oder Theaterleute mit relativ geringer Qualifikation. Häufig sind die in der Regel handschriftlichen Partituren und Materialien verlorengegangen, und nur wenige Komponisten konnten sich als typisch und maßstabsetzend etablieren – unter den unten aufgelisteten wohl am ehesten Bernhard Anselm Weber, der für die Schauspielmusik an August Wilhelm Ifflands Berliner Nationaltheater zuständig war.9 Die Theaterpraxis erwies sich hinsichtlich der Schauspielmusik tatsächlich immer wieder als reichlich unbesorgt um Kategorien wie Originalität, Echtheit oder Angemessenheit. So kam es bei Wallensteins Lager etwa zu dem Kuriosum, dass der Theaterintendant Goethe bei der Uraufführung 1798 das eröffnende Soldaten-Lied („Es leben die Soldaten“), das laut Schiller „nach einer alten Melodie“ gesungen werden sollte,10 gegen eine Melodie aus Johann Friedrich Reichardts Vertonung von Goethes Claudine von Villabella von 1789 austauschen ließ („Mit Mädeln sich vertragen“). Reichardts Liedmelodie wurde einfach der neue Text unterlegt – und das, obwohl Reichardt seit dem Xenienstreit 1797 bei den Weimarern eigentlich in absolute Ungnade gefallen war und Reichardts eigene Schauspielmusik zu Wallensteins Lager in Weimar komplett ignoriert wurde. In Goethes Claudine singen Räuber das Lied, dessen (in Weimar wohl noch bekannte) Melodie in Wallenstein Lager jetzt von Wallensteins Soldaten gesungen wird – möglicherweise war mit der Kontrafaktur des Lieds sogar eine hintersinnige Absicht Goethes verbunden,11 um dadurch „die Soldaten schon vor dem ersten geallg. Scheitler, Kramer (2014), Altenburg / Schmidt. B.A. (2013), S. 746. 9  Hassan. 10  Brief von Schiller an Goethe, 5.10.1798, vgl. Schmidt, B.A. (2013), S. 757 sowie Schiller, NA VIII.1, S. 113. 11  Schmidt, B.A. (2013), S. 757. 7  Vgl.

8  Schmidt,



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sprochenen Vers als sittlich verwahrlosten Haufen“12 indirekt zu kennzeichnen. Im frühen 19. Jahrhundert begegnen bei der Schauspielmusik zudem oft Phänomene der Zirkulation, die wechselnde Zuschreibungen mit sich bringt. So taucht Reichardts Liedkontrafaktur auch 1803 bei einer Berliner Wallenstein-Aufführung unter dem Namen B. A. Webers, 1804 in München als Werk des Komponisten Franz Seraph Destouches auf.13 Ende des 19. Jahrhunderts enthält die Weimarer (oder Meininger?) Piccolomini-Schauspielmusik Wilhelm Reifs eine – nicht gekennzeichnete – Bearbeitung von Franz Schuberts Thekla-Lied (Des Mädchens Klage D. 191, s. u.). In der folgenden, chronologisch geordneten Übersicht sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – nur erhaltene oder in Rezensionen erwähnte Bühnenmusiken zusammengestellt, als Ort ist jeweils nur der erste Aufführungsort genannt.14 Übersicht 1 Schauspielmusiken zu Schillers Wallenstein I) Wallensteins Lager Johann Friedrich Kranz, Weimar 1798 Johann Philipp Christian Schulze, Leipzig 1800 Bernhard Anselm Weber, Berlin 1803 Carl David Stegmann, Hamburg 1805 Franz Seraph Destouches, Dresden nach 1819 (?)15 Franz von Suppé, Wien 1859 (?) Zdenech Fibich, Prag 1877 Karl Eduard Hering, Ouvertüre und Reiterlied, Bautzen (?) Hecht (?), Manchester (?) Wilhelm Reif, Meiningen (oder Weimar?) vor 1890 Joachim Thurm, Weimar 1964 Helmut Eder, Linz 1967 II) Die Piccolomini Bernhard Anselm Weber, Berlin 1799 Karl Wilhelm Henning, Berlin 1828 12  Schmidt,

B.A. (2014), S. 85. B.A. (2013), S. 758. 14  Vgl. Schaefer, S. 29 ff.; bibliographische Nachweise der erhaltenen Musikalien bei RISM-Online (https: /  / opac.rism.info / ). 15  Zwei frühere Weimarer Abschriften von Bühnenmusik zu Wallenstein sind mit dem Namen Destouches versehen, Dennoch scheint Destouches’ eigene WallensteinMusik nicht in Weimar aufgeführt worden zu sein; vgl. Schmidt, B.A. (2013) und Schmidt, B.A. (2014), S. 76–80. 13  Schmidt,

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Wilhelm Reif, Meiningen (oder Weimar ?) vor 1890 Joachim Thurm, Weimar 1964 Helmut Eder, Linz 1967 III) Wallensteins Tod Bernhard Anselm Weber, Berlin 1799 Franz Seraph von Destouches, Dresden 1803 Robert Lucas Pearsall, Einsiedeln (?) Karl Wilhelm Henning, Berlin 1829 Carl Anton Philipp Braun, Stockholm 1831 Karl Gustav Kupsch, Freiburg i. Br. 1845 (?) August Pabst, Königsberg 1859 Joachim Thurm, Weimar 1964 Helmut Eder, Linz 1967

Im Bereich des Kunstlieds wurden einige Lieder aus den Schiller-Dramen höchst populär. Theklas Lied aus Die Piccolomini (III 7) zählt sogar zu den meistvertonten Texten im deutschen Kunstlied des 19. Jahrhunderts überhaupt. Es existiert dabei in doppelter Form, da Schiller den Gedichttext schon im Oktober 1798, vor der Publikation des Dramas, als „Des Mädchens Klage“ im Musen-Almanach für das Jahr 1799 separat als vierstrophiges Gedicht veröffentlicht hatte. Der Erstdruck der Piccolomini (Tübingen: Cotta 1800) enthält dagegen nur die ersten beiden Strophen dieses Liedes. Auch musikalisch begegnet das Gedicht daher in doppelter Form: als Bühnenlied (zweistrophig, meist als „Theklas Gesang“ betitelt) und als Kunstlied (meist vierstrophig unter dem Titel „Des Mädchens Klage“). Auch das „Reiterlied“ aus Wallensteins Lager („Wohl auf, Kameraden, aufs Pferd!“) wurde sehr populär. Es erschien ebenfalls vorab Ende 1797 im Musen-Almanach für das Jahr 1798, und zwar nicht nur als reiner Text, sondern in einer Vertonung von Christian Jakob Zahn, die später bei der Weimarer Uraufführung des Dramas übernommen wurde, schnell sehr beliebt wurde und auch jenseits des Theaters große Wirkungen (bis hin zur Mobilmachung in Berlin 1914) entfaltete: „Für Goethe war die Genese des Reiterliedes zu einem ‚alten Gassenhauer‘ schon 1803 unerträglich. In dieser Zeit ersetzte er Zahns durch Zelters Reiterlied.“16 Der Vollständigkeit halber seien die Lieder nach Texten aus Schillers Wallenstein in einer (wiederum sicher nicht vollständigen) Übersicht zusammengefasst.17 All diese Lieder beziehen sich freilich nicht auf die Figur Wallenstein und sind deshalb für die musikalische Rezeption der Figur Wallenstein letztlich nicht von Belang.

16  Schmidt, 17  Vgl.

B. A. (2014), S. 83. Schaefer, S.  38 f.



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Übersicht 2 Lieder I) „Theklas Gesang“ als Bühnenlied Gottlob Bachmann 1799 Bernhard Anselm Weber, Berlin 1799 Friedrich Adolf Pitterlin, Magdeburg 1801 (Druck 1805) Carl Friedrich Zelter, Weimar 1801? II) T  heklas Lied als Kunstlied („Der Eichwald brauset“, „Des Mädchens Klage“ o. ä.) Johann Friedrich Hugo von Dalberg, Christoph Ernst Friedrich Weyse (Kopenhagen), Franz Anton Maurer, Christian Wilhelm Häser (dt. und ital.), Moritz Hauptmann, Johann Friedrich Reichardt, Johann Rudolf Zumsteeg, Joseph Wölfl, Friedrich Franz Hurka, Friedrich Ludwig Seidel, „Fräulein von Br., berichtigt und verbessert von J.[ohann] H.[einrich] Grave“, C. W. C. Fürst von Hohenzollern, Anon., Franz Schubert (3 Vertonungen: D. 6 (1811), D. 191 (1815 [2 Fass.]), D. 389 (1816)), Felix Mendelssohn Bartholdy (1835), Friedrich Adolph v. Lehmann, Johann Nepomuk Batka, Wenzel Johann Baptist Tomaschek, Carl Arnold, C. Wagner, Adolf Reichel, Ignaz Franz v. Mosel, Bernhard Joseph Klein, Carl Gottlieb Reissiger, Ludwig Berger, Carl Loewe, Joseph Abenheim, Josef Gabriel Rheinberger, Vincent d’Indy (Plainte de Thécla d’après Schiller op. 10, 1880) III) „Reiterlied“ als Bühnenlied Christian Jakob Zahn (1797), Weimar 1798 Bernhard Anselm Weber, Berlin 1803 Carl Friedrich Zelter (1798), Weimar 1803 / 1804 Johann Rudolf Zumsteeg, Hamburg 1805 IV) „Reiterlied“ als Kunstlied oder Männerchor Joseph Hartmann Stuntz, (Christian Gottfried?) Körner, Nikolaus v. Krufft, Anon., Johann Joachim Wilhelm Grimm, Wilhelm Taubert V) Sonstige Vertonungen mit Bezug auf Wallenstein J. Fr. Reichardt: „Dank Dir für diesen Wink“ (Thekla in Wallensteins Tod III) J. Fr. Reichardt: „Sein Geist ist’s, der mich ruft“ (ebd.) Heinrich Carl Ebell: „Sein Geist ist’s, der mich ruft“ (1810) Joseph Hartmann Stuntz: Soldatenchor aus Wallensteins Lager (Männerchor mit Klavier und Trp. solo ad. lib.) (1827) Julius Gessinger: „Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum“ (1964; Kanon) Karl Etti: „Der Österreicher hat ein Vaterland“ (1970; gemischter Chor) VI) Vertonungen ohne direkten Schiller-Bezug Franz Schubert: Der Wallensteiner Lanzknecht beim Trunk, D 931 (1827), Text v. Karl Gottfried v. Leitner (1800–1890)

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2. Oper a) Wallenstein in der italienischen Oper Die Bedeutung Schillers für die italienische Oper des 19. Jahrhunderts wurde in der Forschung schon vielfach herausgearbeitet.18 Anders als etwa Goethes Dramen wurden diejenigen Schillers früh in Italien populär, übersetzt, auf der Bühne gespielt und dann auch als Grundlage für zahlreiche Opern genutzt.19 Das Phänomen des italienischen „Schillerismo“ ging dabei zunächst weniger von Deutschland als vielmehr von Frankreich20 aus: Der zweite Teil von Dell’Allemagne der Madame de Staël, 1814 ins Italienische übersetzt,21 lenkte die Aufmerksamkeit der tonangebenden jüngeren Literaten im nord- und mittelitalienischen Raum auf Schiller.22 Der französische Einfluss zeigt sich auch anderweitig: 1821 wurde etwa in Florenz Maria Stuart als italienische Übersetzung einer französischen Alexandrinerfassung des Stücks (Paris 1820) gegeben.23 1830 erschien dann Giuseppe Mazzinis Del Dramma Storico e Della fatalità considerata come elemento dramatica,24 das den Schillerkult in Italien weiter befeuerte; zwischen 1827 und 1842 sorgten dann die gedruckten Übersetzungen von Andrea Maffei für eine weitere Verbreitung und leichte Zugänglichkeit der Schillertexte.25 Schon Mazzini fragte nach den Gründen für die Beliebtheit Schillers im italienischen Opernbetrieb und erklärte sie mit einer opernnahen Dramaturgie Schillers.26 Freilich gilt dies nicht für alle Dramen Schillers in ähnlicher Weise; während man etwa bei der Jungfrau von Orléans oder auch dem Don Karlos durchaus von opernnahen Elementen sprechen kann, gilt dies für andere Stücke weitaus weniger. Insbesondere der Wallenstein steht einer Operndramaturgie denkbar fern – alleine durch die schiere Länger der Trilogie, durch das Überwiegen diskursiver Auseinandersetzungen und durch die so fein kalkulierten wie nicht subjektzentrierten27 oder gar teleologischen Entwicklungen der Intrigen. Insofern verwundert weniger, dass Wallenstein unter den Schillerdramen erst spät eine (geringe) Wirkung auf die italienische Oper entfaltete; es verwundert eher, dass die Trilogie überhaupt den Weg auf die Opernbühne fand. 18  Inasaridse,

Marggraf. Unfer Lukoschik. 20  Zur Schiller-Rezeption in Frankreich vgl. Eggli sowie Gier. 21  Staël-Holstein. 22  Vgl. Marggraf, S. 17; Unfer Lukoschik, bes. S. 125–129 u. ö. 23  Inasaridse, S. 51; bibliographischer Nachweis bei Unfer Lukoschik, S. 406. 24  Mazzini. 25  Inasaridse, S. 49–54. 26  Ebd. S. 51; zur Opernnähe von Schillers Dramaturgie vgl. Borchmeyer (2002). 27  Vgl. dazu Ette. 19  Dazu



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Dort taucht das Werk erstmals im Sommer 1873 in Neapel auf, in einer Oper des Komponisten Pietro Musone (1847–1879) nach einem Libretto von Enrico Golisciani (1848–1919). Es handelt sich dabei um eines der ersten Libretti dieses bedeutenden neapolitanischen Librettisten, der dann im weiteren Laufe seines Lebens über 80 Libretti für viele wichtige Opernkomponisten seiner Zeit schrieb, etwa für Amilcare Ponchielli, Umberto Giordano, Francisco Cilea oder für Ermanno Wolf-Ferrari (z. B. Il segreto di Susanna).28 Goliscianis stilistische Bandbreite reichte dabei vom traditionellen Melodramma über den veristischen Einakter bis zur Operette. Über den früh verstorbenen Komponisten Pietro Musone aus Caserta ist so gut wie nichts bekannt.29 Er vertonte drei Opern, die allesamt am Teatro Mercadante in Neapel uraufgeführt wurden, jeweils über historische Figuren und auf Libretti von Golisciani: 1872 Camoens (über Luís de Camões), 1873 Wallenstein und 1876 Carlo di Borgogna (über Karl den Kühnen). Die Stücke waren nicht erfolgreich, was eine Kritik der Wallenstein-Oper (allerdings aus dem fernen Milano) der Musik zuschreibt: „Il Wallenstein del Musone ha giá avuto due rappresentazioni; l’esito non è stato molto lieto; la prima sera il maestro fu chiamato tredici volte al proscenio, si volle il bis d’una romanza, ma il terzo e quarto atto caddero. Tutti i giornali di qua son d’accordo in dire che il lavoro è sbagliato. L’egregio maestro Caputo con un articolo pieno di senno e di benevolenza trova che l’autore non ha progredito; il primo lavoro è migliore del secondo: in questo trova a biasimare la disposizione delle voci, l’abuso degli strumenti da fiato, l’impiego di modulazione stranissime. Alla seconda rappresentazione le chiamate scemarono, il teatro era quasi vuoto, pochi palchi occupati, e nessuna poltrona affittata, dicesi che l’introito non rag­ giunesse le dugento lire.“30

Da die Partitur verschollen ist, kann dieses Urteil nicht verifiziert werden. Das gedruckte Libretto dagegen hat durchaus Qualitäten. Golisciani folgt Schiller (auf der Basis der Übersetzung Maffeis) eng, soweit das im eng begrenzten Zeitrahmen einer Oper möglich ist. Golisciani übernimmt annähernd die Szenenfolge Schillers, wenngleich stark gerafft und mit einzelnen kleineren Umstellungen; zudem versucht er sogar möglichst viel vom ursprünglichen Text (d. h. vom Wortlaut Maffeis) zu erhalten, wo immer das möglich ist. Deutlich zeigt sich dies etwa an Teclas Lied, wo Golisciani Maffeis Übersetzung wörtlich beibehält (II 1), obwohl diese mit ihrer Metrik überhaupt nicht den Vorstellungen einer traditionellen italienischen Opern-Romanze oder Arie entspricht. Das Tecla-Lied wird dann später mehrfach im Libretto in Anspielungen wiederholt – eine geschickte Hinzufügung GoliMallach, bes. S. 226. Ambìveri, S. 102. 30  Gazzetta musicale di Milano 28 (1873), S. 282 [datiert „Napoli, 21 agosto“]. „Il primo lavoro“ bezieht sich vermutlich auf die Camoens-Oper. 28  Vgl. 29  Vgl.

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scianis, die dem Komponisten die Möglichkeit zu einer Art musikalischer Erinnerungsmotivik gibt. Freilich sah sich Golisciani gezwungen, viele Szenen zu streichen und auch die Personen erheblich zu reduzieren. So strich er sogar die Figur des Buttler; bei ihm ist es Questenberg, der am Ende mit zwei Landsknechten zu Wallenstein vordringt und ihn töten lässt. Auch die beiden Terzkys und Wallensteins Gemahlin wurden geopfert, der Auftritt Wrangels ist durch einen bloßen Brief ersetzt. Der I. Akt des vieraktigen Librettos beginnt zunächst mit Szenen aus Wallensteins Lager. An den Anfang und ans Ende des Aktes sind dabei wirkungsvoll große Chorszenen gerückt. Der II. Akt bringt dann die Max-Thekla-Szenen aus dem II. Akt der Piccolomini (einschließlich Theklas Lied) sowie die Bankettszene (mit Chor) und den großen Dialog von Ottavio und Max aus dem IV. und V. Akt der Piccolomini. Der III. Akt der Oper folgt den ersten beiden Akten von Wallensteins Tod, beginnend mit der AstrologieSzene, während der Schlussakt der Oper den beiden Eger-Akten Schillers folgt (Wallensteins Tod IV und V), beginnend mit der Nachricht vom Tod Massimianos. Die Pappenheimer-Szenen entfallen, dafür findet sich die typische Briefszene der Operntradition – Tecla schreibt nach der Nachricht vom Tod Massimianos (der hier mit ihrem Namen auf den Lippen stirbt) einen Abschiedsbrief an ihren Vater, in dem sie ihren Tod ankündigt (IV 4). Es kommt dann zügig zum blutigen Ende: Questenberg lässt Wallenstein töten, in der Schlussszene wird der salbungsvoll erschütterte Ottavio von der schon tödlich geschwächten Tecla, die Gift genommen hat, öffentlich für den Mord verantwortlich gemacht, worauf Tecla mit himmelwärts gerichtetem Blick einen operntypischen Verklärungs- und Liebes-Tod stirbt, den Schluss ihres Liedes aus dem II. Akt auf den Lippen: „Ogni … terrena … gioja … gustai /  Vissi … ed a … mai“.31 Das Libretto verschiebt die Gewichte insgesamt weg von der politischen Intrigenhandlung hin zur Liebesgeschichte von Massimiano und Tecla. Die komplexe politische Situation wird in der Bewertung vereinfacht: Questenberg und vor allem Ottavio erscheinen als eindeutig negative Schurken, während vor allem Massimiano klar positiv gezeichnet ist und auch Wallenstein gegenüber Ottavio als gute Figur erscheint. Zwar bleibt Wallensteins Verrat erhalten, doch wird deutlich, wie schwer ihm das fällt; auf die Übereinkunft mit den Schweden reagiert er mit einem Gebet (III 2). Wallenstein wirkt auch deshalb positiv, weil er an die „patria“ und deren Frieden denkt (ähnlich Massimiano, I 3), was im italienischen Diskurs 1873 offenbar immer noch von erhöhter und positiver Bedeutung war, während Questenberg 31  Auch dieses Zitat aus dem Lied stammt wörtlich aus Maffeis Wallenstein-Übersetzung.



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und Ottavio als habsburgische Höflinge und Lakaien gezeichnet sind und damit sicherlich auf ein italienisches Publikum der Zeit noch negativer wirkten als auf ein deutsches. Zu den Besonderheiten der italienischen Wallenstein-Rezeption gehört, dass nicht einmal drei Jahre nach der erfolglosen Musone-Oper auf demselben Theater in Neapel eine zweite Wallenstein-Oper gegeben wurde, nach einem neuen Libretto des Venezianers Angelo Bruner (?–1876) und in einer Vertonung von Luigi Denza (1846–1922). Auch von dieser Oper ist nur das Libretto Bruners erhalten, der mit Schillers Werk weitaus freier verfährt und es zur reinen Liebestragödie von Tecla und Emilio (Max) umbaut. Auch sprachlich löst sich Bruner sehr von Schiller / Maffei und verwendet eher die typischen sprachlichen Versatzstücke der italienischen Librettistik. Das Werk beginnt gleich mit Tecla, die auf ihren Geliebten Emilio wartet (I 1–4), und Wallensteins Gedanken über die beschlossene und unmittelbar bevorstehende Hochzeit des Liebespaares (I 5 / 6). Am Ende des I. Aktes erfährt jedoch Wallenstein durch einen Boten vom Verrat Ottavios – das Stück wird hier also zu einer Verratsgeschichte Ottavios umkonstruiert. Dieser Verrat verhindert die Heirat der Kinder, die durch den politischen Dissens der nun verfeindeten Väter von beiden Seiten blockiert wird; das Stück nähert sich hier dem Romeo und Julia-Modell. Im II. Akt versucht das Paar dennoch, heimlich in einer „chiesa gotica“ (II 5) zu heiraten, was aber durch das Auftauchen der beiden patriarchalisch-harten Väter samt Gefolge gestört wird. Der III. Akt zeigt die Verschwörer Ottavio, Questenberg und Buttler in einem Klostergarten, wo sie ihr Vorgehen besprechen, sowie ein Rendezvous von Tecla und Emilio, das durch Wallenstein gestört wird (III 4–7). Im IV. Akt tötet Buttler rasch Wallenstein eigenhändig („Va, traditor, t’appresta al sonno eterno!!“32), bevor das tragische Ende ganz dem Liebespaar gehört: Tecla verlässt im Mondschein heimlich das Kastell, bräutlich weiß gekleidet und mit offenem Haar, wie der Nebentext betont33 – also im operntypischen Muster einer „Wahnsinns-Szene“.34 Ihr begegnet der tödlich verletzte Emilio mit blutverschmiertem Degen, der dann zu ihren Füßen stirbt, nicht ohne die Unsterblichkeit ihrer Liebe beschworen zu haben. Tecla wirft sich über die Leiche, der Vorhang fällt. Bei Bruner ist die politische und historische Dimension des Schillerdramas auf ein kaum mehr kenntliches Minimum reduziert; zwar sind als Spielort und -zeit „Pilsen e dintorni (Boemia) 1631“ angegeben, doch sind auch die szenischen Spielorte gegenüber Schiller ins Typisierte verändert (Kastell, 32  Bruner,

S. 32. di luna. Dopo breve silenzio scende del castello Tecla, agitata, in veste bianca e le chiome sparse.“ (Bruner, S. 33). 34  Zur Wahnsinns-Szene in der Oper vgl. Döhring und Huser. 33  „Chiaro

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Kirche, Kloster). Das Schiller-Drama dient nur noch als grober stofflicher Rahmen für eine typische Liebeshandlung. Insofern gewinnt hier auch die Figur Wallensteins keine richtige Kontur – er ist lediglich ein patriarchalischer Vater, eigentlich vom selben Schlage wie Ottavio. Es ist bemerkenswert, dass der junge Komponist Luigi Denza bei dem Werk, seiner ersten Oper, nicht auf das Golisciani-Libretto zurückgriff. Immerhin war die Oper ja für dasselbe Theater gedacht, und das Libretto war, da (in zwei Auflagen) gedruckt, greifbar. Stattdessen bat er den schon älteren Professore Bruner um ein neues Libretto. Bruners Libretto wirkt wie eine Korrektur des Golisciani-Librettos. Offenbar wurde dessen relativ enge Anlehnung an Schiller nicht als ausreichend opernhaft angesehen. Bruner benutzt Schillers Drama wie einen Baukasten, aus dem ein typisches italienisches Melodramma der Zeit gebastelt werden kann; die Akzente werden bewusst anders gesetzt als im älteren Libretto Goliscianis. Dabei handelt es sich freilich um ein häufiges Vorgehen in der italienischen Librettistik – bei Libretti, denen derselbe Stoff oder Prätext zugrundelag, war der Librettist nicht nur frei darin, andere Elemente hervorzuheben als die Vorgängerlibretti, sondern dies wurde sogar von ihm erwartet. Trotzdem war auch der Erfolg der neuen Oper nicht groß („mediocre“, urteilte ein Mailänder Magazin);35 sie erschien nie wieder auf der Bühne, obwohl sich Denza später zu einem durchaus bekannten und geachteten Komponisten entwickelte. Freilich schrieb Denza nie wieder eine Oper, dafür aber insbesondere Lieder. Eines davon wurde weltberühmt: „Funicolì, funicolà“, geschrieben 1880 zur Eröffnung der Standseilbahn auf den Vesuv. (Die Standseilbahn ist seit 1944 außer Betrieb, das Lied lebt immer noch, sogar in der deutschen Populärkultur.) Denza imitierte hier den neapolitanischen Volkston dermaßen perfekt, dass das Lied schon sehr bald als typisches Volkslied galt. Richard Strauss zitierte es bereits 1886 in seiner Sinfonischen Dichtung Aus Italien op. 16 als altes neapolitanisches Volkslied, wurde dann aber von Denza verklagt und musste ihm Tantiemen zahlen.36 Eine dritte Wallenstein-Oper ging ein Jahr später, im Dezember 1877 in Bologna (Teatro Comunale) über die Bühne: ein Werk des Komponisten Gustave-Raphael Ruiz (1840–?) nach einem Libretto von Enrico Panzacchi (1840–1904) und Achille de Lauzières (1818–1894). Auch hier ist nur der Libretto-Druck erhalten. Interessant ist hier der Bezug zu Frankreich: Ruiz 35  Gazzetta musicale di Milano 31 (1876), S. 222. Ebd. S. 231 findet sich eine kurze, wohlwollende Chrakterisierung des jungen Komponisten: „tratta la scena abbastanza bene, cura molto la fattura de’suoi pezzi; in questa opera lo strumentale è ben disposto, vario e fiorito, corretta la disposizione delle parti; insomma come primo saggio di un giovane, questo Vallenstein è lavoro commendevole […]“. 36  Hansen, S. 35 f.; auch Rimskij-Korsakov, Casella und Schönberg benutzten oder bearbeiteten die Melodie.



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stammte aus Nevers und hatte am Pariser Conservatoire studiert, konnte sich aber in Frankreich nicht etablieren und ging deshalb nach Norditalien (seine Oper Orio Soranzo wurde 1870 am Teatro La Fenice in Venedig uraufgeführt). Der in Neapel geborene Franzose Achille de Lauzières zählte zu den bedeutenden französischen Librettisten und Übersetzern des 19. Jahrhunderts und war u. a. an den Libretti zu Gounods Faust, Verdis Don Carlo und Meyerbeers Dinorah beteiligt. Der Anteil der beiden Autoren am Libretto ist unklar; vermutlich stammte von de Lauzières ein Szenar oder Entwurf, während Panzacchi dann vor Ort in Bologna die eigentliche Ausarbeitung des Librettos besorgte. Das Bologneser Wallenstein-Libretto wirkt unabhängig von den beiden neapolitanischen: So bilden Szenen aus Wallensteins Lager den Anfang (u. a. die Kapuzinerpredigt), die beiden „Terskys“ und die vier Hauptgeneräle bleiben erhalten, Teclas Lied wird neu textiert. Es orientiert sich enger an Schiller als das Libretto Bruners, unterscheidet sich aber in den Haupttendenzen letztlich wenig von den bereits beschriebenen Libretti. Auch hier spielt die Liebesgeschichte die zentrale Rolle, und das Stück endet mit Teclas Selbstmord an der Bahre von Massimiano im Kloster Neustadt zu den düsteren Klängen eines „Requiem“-Chors und einer „marcia funebre“. Bezeichnend ist, dass der originale Titel nach Schiller erhalten blieb und nicht italienisiert wurde, obwohl die Hauptfigur doch im Stück stets „Vallenstano“ heißt. Der Schiller-Bezug und der Kontext des italienischen „Schillerismo“ war den Verfassern der Oper also offenbar wichtig und wurde also alleine schon durch den deutschen Titel „Wallenstein“ (statt „Vallenstano“) nach außen abgesichert. In allen drei Fällen handelt es sich um junge Komponisten, die vergleichsweise wenig Erfahrung mit der Oper mitbrachten und wohl auf die Beliebtheit Schillers in Italien vertrauten. Auch Golisciani, der Librettist der ersten Wallenstein-Oper, war noch sehr jung und am Anfang seiner Karriere; ähnliches gilt für Panzacchi. Er stand noch am Beginn seiner Karriere und wurde später ein angesehener Lyriker; das Libretto scheint sein einziger Beitrag zur Gattung geblieben zu sein. Einen späten Nachzügler in der italienischen Oper bildet die dreiaktige Wallenstein-Oper von Mario Zafred (1922–1985) nach Schiller in einer Textfassung des Komponisten und seiner Frau Lilyan. Sie kam am 18. März 1965 in Rom am Teatro dell’Opera heraus37 und blieb insgesamt ohne größere Resonanz.38 37  Ein gedruckter Klavierauszug erschien 1964 im Verlag Ricordi in Mailand; Ricordi publizierte auch einen Librettodruck (1965, erneut 1970). 38  Schaefer, S. 37, erwähnt noch eine weitere Wallenstein-Oper von Filippo Buccico dei Marchesi della Conca von 1881; die Angabe hat sich bis jetzt aber nicht

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b) Jaromír Weinbergers tschechischer Valdštejn Von gänzlich anderer Art und in einem ganz anderen Kontext entstanden ist die vielleicht gewichtigste Opernfassung von Schillers Wallenstein: die Oper Valdštejn von Jaromír Weinberger (1896–1967).39 Weinberger, Sohn einer tschechisch-jüdischen Familie aus Prag, hatte am Prager Konservatorium (beim Dvořák-Schüler Vítězslav Novák) und anschließend in Leipzig bei Max Reger studiert und lebte in der Folge abwechselnd in Prag und in der Nähe von Wien. Obwohl er 1927 mit seiner Oper Švanda dudák einen Welterfolg erzielte40 und auch zu den ersten tschechischen Filmmusik-Komponisten zählte (Na růžích ustláno, 1934), konnte er sich im tschechischen Musikbetrieb nie richtig etablieren. Weinberger selbst führte dies auf einen latenten tschechischen Antisemitismus zurück.41 Es ist in der Tat auffällig, dass gerade Švanda dudák trotz des geradezu extrem national-tschechischen Sujets42 außerhalb Tschechiens viel beliebter wurde als dort. 1933 wurde das Werk letztmals in Prag gespielt, und auch nach 1945 ist diese Oper nicht mehr in Tschechien aufgeführt worden, obwohl sie sich als „Volksoper“ durchaus auch in die nationalkommunistische Kulturdoktrin hätte integrieren lassen. 1938, nach dem „Anschluß“ Österreichs, emigrierte Weinberger zunächst nach Paris, später in die USA, wo er 1967 seinem Leben, offenbar aufgrund von Depressionen, selbst ein Ende setzte. Valdštejn ist Weinbergers letzte Oper; wie bei Švanda dudák stammt auch hier das Libretto von Dr. Miloš Kareš (1891–1944).43 Kareš komprimiert Schillers Texte sehr gekonnt und behält einen Großteil der Hauptfiguren bei. Das Libretto mit seinen 6 Bildern folgt zunächst im 1. Bild Wallensteins Lager (in geraffter Form, aber einschließlich der Kapuzinerpredigt). Das bietet dem Komponisten die Gelegenheit zu großen Chorszenen und folkloristischen Elementen. Ab dem 2. Bild aber ändert Kareš geschickt Schillers Szenenfolge: Er zieht Szenen aus den ersten beiden Akten von Wallensteins Tod vor (I 1–5 und 7, II 1 und 3), nämlich den Bericht von der Gefangenverifizieren lassen; ebensowenig wie eine ebd. angegebene Wallenstein-Oper von August Ritter von Adelburg (1830–1873). Von diesem stammte stattdessen eine Ouvertüre zu Schillers Wallenstein; eventuell liegt hier eine Verwechslung Schaefers vor. 39  Zu Weinberger vgl. Fetthauer und Beckermann. 40  Bereits 1931 hatte das Werk weltweit über 2.000 Aufführungen erlebt; es wurde insgesamt in 17 Sprachen übersetzt. In der Saison 1929 / 1930 war es die meistgespielte Oper auf deutschen Bühnen. 41  Vgl. Poláček / Fischmann, S. 186. 42  Zur Figur des Dudelsackpfeifers als nationaltschechischem Symbol vgl. Tyrell, bes. S. 209–253. 43  Zu Kareš vgl. die Angaben bei www.rozhlas.cz / srt / 99osobnosti / _zprava / 530688 (letzter Abruf am 7.7.2017).



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nahme des Boten Wallensteins an die Schweden. Dieses Vorgehen entspricht der präsentischen Zeitverwendung in der Oper, denn damit ist der zeitlichen Rahmen nun wesentlich enger begrenzt als bei Schiller, und das erklärt das hohe und geraffte Tempo, in dem die Intrigen nun entwickelt werden. Wallenstein muss nun von Anfang der Oper an handeln, er kann nicht (wie bei Schiller) zögern und abwarten. Erst nachdem somit das dramatische Uhrwerk in Gang gesetzt wurde, entwickelt Kareš im 3. Bild dann die Nebenhandlung um Max und Thekla aus dem II. Akt der Piccolomini. Darauf wird im 4. Bild der Anfang der Piccolomini nachgeholt (der Auftritt des kaiserlichen Emissärs Questenberg), verbunden mit Szenen aus dem II. Akt von Wallensteins Tod (II 6 und 7: die großen Dialoge Octavios mit Buttler und mit Max). Ein neuer Männerchor, der noch einmal die Atmosphäre des 1. Bildes aufruft, beschließt das 4. Bild. Die letzten beiden Bilder folgen nun den Schlussakten von Wallensteins Tod. Das 5. Bild übernimmt gekürzt den III. Akt, insbesondere den Auftritt der Pappenheimer und den Abschied des Max von Thekla. Das 6. Bild folgt dann dem IV. und V. Akt Schillers: die Gordon-Szenen, der Bericht des schwedischen Offiziers von Max’ Tod, die Ermordung Wallensteins und der Schlussauftritt Octavios, der aber in der Oper erst hier vom Tode seines Sohnes erfährt. Am Ende steht ein militärisches Ritual-Tableau: „(Octavio völlig gebrochen, Buttler wie aus Stein gemeißelt. Soldaten bringen den verhüllten Leichnam Wallensteins. Die Fahnenträger senken vor dem toten Feldherrn die Fahnen.)“.44 Die Wahl des Wallenstein-Stoffes für eine tschechische Oper im Jahr 1937 mutet merkwürdig an. Sie hebt sich auch deutlich von Weinbergers sonstigen Opern-Sujets ab. Vielleicht sollte der Stoff eine Art Kompromissangebot angesichts der zunehmend chauvinistischen Spannungen in der Endphase der tschechischen Republik zwischen tschechischen und deutschen Nationalisten (und im Kontext der nationalsozialistischen Agitation eines Konrad Henlein) darstellen – einerseits ein Stoff mit „böhmischer“ Hauptfigur und Spielort sowie in tschechischer Sprache, zugleich aber durch Schiller auch unverkennbar „deutsch“ konnotiert, so dass die Oper möglicherweise für Tschechen wie für Deutsche hätte akzeptabel sein können. Dem widerspricht allerdings, dass der historische Wallenstein offenbar in der tschechischen Geschichtsschreibung und Literatur nicht als Person angesehen wurde, die positiv in eine nationale Lesart der eigenen Geschichte integriert hätte werden können.45 In der nationaltschechischen Geschichtsschreibung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die das angebliche ‚Wesen der Tschechen‘ aus der reformatorisch-hussitischen Tradition und der abgrenzenden Auseinandersetzung mit den Deutschen herzuleiten versuchte, konnte Wallenstein als „ka44  Kareš / Brod, 45  Davies

S. 48. (2010), S. 153–158; Kasten, bes. S. 191–195.

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tholischer Konvertit, als ‚Tscheche‘ in deutschen Diensten sowie als Profiteur der Niederschlagung des Ständeaufstandes“46 nicht positiv begriffen werden. Eher entwarf man bei ihm das „Bild des egoistischen und machtversessenen ‚Verräters am eigenen Volk‘ “.47 Auch die Schiller-Rezeption in der tschechischen Kultur verlief ambivalent: Schiller wurde entweder „als Exponent eines universalen Humanismusgedankens und somit auch als Widerpart zum deutschen Nationalismus in Anspruch genommen oder aber als Inbegriff einer deutschen Nationalkultur und den daraus abgeleiteten hegemonialen ­ Ansprüchen abgelehnt.“48 Wenn Weinberger mit seiner Oper auf die tschechische Opernszene gezielt haben sollte, so ging dieser Plan nicht auf. Die Uraufführung dieser tschechischen Oper fand nicht in der tschechischen Republik statt. Über die Gründe kann man nur mutmaßen. In Prag spielte die deutsche Oper keine tschechischsprachigen Werke. Auf den tschechischen Opernbühnen in und außerhalb Prags wiederum war vermutlich die „deutsch“ konnotierte Textvorlage Schillers 1937 politisch nicht erwünscht. Vielleicht hängt es aber auch mit der Außenseiterstellung des Komponisten im tschechischen Musikbetrieb, vielleicht auch mit seinem Judentum zusammen – nur eine einzige seiner sieben Opern nach Švanda dudák wurde in Tschechien uraufgeführt. Die Uraufführung des Valdštejn fand stattdessen jenseits der Grenzen an prominenter Stelle statt: an der Wiener Staatsoper am 18.11.1937. Der „Anschluß“ Österreichs ans Deutsche Reich49 im März 1938 beendete jedoch sofort die kurze Bühnengeschichte des Werks (insgesamt vier Aufführungen an der Wiener Staatsoper). Es wäre durchaus an der Zeit, diese gut gemachte Oper wiederzuentdecken. Die Aufführung in Wien fand selbstverständlich nicht im tschechischen Original, sondern in deutscher Sprache statt. Die Übersetzung besorgte kein Geringerer als Max Brod, der zuvor schon Švanda dudák (wie auch die meisten Opern Leoš Janáčeks) ins Deutsche übersetzt hatte und der auch beide Komponisten zeitlebens zu fördern versuchte. Die Wiener Universal-Edition nahm das Werk in ihr Verlagsprogramm auf und publizierte 1937 einen zweisprachigen Klavierauszug sowie ein deutsches Libretto. Max Brod versuchte in seiner Übersetzung, möglichst eng dem Originaltext Schillers zu folgen. (Auch dies kann man als eine Folge des Klassikerkults im deutschsprachigen Bereich ansehen, der die Texte Schillers so sa­ krosankt machte, dass sie auch bei einem Medienwechsel möglichst unverän46  Kasten,

S. 191. S. 192. 48  Ebd. S. 192 Anm. 238; vgl. allg. Drews, S. 118–130. 49  Im Deutschen Reich waren Aufführungen der Werke Weinbergers seit dem 1.9.1935 durch die sogenannte „Goebbels-Liste“ verboten; vgl. Geiger, F. 47  Ebd.



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dert bewahrt werden sollten.) Brods Angleichung des Librettos an Schillers Originaltext führte freilich ständig dazu, dass seine deutsche Übersetzung nicht mehr zur Musik passt, die auf die tschechische Sprache angelegt ist. Brod aber versuchte gar nicht erst, seine Übersetzung an die originale Vertonung anzupassen, sondern erzwang umgekehrt eine Abänderung und Assimilation der Musik an den deutschen Text. Der gedruckte Klavierauszug enthält daher bei den Vokalpartien stets neben den originalen tschechischen Gesangslinien im Kleinstich die abweichende „deutsche“ Melodieführung. Bemerkenswert erscheint mir dabei, dass die Melodielinien selbst dort geändert wurden, wo die Silbenzahl zwischen dem tschechischen und dem deutschen Text übereinstimmt und eigentlich gar keine Änderung nötig gewesen wäre. Die melodischen Modifikationen verdanken sich in solchen Fällen der Rücksicht auf die unterschiedlichen Betonungsstrukturen der beiden Sprachen. Damit ist bereits ein Kernpunkt der Vertonung benannt. Weinbergers Musik ist bei all ihrem polystilistischem Eklektizismus und ihrem unbekümmerten Zugriff auf musikalische Elemente verschiedener Traditionen stark dem spezifischen, osteuropäischen Opernmodell vom Muster Boris Godunov und der späten Janáček-Opern verpflichtet. Die Melodik ist über weite Strecken von der Sprachintonation abgeleitet, Weinberger benutzt fast keine musikalischen Formmodelle (etwa aus der Tradition der Arie) – der Gesang wirkt über weite Strecken fast wie ein durchkomponiertes Dauerrezitativ oder ein rhythmisierter Sprechtext, was vielleicht auch die einzige Möglichkeit war, den insgesamt sehr umfangreichen Text in Musik zu setzen. An einigen wenigen Stellen integriert Weinberger auch gesprochenen, lediglich rhythmisch festgelegten Text (z. B. 1. Bild nach Ziffer 35; 4. Bild Ziffer 8). Die Tempi wechseln oft auf engstem Raum, auch die Taktarten ändern sich häufig. Das Vorgehen Weinbergers erinnert damit entfernt an Janáčeks Vorgehen bei Z mrtvého domu nach Dostoevskij (UA Brno 1930), wo sich ähnliche Probleme des Textumfangs stellte. Lediglich Wallenstein erhält als Hauptfigur zwei längere Solo-Gesänge für seinen berühmten Monolog50 und für seine Traumerzählung51 – beide Passagen folgen aber keiner traditionellen Arienform, denn die Fülle des Textes verbietet auch hier alle Textwiederholungen. Thekla behält ein Lied (3. Bild), das ebenfalls nicht als konventionelles Strophenlied komponiert ist, sondern sich nur noch an liedhafte Muster anlehnt. Dieses Lied mit seinem auffälligen Tamburin-Rhythmus wiederholt Weinberger dann als Zitat im 6. Bild, wenn Thekla vom Tod des Max erfährt.52

51  2.

Bild, Largo nach Ziffer 15 bis 3. Takt nach Ziffer 22 (Weinberger, S. 87–94). Bild, 2 Takte vor Ziffer 44 bis 6. Takt nach Ziffer 50 (Weinberger, S. 113–

52  6.

Bild, 6 Takte nach Ziffer 16 bis 4. Takt nach Ziffer 25 (Weinberger, S. 224–

50  2.

117).

231).

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Ansonsten schlägt die Musik von Anfang an einen militärisch geprägten, wuchtigen Tonfall an. Weinberger verwendet ein großbesetztes, romantisches Orchester (u. a. mit dreifach besetzten Holzbläsern, vollem Blechbläsersatz ohne Tuba, Harfe, großer Schlagwerksektion, Windmaschine) und zahlreiche Bühnenmusiken; Marschrhythmen, Trompetensignale auf und hinter der Bühne prägen das Klangbild des gesamten Werks. Anstelle einer Ouvertüre beginnt die Lager-Szene des Anfangs direkt mit einem Marsch und Soldatenchor. Als typisch nationaltschechisch geltende Musikformen wie etwa Polkas, Furiants o. ä. fehlen dagegen. Gelegentlich tauchen einige wenige Anspielungen auf traditionelle Formmuster der Instrumentalmusik auf: so im 3. Bild zwei Sarabanden53 und eine kurze Fuge.54 Diese Formen (ebenso wie die Tafelmusiken im 3. und 6. Bild) sind jedoch nicht historistisch eingesetzt, d. h. Weinberger schrieb hier keine Stilkopien alter Musik aus der Spielzeit des Stücks. Allenfalls in der Introduktion zum 3. Bild gibt es, szenisch bedingt, die Imitation eines Lauten-Vorspiels (als Einleitung zu Theklas Lied). Als eine Art wiederkehrendes Motiv verwendet Weinberger den Pappenheimer Marsch, der das ouvertürenlose Stück eröffnet, dann im 1. Bild im Soldatenlager in Chor und Orchester ertönt;55 in den Pappenheimer-Szenen des 5. Bildes erklingt zunächst ein anderer, langsamerer Marsch, bevor dann von außen der Marsch aus dem 1. Bild wiederkehrt56 und den Rest des Bildes dominiert. Es handelt sich dabei nicht wörtlich um den historischen deutschen Militärmarsch des Pappenheimer Regiments,57 ist aber unverkennbar derartigen Mustern nachgebildet. Am Ende des Werks steht dann ein schwerer Trauermarsch in b-Moll, der etwas überraschend mit dem Fall des Vorhangs dann in D-Dur schließt. (Aus diesen relativ geschlossenen Formen entwickelte dann Weinberger dann eine Orchestersuite aus der Oper.58) Abschließend sei noch ein merkwürdiges Kuriosum erwähnt. Die Druckausgaben des Klavierauszugs und des Librettos sind „Seiner Exzellenz, Herrn Bundeskanzler Dr. Kurt von Schuschnigg“ gewidmet. Dass hier ein jüdischer Komponist sein Werk ausgerechnet dem durchaus antisemitisch angehauchten Führer des austrofaschistischen Ständestaates widmete, mutet eigenartig an. Denkbar wäre, dass der Impuls zu dieser Widmung möglicherweise gar nicht direkt vom Komponisten, sondern vom Verlag kam; denn die Univer53  3. Bild, Andante nach Ziffer 11 bis 3. Takt nach Ziffer 14; Grave e maestoso nach Ziffer 22 bis Ziffer 32 (Weinberger, S. 129 und S. 136–141). 54  3. Bild, 6 Takte nach Ziffer 14 bis 1 Takt vor Ziffer 20 (Weinberger, S. 131). 55  1. Bild, Marziale nach Ziffer 58 (Weinberger, S.  44 ff.). 56  5. Bild, 3 Takte vor Ziffer 32 (Weinberger, S.  203 ff.). 57  Diesen historischen Marsch sah Schiller selbst in den Fassungen von 1799 vor; vgl. Schiller, NA VIII.1, S. 293. 58  Sie erschien erst nach Weinbergers Emigration im New Yorker Verlag G. Schirmer.



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sal-Edition galt als „jüdischer“ Verlag und hatte überwiegend Musik im Programm, die in Deutschland bereits als „entartet“ galt; 1938 wurde der Verlag auch sofort „arisiert“. Vielleicht war die Widmung an Schuschnigg ein hilfloser Versuch der Anbiederung an denjenigen Politiker, der noch am ehesten eine Eigenständigkeit Österreichs zu gewährleisten schien. Aus dieser Perspektive könnte dann auch die Wahl des Wallenstein-Stoffs in einem anderen Licht erscheinen: Da Weinberger seine größten Opernerfolge bislang im deutschsprachigen Raum erzielt hatte, war vielleicht auch die Wahl des Schiller-Dramas eher mit Blick auf den deutschsprachigen Opernbetrieb als auf den viel kleineren tschechischen erfolgt. c) Wallensteins Lager bei Meyerbeer und Verdi Wenigstens kurz erwähnt sei, dass Wallensteins Lager noch zwei Wirkungen in ganz anderem Zusammenhang bei großen Komponisten des 19. Jahrhunderts entfaltete. Giacomo Meyerbeer und Eugène Scribe orientierten sich bei der preußischen Auftragsoper Ein Feldlager in Schlesien (1844) bei der Darstellung des friderizianischen Heerlagers im II. Akt an Schillers Text. Und Giuseppe Verdi ließ bekanntlich in den III. Akt von La forza del destino (1861) die Kapuzinerpredigt aus Schillers Drama einfügen. 3. Sinfonische Dichtung Schillers Wallenstein wirkte jedoch nicht nur auf die Oper, sondern auch auf die Instrumentalmusik des 19. Jahrhunderts und wurde zum Thema von drei großen Orchesterwerken, die alle von jungen Komponisten stammen. Wie im Opernbereich existiert auch hier wieder eine auffällige Lücke im deutschen Bereich, obwohl die drei Werke alle das Vorbild von Franz Liszt durchschimmern lassen. a) Bedřich Smetanas Valdštýnův tábor op. 14 Smetana schrieb in seiner Zeit in Göteborg (1856–1862) drei Sinfonische Dichtungen,59 nachdem er im Herbst 1857 längere Zeit bei Liszt in Weimar verbracht hatte: Richard III. op. 11, Valdštýnův tábor (Wallensteins Lager) op. 14 und Hakon Jarl op. 16. Außerdem entwarf er weitere Werke zu Macbeth und Schillers Maria Stuart, von denen nur Skizzen erhalten sind. Nur in der Tondichtung Wallensteins Lager (1859, UA 1862 Prag) fällt musikalisch 59  Smetana schwankte in der Gattungszuweisung und bezeichnete die Werke zunächst als „Fantasien“, erst später dann als „Symphonische Dichtungen“.

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eine nationale Tönung auf, denn Smetana setzt – neben den zu erwartenden Märschen – auch eine auffällige Polka ein, einen Tanz, der im 19. Jahrhundert als typisch tschechisch empfunden wurde. Sicherlich mag dafür (und für die Wahl des Sujets überhaupt) der Spielort Pilsen eine Rolle gespielt haben, wo Smetana selbst 1840–1843 zur Schule gegangen war. Obwohl Smetana später die Galionsfigur einer nationaltschechischen Musik wurde, lässt sich die Wahl des Wallenstein-Stoffes hier dennoch nicht primär als nationaltschechisch orientiert verstehen. Die Sujetwahl der Göteborger Werke scheint sich eher dem weltliterarischen Konzept Liszts60 zu verdanken als konkret tschechischen Orientierungen; daher steht Wallenstein bei Smetana neben Maria Stuart, Shakespeares Bösewichten und dem norwegischen Wikinger-Heroen Hakon Jarl (nach einer Vorlage des dänischen Dichters Adam Oehlen­ schläger).61 Auch der Einsatz der Polka dürfte eher als Versuch musikalischen Lokalkolorits (im Sinne einer „couleur locale“) zu verstehen sein denn als nationaltschechische Stellungnahme. Smetana stellte sich bei Wallensteins Lager anfänglich auch die Möglichkeit vor, das Werk als Ouvertüre zu Aufführungen des Schiller-Stücks zu verwenden.62 Formal überlagern sich in Smetana Wallenstein-Tondichtung zwei Formmuster: einerseits ist sie als großdimensionierter Sonatensatz angelegt, kann aber gleichzeitig als eine durchkomponierte, formal komprimierte viersätzige Symphonie verstanden werden. Das Hauptthema des Sonatensatzes bildet in dieser Perspektive den Kopfsatz-Abschnitt (T. 1–186), das Seitenthema mit der Imitation eines Dudelsacks samt der Durchführung im Zeichen der Polka ersetzt den traditionellen Scherzo-Satz (T. 187–434), der Andante-Abschnitt der Durchführung (T. 435–474) den langsamen Satz, Reprise (mit neuen Marsch-Themen) und Coda bilden den Finalabschnitt (T. 475 bis Ende).63 Zugleich lassen sich einige Abschnitte auch als musikalische Abbildung konkreter Szenen aus Schillers Stück verstehen – etwa der Kapuzinerpredigt, die durch Posaunen dargestellt wird und das Tanzgeschehen stört, aber nicht zum Verstummen bringen kann und in Spott und Tumult endet (ab T. 271). Andere Passagen lassen sich als musikalische Bilder des nächtlichen Lagers (Andante-Abschnitt ab T. 435) oder des Aufbruchs aus dem Lager (ab den Trompeten-Signalen T. 501) hören. Freilich sind das nur einzelne Details aus Schillers Stück: Die mimetische Kraft dieser Sinfonischen Dichtung ist nur 60  Järmann;

Oefner. könnte man Smetanas Wahl der Sinfonischen Dichtung und seinen Verzicht auf die Gattung Symphonie auch als bewusste Abkehr von dieser deutschösterreichisch konnotierten Gattung ansehen. 62  Oefner, S. 269. 63  Anders Järmann, der den Aufbau so beschreibt: Kopfsatz Hauptthema (T. 1–186), das ruhigere Seitenthema als langsamer Satz (T. 187–353), die Durchführung im Zeichen der Polka als Scherzo (354–493), Reprise und Coda als Finale. 61  Allerdings



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gering und allgemein. Der Triumphmarsch am Ende schließlich entspricht nicht so sehr Schillers Stück als dem Formmodell einer Tondichtung mit apotheotischem Schluss. Smetana schreibt ein großes Orchester mit vollem Blechbläsersatz (4 Trompeten!) und großer Schlagwerksektion vor; militärische Klangbilder herrschen vor – das Werk bildet damit sicherlich auch einen Hintergrund und Bezugspunkt für Weinbergers fast 80 Jahre später entstandene Oper. Da sich Smetanas Stück aber ausschließlich auf Schillers Wallensteins Lager bezieht, kommt die Figur Wallenstein als solche gar nicht vor. Damit gehört das Werk letztlich gar nicht zum Wallenstein-Diskurs im engeren Sinne, sondern ruft nur durch seinen Titel den Namen auf. b) Josef Gabriel Rheinbergers Wallenstein op. 10 Formal einen Schritt weiter als Smetana ging der junge, erst 27jährige Liechtensteiner Josef Rheinberger (1839–1901), als er 1866 eine Symphonie schrieb, die sich auf Schillers gesamte Wallenstein-Trilogie bezieht. Das „sinfonische Tongemälde“ Wallenstein op. 10 in vier Sätzen („Vorspiel“, „Thekla“, „Wallensteins Lager“, „Wallensteins Tod“), dem Großherzog von Liechtenstein gewidmet, machte Rheinberger erstmals überregional bekannt und gehörte in den 1870er und 1880er Jahren zu den erfolgreichsten und meistgespielten neuen Symphonien überhaupt. Das Stück stellt den ambitionierten Versuch dar, die Form der viersätzigen Symphonie mit programmusikalischen Inhalten aus der Tradition der Sinfonischen Dichtung zu verbinden. Doch die beiden Konzeptionen stören sich hier gegenseitig, und das führt im Ergebnis zu einem Zwitterwerk, das in doppelter Hinsicht problematisch wirkt – es lässt sich oft weder konkret als Vertonung von Schillers Dramen noch bruchlos als absolute Musik der Symphonie-Tradition hören.64 Beides geht vor allem beim Kopfsatz nicht auf. Rheinberger schrieb hier einen Sonatensatz, der aber Motive enthält, deren strukturelle Funktion unklar ist – musikalische Themen und Motive, die nichts mit dem Formmodell eines Sonatensatzes zu tun haben. Die Bedeutung dieser formfremden Einsprengsel wird erst in den folgenden Sätzen klar, wo sie semantisch gebunden werden (etwa als Themen von Theklas Lied oder Wallensteins Tod). Der langsame 2. Satz, „Thekla“, zeichnet mit den traditionellen Mustern des 19. Jahrhunderts das Bild eines jungen Mädchens und zitiert im Mittelteil eine Vertonung von Theklas Lied, die Rheinberger zuvor als Klavierlied geschrieben hatte (allerdings dann erst 1873, also deutlich nach der Symphonie, veröffentlichte). Das Lied-Thema taucht 64  Dazu

Schick.

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schon im 1. Satz auf (formal überraschend neu in der Durchführung und in der Coda), ist dort aber vom Hörer nicht als Lied eines Mädchens dechiffrierbar.65 Der 3. Satz, der den traditionellen Tanzsatz vertritt, schildert allgemein das Soldatenleben aus Wallensteins Lager, zitiert das alte antihabsburgische Soldatenlied „Wilhelmus von Nassau“ und stellt im Trio-Mittelteil die Predigt des eifernden Kapuzinermönchs dar. Der Finalsatz führt in heterogenen Abschnitten einzelne Szenen vor: „Verschwörung – Seni – Trauermarsch“;66 den Trauermarsch strich Rheinberger jedoch später ebenso wie einen Tam-Tam-Schlag, der ursprünglich Wallensteins Ende unüberhörbar markierte.67 In der Endfassung besteht der Satz wegen dieser Kürzungen aus einer „kaum vermittelten Folge von thematisch jeweils eigenständigen Abschnitten“.68 Sie lassen sich weder auf Schillers Text noch auf traditionelle Formschemata eines Symphonie-Finales (etwa ein Rondo oder Sonatenrondo) beziehen. Offenbar wollte Rheinberger, der ästhetisch eigentlich ein Gegner der Liszt-Wagner-Partie war, allzu plakativ programmatische Stellen der Musik reduzieren. Der Wegfall des Trauermarschs bedeutet aber auch hinsichtlich der Figur Wallenstein eine Rücknahme, zumindest eine Reduzierung ihrer emotionalen Überhöhung, auf die der letzte Satz doch eigentlich hinausläuft. Auch in diesem Werk bleibt damit letztlich die Figur Wallenstein kaum greifbar. Die Frage, warum Rheinberger den Wallenstein-Stoff auswählte und sich zudem mit einem programmmusikalischen Werk auf ein Terrain begab, das eigentlich seinen ästhetischen Überzeugungen grundsätzlich widersprach (was sich auch an seinen späteren Änderungen zeigt), ist schwer zu klären. Hartmut Schick vermutet private Gründe dahinter und weist auch auf den Einfluss des Gemäldes Seni vor der Leiche Wallensteins (1855) von Karl Theodor von Piloty hin; es zählte zu den Lieblingsgemälden von Rheinbergers Braut Fanny von Hoffnaaß, die mit dem Maler und dessen Familie befreundet war.69

65  Ebd.,

S.  193 ff. S. 197 nach einem Bericht der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 1868. 67  Die gestrichenen Passagen sind abgedruckt bei Rheinberger, S. 271–279. 68  Schick, S. 200. 69  Ebd., S. 201–203. Interessant ist, dass Rheinberger in dem dort zitierten Brief das Gemälde Pilotys als den Ursprungsimpuls für die Stoffwahl benennt und behauptet, er habe erst nach der Erschütterung durch das Gemälde den Schillertext gelesen und dann daraus Musik gemacht. (Es wäre von daher sicher lohnend, die intermediale Rolle der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts als wichtiger Vermittlerin historischer Stoffe grundsätzlich zu untersuchen.) – Von Piloty ist auch eine Skizze zu Schillers Kapuzinerpredigt erhalten, die Rheinberger möglicherweise bekannt war (vgl. Rheinberger, S. XI). 66  Ebd.,



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c) Vincent d’Indys Wallenstein. Trilogie symphonique op. 12 Von ganz anderer Breite ist die Beschäftigung mit Schillers Wallenstein im Schaffen des französischen Komponisten Vincent d’Indy (1851–1931). D’Indy beschäftigte sich über 15 Jahre lang mit dem Stoff: 1873 publizierte er eine Ouverture des Piccolomini, 1879–1881 und 1884 / 188770 komponierte er seine Tondichtung Wallenstein. Trilogie symphonique op. 12, in die die Ouvertüre umgearbeitet einging. Zudem schrieb d’Indy 1880 ein Klavierlied (Plainte de Thécla d’après Schiller op. 10 über Theklas Lied in sehr freier Übersetzung).71 D’Indy nahm als bekennender Wagnerianer eine Außenseiterposition im französischen Musikbetrieb ein; die Wahl der Schiller-Dramen stellt daher wohl auch ein klares Bekenntnis zur deutschen Kultur und zur Ästhetik der deutschen Wagner-Liszt-Partei dar. 1873, im Jahr der Komposition der Ouvertüre, war d’Indy zwei Monate in Weimar bei Liszt zu Gast gewesen; 1876 besuchte er die 1. Bayreuther Festspiele mit der Uraufführung des Nibelungen-Rings; 1882 lernte er Wagner persönlich bei der Uraufführung des Parsifal kennen. Insgesamt unternahm d’Indy bis Anfang der 1890er Jahre zehn Reisen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz (und begann auch, deutsch zu lernen). Als Komponist verschrieb sich d’Indy zunächst der Sinfonischen Dichtung,72 obwohl sein Hauptinteresse eigentlich schon früh dem Musik­ theater galt. Da er jedoch für ein am Wagnerschen Musikdrama orientiertes Musiktheater keine Chance auf den Bühnen in Frankreich sah (zumal nach dem verlorenen Krieg 1871), sah er die programmusikalische Form der Sinfonischen Dichtung als Ersatz dafür an. In einem Brief an Adolphe Jullien vom 8. April 1878 bemerkte er: „Si je fais de la musique à programme, c’est uniquement parce que le drame musical tel que je le sens […] est banni de nos scènes franҫaises et […] lorsqu’on se sent un tempérament scénique et que l’on n’a aucun aboutissement pour s’essayer au théâtre, il faut bien écrire de la musique symphonico-dramatique, scilicet de la musique à programme.“73

Gelegentlich überlegte d’Indy auch, eine vollständige Bühnenmusik zu Schillers Trilogie zu schreiben, so dass die drei Ouvertüren dann jeweils als Einleitung zu den drei Dramen gespielt werden könnten. Davon kam er jedoch letztendlich wieder ab und konzipierte die drei Sätze dann als eigenes „drame symphonique“:74 Datierung ausführlich Schneider, S. 63–74. ebd., S. 62. 72  Ehrhardt. 73  Zit. n. Ehrhardt, S. 43; Hervorhebungen original. 74  Brief vom 4.6.1873, vgl. Schneider, S. 66; vgl. a. ebd., S. 74. 70  Zur

71  Dazu

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„les trois pièces d’orchestre intitulées Wallenstein sont trois Ouvertures Symphoniques, construites comme si elles étaient destinées en réalité à précéder chacun des trois drames de Schiller, dont l’ensemble constitue la Trilogie de Wallenstein; leurs éléments thématiques sont attribués, dans la pensée de l’auteur, à certaines scènes, à certains sentiments ou à certains personnages appartenant aux Drames, comme si ces Drames avaient été effectivement traités en musique: mais l’emploi de ces thèmes demeure conforme aux principes de la construction symphonique, dont les Ouvertures de Léonore ont donné les premiers modèles.“75

Der Verweis auf Beethovens Leonoren-Ouvertüre zeigt, worum es d’Indy ging: Die Ouvertüren sollen die Dramentrilogie in reine Instrumentalmusik umsetzen und dabei wie bei Beethoven den geistigen Gehalt des Werks in absolute Musik verdichten. Wie auch bei Rheinberger wäre über Beethoven hinaus an das Vorbild von Liszts Faust-Symphonie von 1854 (mit den Satz­ titeln „Faust“, „Gretchen“ und „Mephistopheles“) zu denken. Denn Liszts plakative Idee war es, den einzelnen Charakteren feste musikalische Themen zuzuordnen, die in allen drei Sätzen wiederkehren (nach dem Vorbild der Symphonie fantastique von Hector Berlioz). Ebenso verfährt d’Indy (wie u. a. auch sein Lehrer César Franck in dessen Sinfonischen Dichtungen). Die drei Sätze sind in den ersten Drucken betitelt: 1. Le Camp de Wallenstein; 2. Max et Thécla [Neufassung der Ouverture]; 3. La Mort de Wallenstein.76 Der ursprünglichen Ouverture, dem späteren 2. Satz, hatte d’Indy im Erstdruck von 1873 noch ein detaillierteres Programm beigegeben: „Exposition du caractère de Max Piccolomini. Il voit Técla [sic], fille de Wallenstein, qui ramène son cœur à des sentiments de bonheur pacifiques. Leur amour. Trahison de Wallenstein: retour désésperé de Max aux idées guerrières: sa mort: douleur de Técla.“77

In seinem späten Cours de composition musicale gab d’Indy selbst eine programmatische Analyse aller drei Sätze.78 So finden sich bestimmte Szenen der Dramen wieder: etwa im 1. Satz die Kapuzinerpredigt in Form eines grotesken Fugatos der 4 Fagotte (T. 207–248)79 – eine Idee, die schon Berlioz im „Ronde de Sabbat“ und Liszt im „Mephistopheles“-Satz seiner Faust-Symphonie verwendet hatten (und die später Richard Strauss in Till Eulenspiegel (1895) übernahm, um den akademischen Diskurs zu parodieren). Bereits im 1. Satz taucht nun auch schon das Thema Wallensteins auf (Largo e maestoso, T. 274–279), obwohl Wallenstein in Schillers Wallen75  Vincent d’Indy: Cours de composition musicale, Bd. II / 2 (1933), zit. n. Ehrhardt, S. 43 f. [Hervorhebungen in Kursiv JK]. 76  Vgl. Schneider, S.  80 f. 77  Zit. nach ebd., S. 80. 78  Zum Aufbau und zu d’Indys eigener Formanalyse vgl. ebd., S. 86–96. 79  Möglicherweise handelt es sich hier um eine Anspielung auf Meyerbeers Oper Le Prophète (1849).



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steins Lager gar nicht auftritt. Daneben verwendet d’Indy ein rhythmisch markantes Kriegs-Thema (T. 1–48) und als Seitenthema einen Walzer, der die Fröhlichkeit der Soldateska darstellen soll (T. 79–161). Im 2. Satz fügt d’Indy der früheren Ouverture noch ein Schicksalsthema („thème fatal“), abgeleitet aus dem Wallenstein-Thema, und ein Paukenthema hinzu: Wallenstein wird zum Schicksal für Max und Thécla. Der leise Schluss soll nun den letzten Seufzer des sterbenden Max darstellen (anders als in der Ouverture, wo er auf Thécla bezogen war, s. o.). Der 3. Satz beginnt mit „Sternen-Akkorden“ („accords sidéraux“) in den vielfach geteilten Streichern, unterstützt von einer exquisiten Klangmischung von tiefen Flöten und Posaunen, und spielt damit auf die einleitende Astro­ logie-Szene von Wallensteins Tod an. In der Folge erscheint das schwere, gewichtige Thema Wallensteins, das dann mit dem Thema des Kriegs kombiniert wird. Das Thécla-Thema erscheint wie ein Zitat (T. 147) in der Klarinette,80 später (T. 167 ff.) in den Harfen, verbunden mit dem Schicksalsmotiv und Fragmenten des Max-Themas. Der Schluss bietet eine Apotheose im Orchestertutti mit acht (!) Harfen: Das in Dur und „maestoso“ wiederkehrende Wallenstein-Thema wird verbunden mit dem Schicksalsmotiv und den Sternenharmonien; der Satz verliert sich dann im ppp der Streicher. D’Indy schreibt also ein imaginäres Musikdrama mit einer Art rudimentärer Leitmotivtechnik; bei allen inhaltlichen Bezüge sind alle drei Sätze zugleich jedoch in einer erweiterten Sonatensatzform gebaut. Bei d’Indy zeichnet sich nun eine unterschiedliche Bewertung der Figur Wallenstein ab. Schon in den Anfängen der Beschäftigung notiert er in seinem Tagebuch: „L’œuvre que je vais commencer n’est pas une petite affaire, je compte en faire trois morceaux, le premier qui est un peu esquissé en idée représentera la lutte des Wallenstein contre lui-même, le combat entre son bon et mauvais principe.“81

Dies ist in der Endfassung des 1. Satzes so nicht mehr in der Musik wiederzufinden, doch eine ambivalente Bewertung Wallensteins bleibt dennoch erkennbar. Im 2. Satz erscheint sein Thema immer wieder verzerrt und „falsch“ (Tritonus statt Quarte), störend oder ohne tonalen Abschluss – hier stehen Max und Thekla im Zentrum, Wallenstein erscheint wegen seines Verrats verantwortlich für den Tod des Max und als negative Figur, deshalb wird sein Thema verzerrt und beschädigt. (Dieses Verfahren der Verzerrung von Motiven dürfte d’Indy von Berlioz bezogen haben; auch Liszt und Wagner nutzen es ausgiebig.) Im 3. Satz tritt das Thema dann ohne diese Verzerrungen auf; Wallenstein erscheint in La mort de Wallenstein anders, nämlich 80  Berlioz hatte in seinem Grand traité d’instrumentation et d’orchestration modernes (1843 / 1844) die Klarinette als „weibliches“ Instrument bestimmt. 81  Eintrag vom 23.05.1873; zit. n. Schneider, S. 64; Hervorhebung original.

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als tragisches Opfer und damit eher positiv. Am Ende wird er in einer musikalischen Apotheose überhöht: Im Maestoso-Abschnitt ab T. 368 erscheint sein Thema letztmals – unverzerrt und in H-Dur. d) Sonstige Orchestermusik Weitere Orchesterwerke mit Bezug auf Schillers Wallenstein umfassen vor allem Ouvertüren, die sowohl als Eröffnung einer Schauspielaufführung als auch als selbständige Konzertwerke gespielt werden konnten. Oft besteht hier ein Bezug zu Schiller-Feiern des 19. Jahrhunderts, für die diese Ouvertüren geschrieben wurden. Übersicht 3 Sonstige Instrumentalmusik mit Wallenstein-Bezug Johann Heinrich Carl Bornhardt (1774–1840): Marsch des Preussischen Leib-Husaren-Regiments beym Durchzuge durch Braunschweig, fürs Clavier eingerichtet, und mit dem dazu gehörigen Texte aus Schillers Wallenstein versehen (Druck Braunschweig o. J. [ca. 1810]) Georg Andreas Henkel (1805–1871): Charakteristische Ouvertüre zu Schillers Wallensteins Lager Op. 6 (Druck Fulda: Selbstverlag o. J. [1831]) Adolf Emil Büchner: Ouvertüre [zu Wallensteins Lager], Leipzig 1853 Charles Dancla: 12 leichte Fantasien für Violine und Klavier op.  86 / 3: Rédowa de Wallenstein (Druck Mainz: Schott 1858) Friedrich Rosenkranz: Ouvertüre Militaire C-Dur zu Schillers 100jährigen Geburtsfeste und dessen Wallensteins Lager, Augsburg 1859 Louis Schlottmann: Ouvertüre zu Schillers Wallensteins Lager op. 23, Berlin 1867 (Druck Berlin: Bote und Bock 1869) August Ritter von Adelburg: Ouvertüre zu Wallenstein Hermann Zumpe: Max Piccolomini. Ein Charakterstück für grosses Orchester, Bayreuth 1874 Sigmund Kerling: Ouvertüre zu Schillers Wallensteins Lager op. 62 (Druck Bremen: A. E. Fischer 1876) Hermann Zumpe: Wallenstein-Ouvertüre. Frankfurt a. M. (?) 1880 Heinrich Schmidt: Die Wallenstein-Trilogie. Symphonisches Tongemälde, Bayreuth 188582 Jaromír Weinberger: Orchestersuite aus Valdštejn (Druck New York: Schirmer 1939) 82  Diese offenbar neudeutsch ausgerichtete Tondichtung, ein Jugendwerk des oberfränkischen Komponisten Schmidt (1861–1923), wurde nicht gedruckt und vermutlich auch nie aufgeführt.



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4. Wallenstein jenseits von Schiller: Hindemiths Die Harmonie der Welt Zum Abschluss möchte ich noch auf das einzige bedeutende Musikstück eingehen, in dem die Wallenstein-Figur unabhängig von Schiller gestaltet ist. Es handelt sich um die vorletzte Oper Paul Hindemiths, Die Harmonie der Welt, uraufgeführt 1957 in München – eine Oper, mit der sich Hindemith spätestens ab 1939, d. h. über fast 20 Jahre hin beschäftigte und zu er der auch das Textbuch selbst in freien Versen schrieb.83 Hindemith betrieb dazu ausführliche Quellenstudien, die in seinen Arbeitsheften festgehalten sind (z. B. zu Wallenstein als Bauherr, zu seiner Krankheit oder zu seinem Horoskop). Bemerkenswert ist, dass Hindemith bereits 1951 eine Symphonie „Die Harmonie der Welt“ veröffentlichte, deren Musik dann später weitgehend in die Oper einging, obwohl das Opernlibretto zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht in definitiver Gestalt vorlag. Die Oper spielt in den Jahren 1608 bis 1630, doch hat Hindemith, v. a. in der Fassung von 1955 / 1956,84 zugleich die Lebenswirklichkeit der 1950er Jahre in historischer Verkleidung erfasst: Die Darstellung von zerstörten Städten und Ruinenlandschaften, von Flüchtlingselend und Misstrauen der Einheimischen gegen die Vertriebenen und Zugezogenen, von der Skrupellosigkeit der Militärs, aber auch Wallensteins Vision eines vereinigten Europa als einziger Basis für dauerhaften Frieden konnte wohl kaum ein deutscher Zuschauer in den 1950er Jahren nicht auf die eigene Gegenwart beziehen. Obwohl mit Johannes Kepler ein Mathematiker und Astronom die Haupt­ figur bildet, ist die Oper zugleich auch eine Wallenstein-Oper – und eine Künstleroper, mit der Hindemith an Problemstellungen seiner vorausgegangenen Opern Mathis der Maler (1934) und Cardillac (1925 / 1926, Neufassung 1951 / 1952) anschließt.85 Hindemiths Kepler glaubt an eine verborgene Ordnung der Welt, was der Erfahrung der Menschen im Zeitalter des 30-jährigen Krieges eklatant widerspricht, die es aber aus seiner Sicht doch geben muss und für die die Musik mit den Gesetzen ihrer Harmonie gleichnishaft einsteht, als Spiegel der makrokosmischen Ordnung der Himmelskörper. Hindemith bezieht sich historisch auf das 5. Buch von Keplers Harmonices Mundi libri V (Linz 1619), in dem Kepler den phythagoräischen Gedanken der Sphärenharmonie erneuert hatte.86 Die Aufgabe der Kunst lässt HindeEntstehungsgeschichte vgl. Schubert. der Fassung von 1955 / 1956 bei Briner (1973), S. 203–241; des IV. Aufzugs (mit einer Vorbemerkung von Giselher Schubert) in Tadday, S. 167–177. Die veränderte Endfassung von 1957 ist im Librettodruck (Hindemith (1957a)) greifbar. 85  Vgl. Danuser. 86  Kepler (1619) – Zu Keplers Musiktheorie vgl. Bayreuther, bes. S. 220 ff. 83  Zur

84  Abdruck

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mith in seiner Oper von Kepler darin bestimmen, „[d]aß durch sie der Menschheit bewußt werde / Die Harmonie der Welt“87 – was die Oper Hindemiths auch selbst als Kunstwerk umzusetzen versucht. Auch Hindemiths Oper sucht nach einer verborgenen rationalen Ordnung der Welt und versucht diese in ihrer ästhetischen Gestalt zum Vorschein zu bringen. Gleich im I. Aufzug der Oper wird das Thema der vorhandenen, aber verborgenen Weltordnung prominent in einem Dialog zwischen Kepler und seinem Dienstherren Kaiser Rudolf II. angeschlagen: „Kaiser Rudolf Was ist der Fülle Wesen und Sinn? […] Ein Wimmeln ohne Zweck und End; Gleißenden Unrats voll ein Kübel, Von einem Irren ausgeschüttet; […] Chaos, unendliches, Statt weisester Regula. Kepler bestürzt Die Regel herrscht, von uns nicht erkannt.“88

Auch wenn Kepler an die Idee einer verborgenen Weltharmonie glaubt, kann er sie in seinem eigenen Leben nicht finden. Seine Arbeit für den Kaiser in Prag befriedigt ihn nicht, der Lohn ist dürftig, und um sein Auskommen zu sichern, muss er daneben wohlhabenden Bürgern Horoskope stellen. Auch der Feldherr Wallenstein wird dadurch sein Kunde; er will wissen, welches Schicksal ihm die Sterne für den drohenden Krieg vorhersagen. Nach Linz berufen, lernt Kepler dann seine zweite Frau Susanne kennen. Obwohl gläubiger Protestant, kann er als Rationalist im Abendmahl lediglich ein Symbol, aber keine Realpräsenz Christi erkennen. Weil er dies auch öffentlich vertritt, schließt ihn der orthodoxe Pfarrer Daniel Hizler vom Abendmahl aus. Dies belastet Kepler schwer. Seine Mutter Katharina wird inzwischen in Württemberg als Hexe angeklagt. Sechs Jahre lang muss Kepler kämpfen, bis es ihm schließlich gelingt, sie vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen zu bewahren. Keplers Lehre von den Himmelskörpern und ihren Bahnen wird nicht nur von seiner Frau und seiner Mutter bewundert, er wird auch von seinen Schülern hoch geschätzt. Sein Gehilfe Ulrich Grüßer wird jedoch abtrünnig, weil er Kepler die Erfolge (und auch die Frau) neidet. Er wird Soldat und zieht in den Krieg. 1628 kommt es zu einer zweiten Begegnung zwischen Kepler und Wallenstein. Der Feldherr bittet ihn, in seine Dienste zu treten und ihm regel87  Hindemith 88  Ebd.,

(1957a), S. 35. S. 11.



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mäßig Horoskope zu erstellen. Kepler stimmt zu, und Wallenstein wird sein letzter Arbeitgeber. Der Geist Kaiser Rudolfs verwirrt sich immer mehr, so dass er noch während des Krieges abgesetzt wird. Sein Nachfolger Ferdinand wird von den Kurfürsten nach dem Einfall der Schweden 1630 aus rein machtpolitischen Erwägungen gezwungen, Wallenstein abzusetzen. Der bereits von einer tödlichen Krankheit gezeichnete Kepler versucht vergebens, dies zu verhindern und auf die Politik warnend Einfluss zu nehmen. In sein Schicksal ergeben stirbt Kepler – erst bei seinem Tod wird dabei die verborgene Ordnung der Welt als Vision einer „Harmonie der Welt“ klangliche Realität.89 Das Schlussbild verwandelt die irdischen Figuren in Allegorien und hebt sie in strahlendem E-Dur90 in den Himmel empor: „Allmählich erleuchtet sich die ganze Bühne und zeigt das prunkvolle Bild eines barocken Himmelsgemäldes, umrahmt von üppigen Säulen und Voluten. Der Bühnenboden steigt nach links hinten stark an; auf der höchsten Stufe steht der Thron der Sonne.“91 Die Hauptfiguren der Oper werden zu Sternen – der Kaiser zur Sonne, Wallenstein zu Jupiter, Wallensteins Helfer Tansur anagrammatisch zu Saturn, Keplers Frau Susanna zu Venus, Keplers abergläubische Mutter zum Mond, der Soldat und abtrünnige Gehilfe Ulrich zu Mars, Pfarrer Hizler zu Merkur, Kepler selbst zur Erde. In einer simultanen irdischen Szene wird Wallenstein in Eger ermordet. Im harmonischen Chor­ gesang, der hier die Stimme des Universums repräsentiert, wird Kepler am Ende als Beispielfigur gegen die moderne, anwendungsorientierte Wissenschaft besungen: „Chor Die Kraft von Sonnen lässt sich zerspalten, Noch mehr zu töten als vorher, Vielleicht auch spornend mildes Weltentum. Doch Antwort auf das große Warum Werdet ihr auch so nicht erhalten. Beispiel92 sei uns jener Mensch Kepler: Er suchte, sein Leben Der Harmonie anzugleichen, 89  Diese Erfüllung im Tod erinnert entfernt an das Ende von Franz Schrekers Oper Der Ferne Klang (UA Frankfurt a. M. 1912). 90  E-Dur (Tonart des Opernbeginns und des Schlusses) fungiert in der Oper als eine Art Grundtonart der ewigen Harmonie. Die Liebe zwischen Kepler und Susanna ist im eng verwandten A-Dur angelegt, die politischen Verstrickungen und irdischen Probleme im 1. und 3. Aufzug stehen dagegen in den von E-Dur entfernten Grundtonarten Fis-Dur bzw. B-Dur (Gerstenberg). Vgl. a. Briner (1971), S. 263 f., Rexrodt, S. 79, sowie D’Angelo; kritisch dazu Bruhn (2009), S. 140 Anm. 5. 91  Hindemith (1957a), S. 68 (Kursivdruck im Original). 92  Ab hier singt der Chor bis zum Ende des Zitats im unisono und im fortissimo – deutlicher lässt sich Text kaum musikalisch unterstreichen.

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Es ihr zu nähern, Sich so zu bessern, Sich so zu heben; Mehr kann kein Geschöpf erreichen.“93

Diese Verwandlung der Figuren in Allegorien im Schlussbild der Endfassung zeigt, dass Hindemith bewusst mit einer unklassischen, ja antiklassischen Dramaturgie arbeitet. Er versucht, der Spielzeit des Textes im 17. Jahrhundert auch durch barocke Züge seines Werks zu entsprechen. So sind die Charaktere der Figuren durchgängig antipsychologisch angelegt. Sie erscheinen nicht als stimmige Personen, sondern als Repräsentanten von Ideen – so steht Kepler für Erkenntnis, seine Frau für Liebe und Wallenstein für Macht. Damit wird das Schlussbild vorbereitet, in dem Hindemith die Figuren dann tatsächlich in Allegorien verwandelt. Auch eine gewisse neobarocke AffektDramaturgie lässt sich erkennen: Liebe, Hass, Neid, Zorn etc. erscheinen für die Entwicklung der Handlung meist wichtiger als eine psychologisch konsistente Figurenführung (vgl. etwa die Verbindung Susanna-Kepler im 2. Aufzug). Das Bühnengeschehen ist als Stationendrama angelegt, zeitlich und räumlich extrem antiaristotelisch gestreckt, eine konsistente Verbindung der Szenen fehlt weitgehend. Auch musikalisch benutzt Hindemith z. T. barocke Formen wie die Fuge und die große 21teilige Passacaglia des Schluss­ bildes;94 er verwendet im 1. Aufzug eine Liedmelodie von Johann Hermann Schein von 1627 und integriert ein Originalgedicht Keplers von 1611.95 Den Kurfürstentag in Regensburg unterlegt Hindemith mit einer großen Variationenfolge über das Volkslied „Es geht wohl zu der Sommerzeit“ (belegt seit 161196). Kanonische und polyphone Techniken finden sich allerorten in der Partitur; sie repräsentieren die verborgene, rationale Ordnung der Welt. Auch Zahlensymbolik spielt immer wieder eine Rolle in Hindemiths Vertonung.97 Andererseits benutzt Hindemith zugleich auch typisch moderne Mittel. So sind des öfteren simultane Szenen vorgesehen, um die chaotische Zerrissenheit des menschlichen Handelns abzubilden, aber wohl auch, um den enorm umfangreichen Stoff und die diskursive Überfrachtung des Textes noch irgendwie im zeitlichen Rahmen einer Oper zu halten (die das Werk mit einer 93  Ebd.,

S. 71. Thema erscheint bereits in der Mondszene des 3. Aufzugs. Passacaglia und Fuge bilden auch den Schluss der bereits sechs Jahre vor der Oper publizierten Symphonie „Die Harmonie der Welt“ (1951). Bereits vor der Oper verwendete Hindemith das Thema in der Motette In principio erat verbum (1941). Vgl. dazu Bruhn (2012), S. 337–339. 95  Dazu Bruhn (2009), S. 148–154; zu Scheins Lied ebd., S. 179 f. 96  Holzapfel, Bd. 1, S. 465 f.; Hindemith setzte in der Oper eigene Textstrophen dazu. 97  Bruhn (2009), S. 175–183 und 188–192. 94  Das



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reinen Spieldauer von ca. 4 Stunden dennoch überschreitet). Auch die Anlage als Stationendrama und der lehrstückartige Schlussgesang auf Kepler verweisen auf die nachklassische Dramatik des 20. Jahrhunderts; mit dem unhistorischen Vorverweis auf Atombombe und Kernkraft im obigen Zitat endet das Werk dann auch wieder mitten in der Realität der 1950er Jahre. Offensichtlich wollte Hindemith die klassische, geschlossene Dramenform bewusst umgehen (auch wenn er seiner Kepler-Figur zugleich durchaus faustische Züge verlieh); ein Anschluss an Schillers Wallenstein verbot sich daher. (Gründe für diese Abwehr des Klassischen könnte man vielleicht in der Überstrapazierung und im Missbrauch der Klassiker in der NS-Zeit vermuten; zugleich ist Hindemiths Schaffen von Anfang von einem antiklassischen Impuls durchzogen, auch im angeblich ‚konservativen‘ Spätwerk.) Hindemiths Wallenstein ist also nicht Schillers Wallenstein. Die Figur wird in diesem Stück nicht unter der Optik des Verrats oder der persönlichen Tragik gesehen. Wallenstein repräsentiert hier stattdessen den Typus des skrupellos-zynischen Machtmenschen, der sich seiner Macht bewusst ist und sie rücksichtslos einsetzt – die Gegenfigur zu dem nach reiner Erkenntnis suchenden Kepler. Im 2. Aufzug lässt Wallenstein ohne jedes Mitleid verarmte und zerlumpte Kriegsopfer von einem Ruinenfeld in Prag vertreiben, um dort sein repräsentatives Stadtpalais bauen zu lassen. Er entwickelt hochfliegende Machtvisionen von einem unter seiner Diktatur vereinten Europa und wird zugleich im 4. Aufzug als an der Gicht leidender Misanthrop gezeigt. Damit wird die Figur zu einem allgemeinen Repräsentanten der Hinfälligkeit nicht nur der Macht, sondern des Menschen überhaupt gestaltet (auch dies bildet wieder ein barockes Motiv). In einem kurzen Monolog im 4. Aufzug räsonniert Wallenstein so über sich selbst: „Ein Mensch, geschneidert wie ein Narrenkleid Aus zwei verschieden bunten Fetzen, Der mit vollen Händen gibt, Doch den Beschenkten nicht liebt; Phantastisch plant und rechnend baut, Doch Tod und Ruin wie keiner verbreit’; Dem Genien singen, den Furien hetzen: Der, wie’s die Sterne ihm beschert, Sich sehnt, Liebe zu gewinnen, Doch sie zu empfangen sich nicht getraut.“98

Im anschließenden Dialog mit Kepler enthüllt er sein machtstrategisches Denken: „Eure ‚Weltharmonie‘ hat mich bewegt, Nie traf mich mit solcher Gewalt ein Buch. 98  Hindemith (1957a),

S. 54.

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Wenn diese Harmonie, so wie ihr denkt, Überall in der Schöpfung sich regt, Könnte sie, bewusst gelenkt, Ein unerhörter Faktor werden Im von jeher ersehnten Versuch, Den Himmel zu errichten auf Erden.“99

Während Kepler nach der reinen Erkenntnis der verborgenen Gesetze der Welt sucht, geht es Wallenstein nur um deren machtpolitischen Nutzen. Dafür ist er bereit, über Leichen zu gehen: „Ich plane, das deutsche Reich Geeint in meine Hand zu bringen. Gestützt auf solche Kraft ist unschwer Der Rest Europas zu bezwingen, Das Nordland, England zugleich, Der Osten hinaus zum Schwarzen Meer, Dann Portugal und Spanien Und ihr Länderreichtum Im fernen Westen und Indien. Ein einziges Imperium! […] Mit brutaler Größe Mag sein, dass man dereinst kurier Am grünen Tisch das Leid der Erde. Bis dahin verlangt die Menschheit, Daß ihr das Heil aufgezwungen werde. […] Was gilt voll Blut ein Ozean, Steigt schließlich ein Eden aus ihm ans Licht!“100

In Hindemiths Wallenstein-Figur klingen die Heilsversprechen der totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts nach und werden am Ende merkwürdig indirekt verurteilt: Als „falscher Ton / im Akkord der Welt“101 wird der irdische Wallenstein zwar bei seiner Ermordung aus der Weltharmonie entfernt, um jedoch als Jupiter wieder allegorisch darin integriert zu werden. Wenn Hindemith in der allegorischen Schluss-Szene Wallenstein nicht zu Mars, sondern zu Jupiter werden lässt, so könnte man das nun doch wieder zumindest indirekt auf Schillers Drama beziehen, in dem bekanntlich die astrologischen Bezüge und speziell Jupiter eine bedeutende Rolle spielen.102 Dort sieht sich Wallenstein selbst in der Anfangsszene von Wallensteins Tod (V. 9–33; vgl. a. Piccolomini V. 966–985) unter dem Einfluss von Jupiter und Venus, während Saturn als negative Kraft dargestellt ist. Für Hindemiths Bezug auf Jupiter gibt es jedoch noch eine direktere, zentrale historische 99  Ebd.,

S. 56. S.  56 f. 101  Ebd., S. 69. 102  Borchmeyer (1988). 100  Ebd.,



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Quelle, die Schiller nicht bekannt war: das Horoskop, das Kepler selbst 1608 für Wallenstein erstellt hatte und in dem er diesen mit Saturn und Jupiter verbunden hatte.103 Kepler sah Wallenstein zunächst unter dem Zeichen ­Saturns und betonte dessen negative Züge, formulierte dann jedoch: „Es ist aber das Beste an dieser Geburt, daß Jupiter darauf folget und Hoffnung machet, mit reifem Alter werden sich die meisten Untugenden abwetzen und also diese seine ungewöhnliche Natur zu hohen, wichtigen Sachen zu verrichten tauglich werden.“104 Das Horoskop Keplers für Wallenstein spielt auch in der Oper eine große Rolle. Der Saturn-Bezug im Horoskop des historischen Kepler bleibt darüber hinaus in Hindemiths Oper erhalten, da Wallenstein dort einen cleveren, gewissenlosen Adjutanten namens Tansur hat, der von Anfang an anagrammatisch (auch das ist wieder ein barockisierendes Element des Werks) für Saturn steht und am Ende auch in diesen verwandelt wird. Möglicherweise wurde Hindemith zur planetarischen Gleichsetzung Wallensteins mit Jupiter auch durch Thomas Mann inspiriert, der in seinem Versuch über Schiller 1955 Keplers Horoskop und die Bedeutung Jupiters zitiert hatte (wohl seinerseits unter dem Einfluss der Melancholie-Forschung im Umfeld Erwin Panofskys und des Warburg Instituts). Die Planeten-Allegorie des Opernschlusses ist erst sehr spät in das Libretto hineingekommen; die Fassung von 1956 endete noch mit Keplers Tod. Hindemiths Oper wäre neu zu entdecken, auch wenn sie es dem Rezipienten in ihrer diskursiven Überladenheit und in ihren Brüchen nicht leicht macht und modernen Rezeptionsgewohnheiten widerspricht. Die frühen, sehr negativen Urteile von Theodor W. Adorno105 oder Ludwig Finscher106 haben mit dazu geführt, dass dieses Werk schnell ins Abseits geriet und bis heute kaum adäquat erforscht wurde. Diese Oper ist aber doch ein zu eigenständiges und zu bedeutendes Werk, das zudem viel über die geistige Situation der 1950er Jahre aussagt, als dass man sie derart ignorieren dürfte. 5. Fazit Die Wallenstein-Rezeption in der Musik ist keine Rezeption der historischen Figur Albrecht von Wallenstein, sondern fast ausnahmslos eine Rezeption des Bildes, das Schiller von ihm entworfen hatte. Darin zeigt sich, was für ein mächtiges Dispositiv die Schiller-Dramen im 19. und 20. Jahrhundert bildeten, indem sie den historischen Stoff und die Figur Wallenstein über 150 103  Schiller kannte Keplers Horoskop nicht; es wurde erstmals 1852 wiederveröffentlicht. 104  Zit. n. Borchmeyer (1988), S. 23. 105  Adorno, bes. S. 240. 106  Finscher (1971) und ders. (1997).

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Jahre lang im kulturellen Breiten-Gedächtnis Europas hielten, aus dem Wallenstein sonst wohl herausgefallen wäre. Sie zeigt aber auch, dass durch die Aura des „Klassischen“ denkbare Alternativ-Gestaltungen des Stoffes oder der Person (zumindest im deutschsprachigen Bereich) weitgehend blockiert wurden. Im deutschen Kulturraum scheint die hohe Bewertung des Schauspieltextes Schillers eine Übertragung in die Musik geradezu verhindert zu haben. In Italien dagegen ist die Wallenstein-Rezeption in der Oper fast ausnahmslos das Werk junger, meist unerfahrener Komponisten, z. T. auch Librettisten. Hier erfolgt der Rückgriff auf Schillers Text wohl auf der Suche nach unverbrauchten und zugleich erfolgversprechenden Stoffen, wobei die Beliebtheit Schillers in der italienischen Oper offenbar über die Schwierigkeiten einer Adaption gerade der Wallenstein-Trilogie hinwegtäuschte. Die Rezeption im tschechischen Bereich ist bemerkenswert gering. Offenbar konnte die Figur Wallensteins kaum in eine nationaltschechisch orientierte Musik integriert werden. In Smetanas Tondichtung erscheint die Figur selbst gar nicht, und die nationalen Anspielungen beschränken sich auf eine Polka mit Dudelsack-Klängen. Weinbergers Oper wiederum schließt sich zwar an osteuropäische Opernmodelle an, vermeidet aber alle musikalischen Bohemismen. Sie gelangte zudem nicht in den tschechischen Diskurs. Als Ausnahmefall einer eigenständigen, nicht auf Schiller bezogenen Rezeption findet sich nur die Oper des späten Hindemith, der Wallenstein als kalten, zynischen Machtpolitiker mit diktatorischen Zügen zeichnet, ihm allerdings in der allegorischen Überhöhung zu Jupiter in der Schlussszene doch wieder eine gewisse Ambivalenz zuschreibt. Das Werk, das von den Erfahrungen von Diktatur und Weltkrieg gekennzeichnet ist, versucht, die klassische Dramatik zu umgehen und dramaturgisch wie musikalisch an barocke Formprinzipien anzuknüpfen, aber zugleich auch Elemente des 20. Jahrhunderts aufzugreifen (Simultanszenen; Lehrstück). Daraus resultiert ein diskursiv schwer befrachtetes Stück Musiktheater, das gerade in seinen inneren Widersprüchen als signifikantes Großwerk der 1950er Jahre wiederzuentdecken wäre.

Ganz und gar real. Alfred Döblins Roman Wallenstein Von Ursula Kocher 1. Das bezwingende Bild Am 26. Dezember 1914 wurde Alfred Döblin, niedergelassener Arzt und Verfasser vielbeachteter Erzählungen und diverser Artikel im Sturm und anderen Literaturzeitschriften, stolzer Besitzer eines Verlagsvertrags mit S. Fischer für seinen monumentalen Roman Die drei Sprünge des Wang-lun, ins Militärlazarett Saargemünd einberufen. Er hatte sich freiwillig gemeldet. In der ersten Zeit scheint der Krieg nicht sehr nahe an ihn herangekommen zu sein, in Briefen schreibt er eher über Langeweile und die Möglichkeiten, sich dem Klavierspiel, langen Wanderungen und dem Schreiben zu widmen. In seinen Schriften wird erst ab 1916 der nahe Krieg thematisiert: „Mit den Ohren haben wir die Schlachten um Verdun hier mitgekämpft; orientiere Dich auf der Karte, wie weit wir von Verdun sind, und so stark war die Kanonade tags und nachts, daß bei uns die Scheiben zitterten, daß wir Trommelfeuer unterschieden, ganze Lagen, Explosionen; ein ewiges Dröhnen, Bullern, Pauken am west[lichen] Himmel. Jetzt, seit 1 Woche, ist alles still; was das ist, wer weiß? Akustisch ist jedenfalls der Angriff auf Verdun zur Zeit eingeschlafen. Aber in andrer Hinsicht sind wir näher am Herd; alles steckt voll Einquartierung, ein inte­ ressantes Bild auf den Straßen wie in den ersten Tagen der Mobilmachung; die Eroberer von Douaumont sind hier in Ruhestellung, sie ist aber bald zu Ende. Sie erzählen von den ungeheuren, von uns kaum ausdenkbaren Strapazen der Lagerung in nassen Wäldern, des Hungerns und Dürstens beim Vorrücken, weil keine Küchen nachkommen (tagelang!), Wassertrinken aus Granatlöchern, in denen Grundwasser erscheint –, Schneeessen. Dabei sehen die Leute famos aus, jung, stark, Frankfurter (a.O.) Mecklenburger, Berliner; täglich höre ich jetzt im Lazarett: ‚icke‘ und ‚mir‘, Heimatsklänge von der Riviera in Lichtenberg.“1

Es ist nicht ganz klar, wann genau Döblin mit der Arbeit an seinem Epos zum Dreißigjährigen Krieg begann und wie sehr das Schreiben an diesem Roman mit persönlichen Erlebnissen zusammenhängt.2 Zusammengetragen werden können lediglich die folgenden Hinweise: 1  Döblin

(1988), S. 84. ging es offenbar noch um andere Stoffe, die er ins Auge gefasst hatte. Gabriele Sander verweist beispielsweise auf einen Bauernkriegsroman, dessen An2  Zuvor

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Am 15. Juli 1916 brach Alfred Döblin zu einer Kur nach Bad Kissingen auf, um ein Magenleiden auszukurieren. Offenbar stieß er in dieser Zeit auf eine Anzeige für ein (eventuelles) Gustav-Adolf-Festspiel. Wo und ob dieses stattfand (Bad Kissingen hatte eigentlich keinen Grund, die schwedische Besatzung zu feiern) und ob die Werbung dafür tatsächlich der Auslöser für den Roman war, bleibt unklar.3 Zumindest aber dürfte ein Bild, mit dem für den Besuch des Festspiels geworben wurde, Döblins Phantasie angeregt und eventuell den Blick des nach einem geeigneten Stoff Suchenden auf den Dreißigjährigen Krieg gelenkt haben: „Im Jahre 1916 aber kam mir, als ich in Kissingen war, plötzlich angesichts einer Zeitungsnotiz – ich glaube der Anzeige eines Gustav-Adolf-Festspiels – das Bild: Gustav Adolf mit zahllosen Schiffen von Schweden über die Ostsee setzend. Es wogte um mich, über das große grasgrüne Wasser kamen Schiffe; durch die Bäume sah ich sie aus Glas fahren, die Luft war Wasser. Dies bezwingende, völlig zusammenhanglose Bild verließ mich nicht.“4

Am 9. Oktober 1916 schreibt er Albert Ehrenstein, Lektor bei S. Fischer, dass er an einem neuen Projekt sitze, von dem er aber noch nicht alles verraten möchte: „Ja, ich fange sachte an wieder zu arbeiten, will noch nicht von mir geben, was. Aber wie schwer hier arbeiten ist, können Sie sich nicht denken. In einer Dreizimmerwohnung, Puppenstuben, mit 2 kleinen ewig schreienden Kindern, kein einziges ruhiges Fleckchen. Und vor allem: ich komme nicht zu meinem Material; Bibliothek ist Straßburg, kaum was vorhanden dort, und überhaupt: so alle Wochen sich ein paar armselige Bücher schicken lassen, und ich brauche ganze Bibliotheken, muß da nachsehen, da nachsehen! Na, ich habe in den letzten zwei Monaten kaum soviel gesammelt wie in Berlin in 2 Wochen. Mein Thema, ein deutsches politisches, steht mir klar vor Augen und differenziert sich; wäre es Frieden und ich in Berlin, schriebe ich in 1 Monat los!“5

In der Forschung geht man davon aus, dass es sich bei dem erwähnten Buchprojekt um den Wallenstein-Roman handelt. Dort fand das Bild von der Landung Gustav Adolfs dann tatsächlich auch seinen Niederschlag – es eröffnet wortgewaltig und ausführlich das fünfte Buch.6 fänge im Marbacher Archiv zu finden sind. Vgl. Sander. Zugleich hatte Döblin durch Charles de Costers Bearbeitung den Eulenspiegel-Stoff für sich entdeckt. 3  In der Forschungsliteratur ist an dieser Stelle eine leider für die Döblinforschung nicht untypische Vereinfachung der Quellenlage feststellbar. Dort werden die Festspiele häufig in Bad Kissingen verortet, ohne dass dies nachweisbar wäre. 4  Döblin (1963), S. 339–340. 5  Döblin (1988), S. 91 f. 6  „Über DIE Wogen der graugrünen Ostsee kam die starke Flotte der Schweden windgetrieben her, Koggen Gallionen Korvetten. Bei Kalmar unter Öland, bei Västervik, Norrköping, Söderköping hatten sie die gezimmerten Brüste und Bäuche auf das kühle Wasser gelegt, schwammen daher.“ Döblin (2003), S. 485. Im Nachwort der



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Die Arbeit an dem Projekt scheint durch Ortswechsel (z. B. nach Heidelberg) und die Rückkehr nach Berlin schließlich dann doch beschleunigt worden zu sein. 2. „[W]en kümmert der Dreißigjährige Krieg?“ – Die Überrealität des Epischen Im gleichen Essay, in dem Döblin seinen ersten imaginativen Zugriff auf den Gegenstand beschreibt, bemerkt er kritisch, dass der Dreißigjährige Krieg nicht gerade das naheliegendste Sujet gewesen sei: „Man fragt: wen kümmert der Dreißigjährige Krieg? Ganz meine Meinung. Ich habe mich bisher auch nicht um ihn gekümmert. Ich erinnere mich dunkel aus der Schulzeit, vom Dreißigjährigen Krieg gehört zu haben, es war einige Zeit nach Luther, genaueres habe ich nicht behalten; er soll mit dem Westfälischen Frieden geendigt haben; eine trostlos öde Sache mit vielen Schlachten, vielen Gegnern: ich wußte niemals, welche Gegner immer an einer Schlacht beteiligt waren.“7

Ob man ihm diese Mitteilung glaubt oder nicht, die Wahl des Themas zwang ihn jedenfalls dazu, seine Unkenntnis zu beseitigen. „Es nötigte mich, trotz meiner Abneigung gegen das Wirrsal dieser Zeit, einige historische Bücher der Periode zu lesen.“8 Bekanntermaßen nutzte Alfred Döblin möglichst Bibliotheken für seine umfangreichen Recherchen, wie auch aus dem oben zitierten Brief an Ehrenstein hervorgeht. Dabei stand in der Regel weniger die Wissenschaftlichkeit der Lektüre im Vordergrund als vielmehr die Anschaulichkeit. Leihscheine und Bibliotheksauskünfte, die im Marbacher Literaturarchiv aufbewahrt werden, zeugen von dem Versuch, Informationen zu München, Wien, Prag (dabei auch zu Prager Juden) und schließlich zu Wallenstein selbst zu erhalten.9 Nahegelegen hätte es natürlich auch, sich durch zeitgenössische Publika­ tionen kundig zu machen, wie beispielsweise das 1912 in zweiter Auflage in Bielefeld und Leipzig erschienene Werk Wallenstein und die Zeit des dreißigjährigen Krieges von Hans Schulz oder Ricarda Huchs Wallenstein von 1915. Es ist auch keineswegs ausgeschlossen, dass er Werke dieser Art zur Kenntnis nahm. Denn um historische Genauigkeit oder gar Authentizität ging Ausgabe verweist Erwin Kobel darauf, dass Döblin die Schiffsnamen, die nachfolgend aufgezählt werden, Droysens Werk über Gustav Adolf entnommen habe (S. 949). Kobel gibt auch eine Reihe weiterer Quellen an, die Döblin für sein Buch genutzt haben könnte. 7  Döblin (1963), S. 339. 8  Döblin (1963), S. 340. 9  Vgl. Meyer, J., S. 150–155.

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es eben nicht bei der Lektüreauswahl und beim Lesen nach der ‚Methode Döblin‘: „Nein, wieder nicht zu lesen, und dies ist das Wesentliche, vielmehr festzustellen, was ich eigentlich von ihnen [= den Büchern; U.K.] wollte und warum mich diese Vorstellung, diese blendende Vision von meerüberfahrenden Koggen und Korvetten, nicht verließ. Ich wollte dieses Wogen, das um mich ging, dieses unablässige Fahren, Sprache werden lassen; Gestalten drängten heraus. Ich ‚las‘ die Bücher und später zahllose andere, so – wie die Flamme das Holz ‚liest‘. Es ist mir niemals ein ‚Faktum‘ zu Gesicht gekommen; wie ein Magnet tippte mein Gefühl über die Seiten und zog heraus, was zu ihm gehörte. Neigung, einer unbelebten toten Masse Atem einzuflößen? Keine Rede. Mir ist keine tote Masse vor Augen gekommen, der Dreißigjährige Krieg ist mir noch heute ein versiegeltes Buch wie vor zwanzig Jahren. Einfühlung? Ich weiß davon nichts, aber genau das Gegenteil habe ich noch jetzt im Gefühl: Ausfühlung. Zur Einfühlung gehört ein liebendes Hinknieen, Sichbemühen und der Drang, gerecht sein zu wollen [es ist also etwas, was die Kritiker von heute haben – müßten]. Da ich vom Dreißigjährigen Krieg aber keine Kenntnis nahm, durch innere Blendung und Okkupation an jeder Teilnahme mit diesen zweifellos interessanten Ereignissen behindert war, wie soll ich zu einer Einfühlung gekommen sein. Dumpf verschlossen wie ich damals war, hatte ich nicht das geringste Vermögen, zu lesen. Ich suchte Reize, Reize, mich zu erlösen. Ich suchte, rang nach der Hebamme, die mich entbinden sollte, nach der Geburtshelferzange. Das waren die Akten, die Bücher. Sie waren nicht mein Stoff.“10

Auch wenn eine Analyse des Romans diese Bemerkungen nicht so ganz bestätigen kann11 – man erkennt hier wie an anderen Stellen seiner Aufsätze, Reden und Essays, dass Döblin kein Freund des faktengetreuen, realistischen Historischen Romans seiner Zeit war. Er verstand sich vielmehr als Epiker der Moderne, wie er im Mai 1913 im sogenannten Berliner Programm verkündet: „Der Naturalismus ist kein historischer Ismus, sondern das Sturzbad, das immer wieder über die Kunst hereinbricht und hereinbrechen muß. Der Psychologismus, der Erotismus muß fortgeschwemmt werden; Entselbstung, Entäußerung des Autors, Depersonation. Die Erde muß wieder dampfen. Los vom Menschen! Mut zur kinetischen Phantasie und zum Erkennen der unglaublichen realen Konturen! Tatsachenphantasie! Der Roman muß seine Wiedergeburt erleben als Kunstwer[k] und modernes Epos.“12 10  Döblin

(1963), S. 340. Quack hielt entsprechend in seiner Studie zu Döblins Wallenstein auch daran fest, dass es sich um einen historischen Roman handle: „Wallenstein ist insofern ein historischer Roman im strengen Sinn, als die adäquate Darstellung der geschichtlichen Welt, des Hintergrunds intendiert ist.“ Quack, S. 219. 12  Döblin (1989a), S. 123. Angesichts der bereits zitierten Ausführungen Döblins wundert es nicht, dass viele Forscher ihn und seinen Wallenstein als „eklatante[n] gattungsgeschichtliche[n] Bruch“ sehen (Aust, S. 116). Es handle sich, so Aust, um eine „Absage an die bürgerliche Literaturform“ (S. 118). Zudem lasse sich leicht erkennen, dass „die dichotome Typen-Lehre des historischen Romans (Geppert, Müller, 11  Josef



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Ein derartiges Epos zeichnet sich, so Döblin an anderer Stelle,13 durch Unbegrenztheit und zugleich Geschlossenheit (bzw. Geschlossenheiten) aus. Der Epiker müsse sich seiner Ansicht nach nicht an Beschränkungen halten; er könne eine Figur an einem bestimmten oder aber an einem ganz andren Punkt der Handlung sterben lassen, aber das epische Projekt sei deshalb noch lange nicht abgeschlossen.14 Entscheidend sei das Präsentieren des Überrealen, des Durchstoßens der Realität. „Der wirklich Produktive […] muß zwei Schritte tun: er muß ganz nahe an die Realität heran, an ihre Sachlichkeit, ihr Blut, ihren Geruch, und dann hat er die Sache zu durchstoßen, das ist seine spezifische Arbeit. Der erste Schritt ist schon der Schritt jedes guten Schriftstellers, und man sieht: jedem epischen Autor hat ein guter Schriftsteller vorauszugehen.“15

Dies gelte erst recht für einen historischen Roman. Dessen Inhalte seien, so Döblin, zwar nicht nachweisbar, aber der Autor verleihe ihnen den Anschein von Realität. Auf diese Weise wird jeder Roman zu einem historischen.16 Es geht Döblin daher auch weniger um ein wahr oder falsch des Erzählten, sondern um das „Spiel mit der Realität“,17 durch das Figuren und Situationen des menschlichen Lebens herausgestellt werden können.18 Nicht das getreue Abbild der Ereignisse ist es, das Döblin interessiert, sondern das Überreale, das dann das Geschilderte letztlich ganz und gar real werden lässt. In diesem Fall werde gezeigt, dass ein Spiel, auf das man sich einlässt, aus einem Spieler eine Figur werden lassen kann. „Die Geschichte an sich ist im Roman eine Wirklichkeit, die die Akteure im Sinne eines Spiels gestalten; ein Spiel, welches sich zugleich der Kontrolle durch Einzelne entzieht, weil sich aus der chaotischen Interaktion zahlreicher Spieler eine unbeherrschbare Eigendynamik der Geschehnisse ergibt. […] Die Realität ist ein Spiel und die Spiele sind Realität.“19 Ha.) bei Döblin ihren Ausgang nimmt.“ (Aust, S. 117). Eben deshalb steht der Wallenstein-Roman in diesem Zusammenhang oft weniger im Fokus – entweder Döblins Schreiben wird am Wang-lun untersucht, oder es geht allein um Döblins theoretische Äußerungen. In Hinblick auf den historischen Roman ist dabei der – allerdings erst 1936 entstandene – Essay Der historische Roman und wir wichtig. Dort finden sich vor allem Ausführungen zum Stellenwert von Fakten: „Der historische Roman ist erstens ein Roman und zweitens keine Historie“ (S. 299). 13  Vgl. Döblin (1989b). 14  Vgl. dazu Kocher. 15  Döblin (1989b), S. 219. 16  Vgl. Döblin (1989c). 17  Vgl. Hecker. 18  Erkennbar wird dies auch durch Döblins Epilog: „Das Buch müßte eigentlich heißen Ferdinand der Andere. Ich wußte es. Aber Wallenstein bezeichnet die Zeit und die Umstände.“ Döblin (1986b), S. 309. 19  Kasten, S. 211.

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Das Spielfeld im hier untersuchten Wallenstein-Roman sind die Handlungsorte des Dreißigjährigen Krieges. Aber es geht eben nicht um die Darstellung dieses spezifischen Krieges, wenn Döblin auch vermutet, dass „etwas von der furchtbaren Luft, in der das Buch entstand, Krieg, Revolution, Krankheit und Tod in ihm“ ist.20 Darstellungen des Krieges sind für ihn ein eher grundsätzliches Problem. Aber es ist ein Problem, das der Schriftsteller nicht von ungefähr angeht, als erneut ein entsetzlicher Krieg in Europa wütet. „Ich hatte jedenfalls damit, während des Krieges, vor, den ‚Krieg‘, wenn auch nicht diesen Krieg, zu schildern. Nein schildern ist ein falscher Ausdruck, besser: im epischen Ablauf hinzustellen, sichtbar und fühlbar, erlebbar werden zu lassen. Es haben ja später andere, besonders in den letzten Jahren, den Krieg, und zwar genauer diesen, geschildert. Ich gestehe, von keinem einzigen befriedigt zu sein. Krieg ist sehr, sehr vieles in einem; vor allem grenzenlose Dämonie und Entfesselung, Chaos; die Welt, bevor das Gotteswort hineinfiel; – daneben ist Krieg Widerstreben gegen den gräßliche[sic!] Dämon, Behauptung der menschlichen Überlegenheit (ach, es ist jetzt eine Unterlegenheit!), – daneben ein tollgewordener Wirtschaftsprozeß, – daneben politisches Hetzen und Intrigenspiel. Ein furchtbares Ding, der Krieg; niemand soll ihn herbeiwünschen; es ist die Probe, die Versuchung, die der Mensch, diese unsichere Tiergattung, nicht besteht.“21

Dargestellt werden soll also ein Krieg als Repräsentant des Krieges schlechthin – eine Erfahrung, die auch die Figuren des Romans machen: „Er denke schon, saß Schlick da, daß seine Erfahrungen ausreichten. Der Krieg gestern sei nicht anders als der vorgestern.“22 Wenn der Dreißigjährige Krieg aber exemplarisch für den Krieg steht, was bedeutet dies für die Präsentation der Figur Wallenstein? 3. „ganz und gar kein Schillerscher ‚Held‘ “ „Wie kam ich darauf, den Dreißigjährigen Krieg und Böhmen und Wallenstein auszusuchen als meinen Schauplatz und meine Figuren? Zunächst war es nur die sehr naheliegende Ähnlichkeit zwischen 1914 / 18 und damals: ein europäischer Krieg. Ich tastete nach Büchern. Die Universitätsbibliothek Straßburg im Elsaß gab mir her, was sie hatte, an deutschen und französischen Büchern aus dieser Zeit. Das ungeheure Schicksal Böhmens riß mich hin, und dieser Wallenstein, den ich so sah: als einen böhmischen Renegaten, ganz und gar kein Schillerscher „Held“, – ein moderner Industriekapitän, ein wüster Inflationsgewinnler, ein Wirtschafts- und, toller Weise auch, ein strategisches Genie, eine Figur, die nur die Parallele Napo­ leons I. zuläßt. Neben ihm gab es einen Habsburger Kaiser, Ferdinand II. Aber der war nach den Akten ein furchtsamer Trottel. Vielleicht wäre es nicht schlechter 20  Döblin

(1986a), S. 185. (1986a), S. 185. 22  Döblin (2003), S. 646. 21  Döblin



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gewesen, so eine Figur ruhig als Repräsentanten des damaligen Machtsystems hinzustellen. Ich mochte es nicht. Ich wollte keinen Naturalismus. Es sollte keine Geschichte im Abklatsch, keine Reproduktion sein. Es sollte eigentlich – trotz aller und aller historischen Genauigkeiten – kein „historischer Roman“ sein. Und bestimmt paßt diese Bezeichnung nicht auf die Überlebensgröße der hier gegebenen Vorgänge und Figuren. Da konnte ich auch keinen Trottel neben dieser Riesenmaschine Wallenstein brauchen.“23

Die Riesenmaschine Wallenstein wälzt sich rund 600 Seiten lang durch die Kriegshandlung des Romans. Dieser ist in sechs Bücher unterteilt: Maximilian von Bayern, Böhmen, Der Krieg, Kollegialtag zu Regensburg, Schweden, und Ferdinand. Zwei Punkte fallen bei der Lektüre des Romans sehr schnell auf: Erstens kommt dieses über 700 Seiten starke Epos ohne jede Jahreszahl aus, zweitens wird, wie sich aus Döblins Äußerung auch ableiten lässt, nicht durchweg faktengetreu erzählt. So stirbt Ferdinand keines natürlichen Todes und – wie man aus den Geschehnissen rekonstruieren kann – früher, als die Geschichtsschreibung mitteilt, eventuell um sein Verschwinden mit Wallensteins Tod in Parallelität zu bringen.24 Ist dies richtig, kann man behaupten, dass es in diesem Roman im Kern um zwei gegensätzliche Charaktere geht, die beide nach Macht streben und beide scheitern: Wallenstein und Ferdinand der Andere. a) Wallenstein, „ein Raffke“ Der Dreißigjährige Krieg hatte für Döblin kaum etwas mit religiösen Überzeugungen zu tun, für ihn ging es in erster Linie um ökonomische Interessen.25 Wallenstein ist dementsprechend ein „Raffke größten Stils, ein Inflationsgewinnler mit den großartigen Manieren eines Spielers“26, immer wieder geht es in dem Roman entsprechend um Geld. Nicht von ungefähr erscheint Wallenstein dem Leser zum ersten Mal in Zusammenhang mit krummen Geschäften. Der Oberste von Prag war einer der Beteiligten an dem Konsortium, das ein Jahr lang in Böhmen, Mähren und Oberösterreich die Münzprägung in Händen und damit vorübergehend privatisiert hatte. Die Eigner „sollten gegen garantierte wöchentliche Zahlungen an das Schatzamt Silber erhalten, die Münzen prägen und in Umlauf bringen“.27 Bereits zu diesem Zeitpunkt war Wallenstein ein wohlhabender Mann, nicht nur durch 23  Döblin 24  Zu

(1986a), S. 186. weiteren Abweichungen von den Fakten vgl. das Nachwort zur Ausgabe

S. 944. 25  Vgl. Döblin (1972). 26  Döblin (1999), S. 217. 27  Mortimer (2012), S. 54.

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seine Heirat 1609, sondern auch durch vielfältige Transaktionen. Bereits vor dem Münzkonsortium stand der Kaiser in seiner Schuld.28 Dabei galten die Geschäfte, die er getätigt hatte, um seinen Wohlstand zu mehren, als undurchsichtig, weshalb Eusebius Albrecht von Wallenstein im Roman bereits bei der allerersten Erwähnung als anrüchiger Soldat bezeichnet wird.29 Freiherr Paul von Michna begründet sein Unbehagen, das Münzgeschäft anlaufen zu lassen, mit einem Widerwillen gegen Wallenstein: „Er erklärte de Witte nach langem Herumrücken auf seinem Schemel, während er eine Hornschale der Silberwaage tanzen ließ über seinem Handteller, daß ihm die Partnerschaft des Obersten einfach unbehaglich sei und daß dies das ganze Unternehmen gefährde. Wallenstein hätte schon damals, als die Teuerung in Prag begann, unmenschlich viel Wein in Mähren aufgekauft, um ihn mit unerhörtem Aufschlag an Wucherer weiterzugeben; ebenso sei es bekannt, wie er es mit Kornlieferungen getrieben habe; dann das ominöse, monatelang verschlossene Tuchlager Wallensteins in Olmütz, während nirgends Tuche zu kaufen waren. Alle diese Sachen gefielen ihm nicht; der böhmische Edle werde ihnen das Fell über die Ohren ziehen. Überhaupt, wenn es verlaute, der verrufene Oberst beteilige sich an dem Unternehmen: was die Beamten vom kaiserlichen Schatzamt, die Wind davon hätten, dazu sagen würden.“30

Wallenstein erscheint hier als durchtriebener Geschäftsmann, der es insbesondere versteht, Not- und Mangelsituationen auszunutzen, und sich dadurch als jemand zeigt, der keine moralischen Grenzen zu kennen scheint, sodass bereits an dieser ersten Stelle das Attribut ‚unmenschlich‘ mit ihm in Zusammenhang gebracht wird. Darüber hinaus wird er – eigentlich nicht standesgemäß – als ehrgeiziger Emporkömmling, als Soldat betrachtet. Michna führt des Weiteren ins Feld, dass der Oberste sich auch familiär als erbarmungslos gezeigt habe. Letztlich aber kann de Witte ihn überreden, was Michna in jeder Hinsicht teuer zu stehen kommen sollte. Bereits an dieser Stelle wird Wallensteins finstere Seite zum Thema gemacht, bereits hier überlegen die Beteiligten, was hinter dieser „gräßlichen Leidenschaftlichkeit“31 stecken könnte – reine Vorteilsnahme, die sowohl nachvollziehbar als zumindest theoretisch berechenbar wäre, oder doch charakterlicher Makel? Es ist nicht zu entscheiden, nicht für die Romanfiguren, aber ebenso wenig für den Leser, denn Wallenstein gewährt niemandem Einblick in seine Gedanken. Er ist Gegenstand vielfältiger Überlegungen, aber was ihn bewegt, bleibt unklar. 28  Vgl.

ebd., S. 58. (2003), S. 166. „Dies sei ein Vorschlag, der ihm von zwei Herren seiner Klientel gemacht wäre, dem angesehenen Judenrichter Bassewi, der dem Römischen Kaiser schon eine gewisse Summe vorgestreckt hatte, dann einem Soldaten, der freilich hierzulande einen anrüchigen Namen hätte […].“ 30  Döblin (2003), S. 166. 31  Ebd., S. 169. 29  Döblin



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Der Roman weist genau dies als seine Strategie aus. Als die Münzunternehmung bereits alle in den Abgrund zu führen droht und der Hunger im Volk um sich greift, sucht Wallenstein immer noch die Nähe des Geldes und ergötzt sich an der Wandlung von Metall zu Geld: „Der größte Spekulant des Landes, der tolle Vabanquespieler Wallenstein, lang hohlbrüstig, mit schwarzem Knebelbart, eine kostbare Diamantkette am Hut, stand halbe Stunden lang vor Prägestöcken; wie man auf ihn aufmerksam wurde, wurde er unruhig, schloß die Augen, verschwand.“32

Diese Stelle kann als Schlüsselstelle für die Darstellung Wallensteins verstanden werden. Der zu diesem Zeitpunkt noch Oberste von Prag ist toll im doppelten Sinne, ein Spieler, der bis zum Äußersten zu gehen bereit ist, durch seinen Körperbau nicht unbedingt beeindruckt, seinen Reichtum jedoch durchaus zeigt, ohne aber im Fokus der Aufmerksamkeit stehen zu wollen. Es sind die Blicke, auf die man in diesem Roman zu achten hat. Geschickt erkauft sich Wallenstein Einfluss, indem er Land erwirbt, er bleibt nicht auf seinem Geld sitzen. Schließlich muss der Wiener Hof ihm für seine großzügige Hilfe entgegenkommen: „Man zeichnete ihn vor den übrigen böhmischen Edlen, die an der Unterwerfung Böhmens gearbeitet hatten, mit dem Fürstentitel aus.“33 So langsam schleicht sich die Hauptfigur des Romans von da an in das aktive Geschehen. Er bekommt zum ersten Mal wörtliche Rede zugesprochen,34 auch wenn sein Auftritt wenig eindrucksvoll und überzeugend wirkt. Das allerdings ist nur die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. b) Wallenstein, Fürst und Naturgewalt Für Rosemarie Zeller ist „Döblins Roman […] der künstlerisch unübertroffene Versuch, den Dreißigjährigen Krieg als den Krieg darzustellen, als den Krieg, der keine Hierarchien kennt, keinen Standpunkt, aus dem der Krieg dargestellt werden könnte, der über die Menschen kommt, wie ein Naturereignis“.35 Als besonders grausames Naturereignis, geradezu als Naturgewalt schlechthin, wird Wallenstein, gerade ernannter Fürst zu Friedland, vom Erzähler neu eingeführt: „Nachdem er sich einige Zeit umgeblickt hatte, trat ein erschreckendes Wesen, der Fürst von Friedland, aus seinem Bau. Er hatte sich aus Abneigung über die Ohnmacht und Haltlosigkeit seiner böhmischen Sippengenossen, dieser phrasenreichen Haufen, gegen sie gestellt. Gewalttätigkeiten machten ihn früh berüchtigt. Dann 32  Ebd.,

S. 171. S. 174. 34  Vgl. ebd., S. 176. 35  Zeller, S. 157. 33  Ebd.,

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wurde er katholisch, nahm ein krankes reiches Weib zur Frau, die ihm wegstarb und freie Hand gegen seine Umgebung ließ. Die mährischen Stände waren so töricht, ihm im Kampf gegen den Kaiser seine Regimenter zu belassen; er verriet sie, suchte seine Truppen zum Kaiser überzuführen: wollte sich des mährischen Landtags in Olmütz bemächtigen, desselben, der ihm die Regimenter gegeben hatte. Nur mit dem Rest eines Fähnleins, acht Munitionswagen, Regimentsfahnen und sechsundneunzigtausend Mark in der Kasse schlug er sich, selbst verraten, nach Wien durch, saß eitel am Tisch des Kaisers; der ließ ihn angewidert heimlich abschieben, warf das Geld den Ständen nach. Abscheu und Gelächter, wo sich der von Wallenstein sehen ließ.“36

Als ob er zuvor noch nicht Teil der Handlung gewesen wäre, werden in größtmöglicher Kürze entscheidende Stationen seines Lebenswegs gezeichnet, einschließlich einer Andeutung auf seine gewalttätigen Händel an der Altdorfer Universität.37 Wallenstein „kommt aus dem Nichts, ein homo novus, den nicht die adlige Geburt, sondern das selbst erarbeitete Vermögen an die Macht gesetzt hat“.38 Mehr biographische Zuwendung als in diesem einen Absatz wird ihm nicht zuteil. Entsprechend können in seinem Palast auch keine Bilder von Vorfahren hängen, sondern lediglich die verwandter Geister der Geschichte, wie Cäsar, Alexander der Große, Hannibal, Joseph in Ägypten.39 Es wird deutlich, dass auch die Standeserhebung ihn nicht zum gleichwertigen Partner in diesem Spiel gemacht hat. Und dennoch beginnt für ihn ein neuer Abschnitt, der im Roman auch direkt mit seiner Heirat mit Isabella verbunden wird.40 Noch befindet er sich allerdings in der Konsolidierungsund Vorbereitungsphase, noch hält sich der Friedländer in Lauerstellung zurück, er, „der mit seinen listigen lautlosen Augen saß und nichts vernehmen ließ“.41 „Unfaßbar wie ein Aal war er geworden. Der Umfang seiner Geschäfte, an denen sich die halbe Prager Judenschaft, große auswärtige Bankhäuser beteiligten, übertraf alles Bekannte. Man sah ihn hager, im roten Purpurmantel, darunter der ein­ fache braune Lederkoller, täglich durch die Straßen der Altstadt reiten, von seinen Offizieren gefolgt. Mit ihnen pokulierte er, seine Gicht nicht achtend, in ihren Häusern, bramarbasierte, spekulierte.“42

36  Döblin

(2003), S. 186. dazu auch den Beitrag von Wolfgang Mährle in diesem Band. 38  Davies (2016), S. 79. 39  Vgl. Döblin (2003), S. 201. 40  Der Name wird allerdings nicht genannt, so wie überhaupt Frauen in diesem Text kaum eine Rolle spielen – im Unterschied zum Drama Schillers und anderen Bearbeitungen des Sujets. 41  Döblin (2003), S. 188. 42  Ebd., S. 188. 37  Siehe



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Der Fürst macht zudem als Mäzen und Förderer auf sich aufmerksam. Er baut, so wird mitgeteilt, ein Gymnasium in Gitschin, ein Armenhaus, Hospitäler usw. „Ließ verbreiten, daß er vorhabe, aus Gitschin eine bischöfliche Residenz mit Kathedralkirche zu machen. Vom Wiener Hof hatte er erlangt, daß sein Fürstentum Friedland einen besonderen Appellationsgerichtshof erhielt; nahm in dem Land eine Reform von Verwaltung und Rechtspflege vor.“43 Man könnte sagen, er übt sich in seiner neuen Rolle als Fürst und Landesherr und wartet auf den großen Auftritt, der ihn auf die Weltbühne bringt. Slawata, der ihn besucht, erkennt seinen Plan: „[…] es war erwiesen: der Fürst wollte zum Kaiser; das Tier wollte weiter raffen scharren schlucken gewinnen; es war ein Tier.“44 Wallenstein taucht an verschiedenen Stellen im Roman ebenso plötzlich und eindrucksvoll auf, wie Gewitter losbrechen können. Er schleicht sich als entfesseltes Raubtier durch den Text und verschwindet genauso schnell, wie er kommt. Er entscheidet instinktsicher und dennoch planvoll. Man kann nicht sagen, dass diese Eigenschaften den Mitspielern verborgen geblieben wären. Als Wallenstein am Wiener Hof als zukünftiger Parteigänger des Kaisers ins Spiel gebracht wird, zeigt sich, dass man genau weiß, mit wem man es zu tun hat: „Sie haben ihn den Unmenschen zu Altdorf auf der Universität geheißen. Welcher Praktiken sich der Oberst bedient, wissen die Herren.“ Ulrich von Eggenberg, der diese Einschätzung noch öfter mitteilen wird, sieht sich außerstande, seinen angeheirateten Verwandten Wallenstein im Zaum zu halten: „Er ist ein Bösewicht, in Böhmen hartgesotten, ich sage es den Herren und sie werden einmal daran gedenken; und wir legen uns alle in seine harten Hände. Er ist Katholik, aber nur wer weiß, zu welchem Ende er zu dem wahren Glauben übergetreten ist. Er hat den Satan in sich, Ehrwürden; ich meine es beinahe nicht figürlich. Darum ist er wütend vor Tapferkeit, darum wirft er sein Geld hinaus, weil es doch wieder zu ihm zurückläuft. Darum ist er ohne Erbarmen, eine Furcht für alle, die ihn kennen.“45

Tatsächlich denkt man an diese Worte Eggenbergs noch manches Mal. Ferdinand, dem einige Zeit später das Elend, das sein General im Land hinterlässt, beschwerdehalber mitgeteilt wird, verurteilt ihn daher als „grau­ same[n] Mensch[en]“, als „Barbar[en]“.46 Sein Verhalten, so Ferdinands Ur43  Döblin (2003), S. 189. Vgl. dazu auch die Beiträge von Martin Holý und Petr Fidler in diesem Band. 44  Ebd., S. 191. 45  Ebd., S. 192. Tatsächlich dürfte Eggenbergs Einschätzung von Wallenstein sicherlich weniger negativ gewesen sein. Angeblich soll er Wallenstein teilweise als seinen Sohn bezeichnet haben. 46  Ebd., S. 265.

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teil, ist „roh, es ist unnatürlich, es ist die planmäßige Vernichtung ganzer Leben, ganzer Landschaften, die Gott geschaffen hat“.47 „Er ist ein furchtbarer Mensch“,48 bestätigt Eggenberg im Gespräch mit dem Kaiser erneut. Dabei ist das Schlimmste an ihm – wie schon am Anfang deutlich wurde – offenbar seine Unberechenbarkeit und seine enorme Risikobereitschaft. Genau diese Einstellung lässt ihn wenig menschlich erscheinen. Dabei wird derjenige, der ihm die Bühne bereitet hat, nicht viel sympathischer in Szene gesetzt. Ferdinand, der seine Abhängigkeit von Maximilian hasst und diesen beseitigt sehen möchte, bringt seine Figuren auf dem Spielfeld in Position, „wie ein unverbrennbares Tier seinen schleimigen bunten Leib durch die schwelenden Kohlen zog“.49 Als Salamander kommt er im Feuer nicht um. Aber auch die anderen Figuren zeigen sich von ihrer buchstäblich bestialischen Seite, so beispielsweise Mansfeld: „Der Bastard sah den Friedländer in langen Sprüngen hinter sich […]. Noch einmal riß sich, Hunderte von Mann verlierend, der Bastard los, heulend, Gott und die Seligkeit verfluchend; ein Donnerwetter von Hufschlägen prasselte über die Straße.“50 Die Mächtigen auf den Schlachtfeldern sind entsprechend wahre Höllenhunde: „Einer roch den andern. Sie warfen sich von Ort zu Ort, drückten ihre Leiber fest an den Boden, umklammerten Gehöfte Dörfer Flecken, und wie sie abzogen, ließen sie Schleim Kot Blut zurück, Schutt, glimmende Asche, gelbe Leichen mit verbogenen Gliedern, offenen Mäulern. […] sie waren im Geschäft des Sterbens, der Boden war schön.“51

Krieg destabilisiert jede Ordnung und ist schon deshalb per se eine Kraft, die gegen Geschlossenheit und Klarheit arbeitet. Er bringt nicht nur Tod und Schrecken ins Land, er räumt Vorstellungen Platz ein, die jede Gesellschaft entzweien – der Glaube an Teufel, Dämonen, Hexen und dergleichen sowie judenfeindliche Gewaltakte. Im vierten Buch machen gar „entlaufene Teufel“ das böhmische Land unsicher: „Zwei Teufel hatten sich in der Hölle von ihren Ketten losgemacht und schweiften über den böhmischen Boden.“52 Mit dem Krieg kommen Hunger und Krankheiten. Der Terror des Krieges wird erzeugt durch viele einzelne Schrecknisse, die Döblin immer wieder in den Text einbaut. Wie die apokalyptischen Reiter fallen personifizierte Krankheiten und Vertreter des Bösen über das Land her: 47  Ebd.,

S. 265. S. 266. 49  Döblin (2003), S. 186. 50  Ebd., S. 253. 51  Ebd., S. 254. 52  Ebd., S. 342. 48  Ebd.,



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„Mit unsicheren Schritten, wochenlang anhaltend, heftig vorstürzend, torkelte nach rechts und links über das zerschlagene, ausgesogene Land die Pest, wie der weiß und grünliche Schimmel über dem faulen Fleisch. […] Es sickerte durch das Land, die Zeit des Satanas sei wieder gekommen, er habe das Szepter der Erde an sich gerissen. Er fahre auf glühenden Karossen durch das Reich mit gelben und kleinen Pferden.“53

Nicht nur die Befehlshaber werden zu Tieren, auch die Armeen. Sie wüten ebenfalls in animalischer Weise und fügen den Menschen Schaden zu: „Wie ein Eber den weichen Waldesboden aufreißt, daß die Erde und Moos beiseite spritzen, so stießen Wallensteins Armeen im Reiche vor, warfen die Menschen auseinander, zerschmetterten und durchwirbelten sie, zerstreuten sie in die Winde. In dem Schritte des Heeres war kein Gleichmaß, aber gebändigt war die steife tragende Kraft, die die Dächer abhob, mit Sicherheit Korn Heu Stroh in Tausenden Maltern aus den Dörfern trug, unduldsam, bei Gefahr völlig vernichtete.“54

c) Wallenstein – Satanas, Drache, Drachentöter In diesem höllischen Umfeld wird der Satan des Krieges zum entfesselten Dämon, sodass der kaiserliche Rat Trautmannsdorf schon früh bemerkt: „Es ist mir nicht klar, gegen wen der Herzog Krieg führt.“55 Wallenstein wird mehr und mehr zur Personifikation des Krieges, der ohne jede Rücksicht und Menschlichkeit überrollt und niederwalzt. Und doch bleibt er mitunter verstörend passiv, als sei ihm der Erfolg der anderen egal, solange er selbst finanziellen Nutzen aus der Situation ziehen kann. Dadurch wird er für seine Gegner, aber auch für seine Verbündeten zu einer auch weiterhin nicht einzuschätzenden Instanz. „Wallenstein zwischen Schein und Wirklichkeit – mehrfach spielt der Autor dieses Motiv aus.“56 Selbst der Erzähler hält Distanz zu diesem Menschen mit tierischem Charakter und bewertet dessen Verhalten mitunter entsprechend, so zum Beispiel, als Wallenstein Ferdinand regelrecht erpresst: „Es war Gewalt mit List, was der Friedländer vorschlug, ein scheußlicher grauenerregender Plan: entschlossen und ohne Rücksicht sich des Herzens von Deutschland bemächtigen, mit einer maßlosen Heeresmacht dort ruhen, die Vorgänge im Reich bewachen und nicht davongehen, bis aller Widerstand erstickt und das Heer bezahlt ist.“57

53  Ebd.,

S. 312. S. 307. 55  Ebd., S. 252. 56  Mayer, S. 141. 57  Döblin (2003), S. 263 f. 54  Ebd.,

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Da dieses Schreckensbild eines lauernden, skrupellosen Kriegsfürsten vom Erzähler wiederholt und deutlich gezeichnet wird, ergibt sich zwischenzeitlich ein geschlossener Gesamteindruck: Wallenstein ist der eigentliche Drahtzieher, er ist der Böse, er ist schuld an den Grausamkeiten des Krieges, er ist der totale Krieg. Diese Sicht auf Wallenstein wägt nicht zwischen positiven und negativen Verhaltensweisen ab, sie entspricht aber auch nicht dem statischen und ausschließlichen Wallensteinbild der früheren Jahrhunderte. Döblins Wallenstein wird zerrieben zwischen den eigenen und den unterschiedlichen fremden ­Interessen. Die Undurchsichtigkeit seines Handelns (und mitunter Handelns durch Nicht-Handeln) kann durchaus auch vom Leser als Versuch verstanden werden, im Sinne Leopold von Rankes eine „Pazifikation des Krieges“58 herbeizuführen. Die in der Wallensteinforschung über Jahrhunderte immer wieder gestellten Fragen nach seinen genauen Motiven, vor allem hinsichtlich seines Verrats, können für Döblin jedoch kein Thema sein. Das geht schon deshalb nicht, weil die Figuren im Roman sich nicht in ihrer Persönlichkeit entwickeln.59 Sie werden nicht ausführlich vorgestellt und biographisch beleuchtet, sie sind einfach irgendwann da und werden lebendig durch Aktion: „Wichtig sind dem Erzähler offenbar v. a. die Physiognomie, Gestik, Mimik und Haltung der Figur“,60 wobei einzelne Beschreibungen sich durchaus ­widersprechen können. So ist es beispielsweise möglich, dass eine Figur, in diesem Fall Slawata, plötzlich eine andere Haarfarbe bekommt.61 Dies ist wohlgemerkt kein Versehen des Autors, sondern verweist vielmehr symbolisch auf eine Änderung in der Verhaltensweise der jeweils geschilderten Person. In jedem Fall lässt sich festhalten, dass Wallenstein bei Döblin nicht aus nationalem Interesse handelt. Er ist an Geld interessiert und nicht am Tragen der böhmischen Krone. Derartige Ansinnen würdigt er kurz vor seinem Romantod noch nicht einmal einer direkten Erwiderung. Böhmen ist Wallenstein vollkommen egal. Dass er im Roman immer wieder als Böhme tituliert wird, soll ihn, wie Tilman Kasten überzeugend dargelegt hat, in erster Linie als einen Fremden ausweisen: „Er wird als das Ungeheuerliche, das Andere, in abstrakten Kategorien nicht Fassbare präsentiert.“62 Er ist auf der Seite des Mythischen, Dämonischen, des Feuers und der Ungeheuer. 58  Mannigel,

S. 550. ist ein historischer Roman jenseits des Historismus, der gängige Individualitäts- und Entwicklungskonzepte destruiert, ein Roman, der Geschichte pluralisiert, ohne daß sie zu puren Einzelgeschichten verkommt.“ Müller, Ha., S. 93 f. 60  Kasten, S. 197. 61  Vgl. ebd., S. 97. 62  Ebd., S. 202. 59  „Wallenstein



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Verstärkt wird der Eindruck, Wallenstein sei eine Urgewalt, durch eine Sequenz, die den Dänenkönig Christian in den Mittelpunkt stellt. Dieser wartet auf Wallensteins Ankunft im Norden. Seine Haltung den Geschehnissen gegenüber wird deutlich, allerdings bleibt in der Schwebe, ob es sich um die Ansichten des Erzählers (als Nullfokalisierung) oder um diejenigen Christians (interne Fokalisierung) handelt: „Fiebernd und sich selbst grollend erwartete ihn der Däne; voll Ruhmbegier, ohne Not, in der Hoffnung auf den sicheren Sieg hatte er den Krieg begonnen, dann hatte sich, wie vom Satanas geschickt, in Böhmen dieses Wesen emporgewälzt, nicht vorauszusehen, noch jetzt nicht zu fassen, ausgestattet mit Reichtum, Härte, Unabhängigkeit, neben einem zusammenbrechenden Kaisertum, und tatzte nach ihm, nach seiner jungen lebensdurstigen Herrlichkeit. Mit diesem gab es keine Versöhnung, der kannte kein Paktieren, der niedriggeborene Mensch, das widrige feuergeglühte Geschöpf.“63

Wenn Wallenstein schließlich am Ende des Buches Der Krieg, nachdem er Dänemark besiegt hat, zum Ritter Georg wird, ist endgültig klar, dass der Erzähler dieses Romans nicht bereit ist, für Objektivität und damit nicht für Geschlossenheit und Ordnung der Darstellung zu bürgen. Er ist parteiisch, aber in dieser Parteinahme unstet, wie es eben in Kriegszeiten üblich ist und wie der Roman es wiederholt vorführt. Genauso bekommt der stets unbeliebte Wallenstein dann doch plötzlich die Anerkennung der Wiener Machthaber: „Der Hof verfolgte von Wien aus den Kampf, das grausame Niederringen des Dänen an der Meeresküste wie von einer bekränzten hohen Tribüne herab, unter schallenden Flöten Zinken Posaunen Pauken; der Herzog von Friedland war als Ritter Georg hinausgeschickt worden, den Drachen zu bezwingen. Und er machte es vorzüglich, man mochte ihm den Beifall nicht vorenthalten.“64

Wallenstein – selbst mehrfach als Drache im Text beschrieben65 – ist, je nach Perspektive, der Drache selbst, also der Teufel, oder der Drachentöter Georg, und damit ein Soldatenheiliger.66 Gut und Böse sind in einer Figur vereint,67 Wallenstein ist ein Tier, aber eben nicht das einzige. Im Kriegsgewimmel des fünften Buchs kristallisiert sich heraus, dass auch die scheinbar Mächtigen sterblich sind und nicht wirklich die Fäden in der Hand haben, da der Krieg sein eigenes Regiment führt. Das Tier Wallenstein wird durch seine Entlassung in seiner selbstbewussten Haltung erschüttert. 63  Döblin

(2003), S. 287. S. 319. 65  Auf allein neun Textstellen mit direkter Nennung wird in der Ausgabe verwiesen, hinzu kommen aber weitere, in denen der Begriff nicht genannt wird, aber die Anspielung offensichtlich ist. 66  Vgl. Fischer, H. 67  Vgl. Kasten, S. 206. 64  Ebd.,

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Er zeigt Nerven und Gefühle, die Distanz des Erzählers (und damit des Lesers) zu ihm verringert sich. Wallenstein empfindet sich selbst zunehmend als „wurmstichig“, er erkennt seinen beginnenden Niedergang und wird damit zum tragischen Menschen. Allein etwa die Ankündigung von Eggenbergs Besuch lässt ihn zusammenbrechen: „Er schluchzte eine halbe Stunde, auf dem Stuhl am geöffneten Fenster sitzend, nach dem öden Garten zu sitzend, hatte eine wachsfarbene schmale Nase, griff oft nach seiner Brust, war nach seinen leeren Blicken nicht ganz bei Besinnung.“68 Der Krieg wird zum Selbstläufer und gerät außer Kontrolle. Ferdinand, der sonst eher blind durch die Welt geht, erkennt die Lage in diesem Fall glasklar: „Frieden, Ihr Herren. Wir sind nur Werkzeuge, wer weiß in wessen Händen. Ich hoffe, in Gottes, Marias und der Heiligen.“69 Auch formal geht in diesem Buch jede Geschlossenheit verloren, die Ereignisse werden nur noch schlaglichtartig aneinandergehängt, die Ebenen und Handlungsorte permanent gewechselt, es häufen sich implizite Ellipsen. Reichsfürsten werden in der Erzählerrede lächerlich gemacht und ihre politische Taktik als Kinderspiel entlarvt.70 Nur eines zieht sich unbeirrt durch alle Sequenzen: der Krieg. Er hat auch am Ende des fünften Buches, nach der Beschreibung der Trauerfeier für Gustav Adolf, das letzte Wort: „Gebrüll der Kanonen.“71 Der Krieg ist auch das, was am Ende des Romans übrigbleibt, nachdem Wallenstein gestorben und Ferdinand in den Wald gegangen ist. 4. Ein Ende? Die Ermordung Wallensteins fällt erstaunlich kurz aus. Eine turbulente Szene endet in einem einzigen Satz: „Dem Herzog, der im weißen Schlafhemd mit ausgespannten Armen neben Slawatas zuckendem Körper stand, riß die Partisane die halbe Brust auf.“72 Zwar scheint die epische Erzählung damit beendet, dass die ausdrückliche und die heimliche Hauptfigur das Geschehen verlassen hat, aber selbst diese lebensgeschichtliche Geschlossenheit erweist sich als eine trügerische, wenn man sich die letzten Sätze vergegenwärtigt: „Die Söldnermassen selbst brachen gegeneinander los, schlugen sich nieder, verfolgten sich, metzelten sich 68  Döblin

(2003), S. 557. S. 556. 70  „Da zog sich Johann Georg Socken über die Füße, tapste nach Torgau. Klagte und plärrte unterwegs viel; sei der treueste Reichsfürst, ihm tue man dies an […].“ Ebd., S. 502. 71  Ebd., S. 587. 72  Ebd., S. 714. Dass Slawata zeitgleich stirbt, gehört zu den Abweichungen Döblins von den historischen Fakten. 69  Ebd.,



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von neuem, Kaiserliche Sachsen Schweden Bayern. Im Westen hatten sich die Welschen gesammelt. Sie warteten in frischer Kraft auf ihr Signal, um sich hineinzuwerfen.“73 In diesem Ende steckt ein neuer Anfang, und mit dem Eintritt Frankreichs in den Krieg eine neue Etappe in einem längeren Prozess, in dem jeder Beteiligte nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wie in all seinen Romanen geht es Döblin weniger um die Darstellung historischer Fakten, sondern um, wie er es selbst beschreibt, „Elementarsitua­ tionen des menschlichen Daseins“74. Deutschland wird in diesem Roman zum „Land einer pedantischen epischen Realistik“.75 Wie die Figuren so ist auch der Leser verloren im Spiel, wenn er sich auf den Text einlässt. Da er keine Orientierungspunkte wie Jahreszahlen oder eindeutige Wertungen erhält, muss er sich selbst aktiv in das Spiel einbringen. Er muss ordnen und werten – und wird schließlich erkennen, dass es keine eindeutige Beurteilung geben kann. Deshalb schleicht sich die Erzählung sozusagen aus der Geschichte, wie sie sich hineingeschlichen hat, oder wie Döblin es ausgedrückt hat: „Der ‚Wallenstein‘ hier ist das epische Lied vom großen erschütternden Krieg, von den Gewalten, die er aufrichtet, von seinen ungeheuren Menschen und Vorgängen, – und von der Menschlichkeit, die den Krieg durchirrt und ihn, ich denke, in einer nicht fernen Zeit niederwirft. In diesem Buche freilich sieht man sie weinen und klagen und zum Schluß davonschleichen.“76

Die Figur des Wallenstein lebt durch seine Furchtbarkeit, die sie bei allen erweckt. Furchtbar ist sie, weil sie unberechenbar und unnachgiebig ist. Damit aber ist Wallenstein ein Symbol für den Krieg insgesamt – ebenso abschreckend wie anziehend.77 Dies zu zeigen ist die Aufgabe des Romans. Es geht nicht um eine erneute Betrachtung Wallenstein’scher Überlegungen und Beweggründe. Er bleibt undurchdringlich wie alles, was dem Menschen in Situationen der Gewalt wiederfährt. „Einigen wir uns darauf: Raufboldigkeit, Händelsucht, Diebsbegierde, gemildert durch Phrasen und Wahnideen. Mit anderen Worten: das alte Lied.“78

73  Ebd.,

S. 733. (1989b), S. 218. 75  Ebd., S. 225. 76  Döblin (1986a), S. 187. 77  Klaus R. Scherpe u. a. hat darauf hingewiesen, dass in Döblins Roman (wie auch andernorts) die Folter und Verbrennung des jüdischen Ehepaars durchaus auch ansatzweise erotische Züge trägt. Gewalt kann in ihrem Schrecken zugleich fesselnd sein. Vgl. Scherpe, S. 238. 78  Döblin (1972), S. 53. 74  Döblin

Von der Kraft der Geschichte auf dem Theater – Überlegungen zu Wallenstein im Theater der Gegenwart Von Bettina Brandl-Risi Nach Wallenstein im Theater der Gegenwart zu fragen, heißt, nach einem problematischen Fall zu fragen. Dafür gibt es einen recht einfachen, pragmatischen Grund, und einen zweiten, tiefer liegenden, der zu Grundfragen des theatralen Selbstverständnisses in der Gegenwart führt. Zum einen ist der schiere Umfang des Schillerschen Textes – und um diesen geht es im Folgenden – seit jeher ein Problem der Aufführungspraxis. Fragen wie die nach der Aufführungsdauer – also ob drei, zwei oder vielleicht auch ein Abend reichen – und nach der großen Besetzung mit einer Vielzahl von Schauspieler_innen und Statist_innen zeigen, dass Wallenstein ein sperriges Material im Tagesbetrieb des Theaters ist, das nahezu jeder Aufführung Event-Charakter verleiht. Insofern lässt sich keine lebhafte Konjunktur von Schillers Dramen-Trilogie auf den Bühnen der Gegenwart verzeichnen, eher eine Reihe beherzter Versuche. Diese aber stehen alle vor einer ähnlichen Problemlage: Was bedeutet (ein) Geschichtsdrama heute? Welche Geschichte ist gemeint? Und für wen gilt das erfragte ‚Heute‘? Denn es steht einiges auf dem Spiel: etwa die Frage nach dem Umgang mit dem Mythos Wallenstein, mit dem kulturellen Erbe, mit dem ‚Klassiker‘ Schiller, mit dem kulturellen Gedächtnis jenseits der literarischen Überlieferung, mit dem Verhältnis von Geschichte und Gegenwart und – nicht zuletzt – mit dem Verhältnis von Theater und Geschichte überhaupt bzw. unserm Umgang mit Theater­ geschichte. Anschließen ließen sich Fragen nach dem literarischen und theatralen Historismus, nach dem Verhältnis von Theater und Realismus bzw. Authentizität, nach Darstellungstechniken der Vergegenwärtigung von Geschichte durch performative Verkörperung oder auch der Distanzherstellung im Theater, nach dem Verhältnis der einzelnen gegenwärtigen Aufführung zur Theatergeschichte und nach dem Ort der Politik im Theater. „Die Verwandlung von Sprengsätzen in Teekannensprüche ist die Leistung der deutschen Misere in der Philologie.“ Dieses Verdikt Heiner Müllers von 1985 über die literaturwissenschaftliche Wallenstein-Rezeption1 ließe sich auf einen Pol der Wallenstein-Aufführungen der jüngeren Vergangenheit ummün1  Müller,

He., S. 103, vgl. dazu: Alt (2010) II, S. 456.

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zen, die in einer Feier des Textes sprecherische Artistik zelebrieren, Überzeitlichkeit wollen und allzu Konkretes meiden. Dem stehen entgegen jene Aufführungen, die Ambivalenzen und Brüche riskieren, Schillers Sprengsätze oder auch ganz eigene zünden und radikale Positionen beziehen, ohne dass ich damit ein schematisches Raster aller Aufführungen skizzieren will.2 Exemplarisch seien einige genannt:3 Gustaf Gründgens als Wallenstein in Wallensteins Tod unter der Regie von Ulrich Erfurth (Düsseldorf 1953) wird in den Kritiken als melancholischer Wiedergänger Hamlets4 beschrieben, der enthistorisierend, entpolitisierend dargestellt gewesen sei.5 Dagegen finden sich in den Äußerungen zu Karl Parylas Inszenierung am Deutschen Theater Berlin 1959 mit Wolfgang Heinz als Wallenstein, einer wichtigen Station der DDR-Rezeption, uneindeutige Einordnungen: Ganz auf ideologischer Linie wurden anhand der Strichfassung die „progressiven politischen Ziele Wallen­ steins“6 herausgestellt und der Realismus der Darstellung gelobt, aber es gibt auch Anzeichen, dass der Protagonist als widersprüchlicher Charakter gezeichnet war.7 Eine radikale Position bezog Hansgünther Heyme (Köln 1969) mit Karl Heinz Pelser als Wallenstein: Er zeigte eine radikale Bearbeitung auf dreieinhalb Stunden, folgend Heymes Credo, „gegen den Strich spielen“, um die Stücke „für uns wichtig zu machen, sie im letzten für uns zu retten“8 – eine inzwischen selbst klassisch gewordene Regietheater-Position. So wurde Wallenstein ein Anti-Kriegsstück vor dem Hintergrund des Vietnam-Kriegs einschließlich einer Vietnam-Resolution des Ensembles gegen die US-ameri2  Zu bedenken ist bei dieser historiographischen Auseinandersetzung mit vergangenen Aufführungen zudem, dass diese – da selbst historisch – im Wesentlichen nur im Diskurs über die Aufführungen zugänglich sind. 3  Die prägende Wirkung der als Modellinszenierung propagierten und als solche auch gefeierten Produktion des Meininger Hoftheaters 1881 / 82, die umfangreich auf Tourneen gezeigt wurde und Ausweis eines bildnerischen Historismus in Bühnenbild und Kostümen war, bis ins späte 20. und ins 21. Jahrhundert hinein zu verfolgen wäre ebenso lohnend wie Versuche aus dem Kontext der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts mit einzubeziehen wie Max Reinhardts Inszenierung 1914 am Berliner Staatstheater mit Albert Bassermann. 4  Vgl. etwa Schön, Gerhard: Beiläufige Historie, in: Süddeutsche Zeitung vom 16.9.1953, zit. nach Piedmont, S. 169. 5  Vgl. Piedmont, S. 169. 6  Hartmann, Horst: Wallenstein – Geschichte und Deutung, Berlin 1987, S. 130, zit. nach Piedmont, S. 172. 7  Vgl. etwa Helmut Schiemann, in: Theater der Zeit 5, 1959, S. 42–46, zit. nach Piedmont, S. 172 f. Leopold Lindtbergs Inszenierung (Burgtheater Wien 1959) mit Ewald Balser als Wallenstein wird der Versuch einer „Entheroisierung des Protagonisten“ bescheinigt (Piedmont, S. 173). Eine weitere wichtige Inszenierung erfolgte durch Heinrich Koch bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen 1961 mit Bernhard Minetti in einer Aufführungsserie von 30 Abenden. 8  Heyme, zit. nach Piedmont, S. 176.



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kanische Kriegsführung, für die eine Unterschriftensammlung im Publikum veranstaltet wurde. Wallenstein wurde porträtiert als einseitiger Charakter, als „Pragmatiker des Machtkampfs“.9 Gab es in den 80er und 90er Jahren fast keine Aufführungen, sieht man einmal von Franz-Peter Wirths drittem Fernseh-Mehrteiler von 1987 ab, so stieg die Frequenz rund um die Jubiläumsjahre: 200. Jahrestag der Uraufführung 1999, 200. Todestag Schillers 2005, 200. bzw. 250. Geburtstag 1959 bzw. 2009.10 2007 inszeniert Wolfgang Engel die Wallenstein-Trilogie in Leipzig an drei Spielorten, mit einer Spieldauer von acht Stunden und dem 33-jährigen Stefan Schießleder als Wallenstein, endend in einer gerappten Version von Wallensteins Lager am Völkerschlachtdenkmal durch junge Leipziger und Gäste. Zuletzt hatte Michael Thalheimers Inszenierung an der Schaubühne Berlin 2016 Premiere mit Ingo Hülsmann, der fast den ganzen Abend über in einem Sessel sitzt, in einer für Thalheimer typischen Stilisierung (drei Stunden ohne Pause), mit großer formaler Strenge und Statuarik, stark choreographiert. Der sicherlich aufsehenerregendsten Inszenierung der letzten Jahre, Peter Steins zehnstündiger Fassung von 2007 in einer Halle der ehemaligen Berliner Kindl-Brauerei (mit dem Berliner Ensemble als Gastgeber) und mit Klaus-Maria Brandauer als Wallenstein, gelten nun einige weitere Überlegungen, um dann anhand einer ganz anderen Version des Wallenstein des Theaterkollektivs Rimini Protokoll aus dem Jahr 2005 die angesprochenen tiefer liegenden Probleme mit Wallenstein und der Geschichte im Theater weiter auszufalten. Peter Stein, eine der Regielegenden des deutschsprachigen Theaters, Mitbegründer der sagenumwobenen Berliner Schaubühne der 1970er Jahre, für seine sezierenden Klassikerinszenierungen berühmt geworden, widmet sich in den letzten Jahren außer der Oper zunehmend riesenhaften Projekten: der ganze Faust bei der Expo 2000 oder eben der ganze Wallenstein, für die er insgesamt verantwortlich zeichnet, weit über die Funktionen eines Regisseurs hinausgehend. Im Widerspruch zur Theatertradition, die entweder gekürzte Fassungen oder wenigstens zwei Spieltage vorsah, ging es Stein dezidiert darum, den ganzen Text an einem Tag aufzuführen. Mit nur 5 bis 6 % Kürzungen im Text11 entstand so eine Aufführungsdauer von über 10 Stunden, 9  Ebd.

10  1999 zeigte Hasko Weber am Staatstheater Dresden die komplette Trilogie an zwei Abenden mit Dieter Mann, dabei den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr thematisierend. Als Nachzügler zu 2005 lässt sich Thomas Langhoffs Inszenierung (Burg­ theater 2007) als verkleinernder Politthriller mit Gert Voss als Wallenstein verbuchen als Ersatzprojekt für Andrea Breths gescheiterten Plan einer Gesamtaufführung. 11  Vgl. Stein, S. 12.

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davon gut 7 Stunden reine Spielzeit, und dies in einer Aufführungsserie von 30 Tagen.12 Zu erleben war hier Steins Vertrauen in die Kraft und den akustischen Genuss, den die gesprochenen Schiller-Verse bieten, gepaart mit bildlichem Naturalismus bis hin zum Kunstschnee des Lagers, historisierenden Kostümen in abstrakten Lichträumen auf einer 40 Meter breiten Bühne fast im Cinemascope-Format. Brandauers Wallenstein ist ein kraftmeiernder Spielertyp, ein „Strizzi“13 mehr als ein Heros, und gleichwohl gereiht in die sich ihrer selbst bewusste Tradition der Großschauspieler, auch wenn Gerhard Stadelmeier in der FAZ auf Steins Leistung verweist, Brandauer zum ersten Mal seit dessen Durchbruch als Schauspieler 1970 unter Kortners Regie dazu gebracht zu haben, nicht sich selbst zu spielen, sondern tatsächlich hinter der Figur zu verschwinden.14 Andererseits liegt es nahe, wie Jenny Hoch im Spiegel Steins Inszenierung als eine Form von Museum zur Geschichts- und Dramenvermittlung zu beschreiben, in der es jenseits von Aktualisierung um die „ganz alte Schule der Mimenkunst“15 ginge. Positiver formuliert identifiziert Dirk Knipphals in der taz das historisch Distante dieser Inszenierung als eine besondere Qualität, „das alte Stück gerade auch in seiner Fremdheit zu belassen“, als „Textoper […] mit Schillerarien und kämpferischen Duetten“.16 Die bildliche Opulenz – gepaart mit der Konzentration auf die sprecherisch-gestische Handlung – wirkt auf Zuschauende wie mich, die ich die Aufführung nicht live, sondern nur über die Mediatisierung einer hausinternen Videoaufzeichnung gesehen habe, wie ein Wiedergänger theaterhistorisch distanter Ereignisse als Erfahrung der Asynchronizität einer theatralen Ästhetik. Gleichzeitig muss es für die Beteiligten eine intensive Zeiterfahrung der Gegenwart gewesen sein,17 der geteilten Lebenszeit mit den Agierenden, die manchen (Zeit-)Er12  Wallenstein, Regie: Peter Stein, Preuss-Halle / ehemalige Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln, 2007. Aufführungsdauer: 10 Stunden (jeweils von 14–22 Uhr). Bühne: Ferdinant Mögerbauer, Kostüme: Moidele Bickel, mit: Klaus Maria Brandauer (Wallenstein), Peter Fitz (Octavio Piccolomini), Daniel Friedrich (Graf Terzky), Rainer Philippi (Illo), Uli Pleßmann (Isolani), Jürgen Holtz (Buttler), Walter Schmidinger (Seni Baptista), Axel Werner (MacDonald), Michael Rothmann (Devroux), Roman Kaminski (Wrangel), Elke Petri (Herzogin von Friedland), Elisabeth Rath (Gräfin Terzky), Alexander Fehling (Max Piccolomini), Friederike Becht (Thekla). 13  Stadelmeier. 14  Vgl. Stadelmeier. 15  Hoch. 16  Knipphals. 17  Bei einer Aufführungsdauer von immerhin über 10 Stunden, vgl. Schaper. Jenny Hoch spricht gar von der Qualität des „Theater-Exerzitiums“, geteilten „körperlichen und psychischen Qualen“ und einer „Schicksalsgemeinschaft“, vgl. Hoch.



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fahrungen des postdramatischen Theaters, wie Hans-Thies Lehmann sie beschreibt,18 gar nicht unähnlich gewesen sein mag.19 Zwischen Ereignis und „Reanimation“20, so ließe sich vielleicht die in vielen Rezeptionszeugnissen erkennbare Zwiegespaltenheit auf den Begriff bringen. Das Stichwort „Reanimation“, im Sinne der Theater-Praxis des „revival“ einer alten Produktion am Broadway, verweist auf die Wiederbelebung einer alten und bekannten Ästhetik. Geht man auf die medizinische Konnotation des Begriffs, wird das Prekäre dieser Figur deutlich: der Versuch, etwas fast schon Totes ins Leben zurückzubringen. Was ist das für eine Rezeptur für die Arbeit an der Geschichte (des Theaters)? Einen radikal anderen Weg des Umgangs mit Text, Mythos, Geschichte und Darstellungsweisen ging Wallenstein. Eine dokumentarische Inszenierung des Kollektivs Rimini Protokoll. Produziert wurde diese Arbeit im Auftrag der 13. Internationalen Schillertage Mannheim und des National­ theaters Mannheim zusammen mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar, uraufgeführt wurde sie am 5. Juni 2005; die Aufführung erbrachte schließlich eine Einladung des Kollektivs zum renommierten Berliner Theatertreffen 2006.21 Lehmann, S.  309 ff. es Stein tatsächlich ganz grundlegend und vielleicht sogar an vorderster Stelle darum ging, eine Erfahrung, ja ein Theaterereignis zu produzieren, ein Event (weil er genau das kann und mag, lang anhaltende Veranstaltungen zu organisieren), und nicht originär das Interesse an Schiller oder an Wallenstein, formuliert er selbst in einem Vortrag (vgl. Stein, P., S. 1). Nach Goethes Opus Magnum Faust sei eben Schillers Opus Magnum Wallenstein die logische Konsequenz für sein nächstes Projekt gewesen. Und so baute er einen eigenen Theaterraum in die Halle der aufgelassenen Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln für dieses Projekt, mit allem drum und dran, Restaurant, Garderoben, Toiletten, worüber er stolz und nahezu ebenso ausführlich wie über seine Regie-Konzeption den Journalisten Auskunft gab, nicht ohne den Hinweis darauf, Wallenstein sei politisch, da Fragen von gesamteuropäischer Bedeutung nach politischen Systemen, deren Angreifbarkeit und Veränderbarkeit, nach Frieden und Sicherheit aufgeworfen würden (eine Gedankenlinie, die sich mir beim Betrachten der Aufführung nicht übermäßig aufgedrängt hat). 20  Vgl. Hoch. 21  Wallenstein. Eine dokumentarische Inszenierung, Regie: Helgard Haug / Daniel Wetzel (Rimini Protokoll). Mit Rita Mischereit (Inhaberin einer Partnerschaftsagentur, Tel 0162 3706807), Esther Potter (geprüfte Astrologin, DAV), Wolfgang Brendel (Oberkellner im Hotel Elephant a. D.), Friedemann Gaßner (Elektromeister und Schillerfan), Robert Helfert (Stadtamtsrat a. D., 1944 / 45 Luftwaffenhelfer), Ralf Kirsten (stellv. Leiter einer Polizeidirektion, Stadtrat Weimar), Dr. Sven Joachim Otto (Richter am Sozialgericht Heidelberg, Stadtrat Mannheim), Hagen Reich (ehemaliger Zeitsoldat), Dave Blalock und Darnell Stephen Summers (Vietnam-Veteranen, Antikriegs­ aktivisten). Die Aufzeichnung der Aufführung ist auf der Homepage von Rimini Protokoll abrufbar: URL http: /  / www.rimini-protokoll.de / website / de / project / wallen stein (Stand 30.10.2017). Die Selbstbeschreibung im Pressetext lautet folgenderma18  Vgl.

19  Dass

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Wallenstein war der erste Versuch von Mitgliedern des Performance-Kollektivs Rimini Protokoll, einen kanonischen Dramentext zu bearbeiten. Frühere Inszenierungen arbeiteten mit Bewohner_innen eines Altersheims (Kreuzworträtsel Boxenstopp, Frankfurt, 2000), mit Menschen, die im Bestattungsbusiness tätig sind (Dead Line, Hamburg, 2003), und Betroffenen des Konkurses der Fluggesellschaft Sabena (Sabenation, Brüssel 2004), um nur einige Beispiele zu nennen. Anstelle der sonst bei Rimini Protokoll praktizierten Ansammlung und Ausstellung von eher „unspektakulärem“22 biographischen oder beruflichen Wissen war hier das Auswahlkriterium für das Casting der meisten Beteiligten ein zentrales krisenhaftes oder gar traumatisches Ereignis in der eigenen Biographie, dessen Thematisierung Teil der Aufführung wurde. An diesem Abend mit einer Aufführungsdauer von 2 Stunden und 10 Minuten sehen wir echte Soldaten und einen echten (inzwischen ehemaligen) Politiker, die zur gleichen Zeit sowohl sich selbst mit Klarnamen als auch eine Version von Schillers Drama darstellen. Die Darstellenden als Laien zu bezeichnen, würde jedoch dem Gezeigten nicht gerecht; sie sind Expert_innen der eigenen Biographie und „Spezialisten in ­eigener Sache“23. In der Wallenstein-Version von Rimini Protokoll werden die ethischen Dimensionen von Handlungsmacht und Verantwortung für die eigenen Taten, Loyalität, Intrige, Verrat, Aufstieg und Fall aus verschiedenen historischen Perspektiven beleuchtet, ausgehend von Schillers Szenario über die katastrophalen Kriege des zwanzigsten Jahrhunderts bis hin zu den etwas näher zurückliegenden politischen Verstrickungen in Ost- und West-Deutschland und den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die Darstellenden erzeugen eine komplexe Schichtung von ‚Realität‘, die auf der Bühne im Modus des Berichts evoziert wird und für die die Menschen mit ihren Biographien einstehen, und fiktionaler Handlung, die die biographischen Erzählungen und dargestellten Szenen mit Passagen aus Schillers Drama verschränkt. Dabei gibt es nur wenige eindeutige Hinweise für eine motivische Zuordnung von Personen zu konkreten Figuren in Schillers Trilogie, eher zu Problemlagen, die Schillers Text aufwirft. ßen: „Auf der Bühne stehen Menschen aus Mannheim und Weimar. Mit ihren Biografien messen sie sich an Schillers Protagonisten und treten ihnen entgegen. Menschen aus zwei Städten, die zu den gegensätzlichen ideologischen Blöcken entlang des Eisernen Vorhangs gehören: Experten für Aufstieg und Fall im politischen Ränkespiel der Macht, Loyalität und Gehorsam oder eben auch das Individuum in rasanten politischen Umbruchphasen.“ Zit. nach Dreysse / Malzacher, S. 224. Es existiert eine Filmversion dieser Aufführung unter dem Titel Wahl Kampf Wallenstein. Im Vorspann dieses Films wird das Projekt folgendermaßen beschrieben: „10 Menschen überschreiben mit ihren Biographien Schillers Wallenstein“. 22  Malzacher, S. 24. 23  Dreysse, S. 27.



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Neben dem Mannheimer Kommunalpolitiker Dr. Sven Joachim Otto (CDU), dessen erlittener politischer Meuchelmord noch am ehesten eine Nähe zur Figur Wallenstein suggeriert, ist der Polizist Ralf Kirsten ein zwischen Beruf, Systemloyalität bzw. -kritik und Liebe in der DDR zunächst Zerbrechender (ein Max Piccolomini), wird nach der Wende jedoch aus denselben Konfliktlagen heraus in seinem Karriereweg bevorzugt (ähnlich Octavio). Unter den Darstellern sind ferner eine Astrologin, Esther Potter (Seni), sowie Rita Mischereit, die einen Dating-Service, in ihrem Worten eine „Seitensprungagentur“ betreibt (der Kupplerin Gräfin Terzky zugeordnet) und deren Handy tatsächlich (zumindest entsteht ein solcher Eindruck) während der Aufführung klingelt mit einem Kundenanruf, den sie auch live beantwortet, wobei alle anderen Aktivitäten gestoppt werden – ein Fall des „Einbruchs des Realen“24 in die Theatersituation. Dazu treten vier ehemalige Soldaten auf, darunter zwei Vietnam-Veteranen, Darnell Summers und Dave Blalock, Robert Helfert, ein einstiger Luftwaffenhelfer, und der frühere Bundeswehrsoldat Hagen Reich, der von seinem beruflichen Scheitern im Training für den Kosovo-Einsatz berichtet. Die Soldaten erzählen von ihren traumatischen Erlebnissen im Krieg und während der Ausbildung, indem sie Situa­ tionen des Konflikts von Befehlsgehorsam und moralischer Überzeugung bis hin zu Mordkomplotten an korrupten Vorgesetzten beschreiben. Dabei erzählen sie ihre in der Vergangenheit erfahrenen Emotionen nicht nur nach, sondern erleben diese im Erzählen zum Teil anscheinend wieder und thematisieren diese Erfahrung in der Situation selbst: „This is really hard for me“, sagt Blalock während seines langen Monologs über die gesehenen Gräuel im ­Vietnam-Krieg. Der CDU-Politiker Otto erzählt recht nüchtern von seinen kleineren Machenschaften und Schummeleien während des Oberbürgermeister-Wahlkampfs, aber auch seine Geschichte als Mobbingopfer anderer Parteimitglieder bei seiner durch Verweigerung von Fraktionsstimmen torpedierten Wahl zum Stadtkämmerer und fragt schließlich das Publikum, ob sie ihn bei einer zukünftigen Wahl wiederwählen würden. Der Reigen der Darstellenden wird komplettiert durch Wolfgang Brendel, den ehemaligen Oberkellner des Hotels „Elephant“ in Weimar, der während der Aufführung kocht, sowie Friedemann Gaßner, einen Mannheimer Schiller-Fan, von Beruf Elektromeister, der seit Jahren Freude daran hat, Tag für Tag Schiller-Verse auswendig zu lernen, und der diese in einem hölzernen Pathos vorträgt, ebenso befremdend wie anrührend in seinem Eifer. Diese unterschiedlichen Menschen treffen in der Aufführung aufeinander und erzählen einander und uns, marschieren und singen miteinander, und treten damit sowohl in ihren getrennten Biographien als auch in ihrer geteilten Theaterexistenz als Gruppe auf. 24  Lehmann,

S. 178.

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Abb. 1: Wallenstein. Eine dokumentarische Inszenierung, Regie: Helgard Haug / Daniel Wetzel (Rimini Protokoll), UA 2005. Von links: Hagen Reich, Ralf Kirsten, Friedemann Gaßner, Darnell Stephan Summers, Robert Helfert. Foto: @Barbara Braun / drama-berlin.de

Die Aufführung setzt ein – augenzwinkernd werkgetreu – mit einem Prolog, in dem Schiller das Wort hat. Es handelt sich um Zitate von GoetheTexten und Schiller-Versen, die allerdings als Zitate und in der Darbietung durch den Schiller-Fan Gaßner in gewisser Weise gebrochen werden: das euphorische Liebhabertum des Laien-Sprechers erklingt hier in all seiner Aufgeregtheit und Unzulänglichkeit, gleichzeitig aber als Ausstellung der Sprache als historisches Erbe, als ästhetische Erfahrung der schönen Sprachform, ebenjener Versifizierung, mithilfe derer Schiller die Stilisierung und Distanzschaffung zum aufdringlich Realen gewesener Gegenwart bewerkstelligte.25 Die Fragilität der nichtprofessionellen Darstellenden – das Bewusstsein des Nicht-Perfekten, das Bewusstsein, sich nicht hinter eine Rolle zurückziehen zu können – spielt eine große Rolle für das theatrale Konzept von Rimini Protokoll, das sich an der Grenze zwischen Authentifizierung der Darstellenden 25  Bei den Zitaten handelt sich es zunächst um einen Auszug aus Goethe, Über Schillers Wallenstein (Hrsg. von Trunz) XII, S. 252. Das zweite Zitat stammt aus Wallensteins Lager VII, S. 384 ff., das dritte Zitat aus Wallensteins Lager XI, S. 796 ff.



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Abb. 2: Wallenstein. Eine dokumentarische Inszenierung: Sven Joachim Otto (stehend) fragt pesönliche Überzeugungen und Vorlieben ab, zu denen sich zu bekennen die Darstellenden und das Publikum aufgerufen sind. Von links: Wolfgang Brendel, Ralf Kirsten, Darnell Stephen Summers, Friedemann Gaßner, Robert Helfert, Dave Blalock. Foto: @Barbara Braun / drama-berlin.de

und ihrer ‚Figuren‘ und theatraler Repräsentation abarbeitet. Ihre Recherchen zur Trennlinie zwischen Kunst und Leben, zwischen dem Profes­ sionellen und dem Nicht-Professionellen, erlauben eine intensive Erfahrung ebenjener ­Inszenierung von Authentizität, die individuelle und körperlich verbürgte Zeugenschaft von Geschichte mit Verfahren der Fiktionalisierung verschränkt. Der Umgang mit dem Verhältnis von Theater und Geschichte ist hier also ein ganz anderer als in der Aufführungs-Tradition des Schillerschen Geschichtsdramas: Es ist kein Kind des Historismus, keine Vergegenwärtigung eines historischen Moments durch performative Verkörperung, sondern das von der Gruppe selbst ausgewiesene „Dokumentarische“ als Frage des biographisch Historischen, das jedoch keineswegs ohne Ästhetisierung auskommt. Denn auch hier geht es natürlich um Repräsentation: Wenn auch nicht ein Schauspieler Wallenstein spielt, so spielt der Politiker Sven Otto seine Geschichte nach (und Wallenstein). Es wird mit einer Vervielfältigung des Eine-RolleSpielens gearbeitet: Die soziale Rolle Ottos als Politiker, der in seiner Karriere aber auch Techniken der Verstellung einsetzt, wird durch Darstellung und durch Verfremdung der sozialen Rolle auf der Bühne thematisiert.

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Neben der ironischen Reverenz an die sprachliche Kraft des Schillerschen Erbes und den skizzierten motivischen Verbindungen zwischen Schillers Wallenstein und der Version von Rimini Protokoll ließen sich noch weitere Verschränkungen ausführen, an denen ablesbar ist, wie genau in der Produktion von Rimini Protokoll die Auseinandersetzung mit dem Schiller-Text war, bevor alles bis auf etwa 50 Verse davon gestrichen wurde.26 Anzuführen sind die Makrostrukturierung in Prolog und drei Teile, die Kontrastdramaturgie der Szenenanordnungen, Simultaneitätseffekte und die Erfahrung von Beschleunigung, die der Einsatz der Drehbühne vor allem im letzten Teil der Aufführung ermöglichte, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher (literarischer bzw. theatraler) Techniken des Epischen (Berichte in Wallensteins Lager) und der szenischen Vergegenwärtigung, das Tragische neben der komödiantischen Distanzierung etwa in der „Seitensprungagentur“ und in der Rollenironie / Selbstironie der Darstellenden. Doch erheblich bleiben daneben die Unterschiede zu Schillers Text und Dramaturgie, insofern im Wallenstein von Rimini Protokoll eine radikale Zersplitterung der Perspektiven anzutreffen ist: Es geht eben um Lebensgeschichten, die sich nur im Theater, im Hier und Jetzt der Aufführung berühren, aber nicht außerhalb. Gezeigt werden nur Aspekte der dramatischen Handlungen, die sich nicht zu einem Ganzen fügen. Die Agierenden verkörpern keine klar zuzuordnenden und deutlich ausgearbeiteten Schiller-Figuren, wohl aber werden deutliche Biographien kenntlich, die gegeneinander montiert sind. Mir geht es noch um ein anderes Argument: Schillers Wallenstein-Trilogie – und die dazugehörige Ästhetik des dramatischen Theaters, die die Totalität einer Welt in der Aussprache ihrer Bewohner erzeugen will und das Austragen von Konflikten sprechend handelnden Individuen überantwortet, die eben im Hier und Jetzt des Sprechens handeln (oder wie die Figur Wallenstein eben auch nicht handeln) – entwickelt einen sehr präzisen Standpunkt zum Verhältnis von Geschichte und Gegenwart. Die Theatralisierung der Historie als „dramatisches Gedicht“ produziert, so Alexander Honold, gegen die „irreversible Faktizität des historischen Stoffes“ die Qualität der „Unentschiedenheit“, die die historischen Ereignisse ebenso wie Wallensteins eigene Handlungsdisposition kennzeichnet.27 Die theatrale Ästhetik der dialogischen Verkörperung suggeriere den Vollzug einer historischen Handlung „in actu“ anstelle der Wiedergabe derselben; der „Unterschied zwischen getroffener und offener Entscheidung“, so Honold, „ist derjenige zwischen Geschichte und Spiel“.28 So sei zuletzt der historiographische Impetus dieses Folgenden vgl. auch Bloch und Podlasiak. (2015), S. 125. Entwicklungen bleiben länger offen, der Verlauf der Handlung wird getragen vom permanenten Aufschub von Entscheidungen, wobei Wallensteins Entscheidungsdilemma über zwei Abende anhält. 28  Honold (2015), S. 128. 26  Zum

27  Honold



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Geschichtsdramas, „gegen den Vektor einer vermeintlichen retrospektiven Folgerichtigkeit jenen Schwellenpunkt des Noch-Nicht wieder zu rekonstru­ ieren“.29 Gerade in dieser Offenheitsfrage erweise sich nach Honold die aufklärerische Vision des Menschen als Akteur der Geschichte.30 Hier jedoch setzt, so meine These, die wesentliche Differenz zwischen den Schiller-Inszenierungen Steins, aber auch Thalheimers und der anderen zu Beginn Genannten, und der Vorgehensweise von Rimini Protokoll an: Ist es bei Stein die Illusion einer sich im Hier und Jetzt vollziehenden Gegenwart, für die die laut gewordene Figurenrede aus Schillers Feder einsteht – Brandauer, der in seiner am 7. Oktober 2007 verlautbarten Stimme Geschichte als eine Ansammlung von Möglichkeiten präsentiert und präsentifiziert, den möglichen Entscheidungen seiner Figur sprachlich-gestisch Raum gibt und uns so als gegenwärtig unentschieden scheinen lässt, was historisch verbürgt oder von Schiller erfunden doch schon lange vergangen ist; so steht bei Rimini Protokoll Geschichte in Gestalt biographischer Stationen der Vergangenheit auf der Bühne, berichtet Sven Otto seinen eigenen Aufstieg und Fall in der Zeitform der Vergangenheit und leitet Spielszenen an, in denen Episoden aus der eigenen biographischen Erfahrung durch andere (fast wie in einer Familienaufstellung) nachgestellt werden, jedoch nicht ungebrochen Gegenwart werden wollen. Die Dissimulation des stets nachträglichen Sprechens weicht hier dem Dokumentarischen. So geht es hier eben gerade nicht um das Auswendiglernen und Sprechen des vom Dramenautor vorher Aufgeschriebenen, das das wesentliche Charakteristikum des literarischen bzw. dramatischen Theaters ist, jedoch in der Regel so gut als möglich vergessen gemacht werden soll, obwohl Textkenntnis oder zumindest Autorreferenz im Publikum auch hier vorausgesetzt werden kann. An die Stelle dieses vergegenwärtigenden Sprechens tritt der dokumentarische Bericht, das Nachspielen, das als distanzierendes Moment der Reflexion und Selbstreflexion den Agierenden wie den Zuschauenden zugänglich wird. Doch auch hier bleibt ein konstitutiver Zweifel oder Selbstbetrug eingeschrieben: So, wie die Zuschauenden im dramatischen Theater wissen, dass die Sprache vorgängig und nicht aus dem Moment geboren ist, und es zugleich vergessen (möchten), so sind die Zuschauenden bei Rimini Protokoll (und auch anderen Aufführungen, in denen nichtprofessionelle Darstellende auftreten), eben durch die Nichtprofessionalität (die Aufgeregtheit, den peinlich berührten Auftritt, die fehlende Technik der Körperhaltung, Gestik, Stimmführung) einerseits dem Bezwingenden des authentischen Eindrucks erlegen, andererseits nie ganz von ihrem Zweifel frei, ob das, was die Menschen auf der Bühne preisgeben, tatsächlich sie sind oder nicht doch eine 29  Ebd., 30  Vgl.

S. 132 mit Bezug auf Eva Horn. ebd.

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Form von Rolle oder Verstellung – die es naturgemäß immer ist, sobald der Rahmen des Auftritts einer Person sich verschiebt und sie in die Wahrnehmungsordnung des Theaters eintritt. Damit ist ein gänzlich anderer historiographischer Zugriff beschrieben: Nicht Geschichte zu vergegenwärtigen durch theatrale Repräsentation – oder etwas präziser: eine bestimmte Haltung zu einem bestimmten Handlungszusammenhang in der Geschichte mit den Mitteln des dramatischen Dialogs zu vergegenwärtigen –, sondern Geschichtspartikel in multiperspektivischen und partikularen Berichten auszustellen in ihrem Gewesensein, wofür die seitdem gealterten und sich verändert habenden Protagonist_innen in ihrer eigenen Körperlichkeit und Selbstreflexion einstehen. Es geht um eine grundsätzliche Entscheidung: historisches Textmaterial (in diesem Fall Schillers Drama) bearbeiten und inszenieren oder historisches Material erst herstellen bzw. finden. Rimini Protokoll bringen Menschen auf die Bühne, um wie Dirk Pilz feststellt, „das Material zur Wirklichkeitsbeschreibung zusammenzusammeln. Es sind Geschichtsschreiber als Archäologen der Gegenwart. […] Sie behandeln ihre auf der Bühne erzählten Alltagserfahrungen wie der Historiker seine Quellen – als Beleg für Tatsächlichkeit.“31 Eine theatralisierte Form von Oral History also? Dabei ist eine völlig andere Theaterästhetik aufgerufen, eine fundamentale Differenz in der Gewissheit oder eben Nicht-mehr-Gewissheit des Theatralen als Form. Können und sollen wir heute noch glauben, was und wie es die Sprechenden und Spielenden als historisch referenzierte Gegenwart aufführen? Sollen und können wir uns ungebrochen daran erfreuen, wie große Künstler_innen wie Brandauer, Ingo Hülsmann oder andere mehr als 200 Jahre alte Texte über fast 400 Jahre alte Begebenheiten mit der perfekt trainierten Präsenz ihrer Körper und Stimmen zu theatraler Gegenwart werden lassen? In welchem Verhältnis steht diese Vergegenwärtigung zu uns – ist es mehr als ein lebendiges Museum, oder wäre es auch nicht schlimm, wenn es gar nicht mehr sein wollte, so wie eben die Alten Meister der Kunstgeschichte mit der Aura und Patina ihrer Materialität noch heute in den Kunstmuseen dargeboten werden? Man könnte andererseits fragen, ob nicht Produktionen wie Wallenstein von Rimini Protokoll ihrerseits auch zutiefst einem theaterhistorischen Erbe verpflichtet sind, mit einem Bein noch ganz tief in einer bestimmten politischen Tradition des Aufklärungstheaters stehen, nämlich ein Theater für das Hier und Heute zu erfinden. Naturgemäß sind es in diesem Fall weder das Bürgertum noch die deutsche Nation, die im Zentrum stehen, aber die Suche 31  „Das Theater ist sich seiner Folie und Voraussetzung, der Wirklichkeit, nicht mehr sicher und muss diese erst wiederfinden, um so überhaupt Geschichte in den Blick – und in die Szenen – zu bekommen.“ Pilz, O.



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nach Relevanz oder Brisanz für sein Publikum. Dass dies eher mit dem Verweis auf den zeigenden Gestus bei Brecht als mit einer Referenz auf Einfühlungstheorien geschieht, scheint evident, wobei auch das Gegenteil zutreffen kann: Gerade die Tatsache, dass es in der Produktion von Rimini Protokoll keine ausgebildeten Schauspieler sind, die zeigend darstellen, produziert hier Effekte von Einfühlung und Mitleid. So rückt uns in den Geschichten der Mannheimer und Weimarerinnen die Geschichte auf den Leib, jedoch ohne das Phantasma, in die Potentialität des historischen Augenblicks hineinkriechen zu können, wie es uns die Dramenund Theaterästhetik seit mehr als 200 Jahren schmackhaft macht. Nicht das Erleben eines historischen Moments möglich zu machen durch das Eintauchen in die Geschichte von anderen, deren schauspielerischen Stellvertreter_innen man zuhören und zusehen kann, sondern anderen zuzuhören und zuzusehen, wie sie ihr eigenes Gewordensein reflektieren, ist die theatrale Arbeit an Geschichte, der wir hier beiwohnen können.32

32  Eine weitere Option wären die in den letzten Jahren so boomenden Reenactments und die Living History, die wiederum aus einer Sehnsucht nach Präsentifikation und Partizipation genährt werden: am eigenen Leib oder zumindest mit allen Sinnen einen historischen Moment erleben zu wollen.

Kommentar Von Peter Burschel Als ich die Beiträge der Sektion Wallenstein-Rezeption erstmals zusammenhängend las, fragte ich mich, was ihren Analysen aus der Perspektive kulturwissenschaftlicher Rezeptionsforschung gemeinsam ist. Meine Antwort lautet: Sie alle entlarven das Aufrufen von Geschichte als Mittel der Entfaltung „menschlicher Grundphänomene“.1 Sie alle lassen keinen Zweifel: Wer nach Wallenstein-Rezeptionen in der Literatur, in der Musik oder auf der Bühne fragt, fragt – frei nach Hans Blumenberg – danach, wie der Mensch möglich ist.2 So zeigt Daniele Vecchiato, wie die Entlassung Wallensteins 1630 in der Dichtung des ausgehenden 18. Jahrhunderts zum seelenkundlichen Fluchtpunkt erhoben wird, der es schließlich Friedrich Schiller erlaubt, einen „möglichen Wallenstein“ zu entwerfen, einen Wallenstein als anthropologisch – nicht historisch – plausibel gemachte Hypothese. Peter-André Alt bestimmt im Anschluss die Fehlentscheidungen Wallensteins in Schillers Tragödie als Ergebnis astrologischer Fehldeutungen, die vor allem der Sturz des Feldherrn schonungslos offenlegt. Wallenstein korrumpiert den Himmel, indem er ihn als politisches Zeichensystem missbraucht, das ganz seinem Wollen verpflichtet ist, und demonstriert damit, wie aus einer Psychologie der Macht eine Psychologie der Selbsttäuschung wird. Sein Ende folgt nicht historischer Notwendigkeit, sondern seelischer Verirrung. Jenseits von Schiller tritt der Wallenstein auf, mit dem uns Ursula Kocher konfrontiert. Kocher nimmt den 1920 erschienenen, über 600 Seiten umfassenden Wallenstein-Roman von Alfred Döblin in den Blick, der den Krieg als anthropologische Probe entfaltet, als große Versuchung, der zu widerstehen der Mensch – „diese unsichere Tiergattung“ – nicht in der Lage ist.3 Der Dreißigjährige Krieg ist der Krieg schlechthin und Wallenstein, die „Riesenmaschine“, ein „überrealer“ Spieler. Wallenstein ist der totale Krieg; er ist 1  Im Sinne einer (genuin) philosophischen Anthropologie vgl. Marquard, Sp. 362– 374. Vgl. aber auch Lepenies, S. 325–343 – sowie: Martin, S. 35–46 bzw. den Wiederabdruck in: Winterling, S. 143–157. 2  Blumenberg, S. 535. 3  Vgl. dazu auch Burschel (2009), S. 27–36.

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das „Tier“, das den Krieg entgrenzt. Döblin spricht es in einem seiner Essays ganz offen aus: In seinem Roman geht es nicht um „historische Fakten“, sondern um „Elementarsituationen des menschlichen Daseins“.4 Jenseits von Schiller agiert auch der Wallenstein, den Jörg Krämer näher untersucht. Am Beispiel von Paul Hindemiths Die Harmonie der Welt von 1957 führt Krämer vor Augen, dass die Entscheidungen des Feldherrn ausnahmslos die Entscheidungen eines weitgehend antipsychologisch angelegten Machtmenschen sind, der von einem vereinten Europa unter seiner Herrschaft träumt – „Ein einziges Imperium!“ – und im Schlussbild zu Jupiter wird, während er in einer simultanen irdischen Szene in Eger sein Ende findet. Die Entscheidungen des Feldherrn lassen die totalitären Heilsversprechen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachklingen. Seine Ermordung entfernt ihn zwar aus der Weltharmonie, seine Apotheose aber macht ihn unsterblich. Bettina Brandl-Risi widmet sich schließlich dem Wallenstein des Theaterkollektivs Rimini Protokoll, der 2005 uraufgeführt wurde: Eine dokumentarische Inszenierung. Auch in diesem Fall darf man sagen jenseits von Schiller – geht es doch nicht um die Vergegenwärtigung eines historischen Moments durch performative Repräsentation, sondern um Geschichte in Form dokumentarischer Berichte unmittelbarer biographischer Gewordenheit, die allerdings u. a. motivisch eng mit Schillers Wallenstein verschränkt sind. Das aber heißt auch: Es geht um Geschichte als Anthropologie der Gegenwart. Geschichte rückt uns dabei auf den Leib. Allerdings nicht als Suggestion der Potentialität des historischen Augenblicks, den es zu erleben gilt, sondern als vielstimmige theatrale Arbeit von Menschen auf der Bühne, die wir dabei beobachten können, wie sie ihre je eigene Biographie reflektieren. Obwohl die Analysen deutlich erkennen lassen, wie unterschiedlich Geschichte aufgerufen werden kann, um sie als Mittel der Entfaltung „menschlicher Grundphänomene“ zu nutzen: Sie alle bestimmen – wie explizit auch immer – den Krieg als Ort der Distribution von Macht und Wallenstein trotz seines Scheiterns als Virtuosen dieser Distribution. Ob als homo ludens, der in Peter Steins zehnstündiger Inszenierung der Wallenstein-Trilogie von 2007 auch Strizzi sein kann, oder als handlungsrenitenter Melancholiker, der nicht von den Sternen lassen will: Wallenstein ist der totale Krieg, weil er unabhängig von Raum und Zeit um die Gesetze der Macht-Versuchungen des Krieges weiß.5 So wenig er diesen Versuchungen widerstehen kann. Welcher Wallenstein auch immer in den Analysen sichtbar wird, er zeigt uns nicht, wie die Geschichte möglich ist, er zeigt uns, wie der Mensch möglich ist. Oder, anders formuliert: Hier geht es nicht oder doch nicht in erster ­Linie darum, historische Möglichkeiten zu erproben, wie es einst Natalie 4  Döblin 5  Vgl.

(1989b), S. 218. dazu auch Borchmeyer (2003).



Kommentar407

Zemon Davis bei den Dreharbeiten zum Film „Die Wiederkehr des Martin Guerre“ von 1982 tat, indem sie u. a. die Zweifel der Schauspielerinnen und Schauspieler ernst nahm, deren Sprech- und Spielversionen „des Textes“ immer neue Bedeutungen schufen: „Ich kam zur Mikrogeschichte (oder zu dem, was ich Ethnographie nannte) über den Film.“6 Hier geht es darum, die anthropologische Kraft der Geschichte aufzurufen – und textlich bzw. performativ so zu transformieren, dass sie zu einer Kraft des Spiels werden kann, die nach Alexander Honold immer eine Kraft der offenen Entscheidung ist.7 Geschichte wird auf diese Weise zur Anthropologie. Im Guten wie im Bösen.

6  Davis, S. 75–104, hier S. 96-98. Vgl. dazu auch Burschel (2010), S. 315–330, hier S. 315–317. 7  Honold (2015), S. 110–136.

Erinnerungskultur und Marketing

Die Erinnerung an Wallenstein in der Familie Waldstein im 17. und 18. Jahrhundert Von Jiří Hrbek Albrecht von Waldstein (Wallenstein) erscheint im allgemeinen Bewusstsein sowie in der Fachliteratur zumeist als genialer Feldherr, Politiker, Stratege, Ökonom und Mäzen, der bis heute durch seinen steilen Aufstieg und schnellen Fall fasziniert. Er war aber auch böhmischer und mährischer Herr, Mitglied der Ständegemeinde und nicht zuletzt der Spross eines der ältesten Adelsgeschlechter, dessen Wurzeln bis in das Böhmen des 12. Jahrhunderts reichen. Einen großen Aufstieg der Mitglieder der Familie Waldstein in Landesämter und höfische Ämter verzeichnen wir jedoch erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die stärkste Position direkt am Hofe baute die Linie Hradeck (genannt nach dem Schloss Hrádek nad Sázavou / Kammerburg) auf, als der Utraquist Johann der Ältere von Waldstein auf Hradeck seinem Sohn Adam dem Jüngeren von Waldstein den Weg bereitete. Dieser beschrieb in seinem Tagebuch1 zahlreiche Kontakte mit Spitzenvertretern der damaligen Politik – da er als gemäßigter Katholik für beide verfeindete konfessionelle Lager akzeptabel war und es mit seiner Karriere kontinuierlich vorangehen konnte. Nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) erreichte er den höchsten Posten in der böhmischen Landesverwaltung, indem er zum Oberstburggrafen ernannt wurde. Adam der Jüngere vermochte seine Position in den unruhigen Zeiten nach der Niederlage des Ständeaufstands (1620) zu nutzen, und zwar in enger Zusammenarbeit mit seinem entfernten ­Verwandten, dem aus der Linie Arnau / Hostinné stammenden Albrecht von Waldstein (also Wallenstein), der in eine nicht allzu reiche Familie in Heřmanice / Hermanitz unweit von Jaroměř / Jermer geboren worden und hierdurch nicht gerade für eine glänzende Karriere vorbestimmt war. Durch seine militärischen Erfolge und vor allem dank dem Vertrauen, das Kaiser Ferdinand II. in ihn setzte, wurde aber Albrecht von Waldstein bald auch für Adam den Jüngeren wichtig. Das Bündnis zwischen Adam und Albrecht war fest und für beide Seiten vorteilhaft – vor allem während der großen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen nach 1620.

1  Koldinská / Maťa.

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Die gegenseitigen Kontakte beider Verwandter wurden bereits vielerorts in der Fachliteratur beschrieben. Zentral dabei war Adams zweitgeborener Sohn Maximilian, der sich sehr geschickt zwischen Prag, Albrechts Feldlagern und Wien bewegte und zu den Kämmerern und engen Freunden des Thronfolgers, des künftigen Kaisers Ferdinand III., gehörte. Nachdem Albrechts einziger männlicher Nachfahre gestorben war, wurde Maximilian Wallensteins designierter Erbe: Er sollte das riesige Herzogtum Frýdlant / Friedland erben, innerhalb dessen er (zunächst als Lehen) die Enklave um die Stadt Mnichovo Hradiště / Münchengrätz besaß. Obwohl Albrecht von Waldstein viele Cousins hatte (Wallensteins Vater Wilhelm hatte mindestens sieben Brüder), war sein Verhältnis zu ihnen sehr zurückhaltend, doch konnte er das bewegte Schicksal der meisten von ihnen direkt prägen.2 Zugleich gab er seinem entfernten Verwandten Maximilian den Vorzug, der dank seiner Heirat mit Katharina Barbara von Harrach sein Schwager und nächster Nachbar wurde, weil er neben einem Haus in der Residenzstadt Jičín / Jitschin auch den „Grafenteil“ von Albrechts Palais auf der Prager Kleinseite bewohnen sollte.3 Während also die aus der Arnauer Linie stammenden nahen Verwandten des mächtigen Herzogs nach der Schlacht am Weißen Berg als Nichtkatholiken im Exil verloren gingen bzw. auf den Schlachtfeldern des Dreißigjährigen Krieges fielen, profitierten seine entfernten und reichen Verwandten auf allerlei Art von der außerordentlichen Stellung, die Albrecht von Waldstein schnell errungen hatte. Nach Wallensteins Ermordung in Cheb / Eger wurde zudem ihre Position nicht spürbar erschüttert, vielleicht dank den engen Kontakten Maximilians von Waldstein zum Thronfolger oder dank Maximilians außergewöhnlichem politischen Geschick.4 Dieser Waldstein büßte nicht nur keinerlei Eigentum, das ihm einst sein Verwandter Albrecht geschenkt hatte, ein, es gelang ihm sogar, aus der Konfiskationsmasse das (sogenannte Friedländer) Waldstein-Palais, eine Perle der manieristischen Architektur, zu gewinnen und sich bis zum Obersthofkämmerer emporzuarbeiten.5 Daher wurde die Erinnerung an Wallenstein in der Hradecker Linie von Maximilians Nachfahren nahezu kontinuierlich aufrechterhalten und gerade das prächtige Palais sollte zum Zentrum dieser Erinnerung werden.

Hrbek (2012), S.  89 f. von Waldstein war an der Gestaltung des Palais aktiv beteiligt, wobei er sich auf seine Kenntnisse der (nicht nur militärischen) Architektur stützte. Auf seinem Nachttisch befand sich im Jahre 1634 das Buch Architecturae militariae. Siehe Schebek, S. 594. Auch Uličný (2017b), S. 73. 4  Zur „Rettung“ des Friedländer Palais auf der Kleinseite für die Familie Waldstein ferner Hrbek (2013), S. 110–117. 5  Siehe Hrbek (2016). 2  Siehe

3  Maximilian



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In den Räumlichkeiten des großen Palais auf der Kleinseite6 sollte der Besucher dem verstorbenen Generalissimus sozusagen auf Schritt und Tritt begegnen. Im repräsentativen Bereich kann man wiederholt die Gestalt Wallensteins vorfinden, am deutlichsten wohl auf dem Fresko des Hauptsaals, wo der Herzog von Friedland als Kriegsgott Mars auf einem Kriegswagen abgebildet ist. Des Weiteren wird über ein Kryptoporträt Wallensteins in der Palaiskapelle spekuliert, auf dem der berühmte Feldherr seinem Schutzpatron, dem Heiligen Wenzel, vermutlich einige Gesichtszüge verliehen hat. Das klassische Reiterporträt Albrechts von Waldstein findet man über dem Kamin im Rittersaal. Es ist wahrscheinlich anlässlich seiner zweiten Ernennung zum Generalissimus entstanden. Eine weitere Abbildung zeigt den Bauherrn des Palais als Halbfigur mit roter kaiserlicher Schärpe, dem Orden vom Goldenen Vlies, Marschallstab und Degen.7 Im Prager Palais befanden sich auch mehrere Porträts weiterer Mitglieder des Geschlechts und der Herrscherdynastien sowie eine Leinwand mit der Abbildung der Familienlegende. Vielleicht waren für das Palais auch zwei Bilder bestimmt, die das Ehepaar Albrecht von Waldstein und Isabella Katharina von Harrach darstellten und anlässlich ihrer Hochzeit 1623 entstanden waren. Heute befinden sie sich im Museum von Cheb / Eger. Gerade in Cheb / Eger begann ab der Frühen Neuzeit ein weiterer Erinnerungsort des berühmten Feldherrn des Dreißigjährigen Kriegs zu entstehen. Initiator und Hüter des Erinnerungsortes war aber nicht die Familie Waldstein, sondern der Stadtrat von Cheb / Eger, der hierdurch dem „touristischen“ Interesse der Öffentlichkeit entgegenkam.8 Im Jahre 1736 bestellten die Ratsherrn beim Maler Hofreuther zwei Bilder mit Szenen der Ermordung des Herzogs, die wahrscheinlich anhand der „Dokumentarzeichnung“ von Matthäus Merian dem Älteren entstanden sind.9 Sein Kupferstich, der Schritt für Schritt den Ablauf der tragischen Ereignisse in Cheb / Eger wiedergibt, diente höchstwahrscheinlich auch als Grundlage weiterer Abbildungen vom Tod des 6  Aus der zahlreichen Literatur zum Waldstein-Palais auf der Kleinseite besonders Merhout; neulich Muchka / Křížová; Horyna Uličný (2007b), S. 55–177. 7  K. Křížová zufolge wurde dieses Bild als feierliches Andenken an die Eroberung der Stadt Wolgast an der Ostsee im Jahre 1629 gemalt (die Schlacht wurde von der Verfasserin im unteren Teil der Leinwand identifiziert). Muchka / Křížová, S.  93 ff. 8  Siehe Blattný (1999), S. 7; sowie Blattný (1996). Im Jahre 1894 wurde für das Museum in Cheb / Eger das Knabenporträt Albrechts von Waldsteins aus der Mün­ chener Pinakothek gekauft, das traditionell dem spanischen Maler Alonso Sánchez Coello zugeschrieben wird. Später wurde hierher auch ein Teil der Ahnengalerie aus dem Waldstein-Palais (15 Bilder) überführt, unter anderem die Porträts des frisch verheirateten Ehepaars Albrecht von Waldstein und Isabella Katharina von Harrach. P. Blattný versuchte unlängst (mit unterschiedlichem Erfolg), die Porträts zu identifizieren. 9  Fučíková / Čepička, S.  451 f.

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Herzogs, von denen wir einige auf den Schlössern der Familie Waldstein vorfinden können.10 Neben Bildnissen barg jedoch das Prager Palais auch zahlreiche persönliche Gegenstände, die direkt auf die Person Wallensteins verwiesen und somit aus dem Gebäude einen Ort der Memoria machten.11 Es handelte sich um einen Kragen mit dem Motiv von Vögeln, Tulpen und weiteren pflanzlichen Details, der auf einer roten Platte mit einer Inschrift über den Tod des Herzogs befestigt war, um seinen Degen mit Degenscheide und vor allem um sein Pferd, das angeblich unter seinem Herrn in der Schlacht bei Lützen gefallen sein sollte und ursprünglich in der Nähe der Sala terrena im WaldsteinGarten stand. Weitere „Reliquien“ wurden anfangs des 18. Jahrhunderts im Schloss von Johann Josef von Waldstein im Nordböhmischen Duchcov / Dux aufbewahrt; hierbei handelte es sich um zwei Pferdesattel aus schwarzem und rotem Samt, zwei eiserne Sporen, eine einzigartige Reisetruhe, einen tragbaren Kupferofen mit Rechaud und einen Schuh von Isabella Katharina von Harrach.12 Die persönliche Beziehung Johann Josefs von Waldstein zu seinem ermordeten Verwandten charakterisierte übrigens anschaulich das ­Inventar seines Arbeitstischs, wo bei der Niederschrift des Nachlasses neben goldenen Figuren der Kreuztragung Christi und des gekreuzigten Christus auch der Posten „dux Friedlandiae in goldt“ vorgefunden wurde.13 Das Gebäude des großen Palais Waldstein wurde zum häufigen Ziel der Besucher Prags. Es lockte durch seine Authentizität, obwohl sein Mobiliar am Ende des Dreißigjährigen Krieges von den schwedischen Truppen erbeutet worden war und zum Großteil erneut angefertigt werden musste.14 In den darauffolgenden dreihundert Jahren gehörte das Gebäude der Primogenitur 10  Šimák, S. 250. Eine Kopie von Merians bildlicher Wiedergabe der Hinrichtung in Eger wird erstmals im Inventar von Mnichovo Hradiště / Münchengrätz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwähnt. SOA Praha, Rodinný archiv Valdštejnů (im Weiteren RAV), Inventarnummer 4415, Sign. VI–141, Kart. 253. 11  Auch diese Gegenstände wurden 1978 ins Museum in Cheb / Eger gebracht. 12  Heute wiederum in den Sammlungen des Museums Cheb, wohin die Gegenstände gebracht wurden, nachdem das Schloss Duchcov (Dux) 1922 an das Kreisamt verkauft wurde. 13  Es konnte sich um eine kleine Figur oder auch um ein Bild in goldenem Rahmen gehandelt haben. RAV, Inventarnummer 3440, Sign. II–18 / 22, Kart. 45. 14  Wenzel Adalbert von Sternberg hat Gegenstände, die angeblich aus dem Waldstein-Palais stammten, 1664 in Rom gesehen, wohin sie Königin Christina von Schweden nach ihrer Konversion zum Katholizismus gebracht hatte. Die Originalstatuen aus dem Waldstein-Garten schmücken bis heute das Schloss Drottingholm; ihre Kopien, die später anstelle der ursprünglichen Statuen im Waldstein-Garten in Prag installiert wurden, ließ Anfang des 20. Jahrhunderts Ernst Karl von Waldstein anfertigen, wobei der Gesandte Österreich-Ungarns in Stockholm, Konstantin Dumba, als Vermittler behilflich war.



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der Nachkommen Maximilians von Waldstein, die aber abwechselnd nur ­einen kleinen Teil des Palais bewohnte; der Großteil diente, ebenso wie der Garten, dem öffentlichen „touristischen Interesse“.15 Im 17. und 18. Jahr­ hundert wohnte hier kontinuierlich nur das technische Personal, an dessen Spitze der Hausmeister stand, der zugleich zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit den Eigentümern der umliegenden Immobilien sowie mit dem Kleinseitner Stadtrat lösen musste, da sich Wallenstein während des Baus des Palais nicht allzu sehr den Kopf über Eigentumsrechte Anderer zerbrach und das Gebäude samt Umgebung viel zu großzügig entwerfen ließ. Die Familie Waldstein verzichtete programmatisch auf erhebliche Veränderungen im Inneren und Äußeren des Palastes und so würden wir nur bei einer eingehenden Untersuchung des Denkmals auf Relikte der späteren Eigentümer stoßen.16 Zu größeren architektonischen Eingriffen kam es erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die manieristischen repräsentativen Räume Albrechts von Waldstein waren davon aber nicht betroffen. Das Palais Waldstein war zudem auch weiterhin eines der Zentren des Prager Kulturlebens. Während Festlichkeiten waren hier bedeutende Gäste unterge­ bracht,17 das Inventar wurde an andere Adelspalais ausgeliehen (wenn man beispielsweise eine größere Gesellschaft bewirten musste), im Jahre 1816 stellte Josef Božek auf dem Wasserbecken im Waldstein-Garten dem Prager Publikum erstmals die Dampfmaschine vor. Nahezu unverzüglich nach seinem Tode erweckte die widersprüchliche Persönlichkeit des Friedländer Herzogs Interesse.18 Die erste systematische Aufarbeitung des Lebens des Herzogs ist mit 1643 datiert, als der italienische Adelige, Diplomat und Offizier Galeazzo Gualdo Priorato in Lyon sein Werk Historia della vita d’Alberto Valstein duca di Fridlanda herausgab, in dem die Geschichte menschlicher Größe, die durch hemmungslosen Ehrgeiz zunichte gemacht wird, erzählt wird.19 Es kamen sehr schnell Stimmen auf, die Wallensteins Namen bereinigen, seine Unschuld beweisen bzw. zumindest Schottky, S. 53–56. das behutsame und nicht sehr markante Einkomponieren des eleganten Monogramms EW (wahrscheinlich die Initialen von Ernst Josef von Waldstein) in den Stuck der Flachdecke des ehemaligen Arbeitszimmers des Herzogs, das nach dessen Tod wohl als Empfangszimmer diente. Ähnlich wurden in die intarsierten Tische die Wappen der Waldsteiner und Schwarzenberger eingefügt, die daran erinnern, dass Ernst Anton von Waldstein mit zwei Töchtern der Familie Schwarzenberg verheiratet war (1848, 1851). Weiter Karner, S. 139, 142. 17  Beispielsweise während der Krönung Karls VI. (1723) weilte hier der päpstliche Nuntius Girolamo Grimaldi. NA Praha, Česká dvorská kancelář, Inventarnummer 558, Sign. I A 2, Kart. 9, 26.1.1723. 18  Zu Wallensteins Bild ferner Hojda; Kampmann (2010a); Kampmann (2011). 19  Siehe Strohmeyer; Catalano (2016). Neulich wurde dieses Werk ins Tschechische übersetzt: Klímová / Catalano / Hojda. 15  Siehe

16  Beispielsweise

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leise die umstrittenen Augenblicke seines Lebens übergehen und seine unbestrittenen Verdienste hingegen hervorheben wollten. Diese Bemühungen um seine Rehabilitierung gingen primär von jenen kirchlichen Institutionen aus, die von Wallenstein gegründet worden waren oder die seine bedeutende materielle Unterstützung genossen hatten. Während ihm die offizielle jesuitische Historiografie nicht besonders gewogen war,20 überwog bei Jesuiten, die mit einem gewissen vom Herzog geförderten regionalen Zentrum verbunden waren, häufig der Stolz auf den mächtigen Gründer jene Konflikte, die Wallenstein mit den Jesuiten beispielsweise am kaiserlichen Hof hatte. Es handelte sich vor allem um Jesuiten, die mit dem Kleinseitner Professhaus (Matthias Tanner) und mit dem Kollegium in Wallensteins Residenzstadt Jičín / Jitschin (Bohuslav Balbín) verbunden waren. Das Bild des guten und frommen Herzogs wurde auch von den Kartäusern geprägt, die Wallenstein die Gründung im Mährischen Štípa / Stiep und vor allem in Valdice / Walditz zu verdanken hatten, wo sie neben dem Andenken an Wallenstein auch dessen sterblichen Überreste aufbewahren sollten.21 Noch systematischer als im Falle der erwähnten Kirchenorden finden wir das Bestreben, Wallensteins Namen zu reinigen, in der Hradecker Linie der Familie Waldstein, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum ersten wurde Wallensteins Lebensgeschichte in die barocke Geschichtsschreibung der Familie aufgenommen, deren Autoren einen direkten Kontakt zu den lebenden Waldsteinern hatten, zum zweiten bekannten sich diese Waldsteiner auch in ihrer visuellen Repräsentation zu ihrem berühmten Verwandten, indem sie seine Porträts in ihre Schloss- und Ahnengalerien aufnahmen. Die Anfänge dieser Bemühungen können wir ungefähr ab den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts verfolgen, also vierzig Jahre nach der Ermordung Wallensteins in Eger, als die meisten damaligen Akteure bereits verstorben waren. Als in den Jahren 1660–1661 der Jesuit und Professor an der Prager artistischen Fakultät Johann Tanner seine verherrlichende Schrift über die Familie Waldstein Amphitheatrum gloriae spectaculis leonum Waldsteinicorum schrieb, erschien darin der Name Albrecht von Waldstein noch nicht.22 Nichtdestotrotz wollte Tanner nicht gänzlich auf mindestens einen Teil der militärischen Erfolge des berühmten Vorfahren aus der Familie Waldstein verzichten und schrieb sie daher anderen Familienmitgliedern zu. Besonders geeignete Kandidaten waren zwei Waldsteiner, die aktiv in die Kämpfe des Dreißigjährigen Krieges eingegriffen und dabei ihren Heldenmut bewiesen hatten: Bertold, der jüngste Sohn Adams des Jüngeren, der aus Adams Ehe mit Elisabeth von Waldstein aus der Linie Brtnice / Pirnitz geboren war, und Burian Ladislaus aus der LiSchmidl, S.  96 ff. Gottlieb / Klipcová, S.  23 f. 22  Tanner. 20  Beispielsweise 21  Siehe



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nie Waldstein-Liebstein.23 Bertold war als Offizier in Pappenheims Regiment bei Lützen heldenhaft gefallen und wurde danach in Prag mit allen Ehren eines Helden des kaiserlichen Heers bestattet. Tanner schrieb ihm jedoch in seinem Werk das Verdienst um den Sieg der kaiserlichen Truppen zu und pries seinen Heldenmut. An der Spitze des katholischen Heers stand in Tanners Schrift anstelle von Wallenstein Gottfried von Pappenheim („foederatae militiae catholicorum caput“). Es ist sicherlich kein Zufall, dass sowohl bei Bertold als auch bei Burian Ladislaus ihre Treue zum Kaiser betont wird. Zum ersten Mal wurde Albrecht von Waldstein unter die Großen seines Geschlechts von dem Dechant von Jičín / Jitschin und späteren Kanoniker des Leitmeritzer Domkapitels, Václav Vojtěch Červenka von Věžnov, aufgenommen. Dieser stammte aus der Waldsteiner grundherrlichen Stadt Turnov / Turnau und gehörte zum Gelehrtenkreis um den Bischof von Hradec Králové / Königgrätz und späteren Prager Erzbischof Johann Friedrich von Waldstein und Bohuslav Balbín, der auch erstmals in seinem Briefwechsel Červenkas ­Vorhaben, Wallensteins Biografie zu schreiben, erwähnte.24 Die Unterlagen, die beispielsweise aus der Reihe Theatrum Europaeum schöpften, begann Červenka Anfang 1673 zu bearbeiten. Danach dauerte es noch ganze zwölf Jahre, bis er das Manuskript vollendete. Die kriegerischen Feldzüge wurden mit Notizen aus Albrechts persönlichem Leben und über die Verwandtschaftsverhältnisse ergänzt, bei deren Ermittlung Červenka von der Gunst des Erzbischofs Waldstein und vom Waldsteiner Familienarchiv Gebrauch machte. Das Werk De vita rebusque gestis Alberti Wenceslai Eusebii Ducis Fridlandiae blieb aber nur in handschriftlicher Form und – trotz expliziten Wunsches des Verfassers – in der Hauptlinie der Waldsteiner von Hradeck erhalten: Červenka vermachte es in seinem Testament dem Erzbischof Johann Friedrich, der jedoch Červenka bloß um zwei Monate überlebte.25 Die erwähnte Schrift finden wir dann im Schloss von Bertold Wilhelm von Waldstein aus der Liebsteiner Linie auf Bělohrad / Bielohrad (heute Lázně Bělohrad).26 Der Großteil der Biografie widmete sich der militärischen Karihren Karrieren siehe Hrbek (2013), S. 703–706. Rejzek, S. 202. 25  Es handelt sich um Punkt 12 aus Červenkas Testament: „Ex singulari venera­ tione erga Illustrissimam et Excellentissimam Domum Waldsteinianam lego vitam Ducis Fridlandiae celsissimo ac rever[endissimo] principi Joanni Friderico ArchiEpiscopo Pragensi.“ Státní oblastní archiv / Staatliches Gebietsarchiv (künftig: SOA) Litoměřice, Biskupství litoměřické, kapitula, Kart. 72, Testament (31.3.1694). 26  Von hier aus wurde die Schrift Bestandteil des Familienarchivs des Adelsgeschlechts Schaffgotsch (das nach 1724 Bělohrad / Bielohrad geerbt hat), von wo aus die Schrift bei einer öffentlichen Versteigerung vom Laienhistoriker Baron Johann Stentzsch gerettet wurde. Aus dessen Nachlass geriet das Werk im Jahre 1829 in die Bibliothek des Nationalmuseums / Knihovna Národního muzea, wo es heute unter der Signatur VIII D 10 aufbewahrt wird. Stentzsch ließ auch eine deutsche Übersetzung 23  Zu

24  Siehe

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riere Albrechts von Waldstein und seinen kirchlichen Gründungen. Im Mittelpunkt von Červenkas Aufmerksamkeit stand verständlicherweise die Stadt Jičín / Jitschin als Zentrum von Wallensteins Macht, wo der Verfasser angeblich Geschichten von Zeitzeugen des Friedländers gelauscht habe. Neben dem regionalen Aspekt unterstrich er auch die religiöse Bedeutung des Herzogs, seine Förderung der Jesuiten sowie seine wunderbare Konversion, als er durch seinen Onkel Johann Kavka von Rziczan aus den Klauen der Brüderunitätschule in Košumberk / Koschumberg gerissen worden war und anschließend seine Konfession änderte, wozu ihn an der Universität in Olomouc / Olmütz Pater Vít Pachta S. J. bewogen haben sollte. Durch die Akzentuierung von Pachtas wohltuendem Einfluss wollte Červenka den Kontrast zu dem Wirken der protestantischen Schulen in Altdorf und Goldberg / Złotoryja vertiefen, die nur Wallensteins schlechte Eigenschaften (Jähzorn, Rücksichtslosigkeit) weiterentwickelt hätten.27 Eine Nebenrolle spielten Wallensteins Unternehmertum, die Bauaktivitäten, sein Hof und – etwas überraschend – auch Wallensteins Tod, auf den im Werk eine Auflistung der Argumente „pro et contra Waldsteinium“ folgte.28 Červenka war ein relativ fruchtbarer Autor und so erschien die Figur Wallensteins auch in seinen weiteren Schriften, am deutlichsten in einem seiner ersten Werke Splendor et gloria domus Waldsteinianae.29 Im Unterschied zu Tanner, bei dem die Schilderung der Geschichte des Geschlechts durch Lobgedichte unterbrochen wurde, handelte es sich hier um eine rein historiografische Schrift, die bereits während der Barockzeit relativ stark verbreitet war.30 Unter Verweis auf Balbín und Crugerius behandelt Červenka zunächst mit gewissen Irrtümern den Lebenslauf des Herzogs (als Geburtsort führt er anfertigen unter dem Titel Leben und Thaten des Wenzel Albrecht Eus. von Waldstein (heute KNM, Sign. VI A 22); Auszüge daraus werden auch im Archiv des Nationalmuseums in Prag aufbewahrt: Knihovna Národního muzea / Bibliothek des Nationalmuseums (künftig: KNM), Genealogická sbírka H, Sign. H66, Nr. 5. Aufgrund des Eingreifens der Zensur ist weder Červenkas Original, noch die deutsche Übersetzung davon erschienen. Siehe Palacky. 27  Palacky, S. 82. 28  Hojda, S. 86. Bemerkenswert ist besonders Anm. 84 (S. 99), in der der Verfasser auf den ersten ähnlichen Vergleich hinweist, der bald nach Wallensteins Tod im Rahmen des Theatrum Europaeum III (Frankfurt am Main 1644, S. 182–184) erschien, und der als eventuelle Inspirationsquelle gedient haben konnte. 29  Czerwenka de Wieznow. 30  Die Schrift ist in den 30er oder 40er Jahren des 18. Jahrhunderts ins Tschechische übersetzt worden von Kašpar Leopold Záruba, dem späteren Pfarrer in Bakov nad Jizerou / Backofen an der Iser auf der Herrschaft der Waldsteiner, unter dem Titel „Blesk a sláva domu Waldštejnskýho nebo Muži vzácností božskou literním uměním a mnohýma hodnostmi ozdobně osvícení, rození svobodní baronové z Waldštejna“. Die Übersetzung blieb nur in der Handschrift und wird heute in der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik aufbewahrt: Národní knihovna ČR, Sign. XVII D 42.



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Náchod / Nachod an), danach geht er zur Lobpreisung von Wallensteins Freigiebigkeit gegenüber Kirchenorden über, wobei er neben den Augustinerstiftungen in Bělá pod Bezdězem / Weißwasser und in Česká Lípa / Böhmisch Leipa natürlich auch die Kollegien der Societas Jesu in Jičín / Jitschin und Żagań / Sagan sowie das Professhaus auf der Kleinseite erwähnt. Äußerst bemerkenswert ist die Gründung der Kartause in Valdice / Walditz; den größten Nachdruck legt aber Červenka auf das Aufblühen der Stadt Jičín / Jitschin. Er schildert also Albrecht vor allem als einen frommen und gottesfürchtigen Menschen, einen Freund des Katholizismus und eifrigen Anhänger der Gegenreformation, der „eher für einen inbrünstigen Bischof, als für einen Feldherrn gehalten werden könnte, er wohnte tagtäglich der heiligen Messe bei, hörte vorbildlich am Feiertage die ganze gesungene Messe samt Predigt sowie die gewöhnliche letzte Heilige Messe in der Kirche der hochwürdigen Patres aus der Gesellschaft Jesu, als nach der Mittagszusammenkunft der katholischen Jugend Exerzitien stattfanden, vernachlässigte er sie nicht“.31 Erst nach dieser Darstellung der Freigiebigkeit der Kirche gegenüber kommt die Auflistung der militärischen Verdienste an die Reihe, indem Wallenstein als Retter des Kaiserlichen Heers in der Schlacht am Weißen Berg, als Vermittler der Translation der Reliquien des Heiligen Norbert aus dem bedrohten Magdeburg ins Kloster Strahov, als Militärtheoretiker, der seine Genialität aus Büchern schöpfte, aber vor allem als schreckliches, gegen die Reichsprotestanten gerichtetes Instrument (terror imperii) in den Händen des Kaisers präsentiert wird. Wallensteins zeitweilige Suspendierung vom Regensburger Kurfürstentag betrachtet Červenka als eine Verschwörung einiger Kurfürsten zu Ungunsten des Kaisers. Die kontinuierliche Aufzählung von ruhmreichen Siegen endet jedoch mit der Schlacht bei Lützen, der Tod des Feldherrn ist Bestandteil eines kurzen Berichts, dass „im Kampfe stets unbezwingbar, von missgünstigem Neid durch plötzlichen und gewaltsamen Tod umzingelt das Leben eines Mannes endete, hinsichtlich dessen militärischer Erfahrungen diese Zeiten wohl kaum seinesgleichen gesehen haben“.32 Červenka hielt Wallenstein zweifelsohne für den berühmtesten Angehörigen der Familie Waldstein und ging in seiner Schrift noch mehrmals auf dessen Leben ein: Neben Kapiteln über die Kriegskunst und das Kirchenpatronat der Familienangehörigen erwähnte er ihn auch in dem Abschnitt, der den Besitzern des 31  Záruba: „[…] spíše za nějakýho vroucnýho biskupa nežli za vojenskýho vůdce držán býti mohl, každodenně mši svatý přítomen byl, den sváteční celou zpívanou mši spolu s kázáním, jakož i obyčejnou poslední mši svatou v kostele velebných PP z Tovaryšstva Ježíšova příkladně slyšel, když po polední katolické mládeži cvičení se konalo, to nezanedbával.“ 32  Ebd.: „[…] jsa vždy v boji nepřemožitelný od nepříznivé závisti smrtí nenadálou a násilnou obklíčený, život dokonal, kterýmu v zkušenosti vojenské věk ten sotva rovnýho spatřil.“

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Goldenen Vlieses gewidmet war, sowie in der Abhandlung über die reichsten Familienangehörigen und über die Gebildeten. Um seinen Behauptungen genügend Ernst zu verleihen, edierte er das lateinische Original der Gratulation, die Wallenstein nach der Schlacht bei Lützen von Papst Urban VIII. erhalten hatte. Die Rehabilitierung des kaiserlichen Generalissimus wurde auch weiterhin fortgeführt. Davon zeugt unter anderem der Auftrag, den Johann Josef von Waldstein, einer der wohlhabendsten Adeligen im Böhmen des 18. Jahrhunderts, und sein Schützling, der Altstädter Hauptmann Leopold Wilhelm von Waldstein, dem Genealogen Michael Adam Franck von Franckenstein erteilten.33 Obwohl er dem repräsentativen Werk über die Geschichte der Familie Waldstein seine letzten beiden Lebensjahre widmete, blieb es nur bei handschriftlichen Skizzen.34 Im Druck ist lediglich das Projektvorhaben des Gesamtwerks erschienen, und zwar unter dem Titel Epitome brevissima universae historiae Waldsteinaeae.35 Hieraus sowie aus dem Briefwechsel Johann Josefs von Waldstein lässt sich mutmaßen, dass Franck neben einer leidenschaftlichen Verteidigung des Herzogs, die im fünften Kapitel des Großwerks über die Familie Waldstein stehen sollte, auch aufgrund direkter Beauftragung durch die damaligen Waldsteiner ein selbständiges Werk über Albrecht von Waldstein vorbereitete – und zwar bereits ab dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts.36 Seinen Notizen zufolge sollte er neben Werken von Balbín, Tanner und Červenka auch von Priorato und von der deutschen Übersetzung des Werkes von Giovanni Francesco Loredan ausgegangen sein.37 Dass es sich um eine mächtige Apologie des ermordeten Herzogs handeln sollte, verrät bereits Francks Vorhaben, Wallensteins Lebensgeschichte in der Sprache der stoischen Tugenden zu schildern, unter denen auch die „fidelitas in Caesarem“ nicht fehlen sollte. 33  Das Gesamthonorar soll 300 Gulden betragen haben. RAV, Inventarnummer 3811, Sign. IV-27 / 1, Kart. 97. 34  Heute Bestandteil von Francks Nachlass in der Familienbibliothek Lobkowitz. Ferner Richterová; ebenso Hojda, S. 87 und 100 (Anm. 96). 35  Franck de Franckenstein. Es handelt sich um 48 Kurzbiogramme beginnend mit dem mittelalterlichen Gründer des Geschlechts Zdeněk  (I.) von Waldstein, bis zum Auftraggeber des Werkes Johann Josef von Waldstein. 36  Zum Fortschritt von Francks Arbeiten an der „Friedländer Geschichte“ berichtete Leopold Wilhelm von Waldstein in seinem Brief vom 23.10.1727 an Johann Josef von Waldstein. RAV, Inventarnummer 3366, Sign. II–3 / VI / 1–3, Kart. 31, fol. 68–69. 37  Giovanni Francesco Loredan publizierte (unter dem Pseudonym) schon im Jahre 1634 seinen Text Ribellione e morte del Volestain, generale della Maestà Cesarea. Franck ging wahrscheinlich von einer späteren Redaktion von Loredans Werk aus, das noch mehrmals während des 17. Jahrhunderts unter dem Titel Morte del Volestain erschienen (z. B. in Venezia 1653) und 1664 ins Deutsche als Lebensausgang des Wallensteiners übersetzt wurde (Loredan).



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Ausschlaggebend war das Verlangen der Waldsteiner der Barockzeit, die in prächtigen Schlössern wohnten und hohe Landes- und Hofämter innehatten, Albrecht von Waldstein in den Heldenpantheon der eigenen Familie aufzunehmen, und dies manifestierte sich nicht nur in der Initiierung von schriftstellerischen Werken. Medaillons oder zumindest der Name des Friedländer Herzogs erschienen nach und nach in Wandgenealogien, obgleich sich die Hradecker Linie nicht direkter Blutsverwandtschaft mit dem bedeutenden Feldherrn rühmen konnte. Sein Porträt begann auch nach und nach die Familiengalerien zu ergänzen. Im Schloss Mnichovo Hradiště / Münchengrätz befand sich 1749 ein gemaltes Reiterporträt Wallensteins in Lebensgröße,38 des Weiteren wird im Rahmen der Ahnengalerie von einem Brustbild des Herzogs aus dem Jahre 162939 und von einem großen Bild im Esszimmer gesprochen, auf dem Wallenstein während einer nicht näher spezifizierten (wahrscheinlich militärischen) „Action“ dargestellt wird.40 Im nordböhmischen Duchcov / Dux war ihm ein großes Bild gewidmet, das in den Ahnensaal eingegliedert war und auf dem Wallenstein von Wenzel Lorenz Reiner als Kämpfer gegen die Türken verewigt war.41 Der Künstler hat somit ein neutrales Thema gewählt, das weder die empfindliche Frage nach Albrechts Verhalten während des Ständeaufstands noch seinen Kampf gegen die Protestanten während des Dreißigjährigen Kriegs berührt, der ja die tatsächliche Grundlage von Wallensteins Ruhm war. Die für Wallensteins Leben marginale Episode aus den Türkenkriegen, in denen er erst seine militärischen Erfahrungen sammelte, wurde zweifelsohne wegen der Zeit gewählt, in der das Gemälde entstand und in der das Habsburger Reich eine Expansion nach Osten erlebte. Albrecht von Waldstein wurde somit als Sieger über die Türken an die Seite von Prinz Eugen von Savoyen gestellt, der mit den kaiserlichen Siegen auf den Kriegsschauplätzen der Wende des 17. zum 18. Jahrhundert verbunden ist. Es handelt sich somit um einen besonders raffinierten Versuch der Besitzer von Duchcov / Dux aus den Reihen der Familie Waldstein – vor allem wiederum Johann Josefs von Waldstein –, den Friedländer Herzog zu rehabilitieren und sein Vermächtnis zu aktualisieren. Wallensteins 38  RAV, Inventarnummer 289. In Šimáks Verzeichnis der Denkmäler (Soupis památek) finden wir dieses Porträt nicht, da dort nur die Hochzeitsporträts von Albrecht und Isabella Katharina angeführt werden, die wahrscheinlich 1829 durch Antonín Machek anlässlich der 200. Jährung ihrer Hochzeit aus den Sammlungen des Waldstein-Palais kopiert worden sind. Siehe Šimák, S. 241. 39  Es ist nicht klar, ob es sich dabei um das Porträt des Herzogs handelt, das über der Tür des orientalischen Salons im Schloss Mnichovo Hradiště / Münchengrätz hängt und zur Zeit das einzige Porträt Wallensteins in jenem Schloss ist. 40  „[…] im Tafelzimmer […] grosses Bild worauf eine Action des […] Fridlanders vorgestellt wird.“ – RAV Inventarnummer 289. Ein Teil des Inventars wurde abgedruckt in Blattný (1999), S. 60 f. 41  Preiss / Pokorný, S.  122 f.

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Porträts befanden sich aber auch in weiteren Schlössern der Familie Waldstein, sie sind in Bělá pod Bezdězem / Weißwasser42 und in Doksy / Hirschberg am See belegt.43 Neben dem historisch getreuen Porträt von Christian Kaulfersch, das sich bis heute in den Räumlichkeiten des Schlosses Frýdlant / Friedland befindet, wurden gerade die Residenzen und Sitze der Waldsteiner zu den bedeutendsten Trägern der Erinnerung an Herzog Albrecht. Neben Reiners Werk auf Duchcov / Dux ist kein weiteres bekannt, das in den zwei Jahrhunderten nach Wallensteins Tod gemalt worden wäre. Man kann also sagen, dass die Por­ träts, die an den Erinnerungsorten der Familie Waldstein erhalten sind, den Herzog so repräsentieren, wie dies von ihm selbst begründet worden ist. Auch das 19. Jahrhundert mit seiner Vorliebe für den Historismus brachte keine neuen Porträts des kaiserlichen Generalissimus hervor, es wurden lediglich ältere Bildnisse kopiert – beispielsweise durch Antonín Machek oder Josef Bergler. Nichtdestotrotz kam es in der Zeit kurz nach Wallensteins Tod und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer grundlegenden Veränderung des ideologischen Gesamtkonzepts, in dessen Rahmen Wallensteins Porträts präsentiert wurden. Anstelle des barocken Helden-Halbgotts, der mit dem Kriegsgott Mars verglichen werden kann, finden wir nur einen von vielen bedeutenden Vorfahren, der zwar herausragt, aber dessen persönliche Eigenschaften (Tugenden) und ruhmreichste Siege nicht hinreichend akzentuiert werden, um den alten Streit über Wallensteins Loyalität gegenüber dem Kaiser nicht unnötig zu schüren, weil die Kaisertreue oft das wichtigste Kriterium für die Aufnahme eines Familienmitglieds in das Heldenpantheon der bedeutenden Ahnen war. Der Familienlegende der Waldsteiner zum Trotz wurde dabei im Falle der Waldsteiner die Treue zur Majestät nicht so sehr betont wie bei anderen Adelsgeschlechtern, da sich die Waldsteiner selbst einer Reihe von Vorfahren bewusst waren, die in dieser Hinsicht problematisch gewesen waren, die man aber ihrer Bedeutung wegen nicht einfach aus der Familiengenealogie ausblenden konnte. Mit dem Aufkommen der Aufklärung und der damit verbundenen kritischen Geschichtsbetrachtung, in deren Rahmen man sich beispielsweise nach und nach von seinen mythischen Vorfahren trennte, bestärkte sich das Interesse am symbolischen Kapital, das Wallenstein seiner Familie hinterlassen 42  Es handelte sich um ein überlebensgroßes Bildnis mit der Jahreszahl 1631 auf der Rückseite sowie um eine kleinere Büste (Šimák, S. 128–130). Heute wird die Ahnengalerie aus Bělá pod Bezdězem / Weißwasser im Museum in Česká Lípa / Böhmisch Leipa aufbewahrt. Ferner Křížová (2003). 43  Siehe Křížová (1997). Über das Aussehen dieser Galerie in der Frühen Neuzeit haben wir nur wenige Berichte, da das detailreichste Inventar des Schlosses aus dem Jahr 1767 lediglich die Möbel der Gemäldegalerie erfasst – RAV, Inventarnummer 5927.



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hatte. Es erweckte natürlich das Interesse der ganzen entstehenden tschechischen und deutschen Öffentlichkeit, die über seine Schuld oder Unschuld polemisierte. Für die Waldsteiner selbst war jede Vergegenwärtigung des Herzognamens ein Hinweis auf ihre ruhmreiche Vergangenheit. Zudem galt für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, dass es, im Unterschied zur Vergangenheit, in der Familie an Persönlichkeiten mangelte, die bedeutende Posten in der Zentral- oder Landesverwaltung innehatten; der höchste kirchliche Würdenträger unter ihnen war der Leitmeritzer Bischof Emanuel Ernst von Waldstein. Dieser Prälat gehörte zu den führenden Förderern der böhmischen Aufklärer, denen er die Türen zu Archivbeständen öffnete und deren Forschung er finanziell unterstützte.44 Das Interesse des Bischofs war aber in gewissem Maße mit seinem Verlangen verbunden, die eigene Familiengeschichte zu würdigen, da er, ebenso wie Albrecht, aus der Arnauer Linie der Waldsteiner stammte. Er wandte viel Kraft für die Erneuerung des Interesses an der Figur des Friedländer Herzogs auf, und dies spiegelte sich unter anderem in mehreren Gratulationsschriften wider, in denen Emanuel Ernst von den Verfassern an die Seite seines berühmten Verwandten gestellt wurde.45 Der Leitmeritzer Bischof war sich der Bedeutung der Quellenbasis sehr wohl bewusst. Diese sollte zum Hauptargument bei der Reinigung von Al­ brechts Namen werden, zu der es nun durch das Versammeln von unbezweifelbaren Quellennachweisen kommen sollte. Vor allem Geistliche aus verschiedenen Ecken Böhmens schickten ihm Nachrichten über gefundene Andenken an und Aufzeichnungen über den Herzog von Friedland.46 Emanuel Ernst von Waldstein akzeptierte aber (und suchte in jüngeren Jahren selbst) auch Nachrichten zu übernatürlichen Erscheinungen, die im Zusammenhang mit seinem berühmten Vorfahren geschehen waren. In seinem Tagebuch schrieb er der barocken Religiosität gemäß, dass er am 16. November 1742, dem Jahrestag der Schlacht bei Lützen, die Kartause Valdice / Walditz besuchte, um dem verstorbenen Verwandten Ehre zu erweisen. Danach hätten 44  Mit der Persönlichkeit von Emanuel Ernst von Waldstein hat sich in zahlreichen Studien vor allem Eva Králíková auseinandergesetzt, wobei die meisten von ihrer nicht veröffentlichten Diplomarbeit ausgehen. Siehe Králíková; ferner Vlnas; Chadimová; Černušák. 45  Beispielsweise die auf Französisch verfasste Gratulation vom 25.12.1782 von einem gewissen Wacquant, der die Kontinuität der großen Waldsteiner von Albrecht über Johann Friedrich bis Emanuel Ernst führt. RAV, Inventarnummer 3300, Sign. I–26 / 7 / 1, Kart. 26. 46  Am 4.  Januar 1754 schickte aus Kuks / Kukus Johann Anton Dietl an Emanuel Ernst von Waldstein einen detailreichen Bericht über Albrechts Geburtsort Heřmanice / Hermanitz. Er soll Gedenkbücher und Matrikeln durchgelesen, aber nichts Relevantes gefunden haben. Nur von den Grabsteinen von Albrechts Eltern in der hiesigen Kirche („2 allabastene schöne grabsteine“) hat er die tschechischen Inschriften abgeschrieben. RAV, Inventarnummer 3297, Sign. I–26 / 4, Kart. 26.

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ihm die örtlichen Ordensbrüder im Refektorium erzählt, dass wenn sich der Tag seiner Ermordung in Cheb / Eger jährte, Albrecht in der Kirche in der Nähe der Skulptur der Jungfrau Maria erscheine.47 Diese Erscheinungen waren jedoch nicht die einzigen Wunder, die mit dem Herzog verbunden waren, wobei die Erinnerung daran besonders durch die Kartäuser von Valdice / Walditz aufrechterhalten wurde. Neben der relativ häufig vorkommenden Notiz, dass Wallensteins Körper nach zwei Jahren unversehrt aus Stříbro / Mies in Jičín / Jitschin ankam,48 notierte Emanuel Ernst auch, dass von Zeit zu Zeit um Wallensteins Grab herum „zierliche Knaben“ erscheinen, die anscheinend die Unschuld des Herzogs symbolisierten.49 Ein andermal erfuhr der künftige Leitmeritzer Bischof von den Mönchen aus Valdice / Walditz von einem Wunder, das im ältesten Kloster des Kartäuserordens Grande Chartreuse unweit der französischen Stadt Grenoble geschehen war. Albrecht von Waldstein soll hier eine Kapelle und Messen gestiftet haben, worauf eine Inschrift hinwies, die auch an die Gründung des Tochterklosters in Valdice / Walditz bei Jičín / Jitschin erinnerte. Wallensteins Gründung in der Nähe von Grenoble erschien bereits zu Barockzeiten kurios, die örtlichen Kartäuser nahmen jedoch die Verbindung mit dem entfernten Böhmen sehr ernst. Im Juli 1700 übernachtete Franz Josef von Waldstein mit seinem Gefolge bei Grenoble, und zwar auf Kosten des örtlichen Klosters. Bei dieser Gelegenheit besuchte er auch die „Wallensteinkapelle“ in der Klosterkirche und schrieb die Gedenkinschrift ab, in der Albrecht von Waldstein erwähnt wurde. Die Mönche gedachten Wallensteins jeden Tag, denn im Sinne der einst getätigten Stiftung wurden für ihn Messen zelebriert, was den jungen Franz Josef von Waldstein verwunderte.50 An jenem Tag, an dem es zur Hinrichtung in Cheb / Eger kam, sei angeblich aus dem Gewölbe der 47  „[…] einstens nachts in das Chor in jetziges Refectorium gehendt, sahe von weithen bey einer da befindlichen Mariae statue eine gantz weisse persohn zu stehen, welcher da sich zugenähert, erkönnet hat die gestaldt dem verstorben herzog ähnlich zu seyn, welcher geist sich ihme Patri neigete undt verschwande. Nachdeme aber jetzt berichter pater in seine zell nach geendigten chor zurück gekehret, fande er in seinen kalender, daß eben dieser Tag der Jahrstag ware seiner angefangenen andacht, wordurch mann erachten kann, daß etwann diese Seele möge erläßet, undt zur ewigen glorii geholffen haben.“ RAV, Inventarnummer 317, 16.11.1742. Dieses Zitat bemerkte bereits Vlnas, S. 350. 48  Ferner Hallwich (1884), S. 5. 49  „umb das grab des herzogens viele […] zierliche Knaben gesehen.“ RAV, Inventarnummer 317, 16.11.1742. 50  SOA Praha, Ústřední správa valdštejnských statků, Inventarnummer 263, Sign. V–9–6, Kart. 8, 12.7.1700: „Sacellum serenissimi DD Alberti de Waldstein dei Gratia Ducis Fridlandiae ex fundatoris cartusia Castri Beatae Mariae Virginis in Walditz in Bohemia sub Regimine Reverendi Patris Dni Brunonis d’Affeinger Anno Domini MDCXXVII.“



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Kirche ein großer Stein herausgefallen. Er wurde später wieder eingesetzt und mit einer Inschrift versehen, die den Fall des kaiserlichen Generalissimus und den Fall des Steines an einem entfernten Ort in direkten Zusammenhang brachte. Diese Geschichte erzählten die Mönche von Valdice / Walditz Emanuel Ernst von Waldstein, der davon sehr beeindruckt war und sie in seinem Tagebuch verewigte.51 Die Kartause Valdice / Walditz, in deren Kirche sich die Gruft des Friedländer Herzogs befand, war ein weiteres Zentrum der Wallenstein-Erinnerung. Dies nutzte gerade der künftige Bischof Emanuel Ernst von Waldstein intensiv beim Sammeln von Unterlagen zu seiner Familiengeschichte.52 Nachdem die Kartause von Kaiser Joseph II. aufgehoben worden war (1783), wurden 1785 aus der dortigen Kirche Mariä Himmelfahrt die sterblichen Überreste Albrecht von Waldsteins, die ab 1744 in einem neuen Zinnsarg mit Lob­ inschrift53 aufbewahrt wurden, in die St.-Annakapelle der Kapuzinerkirche der Heiligen Drei Könige in Mnichovo Hradiště / Münchengrätz überführt. Neben dem ehemaligen Prior Wenzel Schwesinger und dem Jitschiner Dechant Johann Georg Selb, der das Ereignis detailliert beschrieben hat, beaufsichtigten das Ausheben auch zwei Söhne von Graf Vincenz, dem Oberhaupt der Waldsteiner Primogenitur, Ernst Philipp und Emanuel Franz von Waldstein, die durch die verschneite Winterlandschaft aus Mnichovo Hradiště / Mün51  „[…] von obern gewelb dieser jetzt genanten Capeln von sich selbst herunter fiele ein stein eben diesen tag als herzog […] zu Eger umb das leben kame, welcher stein aber nach vielen Jahren auf begehren eines aus unserer Familii [gemeint sind die Kartäuser – Anm. J. H.] – so zu Grenoble diesen stein betrachtete, umb sich das geschicht erzehlen ließe – wiederumb mit der inscription oder überschrifft in sein voriges orth des gewelbes zu einen ewigen denkzeichen eingemauert wurde.“ RAV, Inventarnummer 317, 11.1.1743. 52  Emanuel Ernst hat auch einige, eher heitere Geschichten darüber aufgezeichnet, wie die Schweden in Valdice / Walditz Wallensteins Schatz suchten. Sie zwangen damals einen örtlichen Bauern, ihnen die Stelle, an der sich der vermutete Schatz befindet, zu zeigen. Der Bauer kannte sie jedoch nicht und zeigte also auf eine Stelle im Chor der Kartäuserkirche. Die Schweden fanden dort nichts und warfen den Bauern vor Wut in eine Grube, die sie mit einem Stein abdeckten. Am nächsten Tag hörte eine andere Schwedentruppe Geräusche unter dem Stein und dachte, es sei Wallensteins Geist, woraufhin die ganze Garnison eiligst das Kloster verließ. RAV, Inventarnummer 317, 16.11.1742. 53  Den neuen Sarg anstelle des zerfallenen Holzsargs ließen die Kartäuser selbst anfertigen. An der Seite stand folgender Text: „Quaeris viator, quis hic jaceat? Albertus Eusebius Waldstein, dux Friedlandiae qui anno 1634 25. Februarii Egrae fatis cessit aegre. Fulgebat olim splendore martio, dum pro deo, pro ecclesia, pro caesare, pro patria fortiter pugnavit et triumphavit, heros inclytus. Eum quoniam legitime certavit, Deus ad se vocavit, caelestique corona praemiavit, cujus jam bello fessa, hic in pace requiescunt ossa.“ RAV, Inventarnummer 2415, Sign. II–D2, Buch 2. Auf dem Deckel stand folgendes Chronogramm: „WaLDIcensIVM reLIgIosa pIetas et grata posterItas eXtrVI IVssIt.“

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chengrätz hierhergekommen waren. Gemeinsam mit dem Friedländer Herzog wurde am 1. März 1785 auch die Urne mit den Überresten seiner ersten Ehefrau Lukretia Nekess von Landeck auf einem Schlitten nach Mnichovo Hradiště / Münchengrätz transportiert. Beide Särge wurden an der Tür der Jakobskirche in Mnichovo Hradiště / Münchengrätz von dem örtlichen Dechant Franz Wagner begrüßt, anschließend waren sie bis zum 3. März auf einem Katafalk in der Kirche ausgestellt. Danach wurden sie in einem Umzug der Kapuziner, der Waldsteiner Diener und Beamten, der Armen und auch der örtlichen Honoratioren, begleitet von Posaunen- und Trompetentönen sowie von Glockengeläute auf einem schwarzen Schlitten zur St.-Annakapelle gefahren. Der Waldsteiner Majordomus trug das Wappen des Verstorbenen vor dem Sarg her.54 Es handelte sich um eine Art Ersatz für das feierliche Begräbnis, das dem kaiserlichen Generalissimus einst verweigert worden war, einschließlich einer Messe, die für das ganze Geschlecht Waldstein zelebriert wurde, sowie der Verteilung von Almosen an Arme, der sich die Gattin von Vincenz von Waldstein, Gräfin Sofia, geborene von Sternberg, angenommen hatte.55 Das ganze Unterfangen war ein willkommener Anlass zur Steigerung des eigenen Ansehens dieses Herrn von Mnichovo Hradiště / Münchengrätz, das bereits längere Zeit wegen der ernsthaften finanziellen Probleme litt, in die Vincenz geraten war. Alles spielte sich nämlich unter Anwesenheit der Öffentlichkeit ab, die entlang des Weges aus Valdice / Walditz sowie während der Begräbniszeremonie direkt in Mnichovo Hradiště / Münchengrätz trauerte. Vincenz war sehr daran gelegen, sich das symbolische Kapital seines längst verstorbenen Verwandten anzueignen. Auch deshalb ging der Überführung ein zähes Ringen der Primogenitur von Mnichovo Hradiště / Münchengrätz und der Sekundogenitur von Duchcov / Dux voraus; erst der Kaiser musste entscheiden, wem der ermordete Herzog eigentlich gehört.56 Die Überführung erfolgte mit staatlicher Zustimmung, also unter Kenntnisnahme der Kreishauptleute und unter Aufsicht des Kammeradministrators Erben. Der Erfolg des Unterfangens brachte den Nachfolger von Vincenz, Ernst Philipp von Waldstein (von Waldstein-Wartenberg) dazu, es in einem kleinerem Maßstab zu wiederholen: Er ließ die Zinnsärge von Karl und Jaroslav von Wartenberg, die 1825 bei der Grabung für die Fundamente der neuen Marienkirche in Turnov / Turnau gefunden worden waren, in die St. Anna­ Bergl (1934b) und ders. (1934a). Wohltätigkeit war bei diesem Grafenehepaar der Aufklärungszeit nichts Außergewöhnliches: Vincenz hat 1771 im Prager Waldstein-Palais Brot unter die Armen ausgeteilt. Siehe Muchka / Křížová, S. 122–124. 56  Siehe den Brief des Prager Guberniums, der sich auf das Hofdekret vom 20. November 1784 beruft. RAV, Inventarnummer 5908, Kart. 310. 54  Siehe

55  Solche



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kapelle überführen.57 Vierzig Jahre zuvor war jedoch neben dem Ruhm des Grafengeschlechts auch die Rolle der Kapuzinerpater betont worden, die zu den neuen Hütern der sterblichen Überreste des Herzogs werden sollten. Kein Wunder also, dass der Verlauf des ganzen Unterfangens in den Prager Kapuzinerannalen verzeichnet ist. Daneben berichtete davon aber auch die Zeitung Schönfeldské c. k. pražské poštovské noviny58 und am 22. März 1785 auch das Wienerblättchen, in dem die Beschreibung der ganzen Veranstaltung mit einer Lobpreisung des verstorbenen Generalissimus verbunden war.59 Albrecht von Waldstein wurde in der Kapuzinerkirche nicht in der Fami­ liengruft beigesetzt, sondern in einer zuvor hergerichteten Wandnische, auf die – trotz allen Bemühungen von Vincenz und seinem Sohn Ernst Philipp – erst 1934 eine Grabplatte mit Bronzebüste, die aus der Werkstatt von Karl Kolaczek aus Liberec / Reichenberg stammte, angebracht wurde.60 Dass der Herzog nach seinem Tode von der Linie der Waldsteiner von Mnichovo Hradiště / Münchengrätz getrennt wurde, sollte seine Individualität und Außerordentlichkeit in der Geschichte der Familie und des Landes noch weiter unterstreichen. Dies kann als eine Art Bestreben gesehen werden, aus der St. Annakapelle, wenn nicht direkt einen Wallfahrtsort, dann zumindest einen landesweiten bzw. europäischen Erinnerungsort zu machen. Es handelte sich auch um ein eindeutiges Bekenntnis des Geschlechts Waldstein zu Wallensteins Vermächtnis, das erstaunlicherweise noch Anfang des 19. Jahrhunderts erhebliche Kontroversen weckte und die Staatsmacht zu unangemessenen Eingriffen provozierte.61 Andererseits versuchte in derselben Zeit Christian Ernst von Waldstein (und Wartenberg), der Sohn von Ernst Philipp, eine sehr gewagte Sache.62 Dieser Adelige wurde dank seiner Ausdauer und dank seiner gesellschaft­ lichen Kontakte, die bis in die Reihen der österreichischen Erzherzöge reichten, bald zu einer der zentralen Figuren Österreichs der Vormärzzeit. Es war vor allem sein Verdienst, dass 1833 in Mnichovo Hradiště / Münchengrätz die berühmte Zusammenkunft der Vertreter der Heiligen Allianz 57  RAV, Inventarnummer 3202, Sign. I–21 / 2 / 10, Kart.  21. Karl (1553–1612) und Jaroslav (1558–1602) gehörten zu der vorletzten Generation der Wartenberger. 58  Aus dieser Zeitung schöpfte in seiner Studie Svoboda. 59  „Nichts wurde gespart, um diesem ausserordentlichen Begräbnisse all das Ansehen und alle die Feyerlichkeit zu geben, die dieser muthige Held verdienet.“ Das Wienerblättchen 22.3.1785, S. 205–207, hier S. 207. Aufbewahrt in RAV, Inventarnummer 5895, Kart. 309. 60  Siehe Horyna / Lancinger / Láska. 61  Mehr darüber in Roubík. 62  Zu Christians Persönlichkeit im Kontext der Landespolitik siehe Kozmanová.

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stattfand, bei der auch die Repräsentanz des Geschlechts Waldstein nicht zu kurz kam, indem der Theatersaal des Schlosses mit einer Porträtgalerie der Waldsteiner geschmückt wurde.63 Christian Ernst war aber auch ein erfolgreicher Ökonom (er hat auf seiner Herrschaft Šťáhlavy / Stiahlau eine Maschinenfabrik gegründet), Präsident der Museumsgesellschaft (Společnost Muzea království českého / Gesellschaft des Museums des Königreichs ­Böhmen) und erster Landtagskommissar auf dem berühmten Böhmischen Landtag 1847.64 Bereits 1841 versuchte er, den Herzogstitel des längst verstorbenen Generalissimus sowie den Großteil seiner einst konfiszierten Herrschaften zu restituieren.65 Davon, dass Christian Ernst die ganze An­ gelegenheit ernst meinte, zeugen zahlreiche juristische Analysen, die er in dieser Sache für sich ausarbeiten ließ. Obwohl der Erfolg sehr unwahrscheinlich war, ist der Rechtsfall neben seiner rechtstheoretischen Kon­ struktion vor allem durch das ostentative Bekenntnis zum berühmten Verwandten und durch die Bereitschaft, dessen Unschuld vor Gericht zu verteidigen, interessant.66 Der ganze Prozess erregte zudem die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Albrecht von Waldstein ist auf Dauer eine bedeutende Persönlichkeit der Familie und ein untrennbarer Bestandteil des „Waldstein-Pantheons“ geblieben. Seine indirekten Nachfahren initiierten zur Zeit des dreihundertsten Todestags eine Ausstellung in ihrem damaligen Hauptsitz in Doksy / Hirschberg am See.67 Auch nach 1945, als das Vermögen der Waldsteiner konfisziert wurde, bemühten sie sich um Rehabilitierung und verwiesen dabei auf den berühmten Ahnen.68 Obwohl Albrecht von Waldstein letztendlich nicht der einzige Waldsteiner des 17. und 18. Jahrhunderts war, um den eine Art leŠimon. ferner Okáč. 65  Auch in dieser Sache handelte es sich um kein vereinzeltes Beispiel für „juristischen Historismus“ der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1830 versuchten Alfred und Veriand zu Windischgrätz vom Staat die Rückgabe der kurz nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) konfiszierten Erbschaft Smiřice zu erwirken. Siehe Roubík, S. 142. 66  Die juristischen Analysen in dieser Sache werden aufbewahrt im RAV, Inventarnummer 3251, Sign.  I–23 / VII, Kart.  23. Sowie Moravský zemský archiv Brno, RA Valdštejnů–Vartemberků (Třebíč), Inventarnummer 36, Kart. 16. 67  Reaktionen auf die Ausstellung in Doksy / Hirschberg am See vom Jahre 1934 einschließlich Zeitungsartikel befinden sich im RAV, Inventarnummer 3552, Sign. I–23 / VIII / 1–5, Kart. 23. Ferner zu dieser Ausstellung Rákosník. 68  Im Jahre 1959 erschien in Wien eine Broschüre anlässlich der 800. Jährung der ersten Erwähnung Markwarts, des Kämmerers von König Wladislaw II. (1159). Al­ brecht von Waldstein wird hier besprochen auf S. 26 ff. [Kollektiv der Autoren]. Sowie Waldstein-Wartenberg. Albrecht von Waldstein wird hier besprochen auf S. 14– 24. 63  Ferner 64  Dazu



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gendärer Aureole entstanden ist, wurde er zum markantesten Symbol, mit dem künftig die Familie Waldstein verbunden wurde und noch stets verbunden wird. Die Angehörigen dieser Familie waren sich des Potenzials gut bewusst und versuchten, es maximal auszunutzen. Es bleibt jedoch die Frage offen, inwiefern es sich um kühles Kalkül oder aber um aufrichtige Bewunderung für einen Mann handelte, der in seiner Zeit die Geschichte Europas prägte.

Wallenstein auf der Leinwand – Stratege, Politiker, Egomane, Bürgerlicher Von Victoria Gutsche Die Figur Wallenstein war schon früh ein überaus beliebter Gegenstand von Kino und Fernsehen: Seit 1911 lassen sich mindestens zehn verschiedene Spiel- und Fernsehfilme sowie zahlreiche nicht-fiktionale Formate nachweisen, die den Friedländer in unterschiedlichen Kontexten auf die Leinwand bringen. Problematisch erscheint jedoch, dass insbesondere für die frühen Wallenstein-Filme die Quellenlage geradezu desaströs anmutet. So müssen nicht nur die Filme bis 1962 (mit Ausnahme eines kurzen Fragments aus dem Jahr 1925) als verloren gelten, sondern auch die Rezeptionszeugnisse sind überaus spärlich, so dass man sich häufig nur auf wenige (Werbe-) Anzeigen und Rezensionen stützen kann. Tatsächlich ist für die frühen Wallenstein-Filme bis 1925 zum Teil nicht gesichert, ob sie überhaupt produziert wurden, da zum Teil nur Ankündigungen dieser Filme ermittelt werden konnten. Darüber hinaus lässt sich nicht immer zweifelsfrei klären, ob es sich  – vor allem in Bezug auf den / die Film / e des Jahres 1916  – um eine oder mehrere Verfilmungen handelte; Tabelle 1 gibt einen ersten Aufschluss über die nachgewiesenen Wallenstein-Filme. Vor dem Hintergrund der schwierigen Quellenlage verstehen sich die folgenden Ausführungen als erste Hinweise zur Rekonstruktion der Figur Wallensteins im Kino und im Fernsehen, können doch vielfach keine Aussagen zur Filmästhetik oder Dramaturgie getroffen werden. Dennoch wird versucht, nicht nur den jeweiligen Entstehungskontext zu erschließen, sondern die Filme – sofern möglich – auch hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Dramaturgie, Ästhetik und Gestaltung sowie ihrer Figuren, in erster Linie natürlich Wallenstein, zumindest in Schlaglichtern zu beleuchten. Gleichwohl wird im Folgenden keine umfassende Analyse der einzelnen – zum Teil überaus langen – Filme vorgestellt, sondern es werden lediglich einige Hinweise zur Konzeption der Filme sowie der filmischen Interpretation der Figur Wallenstein gegeben.

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Victoria Gutsche Tabelle 1 Übersicht Wallenstein-Verfilmungen 1911 bis 19871 Titel

Jahr

Produktionsfirma /  Verleih

Einordnung

1

Wallensteinfestspiele in Eger 1911

[1911]

V: Central-Theater (Eger)

Aktualitätenfilm

2

Wallensteins Lager

1916

V: Filmhaus Hohenzollern (Berlin)

[Aktualitätenfilm, Theaterinszenierung]

3

[Festaufführung]

[1916]

P: Sigmund Sborowitz (Berlin)

[Aktualitätenfilm, Theaterinszenierung]

4

Wallensteins Lager

1916

V: Deutsche Filmverleihhaus Ostseestrand (Swinemünde)

[Aktualitätenfilm, Theaterinszenierung]

5

Wallensteins Lager

1916

P: Robert Glombeck, Schwedisch, Kunstfilm-Verlag

[Aktualitätenfilm]

6

Wallensteins Lager

1921

P: Deutsche FilmIndustrie Robert Glombeck (Berlin)

[Aktualitätenfilm]

7

Wallenstein

1925

P / V: Althoff-Amboss-Film-Akt.-Ges. (Berlin)

Historienfilm

8

Wallenstein von Friedrich Schiller

1962

P: Bavaria Atelier GmbH

Fernsehspiel (2 Teile)

9

Wallenstein

1978

P: Bavaria Atelier GmbH

Fernsehfilm (4 Teile)

10

Wallenstein

1987

P: BR, HR, TaurusFilm

Fernsehspiel

1  Angaben in eckigen Klammern sind erschlossen, die Angabe der herangezogenen Quellen findet sich jeweils bei den Ausführungen zu den einzelnen Filmen. Nicht aufgenommen wurden erstens neuere, d. h. seit 1925, dokumentarische bzw. populärwissenschaftliche Formate wie z. B. der fünfte Teil der ersten Staffel der ZDFSerie Die Deutschen mit dem Titel Wallenstein und der Krieg (Film von Martin Carazo Mendez, Erstausstrahlung: 09.11.2008), zweitens Filme, in denen Wallenstein nur als Nebenfigur auftritt (vgl. etwa Gustav Adolfs Page. Regie: Rolf Hansen, 1960) sowie, drittens, Übertragungen und Aufzeichnungen von Bühnenaufführungen.



Wallenstein auf der Leinwand

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1. Die ersten Wallenstein-Filme – Ansichten von Festspielen und Aufführungen Im Juli 1911 wird im Branchenblatt Der Kinematograph folgender Film annonciert, bei dem es sich mutmaßlich um den ersten Wallenstein-Film handelt (Abb. 1):

Abb. 1: Annonce in Der Kinematograph 238 (19.07.1911)

Ob dieser Film jemals aufgeführt oder überhaupt aufgenommen wurde2 – die Festspiele sollten am 29. und 30. Juli 1911 erst noch stattfinden –, lässt sich aufgrund der mangelnden Rezeptionszeugnisse heute nicht mehr feststellen. Ausgehend von der Annonce und vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Filmproduktion handelte es sich jedoch (mutmaßlich) um einen nonfiction-Film, genauer einen „Aktualitätenfilm“3 oder, nach Tom Gunning, eine „Ansicht“4: Dem Zuschauer wird ein „Ereignis der Natur oder in der 2  Der Verleih sollte laut Annonce durch das Egerer Central-Theater, das erste Kino Egers, erfolgen. Dieses befand sich seit 1909 im Hof des Café Wallenstein. Vgl. Černý, S. 64. 3  Vgl. einführend zum Aktualitätenfilm den Band „Aktualität“ des KINtop. 4  Gunning (1995), S. 114. Gunning verwendet die Begriffe Aktualitätenfilm und Ansicht weitgehend synonym, Petzold versteht dagegen „die Aktualität als Subgenre

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Gesellschaft“5 präsentiert, ohne dass damit jedoch, wie beim Dokumenta­ tionsfilm, eine artikulierte Argumentation oder dramatische Struktur einhergeht. Vielmehr werden in der Ansicht verschiedene Einstellungen – „Einzug in Eger, Turniere, Truppen, Spiele auf der historischen Kaiserburg […]“6 etc. – aneinandergereiht, der Fokus liegt auf dem „Akt des Schauens und der Zurschaustellung“.7 Der Film wird so zur Illustration eines Geschehens, inszeniert wird das „bloße[] Schauen“,8 auch wenn der Film durch die Anei­ nanderreihung der Einstellungen eine narrative Struktur aufweisen kann. Für den Wallenstein-Film ist jedoch mit Blick auf die Auflistung der verschiedenen Gegenstände sowie der Angabe „Länge 400–500 m.“9 eher von einem Anthologie-Format auszugehen, d. h. „a way of organising a film of multiple shots in such a way that each shot seems to function as a separate entity, although they are joined by a common theme or a slight thread of a story“.10 Der Film fungierte, darauf verweist nicht zuletzt die Angabe „Schlagerund Reklamefilm“ sehr deutlich, als Werbemittel für die Wallenstein-Festspiele in Eger. Diese wurden 1908 das erste Mal durchgeführt, die Planungen reichten jedoch bereits ins Ende des 19. Jahrhunderts zurück, auch wenn man sich erst 1906 ernsthaft dem Projekt widmete. Man wollte an andere historische Festspiele, zum Beispiel in Altdorf und Zirndorf, anschließen und erhoffte sich – neben der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls durch die (Rück-) Besinnung auf das historische Erbe – einen großen Zulauf an Gästen. Diese ersten Festspiele waren – glaubt man Karl Siegls Festschrift zu den Spielen von 1911 – auch durchaus erfolgreich, so dass sie im folgenden Jahr wiederholt wurden.11 1910 schien es jedoch angesichts befürchteter Ermüdungserscheinungen geraten zu pausieren, damit „das Interesse an diesen Spielen bei einer alljährigen Wiederholung nicht abflauen möge“.12 Es galt also, nach der

Ansicht“, insofern die Ansicht allgemein „sehenswerte Orte oder Vorgänge“ zeigt, die Aktualität aber „sehenswerte Ereignisse mit Nachrichtencharakter“. Petzold, S.  62 f. 5  Gunning (1995), S. 114. 6  Der Kinematograph 5,238 (19.07.1911), o. S.  7  Gunning (1995), S. 118. Gunning leugnet freilich nicht, dass auch bei der Ansicht diskursive Strategien wirken: „Es gibt im Film keine ‚uninterpretierten Fakten‘. Kein Bild ist ideologisch unschuldig, und die Syntax des Blicks, der zwischen Kamera, dem Subjekt auf der Leinwand und dem Zuschauer ausgetauscht wird, ist ziemlich komplex. Zudem wurden die frühen non-fiction-Filme oft von Vorträgen begleitet, welche die Bilder in verschiedene diskursive Zusammenhänge stellen konnten.“ Ebd., S. 114. 8  Ebd., S. 119. 9  Der Kinematograph 5,238 (19.07.1911), o. S. 10  Gunning (1982), S. 224. 11  Vgl. Siegl (1911a), S. 12 f. 12  Siegl (1911a), S. 13. Vgl. zu den Festspielen weiter Siegl (1934), S. 36–38; Fendl, S. 478; Davies (2009), S. 100 und Koudelková, S. 68–78.



Wallenstein auf der Leinwand

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einjähriger Pause die Spiele von 1911 wieder kräftig zu bewerben, und diesem Zweck diente auch die Ankündigung des Films, der für jene, die nicht dabei sein konnten, die „optische Berichterstattung“13 übernahm;14 der Film machte eine ‚Als-ob-Teilhabe‘ am Geschehen möglich.15 Diente der Film also zugleich als Werbemittel und Berichterstattung, erscheint die Bezeichnung „Schlagerfilm“ zumindest erläuterungsbedürftig, insofern mit diesem Etikett ab etwa 1909 / 10 „fiktionale Filme mit einer Länge um 400 Meter […] zur Unterscheidung der Nummernprogramme“16 bezeichnet wurden. Rechtfertigen lässt sich diese Bezeichnung mit Blick auf die zeitgenössische Filmproduktion – Uli Jung hat darauf verwiesen, dass um 1913 der „vaterländische Historienfilm“ an Bedeutung gewann – sowie die sich nur aus dem Annoncentext ableitbare ästhetische Form des Film. So handelte es sich mutmaßlich um eine Art Vorform des Historienfilms, wenn etwa auf die ­„naturgetreue Kostümierung und Ausstattung“17 hingewiesen wird: „Ab 1913 drehten deutsche Hersteller zahlreiche Historienfilme, deren Sujets bedeutende Persönlichkeiten der ‚vaterländischen‘ Geschichte waren. Die Aufnahmen wurden nach Möglichkeit an Originalschauplätzen gemacht oder zumindest mit zeitgenössischen Requisiten ausgestattet, die eigens aus Museen oder Mobiliendepots entliehen wurden, um die Authentizität des Dargestellten zu beglaubigen. […] Während der ‚Autorenfilm‘ 1913 eindeutig dem Bereich des Fiktionalen zugerechnet war, wurden dem Publikum Historienfilme als möglichst getreue Re-enactments historischer Ereignisse vorgestellt, d. h. als kinematographische Veranschaulichungen, die zeigten, ‚wie es wirklich war‘. Weil sie zeitgenössisch auch so rezipiert wurden (obwohl es sich um Spielfilme handelt), rückt dieses Filmkorpus in den Fokus der Geschichte des nicht-fiktionalen Films im deutschen Kaiserreich.“18

Spätere Wallenstein-Filme entsprechen dann auch hinsichtlich ihrer Ästhetik und Dramaturgie dem Typus des Historienfilms. Dass der Film von 1911, sofern er denn überhaupt produziert wurde, tatsächlich zu einem Kassenschlager geworden ist, lässt sich bezweifeln, da sich kaum Rezeptionszeugnisse finden lassen. Möglicherweise wurde jedoch der Film bzw. einzelne Einstellungen als Schulfilm eingesetzt, berichtet doch 1912 ein Rezensent in der Berliner Tageszeitung Germania, dass Oberlehrer Dr. Fischer „[d]ie Kinematographie als das Bildungsmittel der Zukunft […] 13  Garncarz.

14  Vgl. zur Werbestrategie bzw. den Versuchen lokaler Händler, Wirte usw., sich die Festspiele ökonomisch zu Nutze zu machen, Fendl, S. 478–480 und Černý, S. 42– 67 zur Wallensteintradition in Eger und dem damit verbundenen Tourismus. 15  Vgl. Garncarz, S. 82. 16  Jung, S. 357 [Herv. V.G.]. 17  Der Kinematograph 5,238 (19.07.1911), o. S. 18  Jung, S. 360. Vgl. zur durchlässigen Grenze zwischen fiction und non-fiction auch Heller.

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in längerem Experimentalvortrage behandelt“ habe. Dabei sei auch eine „Anzahl von Schulfilms“ vorgeführt worden, „die zum Teil den Gipfelpunkt der kinematographischen Leistungsfähigkeit darstellen dürften“.19 Darunter waren – neben Aufnahmen einer Schwebebahn, von Meeresbewohnern sowie der Herstellung von Gusseisen – auch Szenen aus Wallensteins Lager. Ob es sich bei diesen tatsächlich um Ausschnitte des Egerer Films gehandelt hat, muss aufgrund der unzureichenden Quellenlage Spekulation bleiben. Gleichwohl deutet sich hier bereits eine Tendenz an, die auch in späteren Rezen­ sionen der Wallenstein-Filme eine wichtige Rolle spielt. So wird nämlich immer wieder diskutiert, ob und inwiefern die jeweilige Verfilmung der Bildung des Publikums zuträglich ist bzw. ob es sich um einen „Kulturfilm“20 handelt, das heißt eine Form des wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Films.21 Auch der im Frühjahr 1916 mehrfach annoncierte Wallenstein-Film, das Verleihmonopol hatte das Filmhaus „Hohenzollern“ aus Berlin, weist in diese Richtung, wenn extra darauf hingewiesen wird, dass der Film für Kinder freigegeben sei. Dabei handelte es sich um eine zwei Akte umfassende Präsentation des ersten Teils von Schillers Dramentrilogie,22 Wallensteins Lager, der von der „Deutschen Studentenschaft in Jena“ aufgeführt wurde.23 Aufgrund der wiederum schwierigen Quellenlage sowie der im Hinblick auf Inhalt und Form des Films wenig aussagekräftigen Annonce sind zu diesem Film jedoch keine weitergehenden Aussagen möglich. Die nicht vorhandenen Rezeptionszeugnisse lassen zudem erneut bezweifeln, dass der Film tatsächlich zu einem „Kassenschlager“ geworden ist, verschwindet er doch recht schnell wieder aus den Verleihlisten. Unklar ist auch, ob es sich bei diesem Film um eine Adaption der literarischen Vorlage oder um Aufnahmen einer Theaterinszenierung handelt. Letzteres erscheint jedoch nicht unwahrscheinlich, kamen doch etwa zur selben Zeit Aufnahmen einer Theaterinszenierung von Wallensteins Lager ins Kino. So kündigten die Marmorhauslichtspiele im Juli 1916 Aufnahmen des Stadionfestes in Berlin an24 (zensiert als „Festaufführung, veranstaltet durch die Kommandantur von Berlin im 19  [Anonym],

Die Kinematographie, S. 1. der Hinweis in Paimann’s Filmlisten zur Verfilmung von 1925. Vgl. Paimann’s Filmlisten 10,503 (1925), S. 222. 21  Vgl. zum Kulturfilm im Kaiserreich und der Weimarer Republik einführend Mühl-Benninghaus, S. 1123–1136, v. a. S. 1126–1129 und weiter Beyfuss / Kossowsky. 22  Vgl. die Angabe in den Verleihlisten der Lichtbild-Bühne 9,33 (1916), o. S.; Lichtbild-Bühne 9,35 (1916), S. 86; Lichtbild-Bühne 9,36 (1916), S. 96. 23  Vgl. Lichtbild-Bühne 9,33 (1916), S. 4; Lichtbild-Bühne 9,34 (1916), S. 24; Lichtbild-Bühne 9,35 (1916), S. 56; Lichtbild-Bühne 9,36 (1916), S. 64. 24  Vgl. Berliner Tageblatt (23.07.1916), S. 5. 20  So



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Deutschen Stadion“; B 39475):25 Diese „Vaterländische Festveranstaltung“ fand am 18. Juni 1916 im Deutschen Stadion in Berlin statt, geboten wurden im Rahmen der Freilichtinszenierung neben Auszügen aus dem dritten Akt von Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg auch Wallensteins Lager nach Schiller.26 Es handelt sich bei diesem Film freilich wiederum um optische Berichterstattung, die dem Kinobesucher das zeitversetzte Schauen ermöglicht. Im selben Jahr gab es möglicherweise noch zwei weitere WallensteinFilme, über die jedoch noch weniger bekannt ist. So annonciert erstens das „Deutsche Filmverleihhaus Ostseestrand“ aus Swinemünde 1916 in der Lichtbildbühne und bietet seinen Kunden „100 komplette Zusatzprogramme“ bei Vertragsabschluss u. a. auf Wallensteins Lager. 3 Akte.27 Zweitens wird 1916 der Film Wallensteins Lager durch die Berliner Behörden genehmigt.28 Allerdings konnten zu diesem Film keine genaueren Angaben recherchiert werden. Gleiches gilt für den Film Wallensteins Lager aus dem Jahr 1921, der am 21.10.1921 von der Zensur genehmigt wurde.29 Zusammenfassend lässt sich vorerst festhalten, dass die Wallenstein-Filme bis zum Jahr 1916 bzw. 1921 in erster Linie Ansichten waren. Auf die Leinwand gebracht wurde weniger die Figur Wallenstein, sondern Ansichten der Geschichtsaneignung, genauer der ‚living history‘.30 Dies gilt im besonderen Birett, S. 375. den Bericht f.I., Festspiel im Stadion im Berliner Tageblatt (19.06.1916), S. 3. „Für das Auge gab es bei der nach raschem Umbau gleich folgenden Aufführung von ‚Wallensteins Lager‘ noch gesteigerte Eindrücke. Marschmusik klang auf und dann wälzte sich aus den Stadttoren einer der vielbunten ungeordneten Heerhaufen des Dreißigjährigen Krieges mit Truppen aller Gattungen, auch sogar Geschütz und fröhlichem Troß von Marketenderwagen, Weibern und Kindern. Eine Schwadron von Panzerreitern in schimmernder Wehr ritt im flotten Trab um den ganzen Innenraum unter entzücktem, rauschendem Beifall der Zuschauer. Als die abgesessen war und man sich von dem prächtigen Anblick losriß, war der Heerhaufen mit seinem Drum und Dran schon am Lagern, Feuer flammten auf, blauweiße Rauchschwaden wogten über die Wiese; überall gab es etwas Lebendiges und Lustiges zu sehen, so daß auch die Zuschauer nicht über Langeweile zu klagen hatten, die bei dem fröhlichen Lärm nur Bruchstücke des Dialogs auffangen konnten.“ 27  Vgl. Lichtbild-Bühne 9,31 (1916), S. 60. 28  Produziert von Robert Glombeck, Schwedisch, Kunstfilm-Verlag, (Länge: 1 Akt). Vgl. Birett, S. 379. 29  Produziert von der Deutsche Film-Industrie Robert Glombeck (Berlin). Vgl. Estermann, S. 49 und die Angaben bei filmportal.de unter: http: /  / www.filmportal. de / film / wallensteins-lager_2f6d611d7ac24d8981c4287579e3bec3 [Abruf am 15.07. 2017]. 30  Vgl. dazu einführend, insbesondere zur begrifflichen Unterscheidung von ‚Reenactment‘, ‚living history‘, ‚Geschichtstheater‘ usw. Hochbruck (2009), S. 215– 230; Sénécheau / Samida, S. 38–47 und Sieber, v. a. S. 109–125. 25  Vgl. 26  Vgl.

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Maße für den Film von 1911, aber auch für die Aufnahmen von Wallensteins Lager und hier insbesondere für jene des Stadionfestes. So wird zwar bei Wallensteins Lager auf den ersten Blick eine (Teil-)Adaption des Dramas von Schiller auf die Leinwand gebracht, ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es weniger darum geht, eine dramatische Handlung – zumal der Dramentext, wenn überhaupt nur in reduzierter Form präsentiert werden konnte bzw. der Film durch einen mündlichen Vortrag begleitet wurde – auf die Leinwand zu bringen, als vielmehr „vor dem Auge des Zuschauers die bewegte Zeit eines kampfdurchwühlten Jahrhunderts“31 entstehen zu lassen: „Nicht anders, nur so konnte und mußte es gewesen sein!“32 „Die Wirklichkeit ist hier [beim Stadionfest in Berlin; V.G.] so nahe, noch näher vielleicht als bei den ‚Meistersingern‘. Hier zieht wirklich ein Troß, gemischt aus Mut und Leichtsinn ein, ein wildes Heer von Jägern, Dragonern, Ulanen, ein Volk in vielen Sprachen.“33 Dem Zuschauer wird – so suggerieren zumindest die Werbeannonce von 1911 sowie die Berichte über das Stadionfest 1916 – über das Schauen Geschichte erfahrbar gemacht. Dabei handelt es sich um eine zweifachvermittelte Form der Aneignung: So versuchen die Festspiele und Aufführungen das historische Geschehen möglichst unmittelbar erfahrbar zu machen, indem das historische Spiel möglichst ‚realitätsnah‘ sein soll, wobei der historische Abstand und der Rekonstruktionscharakter jedoch nicht negiert wird. Durch das Medium Film wird nun eine weitere Vermittlungs­ instanz eingeführt, wodurch der historische Abstand, die bestehende und nicht zu überwindende Differenz zwischen damals und heute, zum zwar möglichst ‚authentischen‘, aber gleichwohl eben nur rekonstruierten Geschehen noch zusätzlich markiert wird.

31  Der

Kinematograph 5,238 (19.07.1911), o. S. im „Pilsener Tagblatt“ über die Egerer Wallenstein-Festspiele, zitiert nach Siegl (1934), S. 38. Das vollständige Zitat lautet: „Man sah sich in ferne Zeiten zurückversetzt, in die Tage des Zunft- und Innungswesens, der lärmenden Werbetrommel, des singenden Nachtwächters und blasenden Turmhüters, der züchtigen sittigen Gretelein und der würdigen Ratsherren. Und als das alles wirklich lebendig wurde, die Träume Fleisch und Blut annahmen, der moderne so unsäglich nüchterne Alltag mit einem Zauberspruch verschwand und die markigen Gestalten des 30jährigen Krieges Markt und Straßen bevölkerten, da gab es nur ein Staunen und Verwundern: Nicht anders, nur so konnte und mußte es gewesen sein! Was in einem andern Rahmen vielleicht als Mummenschanz, als Fastnachtsscherz oder, wenn es hoch geht, als gelungene Täuschung empfunden worden wäre, wirkte hier unmittelbar und eindringlich und so natürlich, daß man bei einiger Empfindung und geistiger Regsamkeit selbst die Zeitdifferenz von 276 Jahren vergißt und das Leben von damals mitzuerleben wähnte. In diesem Reflex, den die Wallensteinfestspiele hervorriefen, sah man ihre Bedeutung, ihre überragende Größe.“ Zitiert nach Siegl (1934), S. 36–38. 33  M. Sch., S. 3. 32  Bericht



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2. Wallenstein 1925 – Der Feldherr Wallenstein und die Liebe Im März 1924 wird der Film Wallenstein in Der Kinematograph annonciert: „Die große Tragödie eines gewaltigen Mannes wird mit erstklassigen Darstellern in ganz großer Ausstattung vorbereitet“.34 Rund ein Jahr später, am 26. März 1925, werden der erste und zweite Teil,35 Wallensteins Macht und Wallensteins Untergang, durch die Zensur freigegeben,36 am 20. Mai 1925 findet die Uraufführung im Primus-Palast in Berlin statt.37 Produziert wurde der Film von der Althoff-Amboss-Film-Aktien-Gesellschaft in Berlin, Regie führte Rolf Randolf, das Drehbuch schrieb unter Rückgriff auf Schillers Dramentrilogie Hans Behrendt, der schon die Drehbücher zu Katharina die Große (1920) und den Fridericus-Rex-Filmen (1921) mitverantwortet hatte und somit als durchaus erfahren im Bereich des Historienfilms gelten konnte. Hauptdarsteller waren Fritz Greiner, Erna Morena, Erich KaiserTietz, Ernst Rückert und Eduard von Winterstein, um nur einige zu nennen,38 gedreht wurde in Berlin, Prag und Eger.39 Von beiden Teilen, zusammen mit einer Länge von etwas über 4500 Metern,40 ist nur noch ein Fragment der 35mm-Nitro-Kopie mit einer Länge von 195 Metern erhalten, das sich heute im Bundesarchiv-Filmarchiv in Berlin befindet.41 Jedoch sind – zumindest 34  Der Kinematograph 18,891 (16. 03.1924), S. 17, vgl. auch Der Kinematograph 18,894 (06.04.1924), S. 32. 35  Beide Teile wurden gemeinsam aufgeführt. Vgl. Hamburger Nachrichten 134,393 (25.08.1925), S. 8. 36  Angaben bei filmportal.de unter http: /  / www.filmportal.de / film / wallensteinsmacht_b52c44e28af14359b7eb44f1614e0ef3; http: /  / www.filmportal.de / film / wallen steins-tod_047c0b59b1da4e9bbec3afb954cdd3ac [Abruf am 15.07.2017]. 37  Vgl. Der Kinematograph, 19,953 (24.05.1925), S. 20. 38  Wallensteins Macht und Wallensteins Tod – Regie: Rolf Randolf, Drehbuch: Hans Behrendt, Kamera: Axel Graatkjær, Aufnahmeleitung: Rudolf Hilberg, Bauten: Robert A. Dietrich – Darsteller: Fritz Greiner (Wallenstein), Eduard von Winterstein (Terzky), Ernst Rückert (Karl Terzky), Christian Bummerstedt (Max Piccolomini), Fritz Kampers (Isolani), Wolfgang von Schwindt (Buttler), Erna Morena (Isabella, Wallensteins Frau), Lia Eibenschütz (Maria, Isabellas Schwester), Erich Kaiser-Titz (Kaiser Ferdinand), Magnus Stifter (Octavio Piccolomini), Ferdinand von Alten (Questenberg), Leo Connard (Pater Lamormain), Leopold von Ledebur (Gustav Adolf), Franz W. Schröder-Schrom (Illo), Gustav Senger (Seni), Georg Poeschke (Rittmeister Neumann). 39  Vgl. Altonaer Neueste Nachrichten 14,39 (16.02.1925), S. 12; Le Figaro 86 (27.03.1925), S. 4. 40  Vgl. Paimann’s Filmlisten 10,503 (1925), S. 221; die Rezension in Der Kinematograph 19,953 (20.05.1925), S. 20 gibt eine Länge von 2435 Metern an, die Angabe bezieht sich wahrscheinlich aber nur auf den ersten Teil. 41  Vgl. BArch FILMSG SDK 04154-1 und K 116041. An dieser Stelle sei Roland Foitzik, Bundesarchiv-Filmarchiv, sehr herzlich für seine intensiven Recherchen und seine Unterstützung gedankt.

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im Vergleich zu den früheren Filmen – mehrere Rezeptionszeugnisse, in erster Linie Rezensionen in Branchenblättern und Tageszeitungen, erhalten, auf die sich die folgenden Ausführungen stützen. Handelte es sich bei den frühen Wallenstein-Filmen (mutmaßlich) um Ansichten, ist der Wallenstein-Film von 1925 den Historienfilmen zuzurechnen, die „durch die dezidierte Anlehnung an die literarische Nationalkultur und durch kinematographische Darstellungen von ‚vaterländischen‘ Versionen der deutschen Geschichtserzählung“42 das Kino aufzuwerten suchten. Dies gilt auch für den Wallenstein-Film und seinen Regisseur Rolf Randolf. Dieser, eigentlich Rudolf Zanbauer, war österreichischer Theaterund Filmschauspieler, Regisseur und Produzent. Randolf war – so Viktor Mann – ein „Bon Vivant […], ein scharmanter Mensch wienerischer Prägung auf der Bühne wie im Leben“,43 der „anständige Filme machen und auch das breitere Publikum heutiger Mentalität allmählich zu besserem Geschmack erziehen [wollte]“.44 Randolf und Viktor Mann hatten u. a. bei dem aufwendigen und recht erfolgreichen Film Das Geheimnis der Santa Margherita von 1921 zusammengearbeitet und im Jahr 1923 schlug Randolf Mann ein weiteres Projekt vor. Randolf wollte „zum ersten wirklichen Schlag ausholen, das Kino ebenbürtig neben Theater und Oper stellen, wirkliche Kunst machen und einem großen Dichter ein ewig großes Thema geben“.45 Er zielte damit auf den Tristan-und-Isolde-Stoff, der große Dichter war Thomas Mann, und tatsächlich schrieben Thomas und Viktor Mann ein Exposé und ein Drehbuch.46 Das Projekt scheiterte schließlich jedoch aus unterschiedlichen Gründen und soll hier nicht weiter verfolgt werden. Erwähnung findet diese Episode vielmehr, da man Randolfs Bestreben, das „Kino ebenbürtig neben Theater und Oper [zu] stellen“ und das Publikum „zu besserem Geschmack [zu] erziehen“, auch auf den Wallenstein-Film beziehen kann. Durch den expliziten Bezug auf die literarische Vorlage47 und den Rückgriff auf einen bewährten Stoff – eine flüchtige Durchsicht von Theaterprogrammen Anfang der 1920er Jahre zeigt, dass Schillers Dramentrilogie bzw. Teile davon zu dieser Zeit recht häufig an Theatern ge-

42  Jung,

S. 360. V., (1949), S. 451. Vgl. zur Biographie Randolfs: Springeth / Müller, S. 61, Anm. 24 u. S. 67, Anm. 44 sowie Mann, V., (1949), S. 480 (zum Todesdatum). 44  Mann, V., (1949), S. 451. 45  Ebd., S. 458. 46  Die Ausführungen zum geplanten Tristan und Isolde-Film sind entnommen aus Springeth / Müller, S. 60–67. 47  Das vorliegende Fragment des Films beginnt mit folgender Schriftaufblendung: „Wallenstein nach Schiller mit Fritz Greiner u. Erna Morena / Regie: Rolf Randolf /  1925“. 43  Mann,



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spielt wurde48 – kann sein Wallenstein auch als Beitrag zum Versuch gesehen werden, das Kino vor dem Hintergrund der seit den Anfängen des Kinos geführten Diskussionen um das Verhältnis von Theater und Film sowie die ‚Werktreue‘ zu nobilitieren.49 Denn tatsächlich wird das Verhältnis von literarischer Vorlage und filmischer Adaption immer wieder in den Rezensionen verhandelt, zumal Randolf / Behrend sich nur lose an Schillers Drama orientierten. Eine zeitgenössische Rezension gibt den Inhalt folgendermaßen wieder: „Wallenstein ist auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er verlangt von Kaiser Ferdinand für seine finanzielle Unterstützung drückende Gegenleistungen, was am Wiener Hofe seine Gegnerschaft vergrößert. Ehrliche Bewunderung für seinen Gegner Gustav Adolf von Schweden läßt ihn vor dem entscheidenden Schlage zaudern. Als er den Schweden eine siegreiche Schlacht liefert, hat am Hofe der Verdacht, daß er mit dem Feinde im Bunde stehe, schon zu sehr an Boden gewonnen und führt nach einem zweiten verlorenen Gefechte, in dessen Verlauf die Schweden aus Empörung über den Tod ihres Königs die Scharte ausgewetzt, zur Entsendung einer kaiser­ lichen Untersuchungskommission nach Prag. Daß ein von Wallensteins Intimus in dessen Namen ausgestelltes hochverräterisches Dokument in die Hände der Kaiserlichen fällt, besiegelt das Schicksal des Generalissimus und raubt ihm auch die Sympathien seiner Anhänger. Diese treten den Canossagang nach Wien an, während Buttler, den immer noch zwischen Treue und Verrat Schwankenden in Eger ermorden lässt.“50

Die Handlung setzt folglich mit den Schlachten von 1632 ein und folgt dann im Wesentlichen den historischen Ereignissen und Schillers Drama, wobei jedoch die „Schlachtszenen fast dürftig zu nennen“ seien – so ein Kritiker.51 Zwar handle es sich um einen „historische[n] Großfilm“, doch sei er „mit wesentlich dürftigeren Mitteln inszeniert worden […], als seine Vorgänger“.52 Zudem mangele es dem Film an ‚Authentizität‘, wenn die „böhmischen Chausseen, über die die Wallensteiner ziehen, […] gar zu neuzeitlich gepflastert“53 seien, dem Zuschauer mithin nicht gezeigt werde „wie

48  Besonders hervorzuheben ist hier die Inszenierung von Leopold Jessner am Berliner Staatstheater in der Spielzeit 1924 / 25 mit Werner Krauss in der Rolle Wallensteins. Vgl. dazu Heilmann, S. 302–313. Auf diese Inszenierung wird auch in den Kritiken des Wallenstein-Films Bezug genommen. Vgl. Dyck-Schnitzer, S. 1. Darüber hinaus jährte sich 1925 der Todestag Schillers zum 125. Mal und bot damit Anlass, sich mit Schiller zu beschäftigen. 49  Vgl. einführend zum Verhältnis von Theater / Literatur und Film sowie zur sogenannten Kino-Debatte Diederichs; Maintz, S. 5–36 sowie die Anthologien Kaes und Schweinitz. 50  Paimann’s Filmlisten 10,503 (1925), S. 221 f. 51  Pr., S. 1. 52  O., S. 15. 53  L-th., S. 3.

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es wirklich war“.54 Es werde – hier scheinen sich die Rezensenten weitgehend einig zu sein – kein „Zeit- und Schlachtengemälde“55 dem Zuschauer vor Augen geführt, sondern – so ein weiterer Kritiker – „ein Idyll auf dem Hintergrund einer von Kämpfen geschüttelten Welt“, ein „ganz geschmackvolles Bilderbuch, das man ‚Szenen aus dem Dreißigjährigen Kriege‘ benennen könnte. Das Antlitz der Zeit bleibt unentschleiert“.56 Beklagt wird zudem ein „Kompositionsmangel“, der unter anderem mit dem recht freien Umgang mit der literarischen Vorlage begründet wird. So hat Terzky nun einen Sohn, der die Schwester Isabellas, Maria, liebt, eine „ins soubrettenhafte transponierte[] Surrogat-Thekla“.57 Gräfin Terzky und Thekla werden gestrichen, Max Piccolomini liebt nun Isabella. Tatsächlich scheinen sich die meisten Rezensenten an der Einfügung dieser Liebeshandlungen zu stören, zumal „der Stoff […] so stark Gemeingut des deutschen Volkes [ist], daß er in seiner filmischen Verarbeitung überall starkem Interesse begegnen muß“.58 Entweder die Verfilmung im Sinne einer möglichst ‚werkgetreuen‘ Adaption der literarischen Vorlage, wobei nicht deutlich wird, wie diese auszusehen hätte, oder Orientierung an den historischen Ereignissen – dies scheinen die zwei Möglichkeiten zu sein, die den Rezensenten für eine Verfilmung des Wallenstein-Stoffes angemessen erscheinen.59 Die Orientierung an und freie Adaption von Schillers Drama sowie die Einbeziehung der historischen Ereignisse und damit die Autonomie von der literarischen Vorlage beanspruchende Verfilmung Randolfs – diesen „Deutungsversuch“ des „Großen“60 – goutiert die zeitgenössische Kritik jedoch nicht. Der Versuch der Partizipation an der „Reputation der literarischen Hochkultur“61 erweist sich als Fallstrick, wenn von den Rezensenten der inadäquate Umgang mit der literarischen Vorlage attestiert wird:62 „Man merkt etwas zu deutlich die Absicht: Historie 54  Jung,

S. 360. Filmlisten 10,503 (1925), S. 221 f. 56  M–s.: S. 2. 57  Ebd. 58  Vgl. Pr., S. 1. Die zugeschriebene große Vertrautheit mit dem Stoff oder genauer der literarischen Vorlage mag auch der Grund dafür sein, dass Fränze DyckSchnitzer die Figur Maria, die Schwägerin Wallensteins, mit Thekla verwechselt: „Durchaus girlhaft zappelte sich Thekla ab, Wallensteins, des Herzog von Friedlands, Töchterlein“. Dyck-Schnitzer, S. 1. 59  „Ein Wallensteinfilm hätte entweder ein Charakterstück mit dem Feldherrn als Mittelpunkt oder ein Zeit- und Schlachtengemälde werden können. Der Autor des vorliegenden Films (Hans Behrendt) hat keines von Beiden getan, sondern Illustra­ tionen zur Wallenstein-Historie geliefert, was uns die Behandlung des Ganzen als Kulturfilm als einzig gangbaren Weg zeigt.“ Paimann’s Filmlisten 10,503 (1925), S. 222. Vgl. auch M–s., S. 2. 60  L-th., S. 3. 61  Bohnenkamp, S. 18. 55  Paimann’s



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fürs Volk“.63 Erhoben wird mithin der Vorwurf der ‚Verflachung‘ durch die Einfügung der Liebeshandlungen, durch die ‚nicht-adäquate‘ Umsetzung der Vorlage. Tatsächlich bleibt Randolfs Wallenstein der erste und (bislang) einzige Versuch einer weitgehend eigenständigen Transformation,64 die nur noch periphere Bezüge zur Vorlage aufweist, orientieren sich doch die späteren Verfilmungen unter der Regie von Franz Peter Wirth deutlich an der jeweiligen literarischen Vorlage (1962, 1987: Dramentrilogie Schillers; 1978: Wallenstein-Biographie Golo Manns).65 Trotz dieser kritischen Stimmen wird Randolfs Wallenstein jedoch auch gelobt: Neben verhaltenem Lob (­ „Eine saubere Arbeit, die um der Volkstümlichkeit willen ihr Publikum finden wird.“66) finden sich durchaus positive Kritiken. So macht der Film auf den einen Rezensenten einen „guten Eindruck“ und verdiene „den Beifall, den man ihm [bei der Premiere; V.G.] zollte, voll und ganz“.67 Die größte Zustimmung erhält Wallenstein vom Kritiker des Hamburgischen Correspondenten: „Der Reihe historischer Großfilme schließt sich würdig der Achtakter ‚Wallenstein‘ an. Das Manuskript ist mit einigen Abweichungen nach der Trilogie von Schiller bearbeitet. In seiner Betonung der starken Persönlichkeit des Helden erreicht der Film Wirkungen, die man mit denen des Fridericus Rex-Films zu vergleichen versucht ist. Der szenische Aufbau hat in allen Teilen eine einwandfreie Lösung gefunden und erzielt vielfach Bilder von höchster künstlerischer Vollendung.“68

62  Vgl. beispielhaft Dyck-Schnitzer, S. 1: „Ein paar frische, feiertäglich frisierte Jungens, so zwischen zwölf und fünfzehn Jahren verfolgten aufgeregt diesen Mummenschanz, der so sehr frei nach Schiller an ihnen vorüberrollte, wenn sie zufällig, vielleicht zur Belohnung für ein gutes Extemporale, in Jeßners ‚Wallenstein‘ (Staatstheater) geraten sollten, so werden sie gewiß sagen: ‚Nein … hat der Schiller den Wallenstein zugerichtet …!‘ “. 63  O., S. 15. 64  Vgl. Mundt, S. 39. 65  Mit den vorangestellten Ausführungen soll freilich nicht dem in der Forschung längst überkommenen Axiom einer möglichst großen ‚Werktreue‘ das Wort geredet werden. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass es sich beim Drama und beim Film um jeweils spezifische „mediale Adaptionen einer Geschichte“ handelt (Hickethier (2012), S. 113). Wenn hier dennoch die nicht unproblematischen Begriffe ‚Verfilmung‘ (vgl. zur frühen Kritik an diesem Hickethier (1959), S. 183–198) und Vorlage beibehalten werden, begründet sich dies in der Begriffsverwendung der zeitgenössischen Rezensionen, die sich – durchaus wertend – auf Schillers Dramentrilogie als ‚Vorlage‘ beziehen. 66  Vgl. M–s.,, S. 2. 67  Vgl. Pr., S. 1. 68  Vgl. il, S. 18.

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Diese positive Würdigung bleibt jedoch die Ausnahme. Neben der Einfügung der Liebeshandlungen kritisieren die Rezensenten in erster Linie Fritz Greiner als Wallenstein bzw. die Anlage der Figur Wallenstein. So moniert ein Rezensent: „Wallenstein ist kein Generalissimus, sondern ein Wachtmeister […]. [Fritz Greiner] vermag es nicht, etwas von dem Daimonion, der Besessenheit, die in dem Friedländer glüht, heraufzubeschwören […]. Dieser Wallenstein bleibt ins Bürgerliche, allzu Bürgerliche gebannt“.69 Gerade die vermeintliche Bürgerlichkeit Wallensteins wird in den weiteren Kritiken immer wieder wiederholt. Ein anderer lobt hingegen Greiners Wallenstein und attestiert ihm „etwas jungenhaft Unbekümmertes“, es sei ein Wallenstein, der „fast knabenhaft stolz auf seine Macht“ sei, bevor er im zweiten Teil „hilflos aus Einsamkeit“ wirke.70 Deutlich wird hier, dass Wallenstein nicht als Feldherr, als Machtmensch, als Politiker erscheint, er wird vielmehr – so die Rezensenten – ‚verkleinert‘. Dies ist wohl nicht zuletzt auch den „PrivatAmouren“71 von Terzky und Piccolomini geschuldet, die den Fokus vom Politischen auf das Private verschieben, ohne das recht klar wird, welche Funktion diese Amouren haben. Ein Rezensent vermutet dahinter ein Zugeständnis an das anvisierte Publikum: „Hier zeigt sich die falsche Publikumspsychologie, die so vielen deutschen Produzenten das Konzept verpfuscht. Das Publikum will durchaus nicht Erotik um jeden Preis, und der Wallensteinstoff bietet wirklich auch der im Publikumssinne starken Momente genug, um auf lyrische Opernszenen, bei denen man unwillkürlich die Nachtigallen schluchzen hört, nicht angewiesen zu sein.“72

Mit Blick auf das erhaltene Fragment des Films scheinen sich diese Urteile zu bestätigen, wobei alle Aussagen aufgrund der Kürze des Fragments natürlich unter Vorbehalt stehen müssen und nicht auf den gesamten Film übertragen werden können. Da das Fragment nur schwer zugänglich ist, seien knapp die einzelnen Sequenzen protokolliert (Tab. 2). Hinsichtlich der gestalterischen Mittel lässt sich feststellen, dass diese recht konventionell verwendet werden: So dominiert der unbemerkte Schnitt und die Normalsicht, häufig werden Nahaufnahmen und Kreisblenden eingesetzt, um die Mimik des jeweiligen Schauspielers zu betonen.

69  M–s.,

S. 2. S. 1. 71  M–s., S. 2. 72  Ebd. 70  Pr.,



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Tabelle 2 Sequenzenprotokoll 1.

00.00 – 00.26

Schriftaufblendung: Wallenstein nach Schiller mit Fritz Greiner u. Erna Morena /  Regie: Rolf Randolf /  1925.

2.

00.27 – 01.48

Nahaufnahme Wallenstein am Kartentisch, Überblendung auf Landkarte, auf der Wallenstein Linien einzeichnet. Isabella kommt durch eine Tür und bleibt an der Tür stehen; Wallenstein geht zu ihr und spricht mit ihr; er zeigt auf den Kartentisch, küsst Isabella und kehrt zum Kartentisch zurück. Isabella bleibt kurz an der Tür stehen und verlässt den Raum.

3.

01.49 – 02.01

Wallenstein sitzt auf einem Stuhl, um ihn herum sind Isabella, Terzky und Karl Terzky stehend gruppiert. Isabella setzt sich an die Seite Wallensteins. Dieser gibt Terzky die Hand und Terzky und Karl gehen nach rechts aus dem Bild. Wallenstein blickt Isabella an.

4.

02.02 – 02.45

Außenaufnahme (im Hintergrund ist unscharf der Veitsdom und die Prager Burg zu erkennen): Terzky und Karl Terzky gehen einen Weg entlang und Terzky setzt sich auf eine Mauer. Schrifteinblendung: „Der Herzog leidet wieder schwer an seiner Gicht!“ Karl legt die Hand auf die Schulter Terzkys; Schrifteinblendung: „Ob die Herzogin wegen Maria mit ihm spricht?!“. Beide sprechen miteinander, bevor Karl seinen Vater verlässt, der allein auf der Mauer sitzen bleibt.

5.

02.46 – 03.32

Nahaufnahme von Wallenstein und Isabella, die nebeneinander sitzen. Beide sprechen nicht miteinander, Isabella wendet das Gesicht von Wallenstein ab. Dieser nimmt ihre Hand, die sie ihm wieder entzieht. Beide bleiben stumm nebeneinander sitzen, bevor Wallenstein sich erhebt und dabei von Isabella gestützt wird.

6.

03.33 – 04.32

Außenaufnahme (im Hintergrund: Veitsdom und Prager Burg): Wallenstein und Isabella gehen spazieren und bleiben an der Mauer stehen. Isabella beugt sich zu Wallenstein. Schrifteinblendung: „Karl Terzky und Maria lieben sich – – –“ Wallenstein schüttelt den Kopf und beide gehen weiter. Das Paar kommt aus einer Tür und geht eine Außentreppe herunter.

7.

04.33 – 05.16

Ein General Wallensteins unterzeichnet die Treueerklärung, im Hintergrund sind verschiedene Gefolgsleute Wallensteins. Terzky zählt die Unterschriften und sieht sich suchend um. Großaufnahme Max Piccolominis; Terzky fordert Max auf, das Dokument zu unterschreiben. Schrifteinblendung: „Bei mir bedarfs der Unterschrift nicht.“ Terzky fasst Max auffordernd am Arm, der sich daraufhin setzt und das Dokument unterschreibt. Max verlässt den Tisch und Terzky sieht sich das Dokument an.

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8.

05.17 – 07.08

Wallenstein sitzt im Halbdunkel auf einem Stuhl, der Rücken ist der Kamera zugewandt, ein Bediensteter legt ihm eine Decke um die Beine und positioniert sich dann hinter Wallenstein. Durch die Tür kommt der gerüstete Max Piccolomini. Die Perspektive wechselt und zeigt nun Wallenstein sitzend von vorne, Max neben ihm. Der Diener verlässt den Raum und Max teilt Wallenstein seinen Entschluss mit, Wallenstein zu verlassen. Großaufnahme von Wallenstein, der sich verzweifelt an die Brust fasst. Schrifteinblendung: „– – – So hab‘ ich Dich geliebt – – nur Du verlaß mich nicht!“ Wallenstein hält die Hand von Max und spricht mit ihm. Blende auf Wallenstein, der wieder der Tür zugewandt mit dem Rücken zur Kamera allein sitzt, der Diener schließt die Tür von außen. Wallenstein bleibt allein im Raum sitzen.

9.

07.09 – 07.22

Vier Soldaten tragen Max Piccolomini in ein Zelt und legen ihn auf eine Bahre. Wallenstein tritt ein, legt Handschuhe und Hut ab und setzt sich zum sterbenden Max.

Die Übersicht zeigt recht deutlich die Veränderungen gegenüber dem Drama Schillers (Liebeshandlung zwischen Karl Terzky und Maria, Isabella als Kupplerin zwischen beiden, Max Piccolominis Unterzeichnung der Treueerklärung). Zudem tritt Wallenstein zwar zunächst durchaus als Stratege auf, als Heerführer am Kartentisch, der das Vorrücken der Gegenpartei nachvollzieht, doch die Handlung wird vom Privaten bestimmt. Dieses drängt sich in Form von Isabella im Nachthemd hinein, so dass Wallenstein zumindest zeitweise seine Planungen unterbrechen muss. Dieser Einbruch des Privaten scheint sich, sofern man der ironischen Zusammenfassung eines Rezensenten glauben kann, zu wiederholen: „In einer lauen Frühlingsnacht erwacht die Sehnsucht nach Wallensteins Lager in der Isabella. Von Max Piccolomini begleitet, fährt sie nun in einem Fiaker ins Feld zum Generalissimus. Aber der Friedländer – Verzeihung Wallenstein – verbittet sich zurzeit jeden Damenbesuch. Er sieht dabei furchtbar mutig aus, und der Knebelbart sitzt ihm sehr schief. ‚Aber der Gustav Adolf nimmt immer seine Frau mit …‘ sagt zunächst Isabella, um dann im echt schillerschen Romanzenstil in Gedanken etwa so fortzufahren: ‚Sehnsucht breitet sich nicht aus, hast du PiccoloMinimax im Haus …‘ Es war alles scheußlich schön.“73

Wallenstein erscheint mit Blick auf das Fragment und den hier zitierten Ausschnitt vor allem als Privatmann, ohne dass Politik und militärische Strategie jedoch gänzlich an den Rand gedrängt werden; auch im Gespräch zwischen Terzky und seinem Sohn geht mehr um Privates, nämlich um das Verhältnis zwischen Karl Terzky und Maria. Die Fokussierung auf das Private und Wallenstein als Ehemann wird im Übrigen auch deutlich, wenn man 73  Dyck-Schnitzer,

S. 1.



Wallenstein auf der Leinwand

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das wohl bekannteste Standbild des Films heranzieht, das als Zigarettenbild vertrieben wurde (Abb. 2): Es zeigt Wallenstein und Isabella im Gespräch (Sequenz 5), wobei Wallenstein sich Isabella zuwendet und als sorgender Ehemann erscheint, während Isabella den Blick jedoch in die Ferne richtet und ihm die Hand schon bald wieder entzieht. Wallenstein selbst erscheint zudem – wenn man ihn mit den späteren Darstellern vergleicht – vor allem als gebrochener, kranker und isolierter Mann, was insbesondere in der letzten Einstellung vor dem Tod Max Piccolominis deutlich wird, wenn ein verzweifelter, zurückgezogener Wallenstein allein zurückbleibt. Insgesamt, so der Tenor der Rezensionen, gelinge es nicht, die Komplexität Wallensteins überzeugend auf die Leinwand zu bringen – gleiches legt auch das erhaltene Fragment nahe. Das hängt zum einen mit der Betonung der amourösen Verwicklungen zusammen, zum anderen mit der Figur Wallensteins selbst. Wenn Fritz Greiner hier ein Scheitern an der Widersprüchlichkeit und der Vielschichtigkeit des Friedländers vorgeworfen wird, befindet er sich jedoch in guter Gesellschaft.74 So hält etwa Siegfried Jacobsohn

Abb. 2: Fritz Greiner als Wallenstein und Erna Morena als Isabella (Wallenstein, R: Rolf Randolf, D 1925) [Quelle: Oskar Kalbus: Vom Werden deutscher Filmkunst. 1. Teil: Der stumme Film. Altona-Bahrenfeld 1935, S. 70] 74  „Daß die Spiegelung von Idee und Eigennutz in der Körperlichkeit zweier Schauspieler grob bleiben muß oder in das Gebiet der Überzeichnung führt, mußte

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1924 für das Theater fest, dass alle Versuche auch berühmter Schauspieler, der Figur Wallensteins gerecht zu werden, weitgehend gescheitert seien.75 3. Wallenstein im Fernsehen – Drei Versuche: Zweimal Schiller, einmal Mann Bei Rolf Randolfs Wallenstein handelt es sich um den (vorerst?) letzten Kinofilm über Wallenstein; ab den 1960er Jahren wird er zum Fernsehstoff. Eine besondere Rolle kommt hier dem Regisseur Franz Peter Wirth zu, der sich Wallenstein insgesamt dreimal widmete und der – mit Blick auf seine zahlreichen Adaptionen literarischer Klassiker – durchaus als Experte auf diesem Gebiet gelten kann. Zunächst als Dramaturg und Regisseur am Theater tätig, wechselte er 1954 zum Süddeutschen Rundfunk und zur Bavaria Film in München, wo er sich auf die Fernsehadaption klassischer Dramen spezialisierte, die beim Publikum durchaus erfolgreich waren.76 Tatsächlich gehörten, insbesondere in den frühen Jahren, Klassikerinszenierungen – v. a. von Dramen – zum festen Programm: So beklagt Heinz Ungureit 1964, dass „200 bearbeiteten (oder abgefilmten) Theaterstücken und etwa 90 bearbeiteten Romanen nur rund 25 originale Fernsehspiele gegenüber [stehen].“77 Diese Schwerpunktsetzung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens überrascht angesichts des Bildungs- und Kulturauftrages wenig: „Das Fernsehen, jedenfalls das deutsche, entspringt dem Theater, wenn auch eher symbolisch. Sowohl ARD als auch ZDF eröffneten ihren Sendebetrieb mit Goethes ‚Zueignung‘ respektive dem ‚Vorspiel auf dem Theater‘ aus dem Faust: Ausdruck des Drangs eines Nachkriegsbürgertums, das Theater und seine Heroen als Veredelungsferment einzusetzen. Ausdruck aber auch eines ganz anderen Denkansatzes gegenüber der Funktionsweise des Fernsehens, das im öffentlich-rechtlichen Verständnis der ersten vierzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nicht nur als Informations- und Unterhaltungs-, sondern auch als Bildungsmedium konzipiert war. Die von der Verfassung vorgedachte und in Rundfunkstaatsverträgen geregelte Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens hatte Informationsvielfalt, Staatsferne und kulturelle Bildung im Sinn […]“.78 der

Regie klar sein. Beide Hauptfiguren [Wallenstein und Gustav Adolf; V.G.] sind als geschichtliche Persönlichkeiten zu problematisch, als daß eine Typisierung ihnen gerecht werden könnte. Immerhin spürt man, daß sich der Regisseur Gedanken gemacht hat.“ L-th., S. 3. 75  Vgl. Jacobsohn, S. 629–632. 76  Vgl. zur Biographie filmportal.de unter http: /  / www.filmportal.de / person / franzpeter-wirth_3c7f908bf8af4fbdb07e64df0b742bf3 [Abruf am 20.07.2017]. 77  Ungureit, S. 16. Vgl. zur hier vorgenommenen Abwertung von Adaptionen gegenüber ‚originalen‘ Fernsehspielen die Hinweise oben (Fußnote 65). Vgl. zur quantitativen Entwicklung des Fernsehspiels weiter Hickethier (1980), S. 66–76.



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Bis in die frühen 1980er Jahre waren sowohl Übertragungen von Theateraufführungen wie auch Studioinszenierungen zahlreich im Programm vertreten, wobei sich insbesondere das frühe Fernsehspiel hinsichtlich seiner ästhetischen Gestaltung theatraler Mittel bediente und die Studioinszenierungen durchaus Ähnlichkeiten mit Bühnenaufführungen aufwiesen. Die Fernsehspiele erschienen so als „Fortsetzung der Theatertradition im anderen Medium“.79 Dies gilt auch für den Wallenstein-Film aus dem Jahre 1962, bei dem es sich um eine Fernsehadaption der Dramentrilogie Schillers handelt. Zunächst lässt sich festhalten, dass Wirth und Storz die Vorlage erheblich kürzen. So entfällt nicht nur – wie auch beim späteren, ebenfalls auf Schiller basierenden Film von 1987 – Wallensteins Lager, sondern auch sämtliche Frauengestalten. Der Fokus liegt ganz auf der politischen Sphäre, es ist eine „Herren-Partie“,80 ein Spiel der Macht, das sich hier entfaltet, das Politische wird gegenüber dem ‚rein Menschlichen‘ prononciert. Damit hebt sich Wirths Wallenstein deutlich vom Wallenstein des Jahres 1925 ab, wo ja gerade das Private besonders betont wurde. Die damit einhergehende ‚Gefahr‘, die Vorlage zu ‚verflachen‘ – dem Verhältnis zur jeweiligen literarischen Vorlage wird in den Kritiken stets nachgegangen – erliegen Wirth und Stolz jedoch, so Wolfgang Werner Paul Baranowsky, nicht: „[…] Die Fernsehversion, von Storz und Wirth angefertigt, nimmt die Gefahr auf sich, die ideenreiche Erdenferne Schillers noch zu akzentuieren; wo Landsknechtstum und Zärtlichkeit entfallen, tritt das Gedankliche und Staatstheoretische ganz und gar in den Vordergrund. Aber eben dies, die Reduktion auf das pure Staats- und Nationalschauspiel, gibt der Sache bildmäßige Attraktivität und intellektuelle Faszination.“81

Das – freilich anachronistische – Staatliche und Nationale wird dem Zuschauer gleich zu Beginn in Form einer über fünfminütigen, von Trommeln 78  Vgl. Bergmann, S. 29. Ergänzend ist mit Lemke, I., S. 13 noch hinzuzufügen, dass „die ‚Anleihen‘ beim Theater von Anfang an dazu [dienten], neben den Inhalten und ästhetischen Produktionsformen des Theaters auch den kulturellen Anspruch und den Status des ‚alten‘ Mediums auf das ‚neue‘ Medium zu applizieren und so das Fernsehen (in Abgrenzung zum Kino) als kulturelles Medium einzuführen.“ Zudem kamen – wie Franz Peter Wirth – viele der Regisseure, Dramaturgen usw. vom Theater zum Fernsehen. Vgl. ebd., S. 13 f. 79  Vgl. Netenjakob, S. 4. Mit der Betonung der Affinität zwischen frühem Fernsehspiel und Theater sollen freilich die Differenzen zwischen Theater und Film keineswegs geleugnet werden; die Aufzeichnung und Übertragung einer Bühnenaufführung vermittelt dem Fernsehzuschauer natürlich kein ‚authentisches‘ Bühnengeschehen. Dies gilt auch für Live-Fernsehspiele, bei denen das Spiel im Studio live übertragen wurde. 80  Telemann, S. 74. 81  Lupus (1962a), S. 17.

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untermalten, Massenaufmarschszene vor Augen geführt, die in ihrer ästhetischen Inszenierung – reduzierte, schlichte, einheitliche Uniformen mit Verzicht auf jegliche Differenzierung und damit einhergehende Betonung der militärischen Gemeinschaft,82 große Anzahl der Soldaten, Formationslauf, Fahnenträger – an militärische Aufmärsche der unmittelbaren Vergangenheit erinnern mag. Von der Masse abgehoben wird – neben den schon vor Wallenstein im Raum anwesenden Generalen, die sich, sofern nicht gerade marschiert wird, recht frei umherbewegen – Wallenstein. So erklingen bei seinem Auftritt neben Trommeln auch Flöten und er ist – neben Questenberg – der einzige mit schwarzem Umhang. Diese Gemeinsamkeit mit Questenberg sowie die unterschiedliche Kostümierung ist durchaus symbolisch zu verstehen: Wallenstein unterscheidet sich, abgesehen von Mantel, Marschallstab und Ordenskette, von seinen Generalen und Soldaten kaum, so dass auf den ersten Blick Gemeinschaft suggeriert wird. Bald offenbart sich freilich, dass dieser Blick trügerisch ist bzw. sein muss, insofern er nur die Oberfläche erfassen kann. Questenberg ist hingegen recht aufwändig gewandet und unterscheidet sich damit deutlich von Wallenstein und seinen Generalen; die Konfrontation wird mithin auch auf der vestimentären Ebene deutlich. Wirths Wallenstein von Friedrich Schiller zeichnet sich nicht nur durch schlichte Ausstattung der Darsteller, sondern auch überaus reduzierte Dekorationen aus, wobei die Szenerie häufig – vor allem mit Blick auf die Bewegungsabläufe – an einen Bühnenraum erinnert,83 wenn die Kamera den Figuren beim Raumwechsel nicht folgt, die Perspektive meist der Normalsicht entspricht und völlig auf Außenaufnahmen verzichtet wird. Und mehr noch: Die graphische Gestaltung in Bezug auf Raum und Choreographie verweist immer wieder zeichenhaft auf die jeweiligen Macht- und Ohnmachts-Verhältnisse. Scheint etwa Wallensteins Macht am Anfang noch ungebrochen zu sein, wird dies durch die symmetrische und axiale Raumgestaltung, die an absolutistische Herrschaftsästhetik erinnert, sowie durch die pyramidale Komposition, Wallenstein geht nach oben durch die Tür in der oberen Bildmitte ab, zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus werden häufig Nah- und Großaufnahmen genutzt, so dass ganz die jeweiligen Akteure – in erster Linie natürlich Wallenstein – im Fokus stehen, der ganz auf das darstellerische Spiel gerichtet ist, das durch die 82  Allein die verschiedenen Regimenter sind durch leicht voneinander abweichende Uniformen gekennzeichnet. 83  Die Pilsener Szenen spielen vor allem in einem Hauptraum, wo die Generale zusammenkommen, einem Wandelgang sowie zwei direkt angrenzenden Zimmern, in denen Wallenstein seine Berater und Besucher empfängt bzw. seinen astrologischen Studien nachgeht.



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reduzierte Ausstattung und Vereinfachung sowie die meist helle Ausleuchtung bei dunkler Kostümierung umso stärker hervortritt. Wolfgang Borcherts Spiel zeichnet sich dabei durch ein Minimum an gestischem Spiel aus und entspricht damit dem zeitgenössischen „Hang zur kleinen Gestik, zum Sprechen nach Innen, zur Sparsamkeit im mimischen Ausdruck“.84 Zugleich erscheint Wallenstein so durch die Darstellung Borcherts als unnahbarer, kühler Grübler, der sich in einem Prozess der inneren Vereinsamung befindet. Diese Vereinsamung, das Zaudern und die Unsicherheit werden zudem noch durch die Streichung der Frauengestalten und hier besonders durch den Verzicht auf Gräfin Terzky unterstrichen. So wird bei Wallenstein nicht nur alles Private getilgt und er erscheint als reiner Politiker und Stratege, sondern ihm fehlt auch die drängende und ihn bestärkende Gräfin, deren Redeanteile zum Teil auf Terzky übergegangen sind, so dass er einsam in seinen Entscheidungen wirkt. Die Streichung von Thekla hat freilich die größte Wirkung auf Max Piccolomini: Sein Konflikt wird auf die Entscheidung zwischen Wallenstein und seinem Vater zugespitzt und er bleibt ganz der Welt des Politischen verhaftet. Das individuelle Schicksal spielt keine Rolle mehr, Wallenstein wird zum politischen Drama. Es ist – wie schon Randolfs Wallenstein – trotz großer Nähe doch ein anderer Wallenstein als der Schillers, der dem Zuschauer entgegentritt: „Dafür stand auf der Haben-Seite ein völlig anderer ‚Wallenstein‘, als deutsche Mittelschulweisheit ihn uns bislang hatte alpträumen [sic] lassen: klar, übersichtlich, nicht mehr ganz so poetisch, aber um ein Beträchtliches glaubhafter. Und – trotz aller verbliebenen Überlänge – fernsehgerecht“.85

Ende der 1970er Jahre widmete sich Franz Peter Wirth dem WallensteinStoff erneut, nun ausgehend von Golo Manns sieben Jahre zuvor erschienener Biographie Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann. Zehn Jahre später führte Wirth noch ein drittes Mal Regie bei einem Wallenstein-Film, diesmal wieder mit Schillers Dramentrilogie als Vorlage, weshalb hier zunächst kurz auf den späteren Film eingegangen wird, bevor abschließend einige Schlaglichter auf den großen ZDF-Vierteiler aus dem Jahre 1978 geworfen werden. Der Wallenstein-Film von 1987 unterscheidet sich schon beim ersten flüchtigen Blick deutlich vom früheren: Zwar fällt hier wie dort Wallensteins Lager der Streichung zum Opfer,86 doch bleiben nun die Frauengestalten – zumin84  Hickethier

(2012), S. 177. S. 74. Vgl. weiter auch lupus (1962b), S. 16. 86  Ersetzt wird dieses, wie schon in der Fassung von 1962, durch einen stummen Auftritt Wallensteins. Im Gegensatz zur früheren Fassung, bei der der Film mit dem Aufmarsch einsetzt, beginnt der Film mit den Szenen I,1–2 aus Die Piccolomini. 85  Telemann,

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dest Isabella, Thekla und Gräfin Terzky – erhalten. Auch die Ausstattung – Kostüme, Requisiten sowie Szenerie – erscheint wesentlich opulenter und historistischer. Darüber hinaus liegen eine wesentlich dynamischere Kameraarbeit sowie eine differenzierte Lichtgestaltung vor. So wird beispielsweise bei den Treffen Piccolominis mit Isolani und Buttler mit dem Low-Key-Stil gearbeitet und die Szenerie erscheint in blau-grauem Licht mit harten Kontrasten – Zeichen nicht nur der Verschwörung, sondern auch der kühl-sachlichen Erwägung – wohingegen dort, wo es auch oder v. a. um Privates geht, warmes Licht unter der Verwendung zahlreicher Kerzen dominiert. Auch die Darstellung Wallensteins durch Thomas Holtzmann unterscheidet sich selbstverständlich von jener Borcherts. Während bei letzterem Mimik und Gestik reduziert sind und nur kurze Blicke Erregung und Unsicherheit verraten, wirkt der Wallenstein Holtzmanns getriebener, wütender und hochfahrender. Er ist nicht nur ein in die Enge Getriebener und Zauderer, sondern vor allem ein egoistischer Machtpolitiker, wobei alle Blicke auf ihn gerichtet sind. Deutlich wird diese Fokussierung auf Wallenstein auch durch die Kameraführung und Raumgestaltung; häufige Großaufnahmen seines Gesichts stützen diesen Eindruck ebenso wie seine Positionierung in der Bildmitte als Zentrum des Geschehens. Zugleich erscheint Wallenstein jedoch weniger isoliert als in der Fassung von 1962. So ist ihm 1987 mit der Gräfin Terzky eine Gefährtin beigegeben, der – vielleicht stärker noch als Wallenstein selbst – das politische Taktieren, das Täuschen und Verstellen zugunsten der eigenen Ziele tägliches Geschäft ist. Die intrigante Politikerin ist – wie Wallenstein – von der Macht besessen und wirkt ohne Skrupel im Sinne – so meint sie – Wallensteins. Die Nähe beider wird auch über ihre Positionierung im Raum betont, denn im Gegensatz zu seinen anderen Vertrauten, die zuweilen mehr als Statisten denn als Berater erscheinen, ist Gräfin Terzky Wallenstein auch körperlich nahe, indem sie, wenn sie ihn zur Aktion drängt, um ihn herumgeht, ihm von hinten eindringlich etwas einflüstert oder ihn von Angesicht zu Angesicht zur Tat auffordert. Demgegenüber bleibt Wallensteins Frau Isabella recht blass, sie

Bevor sich Octavio mit Questenberg bespricht, tritt Wallenstein auf, wobei die Einführung der Figur an die frühere Fassung erinnert, insofern alle Anwesenden im Raum Stellung beziehen: Die Pikeniere und Kürassiere stehen auf der Treppe Spalier und die Generale im unteren Raum stellen sich ebenfalls rechts und links auf. Dabei nehmen sie ihre Kopfbedeckungen ab; außer Questenberg, der neben Statisten als einziger auf der linken Seite steht und den Hut erst abnimmt, als er Wallenstein gegenüber steht. Wallenstein tritt durch eine Tür in der Bildmitte ein und grüßt mit dem Marschallstab. Danach geht er einmal herum, bevor er wieder durch die Tür oberhalb der Treppe abgeht. Im Übrigen wird hier wieder viel Wert auf symmetrische Gestaltung gelegt.



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ist vor allem auf die private Sphäre festgelegt.87 Gleiches gilt für Thekla: Zwar erhält die Nebenhandlung um die Tragödie der Liebenden durchaus ihren Platz, doch wird sie unter der Dominanz Wallensteins an den Rand gedrängt. Dementsprechend berichtet der Bote auch Wallenstein und nicht Thekla, die jedoch im Hintergrund lauscht, vom Tode Max. Vor diesem Hintergrund ist der Wallenstein von 1987 wiederum in erster Linie ein Film über Politik, Intrigen und Verrat, wobei Wallenstein selbst weniger widersprüchlich erscheint als noch 1962. Er ist kein enttäuschter Idealist mehr, sondern ein machthungriger taktierender Usurpator, der, auch die engsten Vertrauten täuschend, an der Erhaltung seiner Macht arbeitet. Insgesamt erscheint Wallenstein, gerade im Vergleich zur Fassung von 1962, mehr als „spielfilmartiges Gebilde“, das zwar durch die Dominanz des Dialogs „seine Theaterherkunft nicht ganz verleugnen kann“,88 doch sich hinsichtlich seiner Ästhetik deutlich vom „Kammerspielcharakter“89 des frühen Fernsehspiels unterscheidet. Häufige Schnitte, Einsatz der subjektiven Kamera, dynamische Kamerabewegungen oder historistische Ausstattung erhöhen den Illusionscharakter, das Spiel erscheint weniger als ein inszeniertes, wobei die dramatische Vorlage stets präsent bleibt.90 Der Wallenstein des Jahres 1987 wurde von Seiten der Kritik kaum wahrgenommen. Ganz anders Wirths Verfilmung von Golo Manns WallensteinBiographie 1978: Schon während der Dreharbeiten wurde wiederholt über deren Fortschritt, die dramaturgische Anlage des Films oder die Beteiligung Golo Manns berichtet und ZDF und ORF gaben noch vor der Ausstrahlung ein Heft über Wallenstein in der Reihe Das Fernsehspiel im ZDF heraus. Die recht umfangreiche Berichterstattung wurde auch von Golo Mann selbst forciert, der sich nicht nur bei seinem Besuch am Set in Prag fotografieren ließ, sondern selbst im Zeit-Magazin einen längeren Artikel mit dem Titel Audienz bei meinem Wallenstein veröffentlichte.91 Angesichts der Dimensionen der Produktion verwundert dies nicht: Der große Historienfilm, er setzt ein mit der Beisetzung Lukretias 1614 und endet mit Wallensteins Tod 1634, war zu dieser Zeit mit sechseinhalb Millionen 87  Das unterschiedliche Verhältnis von Wallenstein zu Gräfin Terzky und der Herzogin wird zudem durch die verschiedenen Anredeformen deutlich: Während Wallenstein und die Gräfin sich duzen, sprechen sich die Eheleute mit „Sie“ an. 88  Storz, S. 136. 89  Lemke, I., S. 39. 90  Dies wird besonders durch die Titelsequenz deutlich: Vor dem Hintergrund eines angedeuteten roten Vorhangs (Theatervorhang) erscheint zunächst die Unterschrift Friedrich Schillers, bevor der Titel „Wallenstein“ eingeblendet wird. 91  Vgl. Mann, G., (1977).

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Mark eine überaus teure Fernsehproduktion, wenn auch nicht die teuerste, wie in den zeitgenössischen Berichten häufig kolportiert wurde.92 Nichts­ destotrotz war es eine überaus aufwändige Produktion; gedreht wurde in Deutschland sowie an historischen Schauplätzen in Böhmen und Mähren. Golo Mann war von Anfang an an der Produktion beteiligt, was den Drehbuchautor Leopold Ahlsen wohl das ein oder andere Mal verzweifeln ließ, da Mann wiederholt historische Fehler monierte,93 weniger „Aktion“ und mehr „Politik und ­Psychologie“ wollte.94 Zumindest sprach Ahlsen im Nachhinein von einer „Odyssee“ und dass das fertige „Produkt am Ende mehr oder weniger eine Zufälligkeit“95 gewesen sei, wobei sich dies v. a. in der Beteiligung verschiedenster Personen und Anstalten begründete; Ahlsen musste das Drehbuch siebenmal umschreiben.96 Der Film selbst wurde in vier Teilen ausgestrahlt und hat insgesamt eine Länge von etwa sechs Stunden. Es ist ein Historienfilm, dessen Fiktionscharakter – trotz dem Versuch, möglichst ‚authentisch‘ zu sein – bereits im Titel betont wird: Wallenstein. Nach der Biographie von Golo Mann. Für das Fernsehen erzählt von Leopold Ahlsen. Der Titel rekurriert freilich auch auf Manns Biographie Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann.97 Der Film erhebt mithin nicht den Anspruch, historische Ereignisse möglichst faktengetreu zu rekonstruieren, sondern vielmehr von der Vergangenheit zu erzählen. Damit kann der Film dem sogenannten Histotainment98 zugerechnet werden, insofern historische Ereignisse fiktionalisiert werden, wobei aber gleichzeitig der Anspruch besteht, dem Rezipienten vor Augen zu führen, „wie es wirklich war“.99 Dieses Vorhaben wird nun zum einen durch möglichst ‚authentische‘ Ausstattung, Kulissen und Drehorte sowie Rituale und soziale Praxen, wie etwa das 16-Gänge-Menü am Hof von Kaiser Matthias, realisiert, zum anderen auf der auditiven und darstellerischen Ebene u. a. durch die Verwendung einer historisch anmutenden Kunstsprache mit altertümlichen Floskeln und historischen Begriffen, z. B. für Speisen, sowie dialektaler Merkmale, wie z. B. bei Kaiser Matthias und seiner Gemahlin Anna. Dem Zuschauer wird so ein Panorama der Zeit vor Augen geführt, ein „kulturgeschichtlicher Bilderbogen“,100 der Janßen, S. 51. Höhne, S. 236. 94  Mann, G., (1977), S. 50. 95  Durzak, S. 245. 96  Vgl. ebd. 97  ZDF / ORF bezeichnen den Film im Begleitheft als „Dokumentarspiel“. Vgl. ZDF / ORF, S. 21. 98  Vgl. Meyer, E., S. 274. 99  Jung, S. 360. 100  Ballmann, S. 127. 92  Vgl. 93  Vgl.



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sich jedoch vornehmlich auf die ‚höhere‘ Gesellschaft beschränkt, das ‚einfache Volk‘ spielt im Film kaum eine Rolle.101 Zugleich wird jedoch die so geschaffene ‚Authentizität‘ durch einige historische Ungenauigkeiten unterlaufen, die sofort von Seiten der Rezensenten bemerkt und moniert wurden. Um nur drei Beispiele zu nennen: Kaiser Matthias lebt im Film länger als tatsächlich, gleiches gilt für Collalto, Wallenstein muss im Film erst überredet werden, den Kaiser um die Genehmigung zur Aufstellung des Heeres zu ersuchen, und an der Vorbereitung der Schlacht am Weißen Berg war er nicht beteiligt.102 Diese Ungenauigkeiten mögen nun nicht so sehr ins Gewicht fallen, wenn man berücksichtigt, dass der Film keineswegs den Anspruch erhebt, ausschließlich historische Fakten zu präsentieren; wobei jegliche Präsentation von Geschichte natürlich immer Deutung ist. Wirth begründete diese Ungenauigkeiten – „Hier [Wirth bezieht sich auf den exakten Gleichschritt der Truppen beim Marschieren; V.G.] mußte ich also vom streng Historischen abweichen, um einer höheren Wahrheit willen“103 – mit einer höheren Wahrheit, wobei jedoch unklar bleibt, worin diese Wahrheit besteht. Tatsächlich scheint sich Wirth hier mehr an den Erwartungen bzw. Gewohnheiten des potentiellen Publikums orientiert zu ­ haben, insofern im Gleichschritt marschierende Truppen wohl eher den zeitgenössischen Sehgewohnheiten entsprechen.104 Gleichwohl handelt es sich nicht (nur) um ein „Kostümspektakel“,105 um einen – so Golo Mann – „schönen Film“,106 um eine ‚bloße‘ Übersetzung von „Atmosphäre und Lebensstil des Barock in so schöne Bilder“,107 wie die Kritik Wallenstein vorwarf. Unter der Hand schleicht sich nämlich durchaus eine Form des dokumentarischen Erzählens ein. So schaltet sich nämlich immer wieder ein Erzähler in Form eines voice-over-Kommentars aus dem Off ein, der Hintergrundinformationen zu einzelnen Figuren gibt und historisches Geschehen zusammenfassend schildert und erläutert. Diese dazu ZDF / ORF, S. 38. Höhne, S. 236–238 und Janßen, S. 51. 103  Vgl. ZDF / ORF, S. 43. 104  „Wenn wir diese Elitetruppe als ungeordneten Haufen dargestellt hätten, könnte der heutige Zuschauer sagen: ‚Das ist doch keine Elitetruppe!‘ Dieser Begriff ist für die Menschen unserer Zeit verbunden mit Exaktheit, Disziplin, Gleichschritt. Ich mußte, um den Eindruck einer solchen Truppe zu erwecken, etwas zeigen, was es damals noch gar nicht gab: absolute Exaktheit.“ Ebd., S. 42. 105  Löffler, S. 60. Die Kritik Sigrid Löfflers, die meint, Wallenstein sei „voller Action und Intrige […], mehr fürs Gemüt als fürs Gehirn“ (ebd.), erinnert stark an die Kritiken des Jahres 1925, die Randolfs Wallenstein eine ebenfalls eine ‚Verflachung‘ vorwarfen: „Man merkt etwas zu deutlich die Absicht: Historie fürs Volk.“ O., S. 15. 106  Mann, G., (1977), S. 55. 107  Höhne, S. 233 [Herv. V.G.]. 101  Vgl. 102  Vgl.

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zusätzliche heterodiegetische Erzählinstanz hat zwei miteinander zusammenhängende Funktionen: erstens die Deutung des Gezeigten und zweitens die Plausibilisierung bzw. Erläuterung von Zeit- und Ortswechseln sowie neuer Figuren. Ersteres vollzieht sich in Form knapper Kommentare zur politischen Lage, Zusammenfassungen historischer Ereignisse und Abläufe – Gustav II. Adolfs Eingreifen, von der Landung in Pommern 1630 bis zur Einnahme Münchens 1632, wird etwa in zwanzig Sekunden abgehandelt – ausführlicherer Erläuterungen zum Verlauf des Krieges oder es werden Informationen zu einzelnen Personen gegeben. Insbesondere bei den Erläuterungen zum Kriegsverlauf wird immer wieder auf die Einblendung von Landkarten zurückgegriffen, auf denen die Herrschaften und einzelne Orte verzeichnet sind. Dabei handelt es sich nicht um historische Karten; durch eine altertümlich anmutende Schrift wird jedoch der Versuch unternommen, diese möglichst ‚authentisch‘ wirken zu lassen, wobei gleichzeitig jedoch die Lesbarkeit weiter gewährleistet wird. Die erläuternden Kommentare dienen mithin zum einen der Information des Zuschauers, der Rekonstruktion geschichtlicher Ereignisse und Abläufe. Insofern – gerade auch durch die Einblendung der Landkarten – nähert sich der Film der Dokumentation an. Der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Modi des Erzählens – fiktionales und dokumentarisches Erzählen – stellt dabei eine Irritation dar, die in Wallenstein jedoch durch die häufige Verwendung weniger irritierend als vielmehr kohärenzstiftend wirkt. So dienen die Kommentare nämlich nicht nur der Information (Dokumentation), sondern haben zum anderen auch eine dramaturgische Funktion, insofern neue Figuren schnell eingeführt werden können, längere Zeiträume überbrückt, Ortswechsel motiviert und erläutert, für den weiteren Handlungsverlauf zum Verständnis wichtige Informationen gegeben werden usw. Dies erscheint angesichts der Vielzahl der Figuren sowie der – freilich schon vereinfachten – Komplexität der historischen Zusammenhänge notwendig zu sein. Zugleich wird durch die dokumentarischen Einschübe die Glaubwürdigkeit des fiktionalen Films betont; der Film vermittelt, wie es gewesen sein könnte. Darüber hinaus deutet der Erzähler aus dem Off jedoch auch das, was szenisch erzählt wird. Besonders deutlich wird dies mit Blick auf Wallenstein, der in der Adaption von Wirth und Ahlsen als durchaus widersprüchlicher, schwer fassbarer Charakter erscheint, weniger dämonisch und getrieben als der Wallenstein Holzmanns und weniger als Zauderer und Grübler wie der Borcherts. Während in den Fassungen von 1962 und 1987 Wallenstein als Machtpolitiker und Stratege auftritt, wird Wallenstein 1978 von Rolf Boysen als immer wieder wütender, zugleich aber auch die leisen Töne beherrschender Feldherr, Kriegsunternehmer und Diplomat verkörpert. Wallenstein ist hier vor allem ein Rationalist und Ökonom – dieses spielte bei den bisherigen Verfilmungen, soweit man dies feststellen kann, keine Rolle –



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dessen Wirtschafts- und Finanzpolitik immer wieder thematisiert wird. Wallenstein ist aber auch ein Scheiternder, ein häufig grantiger, herrischer, unbeherrschter und, wenn es geraten erscheint, zugleich liebenswürdiger Getriebener ohne rechtes Konzept, der von seiner Krankheit geplagt wird, die ihn zugleich isoliert und gegenüber anderen abhebt.108 Im Zentrum stehen aber vor allem Wallensteins Bemühungen um den Frieden und die letzte Einstellung entwirft das Bild eines verhinderten, am Ende vollends isolierten und damit gescheiterten Friedensbringers; eine Deutung, die wesentlich durch den Erzähler aus dem Off sowie die Perspektive der Kamera gesteuert wird: Wallensteins Leiche wird von Soldaten die Treppe herunter, nach draußen vor das Haus geschleift und im Schneetreiben liegengelassen. Zunächst stehen die Soldaten im Kreis um die Leiche und bescheinen sie mit Fackeln, bevor sie sich abwenden und sich, von dieser abgewandt, daneben postieren. Die Kamera bewegt sich langsam vom Geschehen weg, wobei der Fokus durch eine leichte Froschperspektive auf Wallensteins Leichnam im Bildzentrum gerichtet ist. Währenddessen erklingt aus dem Off die Stimme des Erzählers: „Er hatte Frieden. Endlich. Den eigenen. Den großen, allgemeinen Frieden machen, wie er es gewollt hatte, das konnte er nicht. Jetzt wird der Krieg weiter toben, noch vierzehn Jahre und es wird die grausamere, die elendere, die unerträglichere Hälfte sein, die jetzt kommt.“109

4. Resümee Die Figur Wallensteins erschien schon früh auf der Leinwand, doch scheint es – aufgrund der problematischen Quellenlage bleibt hier vieles spekulativ –, dass die frühen Filme bis 1925 weniger Wallenstein selbst, als vielmehr Bilder „eines kampfdurchwühlten Jahrhunderts“110 auf die Leinwand bringen wollten. 1925 aber richtete sich der Fokus ganz auf den Friedländer. Der Wallenstein Rolf Randolfs orientiert sich dabei – trotz Ankündigung im Titel – nur sehr lose an der Dramenvorlage Schillers: Der an seiner Krankheit deutlich leidende Wallenstein tritt dem Zuschauer vor allem als Privatmann bzw. als Ehemann entgegen, wenngleich er auch als Stratege am Kartentisch gezeigt wird. Doch immer wieder drängt sich das Private hinein, den „PrivatAmouren“111 scheint Wallenstein nicht entkommen zu können. Dieser Aspekt spielt bei den folgenden Verfilmungen für das Fernsehen unter der Regie von 108  Deutlich wird dies beispielsweise, wenn er bei einem Treffen mit den Generalen als einziger sitzt und sich frierend am Feuer wärmt, während die anderen Anwesenden stehen und schwitzen. Vgl. Wallenstein. 0.13,40–0.14,15. 109  Wallenstein. 1.26,03–1.26,31. 110  Der Kinematograph 5,238 (19.07.1911), o. S. 111  M.–s., S. 2.

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Franz Peter Wirth hingegen kaum noch eine Rolle. 1962 ist es eine reine „Herren-Partie“112 mit Wallenstein im Zentrum, in der sich alles um Politik und Strategie dreht. Verkörpert Borchert hier Wallenstein vor allem als getriebenen, zaudernden und sternengläubigen Politiker, erscheint der Wallenstein Holtzmanns aus dem Jahre 1987 mehr als egoistischer Machtmensch, wobei die Unterschiede zwischen den Filmen schon in der literarischen Vorlage gründen, ist doch schon Schillers Wallenstein durchaus zwiespältig gezeichnet. Die Filme von 1962 und 1987 dokumentieren insofern – gerade auch im Hinblick auf ihre ästhetischen und dramaturgischen Unterschiede wie Gemeinsamkeiten – auch eine spezifische Form der Schiller-Rezeption. Während 1925, 1962 und 1987 der Fokus also jeweils auf bestimmte (zugeschriebene) Merkmale und Eigenschaften des Friedländers gerichtet ist, versucht der Wallenstein-Film des Jahres 1978 dem Zuschauer verschiedene Facetten Wallenstein vor Augen zu führen: der Herzog als Ökonom und Rationalist, Diplomat und Intrigant, Stratege und Politiker, als Leidender ­ und – am Schluss – als verhinderter Friedensbringer. Wallenstein erscheint in Film und Fernsehen mithin in geradezu proteischer Vielgestaltigkeit, die ihren Ausgang in der Ambivalenz und damit Deutungsoffenheit des Friedländers hat. Gerade diese Offenheit für unterschiedlichste Auslegungen mag auch die Faszination begründen, die von der Figur Wallenstein ausgeht.

112  Telemann,

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Living and Playing History – Wallenstein in der populären Event- und Medienkultur Von Jörg Wesche Fokussiert man auf den Mythos Wallenstein, ist dieser bis heute nachhaltig durch die Künste geprägt. Neben Musik, Malerei, Skulptur, Literatur, Theater oder Film nimmt die populäre Event-Kultur in der aktuellen Erinnerungskultur eine zentrale Stellung ein. Sie rekonstruiert, produziert und vermittelt den Wallenstein-Mythos durch unterschiedliche Formen der Verlebendigung von Geschichte, die sich unter dem Stichwort ‚Living‘ oder ‚Playing History‘ zusammenfassen lassen. Die Formenvielfalt, die man von Seiten der Kulturwissenschaft und Geschichtsdidaktik – vor allem Letztere ist wissenschaftlich mit ihr befasst1 – unter ihren Vorzeichen beschreibt, ist gleichwohl unübersichtlich. Das ausdifferenzierte Feld der Event-Kultur erscheint komplex und heterogen. Selbst der Bereich der Wallenstein-Events kann im Folgenden nur exemplarisch anhand weniger ausgewählter Quellen untersucht werden, die bewusst unterschiedliche Text- und Mediensorten einschließen, die vor allem über das Internet öffentlich zugänglich sind, um das Spektrum der starken Eventisierung Wallensteins und der sie typischerweise begleitenden populären Dokumentation sichtbar zu machen. Erkenntnisleitend ist auf dieser Quellenbasis die Frage, wie die populäre Event- und Medienkultur mit der allgemeinen Herausforderung der zeitlichen Interferenz oder Dyschronie umgeht, die ihr im Sinn einer künstlichen Verschmelzung von historischer und gegenwärtiger Lebenswelt, von Eigenzeit und Ereigniszeit,2 also der Amalgamierung oder – negativ formuliert – Kontamination verschiedener Zeitstufen grundsätzlich eingeschrieben ist. Als methodisches Fundament ist der exemplarischen Analyse zunächst ein Überblick über Grundmodi der Verlebendigung von Geschichte vorangestellt, für die – soweit möglich – jeweils erste Beispiele aus dem WallensteinKontext genannt werden. Auf der Basis der systematischen Grundlegung erfolgt eine eingehendere Analyse zum Phänomen der Wallenstein-Festspiele, die insbesondere das gemeinschaftsstiftende Zusammenwirken der vorge1  Vgl. als konzise Übersicht über die Formen der Living History und die aktuelle Forschung Sénécheau / Samida, S. 34–44. 2  Zur systemtheoretischen Konzeptualisierung des Begriffspaars Genç, S. 97–104.

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stellten Grundmodi in der konkreten Event-Kultur aufzeigt. Ein Leitaspekt ist zudem die ausgeprägte webbasierte Dokumentation, die als integraler Bestandteil auch der Wallenstein-Festspielkultur erscheint. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Memminger Wallensteinwoche. Fokussiert wird damit auf den Bereich des Live-Rollenspiels, der als Form der darstellenden Verkörperung von Geschichte bzw. – aus theaterwissenschaftlicher Sicht – als historisches Embodiment zu beschreiben ist, das historische Ereignisse durch Wiederholung zum erfahrbaren Selbstereignis zu machen versucht.3 Die Auseinandersetzung mit den historischen Aneignungs- und Dokumentationstechniken der Festspielkultur führt in einem nächsten Schritt auf jene Popularisierungsphänomene, die konzeptionell nicht darauf ausgerichtet sind, das Problem der fundamentalen Dyschronie von Geschichtsverkörperung asymptotisch zu minimieren, sondern die den zeitlichen Bruch gezielt hervortreiben und bewusst inszenieren. An dieser Stelle verlässt die Darstellung den engeren Bereich der Living History und öffnet sich auf die spielerische Popularisierung Wallensteins und seine (medien-)konsumorientierte Vermarktung, bis hin zum reinen Labeling als Etikettierung. 1. Grundmodi der Verlebendigung von Geschichte Die Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. November 2009 zeigte unter der Überschrift „Fortsetzung der Realität mit anderen Mitteln“ vorderhand den Führungsstab der konföderierten Armee beim Frühstück mit ‚Golden Toast‘ und ‚Becel‘-Margarine. Die Aufnahme entstand kurz vor der Nachstellung der amerikanischen Bürgerkriegsschlacht von Cold Harbor am 11. September 2009 auf dem amerikanischen Truppenübungsplatz in Wildflecken. „Es stimmt so gut wie nichts auf dem Bild“ lautet die Bewertung des Kommentators, der die offensichtlichen Dyschronien der dargestellten Szene hervorhebt, um die prinzipielle Unwiederholbarkeit von Geschichte zu illustrieren.4 Hob das Foto die Verkörperung von Geschichte seinerzeit als „Wachstumsbranche“5 an prominenter Stelle in den feuilletonistischen Diskurs, hat das Thema in dieser Zeit auch wissenschaftlich Konjunktur, wie etwa die DFG-Forschergruppe 875 Historische Lebenswelten in populären 3  Dazu auch Fischer-Lichte (2012), S. 13: „Reenactments werden in diesem Sinne als Wiederholungen verstanden, die niemals mit dem identisch sind, was sie wieder holen, d. h. leiblich ins Gedächtnis zurückholen. Sie tragen sich vielmehr selbst als Ereignisse hier und heute zu. Insofern es sich bei ihnen um Aufführungen handelt, sind sie gar nicht anders denn als einmalige Ereignisse im Hier und Jetzt zu konzeptualisieren.“ 4  Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 03.11.2009, Nr. 255, S. 1. 5  Hochbruck (2013), S. 33.



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Wissenskulturen (Laufzeit 2007–2013) belegt,6 die u. a. auch ein von dem Freiburger Anglisten Wolfgang Hochbruck geleitetes Teilprojekt „Geschichtstheater: (Re-)Konstruktionen nordamerikanischer historischer Lebenswelten“ umfasste. Ein systematischer Ertrag dieses Forschungszusammenhangs ist die feindifferenzierte Typisierung historischer Verkörperungspraktiken, von denen die wichtigsten Grundmodi7 nachfolgend skizziert seien: Die experimentelle Archäologie als austestende Verlebendigungsform wird streng forschungsbasiert angelegt. Sie ist ziel- bzw. erkenntnisorientiert ausgerichtet, verfährt – wie beispielsweise die Alpenüberquerung von Verona nach Augsburg durch ‚Legionäre‘ unter der Leitung von Marcus Junkelmann im Jahr 1985 – experimentell, wird wissenschaftlich dokumentiert und genügt den allgemeinen Wissenschaftlichkeitskriterien der Nachprüfbar- und Wiederholbarkeit. Soweit zu sehen ist, scheidet diese experimentelle Form der Living History im Wallenstein-Kontext jedoch aus. Der Verlebendigungsmodus des ‚Live Action Role Playing‘ (LARP) gründet auf historisierendem fiktionalem Kostümspiel, das regelgeleitet improvisiert wird. Die stark erlebnisorientierte, unterhaltende und oft kommerzielle Variante ist auch in Deutschland verbreitet und wird etwa durch den Deutschen Liverollenspiel-Verband e. V. institutionell vertreten. Die einschlägige Szene bewegt sich thematisch indessen vorwiegend im Bereich der Fantasy und arbeitet hier mit Geschichtseffekten. Mit der Arbeitsgemeinschaft ‚Deutsche Larp-Forschung im Deutschen Liverollenverband‘ organisiert sie eine eigene wissenschaftliche Aufarbeitung ihrer Rollenspiele.8 Ein weiterer großer Bereich ist das Reenactment, also die fachlich recherchierte, möglichst originalgetreue Nachstellung historischer Ereignisse (‚skripted history‘) wie die genannte Verlebendigung der Civil War-Schlacht bei Cold Harbor. Diese ereignisbezogene und hineinversetzende Form ist erlebnis- bzw. handlungsorientiert und stiftet zugleich einen theatralischen Rahmen, indem die nachgestellten Ereignisse im Aufführungsstil mit passenden Requisiten und Kostümen auch zur Unterhaltung vor Publikum inszeniert werden. Ein bekanntes Beispiel im Wallenstein-Kontext gibt hierfür die Nachstellung des Einzugs Wallensteins in Memmingen 1630. Als Präsentationsmodus lässt sich die in sich wiederum breit gefächerte Living History Interpretation abgrenzen, die ebenso museumspädagogische 6  Weiterführende Informationen unter https: /  / portal.uni-freiburg.de / historische-le benswelten /  (Zugriff am 30.07.2017). 7  Richtungweisend ist die Studie von Anderson. Die folgende Darstellung orientiert sich an der auf dieser Basis ausdifferenzierten Systematik bei Hochbruck (2013), S. 33–128. 8  In der Regel mit Forschungsbeiträgen zu den Jahrestreffen „MittelPunkt“; vgl. z. B. zur Konferenz 2016 Bienia / Schlickmann.

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Praktiken der Geschichtsvermittlung einschließt wie Themenparks, archäotechnische Darstellungen (z. B. alte Handwerkstechniken oder das Altdorfer Feldlazarett mit den berüchtigten Operationen) oder das kommerziell motivierte Backen des Wasserburger Wallensteinbrots nach überliefertem Rezept, bei dem man aus Verkaufs- und Gesundheitsgründen auf historische Zutaten wie Innsand, Sägemehl oder klein geschnittenes Stroh verzichtet.9 Systematisch verwandt ist die Präsentation in historischen Festaufzügen (Pageantry), die auch häufiger Bestandteil von Wallensteintagen sind. Ein weiterer breit etablierter Verlebendigungsmodus ist schließlich das spieltextbasierte Geschichtstheater, das gewissermaßen als ‚Staging History‘ entsprechend theaterwissenschaftlich zu behandeln ist und nachfolgend weitgehend ausgespart bleibt.10 Auch dieser Bereich ist stark ausdifferenziert (z. B. auch als Museumstheater) und teils eng mit einer dazugehörigen EventKultur verwoben. Ein traditionsreiches Beispiel gibt innerhalb der Altdorfer Wallensteinwochen das 1894 durch Franz Dittmar uraufgeführte Studentenspiel Wallenstein in Altdorf sowie die Aufführungen des Schillerschen Wallenstein, der in Altdorf seit 1973 kontinuierlich zu sehen ist. 2. Mythomotorische Multimodalität historischer Verlebendigung und populäre Dokumentation von Event-Kultur am Beispiel der Memminger Wallensteinwoche Wie Wallenstein-Festspiele die skizzierten Grundmodi gerade produktiv verbinden, lässt sich nun im Detail anhand der Wallensteinwoche in Memmingen exemplarisch nachvollziehen. In der heutigen Form findet sie im Kontext des Memminger Fischertags seit 1980 regelmäßig im Turnus von vier Jahren statt. Zudem ist sie Teil einer ihrerseits ausdifferenzierten Festspielkultur, die rund um Wallenstein etabliert ist und daher nicht zuletzt jeweils lokale Profilbildungen herausfordert (vgl. Abb. 1). Am Beispiel der Memminger Wallensteinwoche zeigt sich die typische Multimodalität des Event-Angebots, das alle genannten Grundformen der Verlebendigung von Geschichte mit bemerkenswertem Aufwand in multimodaler Interaktion vereint. Matinee, Einzug Wallensteins, Theater auf dem Marktplatz, Lagerspiele Grimmelschanze, Reiterspiele im Reichshain, Tanz auf dem Kopfstein und Fackelzug, Gefechtsvorführung, Gottesdienst in St. Martin, Handwerk in Memmingen, Konzert, Lagerleben und schließlich 9  Einzelheiten in der online-Ausgabe der Wasserburger Stimme vom 21.08.2013 (http: /  / www.wasserburger-stimme.de / stadt / historisches-gebaeck-fuer-wallenstein /  2013 / 08 / 21 / ; Zugriff am 28.07.2017). 10  Als Überblick aus der Perspektive theaterwissenschaftlicher Reenactment-Forschung vgl. Heeg / Schäfer sowie grundlegend Fischer-Lichte (2007).



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Festspielort

seit

Turnus

Zeit

Altdorf

1959

3 Jahre

5 Wochenenden im Sommer

Eger (Cheb)

2005

jährlich / 2 Jahre

2 Tage im August

Frydlant

2005

2 Jahre

3 Tage im Frühjahr

Memmingen

1980

4 Jahre

eine Woche im Sommer

Stralsund

1991 (nicht während der DDR)

jährlich

an einem Juli-Wochenende

Abb. 1: Übersicht zu den wichtigsten Wallensteinfestspielen (Angaben jeweils zur aktuellen Form ohne Berücksichtigung historischer Vorstufen)

historischer Markt sind die Kernbestandteile, die der Fischertagsverein als Organisator der Festspiele derzeit in der Sponsorenübersicht der offiziellen Webseite zur letzten Wallensteinwoche 2016 nennt.11 Dabei können die Organisatoren z.  ­ B. in den Wettbewerbsaufführungen konzeptionell zum Teil auch historisch anschließen, da der Herzog während seines kurzen Aufenthaltes in Memmingen vom 30. Mai bis 22. Oktober 1630 u. a. einen Rennplatz für Reiterspiele einrichten ließ. Auch der Anlass der Festspiele ist historisch belegt, wenngleich er vergleichsweise kontingent gewählt, mit Blick auf die protestantische Reichstadt fast überraschend erscheint. Denn Wal­ lenstein nimmt 1630 kurz vor dem Regensburger Reichstag – historisch sicher eine viel wichtigere Lebensstation – in Memmingen schlicht Quartier. „16 Wochen“ – schreibt der Stadtchronist Sebastian Dochtermann – sei Wallenstein „alhie gelegen, und der Herzig stattlich Regmentt gehalten und der Statt Memingen nix geschehen“.12 Zugespitzt fußen die Festspiele also auf einem Nicht-Ereignis, was insofern auch eine günstige Voraussetzung ist, da man sich kaum auf die Diskussion des Gedenkens etwaiger prekärer Ereignisse einlassen muss. Entsprechend betont der Vorsitzende des Fischertagver11  Vgl. Wallensteinwoche in Memmingen (Offizielle Webseite 2016): http: /  / www. wallenstein-mm.de / sponsoring / sponsoren /  (Zugriff am 28.07.2017). 12  Wortlaut der Chronik Dochtermanns nach der buchstabengetreuen Übertragung Christoph Engelhards auf der Webseite des Memminger Stadtarchivs (https: /  / stadtar chiv.memmingen.de / 920.html; Zugriff am 28.07.2017).

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eins Volker Kraus in einem Interview mit dem Regionalsender allgäu.tv zur Wallensteinwoche 2012 die prinzipielle Neutralität der historischen Darstellung, die nicht auf die „Verherrlichung eines Feldherrn“ abziele.13 Als Grundmotivation der Geschichtsverkörperung erscheint vielmehr die Freude am Hineinschlüpfen in eine andere Zeit. Auf Grund einer polychronen Disposition und Simulationsaffinität modernen Lebensgefühls wird aus ­ dem Wallenstein-Mythos lebendige Geschichtsfiktion hervorgebracht, um auf diesem Wege Gemeinschaftsgefühl und lokale Identität zu stiften. Gemeinschaftsgefühl, Gemeinschaftsarbeit und Gemeinschaftsleistung markieren die kollektiv handlungsleitende, mythomotorische Dimension der WallensteinAuseinandersetzung somit als Zentrum der Festspiele. Entsprechend ist die wichtigste Voraussetzung für ihr Gelingen die ehrenamtliche Organisation über die Vereine und örtlichen Betriebe, durch die nicht nur die erhebliche Größen­dimension von rund 4.000 Darstellern bewältigt wird, sondern über Jahrzehnte besonders im Bereich der Gewandungs- und Handwerkstechniken eine archäotechnisch bewanderte Expertenkultur vor Ort entsteht. Die regional identitätsstiftende Funktion ist dabei lokalpolitisch und auf Länderebene gestützt. Bleibt die Reichweite der Presseberichterstattung dabei de facto weitgehend auf lokale und regionale Dimensionen beschränkt, vergleicht beispielsweise Ministerpräsident Horst Seehofer die ‚sportliche‘ Leistung der Wallensteinwoche 2012 in einem allgäu.tv-Interview mit den zeitgleich in London stattfindenden Olympischen Spielen und sieht die oberschwäbische Stadt während dieser Zeit gar zum „Mittelpunkt Europas“ aufgerückt.14 Verfolgt man solche medialen Spuren weiter, wird deutlich, dass ein integraler Bestandteil der Verlebendigung von Geschichte in der Festspiel-Kultur auch ihre populäre Dokumentation ist. Neben regionalen Medien wie der Allgäuer Zeitung oder allgäu.tv sind es dabei vor allem halbprofessionelle und laienhafte Formen (z. B. Handy-Mitschnitte), die massenhaft im Internet hochgeladen werden und über frei zugängliche Plattformen wie das Videoportal Youtube einen großen Raum in der Begleitung der Memminger Festspiele einnehmen.15 Im Bereich der semiprofessionellen Dokumentation ist für die Wallensteinwoche 2012 der Social Media Kanal ‚Wallenstein TV‘ hervorzuheben, der als studentisches Projekt von Christina Dörr verantwortet wird und die Festspiele mit 21 jeweils ca. 3–15minütigen Videos dokumen13  So im Beitrag ‚Willkommen im Jahr 1630: Wallenstein versetzt Memmingen in die Zeit des 30jährigen Krieges‘ (https: /  / www.youtube.com / watch?v=bdSfzWLECbM; 00:30‑00:32; Zugriff am 28.07.2017). 14  Nach dem Beitrag ‚Mit dem Landesvater zum historischen Abschluss: Horst Seehofer beim Memminger Wallenstein‘ (https: /  / www.youtube.com / watch?v=MSMz_ P4f14g; 00:40-01:20; Zugriff am 29.07.2017). 15  Auf die Eingabe ‚Memmingen Wallensteinwoche 2016‘ erhält man bei Youtube z. B. etwa 883 Ergebnisse (Stand: 30.07.2017).



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tiert.16 Das Themenspektrum umfasst dabei die oben genannten Kernbestandteile der Festwoche (Einzug Wallensteins, Gefechtsvorführung im Stadtpark, Lagerleben usw.) und bietet darüber hinaus event-übergreifende Features wie Wochenrückblick, Wallenstein Outfit-Check, Lager-Quiz oder ein Video zur Geschichte der Wallensteinfestspiele. Auffällig ist dabei die ausgeprägte Tendenz zur zeithistorischen Dokumentation der Festspielaktivitäten selbst,17 während die Geschichte Wallensteins oder seines Aufenthalts in Memmingen als Anlass der Woche kaum reflektiert wird. In der Videodokumentation zur Geschichte der Memminger Wallensteinfestspiele z. B. erzählt Sieglinde ­Pfeifer – Witwe des Initiators Hermann Pfeifer von 1980 – im Stil eines Zeitzeugenberichts, wie es zu den Festspielen kam und geht dabei mit Blick auf den Bezug zum 17. Jahrhundert vor allem auf den großen Recherche­ aufwand zur historischen Kostümierung ein.18 Memminger Zeitgeschichte erfragt auch das Lager-Quiz, in dem eine Gruppe von Darstellern und Besuchern im Wechsel Bilder lokaler Persönlichkeiten (vom Bürgermeister bis zu einem Memminger ‚Let’s Dance‘-Teilnehmer) identifizieren müssen. Nur eine Frage ist historisch gestellt, als die Moderatorin sich erkundigt, wer auf dem bekannten Wallenstein-Porträt Schnorr von Carolsfeld zu sehen sei.19 3. Umgang mit historischen Dyschronie-Effekten Zielen Reenactment oder archäotechnische Vermittlung historischer Fertigkeiten auf die Minimierung ‚unhistorischer‘ Effekte, bleiben historische Dyschronien in Living History-Kontexten grundsätzlich unvermeidlich. Ein charakteristisches Beispiel gibt im Festspielzusammenhang ein Amateur­ video des Fackelzugs auf den Altdorfer Festspielen 2015, das zeigt, wie auch in den Aufführungsteilen der Festspiele unvermittelt Dyschronie-Effekte erzeugt werden. Anders als beim Einzug der katholischen Besatzungsmacht in Memmingen, der im Sinn der Geschichtstreue bewusst stumm und ohne musikalische Begleitung nachgestellt wird, bringt der Altdorfer Fackelzug auch die ‚historische‘ Sackpfeife zu Gehör. Im Videomitschnitt wird dabei genau die Stelle vernehmlich, an der die frühneuzeitlich gewandeten Sackpfeifer die um 1900 komponierte schottische Hymne Scotland the Brave anstimmen.20 Die musikalische und geographische Dyschronie – der Liedtext 16  Vgl.

http: /  / www.wallenstein-tv.de /  (Zugriff am 30.07.2017). als grundlegende Selbstdarstellung Fischertagsverein Memmingen e. V. 18  Vgl. Geschichte der Wallensteinfestspiele in Memmingen (Wallenstein TV); http: /  / www.wallenstein-tv.de / videos11.html (Zugriff am 30.07.2017). 19  Vgl. Lager-Quiz (Wallenstein TV); http: /  / www.wallenstein-tv.de / videos6.html (Zugriff am 30.07.2017). 20  Vgl. Fackelzug der Altdorfer Wallenstein-Festspiele 2015 (Amateurvideo Richard Bartschs): https: /  / www.youtube.com / watch?v=l-GDYF8u3fY (Zugriff am 30.07.2017). 17  Vgl.

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adressiert u. a. die Highlands – wird dabei auf Grund des hohen Bekanntheitsgrads und Unterhaltungswerts in Kauf genommen. Auch anlassbezogen erscheint die Auswahl der Hymne durchaus stimmig, da ihr Gebrauch typischerweise an Parademärsche gebunden ist, wie es paradigmatisch das ‚Roy­al Edinburgh Military Tattoo‘ belegt.21 In übergeordneter Perspektive sind solche historischen Kurzschlüsse nicht unbedingt negativ als ein unvermitteltes Fallen aus dem historischen Rollenspiel zu bewerten. Vielmehr lässt sich umgekehrt argumentieren, dass sie insofern auch wünschenswert sind, als sie die uneinholbare Distanz zwischen Geschichtsfiktion und Realgeschichte (musik-)ästhetisch markieren. In dieser Richtung bieten sich in der spielerischen Auseinandersetzung mit Wallenstein zahlreiche Möglichkeiten, gerade die Dyschronien unter das Brennglas zu legen und beispielsweise parodistisch zu inszenieren. Fokussiert man solche Verfahren, bietet sich indessen weniger der Bereich der Geschichtsverlebendigung (Living History) in der Event-Kultur an als die spielerische, popularisierende und konsumorientierte Auseinandersetzung mit Wallenstein in der aktuellen Medienkultur. Ein populäres Beispiel mit Wallenstein-Bezug liefert Harald Schmidt in seiner Late-Night-Show, indem er die historische Größe Wallensteins und die literaturgeschichtliche Dignität des Schillerschen Dramas auf das Miniaturformat eines Minutenstücks herabholt und Wallenstein nach dem Puppenspielprinzip des Papiertheaters zur dienstfertigen Spielfigur macht, die auf Pappe gezogen ist und über die der Puppenspieler souverän verfügt.22 Wird Schillers Wallenstein hier am Ende im Wortsinn abgeräumt und vom Tisch gewischt, speist sich die Komik wesentlich aus dem gezielten Hervortreiben der Dyschronie. Denn zum einen ist die Wallensteinfigur historisch kostümiert. Der Kopf ist wiederum nach dem Porträt Schnorrs von Carolsfeld aus dem Jahr 1823 gestaltet, das ­seinerseits bereits einer historischen Verschiebung unterliegt. Zum anderen wird der historische Protagonist mit dem derzeit amtierenden Königspaar Carl  XVI. Gustaf und Silvia von Schweden, Hansi Hinterseer als Ferdinand II., Thekla aus Biene Maja und Max Piccolomini in Gestalt einer ‚Laber‘Sektflasche umstellt. Provokant nutzt Schmidt damit ein theatralisches Verfahren, das die historisch dysfunktionale Überblendung der Zeitebenen mit 21  Vgl. hierzu als Amateurvideomitschnitt etwa Scotland the Brave (Royal Edinburgh Military Tattoo); https: /  / www.youtube.com / watch?v=k_iBe4swTi8 (Zugriff am 30.07.2017). 22  Vgl. Die Harald Schmidt Show (Wallenstein-Papiertheater), https: /  / www.you tube.com / watch?v=MQ6Q98GSu0s (Zugriff am 28.07.2017). In diesem Fall spielt Schmidt das Stück nicht mit Playmobil-Figuren nach. Auf Playmobil-Klassikerinszenierungen spezialisiert ist inzwischen der Youtube-Kanal ‚Weltliteratur to go‘ Michael Sommers, auf dem auch eine 8,5minütige Wallenstein-Inszenierung abrufbar ist (vgl. https: /  / www.youtube.com / watch?v=LFZC53P2ViA; Zugriff am 30.07.2017).



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popkulturellem Labeling verbindet und durch Markenetikettierung nicht zuletzt das hohle Labeling des Schillerschen Wallenstein als deutschem Klassiker ironisch offenlegt. Pseudopädagogisch nutzt die Technik einer Inszenierung von Dyschronie das Kinderformat Kaiser. König. Karl!, wo Barock und Gegenwart geradezu provokativ überblendet werden. Die Gemeinschaftsproduktion von WDR, Kika und Checkeins setzt bewusst auf unorthodoxe Verfahren außerschulischer Geschichtsvermittlung. In einem Clip-Voting können Besucher der offiziellen Webseite dabei auch ein Wallenstein-Musikvideo vom 10.04.2016 bewerten.23 In diesem Fall kollidiert die historische Kostümierung, in der die Musiker auftreten, mit dem brachialen Hardrock-Sound im Stil ‚Neuer Deutscher Härte‘. Die abermals musikalisch hervorgetriebene Dyschronie wurzelt dabei in der wortspielerischen Idee, ‚Wallenstein‘ mit dem Namen der deutschen Rockband ‚Rammstein‘ zu assoziieren. Scheint damit auch die latent gewaltverherrlichende Tendenz der international erfolgreichsten deutschen Gruppe satirisch abgestraft, verhöhnt die akustische Krach-Ästhetik zugleich die Methode des Einhämmerns historischer Fakten. Frech stimmt dazu das Motto des struppigen Geschichtslehrers Kater Karl: „Und alles ist wahr und nichts ist gelogen – das schwört Kater Karl bei seinem Barthaar.“24 4. Spielfigur Wallenstein. Zur Kommerzialisierung des Mythos Stellen sich die genannten Auseinandersetzungsformen bei Harald Schmidt oder Kater Karl letztlich als fernsehmediale Reduktionsstufen des Geschichtstheaters dar, die bereits satirisch auf die Vermarktung Wallensteins als populäres Label reflektieren, sei abschließend ein Ausblick auf die Kommerzialisierung Wallensteins als Spielfigur gegeben, die sich von den Grundprinzipien historischer Verlebendigung (Role Play; performative oder thea­ tralische Rahmung) löst. In diesen Bereich gehört etwa eine Spielfigur wie der kommerziell erhältliche ‚Imperial Commander‘ von Warlord Games, der die miniaturhafte Zinnsoldaten-Ästhetik in freier Interpretation mit dem zeitgenössischen Reiterstandbild des Feldherrn im 28 mm-Format verschmilzt.25 23  Vgl. Kaiser! König! Karl! (Musikvideo Wallenstein); http: /  / www1.wdr.de /  kinder / tv / kaiserkoenigkarl / av / video-musikvideo-wallenstein-100.html (Zugriff am 28.07.2017). 24  http: /  / www1.wdr.de / kinder / tv / kaiserkoenigkarl / index.html (Zugriff am 30.07. 2017). 25  Gemeinfreier Scan des anonymen Kupferstichs unter https: /  / commons.wikimedia.org / wiki / File:Wallenstein_Reiterbild.JPG (Zugriff am 28.07.2017); die Spielfigur bewirbt Warlord Games mit einem historisierenden Bemal-Vorschlag unter https: /  /  store.warlordgames.com / products / thirty-years-war-wallenstein-imperial-commander (Zugriff am 28.07.2017).

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In diesem Feld geht es nicht mehr um Living oder Playing History, sondern – durchaus analog zur Fantasy- und Computerspielszene – um den Erwerb oder das Sammeln historisierender Artefakte, mit denen Geschichte nach kommerziellen Mustern spielerisch ausgestattet werden kann. Entsprechend scheint das Staging von Geschichte hier gleichsam zum Gaming verschoben. Ein gegenüber der Bemalfigur sehr aufwändiges Beispiel gibt das 2012 erschienene Wallenstein-Brettspiel von Queen Games.26 Die BigBox-Version, in der es erhältlich ist, bringt die schiere Größe des Spiels als entscheidendes Verkaufsargument am deutlichsten hervor. Bereits der Karton ist ungewöhnlich reich gestaltet (u. a. ist er innen mit einem Spielfeld bedruckt). Es zeigt den Feldherrn prominent auf dem Deckel abermals historisierend in bild­ ästhetischer Anlehnung an das Porträt Schnorr von Carolsfelds.27 Gewissermaßen als Kreuzung von ‚Stratego‘ und ‚Monopoly‘ wird das folgende imperiale Spielziel verfolgt: „Als Heerführer im Dreißigjährigen Krieg versuchen die Spieler die Vorherrschaft zu sichern und als erfolgreichster Heerführer das Beste für sich herauszuschlagen. Dazu ist es erforderlich, nicht nur möglichst viele Länder zu kontrollieren, sondern auch das eigene Reich zu entwickeln. Das geschieht durch den Bau von Palästen, Kirchen und Handelshäusern.“28

Als Kriegspartei kann man sich neben Wallenstein u. a. Tilly oder Mansfeld als Truppenanführer erwählen. Auch diese Feldherren sind nach historischen Porträtvorlagen auf großformatigen Spielkarten abgebildet und setzen – geharnischt und vor brennender Kulisse – ein Posing großer Männer der ­Geschichte bellizistisch in Szene. Die BigBox wartet dabei mit einer poly­ glotten Ausstattung (Deutsch und Englisch) sowie drei Expansionsmodulen (Emperor’s Court, Landsknechte und Military Leaders) auf. Der damit gegebenen unübersichtlichen Fülle an Spielregeln korrespondiert zudem eine überfließende Fülle an Karten und Spielfiguren, im Einzelnen 45 Länderkarten, 25 Münzkarten, 10 Aktionskarten, 12 Ereigniskarten, 5 Spielertableaus, 310 Farbsteine, 20 grüne Farbsteine (Bauernarmeen), 15 Wappensteine, 5 Vorteilsplättchen, 80 Gebäudeplättchen, 42 Unruhemarker, 60 Münzen, 1 dreiteiliger Würfelturm sowie 1 Stoffbeutel.

26  Eine ausführliche Spielbeschreibung und Bewertung des Wallenstein-Brettspiels von Queen Games gibt z. B. der Testbericht auf http: /  / www.cliquenabend.de /  spiele / 946300-Wallenstein.html (Zugriff am 30.07.2017). 27  Vgl. Wallenstein. Big Box. Queen Games (Cover); http: /  / www.spiele-check. de / page.php?page=picture_gallery&gameid=26342&startid=93280 (Zugriff 28.07. 2017). 28  So die beigefügte Spieleanleitung, S. 3.



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Diese wenigen Grundlageninformationen zeigen bereits an, dass es bei dem Spiel zuallererst um Größe geht. Der historischen Größe Wallensteins entspricht eine ‚groß‘ angelegte Spielästhetik, die auf den gigantischen Ausstattungseffekt der BigBox setzt und sich mit historischen Vorstellungen ehestens im Klischee barocker Fülle trifft. Dass gerade die Größe des Spiels auch vom Expertenpublikum geschätzt wird, belegt ein Unboxing-Video des US-amerikanischen Game-Channels ‚Miami Dice‘ – eine humoristische Anlehnung an die populäre Krimi-Serie der 80er Jahre –, in dem das Spiel begeistert als „the beast“ vorgestellt und stolz die Überdimension der BigBox in den Maßen 43cm x 32cm x 10cm von allen Seiten vor der Kamera präsentiert wird.29 Angekommen ist man damit beim spielerischen Labeling von Geschichte. Darin ist Wallenstein selbst zur Spielfigur geworden, über dessen Größe als vermeintliches Subjekt der Geschichte das Glück und strategische Geschick desjenigen steht, der seine Figur spielend in den Händen hält und seine Truppen lenkt. Mit der Spielfigur ist auch die Geschichte des Feldherrn obsolet geworden; Interesse weckt vielmehr die Geschichte als System, wie in diesem Fall die Barockzeit als populäres Bildsystem des Dreißigjährigen Kriegs. Darin funktioniert der Kriegsvermarkter Wallenstein selbst als Marke, über die sich das historische System wesentlich verkauft. Als Marke unterliegt Wallenstein keiner aktualisierenden Umcodierung wie etwa in der Stilisierung zur Auflehnungsfigur als Namensgeber der Krautrockband ‚Wallenstein‘. Das historische System, das er stellvertretend repräsentiert, ist dabei prinzipiell – ebenso wie beispielsweise die Spielewelten Playmobils – frei austauschbar. Die Austauschbarkeit von Geschichte exerziert dabei der Erfinder der Wallenstein-BigBox Dirk Henn selbst vor, da neben ‚Wallenstein‘ nach ähnlichem bis gleichem Strickmuster von ihm etwa auch ‚Lancaster‘30 oder ‚Shogun‘31 bei Queen Games zu haben sind. 5. Geschichte als Spielsystem Geht man gleichsam über den Umweg der Game-Kultur zur Playing History im Festspiel zurück, scheinen beide Zweige aktueller Wallenstein-Aneignung schließlich nicht ganz so weit voneinander entfernt, wie es zunächst offensichtlich sein mag. Zweifellos werden hier sehr unterschiedliche Wege beschritten. Die räumlichen, zeitlichen, materiellen oder personellen Dimen29  Vgl. Miami Dice. Episode 62 – Wallenstein; https: /  / www.youtube.com / watch?v =gpVxeEHr8xA (Zugriff am 28.07.2017). 30  Vgl. z. B. den Testbericht bei http: /  / www.cliquenabend.de / spiele / 216200-Lan caster.html (Zugriff am 30.07.2017). 31  Testbericht Shogun-Brettspiel von Queen Games, http: /  / www.cliquenabend.de /  spiele / 998200-Shogun.html (Zugriff am 30.07.2017).

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sionen eines Festspiels überschreiten auch die einer BigBox selbstverständlich bei Weitem. Zudem wird eine ganz andere historische Tiefe im Festspiel erreicht als dies im Brettspiel überhaupt möglich ist. Folglich können dem multimodalen Festspiel übergeordnete Sozialfunktionen angetragen werden wie die Integration innerhalb einer Gemeinde oder die Ausbildung lokaler Identität. Auch geschichtsdidaktisch kann man dem Festspiel z.  B. die ­Demokratisierungsfunktion von Wissenszugängen, Wiederaneignung von Ge­ schichtstheater oder auch Ausbildung transhistorischer Kompetenzen zuschreiben, die durch Transfer dann etwa im Bereich interkultureller Kompetenz fruchtbar gemacht werden können.32 Geschichtstheoretisch lässt sich als Konvergenzpunkt von Festspiel und Brettspiel womöglich aber doch die Disposition zur Auffassung von Geschichte als Spielsystem ausmachen. Denn die Geschichte der Ägypter, Römer, Ritter, Piraten oder Nordstaatler wird nicht nur über die Spielewelten von Herstellern wie Lego, Playmobil und Schleich als abstraktes Imaginarium angeeignet, das schon aus kommerziellen Gründen bewusst austauschbar ist und zugleich unvermittelt neben den fiktiven Welten der Fantasy- oder Filmindustrie (Harry Potter, Herr der Ringe, Star Wars usw.) steht, mit denen es gleichfalls vertauscht und vermischt werden soll. Auch das historische Festspiel als multimodale Gemeinschaftsaktion adressiert Geschichte vorwiegend systemisch über Gruppen (Ratsherr, Landsknecht, Bäuerin, Kessel­ flicker etc.) sowie die geschichtstreue Nachbildung ihrer Attribute. So reproduziert auch die Memminger Wallensteinwoche weniger die Geschichte Wallensteins als das überlieferte Bildsystem des 17. Jahrhunderts. Die latente Kontingenz des Geschichtssystems, auf das man sich lokal bezieht, tritt dabei zumeist in der Event-Kultur der jeweiligen regionalen Kontexte zutage, indem diese ganz andere Geschichtssysteme priorisieren. Im bayrisch-schwäbischen Raum beispielsweise kann man neben der Memminger Wallenstein­ woche u. a. das Augsburger Bürgerfest mit Schwerpunkt auf die RenaissanceKultur, das Kaltenburger Ritterturnier als Mittelalterfest oder das Kaufbeurer Tänzelfest besuchen, dessen Festzug obendrein chronologisch die verschiedenen stadtgeschichtlichen Geschichtssysteme vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert vorführt und folglich selbst zwischen den Systemen springt. Auf diese Weise entsteht eine historische Festspielkultur, die einen polychronen Kulturraum begründet und als Ausweis für Heimatverbundenheit und Traditionspflege vermittelt werden kann.33 32  Zu den Problemen und Chancen der Living History als Gegenstand historischen Lernens insgesamt Sénécheau / Samida. S. 45–47. 33  Vgl. für den bayerischen Gesamtzusammenhang die Webseite der ‚BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH‘ mit dem Festspielportal https: /  / www.bayern. by / festspiele-festivals (Zugriff am 30.07.2017).



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Lässt sich anhand der populären historischen Event- und Medienkultur insofern letztlich die ausgeprägte Disposition zu polychroner Zeit- und systemischer Geschichtsauffassung studieren, bedeutet dies keine Entwertung ­lokaler oder sozialer Geschichtsidentität. Im Gegenteil scheint gerade der systemisch abstrahierende, einen gestaltbaren Spielraum eröffnende Zugang als Grundvoraussetzung dafür, dass eine Bürgerschaft wie z. B. die Altdorfer oder Memminger ihre Wallensteintage lokal spezifisch prägen und mit Eigenleben füllen kann.

Kommentar Von Ulrike Ludwig Die hier zu kommentierenden Beiträge bilden vielleicht eine etwas überraschende Mischung, umspannen sie doch einen weit gefassten Zeitraum von mehr als 250 Jahren und reichen inhaltlich von der familiären Erinnerung bis zu Wallenstein als Brettspielfigur. Mit dem im Sektionstitel angesprochenen Marketing haben sie dann auch nicht durchweg etwas zu tun, wenngleich in allen Elemente von Vermarktung aufscheinen. In jedem Fall sind sie aber auf je eigene Weise Beispiele für Erinnerungskulturen und für den nachhaltigen Wandel, den die Medien des Erinnerns und die Formen der Erinnerungskultur in den letzten Jahrhunderten durchlaufen haben. Erinnerungskultur soll hierbei weit gefasst und als Oberbegriff für „alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse“ verstanden werden, ganz gleich ob diese nun ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur sind.1 Zugleich zeigen die in den Beiträgen vorgestellten Phänomene, dass für die Formierung einer historisch begründeten Identität oder eines Identitätsangebots auf sehr unterschiedliche Weise von der Vergangenheit Gebrauch gemacht wurde, die Vergegenwärtigung vergangener Zusammenhänge also verschiedene Funktionen hatte. Jiří Hrbek befasst sich mit den Erinnerungen an Wallenstein in der Familie Waldstein (Valdštejn), also mit einer familiär organisierten Erinnerungskultur. Dabei ging es für die Familie Waldstein mit ihren sehr eigenen Interessenlagen der Familienpolitik zunächst schlicht um das politische und wirtschaftliche Überleben nach dem gewaltsamen Tod Wallensteins und der anschließenden Konfiskation seiner Besitzungen. Bemerkenswert ist zweifellos, wie erfolgreich und kaisernah die Familie trotz Wallensteins Sturz blieb und wie ungestört und früh ein innerfamiliärer Erinnerungskult an den berühmten Verwandten einsetzte. Im familiären Gedenken wurde Wallenstein, ganz dem Bedarf der jeweiligen Zeit der Erinnerung gehorchend, mal zum Türkenkrieger, mal zum frommen Katholiken oder auch schlicht zum wichtigen Ahnherrn des Geschlechts. Die Vielgestaltigkeit der Medien des Erinnerns, die 1  Cornelißen; siehe zudem die instruktive Einleitung ins Thema mit militärgeschichtlichem Bezug Carl / Planert.

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von Objekten als Memorabilien über in Auftrag gegebene historische Darstellungen bis hin zu wundertätigen oder doch wundersamen Erscheinungen des Generalissimus in von ihm einst gestifteten Kapellen reichen, ist ohne Frage überraschend. Hrbek stellt mit seinem Beitrag dann auch bislang weitgehend unbekannte Facetten des Wallensteingedenkens vor! Victoria Gutsche untersucht in ihrem Beitrag ‚Wallensteinfilme‘. Die filmischen Inszenierungen sind, so lässt Gutsche im Beitrag erkennen, bereits weit abgerückt von den historischen Ereignissen. Filmisch dokumentiert wurden zunächst Wallensteinfestspiele, später dann Aufführungen der Wallensteintrilogie Schillers (in Kürzungen). In beiden Fällen dienten die Filme letztlich auch einer Verbreiterung des Publikums über die jeweils beim Festspiel bzw. im Theater Anwesenden hinaus. Etwas aus dem Rahmen fällt hier die Verfilmung der Wallensteinbiografie von Golo Mann. Über die ersten filmischen Beschäftigungen mit Wallenstein lässt sich kaum etwas sagen – noch nicht einmal, ob es sie wirklich gegeben hat. Interessant ist hier aber zum einen, dass der ‚Stoff‘ Wallenstein so früh in der Filmgeschichte und so oft (bis 1925 bemerkenswerte sieben Mal) präsent ist, und zum anderen, dass er es schnell zum Schulfilm schaffte. Beides spricht für die feste Verankerung der Figur Wallenstein im (bürgerlichen) Bildungskanon der Zeit, der gleichsam zur identitätsstiftenden Rahmung einer sozialen Gruppe wurde.2 Jörg Wesche beschäftigt sich schließlich aus einem Zeithorizont der letzten Jahre heraus mit der Frage, wie in der populären Event- und Medienkultur mit der Figur Wallenstein umgegangen wurde und wird. Konkret geht es um Wallenstein-Festspiele und den Rückgriff auf die Figur Wallenstein im (Brett-)Spiel. Gerade für das Festspiel stellt Wesche heraus, dass sich eine Verschmelzung von Erinnern und gegenwärtigem Nacherleben beobachten lasse, die zu einer ganz eigenen Aneignung der Geschichte im historischen Rollenspiel führe. Die Nutzung der Figur Wallenstein als ganz allgemeines Label für einen Söldnerführer im Brettspiel wirft hingegen die Frage auf, an was hier überhaupt erinnert wird, ob man in diesem Fall also noch von einem Erinnerungsmedium reden kann. Betrachtet man die drei Beiträge mit Blick auf dieses Was vergleichend, lässt sich in der Reihung Hrbek, Gutsche, Wesche dann auch eine sukzessive Loslösung vom Erinnern an konkrete historische Zusammenhänge beobachten. Beim Familienerinnern steht der konkrete Mensch und Vorfahre Wallensteins noch ganz im Zentrum und das an-ihn-Erinnern knüpft sich zunächst 2  Interessant wäre sicherlich auch ein Vergleich mit den stärker dokumentarisch angelegten aktuellen filmischen Formaten, gerade des inzwischen so prominenten ‚Geschichtsfernsehens‘ / TV-Dokumentationen (etwa der Wallensteinteil in „Die Deutschen“, 2008, Regie: Olaf Götz, Christian Twente, Stephan Koester, Erica von Moeller, Robert Wiezorek).



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sehr stark an die von ihm herrührenden ‚Überreste‘ – ob nun als Leichnam, Kleidungsstück, Bild oder als übernatürliche Erscheinung des Generalissimus selbst, die alljährlich an seinem Todestag erscheint. Es entstanden begehbare und erlebbare Erinnerungsorte, etwa im Familienpalais in Prag, im Schloss Johann Josef von Waldsteins im nordböhmischen Dux (Duchcov), in der Kartause in Walditz (Valdice), später dann auch mit dem Stadtmuseum in Eger (Cheb). Je mehr neben das familiäre Bemühen um eine Rehabilitation des berühmten Verwandten ein allgemeines Interesse an der Person Wallensteins trat, wurden die familiär begründeten Erinnerungsorte aber zu ‚touristischen‘ Zielen. Insgesamt ist dieses Umkippen des Erinnerns an den Krieg ins Touristische typisch bereits für das 18. Jahrhundert, in dem Kriege und ihre Schlachtfelder als sehenswerte Erinnerungsorte aufbereitet und so zu Sehenswürdigkeiten wurden.3 In den betrachteten filmischen Auseinandersetzungen steht zwar ähnlich wie beim Erinnern der Familie Waldstein die Person Wallensteins im Mittelpunkt, aber zumeist über das Medium Festspiel oder Theateraufführung. Gerade im Festspiel – dies zeigt auch der Beitrag von Jörg Wesche – treten konkrete historische Begebenheiten und Personen deutlich in den Hintergrund, sie sind eher Anlass für das spielerische Wiederauflebenlassen einer Zeit bzw. jener Vorstellungen und Klischees, die man von dieser Zeit hat. Mit der theatralen Aufführung und der filmischen Dokumentation der Tri­ logie ‚Wallensteins Lager‘, ‚Die Piccolomini‘ und ‚Wallensteins Tod‘ von Friedrich Schiller ist schon per se der Rückgriff auf eine mehr oder weniger freie literarische Bearbeitung der historischen Ereignisse verknüpft und zudem eine thematische Eingrenzung auf das Ende und den Untergang Wallensteins. D. h. aber, die künstlerische Auseinandersetzung konzentriert sich auf den Text Schillers, um das Erinnern an historische Ereignisse geht es nur noch vermittelt durch das Medium Theater.4 In der von Jörg Wesche betrachteten Eventkultur der Wallensteinfestspiele und für das Brettspiel Wallenstein ist schließlich eine fast völlige Loslösung vom Erinnern an konkrete historische Zusammenhänge rund um Wallenstein zu beobachten. Der Name Wallenstein ist hier vor allem eine Marke, unter der ganz unterschiedliche Elemente des Dreißigjährigen Krieges oder auch der Vormoderne im Allgemeinen aufgerufen werden: Ist beim Brettspiel davon auszugehen, dass Wallenstein zum Namensgeber wurde, weil Alternativen wie Tilly oder Mansfeld nicht ansatzweise über den gleichen Bekanntheitsgrad verfügen, so erscheint die Figur des Wallenstein in den Festspielen lediglich als Aufhänger für eine breit aufgefächerte Beschäftigung mit einer 3  Füssel

(2012a), bes. S. 192–203. ist zu betonen, dass die Schillerschen Texte literarischen und gerade nicht historiografischen Anforderungen gehorchen. Dazu Vecchiato (2015b). 4  Zudem

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historischen Phase. Es geht also weniger um die Person Wallenstein, die eher ein loser Ausgangspunkt für das ‚Nachspielen‘ einer Zeit (den Dreißigjährigen Krieg oder auch gleich die Vormoderne insgesamt), eines bestimmten Milieus (Söldner), ja mitunter auch nur eines ganz allgemeinen Handlungsrahmens ist (militärische Eroberung im Brettspiel). Ob es sich in diesen Fällen überhaupt noch um einen Vorgang der Vergegenwärtigung, des Erinnerns an konkrete historische Ereignisse und Personen handelt, wäre genauer zu diskutieren. Denn das Erinnerte wird fluide. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn man die historischen Festspiele mit der Jubiläumskultur vergleicht.5 Historische Jubiläen pass(t)en sich zwar auch den zeitgenössisch je unterschiedlichen Bedürfnissen der Erinnerungsgemeinschaft an und weisen damit (in Bezug auf das zu Erinnernde) fluide Momente auf, aber sie beziehen sich dennoch auf einen historisch enger gefassten Kern, auf ein zeitlich abgrenzbares Ereignis, eine bestimmte Person etc.6 Im Festspiel können hingegen Momente in den Vordergrund treten, die weder mit dem zu Erinnernden, hier Wallenstein, ja noch nicht einmal mit seiner Zeit verbunden werden können. Als ein Beispiel für solche Dyschronien führt Jörg Wesche in seinem Beitrag die erst um 1900 komponierte schottische Hymne Scotland the Brave an, die im Altdorfer Fackelumzug 2015 als Wiedererkennungsmelodie für die schottischen Söldner zu hören war. Auch in anderen Festspielen findet sich Vergleichbares, so etwa, wenn etwa an den Stralsunder Wallensteintagen, mit denen an den erfolgreichen Widerstand der Stadt gegen die Belagerung der kaiserlichen Truppen unter der Führung Wallensteins im Jahre 1628 erinnert wird, plötzlich und obwohl die Pest die Stadt erst ein Jahr nach der Belagerung heimsuchte, ein Pestzug veranstaltet wird, in dem auch noch Nonnen und damit Vertreterinnen des katholischen Glaubens auftauchen, die sich die lutherischen Stralsunder 1628 sicherlich verbeten hätten.7 Und auch der Umstand, dass in der journalistischen Berichterstattung über Wallensteinfestspiele häufig von Mittelalterspektakeln die Rede ist, zeigt auf eigene Weise an, dass es gerade nicht um das Erinnern an konkrete historische Zusammenhänge oder Personen geht. 5  Mit Blick auf Jubiläen militärischer Ereignisse etwa Kollmann, C. B.; allgemein zum Typus des historischen Jubiläums Müller u. a. 6  D. h., das Erinnern wird im Jubiläum zwar den Bedürfnissen der Erinnerungsgemeinschaft angepasst – Wallenstein würde dem entsprechend als Verräter, als Feldherr der feindlichen Truppen, als großer Ahnherr der Familie, als genialer Militär, frommer Katholik, böhmischer Adliger etc. erinnert – aber gemeinsam wäre allen Formen eine Fokussierung auf Wallenstein und die Anknüpfungspunkte für die verschiedenen Deutungen, die seine Geschichte anbietet. 7  Siehe hierzu online: URL: http: /  / wallensteintage.de / programm / pestzug (zuletzt am 2. Januar 2018).



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Vielmehr rekurrieren derartige Dyschronien ganz allgemein auf vertraute Vorannahmen des Publikums und entfalten so eine hohe Publikumswirksamkeit. Der weit gefasste Erinnerungszeitraum reicht dabei unter dem Label Wallenstein vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert und umreißt so ein Zeitfenster, das – aus heutiger Sicht recht unterschiedslos – als fern und fremd begriffen wird. Die Plausibilität der aufgerufenen historischen Zusammenhänge kann dabei schon einmal in den Hintergrund treten. In diesem Sinne verweist gerade der Beitrag von Jörg Wesche auf eine Forschungslücke in den Geschichtswissenschaften (wenngleich dies natürlich nicht das Anliegen seines medienwissenschaftlich ausgerichteten Beitrags ist).8 Denn der aktuelle Wandel hin zum Geschichtsevent wird zwar allenthalben konstatiert und einmal als Aushöhlung historischer Allgemeinbildung, einmal als Zeichen eines gesteigerten Interesses an der Geschichte gedeutet. Aber aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive wird bislang kaum reflektiert, was es für die Frage nach der heutigen Erinnerungskultur bedeutet, wenn sich das kollektiv geteilte Wissen über die Vergangenheit, und hier gerade über die Zeit vor 1800 in ihren Ausdifferenzierungen, weitgehend von geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen über jene Ereignisse gelöst hat, an die man sich scheinbar gemeinsam erinnert. Was heißt es für die Erinnerungskultur, wenn die Ausgestaltung dieses Erinnerns letztlich Marktmechanismen gehorcht? Denn Geschichte zu vermarkten bedeutet eben auch, wenn auch nicht nur, an das Vorwissen und die Erwartungen eines anvisierten Publikums anzuknüpfen, spektakuläre Geschichten zu erzählen, zu unterhalten und das Publikum gerade nicht eines Bessern zu belehren.9 Allerdings muss hier mit Blick auf verschiedene Akteursgruppen dennoch unterschieden werden. So arbeiten sich etwa die Mitspielenden der Festspiele zum Teil mit erheblicher Detailfreude in einzelne Aspekte der Zeit ihrer Figuren ein. In gewisser Weise scheinen hier im Reenactmenttrubel Elemente der ‚living history‘-Bewegung auf.10 Gerade mit Blick auf die Herstellung von Kleidung und Werkzeug sind die Grenzen zur experimentellen Geschichte mitunter fließend.11 Ähnliches gilt sicherlich auch für Spieleentwickler und Filmemacher bzw. Schauspieler, die die Dramen Schillers aufführ(t)en. Im Fall familiärer Erinnerungskultur ist ebenso zwischen den Familienangehörigen und den in ihrem Auftrag agierenden ‚Produzenten‘ der 8  Neuere Arbeiten zum Thema stammen zumeist aus den Kultur- und den Theaterwissenschaften oder aber der Pädagogik. Siehe zum Beispiel Willner u. a.; Sénécheau / Samida; Braun u. a.; Schlehe u. a. 9  Bislang gibt es kaum Arbeiten zum Thema; besonders einschlägig ist aber Blomann. 10  Dazu etwa Carstensen u. a. 11  Willmy.

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familiären Erinnerungsorte auf der einen und dem Publikum auf der anderen Seite zu unterscheiden. Um Wallenstein und seine Geschichte, ja um ein gemeinschaftliches Erinnern muss es dabei nicht allen gleichermaßen gehen, man kann auch einfach im Museum, auf der Festspielwiese oder im Fernsehsessel Geschichte konsumieren und sich bestens unterhalten fühlen. Diese Unterhaltung als neuen Typus einer fluiden Erinnerungskultur zu begreifen, die nur noch sehr vage an ein gemeinsames Wissen um ein zu Erinnerndes anknüpft, wäre möglich, vielleicht aber nicht nötig.

Kulinarische Kultur im Krieg

Kulinarisches aus dem Krieg. Zur Ästhetik der exquisiten Kochkunst des frühen 17. Jahrhunderts Von Josef Matzerath „Der Krieg ernährt den Krieg“ sagt der kroatische Reitergeneral Graf Isolani bei Schiller.1 In dieser Szene stehen hohe Offiziere Wallensteins dem kaiserlichen Kriegsrat von Questenberg gegenüber. Der Kaiser hat seinen Minister zu Wallenstein geschickt, damit der seine Truppen aus Böhmen abzieht. In Wien ist man der Ansicht, das Land leide zu sehr unter den Kontributionen, die an die eigene Armee zu leisten sind. Graf Isolani will aber weiter requirieren.2 Dieser Disput wird um die Versorgungsstrategie für ein großes Heer geführt. Kulinarisch geht es auf diesem Niveau um eine sättigende Küche.3 Das Zitat „Der Krieg ernährt den Krieg“ bekommt allerdings eine erstaunliche kulinarische Tragweite, wenn man auf die Küche der Truppenführer schaut. Denn während des Dreißigjährigen Krieges pflegten hohe Offiziere während der Feldzüge eine exquisite Tafelkultur. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen hat das in seinem „Simplicissimus“ aus satirisch diätmoralischer Perspektive für ein Festessen des Festungskommandanten von Hameln beschrieben. Bei dieser Tafel kontrastiert der Autor den übermäßigen Genuss von exotisch gewürzten Speisen und Wein mit dem Hunger von Ge1  Schiller,

Friedrich: Die Piccolomini, Erster Aufzug, zweiter Auftritt. Truppenversorgung Wallensteins siehe auch den Beitrag von Horst Carl in diesem Band. 3  Der vorliegende Text verzichtet auf die auch in der Forschung gängigen Begriffe der aristokratischen bzw. bürgerlichen Küche, um keinen zwingenden Konnex zwischen sozialen Gruppen und dem Niveau der Kochkunst zu suggerieren. Für den Dreißigjährigen Krieg darf man kaum mit einer fest bzw. ungestört nach gesellschaftlichen Gruppen stratifizierten Hierarchie der Kochkunst und Tafelkultur rechnen. Daher werden im Folgenden drei Speiseniveaus unterschieden. Der Terminus „sättigende Küche“ meint den untersten Pol einer Skala, an dem die Versorgung des Körpers mit Nahrungsmitteln im Vordergrund steht. Dem gegenüber stellt die exquisite Küche die kulinarische Ästhetik in den Mittelpunkt ihres Bemühens und bildet den obersten Punkt einer Bewertung. Die gehobene Küche bezeichnet dagegen ein Kochniveau, das einen Kompromiss zwischen Sättigung und Ästhetik anstrebt. 2  Zur

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flüchteten, von denen man viele hundert mit dem, was an der Festtafel verzehrt wurde, hätte sättigen können:4 „Man brachte Gerichter / deßwegen Vor-Essen genant / weil sie gewürtzt / und vor dem Trunck zu geniessen verordnet waren / damit derselbe desto besser gienge: Item Bey-Essen / weil sie bey dem Trunck nicht übel schmecken sollten / allerhand Frantzösischeen Potagen und Spanischen Olla Potriden5 zu geschweigen; welche durch tausendfältige künstliche Zubereitungen und ohnzählbare Zusätze / dermassen verpfeffert / überdummelt6 / vermummet / mixtirt / und zum Trunk gerüstet waren / daß sie durch solche zufälligen Sachen und Gewürtz mit ihrer Sub­stanz sich weit anders verändert hatten, als sie die Natur anfänglich hervor gebracht“.7

Von Grimmelshausen behauptet daher, die kulinarische Ästhetik der exquisiten Gerichte habe lediglich den Sinn, Durst zu erzeugen, den die Gäste des Hamelner Kommandanten dann mit Wein aus Hochheim, Bacharach und Klingenberg aus „[k]übelmässigen Gläsern“8 gestillt hätten. In den folgenden Ausführungen wird sichtbar werden, dass diese prominent publizierte These des zeitgenössischen Schriftstellers eine polemische Verkürzung war. Ebenso soll die in der Forschung gängige Annahme, die vielen exotischen Gewürze der vormodernen Hochküche hätten vor allem der sozialen Distinktion gedient,9 relativiert werden, indem die kulinarische Eigenlogik der Kochkunst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts rekonstruiert wird. Über den Diskurs zum Prestigecharakter von Nahrung hinaus kann so die ästhetische Dimension der Gourmandise, wie sie sich zu Wallensteins Zeit darstellte, ermittelt und gewürdigt werden. Auch für Wallenstein selbst haben Historiker immer wieder dessen Tafelluxus konstatiert. Es finden sich Angaben von den Zeitgenossen bis hin in die neueste historiografische Literatur. Schon Thomas Carve rapportierte Mitte des 17. Jahrhunderts, Wallensteins Küchentross habe 50 vierspännige Wagen benötigt.10 Friedrich Förster schrieb 1844, in Wallensteins Küche hätten allein 64 Personen gearbeitet.11 Förster berichtet auch von einem Tafelgeschirr mit 100 vergoldeten Tellern. Schon 1617 im Friaul habe sich Wallenstein durch eine „offene Tafel“ die Sympathie von Offizieren gesi4  Vgl. Grimmelshausen (1669), S. 103–108. Zur diätmoralischen Perspektive in der europäischen Philosophie und im Christentum, Nahrungsmittel nicht zum Genuss, sondern lediglich zur unvermeidlichen Ernährung zu nutzen, vgl. Lemke, H., S. 19–233. 5  Zur Olla podrida vgl. Ottomeyer (1998), S. 33–42; Haslinger, S.  43 f. 6  Die Anmerkungen zu Grimmelshausen (1988), S. 602 übersetzen „überdummelt“ mit „überpfeffert“. 7  Grimmelshausen (1669), S. 105. 8  Grimmelshausen (1669), S. 106. Hier werden auch die Weine aus dem Rheingau, vom Mittelrhein und aus Franken als Tafelgetränke genannt. 9  Vgl. grundlegend Mennell, S. 36, 56 und 83. 10  Vgl. Förster (1834), S. 380. 11  Vgl. ders. (1844), S. 49 ff.



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chert.12 Erst nachdem Wallenstein zum Herzog von Mecklenburg erhoben worden sei, habe er allein gespeist.13 Das entsprach einer gängigen Praxis der deutschen Fürsten, die sich im Laufe des 16. Jahrhunderts bei den Mahlzeiten von der gemeinsamen Tafel mit allen männlichen Hofangehörigen separierten, wie sie im 15. Jahrhundert noch Gang und Gäbe gewesen war. Der Fürst speiste nun in der Tafelstube, während die übrigen zunächst ihr gemeinsames Mahl in der Hofstube fortsetzten.14 Stephen Mennell hat angenommen, dass hinter dieser Entwicklung sowohl das Bestreben nach sozialer Distinktion als auch nach kulinarischer Verbesserung der fürstlichen Tafelkultur zu vermuten sei.15 Hellmut Diwald hat 1969 Wallensteins Rückzug an die fürstliche Tafel nicht als Konvention gesehen, die der Rang eines Herzogs einforderte, sondern als vom Generalissimus persönlich kalkulierte Distanzierung gedeutet. Der Feldherr sei vorsichtig geworden, dass er beim Zechen den Offizieren nicht zu viel verrate. Wallenstein habe nämlich den Aufwand an seiner Tafel lediglich wegen seiner Gäste betrieben. Denn er selbst habe nicht viel gegessen. Ein starker Trinker sei Wallenstein nur bis zu seinem 30. Lebensjahr gewesen.16 Wallensteins luxuriöse Lebensweise und damit auch seine Tafelkultur hat jüngst erst Robert Rebitsch als funktionale Notwendigkeit verstanden. Der kaiserliche Generalissimus habe seine militärische und politische Funktion und Potenz darstellen müssen. Denn als Kriegsunternehmer habe er ja „Vertrauenswürdigkeit, genauer gesagt Kreditwürdigkeit“17 vermitteln müssen. In den Auslegungen, die bislang zur Sprache gekommen sind, werden Trink- und Tafelanlässe stets funktional gesehen, um ein bestimmtes Ziel außerhalb der kulinarischen Dimension zu erreichen. Näher an die kulinarische Ästhetik führen die Recherchen von Helge Bei der Wieden, welche Anstrengungen Wallenstein in Güstrow unternahm, um seine Tafel mit guten landwirtschaftlichen Produkten wie Obst, Geflügel (Fasanen, Gänsen, Hühnern, Truthähnen, Tauben) und Fisch aus Süßwasser (Karpfen, Karauschen, Hechten, Brassen, Barschen, Schleien, Aalen), aber auch Seefisch (Heringe, Stockfischen, getrocknete Schollen und Lachsen) versorgen zu können.18 ders. (1834), S. 32. ebd., S. 310. 14  Zur räumlichen Separierung der Fürsten von den Tafeln der übrigen Mitglieder ihres Hofes vgl. Hoppe, S. 413–415. 15  Vgl. Mennell, S.  87 f. 16  Diwald (1969), S.  309 f. 17  Rebitsch (2010), S. 124. 18  Zu Wallensteins Aktivitäten für seine Tafel in Mecklenburg vgl. Bei der Wieden (2010), S.  143 f. 12  Vgl. 13  Vgl.

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Das Bestreben, solche Nahrungsmittel für die herrscherliche Tafel verfügbar zu haben, deutet auf eine entwickelte Kulinarik. Auch Weinlieferungen, die durch die Aufzeichnungen von Wallensteins Bankier, Hans de Witte, dokumentiert sind, zeigen eine differenzierte Produktpalette aus Österreich, Böhmen und Mähren, Italien, der Schweiz und Frankreich.19 Ambition zur kulinarischen Perfektion, wie sie sich etwa auch für Wallensteins Schwager, den Kardinal Ernst Adalbert von Harrach20, oder den dänischen Kontrahenten des Generalissimus, König Christian IV.21, belegen lassen, indizieren ebenfalls Verfügungen des neue Herzogs von Mecklenburg, in Güstrow, Schwerin, Neustadt, Doberan und Stargard Eiskeller anzulegen, um Wein zu kühlen und Nahrungsmittel zu konservieren.22 Dennoch sind letztlich Kochkunst und Tafelkultur als Kunst um ihrer selbst willen damit noch nicht charakterisiert. Die Frage, wie nach der Vorstellung der Zeit ein prächtiges Festessen schmecken sollte und was den Köchen als exquisite Speise galt, bleibt in den bisherigen Untersuchungen unbeantwortet. Angaben über Produktvielfalt und Kühltechnik, über einen umfangreichen Küchentross, ein Heer von Küchenpersonal oder goldene Teller sind zwar überzeugende Indikatoren für eine hohe Kochkunst und Tafelkultur. Sie erklären aber nicht, was die Zeitgenossen kulinarisch darunter verstanden. Wenn die Ästhetik der exquisiten Küche des frühen 17. Jahrhunderts beschrieben werden soll, stellt sich zunächst ein Quellenproblem. Denn aus diesem Zeitraum sind zumeist nur Warenlisten für bestimmte Festessen erhalten.23 Oder es ist überliefert, was Wallenstein an Produkten geliefert werden musste, wenn er an einem Ort Quartier bezog. Aus solchen Listen lässt sich erschließen, wie ruinös das Kontributionssystem sein konnte. Nachdem Wallenstein 1625 sich fünf Wochen in Eger einquartiert hatte, musste dort eine Sondersteuer erhoben werden, um die Kosten zu decken, die die Tafel des inzwischen wieder abgereisten Feldherrn verursacht hatte.24 Anhand von Lieferlisten für Wallensteins Küche lässt sich auch abschätzen, wie weit der Generalissimus und seine Offiziere oberhalb der Alltagskost der Bauern speisten. 1630 hat sich in Regensburg sogar der Herzog von Pommern beschwert, er selber könne keine fürstliche Tafel mehr halten, während Wallensteins Offiziere Tafeln oberhalb des fürstlichen Niveaus gäben.25 19  Vgl. 20  Vgl. 21  Vgl. 22  Vgl.

23  Vgl. Anm. 19b 24  Vgl. 25  Vgl.

Ernstberger (1954), S. 277 f. Keller, S. 117–121. Skaarup, S. 17–45. Bei der Wieden (2010), S. 144. bspw. Förster (1844), S. 50 f. und S. 408, Beilage II; Hurter, S. 125, und S. 6, Anm. 8. Förster (1834), S. 408, Beilage II. ders. (1844), S. 46 und ders. (1834), S. 145.



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Für die kulinarische Ästhetik der Festmähler sagt es noch wenig aus, wenn die Zutaten, die den Küchen zur Verfügung standen, bekannt sind. Um zu rekonstruieren, nach welchen Maximen die Köche Speisen komponierten, bleibt man letztlich weithin auf normative Quellen, d. h. auf Kochbücher und Rezeptsammlungen, angewiesen. Das Spektrum deutschsprachiger Kochbücher für eine gehobene und die noch darüber liegende exquisite Küche hat sich bereits im beginnenden 16. Jahrhundert ausdifferenziert. Es gab Bücher, die sich speziell an Frauen wandten und ein gehobenes Niveau abbildeten. Andere Publikationen fokussierten eine exquisite Kochweise und waren für professionalisierte Köche gedacht. In der Frühen Neuzeit und bis ins 19. Jahrhundert galt der Unterschied zwischen Koch und Köchin als Niveaudifferenz.26 Für Wallenstein darf man, nach dem, was die bereits angeführten Quellen berichten, nur mit dem höchsten Niveau der Kochkunst kalkulieren. Für dieses Segment sind bis zum frühen 17. Jahrhundert nur wenige deutschsprachige Kochbücher erschienen. Vor dem Dreißigjährigen Krieg lagen nur drei Kochbücher für Berufsköche vor. Marx Rumpolt, der Koch des Mainzer Kurfürsten, publizierte schon um 1580 ein üppig bebildertes und reich ausgestattetes Werk mit 2000 Rezepten.27 Franz de Rontzier, der Koch des Herzogs Julius von Braunschweig-Lüneburg, veröffentlichte 1598 ein Kochbuch mit 2700 Rezepten.28 Mit nur 373 Kochanweisungen fiel das Kochbuch des Dresdner Hofküchenschreibers Johann Deckhardt bei weitem nicht so umfangreich aus.29 Es richtet sich aber ebenfalls an Profiköche.30 Deckhardts Buch erschien erst 1611 und ist damit das letzte deutschsprachige Kochbuch vor dem Dreißigjährigen Krieg überhaupt.31 Das nächste Kochbuch, das in deutscher Sprache gedruckt wurde, war im Jahr 1665 eine Übersetzung eines in Frankreich sehr verbreiteten Werkes von Nicolas de Bonnefons.32 Deckhardts Kochbuch von 1611 blieb daher lange Zeit aktuell. Ob das Buch in Wallensteins Kochbrigade genutzt wurde, lässt sich nicht belegen. 26  Zur Ausdifferenzierung des Kochbuchspektrums vgl. Wiswe, S. 44–47; Lemmer, S. 4 f. und 7. Allgemein zur frühneuzeitlichen Verknüpfung des Geschlechterunterschieds mit den Kochniveau vgl. Bühler, S. 539–545; Barlösius (1997), S. 207–218; Barlösius (1999), S. 142–146. 27  Rumpolt. 28  de Rontzier. 29  Deckardt. 30  Zur Adressierung von Deckhardts Kochbuch an Profiköche vgl. Matzerath, S. 12–20. Vgl. auch die Rubrizierung des Autors Deckhardt unter die Berufsköche bei Wurm, S. 128. 31  Vgl. Wurm, S. 131. 32  de Bonnefons; Zur Einordnung als erstes nach dem Dreißigjährigen Krieg in deutscher Sprache gedrucktes Kochbuch vgl. Wurm, S. 131.

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Allerdings ist davon auszugehen, dass die Kochkunst und Tafelkultur an den europäischen Fürstenhäusern ein kommunizierendes System war. Darauf deuten jedenfalls die Gleichheiten und Ähnlichkeiten in den zeitgenössischen Rezepten, oder auch Rezeptnamen, die auf andere europäische Nationen verweisen. Deckhardt kennt etwa: „Ungarische Hüner“, „Polnische Brühe“, „Welsche brätlein“, „Spanischen Kuchen“, „Böhmischen Marcipan“, „Muscowiter oder Zuckerbrodt“ und „Englische tortten“.33 Auch die Zutaten, die der Dresdner Hofküchenschreiber wie selbstverständlich nutzte, waren vielfach überregional zu bekommen. Ich nenne nur: Reis, Rosinen, Mandeln, Pistazien und Feigen oder Zitronen, Limonen und Pomeranzen.34 Wie die Kochweise der feinen zeitgleichen Küche ganz Europas sind Deckhardts Zubereitungsweisen erheblich durch Gewürze geprägt. Safran kam frühneuzeitlich aus Südfrankreich, Katalonien, Aragón oder dem Orient, Zucker aus der Karibik, Pfeffer aus Indien, Zimt aus Ceylon, Muskat und Nelken von den fernöstlichen Bandainseln.35 Gewürze waren so wertvoll, dass am Hof des sächsischen Kurfürsten der Küchenschreiber diese Kostbarkeiten den Köchen nur persönlich zum Abwürzen zu übergeben hatte. Anschließend musste er die Gewürze sogleich wieder in Verwahrung nehmen.36

33  Vgl. Deckhardt, S. 21 (S. 46): Hüner oder Kapaunen in einer Polnischen Brüe, S. 88 (S. 65): Welsche brätlein von Kalbfleisch, S. 245 f. (S. 112): Ein guten Spanischen Kuchen zu machen, S. 260 f. (S. 116): Eine Böhmische Marcipan, S. 267 f. (S. 120): Muscowiter oder Zuckerbrodt zu machen, S. 279 f. (S. 125): Ein Englischen tortten oder kleinen Fladen zu machen. 34  Vgl. bspw. ebd. für Reis S. 10 (S. 43): Kapaunen oder Hennen in einem Reiß, S. 205 (S. 99 f.): Einen Reis zu sieden vnd ein gut Muhs zumachen; für Rosinen S. 62 (S. 57 f.): Ein gut Södlein von Rosinen, S. 220 (S. 104): Ein krefftiges vnd gesundes Rosinenmuhs zu machen; für Mandeln S. 2 (S. 41): Eine Mandelsuppe mit sawern oder andern Pommerantzen, S. 168 f. (S. 89): Mandelsültze oder gestandene Mandeln von dreyerley Farben, S. 197 f. (S. 98): Ein Mandelmuhs zumachen; für Pistazien, S. 258 (S. 116): Ein gut Marcipan mit Biny oder Pistatien zu machen; für Feigen S. 173 (S. 90): Gestandene Feigen oder Sültzen zumachen, S. 216 (S. 103): Ein Feygenmuhs / oder Feygen zu kochen; für Zitronen S. 9 (S. 43): Kapaunen oder Hünner mit Citronen oder Pommerantzken zu bereiten, S. 57 f. (S. 56): Ein gut Citronen Södlein; für Limonen S. 13 f. (S. 44): Hünner oder Kapaunen mit Lemonien zumachen, S. 111 (S. 73): Karpffen mit Lemonien zu sieden; für Pomeranzen S. 20 (S. 46): Hünner mit Lemonien /Citronen oder Pommerantzken zu kochen, S.  59 (S. 57): Ein gut Pommerantzken Södlein. 35  Vgl. Vaupel, S. 24 (Safran), S. 41–43 (Pfeffer), S. 99 (Kaneel  / Ceylonzimt), S. 76 (Muskat), S. 57 f. (Nelken). Merki, S. 262 f. und 269 f. (Zucker). Vgl. auch Denzel. 36  Vgl. Hofordnung des Kurfürsten Christian I. von Sachsen (1586), Küchenordnung, in: Kern, S. 60.



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Mit solchen Zutaten zu kochen, war fraglos prestigeträchtig. Um das zeitgenössische kulinarisch-ästhetische Konzept der Kochkunst der Zeit zu verstehen, sind distinktive Dimensionen aber nur wenig aussagekräftig. Einen Zugang zum Verständnis bietet hingegen die Erkenntnis, dass die hohe Tafelkultur Speisen stets in einen Zusammenhang stellte. Gerichte standen nicht für sich allein, sondern waren Bestandteile von Menüs.37 Sachsens Kurfürst bspw. hielt zweimal am Tag eine Tafel. Seine Morgenmahlzeit fand um 10 Uhr und die Abendmahlzeit um 17 Uhr statt. Beide Essen bestanden jeweils aus drei Gängen. Jeder Gang hatte sechs bis sieben verschiedene Speisen. Die Hofküche musste daher täglich rund 40 unterschiedliche Gerichte auftischen.38 Die erste Forderung an eine fürstliche Küche hieß deshalb: Varianz. Es mussten sehr viele unterschiedliche Speisen zubereitet werden. Ohne eine umfangreiche Küchenmannschaft war das nicht möglich. Die sächsischen Kurfürsten beschäftigten knapp 40 Personen für ihre Tafel.39 Von Wallenstein ist überliefert, dass er während der Jahre 1628 bis 1630 in Güstrow als Herzog von Mecklenburg ebenfalls zwei Tafeln pro Tag abhielt.40 Für das Jahr 1633 lässt sich nachweisen, dass Wallensteins Küchenmannschaft aus 64 Personen bestand.41 Hinreichend Personal für ein leistungsfähiges Kochteam war daher vorhanden. Wenn der kulinarische Prestigekonsum der zeitgenössischen Reichsfürsten für Wallenstein die Maßstäbe setzte,42 hatte seine Küche das Potenzial dazu mitzuhalten. Um den Unwägbarkeiten des Krieges möglichst trotzen zu können, verfügte Wallensteins Küchentross über die 50 vierspännigen Wagen, die bereits erwähnt wurden.43 Man darf sich wohl vorstellen, dass damit Küchengerätschaften und auch Produkte befördert wurden, die nicht überall hinreichend verfügbar waren. Es lohnt sich also auf die Kochtechnik zu schauen, wenn man nach den Möglichkeiten sucht, wie Speisen variiert wurden. Die zeitgenössische Kochkunst nutzte lodernde Flammen von Holzscheiten, um zu sieden, zu kochen, abzurühren und einzudicken, um Eier zu braten oder Würste und Fische mit Raucharoma zu rösten. Wenn die Hitze von brennendem Holz zu heiß war, 37  Eine hierarchisierte Ordnung von Menüs für den Kaiser, den ungarischen und böhmischen König, die Kurfürsten, die Erzherzöge, die Grafen und Herren, den Adel, die Bürger und die Bauern findet sich bei Rumpolt, S. 11–42. Zur Entwicklung der Menüs in Europa im frühen 17. Jahrhundert vgl. Flandrin (2007), S. 57–71; Cowan, S. 205. 38  Zur Mahlzeitenordnung des Dresdner Hofes vgl. Matzerath, S.  31 f. 39  Vgl. ebd., S. 10 f. 40  Vgl. Koch, S. 30. 41  Vgl. Förster (1844), S. 50. 42  Zum Referenzhorizont der Reichsfürsten vgl. Diwald (1969), S. 309. 43  Vgl. Förster (1834), S. 380.

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wurden Kessel auch am Rand des Feuers oder in der noch heißen Asche gewärmt. Man arbeitete auch mit einem Rost über Holzkohle. Darauf garten die Köche bspw. eine Scholle, siedeten in einer Schüssel Krebse, oder ließen in einem Keramiktopf oder in einer Pfanne Eier stocken. Um Ober- und Unterhitze zu bekommen, legte man einen Deckel auf die Pfanne und gab glühende Kohlen darauf. Über Holzkohle verarbeitete man auch Teig zu einem Spritzkuchen oder zu Waffeln, zu einer Art Baumkuchen oder zu Plätzchen. Auch eine Teigummantelung für Fisch ließ sich auf diese Weise zubereiten. Am Spieß briet die exquisite Küche Wild- und Haustiere, Geflügel und ­Fische, ja sogar Gebäck. Fleisch wurde außerdem gekocht, geröstet oder im geschlossenen Topf gedämpft. Manche Produkte präparierten die Köche vor dem Braten. Fleisch wurde manchmal eine Woche in Essig eingelegt oder auch in Scheiben geschnitten und geklopft bzw. angepickt, um es rascher garen zu können. Fische siedete man anders als in der heutigen Hochküche nicht sekundengenau so, dass sie saftig, noch leicht glasig und möglichst aromatisch sind,44 sondern garte sie vergleichsweise lange in aromatisierten Flüssigkeiten und je nach Art unterschiedlich. Neunaugen simmerten eine Viertelstunde in Kirschsaft und Wein, Hecht eine halbe Stunde in Brühe, Karpfen und Steinbeißer ebenso lange in je zur Hälfte Wasser und Wein. Aal zog 30 Minuten in heißem Wein oder in Wein mit etwas Wasser und Lachs eine ganze Stunde in Salzwasser mit etwas Essig.45 Damit ist immer noch nicht das gesamte Repertoire der Zubereitungsmethoden aufgezählt. Es lässt sich aber schon so erkennen, dass das breite Spektrum eine große Vielfalt auf der Tafel ermöglichte. Die kulinarische Ästhetik war Großteils auf dasselbe Ziel ausgerichtet: Sie sollte variieren. Exotische Zutaten wie mediterrane Zitrusfrüchte oder Gewürze aus Übersee waren aufgrund ihres Preises zweifellos prestigeträchtig. Aus einer rein kulinarisch-ästhetischen Logik übernahmen sie jedoch eine andere Funktion. Sie dienten zur Variation der Produkte, die im lokalen oder regionalen Umfeld einer Küche vorhanden waren. Ein Huhn, das mit Ingwer, Safran und Muskat gewürzt wurde, schmeckt anders als eins, das ohne diese Gewürze gegrillt ist. Die feine Küche des frühen 17. Jahrhunderts war in ganz Europa erheblich durch Gewürze geprägt.46 Dabei variierte die Vorliebe, welche An44  Vgl. Kloppenburg, S. 265: „Fisch ist relativ empfindlich, daher ist schonendes und punktgenaues Garen oberstes Gebot, allerdings nicht immer ganz einfach. […] Nur ein wenig übergart, neigen insbesondere die mageren Sorten dazu, trocken zu werden und zu zerfallen.“ 45  Zum Repertoire der Kochtechniken in Deckhardts Kochbuch vgl. Matzerath, S. 16–20. 46  Zum Charakter der europäischen Kochweise mit Gewürzen von der Renaissance bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts vgl. Mennell, S. 79 und 82 f.; Flandrin (1999), S. 410.



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zahl von Gewürzen miteinander zu kombinieren war, durchaus von Koch zu Koch.47 Johann Deckhardt, dessen Kochbuch für professionelle Köche im Jahr 1611 erschien, hat seine Speisen durch Würzung in sehr unterschiedlicher Weise aromatisiert. Er konnte so die Zahl an Geschmacksvarianten erhöhen. Kulinarisch sinnvoll ist der Einsatz von Gewürzen eigentlich immer nur dann, wenn er den Eigengeschmack der Hauptzutat nicht komplett überlagert.48 Das kann aber sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Die exquisite Kochkunst der Moderne hat nach 1800 eine Aromatisierung mit Gewürzen nur zugelassen, um den Eigengeschmack eines Produkts zu umrahmen. Huhn soll seither nach Huhn schmecken, Kohl nach Kohl oder Lamm nach Lamm.49 In der Frühen Neuzeit hingegen waren die Gewürzmischungen nicht nur Hintergrundaroma. Vielmehr bestimmten sie häufig zusammen mit der Hauptzutat den Charakter eines Gerichts. Eine breite Palette von Gewürzen machte es bspw. möglich, aromatische Nuancen in einem Stück Fleisch adäquat zu verstärken.50 Diese Dimension der frühneuzeitlichen Kochkunst ist aber bislang noch kaum erforscht. Sie müsste in einer Art kulinarischer Archäologie erst erkundet werden. Wie breit die aromatische Varianz frühneuzeitlich gewesen sein muss, zeigt eine Analyse des Kochbuchs von Johann Deckhardt. Er kannte Gerichte ohne Gewürze. Daneben gab es die heute geradezu klassische Schlichtheit, nur mit Salz und Pfeffer zu würzen. Anstelle von Pfeffer nutzte Deckhardt häufig Ingwer. Damit erreichte er eine Schärfe, die zugleich noch aromatischer würzte als Pfeffer. Gelegentlich wurden aber auch Ingwer und Pfeffer 47  Siehe hierzu den Vergleich von Zubereitungsarten für Hecht in elf deutschsprachigen Kochbüchern bzw. Rezeptsammlungen bei Dirlmeier / Schmidt, S. 288. 48  Vgl. Mennell, S. 82 nimmt für die antike und die mittelalterliche Kochkunst an, dass es ihr Ziel war, „den ‚natürlichen‘ Geschmack der wesentlichen Zutaten völlig zum Verschwinden“ zu bringen. Eine derartige künstliche Konstruktion von Aromen, die in der Natur nicht gegebenen sind, stellt eine kulinarisch sinnvolle Ausnahme von der Maxime dar, dass der Eigengeschmack nicht von Zutaten überlagert werden sollte. Für die Frühe Neuzeit geht auch Mennell im Vergleich zur mittelalterlichen Kochkunst von einer Gewürzreduktion für die einzelnen Gerichte aus, die neue Methoden der Aromendiversifizierung ermöglichte. Siehe ebd., S. 83. 49  Zur Entstehung der neuen kulinarischen Ästhetik, deren Anfänge in Frankreich bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurückreichen, vgl. Mennell, S. 107. Für den Wandel im Europa außerhalb Frankreichs am Beispiel Dresdens vgl. Iwanzeck, S. 235–250. 50  Die heutige Naturwissenschaft fasst solche Aromatisierungen unter dem Begriff Food paring. Vgl. Vierich / Vilgis, S. 60–62. Zur Rückbesinnung in der Spitzenküche des ausgehenden 20. Jahrhunderts auf die Methoden der frühneuzeitlichen Kochkunst, Gewürze zu verwenden, insbesondere durch Olivier Roellinger vgl. Dollase (2015), S. 36 und 44–47.

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gemeinsam genutzt. In den meisten Fällen bereitete Deckhardt eine Gewürzmischung zu. Möglich war auch eine Mischung von Gewürzen und Kräutern. Das Aromenspektrum von Deckhardts Gerichten reichte zudem über das rein Pikante hinaus. Er variierte gewürzte Gerichte mit Honig, Zucker oder Sirup ins Süß-Pikante. Andere Speisen wurden mit Bier- oder Weinessig sowie mit Zitronen, Limonen, Agrest51 oder Pomeranzen ins Pikant-Saure erweitert. Auch die Kombination der drei Geschmacksrichtungen war möglich, sodass ein Gericht süß-sauer-pikant sein konnte.52 Exemplarisch kann ein Rezept, das u. a. mit Parmesan, Ingwer, Muskat, Safran und kleinen Rosinen zubereitet wird, Deckhardts kulinarische Kon­ struktionstechnik verdeutlichen: „Keseküchlein zu backen Nimb einen guten Barmasan / oder andern guten newen Kese / reibe dessen ein gut theil / vnd schlage Eyer dran / würtze es wol mit Ingwer / geriebener Muscaten / Saffran / kleinen Rosinlein vnd Mandeln / vnn menge geriebene Semmel oder weis Mehl darein / saltze es / vnd mache den teig zehe / vnd mache dann feine lange oder runde küchlein / vnd back sie gemach / So werden sie gut.“53

Es handelt sich um ein pikantes Käsegebäck, mit süßen Rosinen, für das Deckhardt keinerlei Mengenangaben liefert. Das macht eine kulinarische Rekonstruktion schwierig, die aber unerlässlich ist, um durch degustative Analyse die Kochweise zu verorten. Bei allen Unwägbarkeiten54 lässt sich konstatieren, dass die Konsistenz der „Keseküchlein“ eher an Brot als an (Agraz) ist Saft unreifer Weintrauben. Vgl. Wiswe, S. 189. Deckhardts Gebrauch von Gewürzen und Kombination von Geschmacksrichtungen vgl. Matzerath, S.  22 f. 53  Deckhardt, S. 240 (S. 110 f.). 54  Die Keseküchlein wurden mit folgenden Zutatenmengen nachgebacken: 250 g Parmesan 5 Bio-Eier 100 g gehackte Mandeln 100 g Rosinen 2 TL Ingwer 1 TL Muskat 1 g Safran 250 g Weizenvollkornmehl Die Gewürze sind eher vorsichtig dosiert, um den Käse nicht zu überlagern. Da Mehl vor dem 19. Jahrhundert noch nicht ausgemahlen werden konnte, kommt Biovollkornmehl dem frühneuzeitlichen Standard am nächsten. Weil Vollkornmehl auch die Schale und den nussigen Keimling des Korns enthält, gibt es Gebäck eine andere aromatische Note und eine andere Konsistenz als das heute marktbeherrschende Weizenmehl Typ 405. Eier von Hühnern aus artgerechter Haltung mit biologischer Fütterung sind aromatischer als solche aus konventioneller Produktion. Denn bei Eiern ist die Qualität der Tierfütterung für den Geschmack entscheidend. 51  Agrest 52  Zu



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Kekse erinnert. Allerdings nimmt man beim Biss auf die Mandeln etwas Krosses, Bissfesteres wahr. Die Rosinen sind dagegen weniger fest als der Teig. Aromatisch ist der Safran deutlich herauszuschmecken. Das Pikante und ein zarter Anflug von Schärfe prägen den ersten Eindruck. Verblüffend ist vor allem die zwischenzeitliche Süße, wenn man auf eine Rosine beißt. Die süße Rosine blendet durch den dominant pikanten Geschmack durch wie eine Insel im Meer, die beim Vorüberfahren erscheint und wieder verschwindet. Nach dem Verzehr bestimmt aber das Pikante den bleibenden Geschmack. Deckhardts Keseküchlein sind durch den Safran auch gefärbt. Farbe konnte ebenfalls dazu dienen, Vielfalt herzustellen. Eine Mandelsülze färbte Deckhardt teils mit Safran gelb, teils mit Petersilie grün, teils ließ er sie im Weiß der Mandelmilch, aus der sie gefertigt war. Knackwürste bekamen durch den Rauch von Wacholderholz eine rote Farbe. Durch Blut wurden Fisch- und Fleischgerichte schwarz-braun. Fangfrische Fische färbte man durch Essig blau.55 Die Farben der frühneuzeitlichen Küche waren anders als heute alle nicht geschmacksneutral. Sie sollten aber wohl weniger verfremden, als eine gut sichtbare kulinarische Abwechslung herstellen. Die Intention ist daher anders als bei der molekularen Küche unserer Zeit, die den Eigengeschmack eines Produktes in verfremdeter Form auf neue Weise erlebbar machen will.56 Auch bei den Fetten war die exquisite Kochkunst der Frühen Neuzeit weniger puristisch als die Gourmetküche der Moderne. Heute wäre es ein Regelverstoß, eine Gans im Fett eines anderen Tieres zu braten. Denn das würde den Eigengeschmack des Gerichts beeinträchtigen. Frühneuzeitlich gab es Rezepte, die vorsahen, Tiere in ihrem eigenen Fett zu braten, sodass etwa Gans nach Gans schmeckte. Zumeist wurden Fette aber nicht im Sinne des Eigengeschmacks kombiniert. Deckhardt bspw. gab zu Hühnerfleisch Fett oder Knochenmark vom Rind, zu Schafsfleisch Ochsenfett oder zu Kalbfleisch Schweinespeck. Er erweiterte so das Aromenspektrum seiner Gerichte. Diese Kombinationen waren aber nicht beliebig. Der Hofküchenschreiber des sächsischen Kurfürsten gab immer genau vor, ob etwas in Butter, Speck, Schmalz oder Nierenfett ausgebacken werden sollte. Fisch, Eier, Gebäck oder auch Marzipan wurden in keinem seiner Rezepte mit Hühner, Rinder- oder Schafsfett aromatisiert.57

55  Zu Deckhardts Praxis der Farbgebung von Nahrungsmitteln vgl. Matzerath, S.  25 f. 56  Zur kulinarischen Dekonstruktion, die die übliche Konsistenz einer Speise verändert, während das Aroma beibehalten wird, um Wahrnehmungsautomatismen zu durchbrechen vgl. Dollase (2007a), S. 38; ders. (2007b), S. 256. 57  Zu Deckhardts Einsatz von Fetten vgl. Matzerath, S. 23–25.

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Neben dem Umgang mit Aromen lassen sich in der exquisiten Kochkunst der Frühen Neuzeit auch klare Vorstellungen von der Konsistenz finden, die ein Gericht haben sollte. Fleisch hatte grundsätzlich mürbe zu sein. Deckhardt spickte eine Hirschkeule mit Speck und fordert, sie solle langsam gebraten werden, „damit sie auswendig nicht verdorret / Sondern von inwendig wol außbrate / vnd mürbe wird“.58 Die Kruste soll also kross und das Innere des Bratens saftig sein. Ganz unabweisbar mit Textur kalkuliert auch Deckhardts Rezept: „Ein gut Erbesmuhs zu machen“.59 Denn es verlangt, den Erbsbrei vor dem Servieren mit Brotwürfeln zu bestreuen, die in Butter ausgebackenen wurden. Während der Erbsbrei im Mund schmilzt, sollen die Croûtons beim Zerbeißen geradezu krachen. Schließlich finden sich neben Aroma und Textur Hinweise darauf, dass die Kochkunst des frühen 17. Jahrhunderts auch mit dem dritten kulinarischen Aggregatzustand, der Temperatur, kalkulierte. Die Kochbücher fordern nämlich, dass bestimmte Speisen kalt oder warm serviert werden. Gelegentlich ist das Kalkül noch deutlicher: So gibt Deckhardt für ein Trisanet (eine Gewürzmischung) vor, das Pulver nur über einen kalten Braten zu streuen.60 Wenn das Fleisch noch heiß wäre, würde die Temperatur die Aromen der Gewürze mehr verstärken, als es der Verfasser der Rezepte für ratsam hielt. Wie lässt sich nach den Aussagen zu Kochtechnik, Färbung, Geschmacksrichtung, Aroma, Temperatur und Textur die kulinarische Ästhetik der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts resümieren? Während des Dreißigjährigen Krieges mag für einfache Söldner kulinarischer Genuss allein schon in üppigem Fleischkonsum bestanden haben, wie ihn von Grimmelshausen beschreibt, als der Bauernhof geplündert wird, auf dem der noch zehnjährige Simplicissimus, der Protagonist des Romans, lebt. Die verrohte Soldateska sticht Schafe und Schweine ab und isst am Spieß gebratenes Fleisch. Da zuvor die Einrichtung des Bauernhauses zerschlagen, Frauen vergewaltigt und Männer solange gefoltert worden waren, bis sie die Verstecke für ihre Wertsachen preisgaben, konnte der fertige Braten auch nicht an einer wohl gedeckten Tafel und in genussvoller Atmosphäre konsumiert werden. Er muss inmitten von Trümmern und Scherben, von verwundeten und geschundenen Menschen verzehrt worden sein.61 Die kulinarische Ästhetik der vornehmen Tafeln war viel höher entwickelt als das fiktive Gelage der Plünderer aufscheinen lässt, bei dem immerhin umfangreich Fleisch verzehrt wurde. Die exquisite Kochkunst bediente sich 58  Deckhardt,

S. 45 (S. 52): „Hirschen Wildes oder andere Keulen gut zu braten“. S. 217 f. (S. 103). 60  Vgl. ebd., S. 19 (S. 45 f.): „Gebratene Hünner in einem Trisanet“; S. 68 (S. 59): „Ein gut Trisanet vber allerley kalt Gebratens“. 61  Vgl. Grimmelshausen (1669), 1. Buch, 4. Kapitel, S. 17–21. 59  Ebd.,



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ausgesuchter, zeitgenössisch rarer und teurer Produkte. Sie arbeitete mit einer überdurchschnittlich entwickelten Kochtechnik. Die Kochkünstler der Zeit beachteten kulinarische Qualitätskriterien wie Temperatur und Textur. Vor allem aber zielte die Kochweise auf Aromenerweiterung der zentralen Zutaten und auf Varianz von Gerichten. Diese kulinarische Ästhetik war fraglos sozial distinktiv. Sie entsprach aber auch einem elaborierten Kochstil, der einen ausdifferenzierten Tafelgenuss ermöglichen sollte.

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Personenregister Abenheim, Joseph  345 Achill  339 Adelburg, August Ritter von  352, 364 Adlersthurn, Johann Putz von  144 Adolf Friedrich I., Herzog von Mecklenburg-Schwerin  215 Adorno, Theodor W.  371 Affeinger, Bruno d’  424 Ahlsen, Leopold  454, 456 Aldringen, Johann von  235, 238 Alexander der Große  382 Alten, Ferdinand von  439 Amberger, Christoph  188 Anna, Erzherzogin von Österreich, Königin von Polen  213 Archimedes  13 Arnim-Boitzenburg, Johann (Hans) Georg von  25, 153, 221, 228, 231–236, 247 Arnold, Carl  345 Attila  339 Bachmann, Gottlob  345 Balbín, Bohuslav  416–418, 420 Banér, Johan  52 Batka, Johann Nepomuk  345 Beethoven, Ludwig van  362 Behaim, Lorenz  268 Behrendt, Hans  439, 442 Berger, Ludwig  345, Bergl, Viktor  144 Bergler, Josef  422 Berlioz, Hector  362 f. Bernhard, Herzog von Sachsen-Weimar  236, 242 Bernhard, Thomas  339

Bethlen Gábor, Fürst von Siebenbürgen  219 Blalock, Dave  395, 397, 399 Bloemaert, Abraham  41 Blumenberg, Hans  405 Boccacci, Vincenzo  275, 292 Bodin, Jean  203, 273 Bonaparte, Josephine  13 Bonaparte, Napoleon (auch: Napoleon I., Kaiser der Franzosen)  13 Borchert, Wolfgang  451 f., 456, 458 Bornhardt, Johann Heinrich Carl  364 Bougeant, Guillaume-Hyacinthe  305, 307 Boysen, Rolf  8, 456 Božek, Josef  415 Brahe, Tycho  204 Brandauer, Klaus-Maria  5, 393 f., 401 f. Braun, Carl Anton Philipp  344 Brecht, Bertolt  304, 403 Breuner, Johann Friedrich Philipp  61, 139 Brod, Max  354 f. Bruner, Angelo  349–351 Bucquoi, Erdmann Friedrich  306 Büchner, Adolf Emil  364 Bummerstedt, Christian  439 Butler, Richard Walter Graf von  18–20, 137, 145 Cachedenier, Daniel  205 Cäsar, Gaius Julius  253, 382 Camões, Luís de  347 Carafa, Vincenzo  314 Carazo Mendez, Martin  432 Cardillac, René  365

560 Personenregister Carl Gustaf XVI., König von Schweden  466 Casella, Alfredo  350 Castañeda, Sancho de Monroy y Zuñiga Marqués de  238 Červenka von Věžnov, Václav Vojtěch  417–420 Chemnitz, Bogislaw Philipp von  128 Chlumecky, Peter Ritter von  216, 218–221, 223 f. Chotek von Chotkow, Georg  206 Chotek von Chotkow, Johann Wenzel  206 Christian II., Fürst von Anhalt-Bernburg  131, 138–140, 239 Christian IV., König von Dänemark  93 f., 212, 214, 219, 222–224, 228, 232, 234, 387, 484 Christian d. J., Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, Administrator von Halberstadt  83, 214 Christina, Königin von Schweden  414 Cilea, Francisco  347 Clapmarius, Arnold  203 Coler, Christoph  203 Collalto, Ramboldo Graf von  25, 217–220, 223 f., 455 Connard, Leo  439 Constant, Benjamin  341 Cortés de Monroy y Pizarro Altamirano, Hernán  339 Creveld, Martin van  31–33 Cron, Jean de la  59 Crugerius, Georgius  418 Dalberg, Johann Friedrich Hugo von    345 Danela, Charles  364 Davis, Natalie Zemon  407 Denza, Luigi  349 f. Destouches, Franz Seraph  343 f. Dietl, Johann Anton  423 Dinorah  351

Dittmar, Franz    180, 462 Diwald, Hellmut  13, 22 f., 189, 191, 211, 215, 217, 220–222, 226, 247, 249, 323, 483, 487 Döblin, Alfred    5, 373–389, 405f. Dörr, Christina   464 Donizetti, Gaetano  340 Dostoevskij, Fëdor Mihajlovič Druskj Socoliński, Jarosław  182, 185, 199, 201, 206 Dumba, Konstantin  414 Dvořák, Antonín  352 Ebell, Heinrich Carl  345 Eder, Helmut  343 f. Eggenberg, Johann (Hans) Ulrich Freiherr (1623 Fürst) von  25, 39, 211, 231, 246 f., 316, Ehrenstein, Albert  374 f. Eibenschütz, Lia  439 Engel, Wolfgang   393 Engels, Friedrich  49 Erfurth, Ulrich   5, 392 Ernstberger, Anton  32, 35, 40, 45, 98, 137, 172 Etti, Karl  345 Eugen, Prinz von Savoyen-Carignan  339, 421 Ferdinand II., Römischer Kaiser  4, 11, 16, 25, 42, 116 f., 120, 125–128, 141, 151, 174, 212, 216–225, 228–235, 237 f., 272, 291, 305, 308, 315, 367, 377–379, 383–385, 388, 411, 439, 441, 466 Ferdinand III., Römischer Kaiser  11, 291, 294, 412 Feria, Gómez Suárez de Figueroa y Cordobá, Herzog von  238 Fibich, Zdenek  343 Finscher, Ludwig  371 Fischer, Johann Rudolph   157–165 Franck, César  362 Franck von Franckenstein, Adam  420



Personenregister561

Franz Albrecht, Herzog von SachsenLauenburg  231, 236 Franz Julius, Herzog von Sachsen-Lauenburg  231 Frey-Aldenhoven, Anton 40 f. Friedland gen. Trotzendorf, Valentin  307, 309, 313–315, 317, 325–327, 381–385, 387, 413, 415, 418, 421, 423, 425 f., 431, 442, 444, 446 f., 457 f. Friedrich III., Herzog von Holstein-Gottorf  216, 221 Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, als Friedrich I. König von Böhmen  68, 299 Fuchs, Wolff  183–185, 188 f., 197, 199, 205 Gaedeke, Arnold  226, 233 Galen(us), Aelius  260, 264 Gallas, Matthias  126, 139, 231, 239, 330 Gaßner, Friedemann  395, 397-399 Geer, Louis de  41 Geiger, Angelika  15 f., 255 Gentilis, Scipio  194, 196, 204 f., 207 Georg II., Landgraf von Hessen-Darmstadt  227–229, 231 Georg Friedrich, Markgraf von BadenDurlach  214 Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg  13, 230 Gessinger, Julius  345 Gindely, Anton  32, 215, 224 Giordano, Umberto  347 Glapthorne, Henry  141, 146, 158, 169, 306 Glombeck, Robert  432 Göschen, Georg Joachim  305, 321 Goethe, Johann Wolfgang (von)  5, 324–326, 330, 333, 335, 340, 342, 344, 346, 395, 398, 448 Götzen, Johann von  166 Golisciani, Enrico  347 f., 350 f. Gordon, Adam  18, 20, 145, 332, 335, 353

Gordon, John (Johann)  18, 20, 137 f., 145, 332, 335, 353 Gotthard, Axel  216 Gounod, Charles  340, 351 Graf, Johann  189 f. Grave, Johann Heinrich  345 Greiner, Fritz  439 f., 444 f., 447 Grimaldi, Girolamo  415 Grimm, Johann Joachim Wilhelm  345 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel  55, 481 f., 492 Gründgens, Gustaf  392 Grüßer, Ulrich  366 Gryphius, Andreas  157 Gualdo Priorato, Galeazzo  3, 11, 128, 175, 305, 415, 420 Gustav II. Adolf, König von Schweden  11, 41, 45 f., 86, 103, 122 f., 125, 128, 141, 146, 165, 168, 175, 213, 218 f., 225–227, 229, 250, 263, 311, 322 f., 374 f., 388, 432, 439, 441, 446, 448, 456 Häser, Christian Wilhelm  345 Hagendorf, Peter  58, 62, 267 Halem, Gerhard Anton von  303 f., 307–318, 327 Hallwich, Hermann  105, 215–218, 220, 222–224, 227 Hannibal  193 f., 382 Hansen, Rolf  432 Happe, Volkmar  135 f. Happel, Eberhard Werner  163 Harrach zu Rohrau, Katharina Barbara von  412 Harrach, Isabella Katharina von  293, 382, 413 f., 421, 439, 442, 445–447, 452 Harrach, Kardinal Ernst Adalbert von  281, 484 Harrach, Karl Graf von  24 f., 35 Harte, William  305 Hatzfeldt, Melchior Graf von  34 Haugwitz, August Adolph von  157

562 Personenregister Hauptmann, Moritz  345 Heinrich IV., König von Frankreich  318 Heinz, Wolfgang  5, 392 Heldreich, Georg  193 Heldreich, Johannes  181, 188, 193 f., 207 Helfert, Robert  395, 397–399 Henkel, Georg Andreas  364 Henlein, Konrad  353 Henn, Dirk  469 Henning, Karl Wilhelm  343 f. Herchenhahn, Johann Christian  305 f., 327, 329 Hering, Karl Eduard  343 Heubel, Michael  136 Heyme, Hansgünther  392 Hindemith, Paul  6, 365 f., 368–372, 406 Hinterseer, Johann Ernst „Hansi“  466 Hizler, Daniel  366 f. Hoch, Jenny  394 Hoeff-Huerta, Don Martin de  61 Hoffnaaß, Fanny von  360 Hofreuther, Karl  413 Hohenzollern, C. W. C. Fürst von  345 Holk, Henrik Graf von  235 f. Holtzmann, Thomas  452, 458 Holý, Martin  4, 7, 150, 189–191, 289, 300, 383 Hondius, Hendrik  41, 107 Honold, Alexander  400 f., 407 Horst(ius), Gregor  260, 263 Hrušková, Barbora  58 Huch, Ricarda  375 Hübner, Matthias  204 Hülsmann, Ingo  393, 402 Hurka, Friedrich Franz  345 Hutten, Ulrich von  265 Iffland, August Wilhelm  342 Ilow (auch: Illo, Jlo), Christian Freiherr von  134 f., 139, 326, 329, 394, 439 Indy, Vincent d‘  345, 361–363

Janáček, Leoš  354 f. Jarl (auch: Sigurdsson), Håkon  357 f. Jeanne d’Arc  12 Johann Albrecht II., Herzog von Mecklenburg-Güstrow  215 Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen  42, 125, 220, 225–227, 230, 234, 388, 486 Jordan, Thomas  262 f. Joseph II., Römischer Kaiser  425 Juan d’Austria, Don  339 Jullien, Adolphe  361 Junkelmann, Markus  212 f., 461 Kaiser-Tietz, Erich  439 Kareš, Miloš  352 f. Karl der Große, Römischer Kaiser  339 Karl VI., Römischer Kaiser  415 Karl I. der Kühne, Herzog von Burgund  347 Kasten, Tilman  386 Kaulfersch, Christian  422 Kavka von Rziczan, Johann  418 Kepler, Johannes  4, 6, 16, 22, 254–259, 265 f., 329–332, 365–371 Kepler, Katharina  366 Kepler, Susanne  366 Kerling, Sigmund  364 Khevenhüller-Frankenburg, Franz Christoph Graf von  22, 128 Kinsky von Wchinitz und Tettau, Wilhelm Graf  134, 136, 140, 144, 155 Kirsten, Ralf  395, 397–399 Klein, Anton Edler von  306 Klein, Bernhard Joseph  345 Klinger, Andreas  50 Knipphals, Dirk  394 Kocher, Ursula  5, 373, 405 Körner, Christian Gottfried  324, 345 Kolaczek, Karl  427 Koldín von Koldín, Kristián  49



Personenregister563

Kollmann, Josef  78, 189, 191, 211, 226, 289, 476 Komareck, Johann Nepomuk  307–311, 316–318 Konstanze, Erzherzogin von Österreich, Königin von Polen  213, Kopernikus, Nikolaus  204 Korálek, Daniel  61 Kortner, Fritz  394 Král, Klement  56 Králíková, Eva  423 Kranz, Johann Friedrich  343 Kraus, Volker  464 Krauss, Werner  441 Kroll, Stefan  50 Krüger, Kersten  50 Krufft, Nikolaus von  345 Kupsch, Karl Gustav  344 Lamormaini, Wilhelm  315 Lauzières, Achille de  350 f. Ledebur, Leopold Ernst Gerhard Freiherr von  439 Lehmann, Friedrich Adolph von  345 Lehmann, Hans-Thies  395 Leitner, Karl Gottfried  345 Leopold, Georg  137 f. Leslie, Walter  18, 20, 145, 251 Liechtenstein, Karl Eusebius Fürst von  281 Lipsius, Justus  203 Liszt, Franz  357 f., 360–363 Livo, Gotthard  186 f., 207 Lockhart, Paul Douglas  212, 214, 216, 219, 222, 228 Loewe, Carl  345 Lohenstein, Daniel Caspar von  157 Lopes de Villanova, Johann  182, 185, 199, 201, 206 f. Loredan, Giovanni Francesco  420 Lorenz, Maren  50, 57 f., 218, 224 f., 231 f., 234 Loyola, Ignatius von  315

Machek, Antonín  421 f. Maffei, Andrea  346–349 Magni, Valeriano Graf von  14 f., 246 f. Mann, Golo  6, 8, 11 f., 33, 152, 174, 179, 191, 207, 211, 222, 231, 254, 267, 322, 333, 443, 451, 453–455, 474 Mann, Thomas  6, 330, 371, 440 Mann, Viktor  440 Mansfeld, Peter Ernst Graf von  34, 43, 54, 108, 214, 219, 240–242, 246, 384, 468, 475 Maria Stuart, Königin von Schottland  340, 346, 357 f. Marx, Caspar Heinrich  135 f. Massenet, Jules  340 Matthias, Römischer Kaiser  26, 454 f. Maurer, Franz Anton  345 Maximilian II., Römischer Kaiser  262, 269 Maximilian I., Herzog (1623 Kurfürst) von Bayern  11, 14–16, 24, 28, 153, 166, 212, 214, 216, 218, 222, 224 f., 235, 238, 246, 248, 299, 379, 384 Mazzini, Giuseppe  346 Medici, Ferdinand von  272 Melanchthon, Philipp  191 Melander, Peter, Graf von Holzappel  34 f. Mendelssohn Bartholdy, Felix  345 Merian, Matthäus d. Ä.  2, 128, 413 f. Metrouski, Wenzel  181 Meyerbeer, Giacomo  339, 341, 351, 357, 362 Michna von Vacínov, Paul Freiherr  380 Micraelius, Johann  VI, 157, 159, 162–165, 168 f. Mischereit, Rita  395, 397 Montezuma (Moctezuma II.)  339 Morena, Erna  439 f., 445, 447 Mosel, Ignaz Franz von  345 Müller, Heiner  391 Murr, Christoph Gottlieb von  147, 305 f., 312, 316 Musone, Pietro  347, 349

564 Personenregister Musorgskij, Modest Petrovič  341 Mustafa Pascha, Kara  339 Naogeorg, Thomas  159 Naubert, Benedikte  308 f., 316 Nekess von Landeck, Lukretia  150, 426, 453 Nelson, Horatio  339 Neubur, Georg Philipp Anton  305 Newton, Isaac  13 Niemann, Heinrich (Rittmeister Newmann / Neumann)  140, 439 Nößler, Georg  209 Novák, Vitězslav  51, 352 Odysseus  339 Oehlenschläger, Adam  358 Oñate, Íñigo Vélez de Guevara, Graf von  238 Opitz, Martin  159 Otto, Sven Joachim  395, 397, 399, 401 Oxenstierna, Axel Gustafsson  226, 230, 232 f., 236 Pabst, August  344 Pachta, Vít  418 Panofski, Erwin  331, 371 Pansa, Martin  265 f., 268 Panzacchi, Enrico  350 f. Pappenheim, Gottfried Heinrich Graf zu  14, 24, 71, 153, 218, 248, 417 Parker, Geoffrey  22 f., 32–34, 219 Paryla, Karl  392 Pearsall, Robert Lucas  344 Pelser, Karl Heinz  392 Pfeifer, Hermann  465 Piccolomini, Max (auch: Emilio)  5, 334, 362, 349, 364, 394, 397, 439, 442, 444–447, 451 f., 466 Piccolomini, Ottavio  14, 18, 21, 25, 235, 323, 327, 394, 397, 439 Pieroni, Giovanni  273, 278, 280, 282, 286 Piloty, Karl Theodor von  360

Pilz, Dirk  402 Pirckheimer, Willibald  267, 269 Pitterlin, Friedrich Adolf   345 Poeschke, Georg  439 Polišenský, Josef  22, 179, 189, 191, 211, 289 Ponchielli, Amilcare  347 Potter, Esther  395, 397 Praetorius, Johannes  204 f. Questenberg, Gerhard Freiherr von  22, 211, 231 f., 234 f., 348 f., 353, 349, 350, 352, 481 Quiroga, Diego de  314 f., 318 Randolf, Rolf (eigentl. Rudolf Zanbauer)  439–443, 445, 447 f., 451, 455, 457 Rebmann, Georg Friedrich  307–313, 315–318, 327 Recknagel, Hans  180 Redlich, Fritz  18, 32–34, 241 Reger, Max  352 Reheberger, Johann  186–188, 207 Reich, Hagen  395, 397, 402 Reichardt, Johann Friedrich  342 f., 345 Reichel, Adolf    345 Reif, Wilhelm  343 f. Reiner, Wenzel Lorenz  421 f. Reissiger, Carl Gottlieb  345 Resteau, Daniel  34 Rheinberger, Josef Gabriel  345, 359 Richard I. Löwenherz, König von England  339 Richard III., König von England  12, 324, 326 Richel, Bartholomäus  16,17, 153 Richelieu, Armand Jean du Plessis de  174 Riegg, Ernst  199 Rimskij-Korsakov, Nikolaj Andreevič  350 Rist, Johann  3, 159 Ritter, Moriz  32, 42 Rittershausen, Conrad  191, 204



Personenregister565

Rocci, Ciriaco  17, 174 Roggenbach, Georg  182–184, 187, 201 Rosenkranz, Friedrich  364 Rossini, Gioacchino  340 f. Rottendorf, Bernard  263 f. Rotterdam, Erasmus von  273 Rousseau, Jean-Jacques  312 Rückert, Ernst  439 Ruiz, Gustave-Raphael  340, 350 Sachs, Hans  265 Sánchez Coello, Alonso  413 Sartorius, Johann Georg  263 Scheiding, Philipp von  206 Schein, Johann Hermann  368 Scherbius, Philipp  202 f., 205 Schick, Hartmut  306 Schießleder, Stefan  393 Schiller, Friedrich (von)  5, 7 f., 11 f., 127, 146 f., 157, 180 f., 226, 251, 303, 316–319, 321, 322–336, 339–362, 364 f., 369–372, 378, 382, 391–401, 405 f., 432, 436–438, 440–443, 446, 448–451, 453, 457 f., 462, 466 f., 467, 474 f., 477, 481 Schilling, Michael  106, 109, 124, 159 Schirach, Gottlob Benedikt von  306, 329 Schlick von Passaun, Johann Albin Graf  192, 239, 378 Schlottmann, Louis  364 Schmidt, Harald  466 f. Schmidt, Heinrich  364 Schnorr von Carolsfeld, Julius  2, 465 f., 468 Schönberg, Arnold  350 Schopper, Jacob  182–186, 197–199, 206 f. Schreker, Franz  367 Schröder-Schrom, Franz W.  439 Schubert, Franz  343, 345 Schulz, Hans  375 Schulze, Johann Philipp Christian  343 Schuschnigg, Kurt  356 f.

Schwesinger, Wenzel  425 Schwindt, Wolfgang von  439 Scribe, Eugène  357 Sebisch, Gottfried  182–185, 199 f., 206 f. Sebregondi, Nicoló  274 f., 291 Seehofer, Horst  464 Seidel, Friedrich Ludwig  345 Selb, Johann Georg  425 Semele  341 Senger, Gustav  439 Seni, Giovanni Battista  322 f., 325 f., 330, 335, 360, 394, 397, 439 Shakespeare, William  12, 324, 358 Sigismund III. Wasa, König von Polen  225 Siri, Vittorio  272 Skála von Zhoř, Pavel  51 Slavata (Slawata) von Chlum und Koschumberg, Heinrich Graf  151, 153, 189, 191, 383, 386, 388 Slavata (Slawata) von Chlum und Koschumberg, Wilhelm Graf  17 Smetana, Bedřich  6, 357–359, 372 Smiřziczký von Smiřzicz, Margaretha  189 Soldani, Jacobo 271 Sophie Eleonore von Sachsen, Landgräfin von Hessen-Darmstadt  227 Spezza, Andrea  285, 291 Spinola Doria, Ambrogio / Ambrosio, Marqués de los Balbases  34, 240, 242–246, 248, 251, 299 Spohr, Ludwig  340 Srbik, Heinrich Ritter von  105, 117–119, 133, 141 f., 153–155, 172 f., 226 Staël-Holstein, Anne-Louise Germaine Baronin de  346 Stegmann, Carl David  343 Steiger, Klara  20 Stein, Peter  393 f., 406 Steinau, Hans von  188, 198

566 Personenregister Steinau, Hartmann von  183 f., 188 f., 198, 200 f., 206 Steinau, Johann Ernst von  198 Steinsberg, Karl Franz Guolfinger von  307 Stentzsch, Johann Baron  471 Sternberg, Wenzel Adalbert von  414, 426 Stieler, Caspar    162 Stifter, Magnus  439 Storz, Oliver  449 Strauss, Richard  350, 362 Stücklin, Johann  235 Stüeler, Michel  54, 64 Stuntz, Joseph Hartmann  345 Summers, Darnell  395, 397–399 Suppé, Franz von  343 Suvanto, Pekka  226 Tamerlan (Timur Lenk / Leng)  339 Tanner, Johann  416–418, 420 Tanner, Matthias  416 Tansur  367, 371 Taubert, Wilhelm  345 Taupadel, Georg Christoph von  46 Taurellus, Nicolaus  182–184, 187, 197 Tell, Wilhelm  13, 337, 340 Thalheimer, Michael  393, 401 Thám, Václáv  307 Thurm, Joachim  343 f. Thurn, Heinrich Matthias Graf von  236 Tilly, Johann t’Serclaes Graf von  11, 36 f., 43 f., 71, 73, 75, 83, 93, 103, 109 f., 112 f., 121 f., 125, 152, 158, 162, 165–167, 212, 214, 216, 222, 224–226, 237, 248, 299, 339, 468, 475 Tomaschek, Wenzel Johann Baptist  345 Torstensson, Lennart, Graf von Ortala  52 Trauttmansdorff, Maximilian Freiherr von und zu  218 f., 223 f., 234 f., 250 Trčka (Terzky, Tertzschka) von der Lípa, Adam Erdmann Graf  134, 136, 139, 291, 326, 329 f., 332, 348, 394

Trip, Jacob  41 Truckenbrot, Michael  305 Ulrich, Prinz von Dänemark  153 Urban VIII., Papst  420 Verda von Werdenberg, Johann  211 Verdi, Giuseppe  340, 351, 357 Vernulaeus, Nicolaus   58, 169, 306 Viatis, Bartholomäus  185, 200 Villabella, Claudine von  342 Vries, Adrian de  284 Wacker, Tobias  185, 199, 201 Wacquant-Geozelles, Jean Pierre-Théodore Baron de  423 Wagner, C.  345 Wagner, Franz  426 Wagner, Jakob  20 Wagner, Richard  340, 360 f., 437 Waldstein, Adam der Jüngere von  187, 292, 411 f., 416 Waldstein, Albrecht Karl von  285, 307, 339, 415, 427 Waldstein, Bertold von  416 f. Waldstein, Bertold Wilhelm von  417 Waldstein, Burian Ladislaus von  416 f. Waldstein, Elisabeth von  416 Waldstein, Emanuel Ernst von, Bischof von Leitmeritz  423–425 Waldstein, Ernst Josef von  415 Waldstein, Franz Josef von  424 Waldstein, Hannibal von  193 f. Waldstein, Jindřich (Heinrich) von  193 Waldstein, Johann der Ältere von  411 Waldstein, Johann Friedrich von, Bischof von Königgrätz, Erzbischof von Prag  417, 423, 475 Waldstein, Johann Josef von  414, 420 f., 475 Waldstein, Karl von  187 Waldstein, Leopold Wilhelm von  420 Waldstein, Maximilian von  283, 412, 415



Personenregister567

Waldstein, Wilhelm (IV.) von  189, 412 Waldstein, Zdeněk (I.) von  420 Waldstein-Wartenberg, Christian Ernst von  427 f. Waldstein-Wartenberg, Emanuel Franz von  425 Waldstein-Wartenberg, Ernst Anton von  415 Waldstein-Wartenberg, Ernst Karl von  414 Waldstein-Wartenberg, Ernst Philipp von  425–427 Waldstein-Wartenberg, Sofia von  426 Waldstein-Wartenberg, Vincenz von  426 f. Wallenstein, Thekla von  5, 308 f., 316, 343–345, 348, 353, 355 f., 359, 361, 363, 394, 442, 451–453, 466 Walther, Georg  193 Wambolt von Umstadt, Anselm Casimir, Kurfürst und Erzbischof von Mainz  227 Wartenberg, Jaroslav von  426 Wartenberg, Karl von  426 Weber, Bernhard Anselm  342–345 Weinberger, Jaromír  6, 352, 353–357, 359, 364, 372 Weingartner, Johannes  17, 153

Weyse, Christoph Ernst Friedrich  345 Widmann, Thomas  157 Wilhelm I. von Nassau-Dillenburg, Fürst von Oranien  360 Windischgrätz, Alfred Fürst zu  428 Windischgrätz, Veriand Fürst zu  428 Winterstein, Eduard von  439 Wirth, Franz-Peter  8, 393, 443, 448–451, 453, 455 f., 458 Witte, Hans de  32, 34–36, 39, 40–42, 247, 249, 380, 484 Wladislaw II., König von Böhmen  428 Wölfl, Joseph  345 Wolf-Ferrari, Ermanno  347 Wolfradt, Anton  287 Zafred, Lilyan  351 Zafred, Mario  351 Zahn, Christian Jakob  344 f. Zahrádková, Mariana  59 Záruba, Kašpar Leopold  418 f. Zeeden, Ernst Walter  225 Zeller, Rosemarie  381 Zelter, Carl Friedrich  344 f. Zitter, Nikolaus  137 Zumpe, Hermann  364 Zumsteeg, Johann Rudolf  345

Ortsregister Aachen  40 Alerheim  88 Altdorf bei Nürnberg  4, 7 f., 179–209, 298, 382 f., 418, 434, 462 f., 465, 471, 476 Anklam  72, 75, 78–81 Arnau (Hostinné) 411 f., 423 Aschersleben  35 Augsburg  20, 39, 107, 134, 158, 162, 165, 167 f., 200, 461, 470 Backofen an der Iser (Bakov nad Jizerou)  418 Bad Kissingen  374 Bamberg  34, 137,268 Barkhausen [Porta Westfalica]  84 f. Barntrup  74 Bautzen  63, 343 Bayreuth  361, 364 Behren-Lübchin  80 Bergreichenstein (Kašperské Hory)  56, 60, 64 Berlin  5, 12 f., 262, 341–344, 373–376, 392–395, 432, 435–439, 441 Bernburg  82 f., 98, 131, 138 Bielefeld  375 Bielohrad (Bělohrad, Lázně Bělohrad)  417 Böhmisch Leipa (Česká Lipa)  279, 293, 419, 422 Bösig (Bezděz)  279 Bologna  282, 350 f. Breitenfeld  109 f., 226 f. Bremen 132, 158, 203, 228 Bremervörde  74 f. Breslau (Wrocław)  182, 185, 200, 206, 234, 265

Bruck an der Leitha (Lajtabruck)  14 f., 246 f., 273 Brünn (Brno)  355, 428 Brüssel (Bruxelles, Brussel)  215, 224, 243, 245, 396 Caserta  347 Cold Harbor (USA)  460 f. Coswig  225 f. Danzig (Gdańsk)  39 Den Haag  218 f. Dessau  108, 112, 139, 214, 279 Doberan (Bad Doberan)  484 Dresden  42, 133, 139, 157, 226, 229, 232–234, 343 f., 393, 489 Düsseldorf  5, 392 Dux (Duchcov)  414, 421 f., 426, 475 Edinburgh  466 Eger (Cheb)  2–4, 7, 12, 18–21, 38, 103–105, 110, 116–119, 121, 125– 128, 133–139, 141, 143, 149, 153–155, 172, 276, 281, 291, 309, 318, 322 f., 333, 348, 367, 406, 412–414, 416, 424 f., 432–436, 438 f., 441, 463, 475, 484 Eichstätt  20 Erlangen  179 Frankfurt am Main  108, 132, 324, 367, 418, 460 Frankfurt an der Oder  72 f., 85, 373 Freystadt  46 Friedland in Böhmen (Frydlant v Čechách)  1, 3, 7, 23, 27, 32, 37, 39, 40 f., 46, 150 f., 277, 383, 412

570 Ortsregister Glogau (Groß-Glogau, Głogów)  271, 281 Göllersdorf  112, 231 Görlitz  181, 193 f. Göteborg  357 f. Goldberg bei Lödderitz  78 Goldberg in Schlesien (Złotoryja)  190, 193, 202, 205 f., 208 f., 418 Gradisca (Gradisca d’Isonzo)  25 f. Graupen (Krupka)  53 f., 59, 64 Greifswald  76, 78 f., 81 Grenoble  424 f. Grimmelfingen  158 Großziethen  81 Grünenplan  78 Güstrow  218 f., 223 f., 275, 281, 283, 483 f., 487  Gützkow  80 f. Hahausen  93 f. Halberstadt  36, 41, 43, 214 Hamburg  33 f., 39f., 218, 336, 343, 345, 443 Heidelberg  68, 73, 83 f., 222, 328, 375, 395 Heidersdorf (Łagniewniki)  232 Heilbronn  226, 230 Hermanitz (Heřmanice)  189, 291, 411, 423 Hildesheim  158 Hirschberg am See (Doksy)  422 Höchstadt an der Aisch  75 Holleben  79 Horaschdowitz (Horažďovice)  51 f., 56 f., 60 Ingolstadt  157, 226, 267 Jermer (Jaroměř)  411 Jitschin (Gitschin, Jičín)  7, 271, 274–276, 278–282, 285 f., 412, 416–419, 424 f.

Kammerburg (Hrádek nad Sázavou)  411 Karstädt-Postlin  79 Klattau (Klatovy)  52, 56 f., 60–62, 64 Kölln an der Spree  230 Köln  34, 36, 40 f., 185, 206 f. Königgrätz (Hradec Králové)  417 Koschumberg (Košumberk)  189–191, 418 Kukus (Kuks)  423 Laage  74 Latdorf  83, 85 Leipzig  109, 139, 225, 230, 235, 237, 264, 343, 352, 364, 375, 393 Leitmeritz (Litoměřice)  57, 237, 417, 423 f. Lichtenberg  373 Liegnitz (Legnica)  193 London  141, 146, 464 Lübeck  212, 219, 221–224, 228, 237, 299 Lüttich (Liège, Luik)  40 Lützen  4, 12 f., 68 f., 86–89, 91–93, 114, 153, 229 f., 250, 267, 279, 322, 414, 417, 419 f., 423 Lutter am Barenberge  93–95, 112, 214 Lyon  415 Madrid  146, 174, 215, 244 f. Magdeburg  36, 41, 43, 71 f., 111–113, 125, 162, 167, 220, 225, 345, 419 Mailand (Milano)  347, 350 f. Mannheim  395–397, 403 Mantua (Mantova)  220 Marbach  321, 374 f. Melnik (Mělník)  53, 56–60, 63 Memmingen  7, 271, 461–465 Mies (Mießdorf, Mežica)  135 Mies (Stříbro)  424 Modena  267 Moldau (Moldava)  57 München  17, 218, 222, 226, 343, 365, 375, 413, 448, 456



Ortsregister571

Münchengrätz (Mnichovo Hradiště)  7, 412–414, 421, 425–427 Münster  263 Nachod (Náchod)  64, 419 Nauen  94 Neapel (Napoli)  244, 347, 349, 351 Neubrandenburg  74 Neustadt-Glewe  277, 351, 484 Nevers  351 New York  395 Nienburg  79 Nördlingen  36, 85, 237, 250 Nürnberg  1, 8, 34, 39–41, 45 f., 99, 107, 134, 144, 147, 155, 162, 167, 179, 181–188, 192, 194–202, 204–209, 247, 256, 260, 262, 264, 267 Olmütz (Olomouc)  26, 380, 382, 418 Paris  141, 146, 256, 346, 351 f. Pasewalk  73–75 Passau  51, 192, 225 Pilsen (Plzeň)  38, 54–56, 59, 63, 118, 132 f., 139, 141, 275, 287, 309, 349, 358, 438, 450 Pirna  237 Pisek (Písek)  51 Plau am See  74 Prag (Praha)  6, 13, 17, 25 f., 46, 51, 126, 153 f., 173, 216–218, 226 f., 237, 254, 273 f., 281 f., 284 f., 289, 291, 294 f., 297, 343, 352, 354, 357, 366, 369, 375, 379–382, 412–418, 426 f., 439, 441, 445, 453, 475 Rain am Lech  113, 121 Regensburg  16, 22, 24, 109, 111, 134, 225, 236, 238 f., 271, 307 f., 318, 321 f., 368, 379, 419, 463, 484 Reichenberg (Liberec)  38, 275–277, 427 Rokitzan (Rokycany)  52, 57 f., 61, 63 Rom (Roma)  351, 414

Sagan (Żagań)  16, 109, 111, 141, 211, 271, 275, 281, 290–292, 419 Sarajevo  214, 240 Sarstedt  84 Schweidnitz (Trhové Sviny)  233–236 Schwerin  108, 275, 281, 283, 484 Smirschitz (Smiřice) 290, 428 Soest  74 Stargard in Pommern (Stargard Szczeciński)  484 Steinau an der Oder (Ścinawa)  236, 247 Stettin (Szczecin)  133 f., 159 Stiahlau (Št´áhlavy)  428 Stiep (Štípa)  280, 416 Strakonitz (Stracknitz, Strakonice)  55 Stralsund  7, 76 f., 95, 151–153, 162–164, 214, 220, 267, 463, 476 Straßburg (Strasbourg)  135, 190, 196, 374, 378 Suhl  40 f., 45 Swinemünde (Świnoujście)  432, 437 Tabor (Tábor)  38 Teschen (Těšín, Cieszyn)  61 Trient (Trento)  16, 114 Turnau (Turnov)  417, 426 Überlingen  260 Ulm  158, 260 f., 263 Ulvsbäck  219 Venedig (Venezia)  146, 151, 219, 260, 349, 351, 420 Verden  228 Verdun  373 Verona  461 Vervins  43 Walditz (Valdice)  275, 277, 280, 285, 416, 419, 423–426, 475 Wasserburg  462 Weimar  5, 163 f., 321, 325, 330, 330, 342–345, 357, 361, 395–397, 403

572 Ortsregister Weißwasser (Bělá pod Bezdězem)   419, 422 Werben an der Elbe  82 Wien  4 f., 13 f., 17 f., 21, 24, 26, 35, 37, 46, 105, 111, 114, 116–119, 125–128, 135, 142–144, 151, 153, 174 f., 217, 222 f., 226–229, 231, 234–237, 239, 251, 262 f., 281, 285, 287, 330, 343,

352, 354, 375, 381–383, 387, 412, 428, 440 f., 481 Wismar  275, 281 f. Wittstock  68 f., 87–93, 98, 267 Wolgast  214, 413 Zella  45 Zirndorf  434